Subgenre: High Fantasy

Cover des Buches: "Anidas Prophezeiung" von Susanne GerdomIn ländlicher Umgebung, etwas isoliert, wachsen ein Junge und seine zwei Schwestern ohne Mutter auf, liebevoll umsorgt von der Tante, weniger vom bärbeißigen Vater, Lord Joris. Kurze Szenen aus einigen Jahren enden mit dem Besuch der zweiten Tante, einer Weißen Hexe, die bei allen Geschwistern den Magietest vornimmt. Er fällt bei der Jüngsten erstaunlicherweise negativ aus. Trotzdem geht es darum, dass sie mitwirkt, eine Welt zu retten, die sie noch nicht einmal kennt, während der Bruder längst zu den Grauen Magiern abgedriftet ist. Und die Bedrohung von der schwarzen Seite wächst …

-“Simon! Herr Simon!” Mit schrillen Rufen lief der langbeinige Junge über den Hof und scheuchte dabei eine Schar von Hühnern auf, die sich friedlich gesonnt hatten und nun laut gackernd das Weite suchten.-

Mit unscheinbarem Gewand und (für Fantasyverhältnisse) geringer Seitenzahl beginnt Susanne Gerdom ihre Trilogie rund um die Zwillinge Anida und Adina, die ihre Welt retten sollen. So weit nichts Neues. Doch dieser alte Hut wird von der Autorin ziemlich gut neu verpackt und nicht zuletzt der locker-flockige Schreibstil lässt die 400 Seiten wie im Flug vergehen. Besonders die aus der Ich-Perspektive erzählten Abschnitte Adinas mit ihrem trockenen Humor sind gelungen und sorgen für mehr als einen Lacher.

Zwar erfährt man nicht allzu viel von den Welten, auf denen die Charaktere leben, doch es reicht aus, dass sich der Leser ein Bild machen kann – der Rest bleibt der Phantasie überlassen. Die Gegensätzlichkeit der Welten, in denen die Zwillinge aufwachsen, sorgt für einen amüsanten Kulturschock Adinas, meiner Meinung nach der beste Teil des Buches.

Die Handlung verläuft sehr gradlinig, was den einzigen Wermutstropfen an dem ansonsten guten Buch darstellt. Mehr als die Geschichte der beiden Hauptpersonen wird nicht erzählt, hier hätte man sich ein wenig mehr gewünscht. Außerdem spart sich die Autorin den Hauptteil der Erklärungen für den nächsten Band: Fragen nach dem Warum werden mit “Es ist noch nicht die richtige Zeit.” auf später verlegt. So hat man zwar am Ende den Hauch einer Ahnung, tappt aber weiter wie Adina und Anida im Dunkeln.
Das Buch macht jedenfalls Lust auf mehr, zum Glück handelt es sich lediglich um den Auftakt. Ein leichter Spaß für Zwischendurch, vielleicht kein Highlight der Fantasy, aber dennoch lesenswert.

Assassin's Quest voh Robin HobbKing Shrewd ist tot. Fitz ist offiziell auch tot. Also machen sich Fitz und Nighteyes auf, um ihren Freund und König Verity zu retten. Dieser ist auf der Mission, die Elderlings zu finden, verschollen. Regal ist nun König der Six Duchies. Fitz fasst den festen Entschluss, erst einmal Regal zu töten, und dann Verity zu retten. Leider entpuppt sich beides als nicht so einfach, zumal niemand weiß, in welchem Niemandsland Verity verschollen ist. Letztendlich gilt es allerdings “nur” die Elderlings zu finden, sie als Verbündete zu gewinnnen und damit die Six Dutchies zu retten.

-I awake every morning with ink on my hands. Sometimes I am sprawled, facedown, on my worktable, amidst a welter of scrolls and papers.-
Prologue, The Unremembered

Der abschließende Band der Farseer-Trilogie ist ein würdiger Abschluss der Serie und ein ebenso großes Lesevergnügen wie die beiden Vorgängerbände. Dennoch reicht es nicht zur vollen Zufriedenheit.
Auf den ersten Blick scheint der Band einen Bruch gegenüber den anderen beiden zu vollziehen, da anstelle von höfischen Intrigen nun mehr und mehr offener Kampf in den Vordergrund tritt und auch die fantastischen Elemente an Stärke gewinnen. Trotzdem fügt sich das Buch nahtlos in die Reihe ein, da die Geschichte von Fitz konsequent weiterentwickelt wird. Die ersten beiden Bände enthielten die Einführung der Hauptfigur Fitz Chivalry und der Welt, in der er lebt, die Entwicklung seines Lebens am Königshof und schließlich den vorläufigen Höhepunkt von Regals Intrigenspiel. In Assassin’s Quest (Die Magie des Assassinen) folgt nun das “retardierende Moment” – Fitz’ Genesung und sein mühevoller Weg durch die Six Duchies und das Bergkönigreich -, bie es schließlich in der “Katastrophe” eines äußerst actionreichen Finales endet. Gegenüber den ersten beiden Bänden treten fantastische Motive nun stärker in den Vordergrund, insbesondere werden die magischen Kräfte “Skill” und “Wit” nun (endlich) näher beschrieben und weiter entwickelt.

Leider rächt es sich aber am Ende der Reihe, dass Hobb ihrer Hintergrundwelt im Verlaufe von zweieinhalb Bänden kaum Tiefe verliehen hat. Im zweiten Teil des dritten Bandes soll nämlich eine ganze Menge davon nachgeholt werden, insbesondere wird der Leser innerhalb weniger hundert Seiten mit einer ganzen Reihen von Geheimnissen um die Skill-Magie und die Elderlinge konfrontiert, die zuvor allenfalls kurz angedeutet wurden. Und auf den relativ wenigen Seiten des Finales wird plötzlich auch das Geheimnis der Outislander-Überfälle enthüllt, obwohl im dritten Band von ihnen kaum mehr die Rede ist. Hier wäre es sinnvoller gewesen, wenn Hobb nicht ganz so viel Platz auf die – teilweise doch etwas langatmige – Reise von Fitz und seinen Gefährten verwendet, sondern einige der epischen Geheimnisse besser vorbereitet hätte.
Trotzdem ist aber auch dieser letzte Farseer-Band wieder ein fesselnder Lesespaß, weil Hobb alle ihre erzählerischen Stärken ausspielt: Facettenreiche Protagonisten mit glaubwürdigen Interaktionen und nachvollziehbarer Entwicklung, die die Handlung vorantreiben. Besonders spannend ist es etwa zu lesen, wie sich die Beziehung zwischen Fitz und Nighteyes weiterentwickelt; auch die überraschenden Seiten, die der ehemalige Hofnarr plötzlich offenbart, geben der Geschichte eine neue Würze. Und diese Elemente sind auch der Grund, warum ich auch die nachfolgende(n) Trilogie(n) in der Welt der Sechs Herzogtümer – auch wenn sie für meinen Geschmack zu wenig Komplexität besitzt – sicherlich lesen werde.

Cover von Athyra von Steven BrustEs ist ein aufregender Tag für den Bauernjungen Savn, der von Meister Wack zum Medikus ausgebildet wird. Zaum, ein Bewohner des Dorfes, der als Lieferant auch für den Baron Looran gearbeitet hat, wird tot aufgefunden. Im Dorf glauben alle, daß Zaum ermordet wurde, obwohl Meister Wack die Todesursache nicht feststellen kann. Auch ein Verdächtiger ist schnell gefunden: der am selben Tag ins Dorf gekommene Ostländer Vlad Taltos. Er hatte vor einiger Zeit zusammen mit Zaum eine unerfreuliche Begegnung mit dem Baron und nun hat Looran ihn in das Dorf der Leinbauern gelockt, um mit ihm ebenso abzurechnen wie mit Zaum, das erzählt Vlad jedenfalls Savn. Savn weiß nicht so recht, was er glauben soll. Vielleicht ist Vlad doch Zaums Mörder? Aber als Vlad seine Hilfe braucht, ist Savn zur Stelle.

-Savn war der erste, der ihn sah, und übrigens auch der erste, der die Vorboten sah. Die Vorboten benahmen sich, wie sie es immer tun: sie wurden erst erkannt, nachdem etwas passiert war. Als Savn sie erblickte, sprach er nur seine Schwester Polinice an. Er sagte: “Der Sommer ist fast vorbei; die Jheregs paaren sich schon.”-
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Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Phönix (Phoenix) ist Athyra deutlich schwächer. Das soll keineswegs heißen, daß dieses Buch schlecht ist, aber die Erwartungen des Lesers werden enttäuscht. Athyra scheint eher ein Entwicklungsroman über den Bauernjungen Savn zu sein, als die spannende Schilderung eines neuen Abenteuers des Auftragsmörders Vlad Taltos. Es wird viel philosophiert in diesem Roman. Vlad und Savn erörtern die uralte Frage “Was ist Wahrheit”, sie sprechen über den Unterschied zwischen Kriegern und Soldaten, über Selbstbewußtsein und darüber, wie man seine eigenen Grenzen überwindet. Das ist zwar alles ganz interessant, aber je länger man darauf wartet, daß die Geschichte endlich in Fahrt kommt, um so mehr verliert man die Lust, den beiden bei ihren philosophischen Erörterungen zu folgen. Allerdings ist Vlad meistens eher wortkarg, es kommt häufig zu Dialogen, die klingen als stammten sie aus einem Western: Savn frag Vlad: “Hast du wirklich Leute getötet?” “Ja.” “Das ist bestimmt gruselig.” “Nur, wenn sie mich finden.” “Suchen sie denn noch nach dir?” “Oh, ja.” “Glaubst du, sie finden dich?” “Ich hoffe nicht.” “Was hast du denn getan?” “Ich bin fortgegangen.” “Nein, ich meine, warum wollen die dich töten?” “Ich habe einige Geschäftspartner verärgert.” “Was für ein Geschäft hattest du denn?” “Dies und das.” “Oh.” Man ist von Vlad ja eine lakonische Redeweise und trockenen Humor gewohnt, aber auch wenn er ab und an bei den Gesprächen seine Ironie durchscheinen läßt, fehlt es diesen Dialogen an Komik. Der ganze Roman ist weit weniger humorvoll geschrieben als Phönix und leider wurde der fehlende Humor nicht durch Spannung und Action ausgeglichen. Statt dessen führt Vlad Savn und den Leser in eine Technik ein, die eine Mischung aus autogenem Training, Selbsthypnose und Meditation ist und man erfährt einiges über alte Heilmethoden und zwar auf eine Weise, die einen tiefe Dankbarkeit für die Segnungen der heutigen Apparatemedizin empfinden läßt.
Der finale Showdown wird routiniert abgewickelt. Falls Steven Brust sich von dem Etikett “Fun-tasy” befreien wollte, dann hat er sein Ziel erreicht, aber der Sprung in die “ernste” Fantasy ist ihm mit diesem Buch nicht so recht gelungen. Da Vlad und Savn eine engere Bindung eingehen, könnte es aber auch sein, daß Brust Athyra nur geschrieben hat, um Savn als neue Figur einzuführen und man hoffen darf, daß das nächste Abenteuer der beiden wieder witziger und spannender wird. Der folgende Band wird es zeigen…

Eragon: Der Auftrag des Ältesten von Christopher PaoliniNach der zunächst siegreichen Schlacht bei Farthen Dûr, bei der Eragon schwer verletzt wurde, ereilt die Varden ein weiterer Schicksalsschlag: Murthag, Ajihad und die magiebegabten Zwillinge werden von einer versprengten Urgal-Truppe überrascht und getötet. Ajihads Tochter Nasuada wird nach inneren Machtkämpfen die neue Anführerin, doch viel Zeit bleibt nicht: Galbatorix weiß nun von dem Versteck der Varden, sie müssen nach Surda fliehen. Gleichzeitig wird Eragon zu den Elfen nach Ellesméra geschickt um seine Ausbildung als Reiter zu vollenden. Auch in Carvahall spitzt sich die Lage zu, denn Roran, das einzige noch lebende Familienmitglied von Eragon, ist ins Visier von Galbatorix geraten.

– Die Lieder der Toten sind das Wehklagen der Lebenden. So dachte Eragon, als er über den verrenkten Leichnam eines Urgals hinwegstieg und das Wimmern der Frauen hörte, die ihre toten Männer und Söhne vom blutdurchtränkten Boden Farther Dûrs aufhoben. –

Zu Der Auftrag des Ältesten liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Die Augen des Drachen von Stephen KingFlagg ist der engste Berater Rolands, des Königs von Delain. Er ist es, der beinahe alle wichtigen Entscheidungen trifft. Das kann er, da es Roland an Willensstärke und Intelligenz mangelt. Doch Roland ist alt und wird nicht mehr lange zu leben haben. Der Thronfolger Peter ist dagegen nicht mit diesen Schwächen versehen, er könnte Flaggs finsteren Pläne im Wege stehen. Thomas, der jüngere Bruder Peters, ließe sich leicht manipulieren, denn er ist oftmals einsam und verwirrt. Gelingt es Flagg, dem Meister der Intrige und des Giftmischens, Peter aus dem Weg zu räumen und Thomas auf den Thron zu setzten?

-In einem Königreich namens Delain lebte einst ein König, der hatte zwei Söhne.-
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Magie spielt im Königreich Delain eine geringe Rolle. Zwerge und Trolle sind schon lange tot und einen der (vielleicht sogar den) letzten Drachen hat König Roland erlegt. Einzig der Hofzauberer Flagg benutzt in seltenen Fällen Magie und diese ist eher unauffällig – er ist ein Mann der Alchemie und des Giftmischens. Darüber hinaus will die Geschichte realistisch sein, dieses gilt besonders für die Charakterentwicklung und Motivationen.
Peter wird zu einem moralischen Menschen von seiner Mutter Sasha erzogen, er ist intelligent, gebildet (zumindest für einen jungen Adligen) und hält sich physisch fit. Dennoch ist er kein Übermensch, weder moralisch noch von seinen Fähigkeiten her. Thomas, bei dessen Geburt Sasha stirbt, wird weitestgehend sich selbst überlassen – bis sich Flagg seiner annimmt, um ihn zu einem willigen Werkzeug zu formen; Flagg braucht nur eine Marionette. Auch alle anderen Charaktere werden mit liebevollem Detailreichtum entwickelt, so wird zum Beispiel auf zwei Seiten erläutert, warum der Vater meint, seinen Sohn aus Liebe  schlagen zu müssen. Es gibt keine übermenschlichen Helden oder unmenschlichen Bösewichte – mit Ausnahme von Flagg. Die vielen Details und die kleinen Stärken und Schwächen machen die Figuren menschlich und bringen sie nahe. Man bangt mit ihnen und ist erleichtert, wenn die Gefahr vorüber ist – oder trauert gegebenenfalls auch um sie. Doch zu Flagg, ist der nicht unglaubwürdig? Jain. Natürlich wird niemand annehmen, so einem Kerl über den Weg laufen zu können, auch seine Motive lassen sich nicht zur Gänze nachvollziehen, aber wer sich darauf einlassen kann, dem wird Flagg nur um so schrecklicher erscheinen.
Diese besondere Stärke, die ausgedehnte Erläuterung der Beweggründe der Akteure, kann aber auch als besondere Schwäche aufgefaßt werden, denn die Geschichte ist somit sehr charakterzentriert, es bleibt nur wenig Raum, die Handlung zu entwickeln. Dieses mag manchem Leser zu zähflüssig sein. Im ersten Teil geht es um die Bemühungen Flaggs Peter loszuwerden und die Kontrolle über die Regierung zu erlangen.

Bemerkenswert sind die Episoden um das Puppenhaus von Sasha und den Gebrauch von Servietten; beides rettet Peter zweimal das “Leben”. Die Episoden sind originell, z.T. sehr phantastisch, aber dennoch nicht die Glaubwürdigkeit der Geschichte strapazierend. Echte Glanzstücke.
Die Form ist sehr schwer zu fassen. Am Besten scheint die Beschreibung als “Modernes Märchen” zu passen. Nun darf man nicht glauben, daß dieses eine Geschichte für Kinder sei oder daß hier alles “märchenhaft” (wie unglaublich schön) wäre – es geht bisweilen recht brutal zu. Die Schilderungen sind zwar nicht ausführlich, aber durchaus plastisch. Doch die “Logik” der Geschichte erinnert sehr an Märchen, ebenso wie der Schreibstil. Die Sprache ist für ein Märchen immer angemessen, allerdings ist sie auch nicht überragend gelungen.

Aus Wasser geboren von Greg KeyesPerkar, der eigentlich den Haushalt seines Vaters verlassen und eine eigene Familie gründen sollte, lässt sich zu einer kaum zu bewältigenden Mission hinreißen: Er will den Gott des Großen Flusses besiegen. Als er zusammen mit anderen Kriegern seines Stammes auszieht, um mit dem Waldgott um weiteres Weideland zu verhandeln, sieht er seine Gelegenheit gekommen.
Weit unten, schon beinahe im Flussdelta, verfügt der Herrscher der riesigen Stadt Nhol über die Macht des Flusses. Als Hezhi, eine seiner Töchter, langsam erwachsen wird, beginnt sie zu ahnen, dass dafür ein Preis zu zahlen ist. Stur stellt sie eigene Nachforschungen an.

Zu Aus Wasser geboren liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Avempartha von Michael J. SullivanDie naive Bauerntochter Thrace bittet Hadrian und Royce um Beistand: Ihr Dorf wird von einem Ungeheuer heimgesucht, dessen nächtliche Angriffe schon zahlreiche Menschenleben gefordert haben. Die einzige Waffe, mit der es besiegt werden kann, soll in der verlassenen Elfenfestung Avempartha verborgen sein – doch dorthin ist seit Jahrhunderten niemand mehr vorgedrungen. Schnell stellt sich heraus, dass hinter dem Hilferuf in Wahrheit der Zauberer Esrahaddon steckt, der eigene Gründe hat, nach Avempartha gelangen zu wollen. Aber auch die Kirchenoberen haben Interesse an den Vorgängen und gedenken, sie im Sinne ihrer Machtambitionen auszuschlachten …

– They stood very near the ridge of the cataract and could see the white mist rising from the abrupt drop like a fog. Out in the middle of the river, at the edge of the falls, a massive shelf of bedrock jutted out like the prow of a mighty ship that ran aground just before toppling over the precipice. On this fearsome pedestal rose the citadel of Avempartha. –
(Chapter 5 – The Citadel)

Michael J. Sullivans Konzept, seine epische Geschichte in mehreren in sich abgeschlossenen Episoden zu erzählen, geht auf: Avempartha hat zwar seine Schwächen, aber es sind nicht die eines klassischen Übergangsbands. Das Abenteuer um den Kampf gegen den drachenähnlichen Gilarabrywn funktioniert durchaus auch als Einzelbuch, obwohl natürlich einige Handlungsstränge aus The Crown Conspiracy ihre Fortsetzung finden. Manch ein Rückbezug bringt einen dabei zum Schmunzeln (so entdecken die Helden etwa ein Theaterplakat, das ein Stück über ihre im Eingangsband der Reihe geschilderten dramatischen Erlebnisse anpreist).

Ein Übermaß an Originalität darf man auf der Plotebene nicht erwarten. Es kommen wieder zahlreiche altbekannte literarische Motive zum Einsatz, allen voran der Herrschaftserwerb im Drachenkampf, wobei dieses Element recht gelungen mit der ebenfalls gängigen Vorstellung verknüpft ist, dass die Überwindung eines Ungeheuers Heiligkeit und Gottesnähe beweist. Auch die klassische Entführung (mehr als) einer damsel in distress durch den Drachen darf natürlich nicht fehlen, nimmt aber immerhin eine ganz erfrischende Wendung. Für den Leser amüsant ist die innerhalb der Geschichte eher beklemmende Tatsache, dass die schurkischen Kirchenleute mit solchen Erzählkonventionen bestens vertraut sind und sie zu ihren Gunsten auszunutzen verstehen.

Die Antagonisten sind jedoch nicht die einzigen, die in Avempartha an Profil gewinnen. Sullivan entwickelt seine Charaktere nach wie vor mit viel Verständnis und gelegentlich auch mit unterschwelligem Humor. Besonders der ambivalent gezeichnete Zauberer Esrahaddon ist mit seinem fortdauernden Kampf gegen die Tücken der modernen Sprache und seiner Selbstironie für einige Lacher gut. Manch eine Entwicklung kommt nicht weiter überraschend (so ahnt man z.B. schon seit dem ersten Band, worin Royces hier enthülltes großes Geheimnis besteht), aber die lockeren Frotzeleien des Heldenduos und die unbedarfte Entschlossenheit, mit der die rebellische Prinzessin Arista wieder einmal durch jedes Klischee stiefelt, sind so unterhaltsam, dass man ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit gern in Kauf nimmt.

Auch der Weltenbau ist vertrauten Mustern verhaftet: Sullivan schildert weiterhin ein typisches Pseudomittelalter. Vor allem die seit Jahrhunderten versiegelte Elfenfestung Avempartha bietet genau das, was man von einem solchen Gebäude erwartet, von wundersamen Artefakten über magische Kraftorte bis hin zu düsteren Spuren älterer und neuerer Tragödien. Was allzu gewohnt und daher langweilig sein könnte, funktioniert erstaunlich gut, denn wie im Falle der Figuren gelingt es dem Autor, einen emotional anzusprechen und eine Art nostalgisches Lesegefühl zu erzeugen, das eher von erfüllten Erwartungen als von ihrer heute schon allgegenwärtigen ironischen Brechung getragen wird.

Störend sind allerdings die zahlreichen Tippfehler, die sich eingeschlichen haben; gerade bei einem für Fantasyverhältnisse recht kurzen Roman in überwiegend schnörkelloser Sprache sollte man eigentlich annehmen dürfen, dass das Korrekturlesen nicht zu viel Mühe bereitet und dementsprechend gründlich erfolgt.

Banewreaker von Jaqueline CareySeit Jahrhunderten haust der dunkle Herrscher Satoris in seiner Festung Darkhaven und brütet Armeen von Fjelltrollen und Weren aus, um die freien Völker zu versklaven. Aber eine Prophezeiung des Ersten Schöpfers Haomane besagt, daß Satoris vernichtet werden kann. Eine Verbindung zwischen Ellyl und Menschen ist der erste Punkt der Prophezeiung, und so planen Cerelinde, die schöne unsterbliche Herrin der Ellylon, und Aracus, der vertriebene König des Westens, zu heiraten, um die Erfüllung in die Wege zu leiten. Satoris, der sich seinem rachsüchtigen Bruder ewig widersetzt, versucht die Hochzeit zu verhindern und schickt seine drei Marschälle Tanaros, Vorax und Ushahin hinaus in die Welt. Er ficht einen verzweifelten Verteidigungskampf.

-The place was called Gorgantum.
Wounded once more, he fled there, and having fled, seethed. It was not a defeat, not wholly.-
Prologue

Wo andere Autoren sich damit begnügen, Tolkien-Epigonen zu sein, nimmt Jacqueline Carey im zweibändigen Epos The Sundering den Herrn der Ringe und Das Silmarillion auf, um mit den Themen und Aussagen Tolkiens zu arbeiten, mit seinen Figuren, seiner Weltschöpfung und seiner Interpretation von Gut und Böse. Wer Tolkien begeistert gelesen hat und sich schon lange eine Geschichte mit ähnlicher epischer Breite und mythologischem Hintergrund wünscht, wird bei The Sundering fündig werden. Vieles ist direkt entliehen, etwa die (ähnlichen) Namen und Aufgabenbereiche der der sieben Schöpfer, die ganz verdächtig Tolkiens Valar ähneln, genauso wie Carey ihre Ellylon auch gut und gerne als Elben hätte bezeichnen können. Auch sprachlich macht Carey bei ihrer Hommage eine gute Figur und beherrscht den epischen Stil, ohne ins Überkandidelte abzugleiten. Einen zweiten Herrn der Ringe hat sie allerdings trotzdem nicht erzählt.
Denn – und jetzt wird’s interessant – auch LeserInnen, die mit Tolkiens extremer Schwarz-Weiß-Malerei schon immer auf Kriegsfuß standen, die sich längst gefragt haben, ob Morgoth oder Sauron nicht doch nur Rebellen waren, und nicht die Verkörperung des absolut Bösen, bekommen hier eine interessante Variante der Geschichte aufgetischt. In erster Linie schaut man nämlich in Banewreaker (Der Herr der Dunkelheit) den überall anerkannten Bösewichten über die Schulter. Die alte Leier von Gut und Böse wird verdreht und undurchsichtig, wenn man sich plötzlich auf der Seite des großen Übels der Welt wiederfindet.

Haomane, der erstgeborene Schöpfer, der für Vernunft und rationales Denken steht, läßt seine Anhänger, die “guten” freien Völker, im besten Glauben gegen den ausgewiesenen Obermotz Satoris – einst ebenfalls einer der sieben Schöpfer, doch längst aufgrund seiner Widerspenstigkeit in Ungnade gefallen – in den Krieg ziehen, und das schon seit Jahrhunderten. Satoris, der für Leidenschaft und die fleischliche Zeugung von Leben steht, wird als mächtige, düstere Kreatur gezeichnet, die ein immerwährender Schmerz plagt und für die Rebellion gegen seinen Bruder bitter büßen muß. Verzweifelt kämpft er dagegen an, das zu werden, was die Welt in ihm sieht. Der Ansatzpunkt ist somit ein ganz anderer als bei Tolkien (und dem Großteil seiner Nachfolger).

Man verfolgt durchaus auch die Machenschaften der “guten” Seite, die sich voll im Recht fühlt, das Land vom Zerstörer zu befreien. Carey schafft dabei auf beiden Seiten faszinierende und sehr menschliche Charaktere (auch wenn eine ganze Reihe davon quasi-unsterblich ist, als würde man bei Tolkien nicht die Hobbits, sondern die Herren und Zauberer als Identifikationsfiguren anbieten), die Düsterlinge liegen ihr aber eindeutig mehr. Was durch diesen verwirrenden Standpunkt allerdings komplett wegfällt, ist das Böse. Widerlinge gibt es hier nicht, und alle Charaktere, egal welcher Fraktion, haben eine edle Seite, sie sind höchstens einmal starrköpfig und uneinsichtig oder verletzt an Körper und Geist – aber abgesehen von diesem immerwährenden Konflikt scheint die Welt Uru-alat von Schlechtigkeit relativ frei zu sein. Der dichte Reigen von Ereignissen mythischer Dimension verhindert allerdings, daß man vom Alltag der Welt (und ihrer etwaigen alltäglichen Schlechtligkeit) bis auf wenige Ausnahmen viel mitbekommt.

Ein wenig leidet die Intensität des Romans unter der Fülle von Figuren – man hätte sich gewünscht, ein wenig länger bei den Einzelnen verweilen zu können, statt gleich wieder zum nächsten aus der Riege überzugehen.
Dennoch ist Banewreaker ein großes Lesevergüngen für Fans von klassischer Fantasy. Wo es nötig ist, beherrscht Carey die epische Breite und hochtrabende Sprache und fängt so die Atmosphäre der mythischen Umwälzung der Welt sehr gut ein. Dabei bietet sie mehr Stoff zum Nachdenken – auch über die Konventionen der tolkienesken Fantasy – als ein weiterer Tolkien-Abklatsch, denn es wird deutlich, dass sie sich  ausführlich mit den Themen auseinandergesetzt und sie zu etwas Neuem verarbeitet hat. Die Vielzahl der verdrehten Anspielungen auf Tolkien zu entdecken, ist dabei noch das kleintse Vergnügen, das die Lektüre bereiten kann.

Cover des Buches "Im Bann der Sturmreiter" von Cecilia Dart-ThorntonBeim Turm der Sturmreiter, die auf ihren geflügelten Pferden Nachrichten und kostbare Güter überbringen, wird ein entstelltes und stummes Wesen gefunden, und als einer der untersten Bediensteten aufgenommen. Als er erfährt, dass es in der Hauptstadt weit weg eine Heilung für seine Entstellungen geben könnte, flieht er auf einem Luftschiff und wird von Sianadh, einem halb-verrückten Piraten, gerettet.
Sianadh verrät dem Jugendlichen, der sich an nichts aus seinem Leben erinnern kann, ein großes Geheimnis und gibt ihm einen Namen: Imrhien. Doch die unberührte Wildnis, durch die sie sich schlagen müssen, ist genau so heimtückisch und gefährlich, wie es die Geschichten berichten. An jeder Ecke lauern üble Wesen…

-Der Regen war ohne Anfang und ohne Ende, ein unentwegtes Klopfen wie das Getrommel von ungeduldigen Fingern. Das Geschöpf kannte nur den Klang des Regens und das Rasseln seiner Atemzüge. Es wußte nichts über sich selbst, hatte keine Ahnung, wie es hierhergekommen war.-
Prolog

Cecilia Dart-Thornton breitet in diesem Roman ein pittoreskes Panorama vor den Augen ihrer Leser aus, das alles enthält, was den Freunden der Fantasy Freude macht.
Imrhien, ein Geschöpf mit entstelltem Gesicht, trifft auf seiner Suche nach Heilung auf Elfen, Wichtel, Kobolde, Geister, Wasserfrauen, Trolle, Seelies und Unseelies, Glastyns, einen Magier und Heilerinnen und nur selten ist einer von ihnen Imrhien wohl gesonnen. Dieses Szenario sorgt für Spannung und gute Unterhaltung, vor allen Dingen auch dann, wenn die Helden nicht ihre Muskelkraft, sondern ihr Köpfchen gebrauchen müssen, um einer Gefahr zu entrinnen. Es gibt eine köstliche Episode, in der einer von Imrhiens Freunden sich ein Reimduell mit einem Kobold liefert, bei dem es darum geht, wer von beiden das letzte Wort hat.

Ihre Inspiration hat Cecilia Dart-Thornton vor allem aus keltischen Sagen, aber auch aus der Odyssee, den Märchen der Brüder Grimm und vielleicht auch bei Rowling geschöpft oder die beiden Damen haben zufällig eine gemeinsame Vorliebe für das Schachspiel.
Aber während die Autorin bei der Darstellung der übernatürlichen Wesen aus dem Vollen geschöpft hat, hat sie die Ausarbeitung von Imrhiens Charakter ein wenig vernachlässigt. Das liegt auch daran, dass Imrhien das Gedächtnis verloren hat, nichts über sich weiß und sogar eine ganze Weile ohne Namen ist. Man denkt unwillkürlich an Quasimodo, den Glöckner von Notre Dame, denn ebenso wie er ist Imrhien ein entstelltes, von anderen gequältes Geschöpf, das unglücklich, aber sensibel ist und trotz mangelnder Bildung intelligent und von schneller Auffassungsgabe. Daher erwartet man einen in eine Fantasygeschichte gekleideten Entwicklungsroman. Aber in diesem ersten Band macht Imrhien noch keine charakterbildende und -verändernde Entwicklung durch, sondern schöpft eigentlich nur das Persönlichkeitspotential aus, das von Anfang an gegeben ist.

Cover von Barbarendämmerung von Tobias O. MeißnerDer Barbar zieht durch ein nicht näher bestimmtes Land, das sich an seinen Rändern im Krieg mit den sogenannten Waldmenschen befindet. Auf seiner ziellosen Reise sieht sich der Barbar immer wieder mit der Dekadenz der Städte, ihren Regel- und Ordnungssystemen – die er weder teilt, noch nachvollziehen kann -, aber auch mit gefährlichen Monstern und sogar Heiligen und Göttern konfrontiert. Dabei wird er seiner Bezeichnung gerecht und zieht eine Spur der Verwüstung durch das Land.

-Menschen gaben sich diese Gesetze. Sie gaben sie sich selbst. Aber sie brachen sie auch. Nach eigenem Gutdünken.-
S. 258

Im Zentrum des Klappentextes zu Tobias O. Meißners Barbarendämmerung stehen vor allem die Rücksichtslosigkeit und Brutalität des titelgebenden Protagonisten, und tatsächlich nimmt die bildhafte Beschreibung von Gewalt und Grausamkeit recht viel Raum ein, die Stärken des Romans liegen aber vielmehr dort, wo den Abenteuern des Barbaren mehr abgewonnen wird als brutale Action.

Bis ungefähr zur Hälfte oder zwei Dritteln des Buches folgt auf ein in sich geschlossenes Abenteuer das nächste, sodass sich eher der Eindruck einer Sammlung von Erzählungen ergibt, auch wenn die Geschichten chronologisch aufeinander aufbauen und manchen kleinen Querverweis enthalten. Erst gegen Ende des Buches gehen die Episoden flüssiger ineinander über und sind nicht mehr für sich lesbar. Nachdem man sich aber über den Großteil des Romans auf Kapitel mit starker innerer Dramaturgie eingestellt hat, wirkt manches der abschließenden Kapitel mit überleitendem Charakter etwas belanglos, obwohl (oder vielleicht gerade weil) darin weiterhin die Regel von mindestens einem (mal mehr, mal weniger) ausführlichen Kampf pro Kapitel beibehalten wird.

Zwar lassen sich sämtliche Abenteuer flott lesen, vielleicht sollte man aber auch hier – wie bei Anthologien – immer mal wieder Pausen einlegen, um dem Repititionseffekt zu entgehen. Allerdings gibt es auch immer wieder besonders dichte Kapitel, die entweder mit ihrer Atmosphäre, der darin enthaltenen Figurenzeichnung und/oder über das Abenteuer hinausgehenden thematischen Gehalt punkten können. So fesselt etwa das Kapitel „ausSLöSCHeN“ den Leser/die Leserin mit der Verknüpfung vom Marsch durch einen Untoten-Sumpf mit retrospektiven Episoden. Grausiger Höhepunkt ist wohl die Kombination aus den Kapiteln „FReSSeN“ und „SauFeN“, die zeigt, dass nicht nur der Barbar in den Städten Chaos stiften kann, sondern auch die Städte im Barbaren.

Überhaupt gewinnt das Buch dort, wo es seinem Protagonisten etwas mehr Tiefe zugesteht, abseits des hypermaskulinen, naturverbundenen und non-konformen Barbarenklischees, dessen es sich bedient, und dem Verhältnis zwischen Barbar und StädterInnen mehr Ambivalenz verleiht. Denn das Barbarenklischee wird stellenweise ebenso dezent unterlaufen wie der damit verbundene Kulturpessimismus, der einem regellosen, „natürlichen“ Subjekt (dem Barbaren), die dekadenten und verweichlichten Städte gegenüberstellt. So etwa, wenn das Maß an Selbstdisziplinierung und -inszenierung erahnbar wird, das notwendig ist, damit der Barbar seine Wirkung erzielt, oder wenn klassisch kulturpessimistische Tiraden von einem egozentrischen und mehr auf Showeffekt, denn auf Wissenschaft schielenden Akademiker vorgetragen werden. Diesen Aspekten hätten gerne mehr Seiten gewidmet sein können, um den Abenteuern des Barbaren mehr Tiefe zu verleihen, denn das Aufeinanderprallen von unterschiedlichen Wertesystemen und die Geringschätzung der Städter für alles, was sie als unzivilisiert betrachten, wie die gleichzeitige seltsame Faszination, die dieses auf sie ausübt, wäre ein durchaus spannendes Thema, das hier allerdings zwischen allerhand Blutbädern eher untergeht als ausgearbeitet wird. Wie die Kapitelüberschriften zeigen, hat Tobias O. Meißner seine Freude an Experimenten nicht verloren, und in einem Kapitel kehrt er sogar der Prosa den Rücken.

The Blade Itself von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

-They’re everywhere. You really can’t change floors without them. And down is worse than up, that’s the thing people never realise. Going up, you usually don’t fall that far.-
Seite 10

Joe Abercrombie versucht mit der Trilogie The First Law, deren erster Band The Blade Itself (Kriegsklingen) ist, etwas frischen Wind ins Fantasy-Genre zu bringen – dies gelingt ihm jedoch bisher nur teilweise. Das Cover stellt ohne Zweifel eine wirklich hübsche Abwechslung von den generischen Fantasycovern dar – allerdings nur in der englischen Version, die Heyne-Ausgabe ist dafür doppelt beliebig. Der Titel ist ein Teil des Homer-Zitates “The blade itself incites to deeds of violence”, was – gemeinsam mit den Blutspritzern auf dem Coverbild – bereits ankündigt, dass wir uns im Grim-&-Gritty-Genre befinden, so viel gleich vorweg: es ist also mit blutigen Kämpfen, einer düsteren Welt und viel Misanthropie zu rechnen.

Die Story ist den derzeitigen Standards gemäß aus der Sicht verschiedener Personen erzählt, deren Handlungsstränge sich im weiteren Verlauf kreuzen. Das Reich im Niedergang, dessen Rettung aber noch möglich ist, klingt zwar nicht nach großer Innovation, mit seinem Händchen für die Abgründe von Genrestandards und seinem flotten Stil mit mitten-drin-Effekt verhindert Abercrombie aber erfolgreich, dass Langeweile aufkommt, obwohl im ersten Band der Trilogie die Story eher gemächlich voranschreitet.

Die Faszination von The Blade Itself liegt vor allem an den zentralen Figuren, die eingeführt werden. Hier profitiert das Buch eindeutig davon, dass Abercrombie sich mit seinen Protagonisten am klassischen Heldenrepertoire der Fantasy abarbeiten möchte und dabei mit sehr viel Witz zugange gewesen ist. Dabei verkommt der Roman aber nicht zur Parodie, sondern  Abercrombie hat sich bemüht, seine Helden (und seine Heldin) ambivalent zu gestalten und sie mit liebens- und hassenswerten Charakterzügen und/oder Tätigkeitsfeldern auszustatten. Wirklich tiefschürfend sind die Figuren dadurch jedoch nicht, denn das Bemühen, sie in einer Grauzone zwischen Gut und Böse anzusiedeln, resultiert schlussendlich darin, dass sie zwischen ihrer guten und ihrer schlechten Seite hin- und herpendeln, ohne dass dieser Widerspruch irgendwo thematisiert wird. So bleiben die Figuren leider trotz des humoristischen Touchs viel zu sehr ihren klischeehaften Ausgangspunkten verhaftet.

Daher ist es dann doch zumeist der Humor, der einen durch die Handlung trägt, denn der trockene, bissige und oft auch zynische Ton unterstreicht nicht nur das Grim-&-Gritty-Element, sondern liefert in seinen hemdsärmeligen und selbstironischen Momenten auch eine angenehme Abwechslung ebendavon. Wer Grim & Gritty mag und gerne pointierte Gedankengänge vom Leben gezeichneter Charaktere liest, der ist hier bestens aufgehoben.

Blade of Tyshalle Matthew Woodring StoverHari Michaelson tritt nicht mehr als Caine auf. Seit seinem letzten Abenteuer auf Overworld hat er einen Posten beim Studio, und dort sitzt er – von der Hüfte abwärts gelähmt – seine Zeit ab, entfremdet von sich selbst und seiner Frau. Die Studio-Bosse haben allerdings Pläne, die weit über die bisherigen Eingriffe auf Overworld hinausreichen, denn wartet dort nicht eine neue Welt, die alle Ressourcen bietet, die die Menschheit bereits verbraucht hat?
Hari und seine Frau Shanna, auf Overworld die Flussgöttin Pallas Ril, wollen nicht tatenlos zusehen, ahnen aber nicht einmal, wie mächtig die Feinde sind, die sie sich auf der einen und der anderen Welt gemacht haben. Sie warten nur auf ihre Gelegenheit …

-A tale is told of twin boys born to different mothers.
One is dark by nature, the other light. One is rich, the other poor. One is harsh, the other gentle. One is forever youthful, the other old before his time.
One is mortal.-
Zero

Heroes Die, das erste Abenteuer des Schauspielers Hari Michaelson, der als Caine zum Fantasyhelden in einer Parallelwelt wird, definierte 1998 die Sword & Sorcery neu. Der Nachfolger Blade of Tyshalle sprengt Genregrenzen und überschreitet auch alle anderen Grenzen, auf die er im Laufe von knapp 800 klein bedruckten Seiten stößt.
Die Handlung könnte man zunächst als zweiten Aufguss von Heroes Die verstehen: Protagonisten, Antagonisten und der Konflikt ähneln sich, doch das Spiel mit Schauspieler und Publikum, mit der Geschichte und ihrer Verquickung mit den Rezipienten, das den ersten Band bestimmt, wird von einer breiteren Thematik abgelöst: Die Erde hat entdeckt, dass sich das von sogenannten Elfen und Zwergen bewohnte Overworld (diese Volksbezeichnungen sind ähnlich pejorativ zu verstehen wie in unserer Geschichte etwa “Rothäute”) noch viel direkter ausbeuten lässt als nur als Abenteuerspielwiese für Reality Shows. Vor allem aber ist Blade of Tyshalle größer, epischer, die Abgründe klaffen tiefer, es steht mehr auf dem Spiel, es wird mehr gelitten (oh, was wird zwischen diesen Buchdeckeln gelitten), und es gibt mehr zu bestaunen.

Statt nur Caine und hin und wieder einigen Nebendarstellern gibt es nun eine ganze Riege wichtiger Figuren; statt vorrangig auf einer Welt zu spielen, gibt es zwei Schauplätze, die nicht unterschiedlicher sein könnten: das magische Overworld kommt diesmal weit über eine bloße Kulisse hinaus, weite Teile des Romans spielen jedoch auch auf der zukünftigen Erde, in einer dystopischen, gnadenlosen Kastengesellschaft, in der nur Dinge weitergedacht wurden, die im Ansatz bereits vorhanden sind – Medienmacht, Reichtum, der bei einigen wenigen im Hintergrund bleibenden Mächtigen gebündelt ist, eine hoffnungslose Unterschicht und eine starke Polizeimacht, die dieses (anti-)soziale Gefüge zusammenhält. Stovers Gesellschaftskritik umschließt sowohl das große Ganze als auch kleine Details, wenn man von Einzelschicksalen in diversen Schichten erfährt oder das klassische Motiv des in einem solchen System gefährlichen gedruckten Buches zur Sprache kommt.
Da das Regime nun auch nach dem vergleichsweise idyllischen (wenn auch von paradiesischen Zuständen weit entfernten) Overworld lechzt, kann es seine ganze Brutalität in Form von Kolonialismus auch dort ausspielen, wo zwar keine Technik, sondern nur Magie funktioniert, indem es auf bewährte, alte Methoden zurückgreift, die schon den europäischen Konquistadoren gute Dienste geleistet haben.

Nietzsche, Heinlein und Howard, die innerhalb des Textes und in der Widmung genannt werden, zeigen die Eckpunkte für das auf, was dann als Reaktion folgt.
Trotz großer Figurenriege ist Blade of Tyshalle ein Buch Caines. Die Figur wird demontiert, filetiert sogar: Hari Michaelson/Caine (der noch viele weitere Namen bekommt und auch das Verhältnis zwischen seinen Persönlichkeiten ausloten muss) ist die Sorte Held, die erst ganz unten sein muss – und bei einem zähen Burschen wie ihm geht es verdammt weit nach unten – bis er wieder aufsteigen kann. Der Caine aus Heroes Die, der jede Situation im Griff hat, blitzt nur kurzzeitig auf, etwa dann, wenn er sich wie sein Vorgänger Conan auf einem Thron wiederfindet, ein Heer von Untertanen vor sich, obwohl er nicht zum Herrschen geschaffen ist und sein Fall bereits feststeht. Wenn man meint, aufgrund der Rückblenden in Blade of Tyshalle seine Biographie zu kennen, nimmt man Caine auch den fließenden Wechsel zwischen der Fäkalsprache des Slums seiner Herkunft und komplexen philosophischen Betrachtungen ab. Und am Ende wird man feststellen, ihn doch nicht gekannt zu haben.

Himmel und Erde werden in Blade of Tyshalle in Bewegung gesetzt, die Konflikte nehmen olympische Dimensionen an, existentialistische Philosophie steht neben knallharter Action, bluttriefender Brutalität und erhebenden, in beeindruckende Worte gefassten Momenten.
Die Grausamkeiten, die im Vorgängerband eigentlich schon eine Nummer zu groß waren, werden mit Links überschritten, Stover bedient sich hier klar aus der Effektschublade des Horrorgenres. Statt Sex und Gewalt gibt es nur Gewalt, denn brutaler Sex ist für Stover noch weniger als Gewalt ein Selbstzweck, sondern immer ein Machtmittel. Jedem Leser und jeder Leserin, die unappetitlichen Körperflüssigkeiten und Beschreibungen, bei denen man nur die Zähne zusammenbeißen und hoffen kann, sie mögen bald vorüber sein, lieber aus dem Weg gehen, kann man von der Lektüre nur abraten. Diese Szenen sind nicht nur um des Effekts willen vorhanden – extrem sind sie trotzdem.
Gerechtfertigt sind sie, wenn man so will, durch die extremen Themen, die Stover beackert: Wie in Blade of Tyshalle die Mechanismen der Adiaphorisierung und der Amoral der Massen greifbar gemacht und ins Zentrum der Handlung eines Fantasy-Romans gerückt werden, dürfte ein einzigartiges Meisterstück sein.

Die philosophischen Betrachtungen und Belastungstests der Ethik spielen sich nicht nur im Hintergrund ab, auch wenn Stover stark mit Leitmotiven arbeitet und seinen lebendigen, atemlosen Erzählstil beibehalten hat. Hinzu kommt ein Spiel mit der Erzählsituation des Romans und der Mythologisierung des Geschehens – wenn man sich also durchbeißen kann (durch die komplexe Thematik und die Brutalität) gibt es zum Ausgleich eine Ästhetik, die Ihresgleichen sucht. Die Sword & Sorcery wird in Blade of Tyshalle damit auf eine andere Ebene gehievt: Sie ist ein Erzählmodus, der den Rahmen für eine Geschichte vorgibt, die an allen Ecken und Enden aus ihrer Handlungsebene herausquillt.

Zu einem solchen monströsen Leviathan von einem Buch kann es auch nur ein persönliches Schlusswort geben: Mit Blade of Tyshalle hat Stover hoch gezielt, und es gibt allerlei Gründe, die dafür sprechen, dass er grandios gescheitert ist, dass man ein überambitioniertes, aus dem Ruder gelaufenes Projekt vor sich hat. Blade of Tyshalle ist vielleicht auch einer der Gründe, weshalb Stover trotz seiner innovativen, literarischen Romane nicht in einem Atemzug mit Steven Erikson genannt wird. Für mich ist Blade of Tyshalle dennoch ein großer Wurf, ein in allen Belangen beeindruckendes, erschlagendes Buch, das ich öfter als alle anderen aus dem Regal nehme. Und wer ein Nachwort verfassen kann, wie es in Blade of Tyshalle zu finden ist, darf vorher meinetwegen auch so oft “fuck” schreiben, wie er will.

Cover von Die blaue Stute von Jamieson FindlaySyeira, ungefähr elf Jahre alt, arbeitet in den Ställen des Königs Hulver von Heuensiel. Hulver ist ein berühmter Pferdezüchter und dank dieser Eigenschaft gelingt es ihm auch, sich den tyrannischen und eroberungswütigen Fürsten Ran vom Leib zu halten. Die besten Pferde, die es gibt, sind die arvanischen Wildpferde, schwer zu fangen und schwer zu zähmen. Doch König Hulvers Pferdefängern ist es gelungen, eine wilde Stute und ihre beiden einjährigen Fohlen zu fangen. Aber keinem gelingt es, sie zu zähmen, also werden sie zu den Tieren, die nur noch ihr Gnadenbrot bekommen, gesperrt. Nur Syeira besucht sie dort. Eines Tages kommt Fürst Ran nach Heuensiel und nimmt gewaltsam die beiden Fohlen mit. Syeira macht sich mit der Mutterstute, die sie Arwin nennt, auf den Weg, die Fohlen zu retten.

-Syeira war ein Mädchen, von dem kaum einer mehr wußte, als daß es im Stall am Fluß geboren war, zwischen alten Gäulen und den Geistern toter Pferde. Ihre Mutter war gestorben, als sie klein war, und an ihren Vater konnte sich niemand erinnern.-
Reißaus

Findlays große Stärke ist seine sprachliche Ausdruckskraft. Er erzählt eine Geschichte voller Sinnlichkeit, was aber bitte jetzt niemand mit “Erotik” verwechseln möge. Dieses Buch ist voller Gerüche, unter anderem deshalb, weil sich Syeira und Arwin auch mittels Geruchsbilder verständigen. Die intensive Darstellung dieser Geruchsbilder ist Findlay großartig gelungen, er macht den Leser glauben, ihm stiegen dieselben Gerüche in die Nase, wie den Protagonisten. Alle anderen Sinne werden ebenfalls angesprochen. Findlay schildert seine Welt sehr plastisch und manchmal kommt es einem so vor, als beschreibe er nicht eine realistische Landschaft, sondern das Landschaftsgemälde eines impressionistischen Malers.

Die Geschichte selbst ist guter Durchschnitt. Sie ist eine der unzähligen Abwandlungen der üblichen Queste: Der Held macht sich auf den Weg, um eine gefahrvolle Aufgabe zu erfüllen. In diesem Fall muß Syeira Arwin wieder mit ihren Fohlen vereinen, die vom finsteren Fürsten Ran gefangen gehalten werden. Allerdings folgt Findlay nicht dem üblichen Muster: Held begibt sich auf die Reise, Gefahr springt aus dem Busch, Kampf, Held siegt, Held reist weiter, Gefahr springt aus dem Busch und so weiter und so fort … sondern Syeiras Weg ähnelt dem eines Märchenhelden. Sie trifft unterwegs nicht auf einen Bösewicht nach dem anderen, sondern auf Helfer, die ihr Gaben schenken, die ihr auf ihrem Weg von Nutzen sind. Auch trifft sie im Wald auf einen kleinen, seltsamen Ritter. Diese Szene erinnert an andere Männlein, die in Märchenwäldern hausen, aber auch an mittelalterliche Artusromane. Leider wirkt die Abfolge von nacheinander auftretenden Helfern ein wenig einfallslos. Am Ende gibt es dann den finalen Zusammenstoß mit dem Bösewicht und einen actionreichen Showdown.

Cover von The Briar King von Greg KeyesVor rund 2000 Jahren konnten sich die Vorfahren der heutigen Bewohner der Kingdoms of Thorn and Bone mithilfe von Genia Dare, der “Born Queen”, aus der Sklaverei der Skasloi-Lords befreien. Doch der Frieden, den das Zeitalter von Everon den Menschen brachte, ist in Gefahr:
Nicht nur der aufkeimende Konflikt zwischen den Königreichen von Hansa und Crotheny, sondern auch eine im Königswald von Crotheny aufwachende, uralte Macht werfen ihre Schatten voraus. Aspar White, der Beschützer des königlichen Waldes, Stephen Darigde, ein junger Priester, Neil MagVren, ein Knappe, Anne, die junge Tochter des Königs, sowie der König selbst werden als Hauptakteure in diesen Konflikt hineingezogen.

-Aspar White smelled murder. Its scent was like a handful of autumn leaves, crisped by the first frost and crusted in the palm.-
The Holter

Ein abschließendes Urteil über The Briar King (Der Dornenkönig) zu fällen, ist schwer. Zum einen stellt es nun einmal nur den ersten Band einer vierteiligen Reihe dar, sodass man nur begrenzt abschätzen kann, wie gut und stimmig die Geschichte und die Welt, in der sie spielt, aufgebaut sind.
Zum anderen weist auch dieser erste Teil Schwankungen in der Qualität auf. Auf den ersten Blick sieht die Geschichte nach einem Standard-Weltuntergangs-Setting aus, in dem dann der Held oder die Helden zur Rettung aller im allerletzten Moment das Ruder herumreißen. Das muss an sich nicht schlecht sein. Schließlich gibt es nicht unendlich viele Möglichkeiten, eine spannende Geschichte zu schreiben, und man muss das Rad ja nicht neu erfinden. Außerdem lassen einige Details die Möglichkeit offen, dass der Verlauf vielleicht nicht ganz so vorhersehbar sein könnte, wie es scheint.
Die Handlung hat also durchaus Potential und auch die Sprache des Autors vermag es zu fesseln. Allerdings nicht durchgehend. Keyes lässt nämlich sich und seinen Figuren teilweise recht viel Zeit und treibt die Story nur gemächlich vorwärts. Wenn es dann jedoch spannend wird, bricht er die Handlung teilweise recht unvermittelt mit einem Kapitelende ab. Da aufeinander folgende Kapitel fast nie den gleichen Charakter als Hauptperson haben, findet sich der Leser also auf einmal in einem Handlungsstrang wieder, der zwar nicht uninteressant ist, aber dem Vergleich mit der gerade gesteigerten Spannung im anderen Handlungsstrang nicht gewachsen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Rückkehr zu einer der Personen in brenzliger Situation diese eventuell schon längst vorbei ist. So kommt es des Öfteren vor, dass interessante Ereignisse, über die man zu lesen hoffte, nur kurz und indirekt in Form von Rückblicken, die in die Geschichte integriert sind, beschrieben werden. Hier verschenkt Keyes einiges an Möglichkeiten.
Doch trotz all dieser Störungen des Leseflusses schafft er es, viele seiner Figuren glaubhaft und sympathisch mit Leben zu füllen. Manche ein wenig klischeehaft, aber dann oft mit einem Augenzwinkern versehen, ohne dass sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren würden. Auch die Welt, mit wenig offensichtlicher, jedoch einiger verborgener Magie kann in der Regel überzeugen. Wenn es also auch nicht der ganz große Wurf ist, so ist Greg Keyes doch zumindest ein gut vorzeigbares Werk gelungen.

The Broken Kingdoms von N.K. Jemisin10 Jahre nach der Befreiung der Götter hat sich in Sky einiges verändert: durch den wachsenden Weltenbaum haben die Bewohner an dessen Fuße nicht mehr viel vom Sonnenlicht, weshalb das Viertel, in welchem die Heldin des Romans ihr Dasein fristet, kurzerhand in Shadow unbenannt wurde. Oree Shoth, eine blinde Maroneh, die mit dem Traum vom besseren Leben in die Stadt kam, verkauft billigen Tand an gütige Pilgerer und lebt davon mehr schlecht als recht. Gut, dass sie zum einen keineswegs so hilflos ist, wie es ihre Blindheit suggeriert, und zum anderen ist es ebenso hilfreich, einige Freunde unter den Godlings – den geringeren Götter – zu haben. Und Hilfe hat sie bitter nötig, als jemand damit beginnt, Godlings zu töten und sie bald selbst unter dringendem Verdacht steht.

– I perceived a wave of brightness so intense that I cried out as it washes past, dropping my stick to clap both hands over my eyes. I didn’t know these things could hurt like that. –
Chapter 2: „Dead Goddesses“ (watercolor)

Durch den unkonventionellen, imaginativen Vorgänger The Hundred Thousand Kingdoms (Die Erbin der Welt) waren die Erwartungen sehr hoch: schafft es N. K. Jemisin erneut, den Leser derart in den Bann der Geschichte um Götter, Liebe und Macht zu ziehen? Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ich für gewöhnlich nichts mit Liebesgeschichten anzufangen weiß, und dennoch hat mich der erste Band sehr gut unterhalten.

Dem zweiten Teil der Inheritance Trilogy (Das Erbe der Götter) gelingt dies, kurz gesagt, nur bedingt. Die Protagonistin Oree Shoth beschäftigt sich in der ersten Hälfte des Romanes mit den mannigfaltigen Problemen, die unsterbliche Liebe so mit sich bringt – besonders, wenn ein Partner tatsächlich unsterblich ist, während der andere, wenn nichts dazwischen kommt, „nur“ noch 60-70 Jahre zu leben hat. Und man ahnt es schon: natürlich kommt etwas dazwischen. Mord und Totschlag, um genau zu sein, und ein mysteriöser Hausgast – der längst nicht so mysteriös ist, wie sich das N. K. Jemisin vielleicht gewünscht hat. Doch bevor die Handlung so richtig Fahrt aufnimmt, wird dem Leser vorerst eines klar: Sex mit einem Gott ist richtig gut. Wirklich. Wer das nicht glaubt, der kann es nachlesen (Buch aufschlagen, zehn Seiten vor- oder zurückblättern). Das Liebesleben von Oree ist ungewöhnlich, aber nicht so interessant, als dass es dem Leser nach mehr Details dürstet; und dennoch beschränkt sich die erste Hälfte des Romanes leider beinahe völlig auf die anstrengenden bis nervigen Liebesdünkel Orees. Es ist unfreiwillig komisch, dass das Buch gut wird, sobald die Quelle Orees endloser Liebeleien auf tragische Art und Weise kurzzeitig die Bildfläche verlässt.

Doch mit besagtem Moment nimmt das Buch deutlich an Fahrt auf und findet zu alter Stärke zurück: mit kreativen, guten Einfällen und überzeugenden Charakterinnensichten und -geflechten weiß Jemisin auf einmal wieder zu überzeugen und zu fesseln. Das chaotische Pantheon aus Göttern, Godlings und magisch begabten Menschen – wie Oree – und, dem entgegengesetzt, die Vielfalt aus Götterkulten und religiösen Mini-Diktaturen lassen viel Spielraum für überraschende Wendungen; die Geschichte wartet auf einmal mit Witz, Brutalität und Spannung gleichermaßen auf. Von den vielschichtigen Charakteren mit so einigen Untiefen begeistern besonders der Kindgott Sieh und der bereits erwähnte fremde Hausgast Orees; hier beschränkt sich Jemisin keinesfalls auf altbewährte Muster, sondern kreiert äußerst innovativ neue, glaubwürdige Gestalten.

Die Entscheidung, die Handlung aus der – nun ja – Sicht einer blinden Frau zu erzählen, die außer Magie nichts visuell wahrnehmen kann, halte ich für gewagt und ambitioniert – und sehr interessant. Jemisin gelingt es, bis auf einige kleine Momente der Unschlüssigkeit, die Geschichte spannend, leb- und glaubhaft zu erzählen, obwohl der Leser auf gewohnte Landschafts- und Personenbeschreibungen weitgehend verzichten muss. Besonders der teilweise beinah lyrische, doch zumeist sehr lockere bis flapsige Erzählstil charakterisiert die Protagonistin besser, als jede Beschreibung es könnte. Dass Oree gut aussieht und schöne Brüste hat, bleibt dennoch nicht unerwähnt, und auch der Fakt, dass sie aus offensichtlichen Gründen Nacktheit nicht beschämend findet und deshalb dieser frönt, erzwingt gewissermaßen die ein oder andere (auf Dauer ermüdende) Schlüpfrigkeit. Dass der Roman mit einem wortwörtlichen Höhepunkt den Spannungsgipfel erreicht, wird da niemanden überraschen.

Das Wiedersehen mit den Charakteren aus Band 1 und besonders die tiefer ausgearbeitete, komplexe Hintergrundgeschichte des Götterkrieges dürfte alle Leser gleichermaßen erfreuen und die Leser des ersten Bandes begeistern, und Freunde des Romantischen werden das Buch schon von der ersten Seite an verschlingen. Für die sehr gelungene zweite Hälfte des Buches verschmerzt man im Nachhinein gern den ansonsten teilweise langatmigen und nervraubenden Beginn und freut sich schon auf den finalen Band The Kingdom of Gods (Die Rivalin der Götter) der Inheritance Trilogy der ambitionierten und einfallsreichen Autorin.

Cover des Buches "Brücke der brennenden Blumen" von Tobias O. MeißnerEin neuer Auftrag führt das Mammut in den bizarren Thost-Wald. Die heimische Kaninchenpopulation hat sich dramatisch reduziert und das ganze Ökosystem ist bedroht. Da Rodraeg noch immer mit dem Tod ringt, brechen Bestar und Eljazokad auf, um sich mit dem Verbindungsmann im Thost zu treffen. Dort angekommen müssen sie feststellen, dass eben jener Selbstmord begangen hat. Völlig auf sich allein gestellt betreten sie den Thost, um herauszufinden, was dort vor sich geht. Doch niemand hätte sie auf den Schrecken vorbereiten können …

-Rot barg der Schnee den schwarzen Wald.-
Prolog

Nach drei Teilen durchbricht der Meißner nun erstmals das gewohnte Schema des Questelösens und widmet sich mehr der vielfach angedeuteten Hintergrundhandlung. Anstatt diese jedoch langsam nach und nach aufzudecken, werden sowohl die Protagonisten als auch der Leser ins kalte Wasser geschubst.

Teil 4 beginnt wie gewohnt mit einem Auftrag, jedoch reisen nur zwei der vier Personen dieses Mal los. Die übliche Handlung, also das Reisen, Erkunden und Nachfragen, endet abrupt nach etwa einem Drittel des Buches und macht einer ziemlichen wirren “zweiten Reise” (ohne jetzt zu viel verraten zu wollen) Platz. Die erinnert am Anfang ziemlich arg an einen Drogentrip, zu fantastisch und effektheischend werden Schlag auf Schlag neue Orte aus dem Boden gestampft, ohne dass man diese in einen Kontext bringen könnte. Im Laufe der Zeit werden aber viele Andeutungen und Gegebenheiten aus den vorherigen Büchern wieder aufgenommen und mit neuen Aspekten versehen. Ein richtiges Gesamtbild erhält man freilich noch nicht, aber das Flickenmuster nimmt langsam Gestalt an.
Zwar erhält man einige Antworten und endlich mehr als eine Ahnung, wie die so lange nur angedeutete Hintergrundhandlung aussehen könnte, letztendlich werden jedoch mehr neue Fragen aufgeworfen als alte beantwortet. Das Ziel der nächsten Bücher bleibt also weiterhin, Licht ins Dunkel zu bringen, aber man hat jetzt wenigstens das sichere Gefühl, dass wirklich mehr in den Büchern steckt als ein reines Questelösen. Ein entsprechender Epilog, der wie jedes Mal scheinbar keinerlei Bezug zur bisherigen Handlung hat, macht das Warten auf den nächsten Teil auch nicht leichter.

Die Bruderschaft des Talisman von Clifford D. SimakIm Herrensitz von Standish House wird eine uralte Schriftrolle gefunden – womöglich ein Beweis für die Existenz der historischen Person Jesus. Doch um die Echtheit der Schrift zu überprüfen – eines Dokuments, das den Menschen der verwüsteten Welt wieder bitter benötigte Hoffnung geben könnte –, muß es vom Norden Englands nach Oxenford gebracht werden. Dazwischen liegt das ‘Öde Land’, in dem sich die sogenannten Verheerer aufhalten: Schreckliche Monstren aller Art, die seit Jahrhunderten über die Menschheit herfallen. Der junge Adlige Duncan Standish wird auserwählt, die Schriftrolle durch das Feindesland zu transportieren, zusammen mit einigen treuen Begleitern.

-Das Herrenhaus war das erste unzerstörte Gebäude, das sie in den zwei Tagen ihrer Reise durch ein unglaublich gründlich verwüstetes Gebiet sahen.-
1

Aus dem Jahr 1978, also dem Jahr nach der Mutter aller Tolkien-Klone (The Sword of Shannara von Terry Brooks), stammt diese Questengeschichte um einen jungen Adligen, der ein kostbares Artefakt mitten durch’s Feindesland transportieren muß, und sie ist einer der wenigen Ausflüge des SF-Autors Clifford D. Simak in die Fantasy. An vielen Kleinigkeiten erkennt man, daß das Genre damals noch nicht in die starren Schemata der Tolkien-Epigonen gepreßt war, auch wenn Die Bruderschaft des Talismans rein äußerlich dieser Blaupause durchaus zu folgen scheint und schon am Originaltitel The Fellowship of the Talisman erkennbar ganz offen in diesen Revieren wildert. Simaks gemächliche Erzählweise und die vielen mit großer Ernsthaftigkeit verfolgten klassischen Motive haben allerdings zur Folge, daß der Roman nicht ohne Einschränkungen empfohlen werden kann.

Am Helden Duncan Standish hat der Zahn der Zeit ganz besonders genagt: Er ist für heutige Verhältnisse lächerlich naiv und gutherzig, ein junges, unbeschriebenes Blatt, das nicht einmal groß über sich selbst hinauswachsen muß, weil er von Anfang an schon ein aufrechter und hervorragender Kämpfer ist. Dieser Part fällt eher seinem Gefährtentrupp zu, der bunt wie frisch importiert aus der Sesamstraße daherkommt: ein loyaler Diener, ein treuer Kampfhund (dessen Geschlecht in der deutschen Übersetzung mitunter changiert), ein zweifelnder Eremit, ein Geist, der nicht spuken kann, eine Hexe ohne magische Kräfte, ein Schlachtroß und ein kämpferischer Esel, eine Banshee und eine (nach ihrer Etablierung als Love interest des Helden zunehmend häusliche) Kampfmaid mit einem Reitgreif namens Hubert.

Die Queste, die nicht ganz konsequent umgesetzt (aber dadurch auch wenig störend für nicht gläubige Leser) auf christlicher Mythologie fußt, ist von Anfang an eine Verzweiflungsmission, denn das heilige Artefakt muß sicher durch einen wahren Todesstreifen gebracht werden, in dem die sogenannte Horde marodiert, eine Ansammlung abgrundtief böser Lebewesen und Bestien, die dafür gesorgt haben, daß die Menschheit bis zur Gegenwart auf dem Entwicklungsstatus des Mittelalters verharrt. Diese nicht-entwickelte Welt, in der durchaus manchmal moderne Einsprengsel und vor allem kurze Blicke auf eine mögliche andere –unsere– Gegenwart durchschimmern, hat eine gewisse postapokalyptische Anmutung, zumal beinahe die gesamte Handlung im verheerten Öden Land angesiedelt ist. Dieser Odem des Zerfalls unterscheidet sich stark vom  gewohnten Ambiente epischer Fantasy.
Die Hintergründe der Welt und der Queste nimmt man besser nicht zu sehr unter die Lupe, denn einer genaueren Betrachtung halten sie weder stand, noch werden die großen Fragen, die sich im Verlauf der Handlung stellen, zufriedenstellend geklärt. Simak greift statt dessen auf sein bevorzugtes Genre zurück, die SF, wodurch Die Bruderschaft des Talisman zu einem merkwürdigen Hybrid wird.

Welche Gründe gibt es also, diesen leicht unausgegorenen und nicht mehr ganz zeitgemäßen Roman trotzdem zu lesen? Vorweg ist zu sagen, daß man, um ihn überhaupt genießen zu können, willens sein muß, sich mit einer gewissen nostalgisch-verklärten Gutmütigkeit auf alte Fantasy einzulassen. Dann besticht Die Bruderschaft des Talisman durch viele Kleinigkeiten, in denen man Simaks große Stärken wiederfindet, die er auch in seiner SF zur Schau stellt: Vor allem anderen eine menschen- und tierfreundliche Warmherzigkeit, ein milder Blick auf menschliche Schwächen, durch die die skurrilen Charaktere, die sich oft in ausführlichen Zweifeln ergehen und auf die ein oder andere Weise unzulänglich fühlen, eine Menge Charme versprühen können – besonders der Eremit Andrew und die alte Hexe Meg sind ein herziges Pärchen. Und sie sind nicht die einzigen beiden Figuren, die Duncans altmodische Ritterfahrt durch ihre Zögerlichkeit aufhalten. Damit gehen auch amüsante Dialoge einher, und insgesamt sind es eher die ruhigen als die actionreichen Passagen des Romans, die gut funktionieren. Immer wieder gelingen Szenen mit viel Atmosphäre in der menschenleeren Landschaft, und kuriose Ideen blitzen auf, manche gelungen und manche weniger (so etwa ein kleiner Ausflug in die Artussage, beim Handlungsort auf den britischen Inseln wohl unerläßlich). Und über allem liegt ein feiner, leiser Humor. Wenn man Die Bruderschaft des Talisman nicht wegen der Spannung liest, findet man eine schlicht und ergreifend nette Abenteuergeschichte, nicht mehr und nicht weniger.

Auf Deutsch wurde der Roman in zwei Versionen veröffentlicht, 1979 unvollständig als Die Brüderschaft vom Talisman (Cover mit einem Drachenkämpfer), 1987 in einer überarbeiteten Ausgabe als Die Bruderschaft des Talisman mit dem gezeigten Rattencover.

Cover des Buches "Das Buch Atrus" von Robin & Rand Miller und David WingroveAtrus lebt mit seiner Großmutter am Rande eines erloschenen Vulkans mitten in der Wüste. Das Leben ist hart, aber Atrus kann sich kein anderes vorstellen. Eines Tages kommt ein Fremder zu ihm und seiner Großmutter und stellt sich als sein Vater Gehn vor. Er will Atrus mitnehmen nach D’ni, jener mysteriösen Welt, die seine Großmutter Anna bereits so oft erwähnt hat. Gemeinsam machen sich Vater und Sohn auf, die Rätsel von D’ni zu erkunden. Dort angekommen, erwarten Atrus viele Überraschungen und Wunder, aber auch viele Gefahren, denn sein Vater verheimlicht ihm etwas …

-»Gehn«, sagte Atrus leise und wiederholte den Namen wie ein Echo.
Der Fremde nickte, dann legte er die Hand von Atrus’ Kopf. »Gut. Geh jetzt und sag deiner Großmutter, dass sie einen Gast hat.«-
4

Das Buch Atrus (The Book of Atrus), der erste Band der Myst-Trilogie, ist ein halbwegs spannendes Buch rund um die Entstehung der “Kult”-Insel Myst, die dem geneigten PC-Spieler bereits hinlänglich bekannt ist. Das Buch entpuppt sich als gut durchdachte Saga, die sich harmonisch in die Myst-Reihe einfügt, ohne irgendwelche Lücken offen zu lassen. Die Spannung bleibt aber irgendwo zwischen dem siebenunddreißigsten und fünften Zeitalter auf der Strecke. Erst gegen Ende bessert es sich wieder, aber auch da ist relativ leicht vorhersehbar, was passieren wird.

Ein riesiger Pluspunkt ist die Welt der D’ni, die durch ihre unglaubliche Komplexität auffällt. Alles ist genauestens durchdacht, jeder Mosaikstein fügt sich am Ende an seinen Platz und erweitert so das Bild über ein Volk, das einmal Millionen von Welten beherrschte.
Wenn sich der Roman wieder auf Atrus und seinen Vater konzentriert, wird das zwar nicht gerade langweilig, quillt aber auch nicht vor Spannung über. Anders als im Nachfolgeband stehen hier eher die Personen und nicht die D’ni im Vordergrund, und da müssten die Autoren noch ein bisschen an sich arbeiten.

Mir war aus dem zweiten Teil schon Gehns Geschichte bekannt und so wusste ich, warum dieser so oder so handelt – für Neueinsteiger dürfte genau das ein Problem sein, denn oft bleiben die Hintergründe der Handlungen der Personen im Dunkeln. Außerdem wäre es hier (mehr als im Buch Ti’ana) hilfreich, das Spiel zu kennen oder zumindest mal von Myst gehört zu haben. Andernfalls dürfte man Probleme bekommen, der Handlung zu folgen, denn die Autoren erklären wenig und setzen voraus, dass der Leser bereits das Spiel kennt.

Schade eigentlich, denn wie der Nachfolger zeigt, steckt viel Potential in D’ni, das man zu spannenderen Geschichten verarbeiten kann.

Das Buch der Entscheidung von James ClemensDie Vorbereitung für die entscheidende Schlacht gegen den dunklen Herrscher in Schwarzhall läuft gerade an, als plötzlich der Harlekin Qual in A’loatal auftaucht – er kommt direkt aus Gul’gotha und berichtet von den Plänen des Gegners, schon in Kürze einen entscheidenden Schlag gegen das Land zu führen.
Elena kann sich nicht entscheiden, schon anzugreifen, zumal ihre Verbündeten sich gegenseitig misstrauen und Verrat in der Luft liegt. Doch dann wird ihr die Entscheidung in einer Nacht voller Magie abgenommen, und sie und ihre Gefährten befinden sich wieder auf einer gefährlichen Mission, während ihre Heere auf Schwarzhall marschieren …

-Ist es nicht seltsam, an einem strahlenden Frühlingstag vom Tod zu träumen?-
Hexenstern

James Clemens gelingt es im Abschluss-Band der Banned & the Banished-Reihe, einen schönen Bogen zum Beginn der Geschichte zu schlagen, indem er die Geschehnisse wieder an den Ausgangsort zurückführt und die Handlung teilweise parallel zum ersten und zweiten Band laufen lässt – Elena ist wieder mit ihren Freunden allein in der Wildnis unterwegs und muss sich teilweise sogar mit altbekannten Gegnern herumschlagen.
Doch die schweren Geschütze, die für das Finale der fünfbändigen Reihe aufgefahren werden, erschlagen Leser und Leserinnen förmlich: Alle paar Seiten gibt es spektakulärste magische Effekte, es glüht, glitzert und kracht ohne Unterlass. Nun ließ sich die Welt Alasea zwar von Anfang an in die äußerst magiebetonten Gefilde der Fantasy einordnen, aber dieser bunte Overkill an Erscheinungen schafft sehr schnell einen sehr abgebrühten Leser, und für das eigentliche Ende hat Clemens dann all sein Pulver schon verschossen.

Trotzdem weiß er an einigen Stellen noch zu überraschen – die mysteriöse Identität seiner Erzählerfigur klärt sich beispielsweise tatsächlich erst ganz am Ende des Romans auf. Von der Rahmengeschichte über die “verbotenen Schriften” hätte man sich hingegen ein bisschen mehr Aha-Effekt erwartet, und ebenso vom eigentlichen Ende von Elenas Geschichte, das leider keine großen Überraschungen mehr bietet. Der Kampf gegen den dunklen Herrscher läuft ab wie erwartet, auch wenn Clemens noch einmal alles in die Waagschale wirft, was jemals gegen die Helden angetreten ist.

Wie bisher sind es hauptsächlich die Figuren, die den Roman dennoch lesenswert und auch außergewöhnlich machen; in diesem Bereich werden fast alle Geschichten zu ihrem manchmal tragischen Ende geführt, und es gibt einige kleine, in sich geschlossene Nebenhandlungen, die sehr gut gelungen sind – wie etwa die Geschichte vom Steinmagus. Der Hang zu Kitsch und Tragik, den Clemens bereits in den Vorgängern zur Schau gestellt hat, wurde eher noch versschärft, doch alles andere würde in einer solch monumentalen Umgebung sowieso untergehen.
Mit zwei offenen Handlungsfäden hat sich Clemens eventuell sogar ein Türchen offen gelassen, durch das er eines Tages nach Alasea zurückkehren könnte – für die Fans von bunter, eher leichter Abenteuerfantasy wäre das ein Gewinn, vor allem, wenn eine etwas weniger durchkonstruierte und magisch überladene Erzählung dabei herauskäme, denn unter all der grellen Tünche lässt sich erkennen, dass Clemens den Zauber durchaus beherrscht.

Das Buch des Feuers von James ClemensDie Familie von Elena lebt und arbeitet in einem idyllischen Apfelhain. Als sie ihre erste Monatsblutung hat, färbt sich ihre Hand blutrot und die seltsame Hexengabe manifestiert sich in ihr. Wie aus dem Nichts tauchen sogleich finstere Gestalten auf, die ihre Familie bedrohen und ihrer habhaft werden wollen. Elena kann fliehen, aber unter großen Opfern.
Den Kämpfer Er’ril – einen der Wenigen, die wissen, welch dunkle Schatten über dem Land Alasea liegen – zieht es in Elenas Nähe, und er ist nicht der Einzige: Das Schicksal schart Beschützer und Begleiter um sie, damit sie sich den bösen Mächten stellen kann, die sie selbst und ihre Heimat bedrohen.

-Auf diese Weise endete die Welt, und wie Sandkörner, die in den Wind im Horst des Winters geworfen werden, ist dies der Beginn aller anderen Welten.-
Hexenglut

Der Beginn des fünfbändigen Zyklus The Banned and the Banished mag nach einem famosen Vorwort voller mysteriöser Warnungen an den Leser ein bisschen nach Matriarchats-Fantasy klingen, mit der ersten Menstruation als Katalysator für magische Kräfte und der daraufhin einsetzenden Verfolgung der Protagonistin Elena als Hexe, aber damit täuscht man sich gewaltig: James Clemens’ Fantasy-Saga steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der epischen Fantasy, und Terry Brooks wäre definitiv ein besseres Stichwort zur Einordnung als Marion Zimmer Bradley.
Die Hauptrolle spielt eindeutig die von Magie durchzogene Welt Alasea, die im Laufe der fünf Bände auch fast bis in die letzten Winkel erkundet werden wird. Befreit von jeglichem Intrigenspiel und Throngerangel, verfolgt man eine bunt aus allen Völkern zusammengestellte Figurengruppe, die zur Weltrettung antritt. Die Pfade, die Clemens einschlägt, könnten kaum ausgetretener sein, aber dennoch wirkt die Erzählung zumindest an der Obefläche recht frisch und nimmt Leser, die gerne Welten entdecken, mühelos mit auf die Reise der Helden, auf der eine Menge Magie, Fabelwesen und der Kampf gegen das absolut Böse warten.

Obwohl die Haupthandlung in Das Buch des Feuers (Wit’ch Fire) nicht großartig vorwärtskommt, wird dieses Vorgeplänkel sehr actionreich und spannend präsentiert; vor allem der Einstieg läuft glatt wie am Schnürchen, wobei sogar einige Horror-Elemente für Spannung (und eindeutige Identifizierung des Bösen als solches) sorgen.
Der Schwerpunkt der Weltenschöpfung liegt eher bei “spektakulär” als bei “originell”, eine bunte Kulisse war definitiv wichtiger als eine realistische, in der versucht wird, authentische Kulturen zu schaffen. Damit ist es immerhin gelungen, ein wahrhaft magisches Land zu kreieren, das eher Endes Phantasíen als Martins Sieben Königreichen gleicht. Nur wartet hinter dieser Kulisse kein Gespinst aus Traum, Einbildung oder Trug, deswegen ist es ratsam, nicht allzu sehr darin herumzustochern.

Geschickt verbindet Clemens verschiedene Handlungsstränge, und jeder Charakter hat eine eigene Geschichte und Aufgabe. Die einzelnen Figuren sind insgesamt gut gelungen, wenn auch einige Klischees mitgenommen werden – sie entwickeln sich und wachsen einem schnell ans Herz, manchmal wirkt allerdings ihre Motivation stark konstruiert, ihre Handlungen sind fast zu gut begründet, alles passt zusammen wie zurechtgeschnitzt. Auch böse Handlungsträger sind mitunter gut charakterisiert und lassen trotz der bedingungslosen Schwarzweißzeichnung der Moral auf Alasea individuell Raum für Interpretation.

Passend zur magischen Welt ist der Stil bildreich und märchenhaft, Clemens und seine Übersetzerin Irene Bonhorst wissen dabei zu überzeugen, so dass sich alles zu einem stimmigen Gesamtbild fügt. Nur mit seiner Apostrophenwut verschandelt der Autor so manchen Namen, man kann höchsten den Kopf dazu schütteln: Elv’en? Og’er? Meint er das ernst? Wenn das James Clemens’ Auffassung von Exotik und zauberischem Reiz entspricht, lässt das nichts Gutes ahnen.
Insgesamt ist Clemens allerdings trotzdem ein guter Erzähler, und wenn man sich auf Das Buch des Feuers und die Märchenwelt Alaseas einlässt, macht der Auftaktband Lust auf mehr, zumal Fantasy im Terry-Brooks-Stil recht selten geworden ist. Als großes Manko bleibt, dass auf den ersten gut 400 Seiten doch sehr wenig passiert – im Hinblick auf die Folgebände, in denen sich die Ereignisse überschlagen, kann man aber darüber hinweg sehen.

Das Buch des Sturms von James ClemensNachdem alle Verletzten geheilt sind, machen sich Elena und ihre Begleiter auf den langen Weg nach A’loatal, um in der versteckten Stadt das Buch des Blutes zu erlangen, mit dessen Hilfe das Land vom dunklen Herrscher befreit werden soll. Doch dieser stellt ihnen auf ihrem Weg seine Diener entgegen, und gegen das Versprechen von Macht sind auch Elenas vermeintliche Freunde nicht immun … Zu allem Übel ist A’loatal schon dem Bösen anheim gefallen. Die Magier Schorkan und Greschym erwarten Elena dort, ohne dass jemand etwas davon ahnt – bis auf ihren Bruder Joach, der unter dem Bann der bösen Magier steht.

-Elena schob den Ledervorhang beiseite, der die behagliche Wärme des Feuers im Innern hielt, und trat aus der Höhle.-
1

Der zweite Band der Serie The Banned and the Banished legt im Vergleich mit dem halbwegs soliden Auftakt noch um einiges an Action und Spannung zu. Besonders herausragend erscheint bei Das Buch des Sturms (Wit’ch Storm) die farbenfrohe, ideenreiche Welt, von der man ein gutes Stück mehr vorgeführt bekommt: ein märchenhaftes, von Magie durchzogenes Panorama wird vor den LeserInnen entfaltet, in dem sich alles von Meeresvolk bis zum Drachen tummelt, ohne dass es allzu quietschebunt wirkt. Diese in Kreaturen und Völkern größtenteils wahrhaft klassische Fantasy-Welt kann man staunend durchstreifen, ganz besonders, wenn man ein Einsteiger ins Genre ist, ansonsten wird man vielleicht ein wenig enttäuscht von der Geradlinigkeit des Entwurfs sein.
Im Großen und Ganzen folgt die Erzählung auch einem klassischen Gut-Böse-Schema – die Bedrohung durch den eindeutig bösen Herrscher muss ausgeschaltet werden -, aber die einzelnen Charaktere sind erfreulicherweise nicht unbedingt leicht einzuordnen und haben Licht- und Schattenseiten. Überhaupt pflegt der Autor einen sehr gefühlvollen Umgang mit den unterschiedlichen Figuren, und gibt den zunächst klischeehaften Entwürfen genug Eigenarten, so dass sie einem ans Herz wachsen, auch wenn vor allem die Geschlechterrollen leider eher konservativ und stereotyp bleiben.

Seine Handlungsstränge kann Clemens geschickt verknüpfen; aber manchmal läuft alles ein klein wenig zu glatt ab – schicksalhafte Begegnungen und Prophezeiungen spielen in der Handlung eine große Rolle, und der Einsatz dieser Stilmittel wirkt häufig übertrieben. Gelungener sind dagegen kleine Geschichten in der Geschichte, die zum Teil innerhalb weniger Kapitel abgeschlossen werden, zum Teil aber auch als spannende und nervenaufreibende Geheimnisse in den nächsten Band hineinreichen. Eine dieser Geschichten ist der sich von Band zu Band fortsetzende Prolog über das “Studium” der eigentlichen Erzählung, und man fragt sich von Seite zu Seite mehr, was denn da noch kommen mag, um eine solch bombastische Einleitung zu rechtfertigen – da bleibt nur zu hoffen, dass die nächsten Bände diesen Erwartungen gerecht werden können.
Das Zusammenwirken von Sprache, Welt und Handlung zu einem stimmungsvollen und locker fließenden Ganzen ist Clemens’ größte Stärke, mit der er LeserInnen trotz der nicht zu leugenden Schwächen – und von der Apostrophenflut war in dieser Rezension noch nicht einmal die Rede, aber verflüchtigt haben sich die O’ger und ihre Genossen keineswegs – durchaus in seinen Bann schlagen kann.

Cover von Die Burg der Verräter von Mercedes Lackey/Josepha ShermanDem Bardenlehrling Kevin ist sterbenslangweilig, er möchte zeigen, was in ihm steckt, und Abenteuer erleben. Doch er bekommt von seinem berühmten Meister Aidan nur den Auftrag, in der Burg des Grafen Volmar ein altes Lehrbuch zu kopieren. Dort angekommen stellt Kevin schnell fest, daß etwas mit dem Manuskript nicht stimmt – auch Carlotta, die Halbschwester des Königs, versucht herauszufinden, was der mächtige Aidan mit diesem Buch will. Einst versuchte sie den König zu töten, was Aidan verhinderte, seitdem gibt sie vor tot zu sein und hält sich im Verborgenem. Zunächst macht sie sich in der Verkleidung der jungen Charina an Kevin heran. Als dieses scheitert, täuscht sie vor entführt zu werden und Kevin soll eine Rettungsgruppe anführen …

-Zoing!-
1. Kapitel

Das Geschehen findet auf einer leider nur schwach beschriebenen Sekundärwelt statt, und zwar im Reich des Königs Amber. Knappen, Ritter, Burgen, Feudaladel und Turniere mit reisenden Gauklern lassen ein vom typischen Mittelalter geprägtes Bild entstehen. Auch wenn es sehr oberflächlich dargestellt wird, schimmern an einigen Stellen schon gewisse Ungerechtigkeiten des Systems durch – eine Kritik wird allerdings nicht geäußert. Knapp ein Viertel der Geschichte spielt in der großen Stadt Westerin; auch sie wird oberflächlich und klischeehaft beschrieben (z.B. die typische Gaunerkneipe), sodaß teilweise ein leichtes Gefühl von Urbanität aufkommt.

Die Geschichte ist reich gesegnet mit magischen Elementen: So gibt es Weiße Elfen, spitzohriges, magisch affines, schönes Volk mit hellen Haaren und ambivalentem Charakter, und Schwarze Elfen, die ihre dunkelhäutigen Cousins sind, sie sind bekannt für ihr böses Wesen und dunkle Magie – ein freundschaftliches Verhältnis besteht zwischen den Völkern nicht. Dann sind da noch die ewig spottenden und nicht nur nette Streiche spielenden Feen und die sonderbaren, pedantischen Arachnia, intelligente, menschenartige Spinnen. Und Zwerge, Untote und weitere bunte Monster. Es wird außerdem viel gezaubert: Licht, Verwirrung, Schutz oder Blitz, fast nichts ist undenkbar. Insgesamt liest sich dieses wie ein von D&D inspiriertes (z.B. die Schwarzen Elfen erinnern sehr an die D&D Drow) und von Hollywood inszeniertes Spektakel.

Es gibt eine Reihe von Figuren, die tendenziell flache Exzentriker sind. Da ist der Protagonist Kevin der Bardling, ein Lehrling des Helden Aidan; er ist jung und will sich dringend beweisen. Wie es sich für einen angehenden Barden gehört, liegen seine Stärken nicht im Kampf, sondern darin, die Gruppe zusammenzuhalten und die Moral zu heben. Lydia ist eine Amazone, eine geschickte Waldläuferin, aber auch eine gewiefte Schurkin – der Schönheit fällt im Zweifelsfall immer ein Ausweg ein. Ihre Gefährtin ist die Fee Tich’ki. Sie unterstützt die Gruppe mit ihren Tricks und hat vor allem den unerfahrenen Kevin auf dem Kieker – er entgeht nur selten ihrem Spott. Eliathanis ist ein Krieger der Weißen Elfen und Naitachal ist ein Geisterbeschwörer der Dunkel Elfen – die beiden sind einander nicht freundlich gesonnen, aber gerade Naitachal hat einige Überraschungen zu bieten. Die wichtigsten Antagonisten sind die böse Hexe Charlotta, die sich selbst auf den Thron setzen will. Dazu schmiedet die kluge Frau heimtückische Pläne und nützt eine Vielzahl von Zaubern. Nur den Barden Aidan fürchtet die herzlose Intrigantin. Ihr “treuer” Verbündeter ist Graf Volmar; er plant der Mann an ihrer Seite zu sein, wenn sie den Thron besteigt – was danach passiert… So lange stellt er der gemeinsamen Sache seine Ressourcen zur Verfügung. Daneben gibt es noch viele kleine Figuren: korrupte Stadträte, kalte Schwarzmagier, hilfreiche Gaukler und schamlose Schurken.

Bei dem Wunsch Kevins, selbst Abenteuer zu erleben, wird es den Leser kaum verwundern, daß es sich hier um eine Abenteuergeschichte handelt. Ein wenig episodenhaft werden eine Reihe von Standardsituationen präsentiert. Dazu gehört die gruppeninterne Spannung (zwischen Eliathanis und Naitachal, bzw. Tich`ki und dem Rest der Gruppe), das Herabblicken der erfahrenen Kämpen auf den jungen und unerfahrenen Protagonisten, ein Überfall von Wegelagerern, Taschendiebstahl in der Stadt, die billige Anmache von Betrunkenen, derer sich die schöne Amazone erwehren muß, bis hin zur Verkleidung als Frau um gewissen Leuten aus dem Weg zu gehen. Doch es gelingt dem Autoren-Duo dieses mit einer flotten Leichtigkeit und viel Charme zu erzählen, so daß erfahrene Leser zwar nur selten überrascht, aber dennoch amüsiert werden – so hat z.B. der Geisterbeschwörer an der gender-bending Verkleidungssequenz am meisten Spaß.
Auch wenn es eingestreute Episoden gibt, ist der Handlungsverlauf progressiv und dramatisch; die Spannung entsteht zu gleichen Teilen aus den bedrohlichen Situationen wie auch den unterschiedlichen Charakteren.
Erzählt wird diese Geschichte aus der Perspektive des Bardling Kevin. Nur einige wenige Male wird diese von kurzen Zwischenspielen unterbrochen, die aus der Perspektive des Grafen Volmars geschildert werden. Es gibt nur einen Erzählstrang, der in einem neutralen Sil gehalten ist. Die Sätze sind eher unauffällig, lassen sich aber flüssig lesen, was gut zur flotten Abenteuergeschichte paßt. Die Wortwahl ist stellenweise etwas zu modern geraten, sonst aber durchaus angemessen.
Die Burg der Verräter (Castle of Deception) ist der Auftakt der Bard’s Tale Reihe, die von verschiedenen Autoren verfaßt wurde und an das Computer-Spiel gleichen Namens, welches 1987 erschienen ist, anzuknüpfen versucht. Ähnlichkeiten – sieht man vom lockeren Stil ab – sucht man aber vergebens.

Caine Black Knife von Matthew StoverDas Abenteuer, das Hari Michaelson in seiner Rolle Caine einst zum Star machte, ist eine Legende: Im Ödland von Boedecken hat er im Alleingang den gefürchteten Ogrilloi-Stamm der Black Knives so gut wie ausgelöscht.
Nun ist er gezwungen, sich an seine damaligen Taten zu erinnern – denn abermals brodelt es im Ödland, und Caines Adoptivbruder Orbek, einer der letzten der Black Knives, gerät in dem nun von den Rittern des Khryl beherrschten Landstrich in Nöte. Caine bricht auf und bekommt Ärger, kaum dass er angekommen ist: Seine Vergangenheit droht ihn auf vielfältige Weise einzuholen.

-»When you fuck with the bad guy –« Your true grin unfolds like a butterly knife »– the bad guy fucks you back.«-
then: Bad guy

In Blade of Tyshalle hat Caine eigentlich alles getan, was ein (Anti-)Held tun kann, seine Geschichte war zu Ende erzählt. Es war also an der Zeit, dass er seine eigene “origin story” erhält. Doch Matthew Stover wäre nicht Matthew Stover, wenn er es sich so einfach machen würde. Zwar ist Caine Black Knife – übrigens die erste Hälfte des Act of Atonement und damit der erste nicht in sich geschlossene Caine-Roman – in vielerlei Hinsicht kompakter als der ausufernde Vorgänger, aber auf seine Art nicht weniger komplex:
Statt nur das legendäre Abenteuer Retreat From the Boedecken zu erzählen, von dem man in den bisherigen Romanen schon so viele Andeutungen, aber niemals Genaues erfahren hat, verknüpft Stover die als Mitschnitte der damaligen Ereignisse präsentierte Reise in die Vergangenheit mit einer Gegenwartshandlung, die das Damals aufgrund der dreißig vergangenen Jahre, die sich nicht nur in Form von äußerlichen Narben auf Caines Schultern niedergelassen haben, kontrastieren und gleichzeitig neu verarbeiten.

Was Stover hier an Charaktertiefe liefert, ist ein wahres Fest: Der junge Caine ist ein astreines Arschloch, ein Soziopath, der bereits eine Geschichte der Gewalt hinter sich hat, während den älteren Caine die Summe seiner Erfahrungen zu dem macht, was er ist, einem gesetzten Antihelden, der vor allem in Ruhe gelassen werden will. Die Diskrepanz zwischen dem Jetzt und dem Damals, der Blick in den charakterlichen Abgrund, den man mit den Kapiteln aus der Vergangenheit erhält, wird durch viel Unausgesprochenes dazwischen unterstrichen, wie überhaupt in Caine Black Knife die Arbeit mit dem Ungesagten ein großes Spannungsmoment ist, obwohl man von Beginn an weiß, wie Retreat from the Boedecken enden wird. Patrick Rothfuss’ Kingkiller Chronicles, die ebenso auf eine Figur fokussiert sind und mit einem ähnlichen Stilmittel arbeiten, nehmen sich neben dieser Tour der Extreme nicht nur wie ein harmloser Sonntagsspaziergang aus, sondern wirken auch deutlich weniger stringent.

Doch auch wenn dieser Roman noch mehr als die Vorgänger eine reine “Caine Show” ist, nimmt sich Stover auch Raum für teilweise bitterböse Anspielungen: Er rechnet in einem wahrhaft schrecklich lustigen Kapitel mit gewaltaffinen Online-Gaming-Kids ab, mit den Mächtigen (sei es nun Adel oder Pseudoadel durch wirtschaftliche Vormachtstellung) sowieso, und am interessantesten ist diesbezüglich vielleicht sein Umgang mit den Ogrilloi, der ganz nebenbei den Rassismus von Fantasy-Welten deutlich macht, die auf allzu simple Art mit bösen oder primitiven Völkern umspringen: An den niedergerungenen Ogrilloi werden sowohl sprachlich (durch die Herrscher und auch durch die Beherrschten selbst), als auch durch das jeweilige Verhalten die Strukturen rassistischer Unterdrückung beschrieben. Das Clevere daran ist natürlich Caines Rolle darin, seine vielfache Verwicklung in den Status quo: als Kenner und Leidtragender der irdischen Kastengesellschaft, als Adoptivbruder eines Betroffenen, als Verursacher und auch früheres Opfer der nun Unterdrückten: All diese emotionalen Widersprüche sind perfekt herausgearbeitet, und Caine Black Knife ist fern von einem sterilen Lehrstück, das man mit dem wohlverdienten Label Bildungsroman vielleicht assoziieren könnte.

Steril ist hier ohnehin gar nichts – Stover wird mühelos noch derber als in Heroes Die und Blade of Tyshalle, bringt nebst den üblichen blutigen Tatsachen nun auch öfter eine deutliche Note sexueller Perversion ein. Die zu Beginn eingefügte Altersfreigabe und Warnung des Studios vor dem Abenteuer Retreat From the Boedecken ist kein effektheischendes Gimmick, sondern schlicht die Wahrheit.
Damit hat Stover es geschafft, das Sprachniveau in Caine Black Knife gleichzeitig zu senken und zu heben, denn nebst der Gewaltorgien und der nie um eine Derbheit verlegenen Dialoge pflegt der mit einem breiten Bildungshintergrund ausgestattete Caine auch einen im Vergleich noch einmal stark erweiterten Wortschatz und lässt eine Menge Kulturwissen durchscheinen.
Bevor bei den Gipfeln der Gewalt letztlich nur noch der Ausweg offensteht, sie ins Lächerliche kippen zu lassen, gibt es allerdings immer eine Pause, und überhaupt hat Stover sich ein Stilmittel zu eigen gemacht, das den Aussparungen und der Dynamik der Handlung zugutekommt: Da wir eine Aufzeichnung des alten Abenteuers “sehen”, gibt es auch eine häufig genutzte Vorspultaste.

Nebst Caines Geschichte wird auch die von Overworld in Caine Black Knife weitergeschrieben und bekommt noch mehr Tiefe, immer gut verpackt in irdisches Sagenmaterial. Besonderen Spaß macht dabei die ironische Bezugnahme auf Blade of Tyshalle, die das Spiel mit der Fiktionalität, das die Caine-Romane ohnehin auszeichnet, noch weitertreibt und manches relativiert. Wer also geglaubt hat, die Geburt von Caine schon erlebt zu haben, wird hier herausfinden, dass auch die Genese eines Helden nicht eindeutig und immer eine Frage des Standpunktes ist.
Diese Geburtsstunde findet statt, als die zweigleisige Geschichte von Caine Black Knife längst ihre Sogwirkung entfaltet hat, trotz des Sympathie-Malus, den der junge Caine verbuchen kann. Mit einer hochinteressanten Ausnahme bleibt Caine hier auch die einzige Erzählerfigur, und entsprechend universell fällt die Charakterstudie aus: Einerseits ist Caine das Ausnahmetalent, der bad guy, das Arschloch, andererseits ein Jedermann und Underdog, der dem Leser und der Leserin aufgrund der völligen Auslieferung seiner Gedanken nahe bleibt, ganz gleich, was er anstellt. Daran ist nicht zuletzt schuld, dass nach den ersten Schockern zu Beginn der Erzählung eine leichte Mäßigung eintritt, vor allem bei Caines älterer Version, die gewaltmüde ist, bei Bedarf aber immer auf die Arschloch-Persona zurückgreifen kann. Und den jungen Caine begreift man irgendwann als Menschen, der zum Rad im Getriebe der Ausbeutungsmaschinerie in zwei Welten wird, um in diesem System nicht unterzugehen. Während sich seine Geschichte immer garstiger entfaltet und zu etwas wahrhaft Bösartigem heranwächst, scheint sich die Gegenwartshandlung vordergründig konträr dazu zu bewegen, und doch rasen beide, auch durch die zwingende Spärlichkeit, mit der Stover diesmal Massen von Entwicklung auf weniger als 400 Seiten unterbringt, ohne je in Seitenstränge zu driften oder Füllmaterial zu präsentieren, mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Am Ende, das dürfte jedem klar sein, kann keine Läuterung und erst recht kein Happy End stehen. Aber etwas Besseres.

The Charnel Prince von Greg KeyesIn einem Land, in dem mehr und mehr unheimliche Dinge geschehen und Monster wandeln, verfolgen die Protagonisten ihre lose miteinander verknüpften Ziele.
Anna und Austra bemühen sich um ihre Rückkehr nach Eslen und werden aus dem gleichen Grund von Neil gesucht. Aspar, Stephan und Winna sind im Auftrag der Kirche unterwegs, während der Königin mehr und mehr die Kontrolle über das Königreich entgleitet. Ein neuer Handlungsstrang um den naiven Komponisten Leoff zeigt die Ereignisse am Hof aus einer anderen Perspektive und geht wie alle anderen einem fulminanten Ende entgegen.

-Neil MeqVren rode with his queen down a dark street in the city of the dead.-
Chapter 1 – The Night

Mit The Charnel Prince (Die Rückkehr der Königin) setzt Greg Keyes seine Reihe auf gleichbleibend gutem Niveau fort. Die Stärken und Schwächen des Buches entsprechen denen des ersten Bands. Die Geschichte ist mitreißend und spannend geschrieben, aber teilweise belastet die Art der Wechsel im Handlungsstrang den Lesefluss. Inhaltlich zeigt sich, dass tatsächlich bei weitem nicht alles so ist, wie es scheint. Keyes lässt seine Charaktere und Leser oft und lange im Unklaren über die Motivation und Hintergründe anderer Personen, so dass immer wieder interessante Wendungen die Story und den Leser in neue (Gedanken-)Bahnen lenken.
Auch von der Spannung und Atmosphäre her legt dieser Band eher noch ein wenig zu, auch wenn ich von Zeit zu Zeit das Gefühl bekam, dass Keyes ein wenig zu dick aufträgt und die Glaubwürdigkeit der Geschichte strapaziert.

Besonders hervorgehoben sei noch, dass Hintergrundinformationen aus dem ersten Band immer dann geschickt in die Geschichte eingebunden werden, wenn sie zum Verständnis notwendig sind, so dass auch Quereinsteiger oder Leser, die die Bände in großem Abstand lesen, nicht völlig hilflos sind. Wie schon der erste Band bietet auch The Charnel Prince ein relativ abgeschlossenes Ende, so dass man nicht verzweifeln muss, wenn der nächste Band noch nicht zur Hand ist. Einziger echter Negativpunkt ist, dass man teilweise die online verfügbare Karte im Buch sehr vermisst.

The Cloud Roads von Martha WellsIn einer ungezähmten Welt, in der jede Siedlung Gefahr läuft, von Schwärmen der Fell – geflügelter Raubtiere – überfallen zu werden, bemüht sich der junge Mann Moon darum, sich anzupassen und nicht aufzufallen. Er weiß nicht, woher er die Fähigkeit hat, sich in eine geflügelte Kreatur zu verwandeln, und er ist deswegen schon aus vielen Gemeinschaften verjagt worden. Als er eines nachts eine Ruine auf einer schwebenden Felsinsel erkundet, trifft er auf einen anderen, der ist wie er. Aber kann er ihm vertrauen?

-Moon had been thrown out of a lot of groundling settlements and camps, but he hadn’t expected it from the Cordans.-
Chapter 1

Bunt, überraschend und verspielt – das sind drei Eigenschaften, die der Fantasy in Zeiten des grauen Zynismus irgendwie abhanden gekommen sind, und vielleicht sind sie ein Grund, weshalb Martha Wells’ The Cloud Roads so begeistert aufgenommen wurde: Endlich mal wieder ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann, wie früher, so war in vielen Besprechungen zu lesen. Aber kann man dahin überhaupt noch so einfach zurück, ins Reich der Lesenostalgie, oder ist das dann doch zu simple Kost für übersättigte Geschichtengourmands?
An The Cloud Roads ist tatsächlich einiges „wie früher“: Martha Wells siedelt ihre Raksura-Geschichten auf einer relativ unbekümmert zusammenfabulierten Welt an, im allerbesten Sinne. Es gibt kein wahnsinnig exzessives Worldbuilding, aber dafür ganz viel Sense of Wonder, grüne Leute, schuppige Leute, umherwandernde Pflanzen, winzige und riesige phantasievolle Tiere, schwebende Inseln, gelbe Ozeane und auch sonst alles, was das Forscher- und Entdeckerherz begehren könnte.

Und in dieser Kulisse spielt sich ein spannendes Abenteuergarn ab, eine klassische Außenseitergeschichte, die um Freundschaft und Zugehörigkeit (aber nicht unbedingt Coming of Age!) kreist, eine hervorragende Figurenpsychologie und -dynamik bietet und das Ganze mit netten Nebenfiguren und einer Queste würzt. Die Welt wird vielleicht nicht gerettet, aber Moon ist ständig auf Achse und steckt in sich immer wieder neu entwickelnden Schwierigkeiten.
So weit, so nett – aber es stellt sich schnell heraus, dass Martha Wells eben doch nicht alles so macht wie früher.
Ihre Gestaltwandler – die Raksura, eine zivilisierte Raubtierspezies, die man sehr wohl als recht naturalistisch dargestellte Drachen lesen kann – leben in einer rigiden Gesellschaft, die von ihrer Biologie geprägt ist. Wer sich überhaupt fortpflanzen kann und darf, wer welche Rechte und Pflichten ausüben kann und muss, ist vorbestimmt und zeigt sich sogar in körperlichen Merkmalen. Und Moons Rolle in der Geschichte scheint genauso vorbestimmt – der Außenseiter, der endlich seinen Platz findet und sich bewähren kann. Doch ein Leben voller schlechter Erfahrungen hat ihn zu einem einzigen Bündel aus Misstrauen und Zurückhaltung gemacht, und die Art und Weise, wie die von der Natur festgelegten Vorgaben auf persönliche Beziehungen zurückwirken, verkompliziert seine Situation weiter.

Martha Wells nutzt die von ihrer Biologie beherrschten Raksura außerdem für höchst interessante Gender-Konstruktionen: Moon, der versucht hat, sich als Jäger oder Krieger in diversen Gemeinschaften einzugliedern, stellt plötzlich fest, dass bei den Raksura die Männer das kostbare, schützenswerte Geschlecht sind, dass sie umsorgt und umworben werden. Wie schnell man auf diese Weise die Dynamik romantischer Geschichten gehörig durcheinanderwirbeln kann, ist beeindruckend. Und Wells schafft das Kunststück, damit gleichzeitig einen feministischen Kommentar abzugeben und trotzdem niemals vergessen zu lassen, dass ihre Raksura nichts Menschliches an sich haben. An der Oberfläche zeigt sich das auch in den rauschhaften Flugszenen und -kämpfen, die Wells beschreibt.

Die Welt der Raksura ist so alt und skurril wie sie selbst, voller Ruinen untergegangener Zivilisationen, die nur eines vereint: Sie haben wenig mit dem gemein, was man kennt, so dass The Cloud Roads zu einer Fantasy ganz ohne Menschen wird, die hier in keiner ihrer üblichen Erscheinungsformen vertreten sind (man muss sehr selektiv lesen, wenn man irgendwo einen Normalbürger von Fantasyland erspähen möchte). Nostalgisch ist daran vor allem die Bereitschaft, in eine völlig fremdartige Welt einzutauchen und sich auf etwas einzulassen, das einem zunächst wenige Bezugspunkte liefert. Und wenn es sich dann nach Jugendbuch anhört, was Martha Wells über Identität und die Narben erzählt, die ihr Fehlen hinterlässt, über die Akzeptanz von Andersartigkeit und den Umgang mit Schuld, kann man darauf vertrauen, dass die Cloud Roads neuen Wegen folgen und auch einen reiferen Blick auf die Problematik zulassen.

A Conspiracy of Kings von Megan Whalen TurnerSophos, der eher gelehrsame als machtbewusste Neffe und Erbe des Königs von Sounis, wird verschleppt und gerät in die Sklaverei. Kaum ist er dieser misslichen Lage mit knapper Not entronnen, sieht er sich mit Schwierigkeiten eines ganz anderen Kalibers konfrontiert: Sein Onkel ist während seiner Abwesenheit ums Leben gekommen, und die Herrschaftsübernahme in dem von inneren Wirren geplagten Land gestaltet sich äußerst problematisch, zumal die allgegenwärtigen Meder natürlich wie gewohnt die Situation zu ihren Gunsten auszunutzen trachten. Aus eigener Kraft kann Sophos sich schwerlich halten, doch die angebotene Hilfe aus dem Ausland hat ihren Preis…

– The king was visible now, sitting upright in the carriage beside the queen. The carriage drew closer. The young man clinging to the street marker took his aim, waited for the right moment, and with a concentrated puff of air, fired the shot. –
Prologue

Es wird dem vierten Teil der Attolia-Reihe bis zu einem gewissen Grade zum Verhängnis, dass er zu einer Serie gehört: Als Einzelroman würde er einen vorbehaltlos begeistern, doch im direkten Vergleich mit seinem furiosen Vorgängerband fällt er ein wenig ab und weist auch mehr typische Jugendbuchzüge auf. In hohem Maße ist dies sicher der Wahl des zeitweise als Ich-Erzähler fungierenden Helden geschuldet, denn der schon aus dem ersten Band bekannte Sophos ist nicht nur für einen klassischen Entwicklungsroman geradezu prädestiniert, sondern von vornherein weitaus konventioneller angelegt als die in den anderen Büchern zentralen Gestalten.

Dennoch ist er ein sympathischer Protagonist, mit dem sich besonders jüngere Leser sicher identifizieren können, und Turner schildert durchaus überzeugend, wie die freundliche Naivität ihres Helden Stück für Stück der Erkenntnis weicht, dass Rücksichtslosigkeit bis hin zur Missachtung völkerrechtlicher Vorschriften und nicht zuletzt ein furchteinflößender Ruf sich als Schlüssel zum Erfolg erweisen können. Manch eine moralisch fragwürdige Tat ist dabei wirkungsvoll in Szene gesetzt – wahrscheinlich ist man selten in so großer Versuchung wie hier, einem dreisten Ignorieren diplomatischer Immunität Beifall zu zollen.

Turner erliegt allerdings nicht der Faszination der Skrupellosigkeit und Gewalt: Anders als in vielen anderen zeitgenössischen Fantasyromanen werden Werte als Richtschnur menschlichen Handelns nicht lächerlich gemacht oder für unbedeutend erklärt. Das Ringen darum, sich auch unter ungünstigen Bedingungen wenigstens ein Mindestmaß an Anstand zu bewahren, spielt auch hier wieder eine Rolle, wie überhaupt die Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren fein ausgelotet werden. Trotz aller ernsten oder gar tragischen Aspekte bringt einen dabei wieder manch ein gelungener Dialog zum Schmunzeln.

Die Welt, in der Sophos seine Abenteuer erlebt, ist liebevoll ausgestaltet und wartet mit ungewohnten Perspektiven auf. Hat man bisher vor allem das Leben der Eliten an den verschiedenen Königshöfen verfolgt, steht hier in der Anfangsphase der Alltag der Sklaven auf dem Lande im Vordergrund, der mit seinen Hierarchien, Nöten und kleinen Freuden differenziert geschildert wird. Vielleicht spiegelt sich hier Turners erklärte Vorliebe für Rosemary Sutcliffs Werke wider, in denen das Heranreifen eines ursprünglich aus besseren Verhältnissen stammenden jungen Mannes in der Sklaverei (oder zumindest in einer untergeordneten Dienerrolle) ein wiederkehrendes Motiv ist.

Neben dieser möglichen äußeren Inspiration ist A Conspiracy of Kings aber vor allem ein Roman, in dem viele Rückbezüge auf die bisherigen Bände der Reihe zu entdecken sind. Turner führt hier ihre Technik der nachträglichen Umdeutung auf eine buchübergreifende Ebene: Viele scheinbar nebensächliche Einzelheiten aus The Thief erscheinen einem in der Rückschau wie gezielte Vorausverweise auf Entwicklungen, die sich erst hier vollziehen. Handlungsmäßige Parallelen ergeben sich dagegen vor allem zum zweiten Band. Wer sich noch an die Vorgehensweise der Königin von Attolia bei ihrer Thronbesteigung oder an die Intrigen des Meders Nahuseresh erinnert, wird hier viele altvertraute Plotelemente vorfinden, die zwar mit Verve zum Einsatz gebracht werden, aber den Reiz des Neuen ein wenig verloren haben.

Auch insgesamt wirkt Turner diesmal bestrebt, eher von langer Hand Vorbereitetes auszuarbeiten, als große Überraschungen zu bieten. Eine politische Entwicklung, die seit dem ersten Band zumindest als Möglichkeit im Raume stand, tritt tatsächlich ein, und auch manche Veränderung im Beziehungsgeflecht der Hauptpersonen kommt nicht unerwartet. So scheint mit dem Ende des Bandes ein vorläufiger Schlusspunkt erreicht zu sein; eine Fortsetzung müsste sich ein wenig von den mittlerweile ausgetretenen Pfaden wegbewegen, um interessant zu bleiben.

Dennoch ist A Conspiracy of Kings ein solider Teil einer alles in allem überdurchschnittlichen Buchreihe und wird Fans durchdachter, ohne Effekthascherei erzählter Geschichten sicher nicht enttäuschen.

The Crown Conspiracy von Martin J. SullivanAls die Meisterdiebe Royce Melborn und Hadrian Blackwater den Auftrag erhalten, ein magisches Schwert aus der Königsburg zu stehlen, ahnen sie nicht, dass sie nur als Sündenböcke für ein weit schlimmeres Verbrechen missbraucht werden sollen. Der König wird erdolcht, und die am Tatort aufgegriffenen Einbrecher finden sich rasch als vermeintliche Mörder im Kerker wieder. Ein qualvolle Hinrichtung scheint unausweichlich, doch da macht Arista, die Tochter des Ermordeten, den beiden ein unerwartetes Angebot: Sie will ihnen zur Flucht verhelfen, wenn sie im Gegenzug ihren Bruder, den auf seine neue Aufgabe nur schlecht vorbereiteten Thronfolger Alric, entführen …

– By architectural standards, or any other measures, Ballentyne Castle was unremarkable and ordinary in every respect. No great king or hero ever called the castle home. Nor was it the site of any legend, ghost story, or battle. Instead, it was the perfect example of mediocrity and the mundane. –
Chapter 1 – Stolen Letters

Es ist beim besten Willen keine hohe Literatur, was Michael J. Sullivan in The Crown Conspiracy bietet, sondern recht simple Abenteuerfantasy, die bewährten Schemata verhaftet ist und in der man gesunden Menschenverstand bei den Figuren, Realismus oder konsequente Logik oft vergeblich sucht. Dementsprechend wenig überraschend entwickelt sich auch der Plot um das nolens volens in die Machtkämpfe eines kleinen Königreichs hineingezogene Gaunerduo, das in seiner Gegensätzlichkeit ebenso dem Klischee entspricht wie die meisten anderen Charaktere. Unreife Kronprinzen, exzentrische Zauberer, weltfremde Mönche, korrupte Priester, opportunistische bis ritterliche Adlige und Huren mit goldenem Herzen gehören nun einmal zum Standardinventar einer bestimmten Form von Fantasy und werden hier nicht etwa ironisiert, sondern mit der fast naiven Ernsthaftigkeit zum Einsatz gebracht, die dem Genre in den letzten Jahren eigentlich verloren gegangen ist. Der Einfachheit des Inhalts entspricht die fast durchgehend schnörkellose Sprache, die auch Lesern, die sich nur selten an englische Originaltexte wagen, keine großen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Auch der Weltenbau enthält viel Althergebrachtes: Die Helden bewegen sich durch eine wenig originelle Topographie aus Städten, Burgen und Landgebieten mit dem ein oder anderen architektonischen Überbleibsel einer glorreicheren Vergangenheit, die zur Handlungszeit natürlich bereits einem klassischen Pseudomittelalter gewichen ist, in dem eine vage an das Christentum angelehnte, gespaltene Kirche und unterschiedliche politische Parteiungen teilweise auch länderübergreifend um Einfluss ringen. Neben Menschen sind Elfen und Zwerge zu finden, und auch die Magie folgt gewohnten Mustern.

Am Rande sind in dieser erst sehr derivativ anmutenden Kulisse allerdings durchaus interessante Ideen versteckt: So gestaltet sich etwa die Kommunikation mit einem seit Jahrhunderten in einem magischen Gefängnis schmachtenden Zauberer schon aus dem Grunde schwierig, dass er selbst nach Lehrstunden in moderner Sprache immer noch ungefähr so klingt, als würde Yoda sich auf Mittelenglisch zu äußern versuchen, und sich nur zähneknirschend bereiterklärt, an seiner Ausdrucksweise zu arbeiten.

Während dies sich noch vor allem amüsant liest, werden unversehens auch ernstere Themen präsentiert: Die Elfen sind nach langer Unterdrückung und Versklavung durch die Menschen zu einer marginalisierten Randgruppe heruntergekommen, deren besondere Fähigkeiten zwischen Armut und Alkoholmissbrauch kaum noch zur Entfaltung gelangen. Wenn Sullivan an ihrem Beispiel alltäglichen Rassismus schildert, beweist er eine Feinfühligkeit, mit der man zwischen all den munteren Abenteuern und flotten Sprüchen nicht rechnet, die aber auch in manchen anderen Szenen plötzlich aufscheint (etwa im schwierigen Abschied eines schon im Kindesalter ins Kloster gesteckten Mannes von dieser einzigen ihm vertrauten Heimat).

Solche Momente und die spürbare Sympathie des Autors für seine in all ihrer Gewöhnlichkeit doch irgendwie ziemlich liebenswerten Helden ziehen einen fast wider Willen in die Geschichte und sorgen dafür, dass nach dem Ende der Lektüre mehr hängen bleibt, als man es diesem Roman eigentlich zutraut. Abseits hoher Ansprüche und neuer Trends im Genre entfaltet The Crown Conspiracy einen gewissen nostalgischen Charme, der einen über die unleugbaren Schwächen hinwegtröstet und den Roman zur guilty pleasure macht, wobei man guilty vielleicht groß schreiben sollte – doch das hätte ein Buch, das so erkennbar gut gemeint ist, nun auch wieder nicht verdient.

Cover von Die Dame vom See von Andrzej SapkowskiMit der Flucht Ciris durch das Portal des Schwalbenturms kann die Geschichte natürlich noch nicht zu Ende sein, und tatsächlich ist sie so vom Regen in die Traufe gekommen. Geralt dagegen scheint vom beschaulichen Touissant gar nicht mehr wegzuwollen, was seinen Gefährten zunehmend sauer aufstößt, kann doch ihre schwierige Mission nicht zwischen Weinbergen zu Ende gehen …

-“Mich”, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, während er die Ärmel hochkrempelte, “wie ich leider eingestehen muss, zieht es schrecklich zur Herrschaft. Das ist trivial, ich weiß, aber ich will ein Herrscher sein.”-

Die Dame vom See (Pani Jeziora) ist ein mehr als würdiger Abschluss für Andrzej Sapkowskis Geralt-Zyklus, denn es bringt nicht nur die Geschichte rund um Ciri und den Hexer zu einem wunderbar passenden Ende, sondern führt dem Leser/der Leserin nochmal alle Stärken der Reihe vor Augen. Das beginnt schon beim eher gemächlichen Einstieg, der einerseits ein schlaglichtartiges „Was bisher geschah“ mit starkem Eigencharakter ist, andererseits einige Zeitebenen miteinander verknüpft und bei dem in den Geralt-Passagen wieder das alte Flair der Kurzgeschichtenbände aufkommt. Die intelligent-witzigen Dialoge, die Monsterhatz und das Techtelmechtel entfalten eine fast nostalgische Wirkung.

Der Rückverweis auf die Kurzgeschichten geschieht nicht ohne Grund, knüpft Sapkowski doch im Zuge eines der Finale, die in der zweiten Romanhälfte dicht aufeinander folgen, an seine Erzählungen an und schlägt so tatsächlich einen Bogen zum Anfang des Hexer-Zyklus. Hat der Autor in seinen Kurzgeschichten so manches Märchen durch den Kakao gezogen, so scheut er sich nicht, im finalen Band ein klassisches Erzählmuster auf die Schippe zu nehmen, dessen er sich selbst bedient, und gibt einem der Höhepunkte so eine erfrischend selbstironische Note. Zudem ist auch der abschließende Band wieder reich an intertextuellen Bezügen und historischen Anspielungen.

Aber Sapkowski wäre nicht Sapkowski, ließe er seine Reihe mit den großen, dramatischen Auflösungen enden, stattdessen geht die Geschichte noch weiter und gewährt in der dem Autor eigenen Art einen Blick auf die weiteren Folgen der Ereignisse auf die politische Landschaft, auf die Gesellschaft und auch auf die Haupt- und Nebenfiguren. Der Wechsel zwischen retrospektiven, narrativen und „mittendrin“-Passagen macht einen nicht geringen Teil des Charmes des Romans und der Reihe aus. In diesem letzten Abschnitt des Romans geht es Sapkowski nicht nur um die von ihm erschaffene Welt, sondern er flicht darin auch seine scharfe Beobachtungsgabe unserer Welt ein. Denn die spezifisch modernen (insofern, als dass man sie in direkten Bezug zu unserer Gegenwart setzen kann) Aspekte von Sapkowskis Welt treten in Die Dame vom See erneut stärker hervor, sind dabei aber so geschickt „verkleidet“, dass sie sich wunderbar in das Setting einfügen. Seien es nun die Verflechtungen von Wirtschaft und Politik oder – und dieses Thema hat im abschließenden Band wie auch in der gesamten Reihe eine prominente Position inne – der Überlegenheitsdünkel gegenüber den „Anderen“, wobei die Fluidität dieser Kategorie von Sapkowski scharfsinnig aufgezeigt wird, jeder kann dem zum Opfer fallen. Bei aller Unterhaltsamkeit und aller Spannung ist es vor allem diese Ebene, die dem Geralt-Zyklus seine große Bedeutung verleiht.

Die Dämonen von Tobias O. MeissnerLange waren die Dämonen aus der Welt verbannt, doch die unbedachte Tat des Thronerben von Orison ermöglicht zweien die Flucht: Gäus und Irathindur. Sie planen, sich in der Welt der Menschen festzusetzen und wählen jeweils einen Herrscher, den sie übernehmen werden: Irathindur wird sein irdisches Dasein als Baroness eines der neun Baronate Orisons antreten; Gäus als der junge König des Landes. Ehe die beiden getrennter Wege gehen, schwören sie sich, nicht gegeneinander Krieg zu führen. Bald stellt Irathindur aber fest, dass die Lebenskraft im Land Orison nur für einen Dämon reicht – und beginnt nach mehr Macht zu streben. Noch immer an den Pakt mit Gäus gebunden, stürzt er alsbald das ganze Land ins Chaos, um seinen Hunger nach Lebenskraft zu stillen.

-Der König, der keine Augen hatte, streckte eine Hand aus nach dem Meer.-
Vorausschau

Mit den Dämonen wird ein ganz neues Fass in der Auswahl der „Völker Tolkiens“ aufgemacht, zu denen uns die deutsche Fantasy-Szene im Laufe der letzten Jahre überreichlich viele Ausflüge beschert hat. Die Grenzen der Vielfalt scheinen langsam ausgereizt: Dämonen als eines der Völker Mittelerdes? Wir wollen aber mal nicht so kleinlich sein, schließlich ist es auch alles andere als der Geist Tolkiens, der dieses Werk von Tobias O. Meißner durchweht, das stellt man schon fest, wenn man einen Blick auf die Figuren wirft:
Da wäre der Möchtegern-Student Minten, der stattdessen, wenn auch unfreiwillig, zum brutalen Haudrauf wird, von den Wogen des Krieges herumgeschleudert, bis er im wahrsten Sinne des Wortes sein Gesicht und die Orientierung verliert, für wen und wofür er eigentlich kämpft. Dann der finstere Dämon Gäus, der alsbald den schwächlichen König des Menschenlandes übernimmt und als dieser ganz in der Aufgabe aufgeht, das Land zu regieren. Und schließlich der gewitztere und elegantere Dämon Irathindur, der zum Zweck eines irdischen Daseins in die lüsterne Baroness Meridienn einfährt und nach anfänglichen Daseinsfreuden bald nicht mehr mit dem schnöden Titel zufrieden ist. So entspinnt sich ein Machtkampf und schließlich aus Unwissenheit, Gleichgültigkeit und schlichtem Pech ein grausamer Krieg, der für die meisten Beteiligten ein ziemlich sinnloses Unterfangen ist, aber trotzdem immer größere Kreise zieht.

Fast wie im wirklichen Leben also. Und das ist auch die Essenz des Romans – der Mensch braucht keine Dämonen, um im Krieg alles kurz und klein zu schlagen. Und die Dämonen? Sind auch nur Menschen, eignen sich menschliche Züge an, sobald sie Fuß im irdischen Dasein gefasst haben, und zwar die guten wie die schlechten. Das ist vielleicht das Interessanteste an Meißners Roman, wie das Spiel mit Erwartungen auf die Spitze getrieben wird, wie aus anfänglicher Machtgier Verantwortung wird und aus Lebensfreude die Gier nach immer mehr.
Die daraus resultierende Schlachtenfolge allerdings ist eine relativ langatmige Aneinanderreihung von Action-Szenen, und wenn man sein Lesevergnügen nicht nur aus Kämpfen und Kriegswogen ziehen kann, dann bleibt nicht mehr viel übrig. Stilistisch und selbst in einigen Charakterzügen der Hauptfiguren ähneln Die Dämonen Meißners Mammut-Reihe, doch Menschlichkeit und Wärme spielen in diesem Kriegsgetümmel kaum eine Rolle. Legitim, manchmal angebracht und wichtig ist es durchaus, einen solchen Blick auf die Abgründe zu eröffnen und daneben Weltschöpfung und Charakterzeichnung auch etwas verblassen zu lassen, jedoch scheinen Die Dämonen diesbezüglich auf halber Strecke stecken geblieben zu sein und ihr blutiges Machtgerangel ist doch nur ein halbherziger Tanz an der Grenze zum Tabubruch: Mit Verdauungsproblemen, Orgien, S/M-Klamotten, Körpersäften in allen Variationen und anderen Klischees von Dämonen und Dämonenwirken wird zwar immer wieder kokettiert – diese Ingredienzen bleiben allerdings ohne große Nachwirkung und machen ein wenig den Eindruck, als hätten sie zum Thema Dämonen eben dazu gehört. Andere Autoren, die die düstere Sparte der Fantasy bedienen, haben diesbezüglich weitaus finsterere und beeindruckendere Tableaus von der dämonischen Fratze des Krieges gezeichnet.

Eine Weltschöpfung ist nur ansatzweise vorhanden und dem Leser wird ein wie von Bürokraten am Reißbrett entworfenes Land namens Orison vorgesetzt, dessen Ordnung die Dämonen dann mehr oder weniger genüßlich über den Haufen werfen dürfen. Ebenso dürftig sind die Nebencharaktere skizziert, fast schon Karikaturen von Menschen, die im Angesicht des Chaos, das in ihr wohlgeordnetes (und dennoch alles andere als perfektes) Leben eindringt, vollkommen ins Surreale kippen, wie etwa der sich selbst geißelnde, sexuell unbefriedigte Mann, der als völlig überzeichnete Figur zum Frauenhasser und -mörder mutiert. Sollte dabei einmal der Ansatz einer tiefgründigeren Betrachtung zum Thema entstehen, wird sie recht schnell in einem Feuerwerk cineastischer und wilder Szenen verbraten, die dem Dämonenkrieg ein grelles Erscheinungsbild verleihen.
Am Ende gibt es noch ein kleines stilistisches Wagnis, das aber den Schluß nicht mehr recht abwenden kann, hier vor allem ein effektlastiges Schaubild zu betrachten, das allerdings trotz – oder gerade wegen – der universellen Interpretationsmöglichkeiten zum Thema „Krieg“ nur wenig mehr ist als die übliche Action-Fantasy der düsteren Sorte.

Cover des Buches "Dämonensommer" von Terry BrooksEs ist der heißeste Sommer seit Jahrzehnten, als zwei unheimliche Fremde in das Städtchen Hopewell in Illinois kommen. Der eine stachelt die Streitigkeiten der Bewohner an, der andere hat offenbar die Fähigkeit, die Schrecken der Zukunft vorherzusehen. Und da ist Nest Freemark, ein junges Mädchen, das auf mysteriöse Weise mit den beiden Männern verbunden ist. Sie kann die übernatürlichen Wesen wahrnehmen, die bereits die ganze Stadt in ihren Bann geschlagen haben …

-Er steht allein im Zentrum einer der vielen ausgebrannten Städte Amerikas, doch in dieser war er schon einmal. Selbst in ihrem zerfallenem, geschwärztem Zustand sind die Gebäude, die ihn umgeben, erkennbar.(…) Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße hängt ein großes Plakat in Fetzen herab: Willkommen in Hopewell, Illinois! Wir wachsen euch ans Herz!-
Prolog

Mit Dämonensommer (Running with a Demon beginnt Terry Brooks eine fantastische Trilogie rund um das Mädchen Nest Freemarks. Sie lebt mit ihren Großeltern in dem beschaulichen Örtchen Hopewell, wobei ihr Leben alles andere als beschaulich ist. Im Geheimen führt sie einen Kampf gegen die “Fresser”, geheimnisvolle Wesen, die nur die Frauen von Nests Familie sehen können. Normalerweise sieht sie nur wenige von ihnen, doch in letzter Zeit werde es immer mehr. Und sie fangen an, Menschen anzugreifen. Gleichzeitig tauchen zwei Fremde auf, die beide mit Nest in irgendeiner Verbindung zu stehen scheinen.

Terry Brooks ist zurecht ein hochgelobter Fantasy-Autor: Dämonensommer zeichnet sich nicht nur durch eine mitreißende Handlung aus; durch den Sprachstil des Autors wird eine fantastische Welt aufgebaut, die den Leser sofort in ihren Bann zieht. Die Charaktere wirken überzeugend und der Waldschrat Pick bringt gekonnt ein wenig Humor in die ansonsten sehr düstere Handlung. Es gelingt dem Autor über den gesamten Roman einen Spannungsbogen aufzubauen, so dass es auch zwischendurch nicht langweilig wird. Offene Fragen werden bis zum Schluss auch offen gehalten, so dass das Ende nicht nach den ersten zwanzig Seiten vorhersehbar ist.
Als Einziges gestört hat mich der Name der Hauptfigur, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein.
Der Anfangsroman des Zyklus macht jedenfalls süchtig und man will sofort nach dem nächsten Band greifen.

A Dance with Dragons von George R. R. MartinWährend in Westeros ein harter Winter anbricht, setzt sich das Ringen um die Macht fort. Jon Snow ist bestrebt, die offiziell neutrale Nachtwache zwischen den verfeindeten Parteiungen hindurchzulavieren und zugleich eine Allianz gegen die immer bedrohlichere Gefahr aus dem Norden zu schmieden. Daenerys Targaryen muss sich unterdessen mit ihren kaum noch zu bändigenden Drachen und den Tücken der Herrschaft über das fremdartige Meereen auseinandersetzen. Sie ahnt nicht, dass neben mehreren Bewerbern um ihre Hand auch Tyrion Lannister auf der Suche nach ihr ist und dabei eine unglaubliche Entdeckung macht, die alles verändern könnte…

– The night was rank with the smell of man. The warg stopped beneath a tree and sniffed, his grey-brown fur dappled by shadow. A sigh of piney wind brought the man-scent to him, over fainter smells that spoke of fox and hare, seal and stag, even wolf. Those were man-smells too, the warg knew; the stink of old skins, dead and sour, near drowned beneath the stronger scents of smoke and blood and rot. Only man stripped the skins from other beasts and wore their hides and hair. –
(Prologue)

Kaum ein Buch im Fantasygenre dürfte in letzter Zeit so ungeduldig erwartet worden sein wie A Dance with Dragons (Der Sohn des Greifen, Ein Tanz mit Drachen). George R.R. Martin musste sich in den immerhin knapp sechs Jahren seit dem Erscheinen des Vorgängerbands A Feast for Crows (Zeit der Krähen, Die dunkle Königin) aufgrund seines Arbeitstempos einiges an Spott und Kritik gefallen lassen, und die Erwartungen der Fans waren hoch. Ganz unbeeinflusst davon kann keine Einschätzung des vorliegenden Romans bleiben, der in der Tat nicht nur Martins unbestreitbare Stärken ausspielt, sondern auch recht deutlich zeigt, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hat.

Für Leser, die sich vorwiegend danach gesehnt haben, wieder tief in Martins Welt eintauchen zu dürfen, hat sich die Wartezeit gelohnt. Martin erweist sich einmal mehr als unübertroffener Schilderer eines prallen Settings, das vor Sinnenfreuden und Scheußlichkeiten gleichermaßen überquillt. Der in einem furios eingefangenen Wintereinbruch immer weiter erstarrende Norden und der kriegs- und seuchengeplagte Süden, in dem Vorboten der neuen Jahreszeit nur langsam Fuß fassen, bilden die Kulisse für Ansprechendes wie Abschreckendes, aber auf jeden Fall Bewegendes. Martin schwelgt in Intrigen, Magie, ungehemmter Sexualität, Blutvergießen aller Art (von Gladiatorenkämpfen über Morde und Hinrichtungen bis hin zu Menschenopfern) und immer wieder auch in Tafelfreuden verlockender wie zweifelhafter Natur. Gelegentlich erliegt er dabei wohl vor allem der Faszination des Entsetzlichen: Wenn etwa aus Sicht des fast um den Verstand gefolterten Theon Greyjoy der gnadenlose Sadismus eines Ramsay Bolton breit ausgewalzt wird, lässt sich das nicht mehr allein als ungeschminkte Darstellung der Schattenseiten einer pseudomittelalterlichen Welt abtun, sondern bewegt sich irgendwo zwischen Schockeffekt und schlichter Geschmacklosigkeit.

Selbst wenn man sich von diesen Elementen (und auch von der prononcierten Neigung, insbesondere Frauengestalten in erniedrigenden, sexuell konnotierten Situationen zu präsentieren) abgestoßen fühlt, muss man dem Autor lassen, dass er sein erzählerisches Handwerkszeug nach wie vor blendend beherrscht. Obwohl manche Motive, derer er sich bedient, offensichtliche Entlehnungen bilden (so begegnen einem unter anderem Reminiszenzen an die Apokalypse, Macbeth, El Cid und Lady Godiva), sind sie unbestreitbar wirkungsvoll.

Das alles kann über eines nicht hinwegtäuschen: Die Gesamthandlung kommt kaum voran, und das nicht etwa nur, weil ein Großteil des Romans zeitlich parallel zu A Feast for Crows spielt. Trotz der vordergründigen Ereignisfülle wird auf über 950 Textseiten eigentlich nicht viel erreicht. Gerade wenn man die gemächlichen Fortschritte der Haupthandlung mit dem vergleicht, was etwa ein David Anthony Durham oder ein Daniel Abraham in einem wesentlich kürzeren Band kompakt vermitteln kann, wird man den Verdacht nicht los, dass Martin sich mit seiner überaus szenischen Erzählweise und den Heerscharen von Protagonisten mittlerweile selbst im Wege steht.

Erschwerend kommt hinzu, dass ausgerechnet den für die Gesamthandlung bisher recht zentralen Publikumslieblingen Jon, Daenerys und Tyrion nicht unbedingt die interessantesten Passagen zugeordnet sind. Während Tyrion, Reiseabenteuer hin oder her, vorwiegend damit beschäftigt ist, mit seinem Schicksal und besonders mit seinem immer noch nicht überwundenen Übervater zu hadern, läuft sich der Plot um die Targaryen-Prinzessin in einer eigenartigen Mischung aus schwülstiger Altmännerphantasie und Schilderungen herrscherlicher Inkompetenz tot. Jon Snow darf immerhin ein paar neue Entwicklungen anstoßen, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich – deutlich illustriert durch die Hinrichtungsszene relativ zu Anfang seines Handlungsstrangs – zu einem Abklatsch von Eddard Stark entwickelt und letztendlich auch ähnliche Fehler begeht wie sein tatsächlicher oder vermeintlicher Vater.

Ob es Martin dabei jeweils um die bewusste Gestaltung eines Scheiterns geht, bleibt unklar, doch wenn sich überhaupt ein Thema als verbindender roter Faden anbietet, ist es wohl das menschlichen Versagens und enttäuschter Erwartungen. Kaum eine Hauptfigur erreicht langfristig das, was sie sich vorgenommen hat: Suchen verlaufen ergebnislos, Begegnungen, die den Plot voranbringen könnten, kommen nicht zustande, und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der einzige ganz neue Faktor, der die politische Gesamtkonstellation deutlich verändert, wirkt wie aus dem Hut gezaubert: Eine seit Beginn der Serie für tot gehaltene Person ist wundersamerweise doch noch am Leben und bereit, im Kampf um die Königsmacht mitzumischen.

Abgesehen von dieser einen überraschenden Entwicklung scheint es so, als wolle Martin sich für die Folgebände alle Optionen offen halten und manch eine Entscheidung lieber noch aufschieben. Was also bleibt am Ende? Kein schlechtes Buch, aber auch kein rundum gelungenes. A Dance with Dragons ist ein Zwischengang, der durchaus den Appetit auf mehr wachhalten kann, aber nicht der entscheidende Schritt nach vorn, den A Song of Ice and Fire (Das Lied von Eis und Feuer) an dieser Stelle so dringend gebraucht hätte.

Cover von The Darkness That Comes Before von R. Scott Bakker2000 Jahre nach der ersten Apokalypse, bei der fast die gesamte Bevölkerung der Welt Eärwa von dem Nicht-Gott Mog vernichtet wurde, ruft die inrithische Kirche einen heiligen Krieg gegen die Fanim aus. In der Stadt Momemn werden eine Reihe ganz unterschiedlicher Personen in den Sog der Ereignisse hineingezogen: Drusus Archamian ist Mitglied der “Mandate”, die seit der Apokalypse mit ihren magischen Fähigkeiten gegen die Anhänger des Nicht-Gotts kämpfen. Esmenet ist eine in Archamian verliebte Prostituierte. Cnaiür ist ein Clansmann von der Steppe, der auf Rache für den Tod seines Vaters sinnt. Anasûrimbor Kellhus ist ein Mönch der Dûnyain, der durch seine erlangten Fähigkeiten in der Lage ist, Menschen in radikaler Weise zu beeinflussen. Er ist auf der Suche nach seinem Vater.

-All spies obsessed over their informants. It was a game they played in the moments before sleep or even during nervous gaps in conversation.-
Chapter I

The Darkness That Comes Before (Schattenfall) ist ein sehr komplexes Buch, mit Unmengen von historischen und kulturellen Informationen über die Welt Eärwa und einer unzählbaren Anzahl von fremdklingenden Namen und Bezeichnungen. Entsprechend schwierig ist der Einstieg in das Buch. Man fühlt sich unvorbereitet ins eiskalte Wasser geworfen, und den wirklichen Sinn und Inhalt der beiden Prologe und der ersten Abschnitte des ersten (von insgesamt fünf) Teilen wird man wahrscheinlich erst beim zweiten Lesen erfassen. Leser, die einen geruhsamen, erklärenden Einsteig bevorzugen, könnte dieser Beginn doch sehr abschrecken.

Doch mit Hilfe des Anhangs und der Karten wird man sich spätestens in der Mitte des ersten Teiles in das Buch und die eigenartige Welt hineingefunden haben und kann endlich in vollem Maße die sehr umfangreiche und ausgereifte Story genießen. Die Handlung enthält viele Elemente der historischen Kreuzzüge und beinhaltet aus diesem Grund auch eine Reihe von religiösen Elementen. Als wirklich spannend kann man die Story nicht bezeichnen, auch wenn einige Actionszenen und Kämpfe durchaus vorkommen, das Hauptaugenmerk liegt eher auf den Gesprächen der Figuren, Erinnerungen an die Vergangenheit der Hauptpersonen und Vermittlung der Informationen über die verschiedenen Fraktionen, als auf großer tatsächlicher Handlungsbeschreibung. Durch diesen Schreibstil bleibt die Welt selbst etwas blass, man kann sich nur schwer in die Situationen selbst hineinversetzen. Hierbei merkt man dann auch deutlich, dass es sich um den ersten Teil einer Trilogie handelt (dieser Trilogie werden übrigens noch zwei weitere, inhaltlich eigenständige und zeitlich abgetrennte Trilogien folgen, die auf derselben Welt spielen und denselben Grundkonflikt zugrunde liegen haben), in dem vor allem die Charaktere dargestellt und die Ausgangssituation der Story für die nächsten beiden Bücher ausgebreitet werden soll. Dennoch ist die Handlung interessant und legt vor allem in den letzten beiden Teilen des Buches an Tempo zu.

Highlight des Buches ist wohl die Charaktergestaltung. Bakker ist einfach meisterhaft in der Fähigkeit, seine Hauptpersonen unglaublich lebendig darzustellen, wodurch die Nebencharaktere im Vergleich aber leider etwas in der Gestaltung zurückbleiben. Durch die fast schon typische Beschreibung der Handlung aus der Sicht einer ganzen Reihe von Figuren hat man auch die Möglichkeit, die Hauptpersonen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Besonders das Wechselspiel zwischen Kellhus und Cnaiür im späteren Verlauf des Buches ist dabei brillant. Die Brutalität (das Buch ist wohl auch eher für etwas ältere Leser zu empfehlen), die ein Charakter, den man eigentlich als sympatisch – oder um den vielbemühten und kaum mehr angebrachten Begriff noch einmal zu verwenden, als “gut” – empfand, plötzlich aus einer anderen Perspektive zeigt, ist fast schon schockierend. Hier übertrifft Bakker auch einen George R. R. Martin, bei dem diese Personenbetrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln durch die geografische Abgetrenntheit der Personen einfach zu selten zustande kommt.

Doch der Vergleich mit George R. R. Martin ist sowieso eigentlich eher schlecht gewählt. Bakker ähnelt in Schreibweise und vor allem auch der Gestaltung seiner Welt in Bezug auf Magie und die verschiedenen Fraktionen und Allianzen vielmehr seinem kanadischen Landsmann Steven Erikson und dessen A Tale of the Malazan Book of the Fallen-Serie, als dem Amerikaner. Bakker darf nur nicht den Fehler machen und mit den nächsten Büchern ein Werk schaffen, das sich doch letzendlich nur um den epischen Kampf des Guten gegen das Böse dreht. Die Gefahr ist durchaus gegeben, aber eigentlich kann ich mir dies nur sehr schwer vorstellen.
Letzendlich lässt sich also sagen, dass Bakker gleich mit seinem Debütroman ein glanzvolles Werk hingelegt hat, das sich vor den großen Namen des Genres nicht verstecken muss. Die Schwächen bezüglich der Einleitung des Buches und der Weltgestaltung (bei der sich Bakker für meine Begriffe dann doch etwas zu stark an Tolkien orientiert) seien trotzdem noch erwähnt. Aber ich denke, Bakker hat durchaus noch das Potenzial sich in gewissen Punkten zu steigern.

Daughter of the Blood von Anne BishopIm von Magie durchzogenen Tereille unterdrücken und quälen Frauen die Männer, diese wiederum versuchen die Frauen durch Vergewaltigung zu “brechen” und ihnen dadurch ihre Magie zu rauben. Doch es wurde die Ankunft einer mächtigen Hexe prophezeit, die Erlösung bringen soll. Als sie schließlich erscheint, ist sie Jaenelle, ein kleines Mädchen mit unendlicher Macht, und sie hat nur wenige Beschützer: Saetan, der sie gerne unter seine Fittiche nehmen würde, und Daemon, der seit Jahrhunderten auf ihre Ankunft gewartet hat, um ihr Liebhaber zu werden. Doch dem Mädchen drohen von vielen Seiten Gefahren, während ihre Beschützer sich nicht einmal gegenseitig vertrauen.

-I am Tersa the Weaver, Tersa the Liar, Tersa the Fool. When the Blood-Jeweled Lords and Ladies hold a banquet, I’m the entertainment that comes after the musicians have played and the lithesome girls and boys have danced and the lords have drunk too much wine and demand to have their fortunes told.-
Prologue, Tereille

Die Dark Jewels (Die schwarzen Juwelen) von Anne Bishop haben eine große Fangemeinde, stellen sich aber bereits im Auftaktband als – in eine hübschere Formulierung lässt es sich leider nicht verpacken – Schrott heraus. Düster und erotisch soll es werden, klischeehaft und sexistisch liest es sich. Von den interessanten Details sollte man sich nicht blenden lassen, das vorgebliche Spiel mit Stereotypen ist schnell vorbei, und “subtil” ist ohnehin ein Fremdwort. Die bösen Kerle zum Beispiel, die auf die einfallsreichen Namen Daemon, Lucivar und Saetan hören, sind eigentlich ganz nett. Daemon etwa, ein bitterböser Lustsklave, der auch als “der Sadist” bekannt ist, ist charismatisch, gutaussehend, smart und baut auch mal einen Schneemann. So weit, so unspektakulär. Augenzwinkernder Humor, um die “Düsternis” etwas aufzulockern, in allen Ehren, die Brechstange hätte aber auch in der Autorenwerkzeugkiste bleiben können.

Haben wir es also vielleicht mit einer interessanten Spielerei mit Geschlechterrollen zu tun? Viel zu innovativ gedacht! Die Frauenherrschaft der magiebegabten Herrscherkaste der “Blood” ist ein dünnes Deckmäntelchen für allerlei Folter- und Sexszenen, in denen übelste Klischees gewälzt werden: Jede Frau hat ihre helle Freude daran, ihre Macht durch das Quälen von Männern auszuleben (mittels eines magischen schmerzinduzierenden Ringes … nicht am Finger), die Männer wehren sich mit Vergewaltigung, die die Magie der Frauen zerstört, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt geschieht. Erzählt wird aus der Perspektive der männlichen Hauptfiguren (Saetan und Konsorten).

Immerhin, es naht Rettung, denn mittendrin in diesem ekelhaften Sumpf ist die kleine Jaenelle, gesegnet mit unendlicher Macht. Ihre Macht ist ein Fakt, sie wird niemals motiviert, erklärt oder in ihren Wirkmechanismen erläutert, aber jeder erstarrt vor Ehrfurcht oder will sie nutzbar machen. Dass der erwähnte Daemon, der den Ruf als tollster Sexsklave des Reiches pflegt, dann auch mit dem kleinen Mädchen in die Kiste will und kaum an sich halten kann – er ist schließlich ihr prophezeiter Partner – setzt dem Wust an Widerwärtigkeit die Krone auf. Und es wirkt wie blanker Hohn, dass Jaenelle an anderer Stelle in Daughter of the Blood (Dunkelheit) misshandelt wird und daraufhin ein sensibler Umgang mit dem Thema Kindesmissbrauch geheuchelt wird.

Selbst mit einem Faible für erzwungene, affektierte Düsternis (klar, dass alle schwarz tragen) wird es schwierig, über diese abstoßenden Einzelheiten hinwegzusehen. Das Konzept, die strenge Hierarchie mit (düster-farbigen) Edelsteinen, die Giftringe, Schwarzen Witwen und Dämonen sind aber offenbar anziehend genug. Ideenlos ist Bishop auch gewiss nicht, die Weltschöpfung könnte eine gewisse Ästhetik ausstrahlen, und eine leidlich gute Erzählerin ist sie auch. Solch düstere Entwürfe findet man aber auch bei anderen AutorInnen und kann dieses Machwerk getrost links liegen lassen.

Der Sohn des Greifen von George R.R. MartinIn ihrer Gier nach dem eisernen Thron belauern sich die Adelshäuser im gegenseitigen Machtkampf, während die Sieben Königreiche weiter zerfallen. Einig sind sie sich nur in ihrem Misstrauen gegen die rechtmäßige Erbin der Krone: Daenerys Targaryen.
Mit einer steig wachsenden Armee und ihren drei Drachen greift sie von Osten as nach der Herrschaft über Westeros. Doch die eigentliche Gefahr droht aus dem Norden, wo sich Geschöpfe erheben die die Menschen des Südens zu überrennen drohen. Nur Jon Schnee und eine Hand voll tapferer Männer stemmen sich gegen die Bedrohung.

– Menschgestank hing in der Nacht. Der Warg blieb unter einem Baum stehen und schnüffelte. Sein graubraunes Fell war von Schatten gesprenkelt. Ein Seufzer des Kiefernwinds trug den Menschengeruch zu ihm und dazu die schwächere Witterung von Fuchs und Hase, Seehund und Hirsch und sogar Wolf. Das waren ebenfalls Gerüche von Menschen, wie der Warg wusste; der Gestank alter Felle, tot und bitter, der die stärkeren Gerüche beinahe vollständig überlagerte: Rauch und Blut und Fäulnis. Nur Menschen zogen anderen Tieren die Haut ab und trugen deren Fell und Haar. –
Prolog

Zu Der Sohn des Greifen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Der Sohn des Greifen und Ein Tanz mit Drachen.

Cover des Buches "Der verschenkte König" von Terry BrooksQuestor Thews, der unfähige Hofzauberer Landovers, findet einen Zauber, um den hundegestaltigen Hofschreiber Abernathy in einen Menschen zurück zu verwandeln. Doch dabei wird Abernathy samt dem Medallion, das dem König die Gewalt über den Verteidiger des Reiches verleiht, in die alte Welt des Königs Ben Holiday transportiert und gegen eine bunte Flasche mit einem bösen Dämon, dem Darkling, vertauscht. Während Ben und seine Freunde den G’heim Gnomen Filip und Sot, die die Flasche gestohlen und den Darkling befreit haben, hinterher jagen, muss Abernathy zu seinem Entsetzen feststellen, dass er bei Michel Ard Rhi, dem ehemaligen König von Landover, gelandet ist; denn einst hatte Questor Abernathy in einen Hund verwandelt, um ihn vor Michel zu verstecken…

-Ben Holiday seufzte müde und wünschte, er wäre woanders als dort, wo er gerade war.-
Niesen

Die Welt Landover ist immer noch dieselbe, wie im ersten Band und alle Bekannten treten wieder auf. Dieses Mal werden die Charaktere von Abernathy und Questor Thews etwas näher beleuchtet, doch leider bleiben sie recht maskenhaft.
Strabo, der Drache, soll einer der größten Feinde des Königs sein, doch die Rolle kann man ihm kaum mehr abkaufen. Kallendbor nimmt sich einiges heraus, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen. Insgesamt sind die bekannten Elemente nicht um interessante Facetten bereichert worden und können ihre Rollen kaum glaubwürdig füllen.
Neue Elemente gibt es kaum, nur den Schattenwicht, der eine kleine Rolle spielt, und den Darkling. Diese beiden Gestalten sind aber durchaus gelungen – der erbärmliche Schattenwicht, der um weiter existieren zu können Leichenteile zusammenstehlen muss, lässt einen schon erschaudern. Auch die grausam-schönen Kunstwerke des Darklings haben viel Potential – leider nutzt der Autor dieses nicht voll aus.
Die in unserer Welt angesiedelten Charaktere gelingen allesamt besser, treten aber nur kurz auf; Michel Ard Rhi allerdings wird so aufgrund der nebulösen Ferne zu einer interessanten Figur.

Die Geschichte lässt sich vielleicht am besten als Mischung aus urbaner Abenteuergeschichte und klassischer Fantasy-Queste beschreiben. In Landover wird dem Darkling nachgejagt und die bekannten Charaktere abgeklappert. Einige der Verknüpfungen wirken dabei etwas zu konstruiert, als wenn es nur darum ginge, den Charakter auftreten zu lassen; aber glaubwürdig sind sie dennoch. Questors Magie ist leicht störend: Sie schwankt zwischen Slapstick und Lebensrettung, aber fast immer so, dass es die Geschichte voran treibt – nur an einer Stelle verkompliziert sie die Geschichte; diese Stelle ist aber wirklich gelungen. Schade, das es nicht mehr davon gibt.

Im Strang in den USA gilt es Abernathy nach Virginia zu lotsen, damit er nach Landover zurückkehren kann. Alles in allem durchaus gelungen, aber auch kein Meisterwerk. Es lässt sich gut lesen, es tauchen keine Ärgernisse auf, aber leider auch keine überragenden Einfälle.

Auch wenn der Autor versucht humorvoller zu sein als in den vorigen Geschichten, sind mir die auflockernden Slapstick-Szenen zu albern. Sprachlich sind wieder einmal einige der fantastischen Wesen etwas unangemessen: “Und wen nennt Ihr ‘alt’? Ihr seid selbst ein halbes Fossil!” So der Drache Strabo.

Wie alle Teile des Zyklus, so lässt sich auch Der verschenkte König (Wizard at Large) als eigenständiger lesen, da alle wichtigen Zusammenhänge kurz erläutert werden. Es fehlt dann eventuell nur etwas Tiefe.

Cover des Buches "The Destroyer Goddess" von Laura ResnickDie Insel Sileria liegt im Schatten des Vulkans Darshon, in dem die Zerstörergottheit Dar wohnt. Wenn Sie erwacht, bebt die Erde. Seit Jahrhunderten verhielt Sie sich ruhig, trotz der Besatzung durch fremde Eindringlinge – doch Dar beginnt sich zu regen.
Sileria wurde von fremder Herrschaft befreit, nur um unter das Joch der rücksichtslosen Wasserherren zu fallen, mächtigen Magiern, die jene terrorisieren, die von ihrer Gnade und dem Wasser abhängig sind.
Tansen und Mirabar versuchen, die Macht der Wasserherren zu brechen und Sileria endgültig zu befreien. Aber welche Rolle spielt Zarien, ein mysteriöser Junge, der von einer Seegöttin geschickt wurde? Und was hat es mit Mirabars Prophezeiungen auf sich?

-Elelar realzied what Tansen had done as soon as she saw the blood-soaked cloth wrapped around his left hand.-
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Der zweite Teil von In Fire Forged beschreibt den Höhepunkt der Trilogie The Cronicles of Sirkara, was man auch deutlich am gestiegenen Handlungstempo erkennt. Die Ereignisse verdichten sich immer mehr, Handlungsstränge werden zusammengeführt und ergeben ein überraschendes Gesamtbild. Überhaupt ist dieses Buch unvorhersehbar, ein scheinbar naher Sieg wird zur Niederlage, Freund zu Feind, Liebe zu Hass. Es ist faszinierend, wie sich die einzelnen Schicksale immer wieder verflechten, Nebenpersonen wieder auftauchen und an Bedeutung gewinnen. Die Lösung, die Resnick präsentiert, ist ebenso überraschend wie logisch.

Nicht nur die Handlung, auch die Komplexität der Beziehungen der Charaktere sowie die Charaktere selbst liegen weit über dem Standard von Fantasybüchern. Jeder Held hat seine Ecken und dunklen Geheimnisse, nicht jeder Bösewicht ist nur böse. Resnick versteht es, den Leser fast nur durch die Protagonisten zu fesseln. Nach und nach erfährt man so viele Details, die von Resnick später noch in die Handlung eingebaut werden.

Alles in Allem ist es ein perfekter Abschluss einer überdurchschnittlich guten Trilogie. Zwar schreibt Resnick am Ende, dass mit diesem Buch die Wirrungen der Insel Sileria enden, gleichzeitig aber deutet sie an, dass sie vielleicht erneut zu den Charakteren zurückkehren wird.

Cover des Buches "Die Schwerter von Oranda" von Christiane Zina Chantal Bergner, eine junge Wissenschaftlerin, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den fernen Planeten Oranda zu erforschen. Mithilfe der “Chronotransit”-Technologie ist es möglich, die Geschichte der vor rund 300.000 Jahren untergegangenen Kultur zu erforschen. Während dieser Reisen schlüpft sie in die Rolle einer Kriegerin und dient unter dem Herzog Aldo. Bald kommt Chantal geheimnisvollen Kräften in Gestalt der Neun Lebenden Schwerter auf die Spur. Der Sage zufolge soll im Verborgenen noch ein Zehntes Schwert existieren, das über die anderen gebietet. Als ein feindlicher Herzog sich im Besitz dieses Meisterschwertes wähnt, entbrennt ein Kampf um die Macht auf Oranda.

-»Kann man denn nicht mal in Ruhe die Menschheit vor etwas abgrundtief Bösem retten, ohne dass einen die Leute verarschen?« beschwerte sich Vionuri kopfschüttelnd.-
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Mit Die Schwerter von Oranda präsentiert Christiane Zina einen interessanten Mix aus Science-Fiction und Fantasy, der jedoch trotz guter Thematik allzu viel auf allzu wenig Seiten abhandeln will.
Am schwierigsten zu beschreiben ist die Handlung: eine durchaus spannende Zweiteilung in die hochtechnisierte Welt des 24. Jahrhunderts zum einen, die mittelalterliche Welt von Oranda zum anderen. Chantal steht zwischen diesen beiden Seiten und hat das als “Saronsky-Syndrom” im Buch bezeichnete Problem: als Wissenschaftlerin soll sie Fakten sammeln, ganz nüchtern und steril, doch sie lebt in Oranda und verliert sehr schnell ihre Objektivität, identifiziert sich mit ihrer Rolle als Kämpferin und steht nun zwischen den Fronten. Die moderne Welt erscheint ihr nach und nach seltsam verkehrt – man lebt mehr oder weniger hauptsächlich online und geht keine Risiken ein, während in Oranda noch “richtig gelebt” wird, mit Alkohol, körperlicher Nähe und Schwertkämpfen. Der daraus resultierende Konflikt ist der Hauptstrang des Buches und wird auch sehr gut dargestellt.
Das Problem ist aber, dass dieser einfach nicht ausreicht, um das Buch zu füllen, daher wird eine entsprechende Hintergrundthematik eingebaut, die allzu überladen ist:
Pseudo-philosophische Gespräche über die Grundprobleme der Menschheit, der Machtkampf in Oranda, Sagen und Mythen des Planeten … – all das findet auf nur 300 Seiten Platz. Wenn man einen schnellen Lesefluss hat, erscheint einem der Roman ziemlich überladen. Bei so wenig Seiten werden meistens auch nur Andeutungen gemacht und nur die nötigsten Informationen erwähnt, die dann zwar passend sind, aber gerade durch ihre Knappheit enttäuschen. Man würde einfach gerne mehr erfahren, denn die fiktive Welt bietet allerlei ungenutztes Potential. Kein Wunder, dass da einige Handlungsstränge ziemlich gerupft wirken: Orandas Machtkampf ist nicht gerade der große Wurf und die Schwertkämpfe sind maximal eine halbe Seite lang. Auch über Oranda selbst erfährt man nicht viel.

Relativ gradlinig erreicht man dann auch das Ende, keine Seite wurde für Drumherumreden verschwendet. Ein paar Seiten mehr (oder ein paar Hinweise weniger) hätten nicht geschadet. Das Ende kommt also schnell und ziemlich unbefriedigend, auf ein paar Seiten (fast auf Zeilenniveau!) werden alle Handlungsstränge auf die Schnelle abgewickelt.

Bis auf Chantal sind die Charaktere ziemlich platt und schematisch – der Herzog, der Krieger, die Heilerin, der Zyniker, die Philosophin, die Bösen. Schluss. Mehr braucht man nicht, mehr kriegt man nicht. Ob Chantal das alleine aufwiegen kann, muss jeder selbst entscheiden.
Dafür ist der Schreibstil von Frau Zina frisch und lässt sich leicht lesen. Ein paar nette Anekdoten runden das Ganz noch ab.
Im Großen und Ganzen merkt man jedenfalls, dass das Schreiben der Autorin Spass gemacht hat: Neben der fast obligatorischen Karte findet sich noch ein kleines Lexikon mit weiteren “Literaturhinweisen” zu Oranda sowie ein Sprachführer. Nette kleine Extras, die zeigen, dass sich Frau Zina sehr Mühe gibt, ihre Welt lebendig zu präsentieren. Aufgrund der wenigen Beschreibungen gelingt das jedoch nur teilweise.

Der Dieb von Megan Whalen TurnerNur vereint könnten sich die rivalisierenden Staaten Sounis, Eddis und Attolia der Eroberung durch das Mederreich widersetzen – wenn es nach dem Magus des Königs von Sounis geht, unter Führung seines Herrn, dem er mithilfe eines sagenumwobenen Steins die Herrschaft über Eddis sichern will. Um das Artefakt aus seinem Versteck im feindlichen Attolia zu holen, benötigt er einen geschickten Einbrecher. Der Meisterdieb Gen, den seine Prahlerei mit einer besonders dreisten Untat ins Gefängnis gebracht hat, kommt ihm da gerade recht. Mit einigen Begleitern brechen die beiden nach Attolia auf. Doch unter den Gefährten lauert ein Verräter, und auch Götter, an die niemand mehr so recht glauben will, nehmen Einfluss auf den Ausgang des Abenteuers…

– Ich wusste nicht, wie lange ich schon im Gefängnis des Königs saß. Die Tage waren alle gleich, abgesehen davon, dass ich mit jedem schmutziger wurde als zuvor. –
Kapitel 1

Zu Der Dieb liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Der Drache von Jane GaskellFür Cija haben sich die Dinge drastisch gewandelt: Einst war sie als Tochter der Königin eine Göttin, dann war sie eine ehrenvolle Geisel des Feldherren Zerd mit dem dramatischen und patriotischen Auftrag, diesen zu töten. Doch sie konnte es nicht und danach hat sich die ganze Angelegenheit als Farce herausgestellt. Nach langem Leidensweg ist sie die Geliebte Smahils geworden, der ihren Körper liebt und ihre Seele verachtet. Allerdings kann diese Situation nicht lange gut gehen, zumal die Verbündeten Südländer mit den eigenen Nordländern immer häufiger aneinander geraten. Schließlich muß Cija wieder einmal fort und es scheint sie habe endlich einmal Glück, denn der Hohepriester Kaselm führt sie als Göttin am Hof des Gottkaisers der Südländer ein…

-Smahil hob mich in den Sattel und hülte mich fürsorglich in seinen Umhang.-
Das Bett in der Südmetropole

Die Geschichte schließt nahtlos an den Turm der Göttin, den ‘ersten’ Teil, an – kein Wunder, da die Autorin diese ‘zwei’ Teile als einen Roman schrieb und erst viel später getrennt wurden. Wer den ‘ersten’ Teil nicht gelesen hat, wird sicherlich nicht alles nachvollziehen können.

Das Geschehen ist im prähistorischen Südamerika angesiedelt, aber dieses ist dem Leser so fremd, das es genauso gut eine Sekundärwelt sein könnte. Die Nordländer und die Südländer hassen sich, da beides stark chauvinistische Reiche sind – zu dumm, daß die Nordländer mit einer schwachen Armee von unerfahrenen Soldaten mitten unter ihren ‘Verbündeten’ im Südreich stehen. Der Leser erhält Einblick in das Leben am Hofe des Gottkaisers, seine prachtvollen Gebräuche, die dekadenten Adligen und den großen Einfluß der Priesterkaste – Cija würde sich wohlfühlen, wären da nicht ihre Alpträume.
Die phantastischen Elemente sind wieder sehr unaufdringlich, aber dennoch handlungsbestimmend; erst am Ende treten sie deutlicher auf. In diesem Zusammenhang finden auch die vielen Zufälle der Geschichte eine Erklärung – ob sie dem Leser zusagt, steht auf einem anderen Blatt.
Figuren treten wieder sehr viele auf. Wie schon im Vorgänger gibt es kaum klare Positionen, beinahe keine Figur ist einfach gut und keine ist einfach böse; alle haben ihre persönlichen Gründe zu handeln, wie sie es tun. Cija ist kein naives Kind mehr und auch wenn sie zuweilen vermeint frei und glücklich zu sein, haben sich die Mißhandlungen tief in sie eingegraben und so kann sie Ruhe nicht lange ertragen. Nachdem der Mord an Zerd unsinnig geworden ist, irrt sie ziellos weiter, meistens ist sie darum bemüht sich zu verstecken, da sie vielen gegenüber zur Verräterin geworden ist; sie scheut nicht mehr den Tod, sondern das zu Tode gefoltert werden. Cija hat gelernt Gewalt und Demütigungen zu ertragen oder davon zu laufen, so reagiert sie denn auch auf Probleme. Smahil, ihr grausamer Liebhaber, Zerd, der sie ebenfalls begehrt, Kaselm, der Hohepriester, vor dem alle Höflinge Cija warnen, aber auch Ooldra, die Cija so sehr haßte, und einige mehr spielen eine Rolle in Cijas leidenreichen Leben.

Cijas Odyssee ist eine Queste ohne Ziel, sie wird einer Vielzahl von Prüfungen unterzogen, bei denen sie von vornherein keine Chance hat, zu bestehen. Zunächst versucht sie einfach nur Frieden und Ruhe zu finden, doch der freundliche, alte Priester geht ihr nicht aus dem Sinn – als sie diesen erneut trifft, nimmt ihr Leben eine weitere Wendung.
Was ist das eigentlich für Fantasy? Cija nimmt an einem großen Feldzug teil, Schlachten werden geschlagen, Beute wird gemacht, es wird gebrandschatzt und vergewaltigt. Dumm nur, daß sich beide Seiten nichts geben – ein Soldat ist ein Soldat ist ein Soldat, egal ob er dieser oder jener Fahne folgt, am Abend will er Saufen und eine Frau. Dümmer noch, daß Cija kein Soldat ist – sondern eine Frau. Der Leser erlebt Cijas Leid, wie sie permanent der einen oder anderen Form von Gewalt ausgesetzt ist, wie sich ihre Seele immer mehr verformt, bis ihr eine weitere Vergewaltigung gar nicht mehr soviel ausmacht. Der Leser erlebt zunächst ihren sozialen, dann ihren seelischen Verfall – ein ‘Happy End’ kann es da nicht geben. Wer eskapistische Literatur sucht, sollte einen großen Bogen um dieses Werk machen, wer dagegen ein Argument gegen den Eskapismus-Vorwurf gegen die Fantasy braucht, der wird hier fündig. Es ist Heroic Fantasy mit einer sehr düsteren Atmosphäre – aus der Opfer-Perspektive.

Das ist zwar sehr originell, aber leider nicht ohne Fehler. Zum einen erleidet die arme Cija wirklich die Qualen der Welt – mehrfach. Da wäre sicherlich weniger mehr gewesen. Die psychischen Folgen der Mißhandlungen hätten deutlicher herausgestellt werden können, gerade wenn sie in Frieden lebt, sollten diese zum Tragen kommen. Aber statt dessen erleidet sie ein Ungemach nach dem anderen, Zeit zum Reflektieren stellt ihr die Autorin kaum zur Verfügung. Die vielen Zufälle sind ebenfalls störend, auch wenn sie eine Erklärung finden. Diese ist jedoch zu banal und es fehlt ihr ein Clou. Warum muß Cija all das Erleiden? Man weiß es nicht. Ihr Vetter scheint sie einfach nicht zu mögen – wie viel ernüchternder wäre es doch, wenn es keinen besonderen Grund für ihr Leid geben würde? Dann hätte die Geschichte aber auch ohne Zufälle konstruiert werden müssen. Das Ende schließlich wirkt etwas übereilt, so als wenn der Autorin die Puste ausgegangen sei. Was sonst 100 Seiten oder mehr in Anspruch genommen hätte, braucht nur noch einen Bruchteil davon. Neigt die Autorin sonst auch zu langwierigen Beschreibungen, die das Geschehen etwas in die Länge ziehen, so ist es am Ende deutlich zu knapp. Sprachlich ergibt sich kaum überraschend kein Unterschied zum Vorgänger, Gaskell ahmt den Tagebuchstil einer jungen Frau aus gebildeten Verhältnissen, die Erbärmliches durchleiden muß, perfekt nach.

Cover des Buches "Die Drachen" von Julia ConradIn einer Welt voller Magie und Wunder leben Fabeltiere und eine noch junge Menschheit gemeinsam. Um später die Herrschaft über die Welt an sich reißen zu können, unterstützten die bösen Drachen einen Emporkömmling.
Dieser wird laut einer Prophezeiung in einer fernen Zeit für seine Schandtaten bestraft, und dann wollen sie ihn überlisten. Doch nach der Prophezeiung ist es auch möglich, die Welt wieder in einen Ort der Harmonie zu verwandeln …

-Einst bändigten die Drachen die Urkräfte des Kosmos und lebten in ihrem blühenden Reich Chatundra einträchtig mit der Natur und ihren Geschöpfen.-
Prolog

Mit Die Drachen präsentiert Piper ein phantasievolles, wenn auch leidlich spannendes Werk in einer komplexen, aber überfrachtet wirkenden Welt.
Das Hauptproblem des Romans ist, dass er eine epische Geschichte in gerade mal 500 Seiten erzählen will. Man hat kaum richtig Zeit, sich halbwegs mit der Welt vertraut zu machen, da ist das Buch auch schon vorbei. Die Schnipsel, die man geliefert bekommt, reichen gerade mal für einen groben Überblick.
Hinzu kommt, dass die Welt sehr fremdartig ist. Nichts ist wie auf der Erde, angefangen von der Flora und Fauna bis hin zu den Kulturen, die jede für sich ganz unterschiedlich zu der Vorhergehenden ist. Gute Ideen (wie etwa die Tronten – halb Pflanze, halb Tier) gehen zwischen all den nichtssagenden Namen, mit denen man zugeworfen wird, unter. Die Autorin beweist damit zwar viel Phantasie, und einige gute Ideen dringen auch bis zum Leser durch, aber für die paar Seiten war das definitiv zu viel des Guten.

Daraus folgt auch, dass man sich mit den Charakteren eigentlich nicht identifizieren kann. Allein 13 Auserwählte gibt es, die meist nicht mehr als Namen bleiben, dazu noch jede Menge Nebenpersonen (Hexen, Drachen, Bösewichte…). Ein paar werden zwar ins Jenseits befördert, aber das lässt einen kalt, da man die Personen gerade mal eine Seite kennt. Man springt von der einen Seite des Kontinents auf die andere, ohne mehr als fünf Seiten bei einer Person zu verweilen. Dies ist aufgrund der Komplexität des Buches recht anstrengend, erst nach und nach kann man die einzelnen Episoden in einen Kontext bringen.

Etwa ab der Mitte des Buches konzentriert sich die Autorin dann auf eine Gruppe und bleibt länger als drei Seiten bei dieser, was das Buch davor bewahrt, ganz zerstückelt zu enden, und dem Lesespass ein wenig Schub gibt.
Das Ende folgt abrupt und weniger episch, als man es vielleicht erwartet hat. Auf 40 Seiten wird alles ohne großes Tamtam zu Ende geführt, ein paar mehr Seiten hätten dem Roman wirklich gut getan.

Einen Pluspunkt gibt es aber für die Darstellung der Drachen per se. Die Autorin versucht weitgehend Klischees (echsenähnlich, schuppig, grün, Feuer speiend) zu vermeiden und erfindet ihre “eigene” Formen von Drachen: Von Wurmähnlichen über den (doch vorhandenen) Standarddrachen bis zu den Gestaltwandlern wird eine bunte Mischung weit jenseits des Erwarteten präsentiert, doch auch hier trifft manchmal der Hauptkritikpunkt zu: weniger wäre mehr gewesen.

Cover des Buches "Drachenzorn" von Naomi Novik Eigentlich möchten Will Laurence und Temeraire nach ihrem Aufenthalt in China nichts lieber, als schnellstmöglich nach England zurückzukehren.
Doch da überbringt ihnen ein Bote des Königs einen neuen Auftrag: sie sollen sich nach Istanbul begeben, um dort drei Dracheneier in Empfang zu nehmen und sie sicher vor dem Schlüpfen nach England zu bringen.
Von Anfang an steht ihre Mission unter keinem guten Stern, denn Lien, das Albino-Drachenweibchen, gibt Temeraire die Schuld am Tod ihres Herren und hat nur ein Ziel: Rache.

-Träge blies der Wind über Macao. Er erfrischte nicht, sondern rührte nur den faulig salzigen Geruch des Hafens nach totem Fisch und den großen Haufen schwarzroten Seetangs und den Gestank der Abfälle der Menschen und Drachen ein wenig auf.-
1

Temeraires drittes Abenteuer liest sich ebenso locker wie seine Vorgänger, kommt jedoch schneller in Fahrt und bietet mehr Handlung. Während man in den ersten beiden Bänden die Story leicht zusammenfassen konnte, werden dieses Mal mehr Seiten in den tatsächlichen Handlungsverlauf investiert. So weit, so gut.

Nach drei Büchern sollte man mittlerweile mit den Figuren vertraut sein. Laurence, der als steifer, ehrenhafter Engländer hervorragend getroffen wurde, sowie Temeraire, der mit seinen teilweise naiven Fragen Laurences Weltbild immer wieder ins Wanken bringen kann, bilden ein gutes Gespann für den Roman. Die restlichen Figuren allerdings bleiben blass. Das mag teilweise auch mit der hohen Sterblichkeitsrate von Temeraires Besatzung zu tun haben, über den Rest erfährt man jedenfalls überaus wenig. Und so lässt der Tod der Mannschaftsmitglieder den Leser recht kalt.

Das eigentlich Besondere an den Romanen von Frau Novik ist die Tatsache, wie gut sie Drachen in die Historie eingebaut hat. Drachen wirken nicht wie künstlich eingefügt, sondern als ob sie schon immer da gewesen wären. Geschickt verbindet sie die historischen Fakten mit ihrer Geschichte, und man ist als Leser erstaunt, wie gut beides miteinander zu einem fesselnden Buch verwoben ist.
Sowohl Kenner von historischen Romanen als auch Leser, die eine Geschichtsstunde der etwas anderen Art erleben wollen, werden hier voll auf ihre Kosten kommen.

Dragonfly Falling von Adrian TchaikovskyNach ihrer Niederlage sind die Agenten des Wespenimperiums nur umso entschlossener, die verstreuten Stadtstaaten zu erobern, die ihnen so dreist Paroli geboten haben. Während eine große Wespenarmee die Ameisenstadt Tark mit neuartigen Waffen angreift, wird der Geheimdienstler Thalric damit beauftragt, gegen die Wissenschaftler von Collegium und Stenwold Maker vorzugehen, der für ihr Scheitern verantwortlich war. Überall stehen die Zeichen auf Krieg, und Stenwolds junge Mitstreiter versuchen verzweifelt, neue Verbündete zu gewinnen oder wenigstens die Städte zu einem gemeinsamen Kampf zu vereinen. Doch das gestaltet sich so schwierig, als würde man verschiedene Insektenstaaten zur Zusammenarbeit bewegen wollen.

-The morning was joyless for him, as mornings always were.-
One

Während im Auftaktband von Shadows of the Apt noch Taktieren und Sondieren die Mittel der Wahl waren, ist man nun bei handfester militärischer Action angelangt – in den Stadtstaaten der Tieflande herrscht Krieg. Dragonfly Falling (Die geflügelte Armee, Schwarzer Glanz) ist damit vor allem ein Buch der Schlachten und Belagerungen, und dabei spielen die Mechanik-Elemente der Reihe – Steampunk möchte man es eigentlich nicht mehr nennen – eine zentrale Rolle. Der thematische Fokus liegt unter anderem auf der Militärtechnik und den moralischen Fragen, die sie für die beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure aufwirft, und so viel kann man schon vorweg verraten: Sie kommen zu unterschiedlichen Antworten.
Nicht nur dadurch, sondern auch durch die nationalistisch auftretende Wespenarmee fühlt man sich noch mehr als in Empire in Black and Gold (Invasion des Feuers, Der gepanzerte Spion) an die Zeit des Ersten Weltkriegs erinnert. Der Ausgang der Auseinandersetzungen wird stark von den Massen, die die jeweilige Partei zu opfern bereit ist, und von neuen (noch zu testenden) Entwicklungen bestimmt.
Doch es wäre nicht Adrian Tchaikovsky mit seinen klassischen Plotstrukturen und Spannungsbögen, wenn nicht auch der Einzelne das Ruder herumreißen könnte: Wieder erinnert der Roman an einen Abenteuerreigen im Stil von Star Wars und Konsorten, denn von der dramatischen Wendung über die Rettung in letzter Sekunde bis hin zum vermeintlichen Todesfall werden sämtliche Register gezogen. Überraschungen und sich lang anbahnende Paukenschläge gibt es auf den prall gefüllten 670 Seiten nicht zu knapp.

Daß man bei den umfangreichen Kriegswirren nicht den Überblick und das Interesse verliert, ist dem Talent des Autors zu verdanken, den einzelnen Kämpfen einen ganz eigenen Charakter zu verleihen, abhängig vom Austragungsort und den Beteiligten. Die disziplinierten Schlachten der Ameisen-Stadtstaaten sind etwas völlig anderes als die chaotischen, verzweifelten und experimentell-tollkühnen Verteidigungsmaßnahmen, die sich die Gelehrten von Collegium einfallen lassen, als die Wespen vor der Tür stehen. Eine lockere Angelegenheit wird der Krieg allerdings zu keinem Zeitpunkt, und hier unterschiedet sich Adrian Tchaikovsky dann doch von seinen unbekümmerteren Vorbildern.
Eine weitere Spezialität des Autors sind ähnlich großartige Einzelszenen, wie sie auch schon im Vorgängerband auftauchten, die ein Gegengewicht zur trostlosen Kriegsrealität schaffen. Manchmal sitzt man mit offenem Mund staunend vor dem Buch, wenn sich die Ausmaße eines Ereignisses in geschickt angelegten Doppelszenen offenbaren oder eine Prise umsichtig aufgebauter Heldenpathos zum Mitfiebern einlädt.
Diese Einzelszenen überzeugen nicht zuletzt dank der großartigen Charakterriege, deren gemächliche Einführung im Vorgängerband hier Früchte trägt, und Tchaikovsky pfeift dabei wieder auf gefestigte Erzählkonventionen, wechselt munter Perspektiven und erzählt, wie die Geschichte es verlangt.

Die große Zahl an Figuren, aus deren Sicht berichtet wird, hilft, die starren Völkerstereotypen aufzubrechen, die natürlich auch die Faszination der Welt ausmachen. Die Unterschiede zwischen den traditionellen und progressiven Völkern (und Figuren) treten in diesem Band besonders hervor, und man lernt die Mantiden und die faszinierenden Ameisen (von denen es sogar mehrere Arten mit unterschiedlicher Denkweise gibt) näher kennen. Doch im Individuum, vor allem auch den gut portraitierten Gegenspielern, sieht es wieder ganz anders aus, und erst dadurch entsteht die plastische Welt, mit der Tchaikovsky glänzt.
Wie im Einzelnen die Motivation für die teils doch recht extremen Handlungen entsteht, wirkt allerdings manchmal schwammig und gewollt – darüber sollte man lieber nicht allzu intensiv nachdenken, wobei die Flut der Ereignisse ungemein hilfreich ist.

Dragonfly Falling ist ein dicker Schmöker, der viele Themen abgrast und dabei durchaus unter die Oberfläche geht – nebst Wissenschaftsethik spielen der Wechsel von Flucht vor und Übernahme von Verantwortung, nationalistische Auswüchse und das automatische Aufkommen von internen Machtquerelen innerhalb von größeren Staatsgebilden eine große Rolle.
Allerdings leidet der Roman auch am The-Empire-Strikes-Back-Syndrom (in jeglicher Hinsicht 😉 ), ist ein eindeutiges Mittelstück ohne Abschluß und ohne richtigen Handlungsbogen, das allerdings schon geschickt die Bühne für größere Ereignisse im weiterhin eher im Hintergrund schwelenden Paradigmenwechsel zwischen Magie und Technik bereitet.

Cover von The Books of the South von Glen CookNach der Niederlage in Dejagore ist die Lady plötzlich ganz auf sich allein gestellt. Die Black Company ist entweder zerschlagen oder harrt in der von den Schattenmeistern belagerten Festung Dejagore aus. Von Rachegelüsten getrieben, macht sie sich daran, eine neue schlagkräftige Truppe aufzubauen und findet dabei unerwartete Unterstützung von den Anhängern eines finsteren Kultes. Doch diese fragile, von jeder Seite aus Eigennutz geschlossene Allianz birgt mindestens genausoviele Gefahren wie die Ränke, die eine andere ebenfalls auf Rache sinnende Macht gegen die Lady und die Black Company schmiedet.

-Croaker’s fault. His weakness. […] For all his cynicism about motives he’d believed that in every evil person there was good trying to surface. I owe my life to his belief but that doesn’t validate it.- S. 249/250

Dreams of Steel ist der zweite Band der Books of the South und wirkt tatsächlich etwas eigenständiger als der Vorgängerband. Das liegt zum Großteil daran, dass sich die Handlung nach der missglückten Schlacht bei Dejagore fast ausschließlich um die Lady und ihren Rachefeldzug gegen die Schattenmeister dreht. Das bringt durchaus willkommene Abwechslung von den alten Bekannten mit sich, an deren Stelle nun neue teils dubiose, teils durchaus sympathische Nebenfiguren treten. Ebenso gelungen ist es, die Lady als neue Erzählerfigur auftreten zu lassen. Denn in ihrer Mischung aus kaltblütiger Berechnung – die zu teils etwas gar drastischen Maßnahmen führt – und immer wieder durchschimmernder Menschlichkeit bleibt sie die spannendste, weil ambivalenteste, der präsentierten Figuren. Außerdem böten ihre Methoden, die neue Truppe, die sie nun unter ihrem Kommando aufbaut, zusammenzuschweißen und an sich zu binden (gezielte Traumatisierung, Abgrenzung von der Außenwelt), durchaus Stoff, den auszuloten sich lohnen würde, der aber leider nicht weiter thematisiert wird.

Auch Taglios wird nun ausführlicher ausgestaltet und die Anleihen sowohl beim populärkulturellen Bild von Indien als auch beim historischen Indien sind deutlicher zu erkennen. Diese reichen vom dunklen, im Hintergrund agierenden Kult à la Indiana Jones samt farbenprächtig-groteskem mythologischen Hintergrund, in den auch die Black Company verwickelt ist, bis hin zur patriarchalischen Gesellschaft samt Witwenselbstverbrennung. Die selbstbewusste (und auch etwas selbstherrliche) Art der Lady muss in diesem Umfeld für Konflikte sorgen, deren „Lösung“ sehr zum insgesamt deutlich düstereren und brutaleren Eindruck von Dreams of Steel beiträgt, der aber auch der Tatsache geschuldet sein mag, dass die Lady die deutlich ernstere Erzählerfigur ist. Zugleich stellt die entsprechende Szene auch den traurigen Höhepunkt des bereits im Vorgängerroman von jeder Figur gepredigten Priesterhasses dar.

Es empfiehlt sich Dreams of Steel – Cliffhanger am Ende des Vorgängers und Sammelband zum Trotz – nicht gleich im Anschluss an Shadow Games zu lesen, denn dann fällt die Tatsache, dass das erste Drittel des Buches erneut dem Aufbau einer schlagkräftigen Truppe gewidmet ist, weniger negativ auf. Danach sorgt das verstrickte Intrigenspiel, in dem jede der darin verwickelten Parteien mehr als ein Ziel verfolgt, für ausreichend Spannung, sofern man darüber hinwegsehen kann, dass es dem Roman auch hier an wirklich Neuem mangelt. Denn gefährliche Ränke begleiten die Black Company seit dem ersten Band und die Person, die auch in diesem Fall die Fäden zieht, kennt man schon genausolange.
Während die größeren der schwelenden Konflikte, etwa jener zwischen der Lady und ihren kultischen Mitstreitern, eher gemächlich vonstattengehen, wirken andere (Figuren-)Entwicklungen etwas überstürzt, so etwa die zurückkehrenden magischen Fähigkeiten der Lady oder die unglückliche Rolle Mogabas in Dejagore. Die Books of the South enden zwar mit dem vorliegenden Band, die Handlung endet allerdings in einem Cliffhanger, der wohl direkt zu den Books of the Glittering Stone überleiten soll.
Ob Glen Cook in den Folgebänden die vielen verschiedenen Konfliktherde, die sich allein in diesem Roman mindestens verdoppelt haben, zu befriedigenden Enden führt oder eher noch mehr ihrer Art eröffnet, wird wohl darüber entscheiden, ob die Reihe doch noch einmal zu einem gelungenen Abschluss findet, der in The White Rose eigentlich schon vorhanden gewesen wäre, oder ob sie zu lange fortgesponnen wird.

Cover von Dreiherz von Poul AndersonHolger Carlsen, ein dänischer Widerstandskämpfer im 2. Weltkrieg, wacht nach einer Verwundung in einer sonderbaren Umgebung auf. Während er die unbekannte Welt kennen lernt, macht er sich Freunde wie den Waldzwerg Hugi oder Alianora, das Schwanenmädchen. Aber er macht sich auch Feinde wie Alfric, der Herzog im Feenkönigreich ist, oder Morgan le Fay, die mächtige Herrin von Avalon, denn der Kampf zwischen dem Zauberwesen, die dem Chaos dienen, und den Menschen, die der Ordnung dienen, steht bevor und Holger als Ritter der drei Herzen scheint eine wichtige Rolle darin zu spielen. Kann er rechtzeitig herausfinden, wer er ist und welche Aufgabe er hat?

-Nachdem soviel Zeit vergangen ist, fühle ich mich verpflichtet, dies niederzuschreiben.-
Vorbemerkung

Die Welt, in die Holger gerät und zum Ritter der drei Herzen – Holger Danske – wird, ist grob gesagt die des Hohen Mittelalters: Ritter mit Kettenhemden, wenige Steingebäude, viele Holzhäuser, das Heilige Römische Reich, Heiden und die vor Jahrhunderten von Karl dem Großen und seinen Paladinen zurückgeschlagene Sarazenengefahr. Einiges stimmt aber auch nicht mit dem mittelalterlichen Europa überein: Der Westen war seit der Eroberung durch die Römer zivilisierter als Mitteleuropa oder der Osten, Heiden gab es z.Z. des Hl. Röm. Reichs schon lange nicht mehr und es fehlt weitestgehend die Beschwerlichkeit des mittelalterlichen Lebens.

Hinzukommt die Welt der Magie – das Mittelreich. Hier sind die Elfen die Herren; sie fürchten das Sonnenlicht, können Eisen nicht berühren und schrecken vor Heiligem zurück – kein Wunder, daß diese mächtigen Magier gegen das Heilige Röm. Reich einen Krieg führen wollen. Ob sie nun das Chaos (Zauberei) nutzen oder selbst nur mächtige Instrumente des Chaos sind, bleibt unklar. Die Elfen haben viele Verbündete: Drachen, Riesen, Trolle und natürliche böse Menschen wie Hexen, Heiden und Kannibalen.
Magie spielt eine große Rolle, ist sie doch die Hauptwaffe der Agenten des Chaos und auch die Anhänger der Ordnung wie Alianora, die sich in einen Schwan verwandeln kann, nutzen sie – allerdings weit seltener. Magie wirkt sich generell so aus, daß sie Fähigkeiten des Dings, dem sie innewohnt, verstärkt oder verändert; als Beschwörungsformel für Geister und Dämonen wird sie bisweilen auch genutzt. Dieses Magie-Konzept gefällt mir durchaus.
Weit weniger gefallen mir die “wissenschaftlichen” Erklärungen der magischen Phänomene, wenngleich sie manchmal einen gewissen Charme haben: Das Gold eines überlisteten Riesen (sie verwandeln sich in Stein, wenn Sonnenlicht sie berührt) ist verflucht, so wissen die Einheimischen. Warum weiß Holger – wenn Kohle zu Silikon wird, ergibt sich zwingend eine radioaktive Isotope.
Die Charaktere sind ebenfalls nicht besonders gelungen: Holger ist der gutmütige All-round-Held, Alinora ist die schöne und gute Versuchung, Hugi der Waldzwerg ist der ungebildete, aber weise Sidekick – alles in allem an der Grenze zum Klischee.
Der Roman-Holger ist an die Mythenfigur Holger Danske angelehnt, ursprünglich einer der Paladine Karl des Großen im Rolandslied. Außer seinem Dänisch-Sein hat er dort keine weiteren Qualitäten. Später taucht die Figur in allen möglichen Zusammenhängen auf, so benannte sich z.B. die bekannteste dänische Widerstandsgruppe im Zweiten Weltkrieg nach ihm, doch am bekanntesten dürfte das Märchen Holger Danske von Hans Christian Andersen sein.
Noch ein Wort zur Rollenverteilung: Die meisten Frauen (ca. 66%) sind feindlich, aber alle sind problematisch; nur wenige (16%) stehen auf Seiten der Ordnung. Die meisten himmeln Holger an. Alle haben mit Magie zu schaffen. Die meisten Männer dagegen sind freundlich, einige (33%) sind problematisch und nur wenige sind feindlich. Die meisten sind Krieger und einige haben mit Magie zu tun. Wem’s gefällt … (Woher die Zahlen stammen: Es gibt jeweils 6 weibliche und 6 männliche Personen, die etwas wichtiger sind – wer rechnen mag, der kann sich einige Spoiler ausrechnen.)
Der Grundplot ist auch nicht übermäßig originell – Ein Mensch aus der Moderne gerät in eine Fantasy-Welt; dort kann er mit Hilfe von Errungenschaften der Moderne manchmal aus brenzligen Situationen entkommen (s. A Conneticut Yankee in King Arthur’s Court von Mark Twain – das ist älter; der Film: Army of Darkness mit Bruce Campbell ist komischer).
Interessant ist der Konflikt zwischen Chaos und Ordnung. Der bekannteste Vertreter ist Elric von Michael Moorcock – es scheint, als wenn er sich ein wenig von Dreiherz (Three Hearts and Three Lions) habe inspirieren lassen, ist doch Dreiherz etwa acht Jahre älter als Die ewige Schlacht, die älteste Geschichte des Ewiger Held-Zyklus.
Ein weiterer Hinweis an die D&D-Fangemeinde: Wer sehen will, wo sich das häßliche Haupt eines D&D-Trolls zum ersten Mal erhob, der lese das 22. Kapitel.
Bleibt das abrupte Ende zu erwähnen, es bleiben zu viele Ungereimtheiten, zu vieles wird in zwei Sätzen abgehandelt. Das Ende paßt zu einer Kurzgeschichte, die mit “Seltsam, aber so steht es geschrieben” schließt, aber nicht zu einem Roman.
Sprachlich ist das Werk immer angemessen, der Autor ist sich der Differenzen zwischen moderner Alltagssprache und mystischer Sprache bewußt und geht bisweilen darauf ein – “Ich habe Durst, wie wär’s, wenn wir einen heben würden?” – “Wenn wir einen was würden?”
Das Buch ist hauptsächlich interessant, wenn man sich mit den Ursprüngen der verschiedenen oben erwähnten Konzepte befassen will, wer einfach nur eine Sword & Sorcery Geschichte lesen will, wird besseres finden. Zur Ehrrettung des Autors mag erwähnt sein, daß Dreiherz 1953, also vor dem Herrn der Ringe und vor der 70er Fantasy-Welle der Verkitschung und Verklischeeung geschrieben wurde.

Drowntide von Sydney J. Van ScyocAls die letzte Tochter der Königin Amelyor auf dem Meer stirbt, scheint ihr Volk verloren: Sobald die Königin mit dem Alter die Gabe verliert, mit den Meeressäugern zu kommunizieren, die die Schiffe der Fischer beschützen, wird das Meer sie alle fordern. Verzweifelt gesteht Amelyor ihrem Sohn Keiris eine längst vergangene Affäre mit einem Fremden ein, aus der eine weitere Tochter hervorgegangen ist – Keiris’ Zwillingsschwester, die nach der Geburt vom Vater entführt wurde und seither verschollen ist. Mit wenigen Anhaltspunkten macht sich Keiris auf den Weg, um seine Schwester zu finden und damit sein Volk zu retten. Auf der Suche nach seinem mysteriösem Vater stößt er auf Gerüchte über ein im Meer lebendes Nomadenvolk. Und so muß er sich seiner größten Angst stellen – dem Ozean.

-Keiris woke at dawn and lay for a moment with eyes closed and breath held, listening – hearing nothing but the distant rush of the sea.-
One

Auf der Suche nach kleinen Geschichten, die ohne Bombast, Weltrettung und epische Ausmaße auskommen, landet man schnell bei Schriftstellern wie Patricia McKillip, Peter S. Beagle oder Ursula K. LeGuin – allesamt Autoren, die den Zenit ihrer Beliebtheit wohl bereits überschritten haben und eher nicht an prominenter Stelle in der Fantasy-Ecke der Buchhandlung präsentiert werden. Nach überschaubaren Geschichten, in denen eher etwas in den Charakteren als in der Welt in Bewegung gesetzt wird, wühlt man am besten in der Literatur vergangener Dekaden.
Einen besonders delikaten kleinen Happen aus den 80ern stellt Drowntide dar, eine Geschichte, die in eine Meereswelt voller kleiner Inseln führt und ganz und gar auf den jungen Keiris ausgerichtet ist, der seine Wurzeln und seine verschollene Schwester sucht. Diese Suche – anfangs eine klassische Queste, wenn der Held sich auf Wanderschaft begeben muß, um sein eigenes Volk zu retten, das ohne weiblichen Abkömmling der Herrscherfamilie dem Meer schutzlos ausgeliefert sein wird – bringt ihn viel näher an das von ihm gefürchtete Meer, als er je geglaubt hätte, und konfrontiert ihn mit allen Ängsten und Vorurteilen, die er in seinem kurzen Leben bereits angehäuft hat. Damit ist Drowntide auch ein Entwicklungsroman, der in inhaltlichen Belangen im ersten Teil tatsächlich anderer Fantasy mit jungen Protagonisten sehr stark ähnelt.

Allerdings springt rasch der wahrhaft familiäre Rahmen der Geschichte ins Auge, der bis zum Ende beibehalten wird, ohne daß die Autorin der Versuchung nachgibt, ihn zu etwas Größerem aufzublasen. Die Ereignisse betreffen hauptsächlich die vorgestellten Charaktere, die Umwälzungen finden in ihrem Inneren statt, denn sobald die Suche von Keiris beendet ist, stellt ihn der verschollene Teil seiner Familie vor viel größere Herausforderungen.
Trotzdem weht die Ahnung von Größerem durch das Buch – eine Folge der ungewöhnlichen, mit Vergangenem angereicherten Welt: Ein vom Meer abhängiges Fischervolk lebt auf den kleinen, stets vom Wasser bedrohten Inseln, seine Geschichten rufen unweigerlich den Atlantis-Mythos ins Gedächtnis, und sowohl die Namen als auch die Naturbeschreibungen legen eine Verortung des Geschehens zu mythischen Zeiten im Mittelmeerraum nahe. Aber weit gefehlt – und an dieser Stelle hat die Autorin leider auch etwas zu viel in ihre Weltschöpfung gepackt: Ihr kurzer Ausflug in die SF, der das Setting mit dem Lost Colonies-Motiv auf einem fremden Planeten verankert, wirkt reichlich aufgesetzt und deplaziert, da der Hintergrund um den Einbruch des Fremden in die Welt der Fischer und Bootsbauer auch ohne das SF-Element hervorragend funktioniert hätte. Dieser erklärende Einschub betrifft aber gerade einmal ein paar Absätze der Geschichte, wirkt sich kaum weiter aus und kann mit einem Schulterzucken hingenommen werden.

Man erlebt das Geschehen komplett aus der Sicht des jungen Keiris, und seine Ängste vor der unbekannten Herkunft und seine Schwierigkeiten, diesen Teil seines Erbes schließlich anzunehmen, sind anrührend und authentisch beschrieben. Andere Charaktere sind eher angezeichnet und bleiben durch die Fokussierung auf den Hauptcharakter teilweise sehr blass. Während am Rande auch Platz für eine muntere, nur zart ins Spiel gebrachte Liebesgeschichte ist, steht im Mittelpunkt immer das Ausloten der familiären Verhältnisse und die Akzeptanz neuer Aspekte am eigenen Ich.
Mit recht wenig Aufwand wird die Wasserwelt in Szene gesetzt, aber gerade auch die angedeutete Liebesgeschichte in ihrer Ungewöhnlichkeit und etliche andere Details lassen doch ein lebendiges Bild der drei auftretenden Kulturen entstehen, wobei immer nur das für die Geschichte Notwendige ausgearbeitet scheint.
Ein weiteres zentrales Element sind die „sea mams“, die Meeressäugetiere, die hier die Gefährten der Menschen darstellen und die hilfreiche und freundliche Seite des Meeres repräsentieren. Die Kommunikation mit den Walen ist auch ein Schlüsselelement der Handlung und erinnert heute an die Entstehungszeit der Geschichte in den 80ern, als die Wale zu den Maskottchen des Umweltschutzes wurden.

Die Sprache ist weder so ausgeklügelt noch so poetisch wie bei den eingangs genannten Autoren, doch die Faszination der Insel- und schließlich Meereswelt kann durchaus eingefangen und transportiert werden. Das Meer – zweifellos einer der Hauptakteure in diesem Roman – bleibt bis zum Schluß etwas Fremdes, das mit seiner Unberechenbarkeit und Weite dem Protagonisten stets Überwindung abfordert, und das er höchstens als Teil seines Lebens akzeptieren und achten lernt, aber nicht lieben. Trotz der vielen Meeresbewohner, die in Drowntide auftauchen, bleibt also eine gewisse Scheu vor dem Unbekannten erhalten, und es geht eher um das Leben mit dem Meer als das Leben im Meer. Ein Stück dieser Fremde entdeckt der Held Keiris aber auch in seinem Inneren, und die unüberwindbare Zerrissenheit bekommt am Ende zumindest positive Aspekte und die Möglichkeit zu einer versöhnlichen Zukunft.
Wenn man also das große Blau schätzt und sich für eine kleine Geschichte erwärmen kann, die an seinen Ufern spielt, ist Drowntide eine unbedingte Empfehlung.

Dunkelheit von Anne BishopIm von Magie durchzogenen Tereille unterdrücken und quälen Frauen die Männer, diese wiederum versuchen die Frauen durch Vergewaltigung zu “brechen” und ihnen dadurch ihre Magie zu rauben. Doch es wurde die Ankunft einer mächtigen Hexe prophezeit, die Erlösung bringen soll. Als sie schließlich erscheint, ist sie Jaenelle, ein kleines Mädchen mit unendlicher Macht, und sie hat nur wenige Beschützer: Saetan, der sie gerne unter seine Fittiche nehmen würde, und Daemon, der seit Jahrhunderten auf ihre Ankunft gewartet hat, um ihr Liebhaber zu werden. Doch dem Mädchen drohen von vielen Seiten Gefahren, während ihre Beschützer sich nicht einmal gegenseitig vertrauen.

– Ich bin Tersa die Weberin, Tersa die Lügnerin, Tersa die Närrin.
Wenn die Damen und Herren mit den Blutjuwelen ein Bankett feiern, bin ich stets die Unterhaltung nach den Musikern und den geschmeidig tanzenden Mädchen und Jungen. Denn wenn die Herren zu viel Wein getrunken haben, verlangen sie, die Zukunft vorhergesagt zu bekommen. –
Prolog

Zu Dunkelheit liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Das dunkle Fort" von Simon R. GreenZehn Jahre nach dem Dämonenkrieg herrscht mehr oder weniger Frieden im Hagreich, der Dunkelwald ist wieder ruhig, Dämonen werden kaum noch gesehen.
Doch dann reißt der Kontakt zu einem Fort ab, das einen Teil des Grenzwaldes zwischen Grundland und Hagreich bewacht. Eine Gruppe Ranger um Duncan MacNeil wird ausgeschickt um herauszufinden, was passiert ist.
Was sie dort finden, übersteigt all ihre Befürchtungen. Tief unter dem Fort lauert etwas Unvorstellbares, und es beginnt zu erwachen …

-“Es ist das Biest. Es weiß, was uns Angst macht.”-
Prolog

Leider muss ich sagen, dass ich mir den Folgeband doch etwas anders vorgestellt habe. Im Gegensatz zu Das Regenbogenschwert (Blue Moon Rising), dem ersten Band des Dämonen-Zyklus, bleibt Green hier durchweg ernst, es finden sich keine Ironie und Anekdoten, kein Witz oder Seitenhiebe auf andere Bücher. Der locker leichte Stil des Autors fehlt irgendwie ganz und ich war überrascht, wie todernst doch plötzlich alles geworden ist. Nicht, dass der Band jetzt von A bis Z schlecht geworden ist. Der Autor schafft es schon, den Leser wieder in seinen Bann zu ziehen und präsentiert eine durchaus spannende Geschichte. Aber ich vermisse eindeutig den Witz, den Green in seinem Vorgängerband so geschickt eingearbeitet hat.

Natürlich darf dann auch nicht die gewisse Portion Tragik fehlen, und so hat mehr als ein Charakter ein sehr schweres Leben hinter sich. Ganz nebenbei fand ich die Namen der Personen alle ein wenig zu englisch (Duncan, Constance, Giles, Jessica Flint…), in einem Land wie dem Hagreich (was ja nun recht wenig mit unserer Welt gemeinsam hat) fällt das doch ziemlich ins Auge.

Außerdem sind mir noch einige Unstimmigkeiten in der Übersetzung aufgefallen. War es z.B. im Regenbogenschwert der “Dunkelwald”, der die Menschen bedrohte, dann ist es nun der “Finsterholz” (!). Solche Kleinigkeiten stören den Lesefluss ungemein, da hätte der Übersetzer ruhig mal im anderen Band nachschlagen können.
Alles in allem also nur eine mäßige Fortsetzung, die lange nicht an den Vorgänger herankommt.

Die dunkle Königin von George R.R. MartinDer Krieg in Westeros ist zum Erliegen gekommen. Mit Tywin Lannister ist der letzte große Feldherr und Herrscher der Vergangenheit ermordet worden und seine machtgierige Tochter Cersei sitzt als Regentin auf dem Eisenthron. Doch der Eindruck des Friedens täuscht, und es bleibt nicht viel Zeit für die Bewohner von Westeros, ihre Verstorbenen zu begraben und sich auf die Ankunft des Winters vorzubereiten, denn in King’s Landing und den anderen Machtstätten des Reiches werden schon wieder neue Bündnisse geschmiedet und Intrigen geplant. Es ist die Ruhe vor einem noch gewaltigeren Sturm.

– Als die aufgehende Sonne durch die Fenster hereinschien, setzte sich Alayne im Bett auf und räkelte sich. –
Alayne

Zu Die dunkle Königin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Zeit der Krähen und Die dunkle Königin.

Die dunkle Quelle von Tobias O. MeißnerRodraeg ist ein Stadtschreiber von Kuellen, seine abenteuerlustige Zeit hat er lange hinter sich. Doch dann taucht plötzlich Naenn bei ihm auf, eine Frau aus dem Volk der Schmetterlingsmenschen. Sie macht Rodraeg einen Vorschlag: Er soll Anführer einer Einsatztruppe werden, die für eine mysteriöse Vereinigung arbeitet, der das natürliche Gleichgewicht des Kontinents am Herzen liegt, das durch die zunehmende Industrialisierung und die rigorose Politik der Kaiserin bedroht ist. Rodraeg lässt sich überreden, richtet einen Stützpunkt ein und sucht nach geeigneten Mitstreitern. Und schon flattert der erste Auftrag ins Haus, in dem von einem verseuchten Fluß die Rede ist …

-Die Flaggen vor dem Zelteingang, gold und blau mit einer strahlenden Krone darauf, hingen schlaff im kalten Morgendunst. Der junge Hauptmann zögerte kurz, dann schlug er die Plane zur Seite.-
Prolog

Die dunkle Quelle überrascht von den ersten Seiten an  mit großartigen Ideen und einem formidablen Erzähltalent, und das, obwohl der Roman eine für Meißner-Verhältnisse eher konventionelle Geschichte bietet – die hartgesottene High-Fantasy-Leser dennoch erst einmal stutzig machen dürfte.
Fantasy ist fast immer ein “was wäre wenn”. Hier, in einer in weiten Teilen zivilisierten Welt, die kurz vor der Industrialisierung steht, stellt sich die Frage: Was wäre, wenn in einer vormodernen Epoche die Umweltzerstörung schon weitreichende und spürbare Folgen nach sich gezogen hätte? Wenn bereits dort jemand darauf aufmerksam geworden wäre und Maßnahmen ergriffen hätte? Eine Greenpeace-Einsatz-Truppe in einer Fantasy-Welt: das klingt zunächst nach Öko-Romantik inclusive Biolatschen und erhobenem Zeigefinger.

Tobias O. Meißner hat aus der verwegenen Idee eine mitreißende Geschichte gemacht, die durch unkonventionelle Details und den Öko-Ansatz ein wenig frischen Wind in den Fantasy-Einheitsbrei bringt, dabei aber dennoch stark auf vertraute Elemente setzt, wie man sie aus Rollenspielabenteuern oder Questengeschichten kennt.
Die Zwerge, Elfen und Orks sind zwar zu Hause geblieben und einer bunten Welt mit neuen Spezies gewichen, sowohl auf der Ebene der Handlungsträger als auch der Kulisse: Schmetterlingsmenschen, Bartendrachen, Bienenmagier – um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Götterwelt, Geschichte und Flora und Fauna wurde zumindest vordergründig ein eigener Stempel aufgedrückt, häufig passend zu der ungewöhnlichen Grundidee des Romans.
Trotzdem findet man sich leicht in die traditionell erzählte Geschichte ein: Rodraeg, der als Hauptfigur stets der Mittelpunkt des Romans ist, führt souverän durch die Handlung und besticht vor allem als gelehrter Antiheld, der über seine besten Kämpfer-Jahre bereits hinaus ist und trotzdem, als er seine neue Aufgabe einmal angenommen hat, mit aller Kraft in den Kampf eilt – nur dass körperlicher Einsatz für ihn immer ein Notnagel ist – eine Einstellung, die innerhalb der Aktivisten-Szene nicht nur auf Gegenliebe stößt. Zur Sache geht es nach einer langen Einführungsphase aber trotzdem noch, und Die dunkle Quelle bekommt auch ein paar Actionszenen verpasst.
Zusätzlich fesselt Meißners schöne Sprache – sie ist klar und leicht zu lesen, aber dennoch ästhetisch, ohne in der einfachen Geschichte von der Auftragsabwicklung überkandidelt zu wirken.

Die übrigen Figuren sind bestechend sympathisch und menschlich nachvollziehbar und nehmen den Leser mit ihren liebevoll ausgearbeiteten Schrullen für sich ein, so dass es leicht fällt, sich auf ihre anfangs beschaulichen Abenteuer einzulassen. Freilich lässt sich nicht leugnen, dass der Roman nur ein sorgfältig aufgebauter Auftaktband zu einer groß angelegten Reihe ist – es geht vornehmlich um Zusammenstellung und Aufbau der Truppe, die sich Das Mammut nennt, und erst am Ende nach dem ersten Auftrag kann man ein wenig von der größeren Hintergrundgeschichte erahnen. Aber wenn schon der Einstiegsroman so viel Spaß an frischen Ideen und einen so großen Wohlfühlfaktor mit sich bringt, darf man gespannt sein, wie Meißner – dessen Romane niemals Wohlfühlgaranten sind – dieses Setting in weiteren Bänden genüsslich zerlegt und Rodraeg und seine Mannen in die Bredouille bringt.

Cover von Der dunkle Thron von Chris BunchAls Damastes á Cimabue, ein rang-niedriger Kavallerie-Offizier der numantischen Armee, den Seher Laish Tenedos, der die unfähige numantische Regierung anprangerte, als militärische Eskorte auf eine Strafversetzung in die Grenzstaaten begleitet, beginnt der soziale und finanzielle Aufstieg der beiden. Vor dem Höhepunkt aber gilt es Kultisten, Sozial-Revolutionäre, Dämonen, andere ehrgeizige Männer und das alte System zu bekämpfen.

-Der Seherkönig, Laish Tenedos Imperator Rex, ist tot.-
Kapitel 1: Exil

Die Geschichte findet im Reich Numantia und dessen Nachbarn statt. Von der Namensgebung und der Struktur erinnert Numantia an das späte Römische Reich, es gibt Legaten, ein Lyzeum, Tenedos wid Imperator, die Hauptstadt heißt Nicias. Da Tenedos ein Magier ist, spielt Magie eine deutliche, aber quantitativ keine dominierende Rolle (ein gutes Dutzend Zauber auf 631 S.). Qualitativ sind einige Probleme nur mittels Magie zu lösen, es handelt sich also nicht um Feierabendmagie. Außer Dämonen gibt es neben den Menschen keine intelligenten Lebewesen. Generell nicht schlecht, aber auch nicht besonders innovativ.

Schon im ersten Kapitel wird das Ergebnis des gesamten Bandes vorweggenommen – sogar der weiteren Geschichte, da es vom Damastes im Exil, 15 Jahre nach dem Beginn der eigentlichen Geschichte erzählt wird. Aber auch wenn man das erste Kapitel wegließe, hätte man spätestens nach 100 Seiten das Strickmuster heraus. Die Personen sind nur Archetypen, die eine Aufgabe zu erfüllen haben – sind sie auf Seiten der Protagonisten, dann sind sie hervorragend befähigt für ihre Aufgabe, sind sie Gegner der Protagonisten, dann sind sie unfähig. Ändern sie ihre Gesinnung, verlieren, bzw. gewinnen sie an Befähigung. Eine Ausnahme bilden nur die jeweiligen Anführer der Gegner.

“Oh, Lieber, bitte, bitte, es ist so lange her, oh spalte mich, zerreiße mich, fick mich!”
S.624

Sehr plastisch beschreibt der Autor die Sex-Szenen – und davon gibt es eine Menge. So viele, daß man das Wort “Riemen” bald nicht mehr lesen mag und die entsprechenden Seiten genervt überfliegt. In diesem Zusammenhang: Frauen spielen eine große Rolle, zwangsläufig, da Homosexualität negativ konnotiert ist. Frauen sind: Bedienstete (Geliebte von Soldaten), Köchin (Geliebte von Damastes), “Huren”, Geliebte, Ehefrauen (meist Geliebte von irgendjemanden) und Mörderinnen (die den Beischlaf gerne nutzen, um das Opfer zu umgarnen). Schließlich finden sich einige an den Nationalsozialismus erinnernden Formeln: Damastes Familienehre lautet: “Auf immer Treu.” (SS-Motto: “Unsere Ehre heißt Treue!”), Laish beschwört den totalen Krieg (Göbbels, Sportpalast) und allgemein ist das einfache Landleben gut, während die Zivilisation nur Verderbnis, Korruption und Degeneration hervorbringt (Himmler wünschte sich ein “Bauerndeutschland” aus eben diesen Gründen) etc. Dazu paßt, daß alle Ausländer Diebe, Mörder und “Hurenböcke” sind. Die meisten (die Bösen) sind außerdem Rassisten. Die Tovieti, der erste zu besiegende Feind, sind – Oh, Wunder! – heimtückische, fiese Protokommunisten.

Die Sprache ist einfach, hin und wieder sind ein paar magische Formeln eingestreut, die nicht überzeugen. An einer Stelle war der Sprung in der Geschichte so groß, daß ich die Seitenzahlen überprüfte um mich zu vergewissern, daß ich nichts überschlagen hatte.
Es wäre noch einiges zu sagen über Politik, Militär, Charaktere und Ideologie – das meiste fiele negativ aus. An manchen Stellen deutet der Autor an, daß nicht alles was glänzt auch Gold ist und es vielleicht in den kommenden Bänden zu einer Weiterentwicklung des Protagonisten Damastes kommt.
Die oben geschilderten “Qualitäten” wiegen für mich so schwer, daß ich beim Lesen zwischen echter Verärgerung und Langeweile schwankte.

Eis und Schatten von Sarah AshIn dem barbarischen Land Azhkendir herrscht seit Urzeiten der Drakhaon über die Clans, ein Hybridwesen aus Mensch und dem letzten Drachen. Mit dem Tode des lezten Drakhaon geht der Geist des Drakhaoul auf seinen Sohn über, Gavril Andar, der jedoch im Exil lebt und nichts von seinem Erbe und seiner Bestimmung weiß. Die loyalen Diener des Drakhaoul entführen Gavril aus den zivilisierten Ländern, damit er seine Herrschaft antreten kann. Nur seine Mutter versucht, ihn zu befreien und geht dabei ein Bündnis mit dem ehrgeizigen Prinzen Eugene von Tielen ein, dessen Ziel es ist, das alte Imperium mit ihm an der Spitze widerherzustellen.

– Zu Eis und Schatten liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Elantris von Brandon SandersonElantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren  die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …

-Prince Raoden of Arelon awoke early that morning, completely unaware that he had been damned for all eternity.-
Chapter 1

Mit seinem Debutroman Elantris hat Brandon Sanderson den Grundstein für eine steile Karriere gelegt, die ihn inzwischen als Nachfolger Robert Jordans beim Rad der Zeit und Verfasser eigener umfangreicher Fantasy-Zyklen in die erste Liga der Autoren geführt hat. Liest man seinen gefeierten Erstling,  der durchaus wegweisend für die literarische Richtung ist, die Sanderson seither eingeschlagen hat, weiß man nicht recht, ob man lachen oder weinen soll, weil ein weiteres Mal ein allzu simpel nach Schema F gestrickter Fantasy-Roman die Gunst der Leser erworben hat …
Mit hohem Tempo wechselt Sanderson die Handlungstränge um den durch das Shaod verdammten Prinzen Raoden, der sich im elenden Elantris durchschlägt, seine Verlobte Sarene, ein allen Widrigkeiten zum Trotz emanzipiertes, kluges, politikbegeistertes Mädchen, das sofort die Zügel in Raodens Heimat Arelon an sich reißt und in der Folge die Politik des kleinen Landes komplett auf den Kopf stellt, und den Priester Hrathen, der mit der Kraft der Logik ein ganzes Volk bekehren will und dabei eine fanatische Natter an seinem Busen heranzüchtet. All diese Handlungsstränge laufen ab und berühren sich wie ein gut geöltes Uhrwerk, man steigt schnell ein, aber die Spannung bleibt auf der Strecke, weil alles in so glatten und vorhersehbaren Bahnen verläuft.

Der Held Raoden ist ein Super-Optimist, dem trotz widrigster Umstände in den ersten 250 Seiten gerade einmal drei Zeilen Selbstzweifel zugestanden werden (und dann schlägt der Blitz ein und Raoden darf sich einige Seiten lang im Elend aalen, als hätte der Autor einen Schalter umgelegt); die Heldin ist ein ähnliches Kaliber. Einfache, sich ständig wiederholende Charakterzüge werden verwendet, um den Figuren Eigenständigkeit zu verleihen, bis man es nicht mehr lesen kann, dass Sarene mit ihrem Finger an die Wange tippt, wenn sie kurz vor einer weiteren genialen Idee steht – denn gute Einfälle gibt es am laufenden Meter in Elantris. So schwer Feinde und widrige Umstände den Helden das Leben auch machen, sie sind niemals auch nur einen Augenblick lang um eine Lösung verlegen.
Dabei hat die Handlung durchaus Potential für Spannung – eine Stadt voller Zombies sucht nach Erlösung, während außenherum das Land in den Ruin stolpert. Wenn diese Gemeinschaft der Gefallenen fieberhaft an einem Ausweg für das Hauptproblem – den Fall von Elantris – arbeitet, kann man sich ein wenig mitreißen lassen. Um so enttäuschender ist dann aber die hahnebüchene Auflösung.

Das Ende ist ohnehin ein Spektakel, und kein erfreuliches: Eine bunte, sensationelle und gigantische Explosion von Magie, und wenn man sich vorab schon in einem Hollywood-Schinken der platteren Sorte gewähnt hat, kommen hier erst recht die passenden Szenen für diese These: Ein Totgeblaubter rappelt sich noch einmal blutend und stöhnend auf, um dem Bösewicht in einer kritischen Situation schnell Eins überzubraten, ein längst vergessener Charakter stolpert zufällig aus einer Kneipe und löst eine Kettenreaktion aus. Während ein ganzes Buch lang niemand ins Gras beißen musste, werden innerhalb von drei Seiten beinahe alle getötet (aber mit Auferstehungsoption), und wirklich jede einzelne Figur darf etwas zur Rettung beitragen, auch wenn sie nur für diese eine Aktion 400 Seiten weit mitgeschleppt wurde.
Mit den Holzhammerfiguren, der auf reine Dynamik hinkonstruierten Geschichte und den clever eingebundenen Themen, die ohne in die Tiefe zu gehen angerissen werden – von Emanzipation über Herrschaftssysteme hin zu Selbstbewußtsein und Erfüllung im Leben – kann man Elantris wohl ganz gut konsumieren, aber etwas Besonderes oder gar Subtiles fehlt dieser Klischeeparade, die sich liest, als hätte Brandon Sanderson einfach die Erfolgsformel für Fantasy-Romane abgearbeitet.

Elantris (deutsch) von Brandon SandersonElantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …

-Elantris war wunderschön. Früher einmal. Man nannte es die Stadt der Götter: Ein Ort voll Macht, strahlendem Glanz und Magie.-
Prolog

Zu Elantris liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Eldest" von Christopher PaoliniNach der zunächst siegreichen Schlacht bei Farthen Dûr, bei der Eragon schwer verletzt wurde, ereilt die Varden ein weiterer Schicksalsschlag: Murthag, Ajihad und die magiebegabten Zwillinge werden von einer versprengten Urgal-Truppe überrascht und getötet. Ajihads Tochter Nasuada wird nach inneren Machtkämpfen die neue Anführerin, doch viel Zeit bleibt nicht: Galbatorix weiß nun von dem Versteck der Varden, sie müssen nach Surda fliehen. Gleichzeitig wird Eragon zu den Elfen nach Ellesméra geschickt um seine Ausbildung als Reiter zu vollenden. Doch nicht nur im fernen Süden, auch in Carvahall spitzt sich die Lage zu, denn Roran, das einzige noch lebende Familienmitglied von Eragon, ist ins Visier von Galbatorix geraten.

-I don’ know what I’ll do. I certainly can’t fight for the Varden like this.
Don’t think about it, she counseled. You can do nothing about your condition, and you’ll only make yourself feel worse. Live in the present, remember the past, and fear not the future, for it doesn’t exist and never shall. There is only now.-
Black Morning Glory

Ein paar Jahre sind seit Eragon ins Land gegangen, der Autor ist dem Teenageralter entwachsen und das zeigt sich auch in seinem Buch. Anders als sein Vorgänger, dem man die Wünsche und Träume eines Fünfzehnjährigen anmerkte, hat dieses Buch an Komplexität und Spannung deutlich zugenommen.

Der größte Pluspunkt für mich war, dass nicht mehr nur die Geschichte von Eragon erzählt wird, während die anderen Personen mehr oder weniger im Hintergrund stehen, sondern dass die Perspektive zwischen Eragon, Roran und Nasuada wechselt. Dadurch erhält das Buch gleich viel mehr Tiefe und Komplexität. Teilweise hat es mich mehr interessiert, was aus den Dorfbewohnern wird, als das, was Eragon gerade bei den Elfen lernt. 😉
Ein weiterer Pluspunkt: Die Handlung gewinnt an Fahrt und wirkt schon aufgrund des Perspektivenwechsels nicht mehr allzu stur gradlinig. Insgesamt ist es auch wesentlich spannender als sein Vorgänger, so dass die Seiten geradezu vorbeifliegen.

Die Personen, allen voran natürlich die genannten drei, erhalten im Laufe der Zeit eine Tiefe, die man bei Eragon vermisste, und runden so den Roman noch ab.
Die Stärken, die sich bei dem ersten Teil bereits andeuteten, konnte Paolini in den vergangenen Jahren also ausbauen und damit einen Roman schaffen, der sich in Sachen Spannung und Komplexität nicht verstecken muss.
Negativ anzumerken gibt es eigentlich kaum was, ab und zu sind ein paar kleine Handlungsschwächen drin, aber nichts, was dem Lesespaß einen Abbruch tun würde. So manch einen wird das offene Ende stören, und das Warten auf den dritten Teil fällt jetzt schon schwer …

Die Elementare von Calderon von Jim ButcherDer junge Tavi, der anders als die Bewohner der Dörfer im Grenztal von Calderon ohne die Magie der Elementare leben muss, derer sich jeder außer ihm bedienen kann, passt beim Schafehüten nicht auf, und als er zusammen mit seinem Onkel einem in die Irre gegangenen Schaf hinterherjagt, geraten sie den feindlichen Marat in die Quere. Tavis Onkel wird verletzt, so dass es an dem Jungen liegt, Hilfe zu holen und die Nachricht von der sich anbahnenden Invasion weiterzutragen. Gleichzeitig wird Amara, die als Agentin ausgebildet wird, in eine Intrige gegen den alten Herrscher von Alera verwickelt. Sie kann sich befreien und flieht, doch die Verfolger sind ihr auf den Fersen.

-Der Lauf der Geschichte wird keineswegs von Schlachten, Belagerungen oder dem Sturz von Herrschern bestimmt, sondern durch die Handlungen einzelner Personen.-
Prolog

Die Elementare von Calderon markiert den Aufbruch des bereits für seine Urban Fantasy beliebten Jim Butcher in die High Fantasy, ein Experiment, das im Auftaktband der sechsbändigen Codex-Alera-Reihe teilweise geglückt ist: Handwerklich ist der Roman solide gewobenes Unterhaltungsgarn, das sich angenehm und flott lesen lässt. Woran es allerdings auf beinahe allen Ebenen mangelt, ist Größe.
Nun ist die Fantasy für “kleine” Geschichten, die sich auf wenige Figuren konzentrieren, die nicht gleich die Grundfesten der Welt erschüttern und die ohne Bombast und Pathos auskommen, ein durchaus geeignetes Genre, das zeigen etliche gelungene Beispiele – das Problem ist jedoch, dass Butcher mit seiner Saga um das Reich Alera, das von außen und innen bedroht wird, durchaus Großes im Sinn hat, aber der Ausführung fehlt es zumindest im ersten Band schlicht an Fleisch, um dieses Versprechen zu halten.

Die Welt wirkt zunächst erfreulich bunt, es gibt viele Farbtupfer durch eine eigene Flora und Fauna, und als Alleinstellungsmerkmale sowohl die im Ansatz recht innovative Magie der Elementare als auch die Anlehnung der Zivilisation Aleras an das römische Imperium (irgendwo im Hintergrund wird sogar eine Herleitungsgeschichte dieses Umstands angedeutet – die Bewohner Aleras stammen aus unserer Welt). Unterm Strich bleibt es aber leider bei der Nennung einiger Namen und (militärischer) Titel, weitere kulturelle Nachwirkungen oder Überreste der römischen Herkunft gibt es nicht. Auch die Magie läuft bald wieder in relativ gewohnten Bahnen, wenn man davon absieht, dass die magischen Handlungen mit Hilfe der Elementare erreicht werden – Verkörperungen von Wasser, Erde, Feuer, Metall, Wind und Stein, die jeder Bewohner Aleras an sich binden kann. Mit ihnen werden ganz banale Alltagserleichterungen erwirkt, aber auch – je nach Macht des Einzelnen – beeindruckende Effekte. Außerdem wirken die elementaren Kräfte auch frei in der Welt. Die Elementare, die auch ein Stück weit Persönlichkeit und Eigenständigkeit aufweisen, bringen Codex Alera definitiv einen Extra-Sympathie-Punkt ein, aber innovativ ist das Ergebnis dieser Magieanwendung spätestens auf den zweiten Blick nicht mehr, erst recht nicht für Leute, die schon einmal mit einem High-Magic-System Rollenspiel betrieben haben.
Damit heben sich die Magie, das im Auftaktband eine große Rolle spielende Dorfleben und auch die im Hintergrund immer wieder aufblitzende Welt der Mächtigen weder im Detail noch im Groben vom Standard ab und wirken eher statisch als lebendig – Alera ist keine Welt voller Geschichte und Geschichten.

Ähnlich zielstrebig – und das kann man hier durchaus als Gewinn sehen – geht es bei der Handlung zur Sache. Butcher hält ein hohes Spannungsniveau von Anfang bis Ende durch: Die Helden sehen sich durch dreierlei Feinde bedroht; durch einen egoistischen Grobian, dem die Welt um sich herum völlig gleich ist, die feindliche Barbarenhorde und eher grob intrigierende Verräter sind sie ständigem Druck ausgesetzt und kommen nie zur Ruhe. Protagonist Tavi, als Einziger magielos in dieser magischen Welt, dessen kleiner Dorfkosmos akut bedroht ist, ist die Identifikationsfigur des Lesers, Amara, die angehende Spionin, die sich plötzlich verraten sieht und ihren Dienst für das Reich auf eigene Faust fortsetzen muss, schafft Verbindung zur größeren Geschichte jenseits des beschaulichen Lebens im Grenztal von Calderon.
Butcher erzählt seine Handlung in mehreren Strängen, lässt sie überkreuzen und wieder auseinanderlaufen und gewährt auch Blicke über die Schultern seiner Fieslinge. Er führt den Leser dabei gekonnt durch die Ereignisse. Cliffhanger und ein klassischer Aufbau mit einer spannend erzählten Schlacht am Ende sorgen dafür, dass man theoretisch an den Seiten kleben bleibt, was praktisch vor allem bei Lesern funktionieren dürfte, vor deren Augen ähnliche Geschichten noch nicht allzu oft durchexerziert wurden. Nur wenn zwei Handlungsstränge am selben Ort spielen, wird es hin und wieder etwas ungelenk – gerade an den rasanteren Stellen will man nur ungern in der Zeit zurückspringen und das Geschehene noch einmal von einer anderen Seite aufgerollt sehen.

Butcher setzt auch bei den Figuren vor allem auf Bewährtes, ureigene Aspekte kann er diesen Elementen aber nicht abgewinnen – der vom Dorffiesling geplagte, vom netten Onkel und der netten Tante unterstützte Außenseiter-Held, die tüchtige Jungspionin, die durchschaubar intrigierenden gefährlicheren Gegner und der gütige Herrscher spielen ihre Rolle, und sogar ein edler Wilder hat einen Gastauftritt.
Es scheint, als ließe sich das Konzept, das bei Harry Dresden funktioniert, nur bedingt auf High Fantasy übertragen: den schnellen, dynamischen und in wenig erzählter Zeit abgehandelten Ereignissen – die ganze Sache ist innerhalb weniger Tage gelaufen – fehlt ein Unterbau.

Da sich Die Elementare von Calderon aber auch als Einzelabenteuer lesen lässt (solange man sich damit zufrieden gibt, dass einige Rätsel mit nur einer Andeutung der Lösung in den zweiten Band gehievt werden), eignet sich der Roman trotz seiner Mängel als Entspannungslektüre, die nicht groß fordert und spannend unterhält, wenn man auch als Leser nicht zu viel fordert. Sprachlich ist der Roman eine runde Sache, von einem patenten Erzähler in Szene gesetzt, nur Neues, Großartiges, einen Mehrwert oder eine Wirkung, die über die reine Lesezeit hinausgeht, sollte man sich davon nicht erwarten.

Cover von Elfenwinter von Bernhard HennenÜber hunderttausend verkaufte Exemplare, monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste: Bernhard Hennens Die Elfen war der in Deutschland erfolgreichste Fantasy-Roman seit Jahren. Mit Elfenwinter kehrt er zurück in die Welt der geheimnisvollsten Geschöpfe, die es je gegeben hat. Dies ist die definitive Geschichte über ein Volk, das aus dem Mythenschatz der Menschheit nicht wegzudenken ist – unentbehrlich für jeden Herr-der-Ringe-Leser.

-“Sie werden versuchen, die Königin zu töten.”.-
Das Fest der Lichter

Als ich durch Zufall erfuhr, dass es einen Nachfolger zu Die Elfen geben sollte, war die Vorfreude natürlich groß, wieder von Farodin und Nuramon zu lesen. Nach den ersten Buchseiten war ich dementsprechend verwundert, als die Geschichte nicht nach dem Ende des ersten Bandes einsetzte, sondern einen deutlich früheren Handlungsfaden aus Die Elfen aufnimmt. Trotz dieser enttäuschten Erwartung ist Elfenwinter ein durchaus gelungener Roman. Bernhard Hennen erzählt im Nachfolger von Die Elfen Geschichten, die im ersten Band durch Zeitsprünge überflogen und nur am Rande erwähnt wurden.

Dies soll man nun aber nicht in geringster Weise so verstehen, dass der Autor die Überreste aus dem ersten Band verwerten wollte und diese auf knapp 900 Seiten gestreckt hat, vielmehr wird das Schicksal der Nordmänner nach dem Weggang Mandreds weitergesponnen. Daher ließe sich auch über die Titelwahl streiten, denn im Gegensatz zum ersten Band stellen Elfen nur noch einen geringen Teil der Protagonisten, allerdings spielt das ambivalente Verhältnis zwischen Elfen und Nordmännern auch in diesem Band wieder eine große Rolle, auf das hier durch die Figur Alfadas’ ein etwas anderer Blick geworfen wird. Die Hauptpersonen (Alfadas, Ollowain und meiner Meinung nach auch Orgrimm) kommen aus drei verschiedenen Rassen und es werden mehrere verschiedene Handlungsstränge aufgegriffen. Die Trennung zwischen Gut und Böse wird stärker verwischt als in Die Elfen, wo der Devanthar klar den Antagonisten stellte. Bernhard Hennen gibt den Trollen, den Gegenspielern des vorliegenden Bandes, eine Hintergrundgeschichte (die Vertreibung aus ihrer Heimat), durch die man die Trolle sogar machmal verstehen kann, dazu trägt gerade die Figur des Orgrimm bei. Dagegen fällt es schwerer, mit Alfadas warm zu werden. Einerseits hält er auf den ersten Blick einem Vergleich mit Mandred, dem kantigen Sympathieträger aus dem Vorgängerband, nicht stand, andererseits ergeben sich diese unterschiedlichen Charakterzüge aus der jeweiligen Vergangenheit der Figur, und aus Alfadas einen zweiten Mandred zu machen, wäre ein starker Bruch in der Entwicklung der Figur. Lässt man sich auf Alfadas ein, entwickelt er gerade durch seine Andersartigkeit zu Mandred durchaus eine eigene Faszination.

Bernhad Hennen schreibt seine Geschichte in der ihm eigenen, sehr bildreichen Sprache, die manche Leser auch von alten DSA-Romanen kennen werden. Besonders die Grausamkeiten und die rohen Manieren der Trolle werden sehr gut veranschaulicht. Dies alles trägt zur Authentizität des Romans bei, schildert es doch die Begebenheiten und Geschehnisse während des zweiten Trollkriegs. Hennens Angewohnheit, zwischen den Handlungssträngen hin und her zu springen, gefällt mir persönlich sehr gut, da die Geschichte dadurch an Abwechslung gewinnt.

Cover von Elric von Michael MoorcockIn The Dreaming City kehrt Elric als rechtmäßiger Thronanwärter in die letzte verbliebene Stadt des einst mächtigen Reiches von Melniboné zurück. Allerdings nicht um den Thron zu beanspruchen, sondern an der Spitze einer Seeräuberarmada und von Rachedurst getrieben. In While the Gods Laugh begibt sich Elric auf die Suche nach einem Buch der Alten Götter, um mehr über die Götter und sein Schicksal in der Welt zu erfahren. Dabei stellen sich ihm nicht nur allerhand phantastische Ungeheuer in den Weg, sondern er lernt auch seinen künftigen Side-kick Mondmatt (im Original Moonglum) von Elwher kennen. Rachsucht treibt den Prinzen von Melniboné in Stealer of Souls dazu, sich einem Komplott gegen den Händler Nikorn anzuschließen, denn dieser beherbergt einen Zauberer, mit dem Elric noch eine Rechnung zu begleichen hat. In Kings in Darkness begeben sich Elric und Mondmatt ins Reich der körperlich und geistig versehrten Orgians, wo sie sich auch noch mit Untoten herumschlagen müssen, dabei aber eine ganz besondere Bekanntschaft machen. In The Caravan of Forgotten Dreams wird Elrics lang ersehnter Friede durch eine sengende Barbarenhorde gestört, deren Anführer sich für einen mächtigen Zauberer hält. In Stormbringer schließlich entspinnt sich der alles entscheidende Kampf zwischen den Mächten der Ordnung und des Chaos.

-Then he realized that he and the sword were interdependent, for though he needed the blade, Stormbringer, parasitic, required a user – without a man to wield it, the blade was also powerless. ‘We must be bound to one another then,’ Elric murmured despairingly. ‘Bound by hell-forged chains and fate-haunted circumstance. […]’- S. 34

Elric von Melniboné ist wohl eine der bekanntesten Heldengestalten der Fantasy, kein Wunder also, dass ihm auch ein Band der Fantasy Masterworks-Reihe gewidmet ist. Ob dieser jedoch geeignet ist, den in den 1960er Jahren entstandenen Helden auch modernen LeserInnen nahezubringen? Der Sammelband umfasst dabei nicht sämtliche Erzählungen, in denen der Prinz von Melniboné eine Rolle spielt, liefert aber dessen ursprüngliche Geschichte. Elric vereint nämlich fünf Erzählungen, als da wären The Dreaming City, While the Gods Laugh, The Stealer of Souls, Kings in Darkness und The Caravan of Forgotten Dreams, sowie den Roman Stormbringer in sich. Dabei liefern die Erzählungen Vorwissen für Stormbringer, in dem Elrics Geschichte in einem großen Finale mündet, gleichzeitig ist in diesem „Kanon“ genug Spielraum für die später verfassten Abenteuer Elrics. Alle diese Geschichten rund um den schicksalsgeplagten Albino sind Anfang der 1960er Jahre entstanden, und man muss sagen, dass nicht alle gut gealtert sind. Hierbei sollte aber auch erwähnt werden, dass diese Erzählungen ursprünglich als Fortsetzungsgeschichten erschienen sind, woraus sich ihr manchmal etwas zergliederter und auch pulpiger Eindruck erklärt.

Eine Schwierigkeit, die sich bei vielen übermächtigen Helden ergibt und die auch Moorcock nicht immer ganz gelungen meistert, ist, wie man diesen vor erzählerisch spannende Probleme stellt. So schwanken Elrics Fähigkeiten eher dramaturgisch als logisch nachvollziehbar von Erzählung zu Erzählung, dabei sind seine übermächtigen Zauberfähigkeiten fast problematischer als seine Schwächen, denn während für letztere mit seiner körperlichen Abhängigkeit von Sturmbringer (im Original Stormbringer) eine immer wieder einsetzbare Erklärung vorhanden ist, bleibt der einmalige Einsatz mancher Fähigkeiten unerklärt.

Auch das Frauenbild ist eines, das zutiefst den historischen Umständen verpflichtet ist, denn in seinen Frauenbeziehungen erinnert Elric mehr an James T. Kirk als an eine tragische Heldenfigur, liegen ihm doch die wenigen Damen, die in den Geschichten eine Rolle spielen, stets zu Füßen. Ebenso verfällt ihm Zarozinia nach nur acht Seiten so sehr, dass sie Elric ehelichen will – nach einer Dialogszene und einer Liebesnacht …
Aber nicht nur die Frauen, auch die übrigen Figuren werden zumeist eher pragmatisch, das allerdings gekonnt, charakterisiert. Mondmatt etwa bleibt stets das willkommene Gegengewicht zum grüblerischen, selbstmitleidbeladenen Prinzen von Melniboné und bringt etwas Humor in die eher bedrückenden Geschichten.

Was Elric zu einem Klassiker der Fantasyliteratur gemacht hat, funktioniert allerdings auch heute noch, und das ist die Figur des Elric selbst. Denn ihn zeichnen an sich weder seine Kampf- und Zauberfertigkeiten noch seine Frauengeschichten besonders aus, sondern sein Außenseiterdasein und sein Potenzial zum Antipathieträger. Körperlich schwach ist er abhängig von seinem schwarzen Runenschwert Sturmbringer, das ihm jedoch nicht nur Kampf- und Zauberkraft verleiht, sondern auch (bösartig) in seine Geschicke eingreift. Diese ambivalente Beziehung spielt in jeder der enthaltenen Erzählungen eine prominente Rolle und wird gelungen in Stormbringer beendet. Das Hadern mit seinem eigenen Schicksal und der (Un-)Ordnung der Welt, sein Hang zum Rachedurst sowie zur Theatralik (auch in Sachen Selbstmitleid) machen ihn zu einer spannend gebrochenen Heldenfigur. Gleichzeitig weist er auch schon beinahe liebenswert banale Schwächen (Höhenangst) und Schrulligkeiten auf.
Auch der Weltenbau ist voller interessanter Aspekte und atmosphärisch-archaischer Szenen und Schauplätze. Gerade in Stormbringer entfaltet sich das Potential der Figur Elric und seiner Welt, das in den Erzählungen nicht immer ganz zum Vorschein kam, voll. Ein größerer Handlungsrahmen, mehr Figurenzeichnung und ein gelungenes Finale entschädigen für so manche Schwäche auf den vorangegangenen Seiten.

Elrics Abenteuer bieten also keinen gänzlich ungetrübten Genuss, die genrehistorische Bedeutung dieser Heldenfigur wird aber dort, wo ihr etwas mehr Raum neben actionorientierten Abenteuern zugestanden wird, offenbar und kann euch heute noch ihre Wirkung entfalten.

The Elves and the Otterskin von Elizabeth H. BoyerEher aus Unbedarftheit als aus bösem Willen töten einige unfähige Elfenspione im Zwergenreich einen Fischotter, mit dem es mehr auf sich hat als auf den ersten Blick zu erkennen. Wenn sie das Wergeld, das der Zwergenkönig von ihnen fordert, nicht binnen kürzester Frist auftreiben, droht ein Krieg zwischen Zwergen und Elfen, und genau darauf baut der intrigante Nekromant Lorimer, der gern selbst die Macht im Zwergenreich übernehmen würde. Den Elfen bleibt nur die Hoffnung, rasch den Schatz des Drachen Fafnir an sich zu bringen. Doch Fafnir kann nur mit einem magischen Schwert erschlagen werden, und als dessen neuer Träger ist ausgerechnet der wenig heldenhafte Zauberlehrling Ivarr ausersehen …

– Second sons of poor fishermen always got the short shrift, Ivarr reflected darkly as the old cart rattled and jerked along. The horse pulling it was much older than he was, and the cart itself was certainly from the first landing on Skarpsey long ago. Ivarr glanced sideways at the owner of these relics and summed her up as the oldest and most sinister-looking woman he had ever seen – even barring the fact that she was the famous witch of Hvitafell. –
Chapter One

Ein Held wider Willen, der zusammen mit einem Zauberer und einem Trupp nur bedingt abenteuertauglicher Angehöriger eines Fantasyvolks auszieht, um einem Drachen einen Schatz abzujagen, an dem auch Dritte viel Interesse haben? Für passionierte Fantasyleser ist es sicher gar keine Frage, von welchem Buch da die Rede ist, und obwohl man ohne viel Mühe auch noch gewisse Parallelen zu Gollum oder Gandalfs Kampf mit dem Balrog aufspüren kann, greift der Vergleich mit Tolkien zu kurz, um The Elves and the Otterskin zu beschreiben.

Was Boyer bietet, ist vielmehr eine ganz eigene Mischung aus einer augenscheinlich auf fundierten Kenntnissen basierenden Interpretation altnordischer Mythologie und Slapstickhumor, der nicht selten an Klamauk grenzt. Dabei hätten die einzelnen Elemente, die in den Roman Eingang finden, durchaus reichlich Gelegenheit geboten, sich in Dramatik und Düsternis zu ergehen: Der Schurke Lorimer ist wortwörtlich eine wandelnde Moorleiche und hält sich den wiederbelebten Kopf eines toten Gegners als Ratgeber, Mord, Totschlag und Verzauberung sind allgegenwärtig, und der eindrucksvoll geschilderte Handlungsort Skarpsey erinnert mit seinen dünn besiedelten Gebirgen und Lavafeldern an ein phantastisches Island, das auch als Kulisse für eine weniger heitere Geschichte getaugt hätte.

In gewissem Maße ist es erfrischend, solche sonst oft ganz anders verwendeten Zutaten jeglichen Pathos’ entkleidet zu sehen, und besonders, wenn man einige Vorkenntnisse der Sagen, die Boyer verarbeitet hat, mitbringt, kann man sich sehr darüber amüsieren, was hier etwa aus Andvari und seinem Fluch, Ottar, Regin und Fafnir oder sogar dem Konzept der Fylgja wird. Auch die titelgebenden Elfen selbst bieten (mit Ausnahme des enigmatischen Eilifir) nicht gerade das, was man aus Mythologie und Fantasy von ihnen zu erwarten gewohnt ist, sondern glänzen über weite Strecken vor allem durch Inkompetenz und Streitigkeiten untereinander.

Doch dieser Humor ist ein zweischneidiges Schwert, und das nicht nur, weil er manchmal etwas zu bemüht wirkt – er untergräbt auch, und das wohl größtenteils unfreiwillig, die Wirksamkeit derjenigen literarischen Motive, die im Rahmen der Handlung ihren ganz klassischen Zweck erfüllen sollen, wie etwa das des Drachenkampfs. Gerade hier drängt sich der Vergleich zum Hobbit dann doch wieder auf, denn während es Tolkien trotz aller zum Schmunzeln anregenden Momente gelingt, Smaug glaubhaft als bedrohlich zu schildern, kann man Boyers altersschwachen Fafnir beim besten Willen nicht ganz ernstnehmen (und wenn man es doch tut, packt einen vor allem das Mitleid).

Als rite de passage für Ivarr und seine Kumpane taugen die durch den Kakao gezogenen Ereignisse allenfalls bedingt, so dass es einem schwerfällt, die durchaus ein gewisses Heranreifen umfassende Charakterentwicklung der Protagonisten und den bist zuletzt überwiegend farcehaften Plot miteinander in Einklang zu bringen. Doch obwohl die Mischung aus konventioneller Queste und Veralberung somit keine auf allen Ebenen befriedigende Auflösung erfährt, bildet sie streckenweise eine vergnügliche Lektüre, die an ihren besten Stellen beweist, wie frei und fabulierfreudig ein mit seinen Inspirationsquellen gut vertrauter Autor scheinbar Altbekanntes umdeuten kann, in anderen Szenen aber wiederum die möglichen Tücken eines solchen Vorgehens erkennen lässt.

The Emerald Storm von Michael J. SullivanKönig Alric wird ein Brief zugespielt, aus dem hervorgeht, dass für den Kriegserfolg des feindlichen Kaiserreichs die geheime Mission des Schiffs Emerald Storm von entscheidender Bedeutung ist. Obwohl Royce, dessen Hochzeit unmittelbar bevorsteht, und der mit einer privaten Queste beschäftigte Hadrian eigentlich andere Pläne haben, lassen sie sich breitschlagen, die Fahrt als Seeleute getarnt mitzumachen, um mehr herauszufinden. Doch diesmal hat Royces Erzfeind Merrick Marius die Hand im Spiel, und das droht nicht nur den beiden Gaunern zum Verhängnis zu werden, sondern auch Prinzessin Arista zu gefährden, die mittlerweile auf eigene Faust nach dem gefangenen Rebellen Degan Gaunt sucht …

– “Why does this always happen?“ Royce asked. “Why are we always hanging on a wall waiting to die by slow vivisection? I just want to point out that this was your idea – again.“ –
(Chapter 25 – Invasion)

The Emerald Storm ist in mehrerlei Hinsicht der bisher schwächste Roman der Riyria Revelations.  Zum Teil hängt das sicher damit zusammen, dass Michael J. Sullivan an dieser Stelle in der übergreifenden Geschichte schon zu weit vorangekommen ist, um sie noch sinnvoll mit seinem eigentlich angestrebten Konzept der in sich abgeschlossenen Einzelepisode verbinden zu können: Er muss sein Figurenensemble erkennbar für die beiden abschließenden Bände der Serie in Stellung bringen und immerhin einige der bisher aufgeworfenen Sachfragen klären.

Die Konzentration darauf geht zulasten der Handlung. Der Paukenschlag, mit dem sie einsetzt, als gleich im ersten Kapitel eine zentrale Gestalt einem Attentat zum Opfer fällt, täuscht: Was folgt, ist streckenweise nichts als eine mehr oder minder übersteigerte Wiederholung von Elementen der vergangenen Bände. Besonders Aristas Erlebnisse – ein riskanter Alleingang, das Hineinwachsen in die eigenen magischen Fähigkeiten und eine tragisch endende Beziehung zu einem nicht standesgemäßen Mann – wärmen fast exakt das wieder auf, was schon in Nyphron Rising geschildert wurde. Doch auch Hadrian und Royce ergeht es kaum besser. Zwar ist ihr Handlungsstrang auf den ersten Blick komplexer aufgebaut, doch im Grunde wiederholt sich auch hier ein vertrautes Schema.

Wie zum Ausgleich für das, was das Grundgerüst des Plots nicht bieten kann, zwängt Sullivan eine Überfülle von Einzelabenteuern häufig exotischer Prägung in diesen einen Band. Von einem Seegefecht über eine Dschungelexpedition und Begegnungen mit klischeebefrachteten Eingeborenen (die zu allem Elend auch noch mit ausgeschriebenem Akzent sprechen) bis hin zu einem aufgezwungenen Gladiatorenkampf ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

In der Summe ist das etwas zu viel des Guten. Gerade die Szenen auf dem titelgebenden Schiff wirken wie ein Fremdkörper in dem vagen Pseudomittelalter, das Royce und Hadrian gewöhnlich durchstreifen. Sullivan schildert Schiffstypen, Kommandostrukturen und Segelmanöver, die eher im 18. bis 19. Jahrhundert zu verorten wären, und wenn auch in einer Fantasywelt per definitionem keine echten Anachronismen möglich sind, werden doch die falschen Assoziationen wachgerufen. Dass Sullivan diesen unvereinbaren Kontrast beabsichtigt hat, ist kaum anzunehmen, und es bleibt ein unfreiwillig merkwürdiges Leseerlebnis, wenn die seekranken Helden sich in eine Mannschaft in bester Age-of-Sail-Tradition einzufügen versuchen, während unter Deck eine Mischung aus Tempelritter und Inquisitor Folter- und Mordgelüste an gefangenen Elfen auslebt.

Das amüsante bis anrührende Zusammenspiel der beiden Protagonisten funktioniert allerdings immer noch, und spätestens, als ein sehr heterogener Trupp von der Emerald Storm in den Dschungel aufbricht, gelingt es Sullivan auch, eine durchaus interessante Gruppendynamik herzustellen. Über einen Mangel an Action kann man sich ebenfalls nicht beklagen, und so ist das Buch insgesamt nicht ohne Unterhaltungswert – nur eben ganz gewiss nicht mehr als die Summe seiner Teile.

Empire in Black and Gold von Adrian TchaikovskyCollegium, eine Stadt der Wissenschaft und der Freigeister, ist einer von vielen Stadtstaaten, die mehr oder weniger friedlich unabhängig voneinander existieren. Auf Stenwold Maker, einen Gelehrten, der seit Jahren vor den Eroberungsplänen des sich ausbreitenden Wespenimperiums warnt, hört daher niemand.
Frustriert, aber dennoch unermüdlich hält er sein Netzwerk aus Informanten aufrecht und sucht sich aufgeweckte junge Studenten, die er unter seine Fittiche nimmt und für den Ernstfall ausbildet, unter anderem seine Nichte Che. Als die Wespen tatsächlich ihre Fühler ausstrecken, steht er als einer der ersten auf ihrer Abschußliste.

-After Stenwold picked up the telescope for the ninth time, Marius said, ‘You will know first from the sound.’-
One

Wie schreibt man eine glaubwürdige Empfehlung für etwas, das sich am ehesten mit ‘Insekten-Steampunk’ zusammenfassen ließe? Beim einen oder anderen kann man vielleicht noch Biene-Maja-Erinnerungen aufwärmen, wenn friedlich-fleißige Käfer und Grashüpfer mit Laissez-faire-Attitüde von fiesen Wespen in Bedrängnis gebracht werden, aber die meisten erwachsenen Leser werden wohl müde abwinken. Auch wenn die Käfer mangels eigener Flugfähigkeit tollkühne Flugmaschinen ersinnen und die Wespen ihre finsteren Absichten hinter dem Versprechen eines Wirtschaftsbooms für die allzeit zu Waffenexporten bereiten Käfermagnaten verbergen.
Die Weltschöpfung von Adrian Tchaikovsky ist definitiv einer der gewagteren Entwürfe der letzten Jahre im Bereich der mehrbändigen Fantasy-Sagas (und das ist Shadows of the Apt mit seinen angedachten zehn Bänden in mehreren Handlungsbögen). Seine Welt ist von Insekten bestimmt, die nicht nur als Arbeits- und Reittiere und (ganz im Sinne der Bionik) Ideengeber für die Technik dienen, sondern deren Eigenschaften sich auch auf die Menschenvölker übertragen haben, so daß die sonst durchaus humanoiden Ameisen, Käfer, Mantiden, Spinnen und Wespen über einige interessante spezifische körperliche Merkmale und Fähigkeiten verfügen. Und das funktioniert erstaunlich gut: Tchaikovsky ist es gelungen, das Wesen der Insekten einzufangen, ohne bei ein paar farbenfrohen Oberflächendetails wie Flugfähigkeit oder Panzerung zu bleiben. Nach und nach offenbart sich, daß die Anleihen bei den vielbeinigen Wesen bis tief in die Psyche der Figuren reichen: Von den auch geistig oftmals unbeweglichen Käfern über die eleganten (und natürlich im Matriarchat organisierten) Spinnen bis hin zu den aggressiven, unberechenbaren Wespen. Ja, das sind fraglos Stereotype, aber ausgesprochen clever eingesetzte und frische, die sich nicht ohne weiteres auf klassische Fantasyvölker übertragen lassen.

Tchaikovskys Insektenvölker machen viel von der Faszination der launigen Abenteuergeschichte aus, zumal sie sich natürlich in bester Fantasymanier untereinander nicht ganz grün sind: In der jüngeren Geschichte der Welt haben die Völker mit technischer Begabung das Joch der magisch begabten Eliten, die ehemals über sie geherrscht haben, abgeworfen, und im Hintergrund vollzieht sich diese Zeitenwende immer weiter. Vor dieser Kulisse leben die Wespen ihre imperialistischen Gelüste aus, die mit der Industrialisierung und der Bewaffnung der Massen einhergehen. Setting und Technik erinnern stark an die Zeit des Ersten Weltkriegs, doch obwohl es sich angeboten hätte, wurde dem Abenteuerelement der Vorzug vor einer grim & gritty-Ausrichtung gegeben. Statt dessen sind es vor allem positive menschliche Aspekte, die der Geschichte ihre größten Momente bescheren, und der Autor gönnt sich und dem Leser ein paar wunderschöne Szenen, in denen die Figuren über sich hinauswachsen können.
Diese Charaktere sind geradezu klassisch aufgestellt: Ein Trupp vielversprechender junger Leute, aus allen Völkern zusammengewürfelt, die sich erst noch bewähren müssen, mit wenigen älteren Mentoren, die schwer an ihrer Vergangenheit tragen. Es dauert eine Weile, bis die Figuren – genauso wie Handlung und Welt – zu ihrer ganzen Form auflaufen und zeigen, daß man es nur an der Oberfläche mit einer Geschichte zu tun hat, wie man sie schon hundertmal gelesen hat. Ganz besonders ausgeklügelt sind auch die Antagonisten angelegt, allen voran der findige Geheimdienstler Thalric. Sie geben dem imperialistischen Wespenreich ein Gesicht und sorgen dafür, daß es eine sehr eindrucksvolle Bedrohung bleibt, ohne zum reinen “Bösen” zu verkommen.

Der Konflikt zwischen den ungleichen Parteien spielt sich in einem atemlosen Abenteuerreigen ab – es gibt unzählige Cliffhanger, die Flucht von einem Luftschiff, Einbrüche in Regierungsgebäude, Untergrundbewegungen, Verfolgungen mit interessanten Fahrzeugen. Wer nun Indiana Jones oder anderes (gelungenes!) Popcornkino vor Augen hat, liegt für weite Teile der Handlung ganz richtig; überraschend ist da schon vielmehr der Tiefgang, der durch die Weiterentwicklung der Charaktere und den Hauch des geschichtlichen Umbruchs entsteht, der über allem liegt und mit aus der Realität bekannten Entwicklungen spielt. Auch moralisch diffizile Situationen sorgen für nachdenkliche Momente, ebenso eine erstaunlich gelungene Figurenpsychologie.
Das Tempo bleibt trotzdem durchgehend hoch, und so etwas wie die typischen Landschaftsbeschreibungen der epischen Fantasy wird man in Empire in Black and Gold vergeblich suchen – wenn überhaupt, konzentriert Tchaikovsky sich aufs urbane Milieu oder technische Errungenschaften. Manchmal blitzen auch für einen Augenblick die Legenden und Geheimnisse seiner Welt auf, und die machen definitiv Lust auf mehr.
Wer sich auf die lange Chronik des Kampfes gegen das Wespenimperium einlassen möchte (der erste Handlungsbogen ist in vier Bänden erzählt), findet eine charmante Variante des auf Abenteuer und Gruppendynamik fokussierten Fantasy-Epos, in der auch stilistisch oft geradezu ungewöhnlich geradlinig erzählt wird: Wo die Schnörkel fehlen, fehlen auch umständliche Verrenkungen, und es liest sich durchaus erfrischend, wenn Tchaikovsky auf so manche unausgesprochene Regel verzichtet und einfach loslegt, wie es seiner kurzweiligen Handlung am besten dienlich ist.
Freunde rasanter Abenteuer-Action mit Herz und jeder Leser, der gerne  neuen Konzepten und Ideen auf die Spur geht, sollten also ihre Arachnophobie überwinden und keine Angst vor der Insekten-Invasion im Buchregal haben.

Cover von Eragon von Christopher PaoliniEragon, ein Junge aus einem kleinen Dorf, ist gerade auf der Jagd, als er plötzlich auf einen schönen blauen Stein stößt. Er nimmt die vermeintliche Kostbarkeit mit nach Hause, aber niemand weiß etwas mit dem Stein anzufangen – bis er sich in der Nacht in Eragons Zimmer plötzlich bewegt!
Ein Drache schlüpft aus dem Ei, und Eragon, der bald Freundschaft schließt und eine tiefe Bindung mit dem Drachen eingeht, versteckt das magische Tier im Wald. Er versucht, so viel wie möglich über die Drachen und den ausgelöschten Orden der Drachenreiter herauszufinden. Doch plötzlich tauchen finstere Gestalten im Dorf auf, und Eragon begreift, daß noch andere Mächte auf der Jagd nach seinem Drachen Saphira sind…

-Der Wind heulte durch die Nacht und trug einen Duft heran, der die Welt verändern sollte.-
Prolog: Schatten der Angst

Das schöne Cover, die Lobeshymnen bedeutender Zeitschriften, die auf den Umschlag gedruckt wurden, sowie auch die guten Rezensionen, die ich zu diesem Buch gelesen hatte, ließen mich auf ein wirklich großartiges Fantasieabenteuer hoffen.
Vorweg gesagt: Ich wurde enttäuscht. Ja, das Buch ist spannend, auch wenn es einige langatmige Stellen enthält. Und die Sprache ist, trotz einzelner “Eigenheiten” auch nicht schlecht. Ein paar gute Ideen und eine recht stimmige, wenn auch nicht perfekte Welt tragen dazu bei, dass man Eragon angenehm lesen kann.

Aber es gibt etliche Sachen, die mich an diesem Buch gestört haben. Da wären einmal die kleinen, aber nervigen Logikfehler, die dem Autor unterlaufen. Zum Beispiel wäre da Saphiras Drachenrüstung, die sie geschenkt bekommt. Klar, keine schlechte Idee, doch in diesem Fall ergibt sie überhaupt keinen Sinn, denn Paolini schreibt, dass Saphiras Drachenhaut undurchdringlicher als ein Diamant ist und dass alle Pfeile von ihr abprallen. Nur die Flügel können verletzt werden, doch genau die werden von der Rüstung nicht geschützt.
Wie es in vielen anderen Rezensionen bereits steht, hat Paolini wirklich einiges von anderen Büchern kopiert. Seine Elfen unterscheiden sich kaum von Tolkiens Elben. Arya z.B. gleicht Arwen wie eine Zwillingsschwester: stolz, unglaublich schön, langes schwarzes Haar, längliches, helles Gesicht, schlank und anmutig, …
Auch die Zwerge sind keineswegs originell: Es ist mir schon klar, dass ein Zwerg klein sein muss, aber mit Streitäxten, langen Bärten und ihren Vorlieben, in Bergen zu graben und zu bauen, entsprechen Paolinis Zwerge perfekt denen aus der Welt Tolkiens. Und auch Brom, der Zauberer, und Saphira, der Drache, sehen so aus, wie man sie sich eben vorstellt. Hier muss noch gesagt sein, dass Saphira dafür einen originellen Charakter hat, der dem Buch etwas Frisches verleiht.
In diesem Roman haben wichtige Personen, z.B. Murtagh und Brom, immer ein Geheimnis. Doch mit etwas Logik findet der aufmerksame Leser schnell heraus, welches Geheimnis dahinter steckt. Es ist auch schon bei der ersten Szene, in der Eragon Arya sieht, klar, dass er sich in sie verliebt hat. Das Buch ist also nicht komplex, sondern im Gegenteil ziemlich vorhersehbar.

Und jetzt zu dem, was mich am meisten genervt hat: Eragons permanente Verletzungen. Natürlich finde ich einen Hauptcharakter, der jede Schlacht ohne eine Wunde verlässt, auch nicht gut, das wäre unlogisch und langweilig. Doch Paolini übertreibt masslos. Nebst jeder Zerrung und jedem blauen Fleck, der hervorgehoben wird, muss der arme Eragon diverse Brüche und Verwundungen überstehen, bis kein Knochen im seinen Leib mehr gerade sein dürfte.
Ich finde nicht, dass man einfach sagen kann, dass das Buch zwar Fehler hat, aber für jüngere Leser durchaus geeignet ist. Denn ich selbst bin noch ein Kind. Ich hoffe ernsthaft, dass der zweite Teil um einiges besser ist, denn sonst werde ich den dritten Teil nicht mehr lesen …

Kushiel: Die Erlösung von Jacqueline Carey10 Jahre Frieden hat das Orakel prophezeit, und die neigen sich dem Ende zu. Es beginnt mit Albträumen über Hyacinthe, dann erreicht Phèdre ein Brief von Melisande – in dem sie um Hilfe bittet. Trotz Protests Jocelines reist sie nach La Serenissima und stellt sich ihrer Erzfeindin. Doch anstatt der kühlen, berechnenden Verräterin erwartet sie eine sorgende Mutter, denn Melisandes Sohn Imriel ist verschwunden. Der Dritte in der Thronfolge wurde aus seinem Versteck entführt. Nur einer Person traut Melisande zu, ihren Sohn zu finden, und bietet dafür den Schlüssel zur Rettung von Hyacinthe. Obwohl sie damit ihrer Feindin hilft, begibt sich Phèdre auf die gefahrvolle Suche nach dem Jungen …

– Es endete mit einem Traum. –
1. Kapitel

Zu Die Erlösung liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Erste Horn von Richard SchwartzDer alte Recke Havald, der beschlossen hat, sich für den Winter – oder gar seinen Lebensabend – in einem abgelegenen Gasthof einzuquartieren, gerät mit den Gästen enger aneinander, als er sich gewünscht hat: Alle Anwesenden werden während eines heftigen Schneesturmes eingeschneit. Mit Havald sind etliche Handwerker, Söldner, Händler, eine Dunkelelfe und die magiebegabte Maestra Leandra eingeschlossen. Havald befürchtet schon das Schlimmste für die Stimmung der unfreiwilligen Dauergäste, da erschüttert ein grausamer Mord die Moral. Havald als Ritter sieht sich gezwungen, mit der Maestra an der Aufklärung zu arbeiten, das Misstrauen der Gäste untereinander und ihre Gereiztheit erschweren diese Aufgabe zusätzlich.

-Die Frau verstand es, einen Auftritt hinzulegen: erst der Blitz, welcher die dunkle Gaststube durch die Ritzen der Fensterläden erhellte, dann der Donner, der die Erde vibrieren ließ. Dass sie in diesem Moment die Tür zur Gaststube aufstieß und ein kalter Luftzug die Hälfte der rauchigen Talgkerzen in der Stube erlöschen ließ, war sicherlich Zufall.-
1. Die Maestra

Der Debut-Roman von Richard Schwartz ist ein gelungenes kleines Kammerspiel, das sich wie Peter S. Beagles Klassiker Es kamen drei Damen im Abendrot komplett auf einem Gasthof abspielt, mit dem Unterschied, dass sich das Wirtshaus “Zum Hammerkopf” zu einer engen, eisigen Falle entwickelt, als die Temperaturen draußen sinken und sich Eiswände vor Fenstern und Türen türmen.
Dieses Ambiente, das sich ganz hervorragend im warm geheizten Stübchen genießen lässt, weiß der Autor meisterhaft zu einzufangen: Die beklemmende Stimmung, das langsame Abgleiten der Gäste in Gereiztheit und Ängste, die Eiseskälte, die einem direkt aus den Seiten entgegenwehen will. Da fliegen die Zeilen nur so dahin, vor allem, da sich Richard Schwartz bzw. sein aus der Ich-Perspektive berichtender alternder Held Havald als guter Erzähler entpuppt, dessen Geschichte man gerne lauscht. Mit Klischees Marke Altherrenwitz übertreibt Schwartz es allerdings, und man mag nicht immer die Augen zudrücken, nur weil es vielleicht zur Figur passt, denn jegliches Gegengewicht fehlt.

Schon der Aufbau der Geschichte – Mord im Gasthaus – erinnert ein wenig an ein Rollenspielabenteuer, und von der ersten Seite an werden auch munter und relativ unreflektiert diesbezügliche Stereotypen aufgefahren: Dunkelelfen, Mithril-Rüstungen und andere magische Artefakte erinnern deutlich an das Inventar einer allumfassenden Standard-Fantasy-Welt. Und auch andere Elemente der Handlung erscheinen etwas wahllos aus den üblichen Versatzstücken zusammengeschustert, etwa die obligatorische Liebesgeschichte, und die magielastige Lösung des Falles. Dennoch bekommt man vor allem gegen Ende des Bandes ein wenig Ausblick auf den Hintergrund der Welt und hin und wieder ein paar ganz eigene Einsprengsel, so dass man gespannt abwarten kann, ob sich im zweiten Band in dieser Richtung noch mehr entwickelt, wenn die Geschichte das eingeschränkte Areal des Gasthofes verlässt.

Sprachlich ist Richard Schwartz ein angenehmer Erzähler, der Stimmungen hervorragend vermitteln kann, nur ab und an knirscht es ein wenig – vor allem der Anglizismus “Sinn machen” stößt in der sonst ganz dem alten Erzähler angepassten Sprache sauer auf, und das alle paar Seiten wieder.
Leichte Enttäuschung bereitet auch das etwas simpel gestrickte Ende, denn man hätte sich nach so viel herrlichem Ambiente vielleicht ein wenig mehr Hintergrund und ein wenig mehr Ausführlichkeit erwartet. Als Auftakt und zum Einstieg in eine neue Serie ist Das Erste Horn aber definitiv eine Empfehlung wert, denn es lädt dazu ein, einen Blick in den nächsten Band zu werfen und ist eine vergnügliche, wenn auch etwas unoriginelle Unterhaltungslektüre, die vor allem durch die eisige Atmosphäre und eine größtenteils sehr angenehme Erzählstimme besticht.

Die Fahrt der Shadowmoon von Sean McMullenAuf dem Kontinent Torea ist ein machthungriger Kaiser auf dem Weg, alle anderen Reiche zu erobern – und er schreckt dazu auch vor dem Gebrauch einer zerstörerischen Waffe nicht zurück.
Zur selben Zeit tingelt das kleine Schiff Shadowmoon durch die Häfen der Küste. Niemand weiß, daß die Mannschaft aus Spionen besteht, die Informationen sammeln – unter anderem über die Waffe des Kaisers Wasrovan. Doch wer wem vertrauen kann und wer für wen arbeitet, ist niemals ganz klar. Die Katastrophe droht bereits über Torea hereinzubrechen, und die Spione und zufällig auf der Shadowmoon gestrandeten Passagiere müssen zusammenarbeiten, um dem verrückten Wasrovan seine Waffe abzunehmen…

– Miral beherrschte den Himmel, als der Hochsee-Kauffahrer anlegte, eine immense grün gestreifte Scheibe im Zentrum dreier schillender grüner Ringe. –
Prolog

Zu Die Fahrt der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Fahrt der Shadowmoon und Der Fluch der Shadowmoon.

Cover des Buches A Feast for Crows von George R.R. MartinDer Krieg in Westeros ist zum Erliegen gekommen. Mit Tywin Lannister ist der letzte große Feldherr und Herrscher der Vergangenheit ermordet worden und seine machtgierige Tochter Cersei sitzt als Regentin auf dem Eisenthron. Doch der Eindruck des Friedens täuscht, und es bleibt nicht viel Zeit für die Bewohner von Westeros, ihre Verstorbenen zu begraben und sich auf die Ankunft des Winters vorzubereiten, denn in King’s Landing und den anderen Machtstätten des Reiches werden schon wieder neue Bündnisse geschmiedet und Intrigen geplant. Es ist die Ruhe vor einem noch gewaltigeren Sturm.

-“Dragons”, said Mollander.-
Prologue

Um eins vorweg zu nehmen: im Großen und Ganzen bleibt Martin sich treu, das Buch ist keine Enttäuschung oder ein Beweis, dass der Autor langsam den Faden verliert und die Geschichte maßlos in die Länge zieht. Dennoch hat der vierte Band dieser Saga so einige Schwächen, die das Lesevergnügen ein wenig schmälern.
Abgesehen davon, dass die Hälfte der Charaktere fehlt, ist die Handlung nicht so interessant wie bei den Vorgängern.

Der Krieg ist weitgehend geschlagen, jetzt ist, wie der Titel schon sagt, die Zeit der Krähen. Intrigen und Machtspiele zwischen Cersei (die im Vergleich mit den anderen Charakteren den Hauptteil des Buches stellt) und dem Rest von Westeros stehen im Vordergrund.
Das ist aber nicht der Grund, weshalb das Buch schlechter ist als die ersten drei Teile. Meiner Meinung nach darf Westeros ruhig erst einmal zur Ruhe kommen, außerdem sind die Machtspiele rund um den Königshof sehr intelligent ausgearbeitet und beschrieben. Überraschungen gibt es zur genüge.

Zunächst einmal kommen neben den bekannten Charakteren noch ein paar Neue hinzu, die man erst zuordnen muss; keine allzu leichte Aufgabe, wenn man seit dem Erscheinen des letzten Bandes nicht mehr in Westeros zu Besuch war. Nach einigem Nachlesen und Hin- und Herblättern dürfte man dieses Hindernis schnell überwunden haben.
Die Handlung ist gleichzeitig Stärke wie Schwäche des Buches. Leider merkt man ihm doch an, dass es lediglich ein Brückenbuch hin zu den Folgebände ist. Zwar gibt es wieder jede Menge spannende und raffinierte Handlungsstränge, die einem zum Weiterlesen ermutigen, aber irgendwie schafft es Martin in jedem zweiten Kapitel mindestens eine Sex-Szene unterzubringen. Ich persönlich habe nichts gegen Sexszenen in Fantasybüchern, aber bitte in Maßen und nicht in Massen. Einzig Brienne darf noch mehr oder wenig unbehelligt ihrer Wege gehen (obwohl ihr jedes Mal angedroht wird, sie zu vergewaltigen), ansonsten scheint nach dem Krieg ein großes Liebesbedürfnis zu herrschen und jeder darf einmal (zweimal, dreimal…). Also bitte, Herr Martin! Das können Sie besser. Auch ohne große Schlachten sind Ihre Bücher allemal lesenswert!

Gemäß der Handlung wird auch die Sprache derber. Das ist okay, wenn Martin aus der Sicht von normalen Menschen schreibt, und es trägt dazu bei, das Buch realistischer zu machen. Aber irgendwann, nachdem der zehnte “edle” Ritter nur noch von dem Einen träumt oder die Hofdamen ihre Lust preisgeben und das mit entsprechenden Worten verdeutlichen, will man die Stellen einfach nur überspringen.
Das alles heißt aber jetzt bei weitem nicht, dass der Roman völlig daneben ist. Wie gesagt, im Großen und Ganzen wieder ein toller Roman aus Westeros, nur nicht ganz so gut wie seine Vorgänger.

Der Feigling und die Bestie von Barış MüstecaplıoğluPerg ist eine Inselwelt voller unterschiedlicher Kulturen, doch Fürst Asuber schickt sich an, die Inseln zu unterwerfen: Er wird vom Buch Tshermons verführt, das Asuber schreckliche Zauber lehrt. Nur der Zauberer Geryan weiß, wie man das Unheil aufhalten kann, doch er schafft es nicht ohne Hilfe. Leofold, ein einstiger Ritter, der inzwischen in ein Ungetüm verwandelt wurde und sich ständig fürchten muss, die Kontrolle zu verlieren, und der Bauer Guorin, der nicht den Mut hatte, zum Krieger zu werden und seine Heimat zu verteidigen, schließen sich ihm an.

-»Reißt euch ein wenig zusammen, ich will schließlich nicht wegen eines dummen Gerüchts zu spät zu der Hochzeit kommen!«, herrschte Harkul seine Familie an, die ängstlich am Eingang des Tunnels wartete.-
Prolog

Fantasy, ganz besonders in ihrer klassischen und epischen Ausprägung, findet das deutsche Lesepublikum in der Regel bei der Handvoll Großverlage, die ein Genreprogramm auflegen. Der Verlag von Der Feigling und die Bestie, dem Auftaktband eines vierbändigen Zyklus, ist keiner davon, vielmehr ist die Spezialität von Binooki das Veröffentlichen türkischer Autoren und Autorinnen in Deutschland. Eine spannende Sache, die natürlich getestet werden muss!
Fantasy scheint in der Türkei keine große Tradition zu haben – tatsächlich wurde Barış Müstecaplıoğlu durch das Lesen englischsprachiger Fantasy dazu angeregt, ein eigenes Epos in diesem Stil zu verfassen. Bei Der Feigling und die Bestie findet man letztlich beides: An der Oberfläche viele Elemente, die man aus der generischen Fantasy kennt, im Detail, vor allem bei den Erzählkonventionen und dem Erzähltempo, allerdings auch viel Eigenwilliges und Ungewohntes.

Die Inselwelt von Perg mit ihren Piraten, Ungeheuern, Magiern und auf jeder Insel unterschiedlichen Gesellschaften macht einen ganz klassischen Eindruck und ist auch nicht sonderlich detailliert ausgestaltet, die Queste, die nötig ist, um den finsteren Asuber zu stoppen, wird höchst simpel eingeflogen – der Zauberer Geryan weiß Bescheid und rekrutiert Mitstreiter. Mit dieser effektiven, relativ knappen Konstruktion, die sich nicht groß mit Erklärungen und lang und breit vorbereiteten Hintergründen aufhält, geht es auch weiter, was zwischen den aktuellen, oft extrem geschliffen konstruierten Plots kantig und auch ein wenig wie aus dem Jugendbuch wirkt.
Dazu passen auch die Abenteuer, die im schnellen Wechsel auf Leser und Leserinnen einprasseln – Kämpfe, Bootsfahrten, Schlachten, wilde Fluchten und letztlich, nach dem Übergang in eine Welt, die nach anderen Regeln funktioniert, etliche bizarre Begegnungen. Genauso schnell wechseln die Personen, die die Perspektive haben, manchmal sogar zeilenweise.

Das erstaunliche ist der menschenfreundliche, warme Umgang, den der Autor mit den Figuren pflegt. Trotz des knappen Stils können sich ihre inneren Dramen entfalten und werden sehr feinfühlig zur Sprache gebracht, sei es nun das Ringen des Feiglings Guorin mit seinem Versagen und seiner Furcht, oder der mühsam zurückgehaltene Selbsthass des ehemaligen Ritters Leofold, der, verwandelt in eine Bestie, ständig um die Güte in seinem Herzen bangen muss. Die beiden sind wahrhaft kein klassisches Abenteurergespann, und auch der zurückhaltende und nur begrenzt mächtige Zauberer Geryan kann sie zunächst nicht dazu zusammenschweißen. Aber an ihnen werden ständig ganz leise die moralischen Werte infrage gestellt, die gerade eine Geschichte tragen, in der Gut und Böse an der Oberfläche so eindeutig festzustehen scheinen. Die Figuren entwickeln sich zum Teil auf geradezu verschmitzte Weise weiter, müssen etliche Proben bestehen, und ob sie zu Helden werden, muss der Leser oder die Leserin am Ende selbst entscheiden.
Die Einblicke in ihr Gefühlsleben finden aber mitunter ruckartig statt, und ihre Geheimnisse werden sehr offen angekündigt, was man vielleicht auch als etwas plumpes Vorausdeuten verbuchen könnte.
Die Figuren und ihre Rollen lassen die Welt von Perg wie eine Männerwelt aussehen, allerdings gibt es Ausnahmen, die dann sehr zu überraschen wissen, und für den zweiten Band scheint sich auch ein weibliches Mitglied in der Truppe anzudeuten. Schön wäre im Übrigen auch, wenn sich die Figuren demnächst entscheiden würden, ob sie sich Siezen oder Ihrzen, das wechselt sich nämlich munter ab.

Durch die verknappte Erzählweise bekommt Der Feigling und die Bestie auch etwas von einem Mosaik, in dem immer wieder kleine Geschichtensplitter auftauchen, die später im großen Bild noch ungeahnte Bedeutung erlangen. Gleichzeitig ereignet sich Großes oft schnell und plötzlich, und auch das Finale geht rasch über die Bühne, überrascht aber mit seiner Konsequenz, auch wenn Perg am Ende noch lange nicht gerettet ist. Zum Guten oder Schlechten holt Müstecaplıoğlu nicht überall den größten Effekt heraus – seine Stärke liegt in der Figurenzeichnung und im unumwundenen und dadurch manchmal unspektakulären Vorwärtsdrängen der Erzählung. Bis zum Schluss oszilliert das Ganze zwischen “etwas in die Jahre gekommener Standardfantasy” und “originell”, aber wenn man mit einem distanzierteren und kargen Erzählstil keine Probleme hat, kann man durchaus einmal einen Blick auf diese Fantasy-Reihe werfen, die andere Akzente setzt als die übliche Genre-Kost.

Die Fernen Lande von David Anthony DurhamAuf den Krieg gegen die Mein sind einige Jahre des friedlichen Wiederaufbaus gefolgt, doch nun brechen für die Geschwister Akaran erneut turbulente Zeiten an: Soziale Unruhen bedrohen den Zusammenhalt des Reichs, das zudem von Dürreperioden und rätselhaften, magisch veränderten Kreaturen heimgesucht wird. Die Fernen Lande, in die seit Jahren Kindersklaven aus Acacia verkauft werden, sind da noch die geringste Sorge der Herrscherfamilie. Doch als sich dem jüngsten Bruder, Dariel, überraschend die Möglichkeit bietet, eine Reise dorthin zu unternehmen, erweist sich, dass die Entwicklungen jenseits des Meeres für Acacia weit bedrohlicher werden könnten als alle inneren Wirren …

– Als der Balbara-Wächter seinen Warnschrei ausstieß, sprang Prinzessin Mena Akaran augenblicklich von ihrem Feldstuhl auf. Eilig verließ sie den Kreis, in dem sie mit ihren Offizieren gesessen hatte, und rannte zum Grat hinauf. Oben angekommen trat sie zu dem scharfäugigen jungen Mann, spähte seinen schlanken, braunen Arm entlang und über seinen deutenden Finger hinaus auf die karge Weite im Zentrum von Talay. Es dauerte einen Moment, bis sie erblickte, was er ausgemacht hatte. –
(Kapitel 1)

Der zweite Roman aus David Anthony Durhams Reihe Acacia ist ein würdiger Nachfolger des ersten Bandes Macht und Verrat (The War With the Mein), lässt sich aber zunächst recht gemächlich an. Die ersten hundert Seiten benötigt der Autor, um seine Figuren in Position zu bringen, doch dann gewinnt der Reigen aus Machtspielen und tödlichen Gefahren deutlich an Schwung. Positiv fällt auf, dass Die Fernen Lande (The Other Lands) kein inhaltsleerer Übergangsband ist, sondern die Geschichte tatsächlich voranbringt. So wird etwa die zu Beginn der Serie aufgeworfene Frage nach dem Schicksal der in die Fremde geschickten Kindersklaven beantwortet, das sich als noch verstörender erweist, als man hätte vermuten können, und es ergeben sich neue politische Konstellationen.

Ein wenig tappt Durham dabei in die Falle, ein bewährtes bedrohliches Element in gesteigerter Form wiederaufzuwärmen. Ohnehin wird die lenkende Hand des Autors an manchen Stellen sichtbarer, als es nötig wäre: Die Abenteuer, denen sich die Akarans stellen müssen, wirken ein bisschen zu sehr auf ihre jeweiligen Begabungen zugeschnitten, und die Häufung günstiger Zufälle, die es dem neu eingeführten Unsympathen Delivegu gestattet, immer genau das herauszufinden, was er erfahren muss, um den Plot voranzubringen, überschreitet irgendwann ein realistisches Maß.

Dafür entschädigen einen jedoch überzeugendere Handlungsstränge (wie etwa die in ihrer Schlichtheit anrührende Queste des Kriegers Kelis) und die weiterhin sehr differenzierte, eindringliche Charakterisierung der einzelnen Personen, allen voran der glaubhaft ambivalenten Corinn.

Wie schon im ersten Band wagt Durham sich an durchaus tiefgründige philosophische Fragestellungen, darunter auch an ein Thema, das sonst in der Fantasy kaum jemals auf so breiter Front erörtert wird: Die Elternschaft. Ob sich eine Herrscherin zur Fruchtbarkeit spendenden Landesmutter stilisiert oder das Verhältnis verschiedenster Figuren zu ihren leiblichen oder angenommenen Kindern beleuchtet wird, ob Nachkommen in ihrer Rolle als Erben und Hoffnungsträger erscheinen, als Geiseln dienen oder gar ihr Verlust zu beklagen ist, ob schließlich Kinderlosigkeit bewusst gewählt oder als Fluch empfunden wird – kaum eine zentrale Gestalt kommt umhin, sich in irgendeiner Form mit ihrer (potentiellen) Elternrolle auseinanderzusetzen.

Subtiler, aber nicht weniger allgegenwärtig, scheint in all den Intrigen, Kämpfen und Sinnsuchen immer wieder der Bereich menschlicher Selbsteinschätzung auf, konfrontiert und bisweilen kontrastiert mit der nach außen hin betriebenen Selbstdarstellung. Von völliger Hybris (mit teilweise dramatischen Konsequenzen) bis hin zur aufrichtigen Bereitschaft, sich vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse selbst infrage zu stellen, sind so gut wie alle Spielarten vertreten. Anders als auf der reinen Handlungsebene macht Durham es sich und seinen Charakteren dabei nicht leicht. So bleibt man als Leser nicht nur aufgrund des ebenso offenen wie überraschenden Endes nachdenklich und mit mehr Fragen als Antworten zurück.

Dem alles in allem überdurchschnittlichen Roman wäre eine adäquate sprachliche Umsetzung zu wünschen gewesen. In die Übersetzung haben sich aber leider zahlreiche Tipp- und Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen, besonders bei Eigennamen (ob eine Figur nun „Paddel“ oder „Baddel“ heißt, ist mir z.B. bis zum Schluss nicht ganz klar geworden – beide Varianten sind vielfach vertreten). Daneben finden sich manche Formulierungen, die in ihrer engen Anlehnung ans Englische im Deutschen umständlich oder ungebräuchlich wirken (so etwa die Aufforderung Lasst eure Schwerter!). Das ist man von dem sonst so versierten Tim Straetmann eigentlich nicht gewohnt, und so kann man nur annehmen, dass es bei Redaktion und Korrektur des Texts zu Pannen gekommen ist. Schade!

Feuerbringer von Laura ResnickDie Insel Sileria leidet unter dem Joch des mächtigen Valdani-Reiches – und die Unterdrücker haben leichte Hand, da sich die Inselbewohner bevorzugt gegenseitig umbringen. Doch dann ermordet der einfache Bergbewohner Josarion nach dem Tod seiner Frau einige Valdani-Späher und tritt dadurch eine Lawine los. Zur gleichen Zeit kehrt der Schwertmeister Tansen nach Jahren des Exils nach Sileria zurück, und obwohl ihn eine dunkle Vergangenheit plagt, stimmt er zu, den Störenfried Josarian zu jagen.
Die Wächterin Mirabar, eine mächtige Feuermagierin, hat Visionen einer Befreiung von den Valdani, und im Volk geht die Legende des Feuerbringers um.

-Der Rufer kam in der Nacht zu ihr, wenn die anderen schliefen.-
Prolog

Triebfeder dieser Geschichte um eine prophezeite, aber auch widerwillig und beinahe zufällig ausgelöste Rebellion sind die wenigen, aber gut ausgearbeiteten zentralen Figuren. Gleich zu Beginn wird man zusammenhanglos von einem Hauptcharakter zum nächsten katapultiert und auf viele falsche Pfade gelockt, doch von Anfang an bestechen die Figuren mit einem gewissen Charme und wirken lebendig und vielschichtig. Dabei schafft es Laura Resnick mit einem ungewöhnlichen Erzählstil, Informationen zu vermitteln und das Geschehen voranzutreiben: Der Großteil der Handlung spielt sich in gelungenen Dialogen oder aber Erinnerungen und Gedanken der Figuren ab. Es gibt kaum Action-Szenen, obwohl die Geschichte in schönster Robin-Hood-Manier erzählt, wie sich die Unterdrückten gegen ihre Herrscher zur Wehr setzen. Mächtige Feuer- und Wassermagie sind die phantastischen Zutaten, die diese Abenteuergeschichte würzen, aber selbst ohne diese wäre die einzigartige Welt der shallah und toreni schon überzeugend genug. Die spirituellen Untertöne machen neugierig auf den weiteren Verlauf der im noch im Hintergrund stattfindenden Ereignisse, bei denen Magie im Spiel ist. Locker vermittelt Resnick den dazu nötigen Hintergund des Landes und seiner Geschichte, immer durch die Augen und Erinnerungen seiner Bewohner.

Längen gibt es erstaunlicherweise trotz des dialoglastigen Stils nicht, man begleitet stets schnell liebgewonnene Figuren, die helfen, die vielschichtige Handlung anschaulich zu vermitteln, und ergründet langsam die Geheimnisse ihrer Vergangenheit. Die ungewöhnliche Welt und die einnehmenden Geschehnisse rund um die Rebellion sorgen dafür, dass man kaum bemerkt, dass im Grunde nur die klassische Geschichte vom prophezeiten Erlöser erzählt wird. Allerdings ist dieser Band lediglich ein Auftakt – man steht am Ende am Anfang einer Geschichte. Die beeindruckende Unmittelbarkeit, mit der erzählt wird, weckt ziemlich sicher den Wunsch nach dem Nachfolgeband – und hier ist der Haken: Das Original In Legend Born wurde in zwei Teile gesplittet und anschließend auf Deutsch nicht mehr fortgesetzt, so dass man nach dem zweiten deutschen Band auf Englisch umsatteln müsste, um die ganze Geschichte des Feuerbringers zu lesen.

Feuertaufe von Andrzej SapkowskiNach der Revolte der Zauberer auf der Insel Thanedd ist die halbe Welt dem Chaos verfallen. Nilfgaard überzieht die nördlichen Königreiche mit Krieg, und auch auf die Anderlinge wird weiterhin erbarmungslos Jagd gemacht.
Geralt ist dank der Hilfe der Dryaden halbwegs von seinen Verletzungen genesen und versucht um jeden Preis, nach Nilfgaard zu gelangen, wo er Ciri vermutet. Er weiß nicht, dass die Verlobung des Nilfgaarder Kaisers mit ihr nur eine Farce ist…
Auf seinem Weg gerät er gemeinsam mit Rittersporn und der Bogenschützin Milva zwischen die Fronten des Krieges, erhält jedoch auch von unerwarteter Seite Unterstützung bei seiner Suche.

-“Ich meine nur, dass dieses Mädchen… dass sie nicht gefunden worden ist, weil sie spurlos verschwunden ist, wie diese Zauberer… Verzeih mir.”-
Das erste Kapitel

Nachdem im vorherigen Band sehr viele politische Intrigen gesponnen und Kriege vorbereitet wurden, erlebt Geralt in Feuertaufe (Chrzest ognia) nun die Folgen dieser Machtspiele. Die Handlung kommt erheblich schneller voran, es gibt wieder mehr Actionszenen und weniger undurchschaubare Dialoge. Das soll jedoch nicht heißen, dass Feuertaufe zu einem reinen Abenteuer-Spektakel verkommt.
Sapkowski schafft es immer wieder, in die kleinsten Dialoge Philosophie einzubringen. Auch die Art und Weise, in der er Bezug nimmt auf Probleme unserer realen Welt, ist beispielhaft.
Selten hat ein Fantasy-Roman den Eskapismus-Vorwurf weniger verdient; es werden Themen wie die Ausgrenzung Andersartiger, Gruppenzwang und Abtreibung verarbeitet. Selbst die Überfischung der Meere bringt Sapkowski ein, ohne dass es den Lesefluss oder die Atmosphäre der Welt zerstören würde.

Der Autor ist außerdem ein Profi, was den Umgang mit verschiedenen sprachlichen Niveaus angeht. Diese setzt er sehr geschickt ein, um die Personen zu charakterisieren oder einen komischen Effekt zu erzielen. Selbst an Stellen, wo man es nicht erwartet hätte, schafft er es, dem Leser ein Schmunzeln zu entlocken und die insgesamt sehr düstere Atmosphäre aufzulockern.
Der Roman profitiert davon, dass Geralt wieder stärker im Vordergrund steht. Der Hexer ist nun einmal die zentrale Figur der Reihe, und die Aufteilung der Handlung auf zu viele Schauplätze im Vorband hat das Lesevergnügen leicht geschmälert. Die neuen Charaktere seiner Truppe fügen sich wunderbar ein und haben alle so ihre Eigenarten. Lediglich Milvas Motivation, den Hexer zu begleiten, ist anfangs rätselhaft.
Durch die große Sympathie, die man als Leser für jeden einzelnen der Charaktere entwickelt, ist das Buch auch wieder emotional packend. So unwahrscheinlich es zu diesem Zeitpunkt der Handlung auch scheint, wünscht man sich doch ein irgendwie geartetes Happy End.

Zum Schluss ist jedoch noch eine kurze Warnung angebracht: Vorkenntnisse aus den vorherigen Romanen und teilweise auch aus den zwei Kurzgeschichtenbänden sind für den Lesegenuss unbedingt nötig, ich selbst musste an mehreren Stellen nochmal nachblättern, worum genau es dort eigentlich ging. Eine Karte der nördlichen Königreiche wäre auch sehr hilfreich, ist allerdings nur im Internet zu dem Computerspiel zu finden.
Insgesamt ist Feuertaufe für mich der bisher beste Roman aus der Geralt-Reihe. Er ist sehr spannend und bewegend, gleichzeitig regt er zum Nachdenken an, und das in einer sehr ausgewogenen Mischung. Bedingt durch die Handlung ist die Grundatmosphäre sehr düster und es gibt ein paar heftige Szenen – Krieg ist nun einmal grausam.
Fans von Geralt sollten auf ihre Kosten kommen, für den Einstieg in die Reihe ist das Buch ungeeignet.

Der Feuerthron von Diana WolrathMera lebt mit ihrer Mutter auf der blauen Insel Ilyndhir. Doch als die finsteren Gurrländer von der schwarzen Insel, die unter der Macht eines magischen Artefakts – des Feuerthrons – stehen, immer aggressiver vorgehen und die Inselwelt erobern, findet dieser Friede ein jähes Ende. Meras Ziehbruder Girdhan stammt von einer Insel, die dem schwarzen Reich zugeordnet wird. Als die gurrländische Flotte Ilyndhir angreift, wollen die Fischer und Kaufleute ihren Zorn an Girdhan auslassen, und Mera ist gezwungen, mit ihm zu fliehen. Die beiden fassen schließlich den Plan, den Feuerthron zu zerstören, um dessen dunklen Einfluß auf das Volk der Gurrländer zu brechen. Zum Glück entdeckt Mera ihre magischen Fähigkeiten.

-Hannez sah, wie der Knoten des Taus aufging, mit dem das Segel eben neu aufgezogen worden war, konnte aber nicht mehr tun, als “Vorsicht!” zu schreien.-
1

Was schon bei Tolkien funktioniert hat, kann so falsch nicht sein, und deshalb schicken Autoren allzu gerne kleingeratene (oder in diesem Fall kindliche) Helden auf geheimer Mission mitten hinein ins Feindesland, wo sie in einem aus allen Völkern buntgemischte Trüppchen das finstere Artefakt vernichten sollen. Dunkle Herrscher rechnen nicht mit solchen Kamikaze-Attacken und sind überhaupt schwer damit beschäftigt, ihre Eroberungsfeldzüge voranzutreiben, weswegen gewisse Erfolgschancen für die Eindringlinge existieren. Außerdem stehen den Helden im Fall von Der Feuerthron die ätherisch-unsterblichen Runländer etwas widerstrebend zur Seite und dürfen ein wenig erhaben-elbisches Flair verbreiten.
Nun muss aber unoriginell nicht unbedingt auch uninspiriert heißen, und die Verlegung der Geschichte auf ein im wahrsten Sinne des Wortes kunterbuntes Inselarchipel verspricht zunächst einmal viele Farbtupfer und mit den bodenständigen jungen Helden ein solides (Seefahrt-)Abenteuer mitsamt dem Abbau von Vorurteilen, wenn sich die Mannschaftsmitglieder verschiedenfarbiger Nationen wider Willen zusammenraufen müssen.
Eine Coming-of-Age-Geschichte will man Der Feuerthron, das erste (abgeschlossene) Abenteuer auf der Inselwelt Runia von Diana Wolrath (dem Jugendbuch-Pseudonym von Iny Klocke und Elmar Wohlrath) nicht einmal nennen, denn dazu bleibt der Roman thematisch zu unfokussiert und kommt nicht über die reine vordergründige Handlung hinaus, bei der das Erwachen magischer Kräfte in der Hauptfigur nur einer von vielen Aspekten ist.

Blaue, schwarze, violette, weiße, gelbe und grüne Nationen bevölkern das Archipel, ihre Kultur und ihr Charakter richten sich nach der Farbe des jeweils angebeteten Mondes und der diesem zugeordneten Gottheit. Und das war es dann auch schon mit dem Weltenbau – auf der Insel der Blauen ist vieles blau, Mitglieder aus Völkern, die einer Gegenfarbe angehören, streiten sich zwangsläufig, bestimmte Charaktereigenschaften sind mit Farben verbunden, und auch die Magie hängt direkt mit der Farbzugehörigkeit der Figuren zusammen.
Für eine plastische, lebendige Welt reicht es jedoch nicht aus, den Pinsel einmal tief in den Farbkasten zu tauchen und dann eine Runde Malen, pardon, Schreiben nach Zahlen zu veranstalten. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird man der farbigen Motivationen und Erklärungen für Ereignisse schneller überdrüssig, als man „Gegenfarbe“ lesen kann.

Ähnlich geradlinig wie der Weltenbau wird auch die Handlung abgespult, die schwierigeren Themen wie etwa die Deportation von Flüchtlingen in Lager und die Suche der bedrängten blauen Nation nach einem Sündenbock werden lediglich angerissen, was aber in einem Jugendbuch, das auch mit dem Einsatz von stark stereotypen Figuren und einer sehr einfach gehaltenen Sprache wohl eher unerfahrene Leser ansprechen soll, soweit verständlich ist.
Wäre da nicht, nebst ein paar sprachlichen Schnitzern wie falsch verwendeten Konjunktionen, das Ende. Wer sich wirklich nicht ganz sicher ist, ob die jungen Helden es schaffen werden, den finsteren Herrscher zu vernichten, sollte sich den nächsten Absatz aufgrund von leichter Spoilergefahr sparen – und am besten gleich auf das ganze Buch verzichten, das mit einer moralisch schlicht unvertretbaren Lösung aufwartet:

Da erobert also ein Haufen Kinder das übermächtige, böse Artefakt namens Feuerthron, mit dem man Menschen manipulieren kann (z.B. dazu, gegen die restlichen Nationen einen Eroberungskrieg zu führen). Anders als dem Einen Ring kann man dem Feuerthron aber mit etwas Abrakadabra den “bösen Geist” austreiben; was bleibt, ist ein überaus mächtiges Artefakt. Und im fluffig-perfekten Schlusswort sitzen die Kinder auf dem Feuerthron und machen sich daran, das Insel-Archipel wieder in Ordnung zu bringen – und zwar mittels ‘sanfter’ Beeinflussung der Menschen durch die Macht des Artefakts, damit diese sich friedlich und geordnet dem Wiederaufbau widmen und auch ordentlich anpacken, wenn es was zu tun gibt. Und das alles ohne die leiseste Kritik oder Frage, ob so eine Beeinflussung der Massen im Sinne der Herrscher wirklich eine gute Idee ist.

Da staunt man nicht schlecht, wenn ein Jugendbuch so offen dafür eintritt, andere zu ihrem Glück zu zwingen, und es macht aus einem wenn auch nicht ganz durchschnittlichen, so doch sicher lesbaren Abenteuer ein Unding. Da werfen wir lieber noch einmal den Ring ins Feuer des Schicksalsberges …

Fire Logic von Laurie J. MarksIm Land Shaftal herrscht Chaos. Der Herrscher ist schon vor Jahren ohne einen Erben verstorben, was es dem Volk der Sainniten leicht macht, Shaftal zu erobern, zu unterdrücken und auszubeuten. Der Widerstand Shaftals stützt sich mehr und mehr auf eine Guerilla-Armee, der auch zwei der Hauptpersonen angehören: Zanja, letzte Überlebende eines abgeschlachteten Stammes aus den Bergen, und Emil, mehr Gelehrter denn Krieger. Beide besitzen mit dem Feuer-Talent der Intuition große Macht im Kampf gegen die Eindringlinge. Doch ohne eine starke Erdhexe an der Spitze der Shaftali, die das Land wieder einen und heilen könnte, ist der Widerstand aussichtslos.

-In the border regions of northern Shaftal, the peaks of the mountains loom over hardscrabble farmholds. The farmers there build with stone and grow in stone, and they might even be made of stones themselves.-
Chapter One

Die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde stehen im Land Shaftal für die intellektuellen Gaben und magischen Kräfte der Intuition, Freude, Wahrheit und Heilung. Fällt also zum Beispiel der Begriff “Feuer-Talent”, ist hier nicht die Rede von Feuerball-werfenden Hexen, sondern von Menschen, die sich mit ihrer Intuition so in andere Personen und Ereignisse hineinversetzen können, dass dies oft an Hellseherei grenzt. Leider kann die Darstellung dieser komplexen Talente hier lange nicht so intelligent und umfassend ausfallen, wie es im Buch geschieht …

Die Figuren sind eigenwillig und untypisch – bestes Beispiel ist die Halbriesin, Schmiedin und Erdhexe Karis, die eigentlich Shaftals Hoffung auf Heilung erfüllen könnte, wenn sie den größten Teil ihrer Zeit nicht einer tückischen Droge widmen müsste. Die Gesellschaft ist emanzipiert; sowohl Frauen als auch Männer sind Anführer, Krieger, Gelehrte oder kümmern sich auch “nur” um Haushalt und Kinder. Zusammen mit den auffallend häufigen homosexuellen Beziehungen der Hauptpersonen ist es also kein Wunder, wenn eine Internetsuche zum Buch oft zu Seiten von feministisch und homo-/bisexuell Engagierten führt. Aber keine Angst: keines der beiden Themen wird mit erhobenem Zeigefinger zum inhaltlichen Gegenstand des Buchs gemacht, beide machen bloß einen Aspekt dieser Welt aus. Die Liebesbeziehungen wirken unabhängig von der Orientierung trotzdem irritierend, da sie nur lieblos geschildert werden, ohne dem Leser entsprechende Gefühle nahezubringen oder ihn gar selbst ein wenig in die Figuren verliebt zu machen.

Störend wirkt auch der Aufbau des Buches. Die ersten Kapitel spielen zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils einige Jahre vor dem Hauptteil der Geschichte und sollen den Leser wohl in die Welt, die allmähliche Entwicklung des Krieges und in den Charakter der Hauptperson Zanja einführen, ohne auf eventuell lästige Rückblenden zurückgreifen zu müssen. Dies gelingt in gewissem Maße, allerdings erfolgen auch im weiteren Verlauf immer wieder Zeitsprünge durch Überwinterungsphasen oder ähnliches, wodurch die Handlung einerseits zwar an Realismus gewinnt (schließlich lässt sich ein solcher Krieg nicht in zwei Wochen führen). Andererseits lässt den Leser die Zerrissenheit, die bereits am Anfang geschaffen wird, bis zum Ende des Buches nicht los.
Wahrscheinlich (oder hoffentlich?) soll Fire Logic demnach nur eine Einführung zu den geplanten Folgebänden darstellen. Zumindest lässt der Anfang des zweiten Teils Earth Logic, der zunächst wieder nach mehreren Jahren ohne nennenswerte Entwicklung ansetzt, auf ein wenig zusammenhängende Handlung hoffen.

Flammenbucht von Markolf HoffmannEs scheint, als werde der Kontinent Gharax innerhalb kürzester Zeit in Trümmer fallen, denn die Menschen haben den angreifenden Goldéi kaum etwas entgegenzusetzen. Im Gegenteil verfangen sie sich in ihren eigenen Intrigen – Bürgerkriege und Machtgerangel sind an der Tagesordnung. Die geheime Sekte der Mondjünger verfolgt ebenso wie die Priester der Kirche Tathrils eigene Pläne. Hinter alledem steht eine uralte Schuld und ein uralter Zwist, ein Geflecht aus Lügen, das keiner der Beteiligten zu durchschauen vermag. Im Mittelpunkt stehen die Quellen, die den Zauberern jahrhundertelang magische Macht verliehen haben, und um die nun ein langwieriger Kampf entbrennt.

-Ist jede Stadt, von Menschenhand errichtet, dem Untergang geweiht? Kündigt sich, wenn Stein auf Stein geschichtet und Balken auf Balken gezimmert wird, bereits die Stunde an, in der dieses Bauwerk sein gewaltsames Ende findet, in der ein Feuersturm die Mauern zermürbt und zum Einsturz bringt?-
Prolog

Als Markolf Hoffmann die LeserInnen nach Gharax zurückkehren lässt, ist das Zeitalter der Wandlung voll im Gange. Der direkte Einstieg in die komplexe Geschichte ist nach einer längeren Pause ein wenig haarig, wird aber von einem exzellenten Prolog versüßt, der einem schnell die Vergangenheits- und Gegenwarts-Handlung nahebringt. In dieser Erzählung darüber, wie Städte fielen und wie Städte fallen, treten bereits die beiden großen Stärken des Autors zutage: Das kunstvolle Verflechten einzelner Handlungsstränge zu einem größeren Ganzen und eine Sprache, die nicht vor Experimenten zurückscheut.
Es ist ein feines Gespinst, das Markolf Hoffmann hier präsentiert. Schnell bemerkt man, dass im ersten Band die Figuren lediglich ins Spiel gebracht und an ihren Platz manövriert wurden, und dass das Drama nun erst richtig in Fahrt kommt. Immer wieder gibt es Überraschungen, Ereignisse, die einander bedingen oder beeinflussen, ohne dass man es geahnt hätte, und die Flammenbucht weniger zu einer linearen Aneinanderreihung von Szenen als zu einem dicht verwobenen Gesamtkunstwerk machen, dessen Ausmaße und Wechselwirkungen dem Leser erst nach und nach bewusst werden.

Zusätzlich kann man auch noch auf der ganzen Länge des Buches in schöner Sprache schwelgen. Hoffmann erzählt teils sehr poetisch und in schönen Bildern – er verliert sich aber nie darin, so dass ein dichter Erzählstil und die Spannung erhalten bleiben. Obwohl viel älterer, ungebräuchlicher Wortschatz verwendet wird, klingt es niemals anachronistisch, sondern wirkt an einigen Stellen durchaus experimentell. Mit dieser Mischung meistert Hoffmann sowohl Kampf- als auch Liebesszenen und hat Zugang zu epischer Breite, aber auch schwankartiger Komik.
Dass man nun mitunter auch herzlich lachen kann, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Das Zeitalter der Wandlung weiterhin eine kühle Distanz zu den LeserInnen wahrt. Mancher Protagonist offenbart im zweiten Band menschlichere Züge, aber auch Flammenbucht bleibt ein sprödes, nicht ganz ohne Mühen zugängliches Buch.

Falls nun der Eindruck entstanden ist, Flammenbucht wäre ein allzu vergeistigtes Vergnügen, kann allerdings Entwarnung gegeben werden. Bei aller Kunstfertigkeit und Experimentierfreude ist Markolf Hoffmann ein guter Geschichtenerzähler, der es versteht, Einzelschicksale mit den Fährnissen einer ganzen Welt zu verknüpfen. Es ergeben sich im Laufe der Handlung etliche Bilder vom großen Zusammenhang, und viel Spannung wird aus der Spekulation gezogen, was nun wirklich auf Gharax vor sich geht.

Cover des Buches "Flammenherz" von Laura ResnickEin Aufstand erschüttert die Insel Sileria, als die Unterdrückten des Landes gegen die kriegerischen Valdani aufbegehren. Josarian, der junge Schwertmeister Tansen und die Feuermagierin Mirabar setzen ihr Leben aufs Spiel, um Sileria endlich die ersehnte Freiheit zu bringen. Doch der wahre Feind lauert in ihren eigenen Reihen – in der Gestalt der Wasserherren, die ihre eigenen Pläne schmieden. Und zu alledem soll Josarian durch die Feuerprobe beweisen, dass er tatsächlich der seit Jahrhunderten prophezeite Befreier des Landes ist …

-»Mit meinen Feinden werde ich fertig, aber Dar schütze mich vor meinen Freunden.«.-
Silerisches Sprichwort

Nachdem man im ersten Band mit den Personen, der Welt und dem Konflikt bekannt gemacht wurde, steht der zweite ganz im Zeichen der Rebellion, die nach und nach ganz Sileria erfasst. Ganz im Stil von Feuerbringer stehen auch hier die Charaktere im Vordergrund: Intrigen, Schicksalsschläge, Machtkämpfe, Verrat und Liebe lassen die Personen zu lebendigen Menschen werden, mit denen der Leser mitfiebert.

Doch auch die Welt, in der die Charaktere leben, zeugt von Resnicks großer Begabung. Sileria mit ihren Bewohnern wird durch den Erzählstil der Autorin zu einer fast realen Insel, in der die Wasserherren, die Besatzer und die shalaheen um die Vormachtstellung kämpfen. Durch die Dynamik der einzelnen Gruppen, durch ihre Konflikte und Kämpfe entsteht eine glaubwürdige, wenn auch ziemlich brutale Welt, in der der Leser sich gut hineinversetzen kann.

Aber auch der Plot kommt nicht zu kurz. Da man die Charaktere nun ja schon besser kennt, baut Resnick auch die Handlung weiter aus: geschickt verknüpft die Autorin dabei persönliche Schicksale der Hauptpersonen mit der immer größer werdenden Rebellion. Resnick schafft es, durch immer neue Probleme, Intrigen oder Verrat eine wirklich spannende Geschichte zu erzählen, die mich bis zum Schluss gefesselt hat. Durch das überraschende, dramatische Ende möchte man sofort zum nächsten Teil greifen, doch dabei gibt’s Probleme: da die Chronik nur zur Hälfte übersetzt wurde, bleibt einem nichts anderes übrig, als auf die Originale zurückzugreifen. Der Weg von Josarian von einem einfachen Schmuggler bis hin zum Anführer der Rebellen ist jedenfalls alles andere als langweilig und hochgradig suchterzeugend.

Flammenwüste von Akram El-BahayDas Sultanat Nabija macht schwere Zeiten durch: Nicht genug damit, dass der finstere Sarraka die Beduinen zur Rebellion aufstachelt, seit kurzem häufen sich auch noch Berichte über Drachenangriffe. Dem jungen Anûr und seinem Großvater Nûr ist das nur recht, finden sie jetzt doch als Geschichtenerzähler ein dankbares Publikum für die alten Drachensagen. Als sogar der Sultan Nûr zu sich bestellen will, gibt der unternehmungslustige Anûr sich spontan selbst für den berühmten Erzähler aus und ahnt nicht, was er sich damit einhandelt: Bald findet er sich an der Seite des Prinzen Masul auf Drachenjagd wieder und muss erkennen, dass in der Wüste noch ganz andere Gefahren lauern …

“Die Flammen loderten auf, als der Kaffeemeister das langstielige Mokkakännchen von der Feuerstelle nahm. Rasch füllte er die tiefschwarze Flüssigkeit in eine kleine Tasse und bahnte sich mit ihr seinen Weg durch die dichte Menschenmenge, die sich im hinteren Teil des Kaffeehauses versammelt hatte.”
(1. Eine folgenschwere Entscheidung)

Flammenwüste – dem relativ offenen Ende nach zu urteilen wohl als Auftakt zu einer Reihe gedacht – ist ein charmanter All-Age-Roman, der mit sympathischen Helden und einer ansprechenden orientalischen Kulisse angenehme Unterhaltung bietet und der altvertrauten Handlung um den jugendlichen Auserwählten, der in eine gefährliche Queste hineinstolpert, neues Leben einhaucht. Dass es hier und da ein paar kleine sprachliche Unebenheiten gibt (z.B. häufig “scheinbar” statt “anscheinend”), verzeiht man deshalb gern.
Der märchenhafte Orient, in den Akram El-Bahay einen entführt, erinnert an die Welt von Tausendundeiner Nacht und bezaubert einen von der ersten Seite an durch seine liebevolle Ausarbeitung, die den Streifzug durch Souk und Kaffeehaus, Sultanspalast und Oasen auch unabhängig vom Plot sehr vergnüglich macht. Wann immer die Helden sich zum Essen niederlassen, werden die Gaumenfreuden so greifbar heraufbeschworen, dass man als Leser Gefahr läuft, selbst Appetit zu bekommen, und den mehrfach eingeflochtenen Geschichten in der Geschichte würde man selbst gern am Lagerfeuer oder in einem üppigen Garten voller Jasminblüten lauschen.
Klug ausgenutzt ist vor allem der Kontrast zwischen der städtisch geprägten Zivilisation und der wilden Wüste, in der nicht nur bedrohliche Naturphänomene (wie etwa Sandstürme) auf die Reisenden warten, sondern neben Dschinnen, Ifriten und nach dem Prinzip Ameisenlöwe unter dem Treibsand auf menschliche Beute lauernden Ghoulas auch aus Ängsten erschaffene Schattenwesen ihre Heimstatt haben. Auch die entlegenen Wüstenstädte, in die Anûrs Weg führt, warten mit vielen netten Details auf. Besonders die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher, in der magisch jedes Buch Gestalt annimmt, das jemand zu schreiben gedenkt, aber noch nicht geschrieben hat, ist eine reizvolle Idee, die zudem das Gewissen jedes Lesers beruhigen dürfte, der selbst literarische Ambitionen hegt, aber nicht allzu diszipliniert bei der Sache ist.
Ohnehin gibt es zwischen allen Abenteuern immer wieder viel Anlass zum Schmunzeln, da Anûr und die Gefährten, die er im Laufe der Zeit gewinnt, ein lustiges Gespann bilden und auch manche Gegenstände, allen voran ein ebenso nützlicher wie unberechenbarer fliegender Teppich, so etwas wie rudimentäre Charakterzüge entwickeln. Auch eine Liebesgeschichte für Anûr darf natürlich nicht fehlen, und wie er sich, ganz schüchterner Teenager, der oft herrlich pragmatisch handelnden und wenig von übertrieben romantischen Vorstellungen belasteten Botin Shalia annähert, ist ebenfalls recht amüsant erzählt.
Ernster ist dagegen der zweite Handlungsstrang um den Thronfolger Masul aufgebaut, der den alten Erzählungen über Drachen und Magie zunächst äußerst skeptisch gegenübersteht, aber bald erkennen muss, dass doch mehr Wahrheit darin steckt, als er sich je hätte träumen lassen. In seinen Interaktionen mit dem Finsterling Sarraka gewinnt dieser erstaunlich viel Kontur für einen Fantasyschurken, so dass man sich bald schon auf seine Auftritte freut.
Differenziert gezeichnet sind auch die Drachen selbst, deren Verhältnis zu Menschen bzw. menschenähnlichen Wesen zahlreiche Facetten aufweist, so dass ihre Rolle sich weder auf die des todbringenden Ungeheuers noch auf die des willfährigen übergroßen Haustiers reduzieren lässt. Fast könnte man übrigens bedauern, dass das Cover nur einen Drachen in gewöhnlicher Haltung zu bieten hat, statt einen zu zeigen, der wie eine Fledermaus von der Decke hängt, denn von solch hübschen Einzelheiten lebt die Darstellung der Fabelwesen bei El-Bahay.
Dementsprechend freut man sich, wenn am Ende des Romans – wie in Eingangsbänden üblich – zwar die Schlacht, aber nicht der Krieg entschieden ist, durchaus auf eine Rückkehr nach Nabija, wenn irgendwann das nächste Buch der Serie erscheint. Wer entspannende und unterhaltsame Lektüre sucht, die sich gut “wegliest”, kann mit der Flammenwüste nicht viel falsch machen.

Flesh and Spirit von Carol BergValen, ein Magier, der seit Jahren seiner Familie und den Häschern entflieht, die entlaufene „Reinblütige“ jagen – wird nach einer Schlacht vor den Mauern des Klosters Gillarine schwer verletzt zurückgelassen. Die Mönche retten Valen und gewähren ihm Asyl. Valen verschweigt allerdings seine magischen Fähigkeiten und eine damit einhergehende Erkrankung, die ihn in eine Abhängigkeit von den Nivat-Samen getrieben hat. Der Krieg der drei Prinzen um das Land Navronne macht aber auch vor den Klostermauern nicht halt, und Valens Buch, das er von seinem Großvater geerbt hat und das ins Land der Engel führen soll, scheint dabei eine Rolle zu spielen.

-On my seventh birthday, my father swore, for the first of many times, that I would die face down in a cesspool.-
Chapter 1

Flesh and Spirit steht und fällt damit, ob man sich mit dem Protagonisten anfreunden kann oder nicht. Wie andere Romane von Berg ist es vor allem eine Charaktergeschichte, und Valen, Ich-Erzähler und unfreiwilliges Zentrum der Handlung, ist anfangs keine Identifikationsfigur und niemand, den man auf Anhieb mögen wird.
Anders als Seyonne (aus den Rai-Kirah-Romanen) oder Seri und Karon (aus der Bridge of D’Arnath-Reihe) ist Valen keinesfalls ein Held – und er entwickelt auch kaum heldenhafte Züge. Er ist ein Opportunist (anfangs auf eine liebenswert-lustige Art, später, wenn sein Opportunismus hauptsächlich auf seine von einem masochistischen Ritual geprägte Drogenabhängigkeit zielt, weniger einnehmend). Gegen Ende des Romans zeichnet sich ein Charakterwandel ab, aber nahezu auf der ganzen Strecke hat er neben seiner persönlichen Freiheit nur wenige Prinzipien. Valen ist zwar ein nachvollziehbarer, aber keinesfalls ein positiver Charakter. Nebenfiguren, die sich als Ersatz-Lieblinge anbieten, gibt es im ersten Band der Reihe nicht, was auch aus der wieder sehr gelungenen Ich-Perspektive resultiert.
Die Nebenfiguren sind abgesehen davon typisch für Berg (und daher möglicherweise auch leicht zu durchschauen): Wie in jedem ihrer bisherigen Romane gibt es wieder Böse, die sich als ganz nette Zeitgenossen entpuppen, und besonders gute und freundliche, die dann doch gar keine so edlen Motive haben. Leider hat das inzwischen einen stereotypen Charakter.

Sprachlich ist der Roman etwas elaborierter als Bergs bisheriges Werk, und sowohl sprachlich wie inhaltlich wird es gleichzeitig auch derber. Ob dies an „grim & gritty“-Trends anknüpfen soll oder ein Zugeständnis an die mondäne Natur des Erzählers ist, sei dahingestellt.
Die Welt, beschränkt auf Navronne bzw. seine drei Provinzen, ist nur angezeichnet. Sie ist deutlich ans Mittelalter angelehnt, und zwar ein Mittelalter, in dem düstere Prophezeiungen vom Ende der Welt, Kälte, Dunkelheit, Hunger, Pest sich bewahrheiten. Die Aurellian, von denen die Magier abstammen, und ihre Sprache (oftmals Latein-Derrivate) und Errungenschaften (z.B. Aquädukte) lassen diese Anlehnung noch deutlicher scheinen.
Vor allem das Klosterleben wird detailreich und kompetent geschildert, und da zu Beginn ein Mord hinter den Klostermauern das spannungstreibende Moment ist, kommt einem durchaus Der Name der Rose in den Sinn.

Der Endzeitaspekt gewinnt im Verlauf der Handlung immer mehr Gewicht und trägt zur Atmosphäre von Flesh and Spirit bei. Treibende Kräfte sind die Entfremdung des Menschen von der Natur (durch Städte und die Kultivierung des Landes) und eine kultische Gruppe, die eine pervertierte Naturordnung aufbauen will. Anfangs entwickeln sich die Dinge langsam – ein widerspenstiger Protagonist muss neugierig gemacht und ins Zentrum der Handlung geschoben werden. Hier sind das Klosterleben, das Einfügen des Protagonisten, sein Versteckspiel mit den Magierhäschern und die wenigen Puzzlestücke für die Hauptgeschichte die Motoren der Handlung. Später verschiebt sich die Spannung etwas auf das Schicksal Navronnes, allerdings bleiben immer Valens persönliche Fährnisse und sein drogenbedingt unzuverlässiger Charakter das mitreißendste Moment.
Nach und nach gewinnt die für einen Zweiteiler recht komplexe Geschichte Zugkraft. Nachdem die Handlung einmal ins Laufen gekommen ist, manövriert die Autorin ihren Protagonisten geschickt von einem Dilemma ins nächste.

Zumindest im Zusammenspiel mit den restlichen Berg-Veröffentlichungen lässt sich aber eine gewisse Vorhersehbarkeit nicht leugnen, und der von Sucht und Selbsthass zerfressene Valen aalt sich unerfreulich lange in seinem Elend. Wer eher an Abenteuer und Abwechslung interessiert ist, wird vielleicht enttäuscht sein, dass sich die Geschichte doch ganz auf Valens Schicksal konzentriert und seine Anteilnahme an der restlichen Welt über weite Teile des Romans nicht groß ist. Die zauberhaften Aspekte der Welt, die durchaus vorhanden sind, zeigen sich in Flesh and Spirit erst spät und nur in Ansätzen und kommen erst im zweiten Band Breath and Bone zur Entfaltung.

Elegeie an die Nacht: Der Fluch der Götter von Jacqueline CareyDie Pläne des dunklen Herrschers Satoris, die Prophezeiung zu verhindern, die seinen Untergang vorhersagt, drohen zu scheitern: Der Träger des Wassers des Lebens, das Satoris’ Macht brechen kann, ist unterwegs zur Festung Darkhaven, und die Heere der freien Völker sammeln sich zum Angriff auf den verhassten Feind. Doch immer noch hat Satoris Cerelinde in seiner Gewalt, die Herrin der Ellylon, die, um die Prophezeiung zu erfüllen, Aracus, den Herrscher der Menschen des Westens, heiraten müßte. Satoris weigert sich, seine Gefangene zu töten, und so müssen seine Marschälle Tanaros, Ushahin und Vorax Darkhaven zur Verteidigung rüsten und die Heere der Fjelltrolle in den Krieg führen, die ihnen unterstehen …

– Alle Linien laufen in einem Schnittpunkt zusammen.
Im letzten großen Zeitalter der Gespaltenen Welt von Urulat, das einst Uru-Alat hieß, nach dem Weltengott, der sie gebar, liefen sie in Finsterflucht zusammen. –
Eins

Zu Der Fluch der Götter liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Der Fluch der Shadowmoon von Sean McMullenAuf dem Kontinent Torea ist ein machthungriger Kaiser auf dem Weg, alle anderen Reiche zu erobern – und er schreckt dazu auch vor dem Gebrauch einer zerstörerischen Waffe nicht zurück.
Zur selben Zeit tingelt das kleine Schiff Shadowmoon durch die Häfen der Küste. Niemand weiß, daß die Mannschaft aus Spionen besteht, die Informationen sammeln – unter anderem über die Waffe des Kaisers Wasrovan. Doch wer wem vertrauen kann und wer für wen arbeitet, ist niemals ganz klar. Die Katastrophe droht bereits über Torea hereinzubrechen, und die Spione und zufällig auf der Shadowmoon gestrandeten Passagiere müssen zusammenarbeiten, um dem verrückten Wasrovan seine Waffe abzunehmen…

– Eine Stunde, nachdem Miral hinter den Hügeln rund um die Ebene von Diomeda versunken war, ging Feran in die Taverne Zum Bernstein. –
1, Fahrt nach Nord-Scalticar

Zu Der Fluch der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Fahrt der Shadowmoon und Der Fluch der Shadowmoon.

Das Flüstern zwischen den Zweigen von Markolf HoffmannDie acht Kurzgeschichten dieser Sammlung führen nicht selten in den Wald, immer in eine ferne Welt und Zeit, und ihren Heldinnen und Helden steht eine Begegnung mit dem Fremden und Unbehaglichen bevor: mit Dämonen, Elfen, Druiden und nicht zuletzt menschlichen Abgründen.

-Die Jagd liegt meiner Familie im Blut. Mein Urgroßvater, so steht es in den Chroniken, zog mit dem Speer durch die Wälder und erlegte Bären und Wölfe.-
Meine Jagd

Fantasy-Kurzgeschichten finden in den großen Verlagen so gut wie gar nicht statt und haben außerdem mit einer Menge Vorurteile zu kämpfen, die ihnen jegliche Wirkmacht absprechen, wenn sie sich erzählerisch nicht in epischer Breite entfalten können. Die Kurzgeschichten-Sammlung Das Flüstern zwischen den Zweigen ist dagegen nicht nur ein starkes Argument, sondern fährt auch sämtliche Tricks und Kniffe auf, um die Probleme, die bei klassischer Fantasy in kurzer Form vielleicht entstehen könnten, gar nicht erst aufkommen zu lassen.
An erster Stelle steht dabei ein sein Handwerk spürbar beherrschender Erzähler – Markolf Hoffmann, einer der wenigen deutschen Fantasy-Autoren, die man gut im Auge behalten sollte, präsentiert nicht nur dramaturgisch hervorragend konstruierte Geschichten, in denen kein Wort zu viel steht, sondern findet sich auch mühelos in die formal und stilistisch unterschiedlichen Herangehensweisen ein, am häufigsten in verschiedene Ich-Erzähler. Die Sprache ist dabei insgesamt ein wenig zurückgenommener als in Hoffmanns Zyklus Das Zeitalter der Wandlung, dafür gibt es jedoch großartige Sätze, von denen man bisweilen einen nach dem anderen als funkelnd-schönes Zitat markieren möchte.

Der thematische Schwerpunkt der Sammlung liegt auf dem Wald, und auch wenn sie hin und wieder von dort abschweift wie in den alles andere als romantisierten Räubermemoiren Am Strand, kreisen die Geschichten meistens doch um den Konflikt zwischen Natur und Kultur, die Ablösung von Altem, Lebensrhythmen und das Zurückdrängen des Ursprünglichen (das sich aber häufig ohne moralische Einordnung einfach als fremder erweist, nicht unbedingt als besser).
Damit stellt Hoffmann ein mindestens seit Tolkien bewährtes Fantasy-Narrativ auf den Kopf, das sogenannte “Thinning”, bei dem die Magie und das ursprüngliche Wesen der Welt schwinden und nur eine verminderte, profanere Realität zurückbleibt. Und dabei bleibt es nicht, denn Das Flüstern zwischen den Zweigen bedient sich etlicher vertrauter Motive und Strukturen, die in der düsteren, hoffnungslosen Welt, die das gemeinsame Setting der meisten enthaltenen Geschichten bildet, uminterpretiert werden.
Elfen, Faune, Feen, Dryaden und andere Waldbewohner stehen für die düstere, verrottende Seite des Waldes; harmlose Ausgangslagen, die jedem Rollenspieler wohlbekannt sein dürften, wie etwa die Schatzjagd, die in Die Kerker von Abîme führt, verkehren sich rasch in etwas Zwanghaftes und Ungewolltes. Die unvorhersehbaren Folgen des eigenen Handelns führen immer wieder in die Katastrophe, bei wohlmeinenden Aktionen wie in der hervorragenden titelgebenden Geschichte ebenso wie bei pragmatisch-egoistischen Ansätzen wie in der ebenfalls grandiosen Eröffnungserzählung Meine Jagd, was auch vordergründig moralisch überlegene gute Absichten auf bitterböse Weise entlarvt.

Positive Enden wird man hier eher nicht finden, Schweigen und Weitermachen ist vielleicht das Beste, was man erwarten kann – genauso wenig, wie “echte” Helden auftauchen, denn sogar diejenigen, die es in den Augen der Leser und Leserinnen vielleicht sein könnten, wie der naive, aber gutherzige Ludger, der in Feenholz eine richtige Entscheidung treffen möchte, werden letztlich nicht unbedingt belohnt.
Das finstere, von neu interpretierten alten Bekannten bewohnte Setting, das ein wenig an die Geralt-Geschichten von Andrzej Sapkowski erinnert, verweist auf eine unbekannte Vorzeit, in der der Mensch den Wald schon ein Stück weit verdrängt hat, aber auch auf Ruinen zurückbleibt – Das Flüstern zwischen den Zweigen ist also alles andere als Wohlfühl-Fantasy. Da Schaudern und Spannung stets gut Hand in Hand gehen, sollte das kein Hinderungsgrund sein, in die abwechslungsreichen Waldwelten Markolf Hoffmanns einzutauchen.

In seinem Vorwort zur Sammlung liefert Jakob Schmidt bereits einige analytische Ansätze, um sie dann gleich wieder abzuwehren, deshalb soll es nun auch bei einer letzten Beobachtung bleiben: Mit Fabelwesen, RPG-Zutaten und Motiven aus der Fantasy-Tradition, die aber stets weiterentwickelt und verändert werden, fügt Markolf Hoffmann in Das Flüstern zwischen den Zweigen dem (allzu?) Vertrauten wieder das Unbehagliche hinzu und erzählt Geschichten mit den äußeren Kennzeichen der klassischen Fantasy im Modus der Phantastik, denn der Schwerpunkt liegt auf dem Fremdheitsgefühl und dem Ausgesetztsein. Das ist ein effektiver Kniff, um der Fantasy Kürze angedeihen zu lassen, vor allem bei einem talentierten Erzähler wie Markolf Hoffmann.

Cover von Die fünfte Zauberin von Robert NewcombVor mehr als 300 Jahren entbrannte im Land Eutrakien ein grausamer Krieg zwischen Magiern und Zauberinnen. Die Zauberinnen wurden besiegt, die vier Rädelsführerinnen wurden auf dem Meer der flüsternden Stimmen ausgesetzt und einem ungewissen Schicksal überlassen. Seitdem herrscht Friede in Eutrakien. In wenigen Tagen wird Prinz Tristan dreißig Jahre alt und dann wird ihm Herrschaft übertragen werden. Tristan möchte aber viel lieber sein ungezwungenes Leben weiterführen. Als er von einem Ausritt in den Hartwick Wald nicht zurückkommt, machen sich der mächtige Magier Wigg und Tristans schwangere Zwillingsschwester Shailiha auf die Suche nach ihm. Was niemand am Hofe weiß: Eine fünfte mächtige Zauberin ist damals in Eutrakien zurückgeblieben…

-Die einst stolze Kriegsgaleone namens “Entschlossenheit” krängte wie betrunken auf der nächtlichen See.-
Prolog

Die fünfte Zauberin (The Fifth Sorceress)ist nichts für Romantiker und sensible Gemüter. Da werden Köpfe abgeschlagen, Blut spritzt in alle Himmelsrichtungen, Hirnmasse fließt, es gibt Gemetzel, in denen die wehrlosen Opfer abgeschlachtet werden und bis auf eine Ausnahme ist Sexualität ebenfalls mit Gewalt und Zwang verbunden. Das ist nicht das Horrorszenario nach dem es klingen mag, aber es ist ein konsequenter Gegenentwurf zu Fantasyromanen in denen zwar auch das Böse bekämpft wird, die aber dennoch Raum für romantische Liebesgeschichten, edle phantastische Geschöpfe wie Elfen oder Einhörner und beherzte, tapfere, aber eigentlich sanftmütige Heldinnen lassen. Hier gibt es nur zwei Kategorien von Frauen: Opfer und Täterinnen. Im Gegensatz zu den Magiern, die sich der weißen Magie verschrieben haben, die Operativa genannt wird, benutzen die Zauberinnen ausschließlich schwarze Magie, Destruktiva genannt. Dies hat fatale Auswirkungen auf ihren Charakter: Sie sind gnadenlos, sadistisch und kennen keine Skrupel, wenn es gilt, ihre Ziele zu verwirklichen. Das hat zur Folge, daß auch die Guten zu drastischen Maßnahmen greifen müssen. Robert Newcomb spinnt keine feinen Intrigen, sondern er läßt Gut und Böse auf sehr handfeste und bluttriefende Weise aufeinanderprallen. Dabei legt er durchaus einigen Einfallsreichtum an den Tag, vor allen Dingen, wenn es um die Schilderung phantastischer Geschöpfe der finsteren Art geht: Blutpirscher, Waruane und Berseker sind ausgesprochen unfreundliche Zeitgenossen, derer sich Tristan und Wigg erwehren müssen und die schlimmsten von allen sind mit fledermausartigen Flügeln ausgestattete, menschenähnliche Wesen, die im Original minions heißen, was ins Deutsche etwas unglücklich mit Helferlinge übersetzt wurde. Ihr Anführer Kluge ist ein gnadenloser Soldat, dem es Spaß macht, die grausamen Befehle der Zauberinnen auszuführen. So böse die Zauberinnen und ihr Gefolge sind, so gut sind Tristan und Wigg. Tristan wirkt am Anfang der Geschichte so gar nicht wie ein dreißigjähriger Mann, sondern eher wie ein unreifer Achtzehnjähriger, was sich im Verlauf der Handlung aber ändert. Tatsächlich ist er der einzige, der wirklich eine Entwicklung durchmacht. Die Charaktere der Protagonisten sind nicht sehr ausgefeilt, aber Tristan, Wigg, Faegan und Shailiha sind so geschildert, daß der Leser an ihrem Schicksal Anteil nimmt und man wissen will, wie es mit ihnen weitergeht. Trotz des altbekannten Gut-gegen-Böse-Schemas, bietet Newcomb dem Leser einige Überraschungen, die dann richtig gut sind, wenn sie nicht darin bestehen, daß ein neues Monster aus irgendeinem Busch bricht oder einer der Protagonisten plötzlich eine Rede hält über wichtige Dinge, die er bis dahin für sich behalten hat und die die Situation wenden.
Einige Stellen des Romans sind unfreiwillig komisch, etwas mehr (beabsichtigter) Humor hätte dem Roman gut getan, dafür hätte man gerne auf einige Folterszenen verzichten können. Und an einer Stelle muß man dem Autor mangelnde Sorgfalt vorwerfen: Als die Geschichte sich dem Ende zuneigt und Tristan und Wigg sich in einer prekären Lage befinden, weint der Magier und Tristan denkt bei sich, daß er den alten Mann noch nie weinen gesehen hat und dieser Tränenausbruch macht ihm bewußt, daß die Situation diesmal wirklich aussichtslos ist. Nicht nur Tristan, sondern auch dem Leser soll damit klar gemacht werden, wie tief die beiden in der Tinte sitzen, leider verpufft die Wirkung, wenn der Leser sich daran erinnert, was er auf Seite 283 gelesen hat:

Tristan konnte zwar ihre Worte nicht verstehen, sah aber, wie sich Wiggs Augen weiteten und ihm Tränen über die alten Wangen rannen.

Sprachlich ist das Buch in Ordnung, es gibt weder lobenswerte Höhepunkte, noch schwerwiegende verbale Abgründe. Einige Wendungen treten gehäuft auf, und mißglückt ist die Bezeichnung Direktorium für die Vereinigung der Magier, die so aber auch im Original zu finden ist, den Leser jedoch eher an eine Versammlung von Schulleitern oder an die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft denken läßt als an einen Zusammenschluß von Zauberern. Rat der Magier wäre hier passender gewesen. Außerdem stört der häufige Gebrauch der Längenangabe Inch, in einem deutschsprachigen Buch darf man ruhig in Zentimetern messen.

Die Furcht des Weisen von Patrick RothfussKvothe erzählt Chronicler und Bast ein weiteres Stück seiner wildbewegten Lebensgeschichte: Der Konflikt mit seinem in der Thronfolge ein wenig aufgerückten Dauerrivalen Ambrose führt an der Universität zu neuen Verwicklungen, die ein Urlaubssemester ratsam erscheinen lassen. Auf Empfehlung eines Bekannten will Kvothe die Zeit und seine musikalische Begabung nutzen, um einen mächtigen Adligen als Förderer zu gewinnen. Doch auf seiner Reise gerät er von einem Abenteuer ins nächste und sieht sich in seinen Nachforschungen über die Chandrian und den geheimnisvollen Orden der Amyr mit immer mehr Rätseln konfrontiert …

– Der Morgen nahte. Das Wirtshaus zum WEGSTEIN lag in Stille, und es war eine dreistimmige Stille. –
Prolog, Eine dreistimmige Stille

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Anmerkung: Der Roman wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschen Bände Die Furcht des Weisen 1 und Die Furcht des Weisen 2.

Der Gebieter von Megan Whalen TurnerKönigin Irene von Attolia hat durch ihre Heirat mit einem Cousin der Königin von Eddis außenpolitisch eine Atempause gewonnen. Aber der neue König ist unbeliebt und wird immer wieder zur Zielscheibe von demütigenden Streichen. Niemand geht jedoch so weit wie der Gardist Costis, der dem König einen Fausthieb ins Gesicht versetzt. Sein Schicksal scheint besiegelt, doch er hat eher die Neugier als den Rachedurst des Herrschers geweckt. Nach und nach bildet sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Männern heraus. Costis erkennt, dass er den König unterschätzt hat, dessen wahre Fähigkeiten bald gefordert sind. Denn der machthungrige attolische Adel und die düpierten Meder ruhen nicht …

– Die Königin wartete. Sie saß am Fenster und sah die Lichter der Stadt im letzten Rest des langen Zwielichts funkeln. –
Prolog

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Die Gefährtin des Lichts von N.K. Jemisin10 Jahre nach der Befreiung der Götter hat sich in Sky einiges verändert: durch den wachsenden Weltenbaum haben die Bewohner an dessen Fuße nicht mehr viel vom Sonnenlicht, weshalb das Viertel, in welchem die Heldin des Romans ihr Dasein fristet, kurzerhand in Shadow unbenannt wurde. Oree Shoth, eine blinde Maroneh, die mit dem Traum vom besseren Leben in die Stadt kam, verkauft billigen Tand an gütige Pilgerer und lebt davon mehr schlecht als recht. Gut, dass sie zum einen keineswegs so hilflos ist, wie es ihre Blindheit suggeriert, und zum anderen ist es ebenso hilfreich, einige Freunde unter den Godlings – den geringeren Götter – zu haben. Und Hilfe hat sie bitter nötig, als jemand damit beginnt, Godlings zu töten und sie bald selbst unter dringendem Verdacht steht.

– Es waren tausend Stimmen, die gleichzeitig erklangen. Das Lied war kaum hörbar. Sein Text bestand aus einem einzigen mächtigen Wort, das die ganze Welt mit seiner Kraft erschütterte. –
Prolog

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Das Geheimnis der schönen Fremden von Cecilia Dart-ThorntonImrhien, das einst namenlose Findelkind im Turm der Sturmreiter, ist weiterhin auf der Suche nach ihrer Herkunft und ihren Erinnerungen. Nun, da sie mit Hilfe der Carlin ihre Stimme und ihr Gesicht wieder hat, möchte sie auch dieses letzte Geheimnis endlich lüften und begibt sich in die Residenzstadt des Hochkönigs nach Caermelor. Um unentdeckt zu bleiben, nimmt sie einen falschen Namen an und begibt sich unter das Adelsvolk, wo sie hofft Antworten und einen Hinweis auf den Dainnin Dorn zu finden, der ihr Herz gestohlen hat. Doch was sie zunächst findet, sind Intrigen und eine Spur, die in ein längst vergangenes Zeitalter führt.

– Die junge Frau, die bei der Carlin in White Down Rory Unterschlupf gefunden hatte, fühlte sich wie neu geboren. Sie mußte sich unentwegt in Erinnerung rufen, daß die wunderbare Heilung ihrer Stimme und ihres entstellten Gesichts tatsächlich stattgefunden hatte. Ständig starrte sie in den Spiegel, berührte die makellosen Züge und die zarte Haut und murmelte mit rauher Kehle: »Ich kann reden! Ich kann reden!« –
Kapitel 1, White down Rory

Das Geheimnis der schönen Fremden (The Lady of the Sorrows) beginnt so zauberhaft und lyrisch, wie man es schon aus dem ersten Band der Feenland-Chroniken gewohnt ist. Die Sprache vermag auf Anhieb erneut zu fesseln und besitzt auch wieder die Fähigkeit, eine wahrhaft märchenhafte Welt zu erschaffen, die man sofort vor dem geistigen Auge sieht. Kleinigkeiten in der Aufmachung des Buches wie kleine Gedichte, Liedtexte und Zeichnungen zieren wie schon im ersten Teil die Kapitelüberschriften und unterstützen die märchenhafte Atmosphäre. Zum Einstieg findet der Leser außerdem eine kurze Zusammenfassung des ersten Bands, die es erleichtert, sich auch nach längerer Pause wieder problemlos in die Geschichte einzufinden.

Die eigentliche Handlung ist nicht gerade spannend. Wer Spannung sucht, der wird sie am Anfang und dann erst wieder im letzten Teil des Buches finden. Der Teil dazwischen ist im Grunde genommen nur ein langes Warten darauf, dass es endlich losgeht. In epischer Länge und Breite werden da immer wieder Sagen und Mythen keltischen und angelsächsischen Ursprungs nacherzählt, die viele Leser z.B. schon aus irischen Volksmärchen kennen dürften. Wer sie in diesem Buch das erste Mal erwähnt findet, hat Glück und kann sich der allgemein durchaus schönen Geschichten erfreuen, für den geübten Fantasy-Fan dagegen ist hier nichts Neues zu entdecken, und so harrt man der Dinge, die da hoffentlich bald folgen mögen. Erschwerend kommt hinzu, dass all diese eingeschobenen Erzählungen die Handlung weder vorantreiben, noch einen ernst zu nehmenden Einfluss auf sie haben. Erst gegen Ende des Buches werden diese Geschichten abseits der eigentlichen Haupthandlung noch einmal kurz aufgegriffen und sorgen für kleinere Aha-Effekte, die über den langatmigen Mittelteil ein wenig hinwegtrösten. Dennoch, ganz so ausufernd hätten die Erzählungen, seien sie sprachlich auch noch so schön umgesetzt, nicht sein müssen.
Während der erste Band, Im Bann der Sturmreiter (The Ill-Made Mute), wirklich zu begeistern wusste und nicht viele Wünsche offen ließ, scheint die Autorin diesmal häufig etwas ziellos an den Roman herangegangen zu sein. Das zeigt sich sowohl an den Figuren, deren Persönlichkeiten manchmal seltsame Bocksprünge machen, als auch an den vielen sinnlosen Reisen zwischen denselben zwei Orten. Derweil hat die Protagonistin schon den dritten neuen Namen angenommen, und am Ende folgt gar noch ein vierter.

Auch wenn es nach diesen Schilderungen kaum den Anschein erwecken mag, bleibt dieses Buch trotz seiner Schwächen dennoch interessant zu lesen und macht – zumindest, wenn man eine romantische Ader hat – Lust auf den dritten Band. Denn hat man den lahmenden Mittelteil samt seiner übrigen Schwächen erst einmal überstanden, nimmt das letzte Drittel noch einmal große Fahrt auf. Einige Geheimnisse werden endlich gelüftet und lang erwartete Erkenntnisse tun sich auf. Nachdem man so lange mitgefiebert und ausgeharrt hat, wird die Neugier gestillt, und man kann Imrhiens Entwicklung mit Erleichterung und Freude verfolgen. Doch gerade wenn man denkt, die gewonnene Erleichterung könne sich ausbreiten, endet auch dieses Buch mit einem bösen Cliffhanger, und man will – nun endlich von der Spannung erneut gepackt – sofort zum letzten Band der Reihe greifen.

Der Geist des Speers von Alan Dean FosterIn der Nähe eines kleinen Küstendorfes werden die Leichen von hellhäutigen Fremden an den Strand gespült. Einer der Männer lebt noch und richtet seinen letzten Wunsch an den Dorfbewohner Etjole Ehomba: Eine Dame muss gerettet werden, eine Seherin, die von einem finsteren Zauberer entführt wurde. Etjole, der mit seiner Frau und seinen Kindern zufrieden als Hirte lebt, hat zwar kein großes Interesse an edlen Damen und abenteuerlichen Questen, doch für ihn ist es Ehrensache, den letzten Wunsch eines Sterbenden zu respektieren, und daher zieht er aus ins Ungewisse.

– Es geschah am Morgen nach dem sinnlichen zweiten Frühlingsmond von Telengarra, dem Vorboten des Frühlingsregens.-
I

Etjole Ehomba, der Hirte vom Volk der Naumkib, der ohne irgendein Eigeninteresse (sei es nun Gier, Abenteuerlust oder eine andere Art von Suche) nur aufgrund der letzten Worte eines Fremden Frau und Kinder zurücklässt und um die halbe Welt reist, um eine Seherin zu befreien, die ihm nichts bedeutet, hat sich einen ganz besonderen Platz in der Riege der unfreiwilligen Helden verdient. Auch im Angesicht der größten Gefahren und bezauberndsten Wunder der überbordend phantastischen Welt, die Alan Dean Foster in seiner Katechisten-Trilogie entwirft, bleibt er stets die Ruhe selbst (was nicht heißt, dass ihn die Umstände unbeeindruckt lassen, aber Etjole ist eher ein Mann stiller Freude) und zieht im richtigen Augenblick den richtigen Gegenstand aus seinem unerschöpflichen Repertoire an eigentlich ganz gewöhnlichen Reiseutensilien. Ist es nicht vernünftig, ein Säckchen Erde aus der Heimat mitzunehmen, um ihren Duft nicht zu vergessen? Oder den primitiven Jagdspeer, dessen Klinge aus dem Zahn eines ausgestorbenen Tieres besteht?
Etjole beharrt darauf, nicht mehr zu sein als ein einfacher Hirte, und schon gar kein Magier, auch wenn es der Leserschaft immer schwerer fällt, das zu glauben, genauso wie seinem späteren Reisegefährten, dem Schwertkämpfer Simna ibn Sind, der in allem Etjoles vollkommener Gegenpart ist – laut, geschwätzig, prahlerisch und immer zuallererst im eigenen Interesse (mehr Frauen, mehr Schätze, mehr Ruhm) unterwegs. Deus ex machina? Etjole hat sie zu Dutzenden in der Tasche.

Damit wird nicht nur klar, dass Leser und Leserinnen, die mit solchen Kniffen ein grundsätzliches Problem haben, mit Der Geist des Speers (Carnivores of Light and Darkness) wohl nicht glücklich werden, sondern vor allem, dass ein verwickelter Plot, bei dem man sich die Nägel abkaut, nicht das ist, was den Roman ausmacht. Er lebt vielmehr von seiner hochmagischen, prallbunten Welt, in der man mit Tieren sprechen kann, Kaninchen mit Riesenwuchs und Mauern mit Beinen auftreten und das Land Naturphänomene mit eigenem Bewusstsein hervorbringt. Das vage an Afrika angelehnte Setting ist erfreulich frei von problematischen Exotismen und bringt vielmehr durch überschäumenden Ideenreichtum das Phantastenherz dazu, schneller zu schlagen. Zwischen den Buchdeckeln von Der Geist des Speers macht man so viele umwerfende Entdeckungen, dass man sich angesichts der aktuellen Zurückgenommenheit (sprich: des Realismus) der epischen Fantasy nach Autoren und Autorinnen wie Alan Dean Foster sehnt, die Bizarres und Wunderbares wagen.
Die einfache Erzählstruktur kommt diesen Stärken entgegen: Der Geist des Speers ist eine episodenhafte Abenteuerreise, die sich über viele Hindernisse hinweg langsam auf ein fernes Ziel zubewegt, und jedes Kapitel enthält ein neues Abenteuer, bei denen nicht selten bekannte Märchen- und Sagenmotive anklingen. Alan Dean Foster scheut dabei auch nicht vor verspielten Experimenten zurück – ein Kapitel wird etwa komplett aus der Sicht eines Baumes erzählt und kann durchaus als skurriler Höhenflug des Genres gewertet werden.

Doch bei aller Schrulligkeit kippt der Roman eigentlich nie ins Alberne. Wie bei jedem guten Märchen steht hinter jedem Abenteuer auch eine Erkenntnis, und wenn Etjole vielleicht auch kein Magier ist, so ist er doch wenigstens ein Philosoph, denn obwohl er dem Muster des simplen Helden folgt, der durch sein unschuldiges, reines und einfaches Denken alle Ziele erreicht, stellt er immer die richtigen Fragen und versucht auch die absurdesten Probleme erst einmal auszudiskutieren.
Damit man bei so viel Gelassenheit und Einsicht nicht einschläft, müssen aber natürlich dennoch immer wieder die Schwerter gezogen werden, und Etjole kann sich in herrlichen Gesprächen an den Gefährten reiben, die er unterwegs aufsammelt – neben dem egoistischen Simna rettet er auch die große Katze Einlöward (im Original Ahlitah – und das ist nicht der einzige Eigenname, der sich beim Übersetzen ein wenig sperrt), die fortan etwas widerwillig, aber doch aus freien Stücken eine Lebensschuld bei Etjole abträgt.

Von Der Geist des Speers muss man sich in erster Linie überraschen lassen und sich darauf einlassen, dass der Roman von der ungewöhnlichen Hauptfigur und den Reiseabenteuern getragen wird – hier ist eindeutig der Weg das Ziel, und etwas anderes sollte man auch nicht erwarten, wenn man mit Genuss von Ameisen, die Geschenke bringen, engagierten Affenanführern und aufgeblasenen Winden lesen will – und einer Fantasy-Welt, in der man es mit Freundlichkeit und Beharrlichkeit weit bringen kann.

Der gepanzerte Spion von Adrian TchaikovskyCollegium, eine Stadt der Wissenschaft und der Freigeister, ist einer von vielen Stadtstaaten, die mehr oder weniger friedlich unabhängig voneinander existieren. Auf Stenwold Maker, einen Gelehrten, der seit Jahren vor den Eroberungsplänen des sich ausbreitenden Wespenimperiums warnt, hört daher niemand.
Frustriert, aber dennoch unermüdlich hält er sein Netzwerk aus Informanten aufrecht und sucht sich aufgeweckte junge Studenten, die er unter seine Fittiche nimmt und für den Ernstfall ausbildet, unter anderem seine Nichte Che. Als die Wespen tatsächlich ihre Fühler ausstrecken, steht er als einer der ersten auf ihrer Abschußliste.

– Die Stube des Quartiermeisters wurde nur von zwei funzeligen Lampen beleuchtet, doch der Quartiermeister selbst war so vernünftig gewesen, dem Treffen fernzubleiben. –
Eins

Zu Der gepanzerte Spion liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher
Invasion des Feuers und Der gepanzerte Spion.

Ghosts in the Snow von Tamara Siler JonesDubric Byerly ist der 68jährige Kastellan der Burg Faldorrah, und als solchem obliegt ihm die Aufgabe, mit seinen Pagen und Knappen für Recht und Ordnung auf der Burg zu sorgen. Allerdings gibt es ein Geheimnis, um das niemand weiß: Dubric sieht die Geister ermordeter Menschen, bis er den Mörder zur Strecke gebracht hat.
Eines Morgens erscheint ihm die Gestalt eines grausam zugerichteten Milchmädchens, und sie bleibt nicht die einzige. Ein Frauenmörder scheint in Faldorrah eingefallen zu sein, der seine Opfer wahllos und brutal niedermetzelt. Während Dubric und seine Gehilfen verzweifelt nach Spuren suchen, macht sich vor allem in der Dienerschaft der Burg Angst breit, und die Gemeinschaft droht zu zerbrechen.

-Dubric Byerly, Castellan of Faldorrah, sat alone at a small table in the castle kitchen, his mangled breakfast congealing before him.-
Chapter I

Tamara Siler Jones hat ihre Geschichte vor allem um die Hauptfigur gewoben, den alten Burg-Kastellan Dubric, der gar nicht glücklich mit seinem Fluch und den daraus resultierenden Aufgaben ist. Diese an sich interessante Figur – in einem moderneren Setting wäre er der weltwunde und mit allen Wassern gewaschene Cop eines Polizeiromans – agiert in einer ungewöhnliche Mischung aus Psychothriller und Romantik-Kitsch: Auf einer Burg in einer klassisch-mittelalterlichen Fantasy-Welt soll eine Mordserie aufgeklärt werden, die grausam zugerichteten Leichen weisen Richtung Das Schweigen der Lämmer und sind garantiert nichts für zartbesaitete Seelen.
Der Kastellan bedient sich zur Lösung des Falls seiner Logik und den Möglichkeiten der in den Kinderschuhen steckenden Gerichtsmedizin, aber im Verlauf der Handlung auch der Magie. Letztere ist zwar in Faldorrah und Umgebung verboten, aber dennoch vorhanden; vor allem in Gestalt von magischen Artefakten ist sie recht atmosphärisch in die mittelalteriche Lebenswelt eingebunden.

Ghosts in the Snow setzt vor allem auf  Spannung, was auch gut gelingt, wenn jede Nacht ein Mord geschieht und Dubric vor einem Rätsel steht. In wechselnden Perspektiven blickt man neben den Hauptfiguren (Dubric und die Näherin Nella, die aufgrund ihres Geschlechtes und ihres Status bestens ins Beuteschema des Mörders passt) auch immer wieder Opfern und sogar dem Täter über die Schulter. Vor allem die eiskalten, winterlichen Szenen, in denen gekonnt mit Ängsten gespielt wird, wissen zu beeindrucken.
Ob als Gegenpol zu den Grausamkeiten oder zur vielleicht originellen, aber nicht ganz harmonischen Verschmelzung zweier Genres, die sich nicht unbedingt nahestehen, ist der Fantasy-Thriller mit einer zuckersüßen Liebesgeschichte angereichert: Risley, der verliebte, auf Faldorrah neu angereiste Lord, präsentiert sich nicht nur als Verdächtiger auf dem Silbertablett, sondern auch als ziemlich unglaubwürdiger Super-Mann – ein Muster an Galanterie, Heldenmut und Aufrichtigkeit. Zu schön, um wahr zu sein? Der Leser darf auf jeden Fall bis fast zur letzten Seite miträtseln.
Leider sind es etliche Seiten, die der pathetischen Liebesbeziehung zwischen Risley und Nella gewidmet werden. Ganz unwichtig für die Handlung sind sie nicht, aber die Szenen triefen zum Teil dermaßen vor Kitsch, dass man sich fragen muss, ob die Autorin das ernst meint, oder ob das Ganze noch ein erklärendes Nachspiel hat (was wir im Dienste der Spannung an dieser Stelle verschweigen …).

Auch bleiben leider die ebenfalls im Plot verbratenen Herrschaftsverhältnisse und Hintergründe der Welt etwas unklar, hier wären ein paar klärende Sätze oder eine Karte eine große Hilfe gewesen.
Dennoch kann Ghosts in the Snow solide unterhalten, neben nervenzerreißender Spannung bietet es einige schöne Figuren, deren Hintergründe sich erst im Laufe der Zeit eröffnen und die bis zum Ende des Romans an Tiefe gewinnen, und kann mit der Darstellung des Burglebens punkten – auch wenn es vermutlich nie so romantisch war …

Cover von Gifts von Ursula K. Le GuinIm Flachland liegen die großen und kleinen Städte des Landes mit ihren Märkten, ihren Häusern und Straßen; im kargen Hügelland leben die Clans auf verstreuten Höfen. Das Leben dort ist schwer, doch die Clans besitzen die Gabe, eine Form der Magie, die in der Familie von Generation zu Generation weitergegeben wird. Denen, die sie besitzen, verleiht sie eine besondere Fähigkeit. Orrec ist der Sohn eines Clanführers und einer Frau aus den Städten, daher ist es ungewiss, ob er die Gabe besitzt, die notwendig ist, um seinem Vater nachfolgen zu können, und zugleich fürchtet er deren potentielle Kraft. Auch das Mädchen Gry hadert mit dem Einsatz ihrer Gabe.

-He was lost when he came to us, and I fear the silver spoons he stole from us didn’t save him when he ran away and went up into the high domains.-
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Die Geschichte wird aus der Sicht des Jungen erzählt. Der Verlag schreibt in einem kurzen Werbetext auf der Rückseite des Einbandes, dass ein Jugendbuch von Ursula K. Le Guin einen mehr zum Nachdenken bringt als manches Buch für Erwachsene. Für mich ist dieses Buch kein Kinder- oder Jugendbuch, auch wenn es für diese Altersgruppe geeignet ist.
Das Buch ist in seiner Art recht typisch für die Autorin. Die einfache Welt, die nicht weit entfernt von unserer Welt in irgendeinem bergigen Hinterland angesiedelt ist, wird mit einer ungeheuer dichten Atmosphäre beschrieben, die die Autorin aus drei Strängen webt. Aus Landschaft, Menschentyp und dem täglichen Handeln schafft sie eine Einheit von Land und Leuten. Die psychologischen Profile der handelnden Personen sind scharf und die Charaktere deutlich ausgearbeitet. Niemand, der in die bescheidene Handlung eingreift, bleibt unscharf oder klischeehaft. Und letztlich sind die Dialoge kleine Meisterwerke der Unauffälligkeit, was immer recht schwer zu erreichen ist. Jeder gesprochene Satz ist bedeutungsvoll und wird für die Geschichte in der einen oder anderen Art und Weise gebraucht. Um so etwas zu erreichen, bedarf es nicht nur einer stilsicheren, einfachen Sprache, sondern vor allem einer meisterhaften Beobachtungsgabe. Die Handlung wird auch nicht von spektakulären Aktionen getrieben, alles verbleibt im Alltäglichen und findet seine Besonderheiten im Umgang mit der Gabe. Auch wenn Menschen und Tiere sterben, geht es nicht um Grausamkeiten oder Krieg, sondern um Bestimmung, freien Willen und Tradition. Daher ist das Buch für Jugendliche geeignet, aber die Vielschichtigkeit der Geschichte ist eher etwas für Erwachsene.
Wer Fantasy sucht, die durch wilde Aktionen, gewaltige Kämpfe und Furcht erregende magische Explosionen gekennzeichnet ist, wird in diesem stillen Roman kaum auf seine Kosten kommen. Wer hingegen Erzählkraft und Meisterschaft in der Sprache sucht, wird auf ein kleines Kunstwerk stoßen. Nur der Einband ist ein wenig nichts sagend.

Glass Dragons von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

-Even though the streets of Alberin were being lashed by a rainstorm and the wind was so strong that one could not walk through the gusts in a straight line, the two men who emerged from the mansion were relieved to be outside again.-
Prologue

Ganz ähnlich wie schon im ersten Band der Moonworlds Saga schickt Sean McMullen seine Helden in den Kampf gegen ein außer Kontrolle geratenes magisches Artefakt, dessen Schöpfer an die weitreichenden Folgen ihrer Arbeit keinen Gedanken verschwendet haben. Auch die schwer durchschaubaren Loyalitäten der Helden und ihre teilweise über weite Strecken geheimen Aufträge erinnern an den Vorgänger – von daher betreffen herausragende Neuerungen die Helden selbst. Während wohlbekannte Charaktere aus Voyage of the Shadowmoon als durchaus wichtige Nebenfiguren noch etliche Auftritte erhalten, stellt eine Riege von neuen Protagonisten das Herz und die Seele von Glass Dragons, auch wenn sie ganz bestimmt nicht Herz und Seele sind: Der gutherzige Andry Tennoner, ein einfach gestrickter Seemann, der das Beste aus sich machen will (falls er einmal nüchtern ist) und der intrigante Hofmusiker Wallas, bei dem es ein Euphemismus wäre, ihn als Egoisten zu bezeichnen, sind ein klassisches Slapstick-Duo: Das Schicksal zwingt sie zusammen, und sie lassen keine Gelgenheit aus, sich anzukeifen, auszutricksen, zu schmähen und einander am Erfolg zu hindern.
Besonders in Andrys Entwicklung hat der Autor viel Herzblut gesteckt, und an ihm offenbart sich auch die Eigenheit der Reihe, die man vermutlich entweder hassen oder lieben wird: Andry ist eine realistische, liebevoll gezeichnete Figur mit einer herzzerreißenden Geschichte, die aber von einem Satz zum nächsten zwischen zu Tränen rührend und reinstem Slapstick unter der Gürtellinie pendeln kann. Die gute Nachricht ist, dass McMullen das erzählen kann, ohne der Geschichte ihren tieferen Ernst zu nehmen, aber dennoch ist es gewöhnungsbedürftig, wenn ab und an Beziehungen oder Figuren in einem halben Satz abwürgt werden, weil ein Knalleffekt oder eine Kehrtwendung in der Handlung höheren Stellenwert haben.

Des weiteren gelingt es McMullen, auf den gut 500 Seiten wirklich viel Stoff unterzubringen, was nicht zuletzt an Verral selbst liegt, einer Welt mit einem Überschuß an Magie und einer Vielzahl an Fraktionen und Interessengruppen. Wie man schon im Vorgänger lesen konnte, ist die Magie auf Verral meistens von der megalomanischen Sorte, und der Autor scheut nicht davor zurück, Katastrophen nicht nur anzudrohen, sondern auch hereinbrechen zu lassen. Auch hier stehen schon allein in ihrem Ausmaß äußerst kaltschnäuzige Szenen neben liebenswerten Einschüben, wie etwa der pratchettesken Geschichte der Prostituierten Madame Jilli, deren Ableben eine Diskussion unter diversen Schicksalsmächten auslöst und die daraufhin zu einer resoluten eigenen Macht gelangt. Diese eigenartige Mischung aus turbulenten Szenen und einfühlsamen Charakterbeschreibungen ist gewiss nicht jedermanns Sache.

McMullen unterhält mit alledem aber so hervorragend, dass erst am Ende auffällt, wie zerfahren seine Geschichte eigentlich ist – es wurde im Laufe von Glass Dragons niemals richtig entschieden, ob der Fokus eher auf der weltumspannenden Queste oder den Geschichten der Figuren liegen soll, und da McMullen beides umgesetzt hat, ist die Struktur nicht ganz glatt, dafür aber vielschichtig und überraschend.

Neue Charaktere mit offenen Entwicklungen für den nächsten Band stehen am Ende auch bereit, womit die Moonworlds Saga als Reihe von locker zusammenhängenden, spektakulären Einzelabenteuern in einem aberwitzigen Setting bestens etabliert wäre.

Godslayer von Jacqueline CareyDie Pläne des dunklen Herrschers Satoris, die Prophezeiung zu verhindern, die seinen Untergang vorhersagt, drohen zu scheitern: Der Träger des Wassers des Lebens, das Satoris’ Macht brechen kann, ist unterwegs zur Festung Darkhaven, und die Heere der freien Völker sammeln sich zum Angriff auf den verhassten Feind. Doch immer noch hat Satoris Cerelinde in seiner Gewalt, die Herrin der Ellylon, die, um die Prophezeiung zu erfüllen, Aracus, den Herrscher der Menschen des Westens, heiraten müßte. Satoris weigert sich, seine Gefangene zu töten, und so müssen seine Marschälle Tanaros, Ushahin und Vorax Darkhaven zur Verteidigung rüsten und die Heere der Fjelltrolle in den Krieg führen, die ihnen unterstehen …

-All things converge.
In the last Great Age of the Sundered World of Urulat, which was once called Uru-Alat after the World God that gave birth to it, they began to converge upon Darkhaven.-
One

Hält man Godslayer zum ersten Mal in der Hand, kommt man nicht umhin zu fragen, ob Jacqueline Carey es tatsächlich schafft, ihr Epos auf den vergleichsweise wenigen Seiten auch wirklich zu Ende zu erzählen – immerhin wird hier das mittels Prophezeiung erstellte Aufgebot gegen den dunklen Herrscher in die letzte Schlacht geschickt und ein Zeitalter beendet, in insgesamt nur zwei Bänden mit jeweils weniger als 500 Seiten: Das entspricht nicht den Gepflogenheiten der sonst eher zum Format Ziegelstein tendierenden epischen Fantasy.
Und bei diesem Kuriosum allein bleibt es nicht, denn wie schon im ersten Band werden beim Kampf der Guten gegen die allseits ausgewiesenen Bösen die den LeserInnen vertrauten Erzählmuster gehörig auf den Kopf gestellt, so dass man selbst mitentscheiden muss, was in Godslayer gut und was böse ist.
Satoris ist ein düsterer Herrscher, doch da man ihm über die Schulter schauen darf, wirkt der Hass, den ihm die freien Völker entgegenbringen, oft unverständlich. Einmal hat er gewagt, seinem Bruder, dem Schöpfer Haomane, zu widersprechen und dessen Entscheidungen in Zweifel zu ziehen, und schon darf er für allezeit das Böse der Welt repräsentieren und mit Verve niedergemacht werden. Doch auch die sogenannten freien Völker begleitet man auf ihrer Queste – selbstgerecht sind sie vielleicht, aber letzlich handeln sie nur so, wie es ihren Interessen dienlich scheint. All das verlangt der Leserschaft einiges an Eigeninitiative bei der Wahl der Sympathien ab, obwohl ganz in der Tradition der epischen Fantasy um das Wohl der Welt gekämpft wird.

Wie schon beim ersten Band ist die hauptsächliche Inspirationsquelle Careys Tolkien, dessen Weltentwurf mit den dahinterstehenden Ideologien sie aufgreift und aus einer anderen Perspektive die gleiche Geschichte anders erzählt. Das Spiel mit Themen und Zitaten aus dem Herrn der Ringe und dem Silmarillion ist daher mehr als nur eine reizvolle Spielerei, auch wenn etliches, wie etwa der Träger des Wassers des Lebens, der selbiges in die Festung des dunklen Herrschers bringen muss, um ihn zu schlagen, direkt übernommen scheint.
Unaufhaltsam strebt die Geschichte von der ersten Seite an ihrem Ende entgegen – und auch hier ist Carey ihren Vorbildern auf ganz eigene Art treu geblieben: In dem gelungenen Abschluss bleiben nur wenige Fäden offen, und wenn man  mit vielbändigen Fantasyzyklen mit ihren nicht tot zu kriegenden Stehauf-Bösewichten vertraut ist, wird man hier auf eine verblüffend konsequente Lösung stoßen.
Dass für die Seite der freien Völker alles ausgesprochen glatt läuft und die Prophezeiung wie am Schnürchen erfüllt wird, eher zum Leidwesen des Lesers, nimmt Godslayer zuweilen ein wenig den Wind aus den Segeln, denn zum Großteil hat die Autorin auch der Versuchung widerstanden, die Guten als die eigentlich Bösen darzustellen. So wenig man ihnen als Leser den Sieg wünscht, ihre Motive sind dennoch nachvollziehbar und nicht weniger ehrlich als die von Satoris.

Der epische Ton, den Carey mühelos anstimmt, verleiht der Welt Urulat eine tiefe Geschichtlichkeit, all ihren Bewohnern wird ein eigener Zauber zugestanden. Wer schon immer einmal leise in sich hineinschnüffeln wollte, wenn ein Fjell (hier das Pendant zum Ork) erschlagen wird, ist definitiv an der richtigen Adresse.
Vielleicht, wenn man ein nächstes Mal in eine epische Fantasy-Geschichte eintaucht, wird man sich nach der Lektüre von Godslayer hin und wieder fragen, ob der nächste dunkle Lord, der von seinem Thron gestoßen werden muss, nicht doch nur ein missverstandener Rebell ist.

Goldvogel von Sean RussellDas “Land zwischen den Bergen”: Eine mittelalterliche Welt, von mächtigen, ewig streitenden Adelshäusern regiert, mit weiten, unberührten Landstrichen.
The Isle Of Battle setzt sofort ein, wo Band eins aufhört. In einem verhexten Sumpf belauern sich drei Gruppen, die sich aus schon wohlbekannten Figuren zusammensetzen. Währenddessen wird auf der Renneburg die Schlacht um die Insel geplant, die auch geschlagen wird. Außerdem treffen wir einen Bekannten aus Band eins wieder und verfolgen seine abenteuerliche Flucht zu Verbündeten. Wie im vorangegangenen Band ist dies nur der Rahmen, die vielen Figuren haben eigene Beweggründe, so dass sich zig kleine Handlungsfäden zu einem großen Ganzen verweben.

– Über dem Fluss lag Nebel, der die flackernden Fackeln mit einer weißen Aura umkränzte. Bislang war noch keine Leiche geborgen worden, was Prinz Michael von Innes indes wenig tröstete. Knietief watete er durch den träge dahinströmenden Fluss und spürte, wie der weiche Schlamm unter seinen Stiefeln nachgab, stets fürchtend, über die reglos am Grund liegende Elise Willt zu stolpern. –

Zu Goldvogel liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Shadowmarch: Die Grenze von Tad WilliamsIm Norden des Kontinents Eion liegen die Königreiche der Marschen. Von den ehemaligen vier Reichen ist nur noch Southmarch bewohnt, die anderen wurden schon vor einigen Jahrhunderten von den Twilight People, märchenhaften Wesen, die schon lange Zeit zuvor weit in den Norden des Landes zurückgetrieben worden waren, zerstört. Der König von Southmarch wird festgehalten, wo er hoffte ein Bündnis gegen den diktatorischen Herrscher des Kontinents Xand zu schmieden, der nun auch seine Fühler nach dem Kontinent des Nordens ausstreckt. Schon bald obliegt die Verantwortung über Southmarch des Königs Zwillingskindern, Briony und Barrick, die den Intrigen am Hofe ausgesetzt sind.

– Komm, Träumer, komm fort. Bald wirst du Zeuge von Dingen werden, die nur Schläfer und Zauberkundige sehen. –
Vorspiel

Zu Die Grenze liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Heldenwinter von Jonas WolfDer Halbling Namakan ist das älteste von etlichen Ziehkindern des Menschenpärchens Lodaja und Dalarr, die zurückgezogen in den Immergrünen Almen leben. Als Namakan mit Dalarr, einem Schmiedemeister, von der Suche nach seltenen Erzen zurückkehrt, sind die gefürchteten Skra Gul, Krieger in Weiß aus dem fernen Tristborn, eingefallen und haben ein Gemetzel angerichtet. Dalarr legt einen Racheeid ab, und Namakan folgt seinem Ziehvater und Meister, um einen König zu töten.

-In einer Stimme dunkel und kräftig wie Paukenschläge hob Dalarr zu einer Melodie an, die in Namakans Kopf Bilder von trostlosen Weiten und sich in ferne Meere wälzenden Strömen heraufbeschwor.-
1

Heldenwinter – das klingt ein wenig nach wagnerianischem Pathos, nach einem harten Einzelkämpfer, der seine beste Zeit schon hinter sich hat, nach Schneegestöber und grauen Haaren; und so, als hätte der Einworttitel-Generator für Fantasyromane ein besonders wohltönendes Ergebnis ausgegeben, klingt es auch.
An all diesen Assoziationen ist etwas Wahres dran. Der erste Roman von Jonas Wolfs Skaldat-Reihe aus locker verbundenen Einzelabenteuern beginnt klassisch mit einem Racheschwur. Die beiden Helden Dalarr und Namakan, nicht nur in der Statur als Mensch und Halbling höchstverschieden, sondern auch in Gemüt und Lebenserfahrung, ziehen auf diese Queste aus, zwischen ihnen und dem Ziel steht ein langer Reiseweg voller Abenteuer, neuer Gefährten, mächtiger Waffen und unerwarteter Entdeckungen. Damit fällt Heldenwinter in die Sparte epischer Fantasy, die in letzter Zeit ein wenig selten geworden ist. Die im ausführlichen Nachwort genannten Vorbilder Tolkien und Howard (inclusive Film-Conan) finden sich in den Figuren, der Welt und der Handlung vielfach zitiert, von der augenzwinkernden Anspielung bis hin zur unverhohlenen Inspirationsquelle.
Deshalb verwundert es nicht, dass in der Weltschöpfung das ganze Repertoire klassischer Fantasy auftaucht. Elfen, Zwerge, Reiternomaden und Riesenraubvögel, um nur einige zu nennen, bekommen allerdings durch einen kleinen Dreh hier und da einen eigenständigen Anstrich, ohne dass die Wurzeln gekappt würden, und das Ensemble wird durch eigene, durchaus gelungene Ideen ergänzt.
Glanzpunkt der Figurenriege, die im Großen und Ganzen der Regel “mindestens einer aus jedem Volk und Metier” folgt, ist die Hexe Morritbi, die über ihre Nebenrolle als Love interest des Protagonisten schnell hinauswächst und zu einer erfreulich unkonventionellen Frauenfigur wird.

Auch erzählerisch folgt Heldenwinter den klassischen Questenpfaden: einer an sich einfachen, geradlinigen Handlung, die ganz dem einleitenden Eid gewidmet ist. Die Fantasy-Tradition allerdings, von den Figuren selbst immer wieder Geschichten aus der Vergangenheit und dem Hintergrund der Welt erzählen zu lassen, wird bei Jonas Wolf zu einem zentralen Handlungselement. Die Gegenwartshandlung, die voller Rätsel ist, offenbart sich erst, wenn man die einzelnen Mosaiksteinchen der Vergangenheit kennt und zusammensetzt, wenn man in den vielen kleinen Geschichten die eine große sieht. Fast jede Figur trägt Geheimnisse mit sich herum, die mal mehr, mal weniger schnell offenbart werden. Die Fragen der Herkunft, der Zugehörigkeit und der Stimmigkeit des gewählten Lebensentwurfs stehen im Mittelpunkt. Zu diesem Thema setzt vor allem der verschmitzte Epilog einen schönen Kontrapunkt zu den sonst doch recht erwartungsgemäßen Abläufen.
Der dicke rote Faden, der sich eigentlich sehr prägnant durch den Roman zieht, weist durch diese Geschichten in der Geschichte einige Schlingen auf, obwohl er sich nie in mehrere Stränge teilt.
Trotzdem erweist sich Jonas Wolf als erfahrener, solider Erzähler, bei dem auch die verschiedenen Erzählebenen flüssig gewechselt werden. Die einzelnen Kapitel sind relativ in sich geschlossen, sie enthalten häufig ein Sub-Abenteuer oder sind auf eine Hintergrundgeschichte fokussiert, die eine eigene Struktur hat, und wenn allzu lange am Lagerfeuer gesessen und erzählt wird, kann man sich darauf verlassen, dass der nächste Kampf nicht auf sich warten lässt.
Die leisen kritischen Untertöne an der Rachemission gegen König Arvid, die im Laufe der Queste anklingen, fallen allerdings im Zuge der zielstrebigen Auflösung des Konflikts unter den Tisch – eine verschenkte Gelegenheit, der Frage nachzugehen, wie das Wohl des Einzelnen und das Wohl von Vielen gegeneinander abzuwägen sind. Der Fokus von Heldenwinter liegt allerdings auch an keinem anderen Punkt auf den tiefergehenden Themen, sondern bleibt vor allem auf der Abenteuerhandlung.

Die unterschiedlichen Erzählebenen meistert Jonas Wolf stilsicher: eine Geschichte des derben Schmiedes Dalarr klingt anders als eine der ehemaligen Klosterschülerin Ammorna. Alle gemein haben sie allerdings einen nicht zu überlesenden Hang zu blumigen Begriffen für alles, was sich unter der Gürtellinie abspielt.
Aus dem sonst unauffällig-flüssigen Stil stechen die Aphorismen in den Kapiteleinleitungen hervor, aber auch die Lieder, die (mitsamt einer altnordischen Version) im Text wiedergegeben sind, und sorgen für das Ambiente einer lebenden Welt.
Dieser Eindruck verfestigt sich jedoch im eigentlichen Erzähltext nicht, dort wirkt die Welt ein wenig dünn. Nur an wenigen Stellen lässt sich ein größeres Ganzes erahnen oder kommt das Gefühl auf, nur einen Bruchteil der Wunder gesehen zu haben, die die Welt des Skaldat bietet, und auch der Eindruck einer “alten” Welt mit eigener Geschichte will sich nicht recht einstellen. Zu zweckmäßig sind dazu alle erzählten Binnengeschichten in die Haupthandlung eingebunden, und es gibt nicht viel, was über das Erzählte hinausreicht.
Trotz der Anspielungen auf Klassiker und der Betonung des Geschichtenerzählens entsteht dadurch der Eindruck einer kompakten, aber etwas schnörkellosen Geschichte, was auch daran liegen mag, dass Heldenwinter mit einer Tradition der epischen Fantasy bricht: Nach einem Band ist es zu Ende erzählt, und es führen auch keine einzelnen Fäden mehr in eine Fortsetzung hinein.

Herr Apropos von Nichten von Peter DavidApropos ist das Produkt der Vergewaltigung seiner Mutter durch einen der angeblich ach so edlen Ritter, und er hasst den in seinen Augen verlogenen Stand aus ganzem Herzen. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, und da er ein verkrüppeltes Bein hat, ist es meistens seine spitze Zunge, die ihn aus brenzligen Situationen befreit. Aber körperliche Gebrechen und niedere Geburt hindern ihn nicht daran, über viele Umwege dennoch zum Knappen aufzusteigen und letztendlich von König Runzibel für eine besondere Mission ausgewählt zu werden – insgeheim ist er aber immer auf der Suche nach seinem unbekannten Vater und nach Rache für seine Mutter.

-Wie ich so mit dem Schwert in der Hand da stand und es von der Klinge nur so tropfte, fragte ich mich doch, ob dieses Blut wirklich von meinem Vater stammte.-
Kapitel eins

Peter David lässt in diesem Anti-Ritter-und-Questen-Roman Herrn Apropos selbst seine Abenteuer schildern, dessen spitze Zunge aber letztlich nicht so spitz ist, wie ständig beteuert wird – aber über den ein oder anderen Witz kann man durchaus schmunzeln. Die klassische Ritterwelt wird dabei recht respektlos durch den Kakao gezogen, wobei sich der Autor immer einer leicht anachronistischen Sprache bedient und gerade eben die Kurve kriegt, nicht zu flapsig zu werden. Immerhin gibt Apropos selbst zu, dass er manchmal ganz schöne Kalauer hinlegt.
Einige der (auch im Original oftmals mauen) Sprachwitze, wie etwa Apropos’ Namensgebung, gehen im Deutsch ein wenig verloren, andere sind aber äußerst pfiffig gelöst.

Zunächst wird der Werdegang des Apropos in Rückblenden erzählt, was an dieser Stelle vielleicht ein etwas langer Ausflug abseits der Haupthandlung ist, der sich allerdings im weiteren Verlauf noch auszahlt. Wir lernen einen feigen und egoistischen Protagonisten kennen, der auch seinen besten Freund für seine guten Taten verachtet und hauptsächlich vom (mit seinen Zeugungsumständen verbundenen) Hass auf den Ritterstand getrieben wird.
Apropos’ Weg zum Knappen ist zwar ungewöhnlich, aber dennoch vorhersehbar, und auch als Knappe erlebt er typische Ritterabenteuer: Turniere, Schäferstündchen mit holden Maiden und derlei mehr. Apropos holde Maiden: Vor allem zu Beginn des Romans kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor das weibliche Geschlecht im Allgemeinen für geistig minderbemittelt hält, und es gibt eigentlich im ganzen Buch auch nur eine Ausnahme (und die ist ebenfalls fragwürdig). Ja, ein lustiger Ritterroman braucht vielleicht Klischees, aber muss dazu wirklich nahezu jede auftretende Frau ein williges Dummerchen sein? Die Schenkelklopfer ziehen den ohnehin lauen Humor des Romans auf ein wahrhaft unterirdisches Niveau.

Ungefähr zur Hälfte des Romans beginnt dann Apropos’ große Aufgabe und Peter David macht nahezu eine Kehrtwendung von einer selten wirklich witzigen Parodie zu einem klassischen Abenteuer mit vielen überraschenden Wendungen. Es bleibt zwar nach wie vor komisch, aber Apropos wandelt sich vom eher unsympathischen, egoistischen und feigen Tropf zu jemandem, der immerhin hin und wieder eine gute Tat in Betracht zieht. Allerdings gibt es zum Ende hin zweimal einen sehr harten und ungemütlichen Aufprall auf Tatsachen, die sich in einem ernsteren Buch besser gemacht hätten und so gar nicht zur locker flockigen Umgebung passen wollen (König Meanders Geschichte und der eigentliche Clou am Ende des Buches).
Bei allen liebenswerten Figuren, die mitunter am Rande des Weges auftauchen, und den hin und wieder gelungenen Lachern bleibt Herr Apropos von Nichten damit irgendwo zwischen Parodie und Antiheldenreise stecken.

Der Herr der Dunkelheit von Jacqueline CareySeit Jahrhunderten haust der dunkle Herrscher Satoris in seiner Festung Darkhaven und brütet Armeen von Fjelltrollen und Weren aus, um die freien Völker zu versklaven. Aber eine Prophezeiung des Ersten Schöpfers Haomane besagt, daß Satoris vernichtet werden kann. Eine Verbindung zwischen Ellyl und Menschen ist der erste Punkt der Prophezeiung, und so planen Cerelinde, die schöne unsterbliche Herrin der Ellylon, und Aracus, der vertriebene König des Westens, zu heiraten, um die Erfüllung in die Wege zu leiten. Satoris, der sich seinem rachsüchtigen Bruder ewig widersetzt, versucht die Hochzeit zu verhindern und schickt seine drei Marschälle Tanaros, Vorax und Ushahin hinaus in die Welt. Er ficht einen verzweifelten Verteidigungskampf.

– Der Ort wurde Gorgantum genannt.
Erneut verwundert floh er dorthin, und nach seiner Flucht erging er sich in finsteren Gedanken. Es war keine Niederlage, jedenfalls nicht ganz. Niemand konnte das behaupten, solange er noch lebte und den Gottestöter in seinem besitz hatte. –
Prolog

Zu Der Herr der Dunkelheit liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Herr des Lichts" von Janny Wurts Der Kampf gegen den Nebelgeist ist in vollem Gange, seine Macht schwindet bereits. Zum ersten Mal seit fünf Jahrhunderten sehen die Menschen in Athera wieder die Sonne. Doch während des Kampfes entkommt unbemerkt eine Wesenheit des Geistes und nimmt Lysaer, den Herrn des Lichts, in Besitz. Er sät Zwietracht zwischen den Halbbrüdern und schürt ihren Hass aufeinander. Während der Krönungszeremonie eskaliert die Situation…

-»Ihr braucht mich gar nicht«, schimpfte Dakar. »Warum habt Ihr dann darauf bestanden, dass ich mitkomme?«
»Das hat Kharadmon dir doch bereits erklärt.« Ungehalten ließ Asandir von dem komplizierten Zauber ab. Er wandte sich um und bedachte Dakar mit einem Blick, aufgebracht genug, jenem eine Gänsehaut zu verursachen. »Dein Körper braucht die Bewegung.«-
Verwahrung

Janny Wurts epische Geschichte geht in die zweite Runde. Nach einem gelungenem Anfang versucht sich die Autorin mit Spannung und Dramatik selbst zu übertreffen, und es gelingt ihr sogar. Atemlos verfolgt man den Fluch des Nebelgeistes und seine tragischen Auswirkungen und fiebert einem packenden Finale entgegen. Einzig einige Handlungsmotive und Gedankengänge der handelnden Personen haben sich mir verschlossen, jedoch dem Lesespaß kaum einen Abbruch getan.

Der zweite Teil knüpft nahtlos an die Handlungsstränge des Vorgängers an und übertrifft diesen bei weitem. Der Fluch des Nebelgeistes offenbart sich in schrecklicher Weise und ergreift Besitz von den beiden Halbbrüdern, die sich nun als erbitterte Feinde gegenüber stehen. Der Wandel von Verbündeten zu Feinden ist sehr gut dargestellt und nachvollziehbar, betrachtet man die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Prinzen.

Der Stil von Frau Wurts ist unglaublich packend (und das trotz Übersetzung!). Man verliert sich förmlich in den Seiten, während man in Athera unterwegs ist, und das Buch ist schneller zu Ende, als einem lieb ist. Dabei schafft die Autorin eine stimmige, atmosphärisch dichte Welt, wie man sie selten erlebt. Mit viel Liebe zum Detail erwacht Athera zum Leben. Auch wenn keine Karte mit abgedruckt ist, kann man sich auf der Webseite der Autorin eine interaktive Karte für ein besseres Verständnis anschauen.

Cover von Der Hexenturm von Kate Forsyth Die junge Hexe Isabeau wächst in einem abgelegenen Tal im Schatten der Drachenklaue auf, dem Berg der Drachen. Unter der Obhut ihrer mütterlichen Freundin Meghan lernt sie, mit den Tieren des Waldes zu reden und mit Hilfe der Kräuter zu zaubern. Doch die beiden Frauen leben in ständiger Gefahr, denn seit eine böse Königin den Herrscher von Eileanan in ihren Bann gezogen hat, sind Hexerei und Magie jeder Art streng verboten.

-Diese besagte Agnis Sampson wurde gefangen genommen und vor Seine Majestät den König und verschiedene schottische Adlige zum Haus Halicuid gebracht, wo sie streng vernommen wurde, aber alle Überzeugungskünste, die Seine Majestät der König und der Rat bei ihr anwandten, konnten sie nicht dazu bewegen, irgend etwas zu gestehen, sondern sie leugnete standhaft alles, was ihr vorgeworfen wurde, woraufhin sie ins Gefängnis gebracht wurde, wo sie solcherlei Marter erlitt, wie sie seit einiger Zeit für Hexen in Schottland vorgesehen sind.-
Dies ist eine Art Prolog

Das ist das erste Buch, bei dem der Rezensent ernsthaft überlegt hat, von der Redaktion dafür Schmerzensgeld zu verlangen, daß er bis zur letzten Seite des Buches durchgehalten hat.
Vor einigen Jahren ist in den englischsprachigen Ländern der Wicca-Kult wieder populär geworden und ganz offensichtlich zielt das Buch auf Leserinnen ab, die sich für diese Art von Hexen-Tradition interessieren. Selbst diesen kann man nicht mit guten Gewissen empfehlen, diesen Roman zu lesen.
Den ersten traurigen Tiefpunkt der Geschichte stellt die Beschreibung der Prüfung dar, die Isabeau an Lichtmeß ablegt. Diese Passage trieft nur so vor Kitsch. Die Hexen um Isabeau sind natürlich von Herzen gut und deshalb demonstrieren sie ständig, daß sie alle Tiere, Pflanzen und Elemente ganz schrecklich lieb haben. Würde die Autorin hier echte Naturverbundenheit schildern, wäre daran nichts auszusetzen, aber das gelingt ihr nicht. Die ganze Szene ist nicht nur kitschig, sondern wirkt auch noch albern als die junge Hexe entscheiden muß, welchen Samen sie aussäen soll und sie u.a. Haselstrauch wählt, weil er reich an Protein und lebenswichtigen Mineralien ist. Glaubt die Autorin wirklich, daß eine Hexe, die offensichtlich in einer dem Mittelalter ähnlichen Epoche lebt, so denkt wie eine ernährungsbewußte Hausfrau des 21.Jahrhunderts, die auf einen Werbespot für Frühstücksflocken hereingefallen ist? Als die Hexen später von Soldaten angegriffen werden, eilen die Tiere des Waldes herbei, um ihren Freunden zu helfen. Selbst die kleinen Häschen hoppeln den Angreifern zwischen den Beinen herum, um sie zum Stolpern zu bringen. In diesem unglaublichen, grausigen Stil ist der ganze Roman geschrieben. Von wirklicher Dreistigkeit zeugt es, den blinden Seher im Buch ausgerechnet Jorge zu nennen. Der blinde Jorge ist eine der Hauptfiguren in Umberto Ecos Meisterwerk Der Name der Rose. Und es kommt noch schlimmer. Da zu einem auf mehrere Bände angelegten Werk ein ordentlicher Cliffhanger gehört, damit der Leser auch die folgenden Teile kauft, endet das Buch mit einer widerlichen sexistischen Gewaltszene , die dieser Hommage an den schlechten Geschmack die Krone aufsetzt.

Cover von Hexenzauber von Terry BrooksRydall, der König von Marnhull, fordert Ben Holiday, der König von Landover ist, zu einem Kampf um Landover auf. Ben und seine Frau Willow entschließen sich dazu ihre Tochter Mistaya zusammen mit dem Hofzauberer Questor Thews und dem hundegestaltigen Abernathy zu Willows Vater, dem Flußherren, zu schicken. Doch unterwegs überfällt Nightshade die Reisenden und entführt Mistaya, während Questor und Abernathy in Bens alte Welt gelangen. Rydall entpuppt sich als Handlanger Nightshades: Er behauptet Mistaya in seiner Gewalt zu haben und zwingt so Ben dazu gegen seine Kämpfer anzutreten. Sollte es Bens Kämpen, dem Paladin, gelingen, alle sieben zu besiegen, so würde Rydall abziehen und Mistaya freilassen, wenn nicht…

-Eine Krähe mit roten Augen saß auf einem Ast in der gewaltigen, alten Eiche – dort, wo das Laub am dichtesten war – und blickte zu den Menschen hinab, die sich auf der sonnigen Lichtung zu einem Picknick versammelt hatten.-
Mistaya

Familie Holiday hat Nachwuchs bekommen: Tochter Mistaya erweitet den Kreis der üblichen Verdächtigen, außerdem kommen noch Rydall und Poggwydd, ein G’Heim Gnom, hinzu. Seine Rolle ist zwar ähnlich wie die von Filip und Sot, nämlich die Situation mit etwas Humor aufzulockern, aber deutlich weniger albern und dafür tragischer. Ein netter Ansatz, wenn auch nur in engen Grenzen ausgeschöpft.
Mistaya ist ein eigenartiges Wesen und schwer zu beurteilen – sicher, sie gibt kein glaubwürdiges Menschenkind ab, aber sie ist auch als Schote auf die Welt gekommen, wer das akzeptieren kann, kann (vielleicht) auch den Rest akzeptieren.
Mit Mistaya soll wohl das Erwachsenwerden und die Versuchung (durch den Teufel, die Dunkle Seite der Macht, Willenschwäche, oder welches Konzept auch immer der Leser dafür verantwortlich macht, wenn er sich nicht so verhält, wie er es sollte) thematisiert werden. Da die Versuchung aber nicht plastisch genug ist, bleibt dieses Unterfangen eher oberflächlich.
Nightshade (früher: Nachtschatten) ist dieses Mal ebenfalls eine zentrale Gestalt. Schön ist das Kapitel “Nightshades Geschichte” in dem sie Mistaya diese erzählt und damit Einblick in ihren Charakter gewährt, aber leider bleibt es dabei und so erhält man den Eindruck, der reduzierte Charakter der Wirrkästchen-Episode (vgl. Das Zauberlabyrinth) sei komplexer.
Ben Holiday ist die dritte zentrale Figur, doch hier ergibt sich wenig; es wird häufig erwähnt, daß der Paladin Ben brutalisiere, doch es scheint eher, als ob Ben den Paladin zivilisiere.

Generell läßt sich über die Charaktere sagen, daß Brooks beginnt, ihnen mehr Tiefe zu verleihen, sie aber immer eindimensional und vorhersehbar handeln läßt. Die aufgezeigten Schwächen bleiben immer ohne Wirkung.

Die Geschichte ist der Form nach an eine Queste angelehnt, verbunden mit Nightshades Rachefeldzug und den Versuchungen Mistayas und Abernathys. Insgesamt eher durchschnittlich, weder sind die Episoden besonders originell, noch handwerklich gut gelungen, stellenweise nicht einmal zur Gänze einleuchtend.
Einzig der Schreibstil Brooks hat sich etwas verbessert; die eigenartigen alltagssprachlichen Einwürfe bleiben zwar aus, aber ein Sprachmagier ist er immer noch nicht geworden.
Bemerkenswert ist noch das beinahe komplette Ausbleiben des Slapstick-Humors. Questors Zaubersprüche gelingen beinahe immer und scheitern nie auf alberne oder groteske Weise. Auch Poggwydds Auftritt ist erheblich ernster als die von Filip und Sot.
Die Übersetzung weist etliche Flüchtigkeitsfehler auf; da wird aus einer Anwesenheit eine Abwesenheit (S. 61) oder aus der Erdmutter eine Erbmutter (S. 97) etc. Die Namen werden wie im Zauberlabyrinth ‘übersetzt’ mit Ausnahme von Elderew, welches jetzt wieder Eldero (wie auf der Karte) heißt.
Hexenzauber ist zwar etwas besser als der direkte Vorgänger, aber weit von Königreich zu verkaufen oder Das schwarze Einhorn entfernt.

Cover des Buches "The High Lord" von Trudi CanavanSonea hat viel in der Magiergilde gelernt und die anderen Novizen behandeln sie nun mit neidischem Respekt. Doch sie kann nicht vergessen, was sie im Kellerraum des High Lord gesehen hat und auch nicht die Warnung, dass der alte Feind des Reiches wieder an Macht gewinnt. Als Sonea mehr herausfindet, beginnt sie an den Worten ihres Gildenmeisters zu zweifeln. Könnte die Wahrheit wirklich so schrecklich sein, wie Akkarin behauptet, oder versucht er sie in seine dunklen Machenschaften hineinzuziehen?

-In ancient Kyralian poetry the moon is known as the Eye. When the Eye is wide open, its watchful presence deters evil – or encounters madness in those who do wrong under its gaze.-
Chapter 1 – The Message

Zum ersten Mal in der Trilogie steht mehr im Mittelpunkt als nur Soneas persönliches Schicksal. Schwere Entscheidungen liegen vor ihr, denn wenn Akkarin die Wahrheit sagt, dann ist ganz Kyralia in Gefahr.
Ein weiteres Mal beweist Trudi Canavan ihre Gabe, mit Charakteren umzugehen und so schafft sie es diesmal, auch dem bisher so düsteren und undurchschaubaren Akkarin eine gute Portion Menschlichkeit einzuhauchen.

Band drei beantwortet nicht nur alle Fragen, die sich in den ersten beiden Teilen ergaben, sondern auch einige neue und schließt letztendlich alle Handlungsfäden ab.
Allerdings scheinen nun auch das erste Mal Mängel in der Planung der Autorin erkennbar zu sein. So erfüllen manche der Objekte und Personen letztendlich anscheinend nur den Sinn, einige weitere Zeilen zu füllen, was sich auf das Buch als ganzes jedoch nicht negativ auszuwirken vermag.
The High Lord ist ein gelungener Abschluss der Trilogie, und da das Ende bis zuletzt ungewiss bleibt, verspricht der Roman Spannung bis zur letzten Seite.

Cover des Buches "Das Hohe Haus" von James Stoddard Carter wächst als Sohn von Lord Ashton Anderson in dem geheimnisvollen alten Herrenhaus Abendsee auf. Seine glückliche, wenn auch durch den Verlust der Mutter etwas einsame Kindheit verbringt er mit dem skurrilen Personal des Hauses. Jedoch wird der Friede durch die Präsenz seiner Stiefmutter, der kalten und intriganten Lady Murmur, getrübt. Carter wird der Obhut von Freunden Lord Ashtons anvertraut, da der Verbleib in Abendsee zu gefährlich für ihn wird. Jahre später kehrt er in Begleitung des jungen Anwalts William Hope zurück und versucht die Geschäfte seines Vaters zu übernehmen, doch Gefahr und Verantwortung sind groß, denn er weiß, dass Abendsee weit mehr als nur ein verwinkeltes englisches Landhaus ist.

-Das Hohe Haus, Abendsee, das seine Giebeldächer zwischen den großen Hügeln erhebt, die eine Landschaft voller Efeu, Rotdorn und Brombeersträuchern überragen, deren Früchte so süß und klein sind wie die Fingerspitze eines Kindes, das Hohe Haus haben normale Sterbliche nur selten gesehen.-
Ein großes Haus

In der Fantasy spielt der Schauplatz eine eigenständige Rolle. Dies versichert uns George R. R. Martin, und wer jemals in Westeros, Mittelerde, Hogwarts oder Narnia gewesen ist (andere mögen an dieser Stelle Zamonien, Gormenghast, Glorianas Schloss oder New Crobuzon einfügen), der wird ihm lebhaft beipflichten. Dieser Satz trifft auf wenige Fantasies so stark zu wie auf Stoddards Debütroman.

Abendsee, das Hohe Haus, ist der eigentliche Star dieser Geschichte. Es macht einfach Spaß, sich in seinen Räumen und Fluren aufzuhalten. Es vermittelt dem Leser das warme Kribbeln im Unterleib, das man nur dann empfindet, wenn man es sich in einem vertrauten, gemütlichen Zimmer bequem gemacht hat, und den angenehmen Schauer, der einem den Rücken hinunterläuft, wenn man ein labyrinthisches Schloss oder eine alte Bibliothek erkundet.
Von außen sieht Abendsee wie ein ganz gewöhnliches Herrenhaus mit leicht verwunschener Atmosphäre aus, das sich mit seinen Türmchen, Galerien, Wasserspeiern und Bogenfenstern als architektonisches Durcheinander präsentiert, doch im Inneren birgt es Flüsse, Fürstentümer und Ozeane, Urwälder und Agrikulturen. Enge Korridore und Geheimgänge wechseln sich mit majestätischen Hallen ab. Mal trifft man monatelang kein lebendes Wesen, wenn man seine Zimmerfluchten durchstreift, mal bereist man dichtbevölkerte Reiche. Auf den Dachböden hausen Drachen und in den Kellern Raubtiere, die sich als Möbel tarnen. Es gibt Salons, in denen tropische Vegetation alles überwuchert, Flure, in denen über Meilen der Nebel wabert, Säle, in denen Märkte abgehalten werden, und Innenhöfe, auf denen Getreide kultiviert wird. Gelegentlich haben sich skurrile Gesellschaftssysteme entwickelt – so genießen in Gegenden mit Dielenböden und hölzernen Geländern und Wandverkleidungen die Feuerwehrleute das höchste Ansehen, während anderswo die Kaste des häuslichen Reinigungspersonals sogar die Regierung stellt.

Die Handlung scheint im viktorianischen England zu spielen. Es könnte sich aber auch um einen gewollten Anachronismus handeln, da Stoddards wohl größtes Vorbild, George MacDonald, in dieser Zeit lebte. Abendsee selbst liefert in dieser Hinsicht kaum Anhaltspunkte, da sich hier Ritterheere bekämpfen, während anderswo Männer in Hüten und dunklen Mänteln mit Pistolen und Messern aufeinander losgehen. In der Tat macht gerade auch dieses kunterbunte Durcheinander den Reiz der Geschichte aus.
Der Plot selbst ist, wie bei vielen Fantasyromanen, eine geradlinige Abenteuergeschichte mit Ansätzen zum Entwicklungsroman. Carter und seine Verbündeten bekämpfen die Gesellschaft der Anarchisten, deren Ziel – Bescheidenheit ist ihre Sache nicht – die völlige Vernichtung des Universums ist. Wer hier konservative Instinkte wittert, liegt ganz richtig: Die traditionellen Staatssysteme der verschiedenen Reiche von Abendsee sind stets volksnah und sinnstiftend, während die Anarchisten verantwortungslose Brandstifter und Hetzredner sind, berauscht von ihrer eigenen Machtgier und Zerstörungswut. Da aber die Absicht der Anarchisten keineswegs wie im politischen Anarchismus die Errichtung einer herrschaftsfreien Gesellschaft ist, sollte man die politische Lesart nicht überstrapazieren. Allenfalls ließe sich sagen, dass “Gesellschaft der Nihilisten” vielleicht ein passenderer Name gewesen wäre, da eher den Zielsetzungen dieser Bösewichter entsprechend.
Auffällig ist, dass Stoddard auf explizite Sex- und Gewaltdarstellungen vollständig verzichtet und sich somit von vielen zeitgenössischen Fantasyautoren stark abhebt. Tiefgehende Charakterzeichnungen sucht man außer bei der Hauptfigur vergeblich, herauszuheben ist aber auf jeden Fall, dass Stoddard dem Gros der Fantasyautoren stilistisch überlegen ist.

Das Hohe Haus ist eine Hommage an die Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger von Lin Carter herausgegebene Reihe Ballantine Adult Fantasy, in der stilbildene Werke von AutorInnen wie Lord Dunsany, Poul Anderson, Hope Mirrlees, George MacDonald, James Branch Cabell und Joy Chant erschienen. Unter diesen sind auch Stoddards Vorbilder zu suchen, und entsprechend steckt Das Hohe Haus voller Anspielungen und Querverweise, die auf liebevolle Art in den Roman integriert wurden, so dass niemals die Eigenständigkeit unter der Größe der Vorbilder leidet.

Der trügerische Frieden in den Benannten Landen ist nur von kurzer Dauer; zu hoch war der Preis, der dafür gezahlt wurde. Als ein Anschlag auf Jin Li Tam und ihren Sohn verübt wird, erkennt Rudolfo, dass er es mit noch mehr Feinden zu tun hat, als er geahnt und gefürchtet hat. Doch auch in den Ödlanden werden Steine ins Rollen gebracht, die scheinbar nicht aufzuhalten sind. Und so verstricken sich uralte Pläne mit jetztzeitigen Ängsten, und die Kriege an unzähligen Fronten drohen, jederzeit zu eskalieren…

Der aufgehende Vollmond tauchte das ruhige Meer in blasse Blau- und Grüntöne, übergoss das Ufer und auch die Gestalten in Talaren, die dort im aquamarinfarbenen Licht warteten. Über ihnen tanzten und funkelten die Sterne am warmen Nachthimmel.
– Vorspiel, S. 7

Musik zwischen Bücherdeckeln gehört sicher nicht zu den alltäglichen Leseerfahrungen, doch mit Hohelied erschien nunmehr die dritte Strophe der Legende von Isaak von Ken Scholes. Anders, als es der Titel suggeriert, handelt es sich jedoch weniger um ein Liebeslied, sondern um einen wechselvollen Gegengesang von Hoffnung und Verzweiflung, von tiefem Glauben und dem noch tieferen Fall beim Verlust desselben. Denn in den Benannten Landen ist ein jeder gezwungen, sich der Gretchenfrage zu stellen: Rudolfo, Winters, Isaak: Wie habt ihr’s mit der Religion?

Die Beantwortung dieser Frage ist ein zentraler Handlungsmotor des Werkes und seiner Figuren. Während die Benannten Lande in Intrigen und Scharmützeln versinken, tobt auch im Inneren der Gesinnungskrieg. Religion vermischt sich mit Mystizismus, Metaphysik wird zur Wissenschaft und Träume wiegen plötzlich schwerer als die Realität. Inmitten dieser fundementalen Ungewissheiten findet sich der Leser wieder; und wer genau liest, erahnt auch in Hohelied die zahlreichen Verfremdungen der christlich-abendländischen Kulturgeschichte. Ohne diese Deutungsebene ist es ein lediglich spannungsvoller Roman; berücksichtigt man sie jedoch, bekommt er aktuelles Gewicht. Wenn Jin Li Tam mit ihrem Sohn durch ein Spalier von Tannenzweigen schwenkenden Gläubigern reitet, um sich in die sprichwörtliche Höhle des Löwen zu begeben, dann ist dies keine so hoffnungstiftende Szene, wie das palmenblättrige Original.

Die Vaterrolle, die im zweiten Band, Lobgesang, eine zentrale Thematik war, verlagert sich in Hohelied auf eine abstraktere, weniger greifbare, aber nicht weniger spannende Ebene: Charles, der Androfranziner-Mönch und Gelehrte, der die Mechoservitoren schuf, sieht sich mit der “Mensch-Werdung” seiner Maschine konfrontiert. Denn während der Feind im Namen seines Glaubens zum Unmensch wird, beginnt Isaak, der Mechoservitor aus Metall und Zahnrädern, zu träumen. Die Sorge, das eigenen Kind nicht schützen zu können, eint bald den Zigeunerkönig und den Gelehrten und bestimmt ihr Handeln. Scholes nähert sich diesem Konflikt feinfühlig und scheut sich nicht, den strahlenden Gecken des ersten Bandes, Rudolfo, den Zigeunerkönig, zu demontieren. Was tut ein Mann, der sich seines Glaubens, seiner Lieben und der Einigkeit seines Volkes beraubt sieht? Rudolfos Antwort auf seine Verzweifelung mag nicht königlich erscheinen, ist jedoch zutiefst menschlich und beweist die Sensibilität des Autors bei der Charakterzeichnung.

Doch nicht nur Rudolfo wird auf das Härteste geprüft; als Meister der Charakterentwicklung schreibt Scholes den Figuren einen Weg, der qualvoll authentisch ist und keine Zugeständnisse an Klischees zulässt. Seine Konsequenz macht aus dem Roman eine Lektüre, die bedrückend und virtuos zugleich ist. Die Komplexität seines Weltentwurfs spiegelt sich vor allem und in den verschiedenen Lehren wider, die nicht nur die Protagonisten, sondern auch den Leser herausfordern. Nicht selten fühlt man sich an die eigene Lebenswirklichkeit erinnert; besonders Titel wie “Zar” oder “Papst” sowie seltsam vertraut-entrückte Visionen erwecken zunehmend den Anschein, dass die Benannten Lande mit der Welt, die wir kennen, einst verwandt waren.
Freunde der Rätselei werden also auch in Hohelied viel Stoff für angestrengte Überlegungen finden; jedoch wird auch der klügste Kopf überrascht werden von dem Muster, welches Scholes bereits vom ersten Band an geknüpft und sorgsam sowie wohltönend komponiert hat.

Staatsgrenzen, Grenzen zwischen Religionen, die Unterscheidung in Freund und Feind: In den Benannten Landen verlieren klare Definitionen ihren Sinn und ihre Gültigkeit. Wenn sich uralte Mächte einmischen, so weiß der Fantasy-Kenner, müssen sich diejenigen, die sich derzeit für mächtig halten, auf einen Rückschlag gefasst machen. Und an Rückschlägen mangelt es in Hohelied wahrhaftig nicht. Umso herber trifft den Leser der Schluß des Romans, der das Warten bis zum Erscheinen des nächsten Bandes eindeutig zur Geduldsprobe werden lässt. Denn die wunderschöne Sprache, die feinstens ausgefeilte Handlung sowie die Hintergründigkeit des Romans erzwingen eindeutig eine Erwiderung.

The Hounds of Ash von Greg KeyesFool Wolf, ein von seinem Stamm ausgestoßener verhinderter Schamane, der sich nun als Krieger, aber vor allem als Betrüger durchschlägt, hat ein Problem mit seiner Totemgöttin: Wann immer er die unberechenbare Chugaachik anruft, übernimmt die wilde Göttin seinen Körper und richtet gegen seinen Willen verheerende Blutbäder und Übleres an. Obwohl Chugaachik ihn unüberwindbar macht, ist Fool Wolf darauf aus, sie loszuwerden, doch das gestaltet sich schwierig und führt ihn von einem Abenteuer ins nächste, zu wunderschönen Frauen, bösen Zauberern, zu Riesen und Dämonen, wobei er nicht immer vermeiden kann, in brenzligen Situationen auf Chugaachiks Hilfe zurückzugreifen.

-Fool Wolf glared angrily at the ghost of his father.
“Quit telling Yellowhammer what to do”, he snapped, trying in vain to turn his horse’s head back the way it had pointed.-
Wakes the Narrow Forest

Einen Schamanen-Versager namens Fool Wolf, der sich, verfolgt vom Geist seines ehrgeizigen Vaters, mehr schlecht als recht durch die Welt schlägt, muß man sich natürlich unbedingt näher ansehen, sobald er am Lese-Horizont auftaucht. Doch es kommt ganz anders und nicht halb so vordergründig komisch, wie vielleicht erwartet: Fool Wolf ist eigentlich ein schlaues Kerlchen und könnte direkt einer Geschichte von Fritz Leiber entsprungen sein – der Möchtegern-Schamane von den Mang, einem halbnomadischen Reitervolk der Prärie, ist unterm Strich eher Dieb, Betrüger und charmanter Frauenheld, dem das Schicksal in Form seiner abgrundtief bösen Totemgöttin übel mitgespielt hat. Sie weiß sein Glück so effektiv zu verhindern, daß ihm nichts anderes übrig bleibt, als auszuziehen und zu versuchen, die unerwünschte Verbindung zu lösen, und dieser Zweck heiligt fast alle Mittel, denn Fool Wolf ist sich immer selbst der Nächste. Daß dieser Antiheld das Herz trotzdem am rechten Fleck hat, zeigt die Tatsache, daß er die beeindruckende Macht der Gottheit niemals wollte – er kennt ihren Preis zu gut.

Über diese und noch einige Hintergründe mehr wird man in der ersten Geschichte Wakes the Narrow Forest aufgeklärt, die gleichsam eine Einführung in Figuren und Situation ist und vor allem mit leisen Zwischentönen glänzt.
Außerdem lernt man hier auch die Prinzipien des ausgesprochen phantasievollen Settings kennen, eine Art alternatives präkolumbisches Amerika, in dem die Götterwelt mit ihren großen und kleinen Gottheiten und Dämonen gleich unter der Oberfläche lauert, und der Held durch seinen Sonderstatus eigentlich stets schon mit einem Fuß mitten in diesem (Alp-)Traum-Reich steht. Greg Keyes, um den es in letzter Zeit sehr still geworden ist (er ist momentan wohl ausschließlich im Bereich der Game-tie-ins tätig), hat sich mit diesem phantastischen Amerika ohne koloniale Einflüsse einem Lieblingsthema zugewandt, das er schon in seinem ersten Roman The Waterborn (dt. Aus Wasser geboren) behandelt hat, und man merkt dem prächtigen Entwurf an, daß der Autor mit Herz und Seele bei der Sache ist (und als Anthropologe auch weiß, was er tut).

Diese Kurzgeschichten-Sammlung entführt in weite, unbekannte Teile der Waterborn-Welt: Das Prärieland von Fool Wolfs Stamm lernt man dabei nur noch als ferne Erinnerung kennen, denn die Abenteuer führen ihn erst in den düsteren Norden, dann in den farbenprächtigen Süden seines Kontinents. Von einer Karl-May-Idylle könnten Fool Wolfs Jagdgründe nicht weiter entfernt sein – hin und wieder kommen Anklänge an meso-amerikanische Kulturen auf, aber Vieles ist auch völlig eigenständig, oder hat man schon einmal von indigenen Völkern gehört, die Wolkenkratzer bauen? Menschenleere Wälder stehen neben lebendigen Metropolen, deren Existenz sich in dieser magiedurchwirkten Welt nicht selten auf einem Handel mit einem der vielen Götter gründet, und damit auf tönernen Füßen steht, sobald Fool Wolf mit seiner nicht ganz unbedeutenden Göttin seine Aufwartung macht.

Die Geschichten selbst sind abenteuerliche, kleine Juwelen, vom Geist der Sword & Sorcery durchweht, in denen sich Fool Wolfs ganze trickreiche Brillanz offenbart, aber auch die Abgründe seines Totems deutlich werden, bis es in der dreiteiligen, fast schon als Novelle durchgehenden Finalgeschichte The Hounds of Ash dann richtig zur Sache geht, indem alle vorherigen Figuren und Ereignisse zu einem großen, beeindruckenden Mosaik zusammengebracht werden.
Neben vielen Überraschungen und Wendungen in jeder Geschichte sorgt vor allem der launige Humor für Abwechslung – auch in übelsten Lagen ist Fool Wolf nie um einen trockenen Spruch verlegen, und trotz seines bedrückenden Totems verliert er kaum je die Zuversicht und ist allzeit bereit für aberwitzige Rettungsversuche und unkonventionelle Lösungen. Ein Glanzstück, das den schmalen Grat zwischen Düsternis und Heiterkeit hervorragend meistert, ist The Fallen God, in dem Fool Wolf in einer Stadt mit einem grausamen Blutkult den edlen Helden Uzhdon trifft, den “Opal von Nah”, der mit seiner unumstößlichen Rechtschaffenheit zur Heldenkarikatur und zum leichten Opfer für den Trickster-Helden wird.

The Hounds of Ash und die restlichen Geschichten von Fool Wolf sind eine vergnügliche, kurzweilige Lektüre, nach deren Beendigung man sich eigentlich nur wünschen kann, Greg Keyes würde noch viele Male zu seinem unbekümmerten Antihelden zurückkehren, denn er weiß offenbar sehr wohl, wie man die Totemgötter der Pulp- und Abenteuer-Literatur beschwört.

Cover von Im Land der Affenmenschen von Jane GaskellNachdem Cija durch eine lange Seereise aus Atlantis flüchtete, kommt sie in einer unbekannten Stadt an. Der Kapitän des Schiffes beschließt, die Bordkasse etwas aufzubessern und Cija in ein Bordell zu verkaufen, aber der Schiffsjunge Aal hilft ihr zu entkommen und bringt sie im Bordell seiner Mutter unter. Cija erkennt schnell, daß Prostitution sie endgültig zerstören würde. Doch sie hat Glück im Unglück, denn ihr erster Freier ist ein romantischer Junge, der ihr zusammen mit seinen Kumpels eine weitere Flucht ermöglicht und seine Mutter davon überzeugt, sie und ihre Tochter im Haushalt aufzunehmen. Dort lebt sie für eine Zeit zufrieden, bis sie feststellt, daß sie in ihrer Geburtsstadt angekommen ist und ihr Vater, der Hohepriester, verzweifelt nach ihr sucht – um sie zu töten…

-Ein hochgewachsener Seemann trug mich auf die Uferstraße.-
Das kalte kleine Freudenhaus

Das Geschehen trägt sich ausschließlich in der namenlosen Stadt von Cijas Geburt und dem umliegenden Dschungel zu. Im Gegensatz zu den Vorgängerbänden wird die Umgebung kaum geschildert. Die Stadt ist heruntergekommen, denn in den letzten Jahrzehnten wurde sie wiederholt geplündert und seitdem der König des Nordreiches Zerd ausschickte, wurde es besonders schlimm. Die Stadt hatte niemals viele Steinbauten, aber nach den letzten Besetzungen besteht sie fast nur noch aus Holz- und Strohhütten. Dominiert wird die Stadt im doppelten Sinne vom Tempel – zum einen ist da das monumentale Bauwerk und dann die omnipräsente Priesterschaft. Sie ist verhaßt – aber auch so sehr gefürchtet, daß die meisten Opfer ohne Gegenwehr mitkommen. Und Opfer gibt es viele, denn die Götter verlangen danach. Ganze Plätze sind mit den Überresten von unliebsamen Bewohnern, die den Opfertod starben, übersät. Aber nicht nur die Gewalt der Priester verunsichert die Stadt – Adlige feiern Orgien, bei denen die auf der Straße gefangenen Frauen schlimmstes zu erwarten haben; Kriminelle, Bordellwirte und Sklavenhändler sind keineswegs zimperlicher. Die Gesellschaft erinnert entfernt an die der Azteken. Die Schilderungen lassen bisweilen ein leichtes Gefühl von Urbanität aufkommen.

Die magischen Elemente sind offensichtlicher und gewöhnlicher als früher. Cija hat einen Schutzzauber gelernt, die Priester nutzen zuweilen welche, eine Unsterbliche demonstriert ihre Macht, es gibt Affenmenschen, Geister und Dinosaurier. Gaskell bietet eine bunte Palette; es paßt zwar alles zum Setting, wirkt z.T. unausgereift und aus bloßem Selbstzweck eingeworfen – etwas uninspiriert, wenn auch mit einigem Geschick umgesetzt.
Cija ist wieder die zentrale Figur; die ehemalige Göttin ist weit herum gekommen und heruntergekommen. Sie will keinen Mann mehr, sie will keine Intrigen in feinen Palästen mehr, sie will nur noch in Frieden ein einfaches Leben führen und sich um ihre Tochter Seka kümmern (wenngleich es Cija nicht besonders stört, als sie diese bei ihrer Pflegefamilie zurücklassen muß). Das ist alles ohne weiteres nachvollziehbar – wenn man ihre Vorgeschichte kennt. Ein paar mehr Erläuterungen wären hier hilfreich gewesen. Cija ist ein wenig aktiver als in den Vorromanen, aber immer noch eine ungewöhnlich passive Figur – da aber die Handlung rascher voranschreitet, bemerkt man dieses nicht so sehr. Es treten ein paar bekannte Figuren – wie Zerds stumme Tochter Seka, Cijas inzestuöser Halbbruder und Liebhaber Smahil und Cijas göttliche Mutter – und einige neue Gesichter – wie Bronza und Urga, die kecken Schwestern des romantischen Jungen, der Cija aus dem Bordell rettet, und der Rest ihrer bodenständigen Familie, der einfache Affenmensch Ung-g, bei dessen Stamm Cija eine Zeit lang lebt, und der mächtige und korrupte Hohepriester, Cijas Vater, der sie dringend töten will – neben etlichen anderen auf. Insgesamt sind die Figuren einfacher, aber kräftiger charakterisiert – Cijas Verhältnis zu Smahil wird z.B. auf deren Liebesbeziehung reduziert.

Cija führt ihr Tagebuch weiter, aber die alltäglichen Einträge sind mittlerweile fast komplett verschwunden. Rasant gerät die junge alleinerziehende Mutter von einem Abenteuer ins andere. Auch wenn sie immer das potentielle Opfer ist, kann sie häufig vor dem Schlimmsten durch eigenes Handeln oder fremde Hilfe fliehen.
Die thematisierte Sexualität ist allerdings etwas befremdlich; im Bordell wird darüber diskutiert, ob es das kalte Bett unter dem Fenster oder ob es “[…] der Fick mit dem Esel [war], der [die Prostituierte] so fertiggemacht hat.” (S. 346) Später hat Cija Sex mit einem der Affenmenschen. Auch Zwangsprostitution wird angerissen. Doch die Themen werden nicht tiefer behandelt und scheinen eher grelle Aufhänger als ernsthaft behandelte Phänomene zu sein. Es fehlt ihnen sehr stark an eindringlicher Schilderung, um so verstörend wie die Vorgänger zu sein.
Im Land der Affenmenschen ist der 4. Band des Zyklus’ um Cija, und man merkt es sehr deutlich. Die Erzählstränge, die aus den ersten drei Bänden in diesen hineinreichen, werden kaum erläutert, vielfach fehlt es so an Tiefe: Es sollte ein Schock sein, wenn sich herausstellt, daß die namenlose Stadt Cijas Heimatstadt ist – wie soll sich dieser aber ohne das Vorwissen einstellen? Es lohnt sich nur diesen Band zu lesen, wenn man wissen will, wie es mit der kleinen Göttin weitergeht, denn einige Stränge werden hier zuende gebracht, andere bleiben allerdings noch offen. Sonst wird man von einer halbtrivialen, halbverstörenden Abenteuergeschichte aus der Opferperspektive “unterhalten.”
Gaskells Stil ist rund und poliert, die Geschichte läßt sich flüssig lesen und die Wortwahl ist zumeist treffsicher, wenngleich sie bisweilen zum Vulgären neigt. Aber der Stil unterstützt die Tagebuch-Fiktion überhaupt nicht mehr.

Cover von Im Reich der Atlantiden von Jane Gaskell Cija ist die Gemahlin des Feldherren Zerd, der mit einem Heer unerwünschter Bürger des Nordreichs auf eine Selbstmordmission geschickt wurde. Er ist der Renegat, dem es gelang sich auf den Thron von Atlantis zu setzen. Cija ist nun seine Kaiserin, doch schon zu Friedenszeiten ist deren Beziehung problematisch. Als aber das Heer des Nordreichs mit Sedili, Zerds erster Gemahlin, an der Spitze und dann das Heer der Waldmenschen unter der Führung Laras, Zerds zweiter Gemahlin, in Atlantis landen, gegen die Zerd nur noch die Reste seines alten Heeres setzen kann, muß Cija aus dem Weg – zumal sie einen Bastard gebar, der Zerd so unähnlich sieht…

-Als ich zwanzigtausend einsame Meilen weit gewandert war, hörte ich hinter mir den Reiter.-
Die Straße

Das Geschehen findet auf dem prähistorischen Kontinent Atlantis statt, welches Zerd im Band Der Drache “erobert” hatte. Atlantis selbst hat zwei Gesichter: Zum einen ein Gewöhnliches mit einsamen Herbergen in der Wildnis, die als Bordell fungieren, Bauern, die Rüben anpflanzen, umherstreunenden Wegelagerern und gefährlichen Tieren in den weiten Wäldern – diese Seite unterscheidet sich nicht wesentlich vom Nord- oder Südreich. Der Alltag ist überall vom sozialen Stand abhängig, sonst aber gleich. Die Darstellung Atlantis’ erinnert mich vage an die minoische Palastkultur.
Daneben existiert aber noch ein altes, mystisches Atlantis: Die Tiere in den Wäldern sind nicht bloß tumbe Dinosaurier oder Mastodonten, es gibt auch gewaltige Wölfe, die etwas Geheimnisvolles an sich haben und Teil einer größeren Gemeinschaft sind, es gibt Atlantiden, die besser unterrichtet sind, als es scheinbar möglich ist, einige haben sonderbare Fähigkeiten, so tritt der Flötenspieler wieder auf und eine Hexe weiß über Tränke gut bescheid. Diese magischen Elemente sind nur schwer zu greifen und niemals genau einzuschätzen – eine originelle und durchaus gelungene Darstellung. Von der alten, fortschrittlichen Wissenschaft ist nicht mehr viel geblieben, es tritt aber ein alter Gelehrter auf, der Frankensteins Monster zu schaffen vermag. Diese Passagen sind zwar unangenehm zu lesen, das Vorbild ist aber zu deutlich zu erkennen.

Als Autorin des Tagebuchs, in dessen Form die Geschichte verfaßt ist, steht Cjia erwartungsgemäß im Mittelpunkt. Sie ist keine aktive Figur; zumeist reagiert sie nur auf veränderte Umstände, selten zeigt sie echte Initiative – die dann für gewöhnlich schnell scheitert. Ihr Verhalten paßt dazu: Entweder versucht sie zu flüchten oder sie bemüht sich anzupassen, die Lage zu ihren Gunsten zu verändern versucht sie nie. Viel Raum wird dem Gefühlsleben Cijas gewährt, welches bisweilen recht verwirrend ist. Zu Beginn taucht ihr Halbbruder Smahil kurz auf. Ihre Gefühle ihm gegenüber sind zwiespältig – sie erinnert sich an die inzestuöse Geborgenheit, welche die Beiden teilten und liebt ihn dafür, gleichzeitig verabscheut sie ihn, sich und das Kind, das aus dieser Beziehung hervorgeht, dafür. Auf die vielen Grausamkeiten, die er ihr antat, wird kaum Bezug genommen. Eigenartig ist auch, wie sie ihr feindlich gesonnenen Leuten noch in den absurdesten Situationen  gefällig sein will – Cija, so scheint es, hegt niemals Rachegedanken. Nun gibt es derartige Personen wohl, aber es gelingt der Autorin nur begrenzt, dieses nahezubringen. Ihr Gemahl Zerd, der Kaiser von Atlantis in prekärer Situation, den sie zugleich liebt und verabscheut; ihre zwei Kinder Nal, der Sohn Smahils, und Seka, die Tochter Zerds, die sie beide auf distanzierte Weise liebt; Wahnsinnsfaust, ein atlantischer Räuber, den sie irgendwie anziehend findet, Narbe, ein Strolch aus ihrem Gefolge, den sie verabscheut und Sedili, Zerds erste Gemahlin, die sie zugleich verehrt und haßt, neben weiteren. Die Figuren sind alle ambivalent, keiner ist bloß gut oder böse – dieses läßt sie aber nicht immer plausibel handeln. Hier sei ein Wort der Warnung gesagt: Cija ist eine unzuverlässige Erzählerin, je nach Stimmung bewertet sie die Dinge unterschiedlich. Manchesmal mag das unplausible Verhalten auch dem Unvermögen Cijas die Personen richtig einzuschätzen geschuldet sein.

Von einem Plot läßt sich in dieser Geschichte nur begrenzt sprechen, da Cija eine ungewöhnlich passive Figur ist, die für gewöhnlich bloß auf veränderte Umstände reagiert. So wird sie schließlich von den Handlungen Anderer und zufälligen Ereignissen umhergetrieben. Es ist eine Odyssee durch die Schattenseiten von Atlantis aus der Opferperspektive. Nur wer die Darstellung des massiven Leidens von Hauptfiguren schätzen kann, sollte sich hier herantrauen – wem Frodos Qualen zu penetrant waren, der sollte einen großen Bogen um Cija machen – sie wird verprügelt, vergewaltigt und immer wieder gedemütigt. Die Zufälle nehmen einen ähnlich großen Raum wie in der ersten Geschichte ein, nur wird dieses Mal Cijas Göttlichkeit nicht bemüht – eine bessere Aufklärung gibt es aber auch nicht. Es mangelt deutlich an plausiblen Verknüpfungen der Ereignisse. Das offene und unbefriedigende Ende paßt zur Geschichte. Der Leser bleibt oftmals im Unklaren, manches Mal ist das vorteilhaft – wie bei den magischen Elementen, vielfach jedoch eher lästig. So fragt sich der Leser, warum das erste Kapitel von Narbe erzählt wird oder was aus Juzd geworden ist. Es bleibt im Dunkeln. Ärgerlich ist auch, das der dritte Teil nicht sauber an den zweiten anknüpft. An dessen Ende hatten Zerds Soldaten der mächtigen Reiche im Norden und Süden bezwungen, am Anfang dieses Teils aber ist das Südreich plötzlich bedeutungslos geworden, dafür droht die Armee der Waldstämme, die vormals sehr unorganisiert waren, und die des Nordreiches Zerd zu besiegen.

Wer nun die geteilte erste Geschichte kennt, wird sich fragen, warum er diese Fortsetzung lesen sollte; auch wenn die Handlung schneller voranschreitet, ist die Geschichte nicht spannender, während es in den Vorgängern auch lange Erläuterungen gab, hielten diese den Verlauf nicht auf – hier schildert die Erzählerin sich in einer lebensgefährlichen Situation befindend schon einmal über eine Seite das gepflegte Äußere der Feindin. Auch endet die erste Geschichte deutlich runder. Nur wer ein Interesse an Cija entwickelt hat oder eine werdende bzw. junge Mutter durch ihre Leiden begleiten mag, braucht die Fortsetzung zur Hand nehmen.
Der Stil ist immer noch gut und angemessen, aber viel zu poliert – er klingt weniger nach Tagebuch als nach Roman.

Im Zeichen der Weide von Sharon ShinnDer junge, äußerst talentierte Magier Aubrey will seine Kenntnisse in der Zauberei vervollständigen und die Kunst des Gestaltwandelns erlernen. Sein Lehrmeister weigert sich allerdings, sie ihm beizubringen und verweist ihn an einen Meister dieser Disziplin.
Aubrey macht sich auf in die einsame Gegend mitten im Wald, die der berühmte Magier Glyrenden bewohnt – und trifft in dessen Haus auf allerlei seltsame Gestalten. Ihn fasziniert vor allem Glyrendens junge Frau, die ihren Mann offensichtlich haßt und dennoch an der Seite des charismatischen Magiers bleibt. Während Glyrenden Aubrey ausbildet, entdeckt dieser nach und nach das dunkle Geheimnis das Magiers.

Zu Im Zeichen der Weide liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Intrige der Kaiserin von Sarah ZettelBridget Lederle ist Leuchtturmwärterin. Als ein Boot in Seenot gerät, kann sie den in Not geratenen Mann retten. Valin Kalami stellt sich jedoch als Fremder heraus, als Magier aus einer anderen Welt namens Isavalta. Bridget, die in die Gesellschaft ihrer Heimat ohnehin schlecht integriert ist, entscheidet sich nach einigen Visionen, Valin nach Isavalta zurückzubegleiten. Aber sie geraten in einen Hinterhalt, Bridget wird von Feinden gefangen. Langsam muss sie das intrigenreiche Leben von Isavalta durchschauen und die ihr eigene Magie entdecken, um zu überleben.

-Lighthouse Point, Sand Island, Wisconsin. Um Mitternacht zwischen dem ersten und zweiten November des Jahres 1899 klappten Bridget Lederles Augen von selbst auf, was sie sofort hellwach werden ließ.-

Sarah Zettels Isavalta-Trilogie dürfte vor allem Leser ansprechen, die ein wenig Abwechslung von gewohnten Schemata des Genres suchen, aber trotzdem gerne klassische Fantasy-Geschichten lesen. Auch hier wird – wie schon so oft – ein Mensch aus unserer Welt als prophezeiter Retter in eine magiebetonte Paralellwelt geführt, aber dort entwickelt sich alles ganz anders, als man vielleicht erwartet.
Bridget Lederle, die Protagonistin, ist nicht als Figur konzipiert, die dem Leser den Einstieg in die fremde Welt erleichtern soll, weil sie aus unserer Welt dorthin geht – sie ist im Jahr 1899 Leuchtturmwärterin und auf den Kulturschock, den der Übergang von unserer technisierten Moderne in die Fantasy-Welt meist mit sich bringt, wurde größtenteils verzichtet. Auch wird die Heldin in ihrer neuen Heimat nicht als Retterin gefeiert, und sie verfügt auch nicht über die geeigneten Kräfte – im Gegenteil, sie versteht Sprache und Kultur von Isavalta nicht und ist den Begebenheiten dort hilflos ausgeliefert. Erst nach und nach entfaltet sich ihr Verständnis und ihre Magie, gleichzeitig hat sie eine Traumatisierung zu überwinden, die aus ihr eine unzugängliche, nicht immer verständlich agierende Frau macht, die sich in ihrer Heimat mehr schlecht als recht durchgeschlagen hat – sie ist also in keinster Weise eine Bilderbuchheldin, und es dauert, bis man sich mit ihr richtig angefreundet hat.

Auch die Paralellwelt weiß zu überraschen – kein mittelaltertümelnder Fantasy-Standard, sondern der Fokus liegt auf  einer Fantasy-Version vom zaristischen Rußland (Isavalta) und China und Indien (die beiden verfeindeten Nachbarreiche). Man trifft auf Märchenfiguren wie die Baba-Jaga und viele andere archaische Mächte, die Zettel geschickt in die Geschichte einflicht.
Im winterlichen Reich von Isavalta finden die Machtspiele allerdings vielfach auch hinter verschlossenen Türen statt: Jeder spielt seine eigenen Spielchen und im Netzwerk von Intrigen, in das Bridget als Außenstehende gerät, findet sie sich nicht leicht zurecht. Sogar die Mächte, die Gutes bezwecken wollen, müssen sich harter Mittel bedienen, und jeder Beteiligte in den Machtrangeleien hat eigene, für sich durchaus verständliche Motivationen. Es vergeht viel Zeit, bis Bridget versteht und eigene, nicht immer einfache Entscheidungen treffen kann. Die problembeladene Frau entwickelt nach und nach ihre eigene Form von Stärke, und sie ist nicht die einzige Figur, der von der Autorin so intensiv und stimmig geschildert wird; gerade bei einem Plot, der auf Manipulation beruht, ist das unverzichtbar.

Die Handlung verläuft ruhig und ohne große Actionszenen; die Auseinandersetzungen spielen sich im privaten und nicht im öffentlichen Bereich ab, und sind häufig durch die sehr interessante Magie gekennzeichnet: in Isavalta wird Magisches geknüpft oder gewoben – anhand von Zöpfen, Stoffsträngen und phantasievolleren Ingredienzien.
Allerdings dauert es eine Weile, bis man mit Bridget aus dem verklemmten amerikanischen Fischerstädtchen ins interessantere Isavalta fliehen kann. Und am Ende bleiben gerade wegen der komplexen konstruierten Handlung zu viele Fragen offen, relevante Details werden nur angedeutet, obwohl sie für die Handlung bestimmend sind, wie etwa die Geschehnisse in den Jugendtagen der Kaiserin.
Die Intrige der Kaiserin ist am besten, wenn es um die wohldurchdachten Einzelheiten und das stimmige, originelle Setting geht; Klischees wie eine platte Liebesgeschichte werden auf elegante Weise umschifft. Der Hintergrundplot dagegen kann nicht auf ganzer Linie überzeugen, tritt allerdings auch in der Bedeutung hinter die Entwicklung der Figuren zurück.

Invasion des Feuers von Adrian TchaikovskyCollegium, eine Stadt der Wissenschaft und der Freigeister, ist einer von vielen Stadtstaaten, die mehr oder weniger friedlich unabhängig voneinander existieren. Auf Stenwold Maker, einen Gelehrten, der seit Jahren vor den Eroberungsplänen des sich ausbreitenden Wespenimperiums warnt, hört daher niemand.
Frustriert, aber dennoch unermüdlich hält er sein Netzwerk aus Informanten aufrecht und sucht sich aufgeweckte junge Studenten, die er unter seine Fittiche nimmt und für den Ernstfall ausbildet, unter anderem seine Nichte Che. Als die Wespen tatsächlich ihre Fühler ausstrecken, steht er als einer der ersten auf ihrer Abschußliste.

– Nachdem Stenwold zum neunten Mal das Fernrohr ergriffen hatte, sagte Marius: »Du wirst am Klang erkennen, was sie machen.« –
Eins

Zu Invasion des Feuers liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Invasion des Feuers und Der gepanzerte Spion.

Cover von The Isle of Battle von Sean RussellDas “Land zwischen den Bergen”: Eine mittelalterliche Welt, von mächtigen, ewig streitenden Adelshäusern regiert, mit weiten, unberührten Landstrichen.
The Isle Of Battle setzt sofort ein, wo Band eins aufhört. In einem verhexten Sumpf belauern sich drei Gruppen, die sich aus schon wohlbekannten Figuren zusammensetzen. Währenddessen wird auf der Renneburg die Schlacht um die Insel geplant, die auch geschlagen wird. Außerdem treffen wir einen Bekannten aus Band eins wieder und verfolgen seine abenteuerliche Flucht zu Verbündeten. Wie im vorangegangenen Band ist dies nur der Rahmen, die vielen Figuren haben eigene Beweggründe, so dass sich zig kleine Handlungsfäden zu einem großen Ganzen verweben.

-It was said that the Wynnd was a haunted river – a river of many mysteries and many branches that took man to places none had seen before. A sorcerer was said to sleep in the deep, cool waters (…)-
Prologue

Das Buch und der ganze Zyklus haben mir sehr gefallen, trotz einiger Mängel.
Zu den Mängeln möchte ich auch gleich etwas sagen: Die Geschichte hat ein paar Längen. Es gab Kapitel, in denen ich von gekonnten Beschreibungen von Sümpfen und Hin- und Hergeplansche darin genug hatte. Ebenso ging es mir mit der langen Flucht vor den Häschern des Feindes oder mit dem so furchterregenden Hafydd. Dabei bleibt manchmal der Handlungsfortschritt auf der Strecke. Aber die ausführlichen Beschreibungen haben auch ihre positiven Seiten, denn sie schaffen eine großartige Atmosphäre.
Zudem ist die Riege an Protagonisten so groß, dass manche Figuren überflüssig wirken. Sean Russell hat eindeutig eine Vorliebe für epische Dimensionen.
Aber die Charaktere sind auch ein besonders gelungener Teil der Reihe: Ihre Vielfalt und die verschiedenen Sichtweisen auf eine Situation, die man dabei gewinnt, machen das Ganze interessant. Die Hauptfiguren haben Tiefe und ein bewegtes Innenleben, deswegen fühlt man mit ihnen und schließt so manchen ins Herz. Fröhlich oder entschlossen, von Zweifeln oder Schuld geplagt, in Hass oder Angst: Der Autor schreibt mit Achtung und Verständnis über seine Charaktere. Auch über die Nicht-So-Guten. (Das fand ich besonders gelungen bei Russell. Es gibt beim Lesen nichts Schlimmeres als unfaire oder sadistische Autoren.)

Die Handlung ist ausgesprochen wendungsreich und erfreulich unvorhersehbar. Obwohl die Handlung also eher langsam voranschreitet, sind Kämpfe und andere Action recht häufig, und sie sind spannend und nachvollziehbar beschrieben. Trotz des geruhsamen Tempos endet der Band – wie der erste auch – mit einem ziemlichen Cliffhanger.
Das Besondere an der Reihe ist für mich Russells Talent, denkwürdige Bilder und Situationen zu erschaffen, die den Zyklus zu einem Genuss machen.

Der Kampf des Rabenprinzen von Cecilia Dart-ThorntonTahquil ist die Einzige, die den Schlüssel zu den geheimen Toren zwischen dem Reich der Menschen und dem der Feen besitzt. Der Rabenprinz, dessen Plan einst scheiterte und ihn selbst in die Welt der Menschen verbannte, ist nun auf der Jagd nach Taqhuil, um vor seinem Zwillingsbruder, dem Hochkönig Angavar, zurückzukehren, die Herrschaft an sich zu reißen und seinen Bruder zu töten. Doch der Rabenprinz ahnt noch nichts von dem Geheimnis, welches Taqhuil und Angavar teilen, und davon, dass dieses Geheimnis seinen Sieg endgültig vereiteln könnte.

– Die Qual der Langothe wuchs Tag für Tag. Sie raubte Tahquil zunehmend den Appetit und den Schlaf, die Kraft und die Lebensfreude – und würde ihr letzten Endes das Leben selbst rauben. Dazu kam eine weitere unstillbare Sehnsucht, die sie unerbittlich dem Wahnsinn entgegentrieb, ein aus verzweifelter Liebe geborener Schmerz. Die Gedanken an den einen, der sie verzaubert und in seinen Bann geschlagen hatte, ließen sie Tag und Nacht nicht los, und die Ungewissheit, ob er noch unter den Lebenden weilte, wurde unerträglich. –
Kapitel 3 – Lallillir, Seite 153

Mit Der Kampf des Rabenprinzen (The Battle of Evernight) befördert die Autorin ihre Buchreihe leider endgültig völlig ins Aus. Alles, was den ersten Band sprachlich und storytechnisch so lesenswert und bezaubernd machte, ließ bereits im zweiten Band häufig zu wünschen übrig, aufgrund einer vermehrt dahinschleichenden Handlung und einem leicht erhöhten Schnulzenfaktor. Dieser finale Roman übertrifft darin nun leider nicht nur seinen Vorgänger, sondern auch so manchen Groschenroman – um Längen.

Wer sich noch an die scheinbar endlosen Wanderungen aus Das Geheimnis der schönen Fremden erinnert, der wird in Der Kampf des Rabenprinzen doppelt viel Freude damit haben. Es ist schwer, etwas über die Handlung dieses Romans zu sagen, denn es dauert extrem lange, bis überhaupt irgendetwas Nennenswertes passiert. Das geht los mit einer völlig sinnlosen Wanderung, die mal eben 200-250 Seiten schluckt, nur um dann darin zu gipfeln, dass man die Suche abbricht, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Zäh und nahezu ohne Spannungsmomente wirkt auch die Hauptfigur mit ihren ständig wechselnden Namen die inzwischen so gut wie keine Eigeninitiative, keine Entschlossenheit und auch keine Willenskraft mehr zeigt, und von der ersten bis zur letzten Seite an der herzzerreißenden Langothe leidet – der schrecklichen Krankheit, die den Menschen befällt und unweigerlich zum Tod führt – oder ihrer noch schrecklicheren Sehnsucht nach ihrem Geliebten Dorn. Es ist fast schon wieder amüsant, wie die eine leidvollere Sehnsucht unsere Protagonistin davor bewahrt, an der anderen zu sterben. Schlimmer ist, dass dabei so wenig Stimmung aufkommt, dass einen dieses schier unmenschliche Leiden eigentlich nicht berührt. Die Sätze zeigen keine Wirkung, außer der, dass man auf die Uhr schaut, um die persönliche Langothe mit diesem Buch zu beenden. Unser männlicher Held Dorn legt derweil auch eine zweite Identität an den Tag, und schon wieder hat man jemanden mit drei Namen/Identitäten mehr im Buch. Welche Wonne!

Sicher, die Autorin beherrscht ihr Handwerk und vermag es noch immer, wunderschöne, lebendige Bilder mit ihrer Sprache zu erschaffen, doch das Gesamtergebnis wirkt in diesem Roman wie ein missglückter und bruchstückhafter Textbausatz. Häufig kommt das Gefühl auf, hier wurden Szenen eingesetzt, die in sich wunderschön geschrieben sind, aber auch nur deswegen noch irgendwie in die Handlung hinein gequetscht wurden. Die Charaktere sind stupide geworden, haben völlig überzeichnete Eigenschaften angenommen oder legen restlos unglaubwürdige Reaktionen an den Tag. Die Figur Dorn wird außerdem zu einer zusätzlichen Probe für die eigenen Nerven. Es lässt sich kaum zählen, wie oft erwähnt wird, wie das makellose Gesicht Dorns von den glänzenden Locken seiner schwarzen Haare eingerahmt wird, wie das Haar ihm in sanften Wasserfällen locker über die perfekte Schulter fällt, wie Imrhien/Taqhuil/Rohain/Ashalind vor Begierde zu zittern beginnt und seiner Anziehungskraft nicht widerstehen kann. Das Ganze wiederholt sich wirklich unerträglich oft!
Auch anfängliche Ideen wie das Metall Sildron z.B., welches eine faszinierende Basis für viele interessante technische Entwicklungen hätte sein können, gerät in diesem letzten Band schließlich völlig in Vergessenheit, und man fragt sich, wozu es ursprünglich in die Handlung eingeführt wurde.
Gegen so viele schwere Mängel kommt letztlich auch die lyrische Sprache der Buchreihe nicht mehr an.

Wer noch nicht gänzlich davon überzeugt ist, die Finger von diesem bedauernswerten Buch zu lassen, dem sei noch ein wenig zum längst erwarteten Endkampf gesagt (keine Spoiler): Es gibt selten Momente, in denen ein finales Aufeinandertreffen zweier Kontrahenten derart sanft verpufft wie in diesem Fall. Nach all den langen Schilderungen und dem Aufbau eines bösen Gegenspielers erwartet man natürlich wenigstens einen fulminanten Schluss, sofern man bis hierher überhaupt durchgehalten hat. Von den ca. zwei Seiten, die dieser Kampf in Anspruch nimmt, muss man locker nochmal eine halbe Seite für die fallende Haarpracht und entsetzliche Sehnsüchte abziehen. Nichts mit heroischem Endkampf, statt dessen kindische Rangelei gefolgt von 100 Seiten höfischem Geplänkel, Händchen halten, Liebesbekundungen, noch ein Dinner, nochmal Händchen halten, nochmal Liebesbekundung. Wer meint, damit aber müsse nun endlich das Ende von Der Kampf des Rabenprinzen erreicht sein, der irrt schon wieder.
Nachdem doch noch alles höchst dramatisch im letzten Moment gescheitert ist, um dann auf fünf weiteren Seiten alles aus den drei Büchern der Feenland-Chroniken noch einmal schnell passieren zu lassen, endet das Ganze in einem krönenden Epilog, der ein dermaßen unbefriedigendes Leseerlebnis zurück lässt, dass man das Buch auf der Stelle zerreißen und in einen offenen Kamin werfen möchte.

Dieses Buch ist von A bis Z gähnend langweilig und bietet einem nichts als Entschädigung. Ein trauriges Ende für einen so vielversprechenden Anfang, wie es Im Bann der Sturmreiter war.

Cover von Der Kampf um die alte Welt von Michael A. StackpoleWährend sich die Welt immer noch vom Ausbruch der wilden Magie erholt, ist die Reise von Keles und Jorim Anturasi zu einem vorläufigem Ende gekommen. Als Gefangener der Desei-Dynastie versucht Keles, die alten Feinde seines Hauses zu manipulieren. Doch die Lage spitzt sich zu, als Deseirion plötzlich angegriffen wird und Keles sich einer Übermacht von Gegnern gegenüber sieht.
Jorim hingegen hat Probleme ganz anderer Art: auf der geheimnisvollen Insel Caxyan wird er von den Amentzutl als wiedergeborener Gott verehrt. Er soll das Volk der Insel vor seinen Feinden retten und in eine neue Friedenszeit führen. Können die alten Überlieferungen wahr sein?

-»Ihr wisst vielleicht, wo ihr seid, und sogar, wohin ihr wollt, aber ihr kennt die Welt nur als Karte. Eine Karte verhält sich zur wahren Welt aber wie ein Notenblatt zu einem Lied. Sie ist nichts weiter als eine Beschreibung. Ihr wisst nicht genug von dieser Welt, um in ihr zu überleben.«-
3

Der zweite Band von Stackpoles Fantasy-Saga gibt sich alle Mühe, seinen Vorgänger in Sachen Handlung und Spannung zu übertreffen. In einigen Dingen gelingt das auch, in anderen tritt zumindest keine Verschlechterung auf.
Zunächst einmal ist die Handlung von Der Kampf um die alte Welt (Cartomancy) weitaus komplexer als im Vorgänger Das verlorene Land (A Secret Atlas). Die vorangegangenen Handlungsstränge werden weitergeführt und es kommen noch ein paar interessante Aspekte hinzu, was dem ganzen Roman viel mehr Tiefe gibt, als der erste Band hatte. Es gibt einige überraschende Wendungen, die man im ersten Band nicht erwartet hatte (z.B. in Hinsicht auf die Kaiserin), die einen ermutigen, trotz diverser Längen durchzuhalten. Die Geschichte bedient sich einiger offensichtlicher Leihgaben gängiger Mythen, während die Amentzutl große Ähnlichkeiten mit den Inka oder Maya aufweisen. Dennoch bringt der Autor auch genug eigene Ideen ein, die sich gut mit dem Ausgeliehenen verbinden und eine neue Geschichte entstehen lassen, nicht nur eine neue Version einer bereits Bekannten. Die religiösen Aspekte erhalten mehr Gewicht, es kommt sogar zum Eingreifen der Götter selbst. Auch hier finden sich Anlehnung an Bekanntes, Grija ist dabei das Äquivalent zu Anubis, beide hundsköpfig und Gott der Toten. Vielleicht wäre ein bißchen weniger “ausleihen” mehr gewesen. Die Schlusskapitel bieten jedoch einige fiese Cliffhanger, so dass man gewillt ist, auch den abschließenden Band der Trilogie zu kaufen.
Besonders gelungen sind die Kapitel der Bürokraten und ihre Sicht der Dinge. Als Gegenspieler von Prinzdynast Cyron ist der Oberamtswalter Pelut Vniel eine überaus gelungene Figur. Mit viel Feingefühl zeichnet der Autor ein Bild von der Politik und Bürokratie der Neun Dynastien, das sich aufgrund der Tiefe und sorgfältiger Ausarbeitung sehen lassen kann. Die Intrigen zwischen den einzelnen Dynastien sind überaus realistisch und glaubwürdig geschildert. Besonders Cyron als tragische Figur hat mir gut gefallen.
Es gibt keine richtige Hauptperson, auf der der Schwerpunkt der Geschichte liegt, sondern die Ereignisse werden durch den (eingeschränkten) Blick vieler Personen erzählt. Dabei entwickeln sich die Charaktere von den bloßen Schemata des ersten Buches zu durchaus realistischen Personen, in die man sich teilweise auch hineinversetzen kann. Ein paar neue Persönlichkeiten und ein Kapitel in der Ich-Perspektive fügen sich nahtlos in die Geschichte ein.
Das, was dem Autor zwar in Sachen Intrigen und Machtspielchen gelingt, versagt aber bei den Schlachten und Kämpfen, von denen es allzu viele gibt. Die Kämpfe sind kaum mehr als eine (teilweise eklige) Beschreibung, wie der Held den Feind niedermetzelt und dabei von einer Form in eine andere wechselt, ohne dass der Leser etwas damit anfangen kann. Wenn der Held den Feind mit dem “dritten Kranich” oder dem “fünften Drachen” angreift und dieser mit der zweiten Hundeform oder Heuschrecke antwortet, wirkt es eher wie ein verrückter Zoo als ein Kampf. Noch dazu kommt, dass die Kämpfe übergangslos stattfinden. In einer Zeile redet man noch friedlich miteinander, in der nächsten wird man angegriffen und verwandelt sich in einen Adler, auf der nächsten Seite geht man schon wieder weiter, als wäre nichts gewesen. Die Kämpfe, die wohl der Spannung dienen sollen, bewirken eher das Gegenteil. Und durch die vielen Kämpfe kann es schon mitunter zu so etwas wie Langeweile kommen, zum Glück dauernd diese Kapitel auch nicht ewig.

Ein Kind von Licht und Schatten von Guy Gavriel KayVon allen verlassen, gejagt, gehasst oder gefürchtet, begibt sich Darien, das Kind von Licht und Schatten, auf die Suche nach seiner Bestimmung. Doch für ihn gibt es im Webmuster Fionavars keinen Faden – und so muss er selbst entscheiden, welchen Weg er einschlagen möchte. Er ahnt, dass von seiner Entscheidung das Wohl und Wehe Fionavars und all seiner Bewohner abhängig sein wird. Kriege, Zweifel und Verrat lassen scheinbar keinen Platz für Hoffnung – doch noch immer streiten Kimberley, Jennifer, Dave und Paul für das Licht und wandeln dabei auf dunkelsten Pfaden.

Einen Augenblick später rannte er durch die Ebene, seine Geschwindigkeit war schneller, als die des Slaug jemals hätte sein können, er rannte so schnell er konnte nach Westen, vergessen war die Schlacht, der Krieg, fast vergessen.
Nach Westen, wo die Lichter brannten und jemand im Raum stand, in jenem Raum, der einst Lisen gehört hatte.
Teil I: Das letzte Kanior

Alle Fäden, die Autor Guy Gavriel Kay in den ersten beiden Bänden der Fionavar-Trilogie so meisterhaft wob, bilden in diesem letzten Buch endlich das finale Muster und lassen den Leser teilhaben am Ende der Geschichten von Dave, Kim, Paul und Jennifer. Mit den einfach bis anstrengend gestrickten Charakteren des ersten Bandes haben die Vier nicht mehr viel gemein: alle haben sich zu Persönlichkeiten weiterentwickelt, die durch phantastische Gaben und Fähigkeiten brillieren und sich durch Zweifel, Angst und Unsicherheit immer weiter wandeln. Und das ist auch bitter nötig: keiner zweifelt mehr an der Existenz von furchterregenden, göttlichen oder verdorbenen Gestalten, denn in mannigfaltiger Form begegnen sie den vier „Fremden“ in Fionavar immerzu; und man kann gestrost annehmen, dass es Dave nicht bis in den 3. Band geschafft hätte – wäre er nicht zu einem Anderen geworden. Die Charaktere sind die große Stärke von Kays Roman: sie bleiben menschlich, auch wenn sie mit Macht beladen sind, und sie sind einer ständigen Entwicklung unterworfen. Selbst Jaelle, die kalte Tochter der Göttin, kommt im Laufe der Handlung nicht umhin, sich selbst im Frage zu stellen und aufgrund neuer Selbsterkenntnisse weitreichende Konsequenzen zu ziehen.

Und so sind Entscheidungen und Veränderungen die beiden Motive, die sich wie rote Fäden durch das kunstvolle Bild Fionavars ziehen. Sind wir frei genug, um wahrhaftig eine Entscheidung zu treffen, oder ist selbst die Entscheidung vorgezeichnet? Mit dieser Frage nähert sich Kay einer uralten und zur gleichen Zeit sehr modernen Problematik: die Natur des freien Willens. Der Autor lässt seine Figuren die Frage mit einem entschiedenen „Ja!“ beantworten, wobei jedoch auch deutlich wird, dass die Abkehr vom Schicksalsglauben einen hohen Preis fordert. Und genau dies beeinflusst die Grundstimmung des Werkes entscheidend: keine Seite wird gewendet, ohne dass dem Leser unaussprechliche Traurigkeiten, tiefste Miseren und schwierigste Entscheidungen offenbar werden. Mit dem Gewicht vom Curdardhs Hammer drücken die Ungerechtigkeiten und Unfassbarkeiten auf das Gemüt eines jeden, der ihnen ausgesetzt ist – da geht es Figuren wie Lesern. Jede kleine Handlung ist derart mit Bedeutung angereichert, dass es dem Leser bald die Sprache verschlägt: wandelt denn niemand auf Fionavars Boden, der nicht reinkarniert oder seit tausend Jahren von Seelenschmerz gezeichnet ist? In diesem Band vernachlässigt Kay leider einen wichtiger Aspekt, der die beiden vorhergehenden Bücher auszeichnet: eine gewisse Leichtigkeit und eine Schönheit der Sprache, die nicht erdrückend wirkt.

Man kann es den Bewohnern Fionavar jedoch wahrlich nicht verübeln, dass ihnen der Spaß gründlich vergangen ist: im andauernden Schlachtgetümmel – auf den Felder Fionavars und im Inneren von hin- und hergerissenen Seelen – beschränkt sich sogar der schillernde Prinz Diarmuid auf lahme Scherze, die ihm der Leser nicht mehr so recht abnehmen mag.

Die Einflechtung der Arthussage erreicht in diesem Band ihren Höhepunkt sowie ihre überraschende Auflösung. Das Trio Guinevere, Lancelot und Arthus ficht, ungeachtet der allzu weltlichen Dinge wie Raum und Zeit, auf Fionavar seinen letzten Kampf aus, um der unsterblichen Liebe willen. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, weshalb in diesem fundamentalen Kampf zwischen Gut und Böse jedes Fass aufgemacht wird, dessen Bodensatz nach Pathos riecht. Scheinbar endlos wird die Liste der Traurigkeiten, will man sie alle aufzählen. Endlos ist jedoch nicht die Aufnahmefähigkeit des Lesers, und so kommt es, dass gebrochene Herzen zur Lesegewohnheit werden und humorige Passagen zum ungläubigen Zweimallesen anregen.

Was als Urteil allzu vernichtend klang, soll jedoch nicht als einziges Bewertungskriterium herangezogen werden. Für seine Geduld belohnt Kay den Leser mit feinfühlig und differenziert gezeichneten Figurenkonstellationen und ausdrucksstarker, sprachlicher Bildlichkeit. Und an Ideen mangelt es dem Autor wahrlich nicht: furchterregende, beeindruckende Wendungen in der Handlung lassen den Leser in eifriger Hast weiterlesen. Erwähnt seien hier die nächtliche Meerfahrt auf einem Schiff, dass bereits vor tausend Jahren sank, oder die Enthüllung des Geheimnisses vom Kristallsee – und der Gesang der Paraiko, der nicht nur die weißhaarige Kimberley tief berührt.

Trotz allem Ideenreichtums möchte ich Isaac Asimov mit seiner Bewertung „Tolkienesk“ zustimmen: einige Motive kommen dem geneigten Tolkianer sehr bekannt vor, sei es das entrückte Land im Westen oder das lichterfüllte Gründervolk, welches in raren friedlichen Zeiten den Abendstern huldigt. Kay interpretiert diese motivischen Traditionen jedoch oft in erstaunlicher oder erschreckender Art und Weise neu, sodass dem Leser viele neue Facetten eines Stoffes gewahr werden – so auch des Artusstoffes.

Zum Schluß kommen endlich auch Freunde der blutreichen Kampfszenen auf ihre Kosten; auf den letzten 50 Seiten entscheiden sich – oder enden – recht abrupt etliche Schicksale, die den Leser in tiefer Trauer zurücklassen. Doch nicht ohne Hoffnung: auf den letzten Seiten entwickelt sich erneut ein heiterer Unterton in der Erzählung, der das Abschiednehmen des Lesers von Fionavar und seinen Bewohnern von seiner allumfassenden Tragik und Dramatik zumindest für einen Moment befreit und damit versöhnlich stimmt – wenn man nicht vorher durch einen Tränenschleier gehindert wird, bis zum Ende der Geschichte zu lesen.

The King of Attolia von Megan Whalen TurnerKönigin Irene von Attolia hat durch ihre Heirat mit einem Cousin der Königin von Eddis außenpolitisch eine Atempause gewonnen. Aber der neue König ist unbeliebt und wird immer wieder zur Zielscheibe von demütigenden Streichen. Niemand geht jedoch so weit wie der Gardist Costis, der dem König einen Fausthieb ins Gesicht versetzt. Sein Schicksal scheint besiegelt, doch er  hat eher die Neugier als den Rachedurst des Herrschers geweckt. Nach und nach bildet sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Männern heraus. Costis erkennt, dass er den König unterschätzt hat, dessen wahre Fähigkeiten bald gefordert sind. Denn der machthungrige attolische Adel und die düpierten Meder ruhen nicht …

– Costis took a ragged breath. He wanted to kill the king. He wanted to cry. He dropped to his knees before his queen and lowered his head almost to the floor, covering his face with his hands, still balled into fists, tightening knots of rage and bitter, bitter shame. –
Chapter One

Mit The King of Attolia läuft Megan Whalen Turner zu Höchstform auf und legt ihren bislang vielleicht gelungensten Roman vor, der die Stärken der ersten beiden Teile der Attolia-Reihe kombiniert. Das Spannungsfeld zwischen persönlicher Integrität und politischer Notwendigkeit ist wie im zweiten Band eines der zentralen Themen, doch wie in The Thief herrscht trotz aller Ernsthaftigkeit der Handlung wieder ein von unaufdringlichem Humor gefärbter Erzählton vor. Gerade die Dialoge sind oft spritzig und pointiert, aber auch insgesamt ist die Lektüre ausgesprochen locker und unterhaltsam, ohne in Oberflächlichkeit abzugleiten. Manch subtiler Scherz ist schon in der Namensgebung verborgen. So wird es etwa historisch interessierte Leser nicht wundern, dass ein (ehemaliger) Gardist namens Sejanus für den geplagten Herrscher eher mit Vorsicht zu genießen ist.

Ohnehin erinnern die Gardesoldaten als potentielle Königsmacher ein wenig an die Prätorianer der römischen Kaiserzeit, wie auch überhaupt wieder einzelne Versatzstücke aus mediterranen Kulturen zu einer überzeugenden Welt kombiniert sind, die niemals bloße Kulisse bleibt, sondern mit ihren regionalen und sozialen Gegensätzen die Psyche der liebevoll ausgearbeiteten Charaktere bis ins Detail prägt.

Wie gewohnt dominiert der facettenreiche Gen über weite Strecken unangefochten die Bühne, wobei sein weiterhin sehr direktes Verhältnis zu den Göttern (die auch schon einmal verhindern, dass er angetrunken von der Palastmauer stürzt) für einige Lacher gut ist. Mit dem durchaus sympathisch gezeichneten, aber oft heillos überforderten Costis schenkt Turner dem Leser zum ersten Mal eine klassische Identifikationsfigur, an deren Seite er sich durch das Intrigengewirr am Hof von Attolia tasten kann. Wer allerdings die Reihe in chronologischer Reihenfolge gelesen hat, ist Costis oft um ein paar Schritte voraus, denn die Vorliebe der Autorin dafür, bestimmte Einzelheiten zu verschweigen und manches erst nachträglich in ganz anderem Licht erscheinen zu lassen, ist einem mittlerweile vertraut.

Dass man sich trotzdem nicht langweilt, liegt unter anderem auch daran, dass die bisher eher in außenpolitischem Kontext zum Einsatz gebrachten Winkelzüge hier dazu dienen, die inneren Machtverhältnisse eines Königshofs umzuformen. Was auf den ersten Blick wie eine Beschränkung wirken könnte, erhöht in Wahrheit die unterschwellige Bedrohlichkeit der Atmosphäre, denn die Illusion einer schützenden Trennung von gefahrvollem Aktionsraum und relativ sicherer Heimat entfällt. In dieser Hinsicht geht The King of Attolia thematisch noch über den Vorgängerband hinaus: Die dort begonnene Geschichte des (oft schmerzlichen) Heranreifens von Einzelpersonen wird um den Aspekt der Einfügung des Individuums in die Gesellschaft erweitert und bietet einen ehrlicheren Blick auf das Erwachsenendasein als manch ein anderes Jugendbuch.

Turner verzichtet dabei weiterhin darauf, Szenen auszuschlachten, die sich durchaus auch reißerisch hätten gestalten lassen. Die unaufgeregte Erzählweise vermeidet jeden Voyeurismus, obwohl gefoltert und gemordet wird und sehr schnell feststeht, dass in einer von Machtkalkül geprägten Umgebung auch Friedenszeiten nicht gar so friedlich sein müssen. Trotz dieser durchaus realistischen Sichtweise dürfen die Figuren jedoch ihre Menschlichkeit bewahren. Die Hoffnung, dass zumindest im Kleinen stets auch die Möglichkeit einer Wendung zum Guten besteht, scheint immer wieder auf, so dass man das Buch am Ende nicht angewidert von allen Ränken, sondern in durchaus positiver Grundstimmung aus der Hand legt.

Eine Besonderheit stellt die scheinbar unverbunden zum Rest des Textes eingefügte abschließende Kurzgeschichte dar, die eine Episode aus der Jugend der Königin von Eddis schildert. Es lohnt sich aber, sie aufmerksam zu lesen, und das nicht nur, weil in ihr auf ansprechende Weise Göttersagen und fiktive Realität ineinandergreifen: Manche hier vermittelte Informationen werden im vierten Band der Reihe noch wichtig. Ob man findet, dass eine Integration der Begebenheit in den Roman selbst die elegantere Lösung gewesen wäre, ist wohl Geschmackssache. Man kann es auch als kleinen Leckerbissen betrachten, entdecken zu dürfen, dass Megan Whalen Turner die kurze Form ebenso gekonnt beherrscht wie längere Erzählungen.

Cover des Buches "Der König auf Camelot" von T.H. WhiteDer König auf Camelot ist in vier Bücher unterteilt:
Das Schwert im Stein
erzählt davon, wie “Wart” als Ziehsohn Sir Ectors aufwächst. Wart ist nichts Besonderes und wenn er älter ist, soll er der Knappe von Kay, Sir Ectors vielversprechendem Sohn, werden. Aber erst einmal wird ein Hauslehrer für die beiden Jungen eingestellt: Merlin. Im Gegensatz zu Kay erhält Wart von Merlin noch eine zusätzliche, ungewöhnliche Ausbildung. Von Zeit zu Zeit verwandelt der Zauberer ihn in ein Tier.
Die Königin von Luft und Dunkelheit: Aus Wart ist mittlerweile König Arthur geworden. Während Arthur sich darüber den Kopf zerbricht, wie man herrscht, ohne seine Macht zu missbrauchen, wachsen auf Orkney Gawaine und seine drei Brüder heran. Ihre Mutter Morgause wird bald eine verhängnisvolle Rolle in König Arthurs Leben spielen.
Lancelot ist Der missratene Ritter. Das dritte Buch erzählt von seiner verbotenen Liebe zu Königin Ginevra. Arthur, der seinen besten Freund und seine Ehefrau nicht verlieren will, duldet die Beziehung stillschweigend.
Die Kerze im Wind
: Mordred, Gawaines Halbbruder, wird von Hass gegen König Arthur getrieben. Er benutzt Lancelots und Ginevras Affäre, um Arthur den Anspruch auf den Thron streitig zu machen.

-Montags, mittwochs und freitags gab es Gotische Kanzleischrift und Summulae Logicales, an den übrigen Wochentagen waren Organon, Repetition und Astrologie dran.-
Kapitel 1 Erstes Buch: Das Schwert im Stein

Es gibt Dinge, die den Rezensenten an Der König auf Camelot (The Once and Future King) gestört haben.
Besonders die ersten beiden Bücher wirken so, als hätte T.H. White Schwierigkeiten gehabt, sich zu entscheiden, was er denn nun eigentlich schreiben wollte:

Einen im wahrsten Sinn des Wortes zauberhaften Artusroman? Nachdem Merlin Wart im ersten Buch aus erzieherischen Gründen in alle möglichen Tiere verwandelt hat, spielt die Zauberei nur noch eine untergeordnete Rolle.

Eine Parodie auf den Ritterroman? König Pellinore spielt ein lustiges Spielchen mit dem gar nicht so furchtbaren Aventiure-Tier, endet später aber unerwartet tragisch.
Einen gesellschaftskritischen Schlüsselroman mit Gegenwartsbezug? T.H. Whites Statements gegen Krieg, Kommunismus und Nationalsozialismus sind aller Ehren wert, wirken aber plakativ und aufgesetzt. Die politischen Anspielungen werden holzhammerartig vorgebracht, als hätte White dem Leser nicht zugetraut, auch zwischen den Zeilen lesen zu können.
Außerdem bezieht sich der Autor mehrfach auf Malorys 1485 erschienenes Werk La Morte Darthur, in dem Artus als letzter Ritter stilisiert wird. White folgt Malory in dieser Darstellung, warum deshalb aber Arthur unbedingt ein Normanne sein muss, er die Geschichte ausdrücklich nach 1360 spielen lässt, anstatt sich zeitlich nicht festzulegen und warum Robin Hood/Wood mitsamt Lady Marian kurz und unmotiviert auftauchen, mit Wart ein Abenteuer erleben und dann wieder in der Versenkung verschwinden, hat sich dem Rezensenten nicht erschlossen. Auch in Fantasy-Romanen darf man als Leser ein Mindestmaß an innerer Logik und Stimmigkeit erwarten.

Das Buch Der missratene Ritter entschädigt dann aber für all die plakativ vorgetragenen Intensionen Whites. Da werden aus Figuren, die die Botschaft des Autors vermitteln sollen, plötzlich Menschen, die aufgrund ihrer Charakterschwächen und eines fragwürdigen Ehrenkodexes in Konflikte geraten, an denen sie letztlich scheitern.

Nachdem die Königin von Attolia ein in ihrem Palast spionierendes Mitglied des Königshauses von Eddis hat verstümmeln lassen, eskaliert der schon lange schwelende Konflikt zwischen den beiden Ländern vollends. Der Krieg ruft nicht nur den immer noch eroberungslustigen König von Sounis sondern auch das mächtige Mederreich auf den Plan, und bald droht den drei kleinen Staaten ihre Zerstrittenheit wirtschaftlich wie politisch zum Verhängnis zu werden. Ein Verlust der Unabhängigkeit scheint kaum noch abzuwenden. Doch zweierlei hat der medische Gesandte Nahuseresh bei seinen Intrigen nicht bedacht: Die Macht der Götter – und die Unberechenbarkeit menschlicher Gefühle…

– Lärm scholl aus dem Befeuerungsraum den engen Tunnel entlang: Schlurfen, Rumpeln und, wenn er die Ohren spitzte, ein Knistern. –
Kapitel 1

Zu Die Königin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Die Königin der Träume von Patricia A. McKillipAls Talis in einem versteckten Winkel der Zaubererschule von Chaumenard ein Buch mit magischen Anleitungen entdeckt, ahnt er noch nicht, dass es unberechenbare Kräfte in sich birgt. Als er dies erkennt, ist es zu spät und er ist bereits in den Bann der Königin des Waldes geraten, die ihn darum bittet, ihr bei der Suche nach ihren Angehörigen zu helfen, die vor zwanzig Jahren durch einen mächtigen Zauberbann in Talis’ Welt geraten sind …

-Er ließ die Feder fallen und stand auf. Bevor er sich bewegen konnte, hörte er im Nachbarzimmer Schritte auf ihn zukommen. Murehtrhekrev, sagte eine fremde Stimme. Und der Nachtjäger vom Jägerfeld stand auf der Schwelle.-
Kapitel 6

Als erstes: Punktabzug für die deutsche Übersetzung des Buchtitels. Die geht nämlich am Kern der Sache gründlich vorbei und die “Königin”, die hier gemeint ist, regiert mitnichten über irgendwelche Träume sondern über eine Art Feenreich, das durch die verquere Magie des Magiers Arun Wulf in eine andere Welt “geknotet” wird. Hätte man dem Buch einfach den Titel “Das Buch des Arun Wulf”, also gleichsam die 1:1-Übersetzung des englischen Originals gegeben, wäre der Sache mehr gedient gewesen. – Denn genau darum geht es in dieser Geschichte: Um das “Magie-Lehr-Buch” von Arun Wulf, das ein dunkles Geheimnis in sich trägt … denn alle Zaubersprüche, die in diesem Buch aufgeschrieben wurden, gehen entweder “nach hinten los” oder es kommt etwas ganz anderes dabei heraus. Die Magie dieses Buches ist “verdreht” und warum das so ist, ist die Handlung der Geschichte, in der die “Königin” zwar eine tragende und wichtige, aber keineswegs die ausschließliche Hauptrolle spielt.
Die drei wichtigsten Personen im Buch sind der bebrillte Prinz Talis, des Reiches von Pelucir und Chaumenard mächtigster Magier Arun Wulf und eine Topfwäscherin namens Trawa, die schlussendlich eine Schlüsselposition in der Handlung einnimmt.

Das Buch dreht sich wieder um Patricia McKillips Lieblingsthema Magie: Hier ist die Handlung allerdings gleichsam in zwei Teile geteilt. Der eine Handlungsstrang befasst sich mit den Versuchen des Prinzen Talis mit dem Buch Arun Wulfs. Diese Teile des Romans sind in der für Patricia McKillip typischen, kryptischen Sprache verfasst, die ein wenig Mitdenken und Aufmerksamkeit erfordert.
Der andere Teil spielt sich in der Schlossküche von Pelucir ab, in der das einfache Volk zu Wort kommt. Hier wird getratscht und geschwatzt, gelästert und gestritten. Diese Teile sind eine Erholung im Handlungsablauf, denn sie sind, eben weil das einfache Volk hier die Bühne betritt, auch in einfacher, klarer Sprache geschrieben.

Diese beiden Handlungsstränge gehören zusammen, was man aber nicht gleich auf den ersten Blick bemerkt. Sie werden im Lauf des Romans immer weiter miteinander verwoben und man versteht immer mehr, wie eigentlich alles zusammengehört. Am Ende der Geschichte wird buchstäblich alles “Verstrickte” (Königreiche und Magie) aufgelöst und “verkehrt herum” wird wieder “richtig herum”, wenn auch zu einem hohen Preis …

Cover des Buches "Königreich zu verkaufen" von Terry BrooksDer verzweifelte Chicagoer Anwalt Ben Holiday erhält ein seltsames Angebot: Für 1.000.000 Dollar kann er das magische Königreich Landover kaufen und dort ein neues Leben als König beginnen. Dort angekommen stellt sich jedoch schnell heraus, dass es in Landover nicht zum Besten steht. Nachdem 20 Jahre lang die Könige im Fluge wechselten, haben sich die Untertanen vom Thron entfremdet, den Mächtigen des Reiches ist der neue König bestenfalls gleichgültig, schlimmstenfalls würden sie ihn gerne tot sehen. Die Magie, die Landover belebte, schwindet. Kann der König rechtzeitig das Rätsel lösen, das den magischen  Verteidiger, den Paladin, Landovers umgibt?

-Landover: Reich der Magie, Reich der Abenteuer, Heimat von Rittern und Knappen, Drachen und Edelfräulein, Zauberern und Hexen.-
Ben: Aus der Annouce des Rosen Weihnachts-Wunschbuch

Das Königreich Landover ist nicht besonders groß, mit dem Pferd kann man es in wenigen Tagen durchreiten. Um das Königreich herum liegen die Elfennebel, die einen gefährlichen Raum bilden, der Tore zu anderen Welten bietet.

In Landover sind die politischen Verhältnisse einfach, denn es gibt nur vier Völker und zwei weitere mächtige Wesen. Die Herren des Grünlandes sind relativ langweilig. Eine menschliche Feudalgesellschaft mit Rittern und Bauern. Geben sie sich auch offen und ehrlich, so sind sie doch intrigant und machtgierig. Einst bildeten sie das militärische und wirtschaftliche Rückgrat, heute zerfleischen sie sich selbst und nehmen die Verschmutzung der Flüsse in Kauf. Die Elfen des Seelandes sind ein Sammelsurium von sonderbaren Wesen, kaum zwei gleichen einander. Die Exilanten aus den Elfennebeln sind zufrieden, wenn sie ruhig und abgeschieden vom Rest der Welt in ihren Wäldern und Gewässern leben können. Die Trolle vom Melchor sind wilde Bergarbeiter und Waffenschmiede. Bleiben die G’Heim Gnome (engl.: “G’Home Gnome!”), ein diebisches Pack rattengesichtiger Hunde- und Katzenfresser, die von überall fortgejagt werden. Die Hexe Nachtschatten ist die Herrin über den Tiefen Schlund und der Drache Strabo macht nicht nur das Königreich unsicher.
Magie ist der zentrale Faktor in Landover: die Blaubonnie-Bäume, die auch die Ärmsten ernähren können; Burg Silberstein, der Sitz des Thrones, ein magisches Wesen, welches seinen Bewohnern – so lange die Magie fließt – stets volle Vorratskammern und eine starke Feste bietet; die schönen Regenblumen und schließlich der magische, unbezwingbare Paladin… Aber die Magie schwindet unaufhörlich aus Landover.

Doch lebt diese von Brooks erschaffene Welt von seinen bunten Figuren: Da ist Questor Thews, der inkompetente Hofzauberer, der nur gelegentlich die Magie beherrscht; der bierernste Hofschreiber Abernathy, ein Zyniker, halb-Mensch, halb-Weizenterrier dank eines misslungenem Zaubers; Weide, die wunderschöne Sylphe, die sich gelegentlich in einen Baum verwandelt; der Drache Strabo, der sich über den menschlichen Mangel an Quellenkritik zu Geschichten über Drachen beschwert; dieses sind nur ein paar der grotesken, nahezu karikierenden Ansammlung von Romanfiguren.

Der Plot in Königreich zu verkaufen (Magic Kingdom for Sale – Sold) ist allerdings nicht wirklich neu: Der Held muss eine magische Queste bestehen um die Welt vor einer Horde Dämonen zu retten. Dem Autoren gelingt es aber mittels überraschender Wendungen, die Geschichte immer spannend zu halten. Der Form nach ist es deutlich ein Bildungsroman – es geht in der Geschichte um Ben Holiday, der einen Platz in Landover suchen muss. So liegt der Schwerpunkt auf dem zwar nicht übermäßig glaubwürdigen aber doch interessanten Charakter des Anwalts und seiner Entwicklung von einem verzweifelten, depressiven, der Alkoholsucht nahen Stadtmenschen, der den Tod seiner Frau nicht verwunden hat, zum König von Landover, der sein altes Leben zwar nicht vergisst, das neue aber Schritt für Schritt annimmt. Dazu gehört auch die gelungene und überraschende Auflösung um den Paladin.
Je weiter die anderen Charaktere von Holiday entfernt sind, desto oberflächlicher bleiben sie auch für den Leser. Es gibt bessere Bildungsromane (Voltaires Candide oder Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre), aber ein fantastischerer ist mir noch nicht untergekommen.
Interessant, aber leider nur angerissen, sind die Elemente der Umweltverschmutzung der Herren vom Grünland und die Parabel des Paladins als Krieg.

Des Königs Meuchelmörder von Robin HobbNach Veritys Hochzeit erholt sich Fitz nur langsam, während die Red Ships weiterhin die Küste terrorisieren, bis der Prinz befürchtet, sein Land werde den nächsten Sommer nicht überstehen. So faßt er den Plan, sich auf die Suche nach den legendären Elderlings zu machen, und sie um Hilfe zu bitten. Er läst seine Frau zurück, um über seinen Thron zu wachen. Regal erkennt seine Chance und lässt nichts unversucht, um während der Abwesenheit von Verity Kettricken in Verruf zu bringen. Als Fitz wieder erstarkt, ist es an der Zeit, daß er als “Royal Assassin” dafür sorgt, daß der rechtmäßige Thronerbe bei seiner Rückkehr auch noch ein Königreich hat, in das er zurückkehren kann …

– Der älteste Hinweis auf die Uralten in der Bibliothek von Bocksburg findet sich in einer brüchigen Schriftrolle. –
Kapitel 3

Zu Des Königs Meuchelmörder liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Königsblut von Daniel HanoverWährend Cithrin tollkühne Tänze auf dem Finanzmarkt vollführt, Marcus Wester im Zuge seiner Leibwächtertätigkeit wieder zum Schwert greift und im Hause Kalliam eine Vermählung ansteht, stehen in Antea alle Zeichen auf Krieg. Und an dessen Spitze steht kein Anderer als Geder Palliako, dessen priesterlicher Berater noch ganz andere Ziele verfolgt …

“Der Abtrünnige, der unter anderem auf den Namen Kitap rol Keshmet hörte, stand im sanften Regen der Stadt, vom Makel in seinem Blut gedrängt und getrieben, ohne ihm jedoch nachzugeben.”
– Einleitung, Meister Kit

Nach dem furiosen Auftakt Das Drachenschwert (The Dragon’s Path) geht die Dolch-und-Münze-Reihe von Daniel Abraham, der hier unter dem Pseudonym Daniel Hanover firmiert, mit Königsblut (King’s Blood) in die zweite Runde. Der Klappentext verrät bereits, dass Geder Palliakos Stern im Steigen begriffen ist – und der geneigte Leser weiß, was das bedeutet: Intrigen, Blut und Chaos; und wer hinter dieser vielversprechenden Wortgruppe Spannung und Action vermutet, wird nicht enttäuscht werden. Und ehe man sich versieht, befindet man sich im Lesestrudel und erfreut sich an Piratenabenteuern von Marcus und Yardem, dem sympathisch-witzigsten literarischen Fantasyduo seit Merry und Pippin, während Antea (ich will ja nichts beschönigen) langsam den Bach hinuntergeht. Königblut ist dennoch kein typischer modernen Fantasyroman, auch wenn es reichlich blutig zugeht – der Roman ist eher witty als gritty, eher „Hut ab!“ als „Kopf ab“, und damit eindeutig eine Ausnahmeerscheinung im aktuellen Fantasyprogramm.

Wie bereits im Vorgängerband besticht Königsblut nämlich besonders durch seine feine, psychologisch ausgefeilte Charakterzeichnung. Jeder Schwertstreich, jeder Verrat, jede Schlacht auf der abraham’schen Welt beginnt mit einem gesäten Zweifel, einer Unsicherheit, einer Zurückweisung, einer Enttäuschung oder Hoffnung; es sind die leisen Momente, die unwillkommensten Gedanken, die sich als machtvolle Figurenlenker erweisen und wie sehr kleine Steine des Anstoßes die Geschichte ins Rollen bringen. Dabei bedient sich Abraham, so scheint es, grundsätzlich bei altbekannten Typen: wir begegnen dem verbitterten Witwer, der intrigengeprüften Politikergattin (nebst kronentreuen Ehemann) und einem undurchsichtigen Fundamentalisten. Was sie alle auszeichnet, ist eine Lebendigkeit, die weit über die konventionelle Stereotypenjongleurie hinausgeht. Dabei vermag Abraham über die jugendlichen Irrungen und Wirrungen Cithrins genauso überzeugend zu schreiben wie über den klug gezeichneten, tiefen Konservativismus Dawson Kalliams, der, mit einer Prise Verzweiflung gemischt, zum Dreh- und Angelpunkt für das politischen Geschehen in Antea wird. Über allem steht jedoch die dunkle Figur Geders, die in seiner schamhaften Menschlich- und Männlichkeit, seiner Verletzlichkeit und Unbedarftheit alle anderen finsteren Herrscher in den Schatten stellt. Denn Geders Rache ist nicht die eines irrsinnigen Größenwahnsinnigen, sondern die eines gehänselten, unsicheren kleinen Jungen, der sich eines Tages mit der mächtigsten aller Waffen in den Händen wiederfindet: politischer Macht.

Besonders erfreulich ist es, dass diese Ausnahmereihe auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht wird: mit einer feinsinnigen und rundum gelungenen Übersetzung, die auch das Bankenjargon einer Cithrin bel Sarcour treffend zu vermitteln weiß, kann Geder Palliakos unheilverkündender Todesstern also auch hierzulande aufgehen.

Und während also Abraham mit Erwartungen, altbekannten und beschuppten Genregrößen, klugen Witz und tiefgehender Menschenkenntnis jongliert, wünscht sich der Leser nichts mehr als ein zehnbändiges Spin-Off mit Marcus und Yardem.
Der Tag, an dem man dieses Buch aus der Hand legen kann? Nicht heute.

Kriegsklingen von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

– Logen hechtete zwischen den Bäumen hindurch; seine nackten Füße rutschten auf dem nassen Boden, dem Schlamm und den glitschigen Kiefernnadeln immer wieder aus. Pfeifend schoss der Atem aus seinem Mund, und das Blut dröhnte in seinem Kopf. –
Ende, S. 7

Zu Kriegsklingen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Kristallhaus von Ralf LehmannFernd, den der Alte Niemand zu seinem Erben bestimmt hat, ist eigentlich alles andere als ein Abenteurer und schon gar kein Einzelkämpfer. Von den Ereignissen dennoch zu einem Alleingang gezwungen zieht er eher widerstrebend aus, um das legendäre Kristallhaus zu suchen, in dem der entscheidende Hinweis zur Überwindung des Schwarzen Prinzen verborgen sein mag. Obwohl er unterwegs immer wieder Helfer und neue Freunde findet, verlangt die Reise ins Ungewisse ihm alles ab, denn schon bald erweist sich, dass von äußeren Bedrohungen wie den dämonischen Gifalken, die ihm im Auftrag des Schwarzen Prinzen auf der Spur sind, gar nicht die größte Gefahr ausgeht, der er sich stellen muss …

“Das Holzland ist ein Teil Araukariens und dem Alten Reich als einzige Provinz bis zum Untergang treu geblieben. Die Holzländer, wie sie sich selber nennen, haben dem Born gern Tribut gezahlt – in der Gewisstheit, dass er sie dann meist in Ruhe lässt. Deswegen hat diese Gegend immer eine ziemliche Eigenständigkeit bewahrt.”
(1. Im Holzland)

Mit Das Kristallhaus legt Ralf Lehmann einen stimmigen Abschluss seiner Trilogie um den Kampf gegen den Schwarzen Prinzen vor. Wie schon in den ersten beiden Bänden erschüttern Ausgangsidee und Plot das Genre nicht gerade in seinen Grundfesten, aber die liebevoll ausgearbeitete, in oftmals poetischen Wendungen heraufbeschworene Welt überzeugt mit ihrer Fülle ansprechender Handlungsorte weiterhin, unter denen das titelgebende Kristallhaus, eine Bibliothek aus Eis, sicher einer der originellsten und eindrucksvollsten ist.
Ohnehin ist es wieder einmal das Setting mit seiner Verknüpfung von Naturgewalten und Sagen, das die Geschichte trägt, wenn etwa der winterliche Frost personifiziert über eine abgelegene Siedlung hereinbricht oder die aus dem Eingangsband bekannten Tanzenden Berge noch einen unerwarteten Auftritt bekommen. Auch die übrigen Landschaften, die Fernd durchwandert, sind mit ihren naturräumlichen Gegebenheiten und den Eigenarten ihrer Bewohner so detailverliebt geschildert, dass man den Verdacht nicht abschütteln kann, dass Lehmann immer wieder Kenntnisse aus seinem Beruf als Erdkundelehrer in den Weltenbau einfließen lässt. Dieses spürbare Wissen um geographische Zusammenhänge hebt Araukarien und die umliegenden Gebiete über die oft abziehbildartigen Kulissen manch anderer Fantasyromane hinaus.
Zudem steht mit dem verträumten Fernd in diesem Buch ein ganz anderer Figurentypus im Mittelpunkt als der praktisch veranlagte Bolgan oder der abenteuerlustige Hatib, so dass die Wendung ins Innerliche, die seine Queste trotz aller äußeren Fährnisse und Kämpfe nimmt, folgerichtig und glaubhaft wirkt. Entsprechend anders sind auch die Freundschaften, die er schließt, etwa mit dem ähnlich phantasiebegabten Gaetan, der ein weit traurigeres (und realistischeres) Schicksal erleidet, als es bei Hals über Kopf ins Abenteuer ausziehenden Jugendlichen in der Fantasy sonst der Fall ist. Trotz aller amüsanten bis tragischen Begegnungen mit solch gelungenen Nebenfiguren ist Fernd jedoch letzten Endes auf sich selbst zurückgeworfen, was nicht nur darin sinnfällig zum Ausdruck kommt, dass die beiden anderen Helden Bolgan und Hatib zum entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr in Lage sind, aktiv auf den Fortgang der Ereignisse einzuwirken. Die durchaus nicht uninteressante Schwerpunktsetzung, die sich daraus ergibt, lässt einen die ansonsten klassische Handlung um den militärischen wie magischen Widerstand gegen einen übermächtigen Gegner gespannt bis zum Ende verfolgen.
Trotz aller positiven Aspekte muss man freilich auch weiterhin mit einigen Schwächen leben, die schon in den ersten beiden Bänden deutlich waren. So bleibt etwa Fernds Beziehung zu seiner großen Liebe Reika weiterhin sehr blass und wenig fassbar, mag sie auch noch so oft als Motivation des jungen Mannes beschworen werden, und manch einem Nebenhandlungsstrang hätte man vielleicht eine ausführlichere Auflösung anstelle knapper Andeutungen gewünscht.
Doch das sind im Grunde Kleinigkeiten. Alles in allem bleibt ein positiver Leseeindruck, gepaart mit leisem Bedauern darüber, dass Das Buch des Schwarzen Prinzen anscheinend bisher Ralf Lehmanns einziges (veröffentlichtes) Werk geblieben ist.

Cover von Kushiel's Avatar von Jacqueline Carey 10 Jahre Frieden hat das Orakel prophezeit, und die neigen sich dem Ende zu. Es beginnt mit Albträumen über Hyacinthe, dann erreicht Phèdre ein Brief von Melisande – in dem sie um Hilfe bittet. Trotz Protests Jocelines reist sie nach La Serenissima und stellt sich ihrer Erzfeindin. Doch anstatt der kühlen, berechnenden Verräterin erwartet sie eine sorgende Mutter, denn Melisandes Sohn Imriel ist verschwunden. Der Dritte in der Thronfolge wurde aus seinem Versteck entführt. Nur einer Person traut Melisande zu, ihren Sohn zu finden, und bietet dafür den Schlüssel zur Rettung von Hyacinthe. Obwohl sie damit ihrer Feindin hilft, begibt sich Phèdre auf die gefahrvolle Suche nach dem Jungen …

-»Did you tell him our plan?« I asked.
Imriel nodded, both feet hooked about the rungs of the stool. »He says you are as mad as the Mahrkagir and we are all like to die.«
I hadn’t expected any different. »Will he do it?«
»Yes.«-

Handlungsmäßig ist Kushiel’s Avatar (Die Erlösung) leider kein großer Renner. Man braucht nur die Karte aufzuschlagen um zu ahnen, dass die leisen Befürchtungen des zweiten Teiles wahr geworden sind. War es im ersten Band, Kushiel’s Dart (Das Zeichen; Neuauflage) eine Karte von Terre D’Ange und den angrenzenden Ländern, war es beim zweiten Band, Kushiel’s Chosen (Der Verrat) schon das westliche Mittelmeer und beim Dritten … So kommt es, wie es kommen musste und Phèdre reist noch weiter als zuvor, erlebt noch fremdere Kulturen, lernt noch mehr Sprachen und muss noch mehr ertragen. Klar, dass nichts weniger auf dem Spiel steht als die bekannte Welt, auch wenn es nicht so explizit gesagt wird. Die Reisen aus den vorherigen Büchern muten dabei fast wie ein Kindergartenausflug an, trotzdem kommt nur wenig Spannung auf. Immer sind es Phèdres waghalsige Pläne, die die Situation retten. Wären die Bücher nicht so verdammt gut geschrieben, wäre es ein schönes Beispiel dafür, was passiert, wenn Autoren ihre Figuren zu sehr mögen. So nimmt man es der Autorin schon fast ab, was Phèdre alles kann. Letztendlich gibt es kein Land, welches sie nicht besucht hat, um dort irgendetwas Gutes in Gang zu bringen. Die Bescheidenheit von Phèdre ist dabei fast schon unnatürlich, schließlich schuldet jedes Königreich ihr mindestens einen Gefallen. Den Welteroberungsplänen steht also nichts mehr im Weg … Wieder können die Charaktere überzeugen, obwohl die Motive der Hauptperson manchmal ein wenig im Dunkeln liegen. Das liegt eventuell daran, dass sie selbst nicht weiß, warum sie manche Dinge tut – begründet wird es geschickt dadurch, dass sie die Auserwählte eines Gottes ist. Klingt im ersten Moment vielleicht etwas platt, aber trotzdem nimmt man es ihr ohne weiteres ab.
In diesem Teil treten die religiösen Aspekte mehr in den Vordergrund. Wie schon beim Aufbau der Welt zeigt sich hier die große Sorgfalt, die eine stimmungsvolle Atmosphäre schafft.
Wer bis zu diesem Teil vorgedrungen ist, wird wissen, dass die Autorin kein Blatt vor den Mund nimmt, zumindest was Erotik angeht. Während im zweiten Teil die Szenen etwas moderater waren, sind sie nun wieder etwas heftiger. Besonders im ersten Handlungsabschnitt, wo die Szenen wohl betont eklig sein sollen, geht es ganz schon nah an das Erträgliche. Zur Stimmung trägt es dann nicht mehr bei, vielleicht hätten diese Abschnitte nicht sein müssen.
Wer keine großen Schlachten braucht und sich von deftiger Erotik nicht abschrecken lässt, der wird von der Stimmung des Buches sicherlich mitgerissen werden.

Cover von Kushiel's Chosen von Jacqueline CareyEin Jahr ist vergangen, seit die Invasion der Skaldi abgewehrt werden konnte. Phèdre lebt mittlerweile glücklich auf dem kleinen Anwesen Montrève, zusammen mit ihren Beschützer Jocelin. Eines Tages kommt ein alter Freund ihres verstorbenen Vormundes Delaunay zu Besuch und bringt ein merkwürdiges Geschenk mit: ihren sangoire Mantel, den die entkommene Verräterin Melisande bei sich hatte. Phèdre weiß, dass dies eine Herausforderung darstellt, dass Melisande noch nicht geschlagen ist. Und dass sie ihr kurzes Glück aufgeben muss, um die Königin zu warnen. Doch keiner ahnt, wie tief die Verschwörung geht …

-Kushiel’s gift is cruel. I have never, ever, found any man so beautiful to me as Jocelin Verreuil, and no man caused me so much pain. One does not, I suppose, reign over hell without a well-developed sense of irony.-
Thirty-Four

Der zweite Kushiel-Band steht dem ersten in nichts nach. Genauso atmosphärisch und stimmungsvoll wie zuvor geht es weiter, mittlerweile ist man mit der Welt und den Personen vertraut, sodass nun weitere fremde Kulturen erforscht werden können. Dabei ist es immer wieder spannend zu sehen, wie der andere Verlauf der Geschichte sich auf das vertraute Europa ausgewirkt hat. Viele Parallelen sind erkennbar und trotzdem unterscheidet sich Careys Welt deutlich von der unseren. Dort zeigt sie ihr ganzes Potential und präsentiert mit ihrer einzigartigen Erzählstimme Phèdres Welt sehr deutlich und vor allem realistisch – es stimmt einfach alles.

Leider verliert die Hauptperson ein wenig den Boden unter den Füßen und übertrifft sich immer wieder selbst. Schon die sechs fließend gesprochenen Sprachen (während des Buches wird Nummer 7 erlernt) lassen den Durchschnittsleser vor Neid erblassen. Da hat es die Autorin wohl ein wenig zu gut gemeint – dass Phèdre etwas Besonderes ist, steht außer Frage. Aber noch ein bißchen mehr und sie ist bereit für die Weltherrschaft, die sie dank der vielen Freunde, Jocelins Kampfkünsten und den Zugängen zu jedem größeren Hof auf ihrem Weg auch mühelos erreichen könnte. Dafür sind bis zur letzten Nebenfigur die Charaktere lebendig und glaubwürdig beschrieben, was nicht zuletzt zur Atmosphäre beiträgt.

Die Handlung versucht die des ersten Buches zu übertreffen – und auch hier übertreibt man meiner Meinung nach etwas. Die Intrigen sind fein gesponnen, alles passt hervorrangend und stimmungsvoll zusammen. Aber zwischendurch hat man das Gefühl, dass Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag folgt, nur um Phèdre noch weiter weg und noch verzweifelter zurückzulassen. Wie gesagt, die Atmosphäre stimmt und die Seiten fliegen nur so dahin, aber vielleicht wäre ein bißchen weniger mehr gewesen.

Kushiel's Dart von Jacqueline CareyDas Volk der D’Angelines hat das Engelblut in den Adern, das sie mit überirdischer Schönheit ausstattet. Phèdre ist eine von ihnen, sie steht im Dienste der Ahngöttin Namaah, deren Anhänger die Kunst der Liebe zelebrieren. Der Adlige Delaunay erkennt an einem Makel in ihrem Auge, dem Zeichen des Engels Kushiel, dass Phèdre eine Anguisette ist – sie erfährt Lust durch Schmerz. Er kauft das Mädchen und bildet sie zusammen mit seinem anderen Schüler in Sprachen, Künsten und Spionage aus, damit sie ihm als Konkubine dient, die bei ihren Freiern Staatsgeheimnisse ausspioniert. Tatsächlich gibt es Verschwörungen, die das ganze Land Terre D’Ange gefährden.

-Lest anyone suppose that I am a cuckoo’s child, got on the wrong side of the blanket by lusty peasant stock and sold into indenture in a shortfallen season, I may say that I am House-born and reared in the Night Court proper, for all the good it did me.-
One

Mit über 900 Seiten ist der Auftakt der Reihe Kushiel’s Legacy ein dicker Brocken, und Aufmachung und Ausgangslage lassen einen ordentlichen Schmachtfetzen vermuten. Diese Vermutung mag man anfangs einerseits bestätigt finden, denn Jacqueline Carey ergeht sich in Beschreibungen von Kleidung, Zierrat, Kleinigkeiten, ausführlichen Figurenbeziehungen, und die Ausbildung der Protagonistin zur Konkubine gibt dem Argwohn Stoff. Der Stil allerdings, in dem Carey erzählt, verschlungen, manchmal fast lyrisch, und häufig mit barockem Überschwang, ohne geschmacklos zu werden, gibt einen Hinweis, dass mehr in der Geschichte steckt.
Anfangs allerdings ist der gemächliche Aufbau so ermüdend, dass man Kushiel’s Dart (Das Zeichen; Neuauflage) mitunter an die Wand klatschen will. Man erfährt alles über Phèdres Aufwachsen, ihre Ausbildung, und vor allem auch ihre besondere Fähigkeit als Konkubine, ohne dass die Handlung groß weiterkommt. Ein paar Rätsel um den natürlich mysteriösen Gönner Phèdres, den Adligen Delaunay, sind alles, was an Material zum Weiterdenken anfällt. Und gerade die besondere Fähigkeit der Protagonistin als Anguisette dürfte nicht jedermanns Sache sein: Immer wieder gehen Schläge, Peitschen, Schürhaken und ähnliches auf die Heldin nieder – und auch wenn in diesen Szenen harte Pornographie mehr oder weniger elegant umschifft wird, sind sie doch sehr ausführlich beschrieben.

Trotzdem lohnt sich das Durchbeißen, denn urplötzlich, nach etwa 300 Seiten, wird aus der bisher zwar angenehm erzählten, aber nur vor sich hindümpelnden Handlung eine Fantasy-Geschichte, die alles hat, was man sich nur wünschen kann: Wunderbar gezeichnete Hauptcharaktere, die in glaubwürdigen Beziehungen zueinander stehen, jede Menge Action und Abenteuer, herzzereißende Szenen und eine sehr schöne Erzählstimme, nämlich die der liebenswerten Protagonistin, die im Großen und Ganzen zu einer überraschend starken Frauenfigur wird. Sie erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive, lange Zeit, nachdem die Ereignisse stattgefunden haben, und wenn man den Wahl des Erzählers hier kritisieren wollte, dann vielleicht nur, weil etwas zu oft eine Vorwegnahme der Geschehnisse als Stilmittel zum Einsatz kommt, vor allem zu Beginn des Romans.

Angesiedelt ist die Handlung in einem alternativen spätmittelalterlichem Europa, was sich auch an der Karte unschwer erkennen lässt, und gerade die Gesellschaft der D’Angelines ist sehr detailreich ausgearbeitet, vor allem auch die religiösen Aspekte. Phèdres Volk mit seinem untrüglichen Sinn für alle Formen der Schönheit hat durchaus etwas Faszinierendes, interessant ist außerdem die Beschreibung einer Gesellschaft, in der Prostitution komplett integriert und institutionalisiert ist. Diesbezüglich ist Kushiel’s Dart durchaus provokant, wenn auch nicht immer zu Ende gedacht, wobei die besten Szenen dennoch außerhalb der Betten und auch jenseits der höfischen Intrigen stattfinden. Immerhin ist die Geschichte, von einigen Szenen abgesehen, in denen auf die Tränendrüse gedrückt wird, nicht halb so kitschig, wie man sich vielleicht vorstellen mag. Ob man sich für die gelungene Abenteuerhandlung durch das Vorgeplänkel arbeiten möchte, hängt wohl davon ab, wie viel man den in der Fantasy ungewöhnlichen Konzepten abgewinnen kann, mit denen Carey arbeitet.

Cover des Buches "Im Land des Windes" von Licia TroiciObwohl die dreizehnjährige Nihal das einzige Mädchen in ihrer Bande ist, ist sie die Anführerin. Ihr Vater ist der Waffenschmied der Stadt Salazar, und nichts liebt Nihal so sehr wie den spielerischen Schwertkampf. Eines Tages wird sie von einem Jungen zum Duell gefordert, den sie noch nie gesehen hat. Er heißt Sennar und scheint ihr, obwohl älter, körperlich unterlegen zu sein. Aber er ist es, der gewinnt. Sennar ist ein Magier und nun will auch sie das Zaubern erlernen. Nihal beschließt, bei ihrer Tante Soana, einer mächtigen Zauberin, in die Lehre zu gehen. Als die Truppen des Tyrannen in Salazar einfallen und Nihals Vater vor ihren Augen ermorden, will das Mädchen sich dem Orden der Drachenritter anschließen, der gegen den Tyrannen kämpft. Aber in diesen Orden werden nur Männer aufgenommen…

-Die Sonne überflutete die Ebene.-
1 Salazar

Im Land des Windes (Nihal della Terra del Vento) ist ein zum Fantasyroman gewordener Kleinmädchentraum. Nihal meistert fast alle Schwierigkeiten, die sich ihr in den Weg stellen. Natürlich stimmt ihr Vater schließlich zu, als sie die Magie erlernen möchte, obwohl er zunächst dagegen ist. Und wie praktisch, dass er eine Schwester hat, von der Nihal bisher nichts wusste, die eine berühmte Magierin ist. Natürlich besteht das Mädchen den Initiationsritus, den es durchlaufen muss, um eine Zauberin werden zu dürfen. Natürlich ist sie schon als Jugendliche eine hervorragende Kämpferin, die durch das harte Training, das sie selbstverständlich absolvieren muss, nur noch vollkommener wird. Natürlich besitzt sie Durchhaltevermögen, ist sturköpfig, entschlossen und mutig. Natürlich überlebt Nihal, als die Fammin in Salazar einfallen, ein schreckliches Gemetzel anrichten, die Stadt plündern und sie schließlich in Brand setzen. Natürlich ist sie nicht nur aufgrund ihres Aussehens etwas Besonderes – jeder, der schon einmal einen Fantasyroman gelesen hat, kann leicht erraten, zu welchem Volk sie gehört – sondern auch, weil sie die letzte ihrer Art ist. Natürlich wird sie als erste Frau in den Orden der Drachenritter aufgenommen, dazu muss sie auch “nur” die zehn stärksten Schüler der Akademie im Zweikampf besiegen, einen nach dem anderen, ohne eine Pause einlegen zu dürfen.

War die Geschichte bisher eine Aneinanderreihung altbekannter Fantasy-Topoi, wird es nun langsam albern. Man könnte meinen Pippi Langstrumpf, die bekanntlich das stärkste Mädchen der Welt ist, hätte sich in das Buch eingeschlichen, um mal zur Abwechslung ihre Kräfte dazu zu benutzen, Männer mit dem Schwert zu besiegen, von denen einer auch noch mit Peitsche und Eisenkette auf sie losgeht, anstatt immer nur ihr Pferd in die Luft zu stemmen oder Gauner, Polizisten und Piraten außer Gefecht zu setzen. Leider fehlt Troisi Lindgrens Humor. Sie erzählt ohne jedes Augenzwinkern wie Nihal zehn fast fertig ausgebildete Krieger der Reihe nach besiegt und so ist diese Episode trotz der martialischen Schilderung völlig unglaubwürdig.
Und es möge sich jetzt bitte keiner beschweren, hier bei bp würde wohl neuerdings ein Spoiler an den anderen gereiht. Jeder hier aufgeführte Punkt ist vorhersehbar, und sobald ein Handlungsteil beginnt, weiss der Leser, wie er enden wird. Außer den ganz jungen Leserinnen wird niemand je vermuten, dass Nihal irgendeine Aufgabe letztendlich nicht besteht, und wenn sie einmal den Kürzeren zieht, wie bei dem Kampf gegen Sennar, dann offensichtlich nur, um die Handlung voranzutreiben und Nihal, die am Anfang der Geschichte ja erst dreizehn Jahre alt ist, sich entwickeln und reifen zu lassen, so dass ihr aus der vermeintlichen Niederlage doch noch ein persönlicher Sieg erwächst, und schlussendlich Gutes bewirkt wird. Die Geschichte ist durchsichtig wie eine frischgeputzte Fensterscheibe. Selbst wenn Nihal in aussichtslose Situationen gerät oder ernsthaft verletzt wird, weiss jeder, der älter als zwölf ist, dass er um die Heldin des Romans nicht bangen muß.

Natürlich wird Im Land des Windes auch gestorben, natürlich trifft es einen edlen Recken und natürlich bricht sein Tod Nihal fast das Herz, denn auch die Romantik darf bei einer jugendlichen Heldin nicht zu kurz kommen. Natürlich ist sie bezaubernd und auf eine faszinierende Art schön, wenn sie auch laut Autorin angeblich keinem klassischen Schönheitsideal entspricht. Sie hat lange Wimpern, eine gertenschlanke Figur und “sehr weibliche Rundungen”, womit sie trotz ihrer außergewöhnlichen Augen- und Haarfarbe und den Mr.-Spock-mäßigen Ohren -was in einem Land, das auch von Kobolden, Gnomen, Wassernymphen und Drachen bevölkert ist, so ungewöhnlich auch wieder nicht ist – tatsächlich einem “klassischen Schönheitsideal” genauso wenig entspricht wie Heidi Klum. Natürlich ignoriert sie die begehrlichen Blicke der Soldaten und bleibt unnahbar. Natürlich ist sie eine unerbittliche Kämpferin, die jeden feindlichen Krieger niedermäht und natürlich ist es nicht Nihal, die von den Greueln des Krieges überwältigt wird als sie mit anderen jungen Kriegern zum erstenmal in die Schlacht geschickt wird, sondern ein zartbesaiteter Jüngling und natürlich gelingt es auch nur ihr, dass Oarf sie auf seinem Rücken fliegen lässt, ein Drache, der seit dem Tod seines ersten Herren, niemanden an sich heran lässt und wegen seines aggressiven Verhaltens sein Dasein in einem Käfig fristen muss.

Also: Nichts Neues unter der Sonne, aber immerhin ein unterhaltsam geschriebener Fantasyroman mit einer starken, entschlossenen, tapferen Heldin, mit der sich jüngere Mädchen sicher gerne identifizieren, sofern sie sich nicht von den manchmal brutalen Szenen abschrecken lassen, und für alle, die noch nicht allzuviel Leseerfahrung besitzen auch spannend.

Cover des Buches "The Last Battle" von C. S. LewisDer letzte Band der Narnia-Chroniken beschreibt, wie Narnia aufhört zu existieren. Was genau passiert und warum Narnia untergehen muss, sollte man besser selbst nachlesen …

-“In the last days of Narnia, far up to the west beyond Lantern Waste and close beside the great waterfall, there lived an Ape.”-
Chapter One: By Caldron Pool

Am letzten Narnia-Band werden sich wohl die Geister scheiden. Für die einen ist es ein furioses Finale, für die anderen ein vor christlichen Symbolen triefendes Armageddon. Es kommt ganz auf den Leser an, wo dieser seinen Schwerpunkt setzt. Ich für meinen Teil war zunächst sehr überrascht, weil ich schon allerlei Merkwürdiges vom letzten Band gehört hatte: Lewis‘ letzte Geschichte über Narnia ist wirklich fesselnd und spannender als seine Vorgänger. Ich konnte das Buch kaum mehr aus den Händen legen und war auch nach einem Tag bereits durch.

Doch mehr als in den Bänden zuvor wird hier die christliche Symbolik deutlich, besonders am Ende nimmt der religiöse Charakter überhand. Zum Schluss wird dem Leser eine deutliche (natürlich religiöse) Botschaft vermittelt.
Welche Seite nun der Leser mehr Beachtung widmet, bleibt ihm selbst überlassen. Mich hat The Last Battle (Der letzte Kampf) wirklich gefesselt, und es bildet zudem auch noch einen runden Abschluss für den gesamten Zyklus.

Le peuple turquoise von Ange GuéroDer ehemalige Spion und Meuchelmörder Arekh fristet ein erbärmliches Dasein als Galeerensträfling und hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch als sein Schiff in einem Gefecht versenkt wird, rettet Marikani, die Thronerbin des Königreichs Harabec, Arekh unversehens das Leben, so dass er sich im Gegenzug widerwillig bereitfindet, ihr und ihrer Hofdame Liénor bei der gefahrvollen Rückkehr in ihre Heimat zu helfen. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass nicht nur äußere Feinde ihnen Steine in den Weg legen: Aus dem Königshaus von Harabec droht Verrat, die mächtige Priesterschaft spinnt ihre eigenen Intrigen, und in den Reihen des versklavten Türkisvolks gärt es…

Le niveau de l’eau montait, atteignant maintenant la poitrine des prisonniers des derniers rangs. Les rayons du soleil chauffaient les visages, murmurant des promesses de printemps.
Puis la galère se renversa et Arekh se retrouva sous l’eau.
Chapitre 1

Französische Fantasy steht in dem Ruf, zwar gelungene Comics hervorzubringen, im Romanbereich aber bestenfalls Durchschnittliches zu bieten. Gelegentlich stößt man jedoch auf ein Buch, das einen eines Besseren belehrt –  und das trifft auf Ange Guéros Le peuple turquoise (in deutscher Übersetzung als Rune der Knechtschaft erschienen) voll und ganz zu. Unter dem sonst gemeinsam mit ihrem Mann Gérard genutzten Pseudonym Ange entwirft Anne Guéro das düstere Bild einer von Religiosität und Rassismus ebenso wie von Lebensfreude und Dekadenz geprägten Gesellschaft, die lange die Gefahr verkennt, in der sie schwebt. Das orientalisch inspirierte Tanjor mit seinen Palästen, Städten, grandiosen Landschaften und unterirdischen Gangsystemen ist dabei bis ins Detail liebevoll und plastisch ausgestaltet und von einer Vielzahl glaubhaft geschilderter Ethnien bevölkert, so dass sich wirklich das Gefühl einstellt, Einblicke in eine fremde Welt zu erhaschen, statt es nur mit der Kulisse einer Romanhandlung zu tun zu haben.  Auf allzu viele Fantasyelemente sollte man allerdings nicht hoffen, denn wann immer Übernatürliches ins Spiel zu kommen scheint, sind dem religionskritischen Unterton des Romans gemäß auch ganz profane Erklärungen für die Vorgänge denkbar.

Diese Abwesenheit von Magie mindert jedoch keinesfalls die Faszination des Settings, dessen ausführliche Hervorhebung in dieser Rezension nicht überraschen sollte: Da die ersten zwei Drittel des Buchs ausschließlich aus einer Reiseschilderung bestehen, sind die Handlungsorte, mit denen sich die Protagonisten teilweise durchaus intensiv auseinandersetzen, statt sich nur hindurchzubewegen, für die Atmosphäre weit bestimmender als der eigentliche Plot, der zwar erwartungsgemäß nicht mit Verfolgungsjagden, Kämpfen, Intrigen, Mord und Totschlag geizt, aber nicht den hauptsächlichen Reiz der Geschichte ausmacht.

Denn vor allem lebt dieser erste Band der Trilogie Les Trois Lunes de Tanjor (deutsch: Die Legende von Ayesha) von dem sperrigen Antihelden Arekh, dessen Verurteilung zur Galeerenstrafe durchaus nicht unverdient ist und der auch nach seiner Befreiung immer wieder moralisch ambivalent agiert. Obwohl er also nicht als klassischer Sympathieträger angelegt ist, gelingt Guéro mit ihm die fein beobachtete Charakterstudie eines Menschen, der sich zwar zynisch gibt, unbewusst aber zutiefst von den Moral- und Glaubensvorstellungen der Gesellschaft, in der er lebt, beeinflusst wird. Die philosophischen Rededuelle, die er sich immer wieder mit der idealistischen Marikani liefert, führen in die zunächst recht generisch wirkende Flucht- und Abenteuerhandlung früh die Themen ein, die im weiteren Verlauf der Trilogie an Bedeutung gewinnen: Besonders am Beispiel von Sklaverei und Götterglauben geht es um äußerliche wie innere Abhängigkeit und nicht zuletzt auch um die Frage, inwieweit das persönliche Schicksal von übernatürlichen sowie irdischen Faktoren vorherbestimmt oder aber vom Einzelnen frei zu gestalten ist.

Dementsprechend ist es auch kein Wunder, dass die zahlreichen äußerlichen Bewährungsproben eigentlich fast sekundär sind und vor allem die Folie für die Entwicklung eines nicht unkomplizierten Beziehungsgefüges bilden, in dem Misstrauen, Sympathie und wechselseitige Verpflichtungen sich die Waage halten. Die pessimistische Erkenntnis, dass gemeinsam durchgestandene Widrigkeiten beileibe nicht immer Anlass genug sind, über den eigenen Schatten zu springen, zieht sich dabei fast leitmotivisch durch den Roman und führt als zentrales Element des nachdenklich stimmenden Endes zu den noch weit stärker von einer sehr abgeklärten Weltsicht geprägten Folgebänden hin.

Die Legende von Araukarien von Ralf LehmannIm Hochhügelland häufen sich bedrohliche Geschehnisse, und so wird der junge Bolgan ausgesandt, um den Alten Niemand, einen jahrhundertealten Einsiedler, aufzusuchen und seinen Rat einzuholen. Was er erfährt, übertrifft seine schlimmsten Befürchtungen: Alles deutet darauf hin, dass der Schwarze Prinz, der schon in ferner Vergangenheit sein Unwesen trieb, zurückgekehrt ist und sich anschickt, die Lande zu verwüsten und ihre Bewohner zu versklaven. Die Reise in die Hauptstadt, um den Herrscher über das Reich Araukarien vor der drohenden Gefahr zu warnen, gerät zum Wettlauf gegen die Zeit, und bei ihrem Eintreffen müssen Bolgan und der Alte Niemand erkennen, dass ihre Nachricht allein nicht ausreicht, um die Katastrophe aufzuhalten …

Das Land der Tanzenden Berge! Es ist eine merkwürdige Gegend, in der diese Geschichte ihren Anfang nimmt, eine weit von Araukaria, der Hauptstadt des Alten Reiches, entfernte Provinz. Die Landschaft ist schön und anmutig, mit grünen, baumbestandenen Kuppen und tief eingeschnittenen Tälern, in deren Niederungen knorrige alte Trauerweiden in einem niemals endenden Zwiegespräch mit kristallklaren Bächen stehen.
(1. Die Erzählung des Alten Niemand)

Mit der Legende von Araukarien, dem ersten Band der Trilogie um den Kampf gegen den Schwarzen Prinzen (anscheinend nicht verwandt oder verschwägert mit diesem Herrn), bietet Ralf Lehmann inhaltlich sehr klassische Fantasy: Eine dunkle Bedrohung aus grauer Vorzeit sucht jäh die Welt heim und die traditionellen Eliten versagen, so dass eine kleine Runde von Gefährten aus dem Volk unter Führung eines alten Mentors für kurze Zeit zusammenfinden muss, nur um sich bald wieder zu trennen und auf unterschiedliche Questen auszuziehen. Nichts weiter Bemerkenswertes, so möchte man meinen, zumal die jugendlichen Helden Bolgan, Hatib und Fernd gerade im Vergleich zu den oft liebevoller gezeichneten Nebenfiguren ein wenig blass bleiben. Dass Lehmann es eigentlich besser kann, beweisen die Passagen, in denen er sich daran wagt, menschliche Beziehungen in ihrer ganzen Kompliziertheit auszuloten: So nähern sich etwa einige Sklavenjäger und ihre Opfer einander ungewollt an, als ein schneller Weiterverkauf scheitert, und der mühsame Versuch, den auch langfristig günstigsten sozialen Umgang miteinander auszuhandeln, lässt viele Zwischentöne zu. Solch feine Beobachtungen würde man sich häufiger wünschen, zumal auch noch andere Schwächen auffallen: Manch innerer Widerspruch wird nicht aufgelöst, und die Dichte an Frauengestalten ist wesentlich geringer als in jedem durchschnittlichen Karl-May-Roman. Apropos Karl May: Dessen Bücher dürften Lehmann tatsächlich in gewissem Maße als Inspirationsquelle gedient haben, denn genau dort ist man einem dicken Boschak oder einer Beschreibung, die der des Schurken Morgreal verdächtig ähnelt, schon einmal begegnet.
Die Tatsache, dass Handlung und Charaktere Die Legende von Araukarien nicht unbedingt über den Durchschnitt hinausheben, sollte einen jedoch nicht von der Lektüre abschrecken, denn auf zwei anderen für die Fantasy ungemein wichtigen Gebieten stellt der Roman unbestreitbar seine Qualität unter Beweis: Weltenbau und Erzählweise überzeugen. Wie schon das oben gewählte Zitat verrät, kommt Araukarien hinsichtlich der phantastischen Elemente, die das Land selbst durchdringen, um einiges magischer und verspielter daher, als man es im Zeitalter “realistischer” Fantasyromane gewohnt ist: Berge, die über Nacht den Standort wechseln, ein verwunschener Hügel, den der finstere Feind nicht betreten kann, eine Ruinenstadt, in der Geisterspuk eine ferne Vergangenheit wiederauferstehen lässt, und eine geheimnisvolle Orakelhöhle wollen erkundet werden und erinnern einen daran, dass der größte Reiz von Questenfantasy oft nicht im Ziel der Reise, sondern in einem abwechslungsreichen Weg besteht. Auch die Wesen, von denen diese bunte Welt bevölkert ist, sind originell und von einer märchenhaften Unheimlichkeit, die sich nicht zuletzt aus der schieren Selbstverständlichkeit speist, mit der sie etwa auf Gedanken und Träume der Menschen zugreifen können. Wenn beispielsweise ein dämonischer Gifalk – eine Kreatur, die sich von Träumen nährt – den jungen Sohn eines Wirts zu sich aufs Zimmer bestellt und nur in Andeutungen eine geistige Vergewaltigung impliziert wird, erzeugt der Text mit subtilen Mitteln ein unterschwelliges Grauen, das weit länger nachhallt als jedes Entsetzen über eine plakative Gewaltdarstellung.
Ohnehin kann man sich nach einer Weile des Gedankens nicht mehr erwehren, dass es eigentlich gar keine so große Rolle spielt, was Ralf Lehmann erzählt, da einen vor allem gefangen nimmt, wie er es tut. Das liegt nicht allein an der teilweise poetischen Sprache (obwohl natürlich ein Waldbühl oder ein Silbergreis gekonnt bildreiche Assoziationen heraufbeschwören), sondern ist auch dem Eindruck geschuldet, es hier mit einer ganz anderen Erzählweise zu tun zu haben als der, die vor allem in der angloamerikanischen Fantasy mittlerweile fast alternativlos vorherrscht. Lehmann verlässt sich nicht allein auf ein szenisches Vermitteln seiner Geschichte, sondern beherrscht auch das raffende Schildern größerer Zeitabschnitte und vor allem das Beschreiben topographischer Besonderheiten virtuos. Die Erzähltradition, in der sein Buch steht, ist nicht die der Fantasy allein; Abenteuerromane des 19. und frühen 20. Jahrhunderts spielen ebenso mit hinein wie einige Aspekte klassischer Kinder- und Jugendliteratur zu phantastischen Themen. Beim Lesen stellt sich daher rasch das sympathische Gefühl ein, dass nicht auf vordergründige Effekte hingearbeitet, sondern vor allem eine Geschichte erzählt werden soll. Die mag nicht perfekt sein, gewiss – aber nach diesem Auftaktband ist man doch sehr gespannt auf den Fortgang, und sei es nur, weil es einfach so großen Spaß macht, sie sich erzählen zu lassen.

Der letzte Kampf von C.S. LewisDer letzte Band der Narnia-Chroniken beschreibt, wie Narnia aufhört zu existieren. Was genau passiert und warum Narnia untergehen muss, sollte man besser selbst nachlesen …

– In den letzten Tagen Narnias lebte weit oben im Westen, jenseits des Laternendickichts und nahe dem großen Wasserfall, ein Affe. –
Am Kesselteich

Zu Der letzte Kampf liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Der letzte Steinmagier von James A. SullivanVor vielen Jahren wurde die Kaiserin des Reiches von einem abtrünnigen Steinmagier in Stein verwandelt. Seither herrscht Krieg im Land. Die anderen Steinmagier sind untereinander zerstritten und haben sich den Machtkämpfen der Fürsten angeschlossen, statt die Kaiserin aus ihrem endlosen Schlaf zu befreien. Als sich die Steinmagier in der gewaltigen und finalen Schlacht von Wuchao begegnen, bleibt nur der junge Wurishi Yu lebend zurück. Um den letzten Wunsch seines Meisters zu ehren, macht sich Yu auf den Weg, das Unrecht wieder gut zu machen und die Kaiserin zu erwecken. Doch der Fürst Dayku Quan ist ihm bereits auf den Fersen und trachtet dem Wurishi nach dem Leben.

– Wurishi Yu legte seine Hand auf das glatte Bronzesiegel und sprach im Stillen die Worte des geheimen Zaubers. Aus den Wänden links und rechts ertönte ein lautes Beben, und schon bewegten sich die beiden steinernen Torflügel. –
Die Schlacht von Wuchao, Seite 14

Aufgrund seiner abweichenden Genre-Standards hebt sich Der letzte Steinmagier positiv von dem generischen Einheitsbrei um Elfen, Zwerge und Orks ab und schlägt mit seinem ostasiatischen Setting einen gänzlich anderen Weg ein. Die Grundzutaten für den Roman sind dabei teils durchaus wohlbekannt: eine Gruppe von Fremden schließt sich zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, macht sich auf eine gefährliche und abenteuerliche Reise und wird dabei von einem nach Macht gierenden Gegenpart verfolgt und bedroht. Es gibt natürlich auch eine Prinzessin bzw. hier eine Kaiserin in Nöten, einen nahezu makellosen Helden, der zu ihrer Rettung naht, und ein zerrissenes Reich, in dem Machtkämpfe toben. Diese klassischen Stilmittel werden mit einer guten Portion Humor gewürzt und bieten durch das selten genutzte Setting Asiens eine angenehme Abwechslung. Hervorzuheben ist auch das ungewöhnliche Magiesystem, welches der deutsch-amerikanische Autor James Sullivan in seinem Solo-Debütroman beschreibt.

Die Charaktere in Der letzte Steinmagier sind gut gezeichnet und kommen überzeugend daher, auch wenn sie ihr ganzes Entwicklungspotential nicht ausnutzen können und oft etwas zu schnell an ihren Erfahrungen reifen. Ihr größtes Manko ist eine klare schwarz-weiß Rollenverteilung ohne Abweichungen davon. Was ihnen an dieser Stelle an realistischer Substanz fehlt, machen ihre zumeist humorvollen Eigenarten jedoch wieder wett. Zusätzlich gewinnen sie im Verlauf der Handlung immer mehr an Struktur und verstehen den Leser durch eine interessante Herkunftsgeschichte bei Laune zu halten. Besonders der Charakter des Diebes Sankou Yan sorgt von Beginn an für Sympathie und ist der heimliche Held dieser bunt gemischten Gefährtengruppe. (Ein kleiner Bonus für Fans von Sankou Yan ist auf der Website des Autors in Form einer Kurzgeschichte zu finden).

Der letzte Steinmagier ist ein solides Fantasywerk, das vor allem jüngeren Lesern, Genre-Einsteigen und Eastern-Fans gefallen dürfte. Es finden sich hier einige gute und interessante Ideen ein, die sich vor allem in der ungewöhnlichen Anwendung und Auswirkung des Magiesystems zeigen. Sprachlich kommt der Roman schlicht daher, lässt sich dafür flott und flüssig lesen. Die Atmosphäre ist bei der stringenten Erzählweise und wenig beschreibenden Details etwas schwerer zu fassen, und viele Überraschungen in der Handlung darf man ebensowenig erwarten. Einen Meilenstein der Fantasy stellt Der letzte Steinmagier daher nicht dar, doch wer sich von einem Hauch Ostasiens verzaubern lassen möchte, humorvolle Abenteuergeschichten mag und auch mal einen Einzelroman zur Hand nimmt, der ohne große Überraschungen oder in epischer Länge ausgebreitete Dramen auskommt, wird seine Freude an diesem Buch haben.

Die letzte Wallstatt von Stephen R. DonaldsonDie Lage im Land ist aussichtsloser als je zuvor. Die Horden des finsteren Lord Foul haben das Land mit Zerstörung überzogen und mit Hilfe des Weltübelsteins die Riesen bis auf den letzten Mann vernichtet. Sogar die uralten Bande der Bewohner zu den Bluthütern wurden zerschnitten. Als auch noch die Baumstadt Schwelgenholz unter dem Ansturm von Fouls Wüterich Satansherz fällt und die Feinde sich anschicken, der Menschen letzten Hort Schwelgenstein zu belagern, scheint das Schicksal besiegelt. Hoch-Lord Mhoram fällt einen folgenschweren Entschluss: Er holt den Schriftsteller Thomas Covenant, als “Zweifler” mehr berüchtigt als berühmt, zurück ins Land. Dessen wilde Magie, ausgehend vom Weißgold seines Eherings, könnte die letzte Rettung sein …

-Thomas Covenant sprach im Schlaf. Zeitweise wußte er, was er tat; Bruchstücke seiner Stimme durchdrangen schwach, wie Andeutungen von Unschuld, seinen Stupor.-
1: Die Gefahr in Träumen

Im abschließenden Teil der ersten Trilogie um Covenant den Zweifler kommt Donaldson dem Leser ein weiteres Stück entgegen. Band eins der Chroniken krankte für viele unter dem teilweise extrem unsympathischen “Helden”, insbesondere weil sich zu Anfang fast alles um Covenant drehte, dieser quasi omnipräsent war. Donaldson hebt diese Sperrigkeit hier auf, ohne seinen Hauptcharakter dabei völlig zu verändern: Er führt einen zweiten Handlungsstrang, der parallel zu den Erlebnissen von Covenant verläuft und der auch den gleichen Raum einnimmt, nämlich die Belagerung von Schwelgenstein – was dem Roman unheimlich gut tut und aus Die letzte Wallstatt (The Power That Preserves) den eingängigsten und damit wohl besten Teil der ersten Trilogie um Thomas Covenant macht.
Der Kampf um Schwelgenstein ist äußerst mitreißend, fast ein Paradestück moderner Fantasy. Gleichzeitig vermeidet Donaldson so weitgehend Ermüdungserscheinungen beim Leser, die sich bei Covenants ewig gleicher Verweigerung sonst durchaus einstellen könnten. Wer aber nun auf den Gedanken kommt, die Ereignisse um Covenant selbst (nun also “nur” noch etwa die Hälfte der Seiten umfassend) seien “nur die dritte Quest im dritten Roman” liegt aber daneben. Elegant schlägt der Autor einen Bogen zu den Ereignissen des ersten Bandes, als Covenant zum ersten Mal in die Fantasy-Welt gezogen wurde. Folgerichtig werden viele Personen des Beginns thematisiert, an erster Stelle natürlich der Riese Salzherz Schaumfolger, schmerzlich vermißt im mittleren Band. Auch im Finale schafft es Donaldson, auf phantasiereiche Weise den Kreis zu schließen, so dass ich zu guter Letzt ein rundum gelungenes Leseerlebnis festhalten möchte.

Die letzten Worte des Wolfs von Tobias O. MeißnerKaum hat sich die Mammut-Gruppe um den ehemaligen Schreiber Rodraeg und die Schmetterlingsfrau Naenn von den Strapazen und Verletzungen des letzten Auftrags mehr oder minder erholt, flattert auch schon die nächste Botschaft von den geheimen Auftraggebern ins Haus – diesmal soll sich Rodraeg mit seinen Gefährten in die Küstenstadt Wandry aufmachen,  um die letzte Buckelwalherde zu schützen – die Tiere werden angeblich durch verbotene Magie zur Stadt (und Schlachtung) gelockt. Bevor an einen Aufbruch zu denken ist, muß aber erst einmal ein Ersatz für den im letzten Abenteuer verlorenen Mann her. Die anschließende Reise nach Wandry verläuft turbulenter als geplant.

-Es war um die Mitte des Wiesenmonds. Ein früher Abend.-
Prolog

Im zweiten Streich der Öko-Guerrillas vom Mammut geht es ans Eingemachte, umweltaktivistisch gesehen: Eine Walherde soll vor dem Abschlachten (durch profitgierige Walfänger) gerettet werden, und es gibt tatsächlich sogar eine Szene, in der die Helden sich todesmutig mit einem kleinen Boot zwischen die Meeresriesen und die Fangflotte stellen – da schlägt doch das Herz eines jeden Greenpeace-Fans höher! Man kann allerdings nicht genug betonen, daß Meißner es schafft, das Thema beinahe ganz ohne erhobenen Zeigefinger zu behandeln und es mit interessanten Kniffen aus dem Öko-Milieu bruchlos ins phantastische zu hieven. Vor allem durch den Charakter Rodraeg, der sich zunehmend an einer intakten Umwelt freuen kann, bleibt das Thema zwar im Vordergrund, doch stets ist es eine Abwandlung zu den uns real bekannten Umweltproblemen, weil ein starker Magiefaktor hineinspielt – und weil die Mammut-Abenteuer letztendlich doch nie so einfach gestrickt sind, wie sie anfangs aussehen.
Hinter der Walfangepisode steckt ein größerer Zusammenhang, und das Zerstören der Natur und das Ausrotten von Tierarten schlägt höhere Wellen als vermutet (eine Systemwirkung, die in einer Fantasy-Umgebung viel deutlicher spürbar zu vermitteln ist, als wir es von unseren vielleicht irgendwann richtig brisant werdenden Umweltproblemen kennen).

Allerdings, was die großen Zusammenhänge angeht, die Ziele der Auftraggeber und Gegner des Mammuts, die die einzelnen Episoden der Serie auch aneinanderketten, guckt man in diesem Band leider in die Röhre. Meißner geizt mit Informationen, die den gesamten Handlungsbogen betreffen – man ist diesbezüglich am Ende kaum schlauer als nach dem ersten Band und hat nach der Lektüre des zweiten vornehmlich ein hübsch ausgeführtes Abenteuer bestanden, ohne aber viel Weiterentwicklung in der Hintergrundgeschichte erfahren zu haben.
Vielleicht ist hier aber auch der Weg das Ziel, denn während man das Mammut auf die Walrettungsaktion begleitet, möchte man sich eigentlich nie über mangelnde Unterhaltung beschweren. Wie schon der erste Band glänzt das Abenteuer mit liebevoll beschriebenen Personen, denen man mit Vergnügen über die Schultern schaut, und einem schönen, leicht zu lesenden Stil, für Meißner-Verhältnisse ohne große Experimente. Von der ungewöhnlichen Thematik abgesehen, sind die Taten des Mammuts im Grunde weder sonderlich sensationell noch actionreich, aber so, wie sie erzählt sind, kann man locker die halbe Episode in einem Haps weglesen.
Am Anfang steht eine vergleichsweise lange Reisezeit zum Zielort – da läßt es Meißner sehr ruhig angehen und schwelgt in Besuchen von Gasthöfen, Beschreibungen, den Beziehungen der Figuren untereinander, was sich aber alles erstaunlich unterhaltsam liest. Durch die zeitlich eingeengte Auftragssituation – die Wale kommen relativ termingerecht nach Wandry – ist für eine gewisse durchgängige Dynamik gesorgt.

Aus vielen Elementen – nicht zuletzt der klaren Verteilung von verschiedenen Fähigkeiten bei den Mitgliedern der Mammut-Gruppe – sprechen deutliche Rollenspieleinflüsse, allerdings in einem erträglichen Ausmaß und auch verstärkt durch die Gliederung der Reihe in Einzelabenteuer. Weil pro Band ein kompletter Auftrag abgehandelt wird, bekommt man am Ende einen schönen Abschluß – die Rahmenhandlung und auch die detailverliebte Charakterentwicklung tragen den Leser weiter in den nächsten Band.
Wer detailfreudige, gemächliche und trotzdem warmherzige Fantasy mag, sollte sich von der ungewöhnlichen Thematik also nicht abschrecken lassen und ein Abenteuer mit Rodraeg und seinen Gefährten wagen – und nächstes Mal gibt es hoffentlich etwas mehr Futter für Spekulationen, was die alle Bände überspannende Gesamthandlung angeht …

Nach Windwirs Fall herrscht Misstrauen unter den Völkern der Benannten Lande, und Rudolfo, der Zigeunerkönig, hat sich in seine Waldresidenz zurückgezogen und leitet den Neuaufbau der Bibliothek. Als unerkannte Attentäter zur Feier seines neugeborenen Sohnes ein Blutbad unter den Gästen anrichten, kommt er unbeschadet davon, und der Samen der Zwietracht ist gesät: hat der Zigeunerkönig etwas mit den Anschlägen zu tun? Doch während sich Rudolfo auf die Suche nach Wahrheit begibt, antwortet eine unbekannte Macht auf die Zerstrittenheit der Völker, und ihre Antwort ist: Krieg.

– Der Sonnenaufgang über den Mahlenden Ödlanden war von schrecklicher Herrlichkeit. –
Vorspiel

Es ist kein Zeichen überbordender Kreativität, einer Rezension den Titel des zu rezensierenden Romans zu verleihen. Doch da „Lobgesang auf Lobgesang“ noch unbeholfener tönt, möchte ich es bei der Einfachnennung belassen. Was also ist so gut am zweiten Band des Zyklus Die Legende von Isaak von Ken Scholes, dass ich hier einen weiteren Lobgesang anstimmen möchte?

Die Geschichte beginnt einige Monate nach der Verheerung Windwirs. Die Protagonisten sind über die Benannten Lande verstreut und versuchen noch immer, die Rätsel um die Zerstörung der einst so prächtigen Stadt zu lösen und die daraus resultierenden diplomatischen Verwicklungen zu entwirren. Besonders durch die Augen von Neb, Rudolfo und Vlad Li Tam entdeckt der Leser immer mehr von der Welt; die Mahlenden Ödlande werden durchlaufen und das Smaragdmeer durchschifft. Für jedes vermeintlich gelöste Rätsel werden jedoch zehn neue Frage aufgeworfen, und bald erschüttert Verrat und Krieg die Bewohner der Benannten Lande und die Leser des Romans.

Tatsächlich kann Lobgesang (Canticle) als ein Roman über Verrat, über Krieg, und über Verantwortung gelesen werden – und als Roman über Familie. Die zwischenmenschliche, familiäre Beziehung ist ein zentraler Handlungsmotor: während Winters jegliche Bezugsperson zu verlieren scheint, muss Vlad Li Tam erkennen, dass Blut zwar dicker als Wasser ist, aber dennoch vergossen werden kann.
Unkonventionell finde ich die Entscheidung, einen Protagonisten im inneren Konflikt zwischen Vaterschaft und Pflichtbewusstsein zu skizzieren. Äußerst feinfühlig schildert Scholes die wachsende emotionale Bindung eines Vaters an sein Neugeborenes, ohne in blinden Kitsch abzudriften. Die Sorge um das „Greater Good“ wird mit einem Male zum Kampf um ein einzelnes Leben. Doch bevor der actiongewohnte Fantasyfan aufstöhnt, sei ihm versichert: noch immer ist Rudolfo Staatsmann, und wer glaubte, die Intrigen der Familie Li Tam mit dem Ende des ersten Bandes durchschaut zu haben, wird enttäuscht werden. Noch feiner wird das Netz aus Täuschung, noch tiefgreifender der Verrat und deutlich blutiger die Auseinandersetzungen. Lobgesang ist kein schmachtendes Familiendrama, sondern ein spannender Fantasyroman und Scholes ein Autor, der sich der Herausforderung einer komplexen Charakterentwicklung annimmt.
Das Motiv des innerlichen Zwiespalts, des inneren Kampfes, zieht sich wie ein roter Faden durch die Charakterzeichnung. Winters ist nicht nur ein verliebtes junges Mädchen auf der Suche nach menschlicher Geborgenheit, sondern auch Kriegerin und Herrscherin eines Volkes, welches ungeahnt eine ganz andere Rolle spielt, als sie es sich hatte vorstellen können. Jin Li Tam hingegen hat genug von der häuslichen Wärme und stürzt sich, den eigenen Sohn im Arm haltend, in die Schlacht. Nur Petronus steuert ohne Zaudern auf ein Ziel zu; doch die gefürchtete und gleichzeitig herbeigesehnte Abrechnung ereilt ihn anders, als geplant.

Besonders diese Ambivalenz der Figuren und die sorgfältig und glaubhaft gezeichneten inneren Konflikte der Charaktere fesseln den Leser an die Seiten; ihre Schicksale vermögen zu Tränen der Freude oder der Trauer zu rühren. Jahrelanger Fantasygenuss härtet zwar ab, die Geschichte um die Familie Li Tam jedoch schockiert und führt den Leser die Abgründe menschlichen Handelns vor Augen.
Doch nicht nur menschliches Handeln bestimmt den Fortgang der Geschichte: immer mehr wird deutlich, dass die dampfbetriebenen Mechoservitoren nicht die passiven, programmausführenden Wissenscontainer sind, für die man sie gern halten würde. Und während alle dem Wissen der verlorenen Stadt Windwir auf der Spur sind, erwächst im karmesinroten Schatten des Sumpfvolkes eine uralte Bedrohung zu grausamer Stärke, und die Bundraben rufen es von den Dächern: Blutmagie …

Gewohnt sprachlich brillant und äußerst stimmig übersetzt erzählt Scholes seine facettenreiche Geschichte, die man als Leser atemlos, Seite um Seite verschlingt. Handlungsfäden treiben auseinander, überkreuzen sich und finden in grausamer Vorahnung wieder zusammen. Nie verliert der Autor einen Faden, und am Ende erkennt der Leser ein Muster, welches auf das Äußerste gespannt auf den dritten Band warten lässt. Und so langsam dämmert es dem Leser, dass Scholes etwas ganz und gar außergewöhnliches geschrieben hat: einen Lobgesang in Moll.

Cover von Lord of Snow and Shadows von Sarah AshIn dem barbarischen Land Azhkendir herrscht seit Urzeiten der Drakhaon über die Clans, ein Hybridwesen aus Mensch und dem letzten Drachen. Mit dem Tode des lezten Drakhaon geht der Geist des Drakhaoul auf seinen Sohn über, Gavril Andar, der jedoch im Exil lebt und nichts von seinem Erbe und seiner Bestimmung weiß. Die loyalen Diener des Drakhaoul entführen Gavril aus den zivilisierten Ländern, damit er seine Herrschaft antreten kann. Nur seine Mutter versucht, ihn zu befreien und geht dabei ein Bündnis mit dem ehrgeizigen Prinzen Eugene von Tielen ein, dessen Ziel es ist, das alte Imperium mit ihm an der Spitze widerherzustellen.

-“Drakhaoul,” he whispers, in awe and terror.-
Prologue

Sarah Ash gelingt es, mit ihrem Fantasyroman Lord of Snow and Shadows (Eis und Schatten) eine ganz eigene, an Russland beziehungsweise Osteuropa gemahnende Welt zu erschaffen, die schnell Konturen annimmt und sich vor dem inneren Auge ausbreitet. Sie konzentriert sich vor allem auf die Geschichte des jungen, sensiblen Malers Gavril, der durch den Drachengeist besessen wird und sich plötzlich als Herrscher einer barbarischen Nation wiederfindet. Ihr gelingt es sehr gut, die langsame Entwicklung des jungen Mannes zu zeigen, der sich mehr und mehr von der unmenschlichen Essenz vereinnahmen lässt und zu einem Wesen wird, das er selbst verabscheut. Vor allem in den Figuren und deren Beziehungen zueinander liegt die Stärke des Romans, denn ihre Motive und Handlungen sind nachvollziehbar und man gewinnt sie schnell lieb. Dabei schafft die Autorin eine düstere Atmosphäre, die gut zu dem Hintergrund passt.
Die Geschichte selbst ist nicht besonders neu, erfährt aber häufiger interessante Wendungen und weiß zu unterhalten, obwohl man manchmal voraussehen kann, was geschehen wird. Leider ist es offensichtlich, dass der Roman nur der Auftakt einer Serie ist, denn manche Handlungsstränge werden nicht verknüpft, was am Ende einen leicht schalen Nachgeschmack hinterlässt.

The Lord of the Rings Sketchbook von Alan LeeIn The Lord of the Rings Sketchbook zeigt Illustrator Alan Lee sein einmaliges zeichnerisches Talent und seine Idee von der Herr der Ringe-Trilogie, wie sie die Filmkulissen schlussendlich maßgeblich geprägt haben.

– But here there is still more – an insight into an artist’s mind and a close-up of his pen, pencil and brushes at work. Wonderful. –
Ian McKellen, Foreword, S.9

Dieser Hardcover Bildband kommt in einem für ein Artbook relativ kleinen Format daher. Was im ersten Moment wie ein Manko klingt, wurde jedoch gänzlich positiv umgesetzt. Zunächst einmal liegt The Lord of the Rings Sketchbook gerade wegen des kleineren Formats bequem in der Hand und lässt sich entsprechend angenehm durchblättern. Überwiegend ganzseitige Abbildungen in einer sehr ordentlichen Qualität zeigen jedes kleine Detail der Skizzen und beweisen, dass die geringere Größe des Buchs keine Nachteile mit sich bringt. Aufgeteilt in übersichtliche Kapitel, fällt es auch thematisch leicht, sich in diesem Buch zurechtzufinden, Stellen schnell aufzuspüren und gezielt zu stöbern. Für letzteres sollte man etwas mehr Zeit einplanen, denn es gibt viel zu entdecken!

Tom Bombadil von Alan Lee
© Alan Lee - Scan: The Lord of the Rings Sketchbook

The Lord of the Rings Sketchbook ist, wie der Titel schon verrät, gefüllt mit Bleistift-Skizzen. Es grenzt jedoch beinahe schon an Hohn, diese Arbeiten eines Meisters seines Fachs lediglich als Skizzen zu bezeichnen, denn ihre Ausarbeitung, Detailgenauigkeit und Ideenvielfalt sind an vorbildlichem Können kaum zu überbieten und stellen viel mehr als bloß ein Entwurfsstadium dar. Es haben auch einige der fertig kolorierten Bilder ihren Weg hinein gefunden, sie wirken neben den lebendigen Skizzen geradezu zweitklassig und vernachlässigbar.

Inhaltlich befasst sich das vorliegende Werk – wer hätte es gedacht? – mit den Entwurfsarbeiten zum Filmkonzept der Herr der Ringe Trilogie. Es steuert dabei jedoch noch einige neue Zeichnungen bei, welche erstmalig in The Lord of the Rings Sketchbook gezeigt und teilweise sogar speziell für dieses Buch angefertigt wurden. Dazu gehören u.a. Portrait-Illustrationen von Ian McKellen als Gandalf oder Cate Blanchett als Galadriel. Besonders sympathisch wirkt das Buch aber durch einen gewissermaßen unzensierten Einblick in Alan Lees Arbeitsweise, seine Zeichenübungen und seine schrullig liebenswerte Methode, To-Do-Listen in Form winziger Thumbnails zu führen. Außerdem reflektiert der Künstler den Entstehungsprozess seiner Werke bis hin zum fertigen Ergebnis. In seinen Kommentaren zu den einzelnen Skizzen spricht Alan Lee nicht nur von den obligatorischen Filmanekdoten, sondern auch über seine Inspirationsquellen. Der Künstler scheut dabei nicht davor zurück, selbstkritisch über die Bilder zu urteilen und eigene Fehler, Vertuschungsversuche und Schwächen aufzuzeigen. Der Betrachter freilich wird es auch mit einem noch so kritischen Blick unfassbar finden, wie Alan Lee an dieser Stelle von Fehlern sprechen kann, da sich die Arbeiten auf einem ausgesprochen hohen Niveau bewegen. Vermutlich sind nur echte Meister der Materie in der Lage, hier noch über Mängel diskutieren zu wollen und vor allem zu können. Es zeigt jedenfalls, mit welch hohen Ansprüchen Alan Lee an seine Illustrationen herangeht und wie selten heutige Künstler die klassische Illustration noch (in Perfektion) beherrschen.

Dieses Buch ist nicht nur ein Muss für den bekennenden Herr der Ringe-Fan, sondern auch für jeden (angehenden) Illustrator. Gerade letzterer wird die hilfreichen Tipps des Meisters begrüßen und zu schätzen wissen, denn es dürfte nicht zu viel versprochen sein, wenn einmal gesagt wird, dass man sich auch als talentierter Zeichner getrost noch eine Scheibe von Alan Lee abschneiden kann. Dieses Buch zeigt, dass Lees Skizzen mit ihrer Perfektion gleichermaßen zu begeistern und einzuschüchtern vermögen.

Acacia: Macht und Verrat von David Anthony DurhamLeodan Akkaran herrscht über das mächtige Reich Acacia, doch hinter der prunkvollen und Frieden stiftenden Fassade lauern finstere Geheimnisse und Abkommen, die diese Vormachtstellung garantieren. Während Leodan bemüht ist, seine Kinder in ihre Rollen als zukünftige Herrscher einzuführen und sie gleichzeitig zu Erbauern einer besseren Welt zu erziehen, droht Hanish Mein das Volk der Mein aus dem eisigen Norden herabzuführen und Leodans Platz einzunehmen. Dabei verlässt er sich nicht nur auf die Militärmacht der Mein, sondern auch auf ein Netz von Intrigen, das von jenseits der Bekannten Welt bis in den innersten Zirkel des Königs reicht …

– Obwohl er seine unterschiedlichen Verkleidungen mit Würde trug, war er in Wahrheit nichts von alledem, was er darstellte. – S. 14

Acacia: Macht und Verrat (The War With the Mein) stellt den äußerst gelungenen Auftaktband der Acacia-Trilogie von David Anthony Durham dar und ist vor allem eine Empfehlung für Fans epischer Fantasy in epischen Ausmaßen. Dabei ist der Roman trotz seiner knapp 800 Seiten sehr dicht, und Durham erzählt in diesem einen Band eine Geschichte, die andere auf mindestens eine Trilogie ausgewalzt hätten (Yes, I’m looking at you, Mr. Martin!).

Dabei verleiht dem Einsatz bekannter Topoi ((Königs-)Kinder müssen die Welt vor einem großen Übel bewahren) und Stilmittel (wechselnde Figuren, aus deren Sicht geschildert wird) zum Trotz besonders Durhams Erzählweise dem Werk seine Eigenständigkeit. Zwar mag deren Gerafftheit zu Anfang gewöhnungsbedürftig erscheinen, nach kurzer Zeit werden ihre Vorteile aber offenbar: Sie gewährt dem Leser/der Leserin nicht nur eine willkommene Abwechslung vom Beschreibungsschwall typischer High Fantasy, sondern sie lässt auch wesentlich mehr Raum (und hält an) zum Mitdenken, bleibt die Subjektivität der Eindrücke doch in den gerafften, aber erzählerisch dichten Passagen erhalten.

Beim Weltenbau offenbart Durham sein feines Gespür für die engen Verflechtungen von Wirtschaft und Politik und weckt mit regelmäßigen Hinweisen auf eine viel größere „Arena“, die sich wohl im zweiten Band weiter öffnen wird, Interesse an den Folgebänden. Auch bei der Entwicklung der Figuren nimmt sich Durham viel Zeit und schafft nicht nur ein ausgewogenes Verhältnis zwischen gelungenen männlichen und weiblichen Protagonisten, sondern verleiht auch den Antagonisten entweder Tiefe oder belässt ihnen ihre Undurchschaubarkeit, wobei sogar die Fronten zwischen HeldInnen und „Bösewichten“ gegen Ende verschwimmen. Scheinen sich bei der Geschichte der Königskinder zunächst sehr traditionelle Handlungsmuster Bahn zu brechen, schafft Durham es, hier am Ende der Erwachsenwerdungen mehrere gelungene Entwicklungen zu kreieren, die teilweise mit den überkommenen Mustern brechen. Dies sind die Aspekte, die mit den größten Raum im Roman einnehmen, und sie sind eng mit den Entwicklungen in der Bekannten Welt verwoben, das Ende des Konfliktes zwischen Acaciern und Mein wirkt gegen diesen umfangreichen Mittelteil beinahe hastig, lässt einen aber auch gespannt den zweiten Band erwarten.

Die Magie des Assassinen von Robin HobbKing Shrewd ist tot. Fitz ist offiziell auch tot. Also machen sich Fitz und Nighteyes auf, um ihren Freund und König Verity zu retten. Dieser ist auf der Mission, die Elderlings zu finden, verschollen. Regal ist nun König der Six Duchies. Fitz fasst den festen Entschluss, erst einmal Regal zu töten, und dann Verity zu retten. Leider entpuppt sich beides als nicht so einfach, zumal niemand weiß, in welchem Niemandsland Verity verschollen ist. Letztendlich gilt es allerdings “nur” die Elderlings zu finden, sie als Verbündete zu gewinnnen und damit die Six Dutchies zu retten.

– Ich erwache jeden Morgen von neuem mit Tinte an meinen Fingern. Manchmal liege ich weit ausgestreckt auf meinem Schreibtisch, inmitten von Schriftrollen und Pergamenten. –
Prolog, Das nicht Erinnerte

Zu Die Magie des Assassinen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Kaum haben Prinz Tristan und seine Gefährten das Reich Eutrakien geeint, droht neue Gefahr: Ein schwarzer Magier plant, mithilfe zweier mythischer Schriften das Reich in Dunkelheit zu stürzen. Doch dazu benötigt er einen Verbündeten mit besonderen Fähigkeiten, den er in Wulfgar zu finden hofft, einem verschollenen Halbbruder Tristans. Um Eutrakien zu retten, müssen Tristan, seine Zwillingsschwester Shailiha und die Magier Wigg und Faegan sich auf die gefährliche Suche nach der Schriftrolle der Operativa machen. Als Tristan jedoch in einen Hinterhalt gerät und gefangen genommen wird, scheint der Kampf verloren …

-»Ich frage euch ein letztes Mal«, sagte die Hausmutter. »Welchen Namen soll es erhalten?«
Während ihr die Tränen über die Wange strömten, betrachtete die junge Mutter das Gesicht ihres Kindes. Im tiefsten Herzen wußte sie, dass sie es zum letzten Mal sah. (…)
» Wulfgar«, flüsterte sie schließlich und bedeckte, außer sich vor Kummer, das Gesicht mit den Händen.-
Prolog

Das dritte Abenteuer von Tristan und Co. beginnt da, wo das andere aufgehört hat. Nur ein paar Monate sind seit dem Einsturz der Tore der Dämmerung vergangen, da taucht eine neue Gefahr auf, natürlich die »gravierendste Gefahr, der wir uns je gegenüber sahen« (Seite 638). Von dieser allerdings ist über weite Kapitel des Buches nichts zu merken. Nachdem es im Buch davor Tristans Sohn war, kommt nun also der verschollene Halbbruder zum Zuge. Hoffen wir, dass die weitere Verwandtschaft der Auserwählten nicht auch noch irgendwie für die Häretiker interessant ist (wobei das Ende des Buches anderes vermuten lässt). Nach ein paar recht ansprechenden Anfangskapiteln ebbt die Spannung schnell ab und über viele Seiten passiert einfach nicht genug, um erneut Spannung aufkommen zu lassen. In den 500 Seiten zwischen Anfang und Endschlacht geht es hauptsächlich darum, dass Tristan irgendwie den Weg nach Hause sucht und dabei natürlich immer wieder aufgehalten wird, dass Wigg und Faegan irgendwie versuchen Tristan zu finden und dabei immer wieder aufgehalten werden, dass die Bösen ihren heimtückischen Plan ausführen wollen und dabei immer  wieder aufgehalten werden.
Wenn man dann irgendwann zur Endschlacht durchgedrungen ist, fällt diese auch noch recht fad und unspektakulär aus. Natürlich gibt es die Standard-Massaker an Unschuldigen, die Standard-Gemetzel der Guten, die Standard-Endschlacht, wo jedes Mal Unmengen von Blut spritzen und unzählige Körperteile abgeschlagen werden, allerdings ist man durch die beiden Vorgänger bereits hinlänglich mit dem Schema vertraut. Mitreißen tut einen das nicht.

Ein paar Handlungsstränge sind trotz allem durchaus interessant und lassen ein wenig hoffen, dass eventuelle nachfolgende Bücher (es gibt genug offene Handlungen, die Nachfolger rechtfertigen würden) ein wenig mehr an Schwung gewinnen.
Was noch auffällig ist: Der Autor wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass, egal um welche Gruppe es gerade geht (angefangen von Piraten bis zu unschuldigen Sklaven, die als Futter enden), man immer beiderlei Geschlecht vorfindet. Alice Schwarzer wäre stolz auf diese Welt.
Nein, süchtig machen tut der Roman, wie auf dem Buchcover angepriesen, nun wirklich nicht. Allenfalls mal was für Zwischendurch.

Der magische Stein von David ZindellVor vielen Jahrtausenden, so sagen es die Legenden der Menschen, brachte Elahad, der König des Sternenvolks, den Lichtstein nach Ea, in die Welt der Menschen. Der Stein verleiht seinem Besitzer unermesslich große Macht, doch ging er vor Jahrhunderten verloren. Und nun sucht Morjin, der Herr der Lügen, den Stein, um mit seiner Hilfe die Welt zu unterwerfen. Doch auch Valashu, Prinz eines der letzten freien Königreiche Eas, macht sich, unterstützt von seinen treuen Gefährten, im Auftrag des Königs von Tria auf die Suche nach dem Lichtstein.

-In klaren Winternächten habe ich manchmal Berge bestiegen, nur um den Sternen näher zu sein.-
1

Sieben mutige Gefährten, ein jeder mit eigenen Fähigkeiten und eigenen Träumen, machen sich auf die lange und gefahrvolle Suche nach einem mächtigen, vor Zeiten verschollenen magischen Artefakt, mit dem die Welt entweder zum Guten oder zum Bösen gewendet werden kann, verfolgt von den grausamen Schergen des finsteren Herrschers, der diesen sensationellen Lichtstein gerne für sich allein hätte. Hach, wie schön, eine klassische Queste! Wie, das hat man schon tausendmal gelesen, in ungefähr jedem zweiten Buch mit dem Label “Fantasy”?
Für alle, die sich dem ersten begeisterten Seufzer nicht anschließen können und die nicht gleich loslesen und Valashu und seine Getreuen auf der Suche nach dem Lichtstein begleiten möchten, gibt es hier ein paar Gründe, weshalb sich der Blick in diese potentielle Ansammlung von Fantasy-Klischees durchaus lohnt:

David Zindell hat eine ganze Menge Inhalt in seinen Roman gepackt – in den über tausend Seiten steckt weit mehr als die Geschichte der Questenreise, die durch etliche Königreiche und die Wildnisse Eas führt. Dabei ist vor allem die innere Entwicklung von David Zindells Helden interessant, allen voran Valashu, aus dessen Sicht die Geschichte in der Ich-Perspektive erzählt wird. Valashu ist ein widerwilliger Held, eher ein Philosoph als ein Schwertschwinger, und sowohl in seine Überlegungen als auch in die “Heilsgeschichte” der Welt Ea hat der Autor eine Menge ethischer Fragestellungen und einen religiösen Hintergrund einfließen lassen, der von vielfältigen Inspirationsquellen spricht und durchaus zum Mitdenken anregt, die Geschichte aber zum Glück nie überrollt, sondern angenehm begleitet. Dabei hat sich Zindell nicht dogmatisch bei einer Lehre bedient, sondern verschmilzt östliche und westliche Weisheiten – der Lichtstein etwa ist ganz klar an den Heiligen Gral angelehnt, wohingegen das Warten der Welt auf den sogenannten Maitreya dem Buddhismus entnommen wurde, um nur wenige Beispiele anzuführen – das ganze Werk ist durchzogen von Anspielungen auf diverse Lehren und Legenden, die allerdings nicht einfach abgespult werden, sondern als essentielle Bestandteile tief in der Haupthandlung verankert sind und in den Figuren wirken.

Trotz der actionreichen Questengeschichte ist die Handlung eher von Ruhe bestimmt, und einige Längen sind nicht zu verleugnen. Zindell lässt so gut wie nichts unerzählt, so beginnt das Buch erst einmal mit einer 200-seitigen Reise durch diverse kleine Königreiche, wo begrüßt, übernachtet und überstürzt am Morgen geflohen wird (weil der Schwerenöter unter den Gefährten sich mit der Schwester/Nichte/Tochter des jeweiligen Burgherren vergnügt hat). Beinahe jede Rast und Mahlzeit darf der Leser sozusagen in Echtzeit miterleben. Das Tempo ändert sich auch später kaum, nur nimmt mit Beginn der Queste auch die Handlung an Fahrt auf, und dann freut man sich über jede Pause zwischen den aufreibenden Ereignissen. Figuren und Welt nach der ausführlichen Einleitung und Vorstellung so gut kennengelernt zu haben, zahlt sich im weiteren Verlauf der Handlung auch aus – es gibt nicht viele Fantasy-Geschichten, bei denen eine ganze, große Gefährtengruppe so intensiv ausgearbeitet wird und jeder auf seine Weise den LeserInnen dauerhaft ans Herz wächst.

Sprachlich lohnt sich Valashus Queste allemal – Zindell versteht es, beinahe poetische Töne anzuschlagen (die auch in der deutschen Übersetzung zu finden sind) und passend zu den oft ins Transzendente reichenden Inhalten kann man sich davon wunderbar bezaubern lassen.
Wer sich also an der fehlenden Originalität nicht stört – denn wie der Hase laufen wird, ist nicht weiter schwer zu erraten – und wer vom Umfang des Buches und der entsprechenden Ausführlichkeit der Erzählung nicht abgeschreckt wird, der sollte Valashus Queste eine Chance geben – mit diesen Voraussetzungen ist das Buch eher eine Offenbarung als eine Enttäuschung.

Cover von Meister der Schatten von Janny WurtsAlles begann mit dem Nebelgeist. Er hüllte die Welt Athera in undurchdringliche Schleier, überzog sie mit Krieg und vernichtete das Gesetz der Hohen Könige. Fünf Jahrhunderte später lastet der Fluch des Nebelgeistes noch immer auf Athera. Nur zwei Prinzen haben die Macht, diesen zu brechen: Arithon, Meister der Schatten, und Lysaer, Herr des Lichtes, zwei Halbbrüder mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Wenn sie Athera retten wollen, müssen Lysaer und Arithon sich verbünden …

-Die Kriege zwischen Licht und Schatten im Dritten Zeitalter von Athera gelten als die schwerste und kampflustigste Ära in der Geschichte des Kontinents. Zu jener Zeit bekämpfte Arithon, der Herr der Schatten, den Lord des Lichts über fünf Jahrhunderte in einem blutigen und bitteren Konflikt.-
Prolog

Wie bei jedem Auftakt einer großen Romanreihe (auf Deutsch immerhin sechs Bände) kämpft auch hier der Leser zunächt mit dem bekannten Problemen: neue Welten, neue Charaktere, die Grundzüge der Handlung, alles muss erstmal erkundet und nachvollzogen werden. Allerdings merkt man bereits nach ein paar Seiten, dass sich die Autorin viel vorgenommen hat: Athera ist vielschichtig und komplex, die Handlung hat durchaus Potential und die Charaktere sind (meist) glaubwürdig und tiefgründig.
Die Handlung über die ungleichen Halbbrüder, die die Welt Athera vor dem Nebelgeist retten sollen, ist zwar nicht gerade neu, bietet aber genug Freiraum, den die Autorin mit allerlei Eigeninitiative ausfüllt. Nebenhandlungen sorgen für ein wenig Abwechslung, entwickeln aber bis jetzt keine wirkliche Eigenständigkeit, da sie früher oder später wieder zurück zum eigentlichen Handlungsstrang führen. So unglaublich viel passiert dann auf den ersten 400 Seiten auch nicht, hier wird mehr oder weniger der Grundstein für die folgenden Bücher gelegt.

Die Hauptcharakter Arithon und Lysaer sind realistisch und facettenreich gestaltet, allerdings weisen beide Charakterzüge auf, die sie für mich nicht so sympathisch machten. Was mich am meisten gestört hat, war der Übergang zwischen Dascen Elur (der Heimat der zwei Brüder) und Athera – in fünfzig Seiten über einen Thronfolger zu einem Verbannten zu einem Weltenretter. Das geht wirklich schnell, und das umbarmherzige Schicksal wird kaum bedauert. Ein wenig mehr Einfühlungsvermögen wäre zu rechtfertigen gewesen.
Der Roman liest sich gut, der Erzählstil ist lebendig und flüssig, was es leicht macht, Athera vor Augen zu sehen.
Athera ist groß und komplex. Das merkt man bereits daran, dass das Glossar über 30 Seiten lang ist. Diese Hilfe am Ende des Buches ist zwar nicht bitter nötig, allerdings zum Nachlesen und besseren Verstehen sehr passend. Es liefert weitere Informationen zu Personen und Orten, die im Roman nicht erwähnt werden, und schafft dadurch noch mehr Atmospähre. Trotz dieser überwältigenden Informationsflut wirkt alles stimmig und passend, nichts ist zuviel oder wirkt fehl am Platz.
Die Beschränkung auf wenige Charaktere, die dafür ausführlicher beschrieben werden, macht es ebenfalls leichter, dem Roman zu folgen. Insofern gibt sich die Autorin alle Mühe, dem Leser Athera und ihre Bewohner näher zu bringen, was nicht gerade selbstverständlich ist.

Die Melodie der Masken von Ralf LehmannNach dem Tod des Alten Niemand haben sich die drei Gefährten Bolgan, Hatib und Fernd getrennt, um ihren Kampf gegen den Schwarzen Prinzen fortzusetzen und den Erft zu finden, einen sagenumwobenen, in mehrere Stücke zerteilten magischen Stein, der ihnen gegen den übermächtigen Feind helfen soll. Während Bolgan als Sklave des Schwarzen Prinzen auf eine Gelegenheit lauert, ihm seinen Teil des Edelsteins zu stehlen, und dabei in eine Gefahr gerät, die er niemals hätte voraussehen können, organisiert Hatib den militärischen Widerstand. Er findet neue Freunde und Verbündete, muss aber bald erkennen, dass kämpferische Tugenden allein nicht zum Sieg führen werden …

In den Nördlichen Königreichen regieren Nebel und Wolken. Grüne, sanfte Hügel prägen das Land, so dass die Gegend auf den ersten Blick einen fruchtbaren Eindruck macht, aber das täuscht. Weiß gewaschene Kalksteinblöcke durchbrechen die dünne Bodendecke und machen größeren Ackerbau unmöglich. Wenn Nebel über die Hügel zieht, sehen die Blöcke wie stumme Pilger aus, die sich auf eine unbekannte Suche gemacht haben.
(3. In den Ruinen von Thingal)

Auch im zweiten Teil seiner Trilogie Das Buch des Schwarzen Prinzen wartet Ralf Lehmann inhaltlich auf den ersten Blick mit klassischer Questenfantasy auf, die jedoch bei näherer Betrachtung sehr individuelle und originelle Züge entwickelt. Zwar sind einige Schwachpunkte des ersten Bandes auch im zweiten vorhanden (so scheinen bis auf Fernds Freundin Reika, die keine sehr aktive Rolle spielt, in Araukarien weiterhin kaum Frauen unterwegs zu sein), aber wenn man darüber hinwegsieht, lässt sich der erneute Ausflug in die detailliert und liebevoll ausgearbeitete Welt wieder sehr genießen.
Zum besonderen Charme des Romans trägt in hohem Maße bei, dass der Weltenbau nicht nur für eine ansprechende Kulisse sorgt, sondern untrennbar mit der Handlung verwoben ist: Zum Beispiel gestatten es die spezifischen Eigenschaften der Lande dem Kundigen, Menschen, die durch ihre Naturverbundenheit dafür empfänglich sind, auch aus weiter Entfernung zusammenzurufen. Ohnehin besteht zwischen Übernatürlichem und Naturgewalten ein enges Verhältnis, wie sich etwa an der Gestalt des Tanzenden Todes zeigt, der als mörderisch tobender Sturmwind in Erscheinung tritt, aber in Wirklichkeit ein verfluchter Riese ist. Seine Ursprungsgeschichte, in der auch eine diabolische Hexe und in Berge verwandelte Riesen erscheinen, verrät vielleicht noch stärker als andere Einzelheiten, wie sehr Lehmann sich von kontinentaleuropäischen (Orts-)Sagen inspirieren lässt und damit auf einen Bereich setzt, der, abgesehen von manchen Anklängen in Kinder- und Jugendbüchern, in der Fantasy eigentlich viel zu wenig genutzt wird. Gerade aus dieser unmittelbaren Anbindung an eine gewachsene Tradition außerhalb des Genres gewinnt der Roman jedoch einen Anschein von Authentizität.
Auch erzähltechnisch weicht Lehmann wieder vom Gewohnten ab: Statt sich der heute in der epischen Fantasy so weitverbreiteten Montagetechnik zu bedienen, in der mehrere Handlungsstränge parallel erzählt werden, führt er erst die Geschichte um Bolgan zu einem durchaus packenden vorläufigen Ende, bevor er sich Hatibs Abenteuern widmet, deren Endergebnis man zumindest in Ansätzen schon aus der Schilderung von Bolgans Erlebnissen kennt. Der Reiz besteht also nicht so sehr in der Frage, was aus Hatib wird, sondern darin, zu verfolgen, wie er dort ankommt, wo man ihn auf den letzten Seiten der Geschichte um Bolgan findet.
Hatibs Weg ist dabei recht unterhaltsam geschildert, ganz gleich, ob es ihn nun in ein wahres Spitzwegidyll von Kleinkönigreich verschlägt, das er zum Kampf gegen das bisher unbesiegte Heer des Schwarzen Prinzen motivieren muss, oder seine Reise durch unwirtliches Gebiet führt und zahlreiche Unbilden zu überstehen sind. Mit dem Waldläufer Imril ist ihm eine der lebensvollen Nebenfiguren an die Seite gestellt, die Lehmann fast mehr zu liegen scheinen als seine eigentlichen Helden.
Wie schon Die Legende von Araukarien zeichnet sich Die Melodie der Masken zudem durch wohltuende Unaufdringlichkeit aus; Tod und Verderben werden keineswegs ausgeblendet, doch setzt Lehmann eher darauf, stillere Aspekte auszuloten und sich vor allem auch mit psychischem Leid auseinanderzusetzen, statt vordergründiges Blutvergießen breit auszuwalzen. Gerade aus den Episoden um die Zwangsarbeiter zu Anfang der Bolgan-Handlung bleibt einem in dieser Hinsicht einiges im Gedächtnis, und man hofft, manch eine Gestalt im Folgeband noch einmal wiederzutreffen.
Trotz aller wohlbekannten Elemente sieht man daher am Ende des zweiten Buchs dem dritten mit Spannung entgegen und bedauert, dass Fantasy dieser Prägung es anscheinend in der Lesergunst schwerer hat als formelhaftere und nicht selten auch effekthascherische Werke.

Midwinter von Matthew SturgesDie Intrige eines Rivalen hat Mauritane, den Hauptmann der Leibgarde der Fae-Königin Titania, unschuldig ins Gefängnis gebracht. Nach Jahren erhält er ein überraschendes Angebot: Ihm winkt Straferlass, wenn er sich auf ein Himmelfahrtskommando einlässt, über das er erst unterwegs Einzelheiten erfahren soll. Mit einigen Mithäftlingen (darunter ein amerikanischer Wissenschaftler, den es ins Feenreich verschlagen hat) stürzt Mauritane sich ins Abenteuer. Doch schon bald muss er erkennen, dass er nicht nur die Schergen von Titanias Feindin Mab zu fürchten hat, sondern auch Verrat aus den eigenen Reihen und die Anschläge seines alten Erzfeinds …

– Der Winter kommt nur einmal alle hundert Jahre über das Land. Und wenn er kommt, schließen die immerblühenden Kirschbäume ihre Blüten und wenden sich ab von dem frostigen Wind. Die Tiere des Waldes kommen von ihren Bäumen und Felsen herab und graben sich, auf der Suche nach Wärme, tief in die Erde. Die Kanalsee wird stürmisch und grau. Die Sonne scheint weniger hell und verbirgt ihr Antlitz hinter Wolken, rau wie Granit. Wenn der Fluss Ebe überfriert und ein Mensch über das Eis von Jochdorn nach Midai laufen kann, dann hat der Midwinter offiziell begonnen. –
Erster Teil

Wenn es etwas Ärgerlicheres gibt als ein durch und durch schlechtes Buch, dann wohl eines, in dem eigentlich gute Ideen durch die mangelhafte Umsetzung verdorben werden. Letzteres trifft leider auf Matthew Sturges’ Midwinter zu. Die relativ atmosphärisch geschilderte Ausgangssituation ist zwar nicht rasend originell, hätte aber durchaus eine solide Basis für einen Abenteuerplot bilden können, zumal die Vorstellung einer Parallelexistenz mehrerer verschiedener Feenwelten mit der Erde ein interessantes Setting verspricht, das Sturges denn auch mit netten Details wie winzigen Botenfeen und sprechenden Pferden würzt.

Doch nur an ganz wenigen Stellen blitzt auf, was sich aus dieser Konstellation hätte herausholen lassen, etwa wenn einer der Fae den Amerikaner unbefangen auffordert, doch mal ein bisschen Naturwissenschaft vorzuführen. Der hier so reizvoll angedeutete Kontrast der Kulturen und Denkweisen verschwimmt im Verlaufe der Queste, die sich eher wie eine mit altbekannten Abenteuerelementen gespickte Rollenspielkampagne liest.

Ein solches Konzept kann zwar aufgehen (wie etwa Richard Schwartz mit seiner erfolgreichen Askir-Reihe beweist), aber nur dann, wenn man nicht zusätzlich den Eindruck erhält, dass der Spielleiter etwas konfus ist und die Spieler es versäumt haben, ihre Charaktere überzeugend auszuarbeiten. Sturges’ Figuren wirken zumeist flach und typenhaft. Am Vielschichtigsten dürfte noch der zwischen List, Adelsstolz, Sinnenfreuden und religiöser Erweckung hin- und hergerissene Lord Silberdun angelegt sein. So gut wie jede andere Gestalt entspricht irgendeinem Klischee aus dem Rolleninventar klassischer Fantasy und entwickelt nur wenig Individualität.

Selbst der Held Mauritane bleibt erschreckend blass, und von dem ihm zugeschriebenen militärischen Genie ist, große abschließende Schlacht hin oder her, wenig zu spüren (so darf man z.B. getrost spekulieren, wie der angeblich so gerissene Stratege darauf kommt, sich und seine Gefährten mehrfach ausgerechnet als Fischhändler ausgeben zu wollen, was – wen wundert es – wenig Erfolg hat).

Wohl auch bedingt dadurch, dass einen Großteil des Romans über weder Leser noch Protagonisten erfahren, worum es bei der so hochgefährlichen Mission eigentlich geht, läuft sich die Handlung in zahlreichen Abenteuern am Wegesrand tot, die sich in recht abgehackt wirkenden Abschnitten aneinanderreihen. Eigenartige Doppeltitel für manche Kapitel (z.B. Grübeleien über Freiheit/ Ein Schemel und ein stabiler Dachbalken oder Naturwissenschaft/ Spinnen) lassen fast vermuten, dass ursprünglich eine Untergliederung in noch kürzere Szenen geplant war. Diese Knappheit kommt dem ehrgeizigen Weltenbau nicht entgegen, dessen Einzelheiten oft nur lose in den Plot eingebunden sind und bisweilen fast ungenutzt verhallen (so z.B. der Wechselbälgerschmuggel zwischen Fae- und Menschenwelt). Vielleicht will Sturges hier schon Anknüpfungspunkte für die Folgebände anlegen, aber sehr neugierig auf den Fortgang der Reihe ist man nach diesem wenig überzeugenden Auftakt eigentlich nicht.

Der letzte Rest Unterhaltungswert geht dem Roman durch die sprachliche Gestaltung der Übersetzung verloren. Der Satzbau klammert sich stellenweise wortwörtlich ans Englische, bis hin zu umständlichen Partizipialkonstruktionen wie Königin Mab in ihrer silbernen und goldenen Sänfte in Sicherheit bringend. Daneben tauchen immer wieder Grammatikfehler (v.a. bei Verbformen) auf, aber es fehlt auch jedes Gespür für sprachliche Feinheiten: Der Unterschied zwischen der Verdienst und das Verdienst scheint ebenso unbekannt zu sein wie der zwischen den Anreden Sir und Sire, die fröhlich abwechselnd und anscheinend synonym für dieselben Personen gebraucht werden.

So legt man Midwinter am Ende unbefriedigt aus der Hand und stellt sich allenfalls die Frage, was für ein Buch wohl entstanden wäre, wenn jemand denselben Grundgedanken wie Sturges gehabt und mehr daraus gemacht hätte.

Der Name des Windes von Patrick RothfussIn einem Gasthaus wird zwei auserwählten Zuhörern die Geschichte des berühmt-berüchtigten Kvothe erzählt – eines Meisterbarden, großen Magiers, Königsmörders.
Seine jungen Jahre verbringt er in der Gauklertruppe seiner Eltern, sammelt Bühnenerfahrung und lernt die Lieder und Geschichten der Welt kennen, und er findet einen Lehrmeister, der ihm erste Schritte in der Magie beibringt.
Doch Kvothes Welt bleibt nicht so unbeschwert: Als er sich selbst schwört, ein tödliches Rätsel um sagenhafte, dämonische Wesen zu lösen, beschreitet er damit einen Weg, der ihn in ein miserables Dasein als Straßenkind und später an die Schule der Magier und darüber hinaus führt…

– Es war wieder Abend geworden. Das Wirtshaus zum WEGSTEIN lag in Stille, und es war eine dreistimmige Stille. –
Eine dreistimmige Stille

Zu Der Name des Windes liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Name of the Wind von Patrick RothfussIn einem Gasthaus wird zwei auserwählten Zuhörern die Geschichte des berühmt-berüchtigten Kvothe erzählt – eines Meisterbarden, großen Magiers, Königsmörders.
Seine jungen Jahre verbringt er in der Gauklertruppe seiner Eltern, sammelt Bühnenerfahrung und lernt die Lieder und Geschichten der Welt kennen, und er findet einen Lehrmeister, der ihm erste Schritte in der Magie beibringt.
Doch Kvothes Welt bleibt nicht so unbeschwert: Als er sich selbst schwört, ein tödliches Rätsel um sagenhafte, dämonische Wesen zu lösen, beschreitet er damit einen Weg, der ihn in ein miserables Dasein als Straßenkind und später an die Schule der Magier und darüber hinaus führt…

-It was night again. The Waystone Inn lay in silence, and it was a silence of three parts.-
Prologue: A Silence of Three Parts

Das Fantasy-Genre samt Leserschaft gilt gemeinhin als anachronistisch, rückwärtsgewandt. Dagegen mag man mit Recht protestieren, aber zumindest in den Sphären des Musikbusiness, wo circa alle drei Wochen the next big thing durch die Presse gejagt wird, sind wir tatsächlich noch nicht angekommen. Und so horcht man durchaus auf, wenn ein Raunen durch Blogs und Foren geht, Kritikerstimmen sich zu den allgegenwärtigen Verlagslobeshymnen gesellen, und immer wieder derselbe Name auftaucht: Patrick Rothfuss.
Forscht man der Sache nach, stößt man auf eine jener Geschichten – von Fall zu Fall künstlich generiert oder authentisch anmutend – die den Weg des Schriftstellers in die Veröffentlichung als eine eigene abenteuerliche Queste erscheinen lassen: Sieben Jahre Schreiben, sieben Jahre Überarbeiten – und eine Flut von Absagen, bis auf wunderbaren Umwegen doch noch verlegerische Aufmerksamkeit auf das Werk fällt.
So lernt man Patrick Rothfuss’ Helden Kvothe in dem Roman kennen: Mit einem ganzen Sack voll hoher Erwartungen an ihn und seine Geschichte – und findet einen hochbegabten Gauklerjungen, in Magie und Musik ein Überflieger, eine Berühmtheit schon in jungen Jahren, der in diesem ersten Band nebst einiger anderer Abenteuer die Schule der Magier auf den Kopf stellt. Übermächtige, legendäre Feinde schafft er sich ebenso wie profane, aber gefährliche Schulrivalen – und es ist ein Auf und Ab zwischen Wohlmeinenden und Neidern, Wunderleistungen und finanziellen Nöten, Liebesleid und der ureigenen Queste Kvothes, ein Rätsel zu lösen, das ihn verfolgt, seit er in seinem Leben zum ersten Mal Tragisches durchmachen mußte.

Diese alltäglichen Zutaten sind es also nicht, die The Name of the Wind (Der Name des Windes) zu einem Meisterwerk machen – und dennoch kann man das Buch mehr als zufrieden aus der Hand legen, sich davon begeistern lassen: Man hört einem mit allen Wassern gewaschenem Erzähler zu, der aus anfangs ganz unspektakulären Mitteln eine zwingende Atmosphäre strickt. Dazu benutzt Rothfuss einen alten, aber hier ausgesprochen effektiv umgesetzten Trick: Eine Geschichte in der Geschichte. Eine Rahmenerzählung, wunderbar zart auktorial erzählt, schafft eine greifbare Gegenwart, in der ein mysteriöser Gastwirt die Geschichte des überaus berühmten und berüchtigten Kvothe von Kindesbeinen an berichtet. Diese rückwärts-gewandte Erzählsituation läßt einen an der Geschichte teilhaben, als würde man zufällig lauschen und könne sich ihrem Bann nicht mehr entziehen. Selbst durch im Grunde „belanglose“ Szenen wird ganz subtil die Neugier des Lesers geweckt: In den Rahmenkapiteln bekommt man nebenbei, ohne direkte Hinweise und Erklärungen eine Ahnung, wie „groß“ Kvothe im Laufe seines Lebens geworden ist; Andeutungen von Ruhm und Tragik (die alle auch in diesem ersten Band nicht zu sparsam auftretenden ruhmreichen und tragischen Szenen noch überflügeln) ziehen sich durch den ganzen Text.
Dazu kommt ein hoher Authentizitätsgrad des Erzählers, er berichtet aus einer erhabenen Position mit absoluter Gültigkeit, so daß Beobachtungen des Menschlichen und pathetische Anmutungen bei Weitem nicht nur nach dem Versuch klingen, etwas Geistreiches zu sagen – zu den besten Szenen des Buches gehört beispielsweise auch ein kurzer Bericht Kvothes über die vier Arten, mit Trauer umzugehen.

Aber weshalb leidet und fiebert man eigentlich mit Kvothe mit, einem immer Überlegenen, der ohnehin meistens gewinnt und besser als alle anderen ist, der nicht einmal übermäßig sympathisch dargestellt wird? Es ist die Diskrepanz, die durch die verschachtelte Erzählsituation zwischen den Zeilen hervortritt – zwischen seinem immer wieder bewiesenen Talent und seiner ganz offensichtlichen (wenn auch noch ungeklärten) Tragik und seinem Scheitern.
Nebst diesen erzählerischen Spezialitäten Rothfuss’, anhand derer man versuchen kann, die Besonderheit von The Name of the Wind zu fassen zu bekommen, bietet der Roman auch konventionellere Attraktionen des Fantasy-Genres: Die ganzen profanen Plot- und Welt-Zutaten schaden keineswegs, wenn daraus ein authentisches und mitreißendes Ambiente gestrickt wird, und Rothfuss versteht es, seine fahrende Gauklertruppe, seine typische Ausbildungsitiation, seine Straßenkind-Episode einmalig zu gestalten. Von den ersten Seiten an wird ersichtlich, daß in der Welt viel Detailarbeit steckt – und auch hier ist die Tugend nicht die absolute Aufklärung des Lesers, sondern eine gewisse Selbstverständlichkeit, mit der Begrifflichkeiten eingebracht werden.

Selbst das Magiesystem, das unter anderem auf der Kenntnis des wahren Namens der Dinge beruht, und die in den Text eingearbeiteten Lieder und Gedichte erinnern an die Klassiker des Genres – und in diesem Kontext ist The Name of the Wind auch zu sehen, als eine in der Ausführung durchaus moderne Variante, in Stoff, Aussage und Wirkung aber deutlich näher an Tolkien und Williams als an Martin oder Erikson. Doch – je nachdem, wie die vielen noch ausstehenden und bis in die Erzählgegenwart reichenden Abenteuer Kvothes weiterhin laufen – durchaus in derselben Größenordnung.

Nebelriss von Markolf HoffmannWährend viele die goldenen Schiffe der Goldéi noch für Gerüchte halten, fallen die Echsenwesen im Königreich Kathyga schon gnadenlos ein. Vor allem auf die magischen Quellen des Landes haben es die unbesiegbaren Invasoren abgesehen, doch ihre wahren Pläne durchschaut niemand – auch nicht der einzige Gefangene, der neben hunderten von Getöteten gemacht wird: Laghanos, ein Schüler der Magie. Im Kaiserreich von Sithar, das unter einem jungen, schwachen Herrscher leidet und von Intrigen und Machtpolitik seiner Fürsten in den Verfall gerissen wird, wagt allein Fürst Baniter es, in diplomatischer Mission das Nachbarreich aufzusuchen, um ein Bündnis gegen die Goldéi zu schmieden.

-Dünne Nebelschleier. Eiskalter Windhauch; leise pfiff er über die Menschenmenge hinweg und brach sich an den steinernen Hauswänden Larambroges.-
Prolog

Markolf Hoffmanns Nebelriss ist ein mutiges Debut – der Autor wagt Experimente, biedert sich nicht groß mit vertrauten Erzählmustern bei der Leserschaft an und schlägt mit seiner Reihe Zeitalter der Wandlung einen so eigenständigen Weg ein, dass sowohl ein Vergleich mit anderen deutschen als auch mit internationalen Fantasy-Autoren nur in die Irre führen würde.
Auffallend ist zunächst die Sprache: Hoffmann scheut sich nicht, Gebrauch von verschiedensten Stilmitteln zu machen und Ungewohntes auszuprobieren, und vor allem auch in den Dialogen nutzt er ein breites Register von Möglichkeiten.

Die Handlung steht dem kaum nach; man kann zwar nach diesem Auftakt-Band noch nicht absehen, wohin die Reise wirklich gehen wird, aber die Anlagen machen klar, dass es weder die übliche Geschichte vom Auserwählten noch ein Kampf gegen dunkle Mächte sein wird. Nebelriss lädt zum Rätseln ein, was die Goldéi sind und was sie wollen, aber auch die Hofintrigen und die Vorgänge in der  überzeugend ausgearbeiteten Kirche des Kaiserreiches lassen keine Langeweile aufkommen. Die Welt besticht mit interessanten Details und einer großen Vielfalt, sie wirkt bewohnt und belebt, und auch wenn die Schauplätze noch überschaubar bleiben, kommt der Eindruck einer lebendigen und auf verschiedene Weise tradierten Geschichte auf.
Besonders bei den Szenen mit den Goldéi ist es Markolf Hoffmann gelungen, ein beklemmendes und befremdendes Gefühl heraufzubeschwören (und das, was sie mit ihren magiebegabten Gefangenen anstellen, ist allemal für eine Gänsehaut gut).

Die einzelnen Figuren passen sich gut in das Gesamtpaket ein und bedienen keinerlei Klischees, handeln aber dennoch nachvollziehbar und wirken rund. Sie kochen alle ihr eigenes Süppchen, und sind bis in die Nebenfiguren hinein gut ausgearbeitet. Allerdings faszinieren sie eher auf kühle Art: man rätselt mit ihnen, beobachtet, versucht (in diesem Band vollkommen chancenlos), die Puzzleteile zusammenzusetzen, die Hoffmann ausstreut, aber ans Herz wächst einem keine der Figuren. Es wird sehr schnell klar, dass es keinen richtigen Symphatieträger geben soll, und die Welt von Nebelriss ist kein Ort für strahlende Helden.  Trotzdem bleibt der Eindruck, dass ein klein wenig Wärme und hier und da ein Zug der Figuren, der nicht extrem oder negativ besetzt ist, den Leser/die Leserin besser eingebunden hätte.
Interessant genug, um sich diese innovative Geschichte anzuschauen, ist Nebelriss aber allemal – es macht so viel anders, dass man vielleicht erst im Nachhinein bemerkt, dass es einen trotz der faszinierenden Ansätze etwas kalt gelassen hat.

Die Nebelsängerin von Monika FeltenNur mit viel Glück kann die junge Ajana einigen unglaublichen Unfällen entgehen, dann taucht auch noch ein geheimnisvoller Anwalt auf, der sie als Erbin einer fast vergessenen Urgroßmutter ermittelt hat und ihr ein schönes Amulett übergibt. Es übt eine magische Anziehungskraft auf Ajana aus, und schließlich gelangt sie mittels eines magischen Musikstücks nach Nymath, eine Welt, in der Elben und andere Geschöpfe mit Menschen zusammenleben. Doch in Nymath steht es nicht zum Besten: Die Nebel, die das Land vor Eindringlingen schützten, haben sich gelichtet, und das Volk der Uzoma dringt mordend und brandschatzend ein. Ist Ajana die prophezeite Retterin, die die Nebel erneuern kann?

-Es begab sich zur Zeit, da König Sanforan vom Blute der Onur in zwölfter Linie seine Hand zum Wohle über Andaurien breitete, daß große Plagen und schlimme Nöte das Land anheim suchten.-
Aus der Chronik Nymaths

2004 erschien die neue Trilogie von Monika Felten mit einem für damalige (und eigentlich auch noch heutige) Verhältnisse ungewöhnlichen Marketingaufwand: Merchandising mit Puzzles und Kalender begleitete die Veröffentlichung, der Roman selbst war opulent aufgemacht und brachte seinen eigenen Soundtrack auf CD mit.
In der schicken Verpackung steckt jedoch ein etwas biederer Standard-Fantasy-Roman, der ein bisschen wie aus dem Baukasten wirkt und kaum Überraschungen bereithält. Nymath, die Welt, in die es die günstigerweise passend mit einem Fantasy-tauglichen Namen ausgestattete Heldin alsbald verschlägt, ist tolkienesker Prägung – sogar die Elben von Nymath sprechen Tolkiens Elbisch; Sindarin, um genauer zu sein. Für zwei Nebenfiguren wurden zudem die Namen Feanor und Cirdan aus Tolkiens Kosmos entliehen. Eine Verneigung vor dem Altmeister des Genres? Schade, dass er dann im Nachwort, Impressum oder sonstwo in keiner Weise erwähnt wird.  Man findet lediglich einen weniger aufschlussreichen Hinweis auf die Internet-Seite, von der die Elbensprache übernommen wurde – und das gibt dem Ganzen doch einen recht schalen Beigeschmack.

Die Nebelsängerin bietet eine einfach gestrickte Fantasy-Geschichte, in der ein Mensch ein in diesem Fall musikalisches Portal in eine andere Welt findet und dort zum Retter im Kampf gegen das Böse ausersehen ist. Dadurch, dass die Uzoma (Nymaths Orks, die für die Bedrohung zuständig sind) zwar grausam, aber dennoch auch Vertriebene sind, die sich in gewissem Maße nur wehren, wurde versucht, etwas Tiefe in die Geschichte zu bringen und das Schwarz-Weiß-Schema zu verwischen. Aufgegangen ist diese Taktik allerdings nicht, denn die einzelnen Figuren sind alle beinahe vom ersten Satz an als gut oder böse zu identifizieren, und man merkt sogleich, dass der wirkliche Bösewicht der Geschichte kein Opfer widriger Umstände ist.
Aber subtil ist ohnehin nicht Monika Feltens Stärke. Da kann es schon mal passieren, dass man zwei Hauptcharaktere schon bei ihrem ersten Treffen als zukünftiges Liebespaar ausmachen kann, weil sie sich so gerne in die Augen schauen, oder dass sich nach einer halben Seite, auf der ein absolut verwüstetes Dorf beschrieben wird, bei der Heldin Ajana die unheilvolle Erkenntnis einschleicht, dass hier etwas furchtbares geschehen war. Bei diesen Holzhammer-Hinweisen gewinnt man den Eindruck, dass die Autorin ihren Lesern keine eigenen Schlüsse zutraut.

Feltens flüssiger Stil, der dafür sorgt, dass man den Roman in Windeseile durchlesen kann, macht die gemeuchelte Spannung auch nicht wett. Letztendlich werden in der ganzen Handlung nur Vermutungen bestätigt, die man von Anfang an anstellen konnte.
Es gibt seit jeher ein großes Angebot einfach gestrickter Metzel-Fantasy, die mit heldenhaften Abenteuern, Schlachten und muskelbepackten Helden hauptsächlich die Träume von (jungen) männlichen Lesern zu befriedigen versucht. Monika Felten wirkt, als hätte sie sich mit ihren Pferden, Falken, zauberhafter Musik und sensiblen Heldinnen, die ihre Bestimmung und ihre große Liebe finden, eher auf die Träume von kleinen Mädchen spezialisiert. Aber letzendlich ist es eine Frage der Erwartungen, die man an einen Roman stellt: Wenn man sich geradlinige, romantisch angehauchte Geschichten mit einem Schuss Vorhersehbarkeit und hohem Wiedererkennungsfaktor wünscht, ist Die Nebelsängerin so gut oder schlecht wie viele andere maßgeschneiderte Romane.
Die Lektüre lohnt sich langfristig ungefähr genauso sehr wie die begleitende Soundtrack-CD, die mystisch-belanglos vor sich hinhaucht und schnell wieder vergessen ist.

Cover von The Novice von Trudi CanavanImardin ist eine Stadt dunkler Intrigen und tödlicher Politik, wo jene, die Magie besitzen, Macht haben. In diese festgesetzte Ordnung stolperte ein junges Straßenmädchen mit außergewöhnlicher magischer Begabung. Von der Magiergilde adoptiert, ändert sich ihr Leben für immer – doch zum Besseren oder zum Schlechteren?
Sonea wusste, dass sie einer harten Zeit des Trainings in der Magiergilde entgegen sah, doch sie erahnte nicht das Ausmaß der Feindseligkeit, die ihre Mitschüler, Adelssprößlinge, ihr entgegenbringen würden …

-The sun was warm on his back as Dannyl stepped up to the carriage. He drew on a little magic to lift the first of his chests onto the roof. As the second settled next to it he sighed and shook his head.-
Chapter 2 – The First Day

Auch der zweite Teil der Black-Magician-Trilogie macht Spass. Die Handlung ist interessanter und spannender als im ersten Band, man kann sich gut in die Charaktere hineinversetzen. Besonders gegen Ende konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.
Die Handlung ist diesmal in zwei große Handlungsstränge geteilt: Sonea erlebt ihr erstes Jahr an der Universität, während Dannyl als Botschafter nach Elyne geschickt wird. Sonea muss die Streiche ihrer Klassenkameraden ertragen, besonders Regin entpuppt sich als grausamer Gegner. Man bedauert Sonea, die sich aufgrund ihres Geheimnisses  nicht traut, andere um Hilfe zu bitten. Dennoch möchte man ihr manchmal zuschreien, sich endlich mal zu wehren. Sonea hat einen wirklichen stoischen Charakter, alles einfach so hinzunehmen, was mich manchmal schon fast an den Rand der Verzweiflung gebracht hat (wehr dich doch endlich!!!). Regin als ihre ultimative Nemesis ist alles bösartige auf einmal: trickreich, heimtückisch, gemein, unfair, kaltherzig etc. pp. Ein wenig platt vielleicht, aber als Widersacher durchaus geeignet, alle Antipathien auf sich zu ziehen.
Dannyls Reise nach und durch Elyne und die anderen verbündeten Länder auf der Suche nach der Alten Magie nimmt den zweiten Handlungsstrang ein. Endlich lernt man auch ein wenig mehr als nur Imardin kennen, auch wenn es nur bei einigen Gegebenheiten bleibt. Es reicht aber aus, um zumindest einen groben Überblick über die Länder zu erhalten. Ohne zu viel verraten zu wollen, sind seine Reisen vielschichtiger und erkenntnisreicher, als man zunächst denkt. Das gibt dem Roman eine neue Tiefe, die besonders Dannyl sympathisch werden lässt.
Ergänzt wird das Ganze noch durch zusätzliche Perspektiven (vornehmlich Lorlen und Rothen), die durch ihre Sicht der Dinge den Roman inhaltlich abrunden.
Alles im allem eine gute Fortsetzung, die viel für den nächsten Band verspricht.

Die Novizin von Trudi CanavanImardin ist eine Stadt dunkler Intrigen und tödlicher Politik, wo jene, die Magie besitzen, Macht haben. In diese festgesetzte Ordnung stolperte ein junges Straßenmädchen mit außergewöhnlicher magischer Begabung. Von der Magiergilde adoptiert, ändert sich ihr Leben für immer – doch zum Besseren oder zum Schlechteren?
Sonea wusste, dass sie einer harten Zeit des Trainings in der Magiergilde entgegen sah, doch sie erahnte nicht das Ausmaß der Feindseligkeit, die ihre Mitschüler, Adelssprößlinge, ihr entgegenbringen würden …

– In jedem Sommer klärte sich der Himmel über Kyralie für einige Wochen zu einem grellen Blau auf, und die Sonne brannte erbarmungslos auf das Land herab. –
1. Die Aufnahmezeremonie

Zu Die Novizin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Nuramon von James A. SullivanNuramon ist als einziger Elf in der Menschenwelt zurückgeblieben, als sie auf ewig von der Heimat der Elfen getrennt wurde. Obwohl er zunächst wenig erpicht darauf ist, Kontakte zu Menschen zu knüpfen, entschließt er sich, seine Magie bei der Verteidigung der Stadt Teredyr zum Einsatz zu bringen, in deren Nähe er lebt, und gerät infolgedessen immer tiefer in menschliche Angelegenheiten hinein. Wider Erwarten scheint er sein Glück zu finden, als er sich in die Grafentochter Daoramu verliebt. Doch nicht jeder steht der Verbindung aufgeschlossen gegenüber, und die bedrohliche Magie, die sich immer weiter in der Welt ausbreitet, ruht ebenso wenig wie alte und neue Feinde …

Die Zukunft eilt uns stets voraus und hinterlässt Spuren, die ich zu lesen vermag. Und so entdeckte ich euch in all den Jahren, was vor euch liegen könnte, und mein Blick erwies sich oft als wahr. Gelegentlich aber traten Dinge nicht ein, die ich sah. Manchmal blieb die prophezeite Zukunft aus, gerade weil ich sie euch entdeckte. Etwas zu betrachten heißt oft, es zunichtezumachen. Denn dem Wissen um das Schicksal mögen Taten folgen, welche die gesehene Zukunft verändern. Zum Besseren, wie ich stets hoffe, zum Schlechteren, wie ich fürchte.
(Die Stimme des Orakels)

Obwohl James Sullivan mit Nuramon an Die Elfen (gemeinsam mit Bernhard Hennen verfasst) anknüpft, kann das vorliegende Werk sehr gut als Einzelband bestehen und ist auch ohne Kenntnis des Vorgängerromans problemlos lesbar. Eine einfache Einordnung in eine Schublade ist dagegen kaum möglich: Nuramon ist Weltrettungsepos, Familiensaga, Kriegs- und Intrigenpanorama und fish out of water-Geschichte in einem, wobei der Fisch allerdings mindestens als moralbewusster Tigerhai zu denken ist, denn was den Titelhelden Nuramon vor allem auszeichnet, ist seine Mischung aus für menschliche Begriffe unüberwindlichen Fähigkeiten und erstaunlich idealistischer Grundeinstellung. Als schon mehrfach Wiedergeborener, Krieger und zunächst einziger Nutzer der sehr mächtigen Magie, die von Reisen auf geheimen Wegen über Heilzauber bis hin zum vernichtenden Gebrauch im Kampf zahlreiche Einsatzmöglichkeiten bietet, verfügt er über ein Können, das Begehrlichkeiten weckt und zugleich moralische Probleme aufwirft. Wie er sich damit auseinandersetzt und sich gesellschaftlichen Erwartungen, nicht aber der gesellschaftlichen Verantwortung, zu entziehen weiß, ist sensibel und nuancenreich geschildert. Dass man dieser bisweilen überlebensgroßen Gestalt dabei nicht überdrüssig wird, hängt damit zusammen, dass Sullivan das Kunststück gelingt, Nuramon mit glaubwürdigen Gefühlen, Ängsten und Sehnsüchten auszustatten und ihm so die Sympathie des Lesers zu erhalten.

Neben solch einer vielseitigen Hauptfigur wirken einige der anderen Charaktere notwendigerweise skizzenhafter, doch auch wenn man von manchem gern noch mehr erfahren hätte, überzeugt das Gesamtensemble durchaus, vor allem in der über dreißig Jahre umspannenden Herausbildung und Weiterentwicklung seines Beziehungsgefüges: Wie Rivalen zu Verbündeten oder Freunde zu Feinden werden und solch eine schlichte Geste wie ein individueller Racheverzicht im Laufe der Zeit Auswirkungen auf ganze Staaten entfalten kann, wird gekonnt ausgemalt. Ermöglicht wird diese Schilderung mehrerer Jahrzehnte auf gut 800 Seiten vor allem dadurch, dass Sullivan sich häufig von dem im Genre mittlerweile zum Standard gewordenen szenischen Erzählen löst und neue Ansätze wagt. So erlaubt etwa der im Buch so betitelte Orakelblick, der auf engem Raum eine Vielzahl verschiedener Perspektiven zusammenstellt, die schlaglichtartige Beleuchtung aller möglichen Aspekte, doch es gibt auch im eigentlichen Haupttext geschickt genutzte raffende Passagen, die es gestatten, auch langfristige politische, militärische und wirtschaftliche Entwicklungen in den Blick zu nehmen, allen voran die Folgen, die der im Laufe der Geschichte ständig anwachsende Magiegebrauch nach sich zieht. Von dieser flexiblen Nutzung verschiedenster Erzähltechniken könnte manch ein anderer Fantasyautor viel lernen.

Eine beeindruckende Ausdehnung weist übrigens nicht nur die dargestellte Zeitspanne auf, sondern auch die Welt, in der sich Nuramons Abenteuer abspielen. Obwohl die Handlung sich auf zahlreiche unterschiedliche Orte verteilt, behält man immer den Eindruck, dass man hier noch viel mehr entdecken könnte, wenn der Autor einen nur lassen wollte. Dazu trägt sicher bei, dass die Beschreibungen der Schauplätze zwar oft knapp, aber sehr atmosphärisch sind und genau die richtigen Details aufrufen, um in wenigen Worten das Bild einer ganzen Landschaft heraufzubeschwören. Wer hätte nicht sofort eine Assoziation zu einer Weide, auf der die graufelligen Steinschafe ihr Auskommen finden, oder zu Bezeichnungen wie Schlangenforst und Elfengrat? Für eine im weitesten Sinne pseudomittelalterliche (auf alle Fälle noch vorindustrielle) Welt geht es dort übrigens bemerkenswert liberal und progressiv zu: So existieren in einigen der geschilderten Gesellschaften Kriegerinnen und politisch einflussreiche Frauen, und von den Konventionen der Mehrheit abweichende sexuelle Vorlieben (z.B. eine innige Dreierbeziehung) werden nicht nur mit viel Verständnis geschildert, sondern erfahren auch romanintern Akzeptanz. Dementsprechend ist es wohl auch keine gezielte Vermittlung eines gegenläufigen Bilds, wenn Sullivan in der Handlungsstruktur bisweilen eher traditionelle Wege einschlägt und immer dann, wenn der Roman nach einer damsel in distress verlangt, die mit großem Aufwand gerettet werden muss, auch tatsächlich eine Frau die Rolle ausfüllen lässt. Hier dürfte eher die oft unbewusste Wirkmacht bestimmter klassischer Erzählmuster deutlich werden.

Dem positiven Gesamteindruck tut das jedoch keinen Abbruch, denn alles in allem ist Nuramon vor allem eines: Ein Roman, in dem man wunderbar versinken kann und mit dessen Helden man gern durch alle Höhen und Tiefen mitfiebert, und dabei dank seiner originellen Ansätze eine Bereicherung für die deutschsprachige Fantasy.

Nyphron Rising von Michael J. SullivanObwohl die Gauner Royce und Hadrian seit einiger Zeit als Spione für König Alric ein gesichertes Auskommen haben, ist Hadrian nicht zufrieden: Es belastet ihn, dass seine Taten immer wieder auch Unschuldige in Mitleidenschaft ziehen, und er ahnt, dass Royce ihm wichtige Dinge verschweigt. Eigentlich möchte er die langjährige Partnerschaft so bald wie möglich beenden, lässt  sich dann aber doch überreden, einen letzten Auftrag anzunehmen. Gemeinsam mit Royce soll er Prinzessin Arista helfen, sich heimlich mit dem Rebellenführer Degan Gaunt zu treffen, der ihrem Bruder im Krieg gegen das aufstrebende Kaiserreich ein wichtiger Verbündeter sein könnte…

– He always feared he would die this way, alone on a remote stretch of road far from home. The forest pressed close from both sides, and his trained eyes recognized that the debris barring his path was not the innocent result of a weakened tree. He pulled on the reins, forcing his horse’s head down. She snorted in frustration, fighting the bit – like him, she sensed danger. –
(Chapter 2 – The Messenger)

Auch im dritten Band seiner Riyria Revelations bietet Michael J. Sullivan Fantasy klassischer Prägung: Ein kleines Land muss sich der Bedrohung durch ein expandierendes Reich erwehren, und von finsteren Kirchenmännern über geheimnisvolle Magier bis hin zu den Mitgliedern einer wohlorganisierten Diebesgilde mischt so gut wie jeder Figurentypus mit, der einem in einem abenteuerlichen Roman schon einmal begegnet ist. Mancher Handlungsstrang weist denn auch dementsprechend viele vorhersehbare Wendungen auf. Wenn etwa Arista aus ihrem behüteten höfischen Leben auf eine strapaziöse Queste und unter das einfache Volk gerät, kann man beinahe eine Strichliste der klischeehaften Erlebnisse führen. Ebenso wenig wird es einen erfahrenen Fantasyleser überraschen, dass der mit seinem Ganovendasein hadernde Hadrian vom Schicksal zu Höherem bestimmt ist.

Ohnehin gewinnen in Nyphron Rising bandübergreifende Entwicklungen an Bedeutung, obwohl auch hier eine handlungsmäßig mehr oder minder in sich abgeschlossene Episode erzählt wird. Neben der schon seit The Crown Conspiracy im Hintergrund präsenten Geschichte um den verschollenen wahren Erben des Kaiserreichs nimmt diesmal vor allem die Vergangenheit der beiden Helden breiten Raum ein. Beide müssen sich unwillkommenen Erinnerungen stellen und erkennen, dass eigentlich schon vergessen Geglaubtes auch ihre Zukunft prägen wird: So erfährt Royce, dass ein alter Erzfeind es abermals auf ihn abgesehen hat, während Hadrian sich mit einer ererbten Verantwortung konfrontiert sieht, der er sich nicht entziehen kann und will.

Dem Weltenbau tut diese Erweiterung des Blickwinkels gut. Man lernt nicht nur eine ganze Anzahl neuer Schauplätze kennen (darunter Hadrians Heimatdorf, das mit seinen freien und unfreien Bewohnern und dem Kompetenzgerangel verschiedener Instanzen der Obrigkeit erstaunlich überzeugende pseudomittelalterliche Verhältnisse bietet), sondern erfährt auch mehr als bisher über die Funktionsweise der Magie und die politische Großwetterlage.

Sympathisch ist einem auch in diesem Band, dass Sullivan aufrichtig bestrebt zu sein scheint, seinen Protagonisten eine glaubwürdige Gefühlswelt zu verleihen. Gelegentlich bewegt sich das hart an der Grenze zum Kitsch (wenn etwa Royce, der sonst gern den harten Burschen spielt, sich vom Leid eines Straßenjungen, das ihn an seine eigene Kindheit gemahnt, zu Tränen rühren lässt), aber gerade in einem Genre, in das in den letzten Jahren vielfach ein gewisser Zynismus Einzug gehalten hat, liest es sich eigentlich durchaus angenehm, wenn menschliche Ängste, Sehnsüchte und Hoffnungen ernst genommen werden, und sei es auch in etwas simpler Form.

Obwohl Sullivan also weiterhin ebenso ungekünstelt wie unbedarft an manche Belange herangeht, sind in Nyphron Rising einige Kinderkrankheiten des ersten Bandes überwunden. Manch ein schreibtechnisches Detail ist mittlerweile routinierter gelöst als zu Beginn der Serie. Nobelpreisverdächtige Prosa darf man freilich weiterhin nicht erwarten, aber immerhin einen soliden Roman, der viel Vergnügen bereitet, wenn man mit altbewährten Erzählmustern und dem liebevoll ausgearbeiteten Heldengespann etwas anfangen kann.

Elfenritter - Die Ordensburg von Bernhard HennenDies ist die Geschichte von Gishild, Herrscherin des Fjordlands und letzte Hoffnung für die freien Völker der Welt. Und es ist die Geschichte Lucs, Ritter im Dienste eines mächtigen Ordens, dem Todfeind der Elfen. Als Kinder untrennbar, stehen sie sich Jahre später an der Spitze zweier Heere gegenüber. Denn der Kampf um die alte Welt hat begonnen …

-Beklommen dachte Gunnar an seinen Urahnen und den Preis, den Mandred einst für die Hilfe der Elfen gezahlt hatte. Und Sorge war es, die den König endlich sprechen ließ. “Was fordert deine Königin für euere Hilfe?”, fragte er mit heiserer Stimme. Morwenna schwieg.-
Die Spur des Ahnen

Bernhard Hennens Elfensaga geht mit diesem Band in einen weiteren Subzyklus ein. Auch wenn Elfenritter – Die Ordensburg sicherlich nicht an seine Vorgänger heranreicht, ist es an sich immer noch gut gelungen.
Den Leser erwartet wieder eine sehr gut beschriebene und intelligent dargestellte Welt, die weder Fragen noch Zweifel aufkommen lässt. So haben Herrscher ihre Schlösser nicht auf malerischen Hügeln, sondern eher auf Landstrichen postiert, die zweckdienlich sind, daher also gut zu verteidigen.
Die Geschichte an sich ist gut durchdacht und schön zu lesen. Leider geht sie – in diesem Band zumindest – kaum über das Mainstream-Fantasy-Niveau hinaus. Unglaubwürdig ist, dass kleine Kinder trotz ihrer frühzeitigen Reife bereits sämtliche Erwachsenenzüge aufweisen. Ansonsten verstrickt sich die Handlung auf interessante Weise, man kann sehr gut die Intrigen der verschiedenen Machthaber nachvollziehen und die daraus resultierenden Folgen sind glaubwürdig. Die Charaktere sind rund, selbst Nebenfiguren wirken nicht wie “Schattengestalten” sondern haben eine eigenständige Persönlichkeit.
Was mir besonders gut gefallen hat, sind die vielen kleinen Informationen über die Ausbildung bzw. den Lebensweg der verschiedenen Parteien. So kann man leicht verstehen, weshalb die einen Hass auf die anderen hegen, oder aber weshalb sie so kämpfen/reden/sind, wie sie sind. Verbildlicht werden diese Textpassagen z.B. mit einer Skizze zu einem Kriegsvorbereitungsspiel am Ende des Buches.

Bei der Sprache kann man lediglich bemängeln, dass manche kriegerischen Begriffe wie “Arkebusen” auffallend oft genannt werden. Allerdings hat sich der Autor sprachtechnisch in seiner Elfensaga von Band zu Band verbessert, frühere Wortwiederholungen wie “Rückhandschlag” fallen weg. Das Buch kann man daher absolut flüssig lesen.
Insgesamt kann man sagen, dass jedem, dem die Vorgängerbände gefallen haben, auch dieses Buch gefallen wird. Es ist, auch wenn es sich nicht allzu deutlich vom breiten Durchschnitt abhebt, auf jeden Fall der Lektüre wert und daher zu empfehlen.

Pakt des Blutes von Paul S. KempDie ungleichen Freunde Egil und Nix verdienen ihr Gold mit Grabräuberei. Nachdem sie bei ihrem letzten Coup erneut knapp dem Tod entronnen sind, entschließen sich die beiden, ihren Beruf an den Nagel zu hängen, ihre Lieblingsschänke zu kaufen und als Geschäftsführer einen ruhigen Lebensabend zu verbringen. Was sie dabei jedoch nicht ahnen: Bei ihrem letzten Raubzug haben sie einen hohen Dämon getötet, der zugleich durch einen uralten Pakt an die Zaubererfamilie der Norristru gebunden ist. Das Oberhaupt Rakon Norristru sieht seine Zukunft nun gefährdet und zwingt Egil und Nix auf eine gefährliche Mission, um seine Macht auch zukünftig zu sichern …

-Die Finsternis, die in der Kluft herrschte, schien ein reales Gewicht zu besitzen, das immer schwerer wurde, je tiefer sie hinabstiegen, ein Tuch aus Tinte, das sie auszuwischen drohte.-
Kapitel 9

Paul S. Kemps Pakt des Blutes erfindet die Fantasy nicht neu – ganz im Gegenteil. In der Danksagung treten Namen wie Moorcock, Leiber und Howard auf. Autoren einer Art Fantasy, die es heute immer weniger gibt, und der Pakt liest sich wie eine Rückbesinnung auf Heroic Fantasy und Sword and Sorcery. Zwei verbrüderte Helden, ständig dabei, sich gegenseitig zu necken und ärgern, auf einer gefährlichen Mission, in der sie jederzeit ihr Leben für den anderen geben würden.

Kemp baut in der ersten Geschichte um Egil und Nix mehr auf ein schnelles Pacing als auf eine tiefgründige, detaillierte Welt und fein ausgestaltete Charaktere. Hier geht es schlichtweg um kurzweilige, rasante Unterhaltung in einer Welt, die auch über mehrere Einzelgeschichten durchaus ausgearbeitet und weiter vorgestellt werden kann. Kemp wirft den Leser direkt ins Geschehen, gibt die wichtigsten Informationen zur Welt und den Charakteren recht zügig preis und widmet sich dann vollends dem Fortgang der Story.

Als Leser wird man hier nichts finden, was man nicht in irgendeiner Form schon mal gelesen hätte, aber der gewollte Charme wird transportiert. Die Protagonisten prägen sich mit ihren ständigen Kabbeleien in den Kopf des Lesers ein und werden lebendige Figuren. Zum einen der kleine Gauner Nix, dessen verschmitztes Lächeln schon spitzbübische Vorhaben verrät, und sein Counterpart Egil, ein stoischer Priester, der immerzu die Blasphemien seines Partners hinnehmen muss. Beides herzensgute Menschen, auch wenn sie nicht immer auf der richtigen Seite des Gesetzes stehen. Dass hinter den beiden eine interessante Vergangenheit stecken könnte, zeigen immer wieder kleine Stellen, in denen Kemp etwas tiefer auf die Charaktere eingeht – Andeutungen einer etwaigen Backstory, die in folgenden Bänden vielleicht angesprochen wird.

Nach und nach findet Kemp seine Stimme für Egil und Nix, sodass die anfangs etwas holprige Schreibe, vor allem was Dialog und Witz angeht, immer mehr Balance und die richtige Dosis findet. In den nächsten Bänden sieht das bestimmt wesentlich geschmeidiger und natürlicher aus.
Wer also kurzweilige Fantasy für zwischendurch sucht, gepaart mit gelegentlichem Witz, stellenweise stereotypen Antagonisten und recht hohem Pacing, ist hier gut aufgehoben. Ein erster Vorgeschmack auf eine Welt, die in Zukunft durchaus Potential hat und vor allem in Sachen Monstern keine Grenzen haben sollte.

Eine kleine Randnotiz zum Cover: Es freut mich immer, wenn Cover kreiert werden, die in inhaltlichem Zusammenhang zum Buch stehen, aber der Priester Egil wird immer wieder mit Haarkranz und dem „Auge des Gottes Ebenor“ auf der Glatze beschrieben – auf der Originalausgabe wurde das mehr oder minder versucht. Hier findet sich zumindest das Auge auf der Stirn, wenn auch Stoppelhaare den gesamten Kopf säumen. Auf dem Cover der Übersetzung trägt der Priester eine normale Haarpracht und keine Tätowierung. Ein Punkt, der dann doch sauer aufstößt (wenn auch kein inhaltlicher).

Percepliquis von Michael J. Sullivan

Die Invasion eines eroberungslustigen Elfenheers, dem nichts und niemand etwas entgegensetzen kann, trifft die Menschenwelt vollkommen unvorbereitet, und bald ist auch das mächtige Kaiserreich in seiner Existenz bedroht. Nur ein sagenumwobenes Horn, das in der versunkenen Stadt Percepliquis verborgen sein soll, kann die Elfen angeblich aufhalten, aber bisher hatte keine Expedition in die Ruinen Erfolg. Die Magierin Arista macht sich mit einer kleinen Schar von Gefährten auf die Suche nach dem rettenden Artefakt, doch bald drohen nicht nur äußere Feinde, sondern auch Spannungen innerhalb der Gruppe die Mission zum Scheitern zu bringen …

– “The elves have crossed the Nidwalden River,“ Julian announced to the crowd. His voice fought against the wind that viciously fluttered the flags and banners. He walked gingerly, placing his feet upon the frozen ground as if it might be pulled out from beneath him. The old man’s stately robes snapped about him like living things, his cap threatening to fly off. “They’ve invaded and taken all of Dunmore and Ghent.“ He paused, looked at King Alric, took a breath, and said, “And Melengar.“ –
(Chapter 2 – Nightmares)

Michael J. Sullivan beschließt seine Riyria Revelations mit einer klassischen Questengeschichte, die alle, aber auch wirklich alle, Elemente enthält, die man von solch einem Plot erwartet, von der scheinbar unausweichlichen militärischen Niederlage über die bunt zusammengewürfelte Heldentruppe und das legendäre magische Artefakt bis hin zum Auserwählten, der als einziger der dunklen Bedrohung wirksam entgegentreten kann.

Wie auch schon in den anderen Bänden ist nicht nur auf der Motivebene überdeutlich zu erkennen, wo Sullivan sich seine Inspiration gesucht hat. So kann etwa die unterirdische Ruinenstadt Percepliquis, die über weite Strecken den hauptsächlichen Handlungsort bildet, Anklänge an Tolkiens Moria nicht verleugnen, und dass in einem Grab mit hohem Wiedererkennungswert, das die Helden erkunden, dann doch nicht Tutanchamun liegt, dürfte jeden historisch halbwegs interessierten Leser aufrichtig überraschen.

Und dennoch: Die Mischung aus viel Altvertrautem und einigen netten eigenen Ideen funktioniert und kann in manchen Szenen mit durchaus atmosphärischen Schilderungen überzeugen,  so etwa, wenn die in einem behelfsmäßigen Unterschlupf auf die Rückkehr ihrer Herren wartenden Pferdeburschen der Helden von einem plötzlichen Wintereinbruch überrascht werden und man beim Lesen fast den Eindruck erhält, die Kälte selbst spüren zu können.

Vor allem aber kann Sullivan dank der zur Weltrettung ausziehenden Gefährten auf eine seiner größten Begabungen zurückgreifen und eine interessante Gruppendynamik entwerfen. Die Verschiebungen, die sich Stück für Stück im Beziehungsgeflecht zwischen den Protagonisten ergeben, lassen einen auch dann noch mit Neugier weiterlesen, wenn man bemerkt, dass einem der eigentliche Plot so oder so ähnlich schon dutzendfach begegnet ist. Zum Vergnügen an der Lektüre trägt auch bei, dass allerlei gelungene Nebenfiguren, deren große Auftritte bisher auf die verschiedenen Bände verteilt waren, hier zusammengeführt werden und noch einmal glänzen dürfen, etwa der seit dem ersten Teil der Serie sträflich vernachlässigte Mönch Myron, den seine Mischung aus Naivität und erstaunlicher Intelligenz oft zu amüsantem bis anrührendem Querdenken befähigt.

Das Talent, sich eigentlich sattsam bekannten Themen aus ungewohnten Perspektiven zu nähern, hat er dabei mit seinem Autor gemein. So spielt Sullivan beispielsweise genüsslich gleich an zwei verschiedenen Personen durch, welche teils komischen, teils tragischen Auswirkungen es wohl haben könnte, wenn der in der Fantasy weit verbreitete, unerkannt im einfachen Volk aufgewachsene Thronerbe gerade aufgrund seiner Biographie für die ihm zugedachte Aufgabe denkbar ungeeignet ist. Auch die ungewöhnliche Verwendung, die ein magisch erzeugter Wächterdrache erfährt, ist kreativ und zeugt von einigem Humor.

Gewiss, ein wenig Toleranz für Kitsch muss man vor allem gegen Ende durchaus mitbringen, ebenso wie die Bereitschaft, sich auf einige gar zu gewollte Wendungen einzulassen (insbesondere auch, was Sullivans Neigung betrifft, mit quasi unübersetzbaren vorausdeutenden Wortspielen zu arbeiten). Doch vielleicht sollte man Sullivan eher an dem Anspruch messen, den er selbst in seinem Nachwort formuliert: I wrote these books, because in our jaded, embittered world that is so eager to denounce happiness and happily-ever-after as a myth, such tales are rare, and yet are exactly the type of stories that I think are worth telling. Und eine Geschichte mit fast nostalgischem Wohlfühlfaktor und genau jenen Stärken zu erzählen, die vor der Welle des grim&gritty und der allgegenwärtigen Ironisierung viel zum Charme des Fantasygenres beigetragen haben, ist ihm voll und ganz gelungen.

Cover des Buches "Percival und die schöne Elfe" von Anne Eliot CromptonAlle acht Söhne Alannas waren Ritter und jeder einzelne von ihnen ist umgekommen. Nach dem Tod ihres Mannes geht Alanna mit ihrem neugeborenen Sohn Percival in den von Elfen bewohnten Wald. Sie möchte ihn in der Einsamkeit großziehen, um zu verhindern, dass auch er ein Ritter wird. Percival wächst heran und hat nur wenig Kontakte, er ist naiv, ungebildet und ist schwer von Begriff. Eines Tages trifft Percival auf Ritter und wünscht sich von nun an nichts sehnlicher als auch ein Ritter zu werden. Elfe Lili möchte unbedingt ein menschliches Herz, da es die größte magische Macht der Welt ist. Die beiden verlassen den Elfenwald und machen Bekanntschaft mit dem wahren Leben.

-Bis zu den Knien im Teich des Elfenwalds stehend, beuge ich mich über das Wasser, um mein neues, mein anderes Gesicht zu betrachten.-
1 Zum Ritter geboren

Falls Sie demnächst einmal nach Eschenbach kommen und dort im Erdreich mysteriöse Geräusche hören sollten, dann liegt es wahrscheinlich daran, dass Wolfram von Eschenbach in seinem Grab rotiert, aus Verzweifelung darüber, was Anne Eliot Crompton aus dem Parzival-Stoff gemacht hat. Dem französischen Dichter Chrétien de Troyes dürfte es ähnlich ergehen.

Die Artuslegende ist natürlich eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für Fantasyautoren, aber gerade die Parzivalgeschichte erfordert auch in einem belletristischen Roman etwas mehr Tiefgang und Ernsthaftigkeit.
Falls Sie also die mittelalterlichen Versepen kennen, verdrängen Sie dieses Wissen bei der Lektüre des Romans aus dem Gedächtnis, falls Sie die Vorlage nicht kennen, schätzen Sie sich glücklich. Nimmt man Cromptons Geschichte als das, was sie ist, als einen leichten, netten Unterhaltungsroman, dann kann die Lektüre durchaus Spaß machen. Es sei denn, sie sind ein strenggläubiger Christ, dann könnten Sie an Percivals Lieblingsflüchen Anstoß nehmen, die da lauten “Gottverdammich” und “Bei Gottes Hoden”.

Percival und die schöne Elfe (Percival’s Angel) ist wieder ein Buch, das die Romantiker unter den Fantasyfreunden ansprechen dürfte. Zwar kommt gelegentlich jemand zu Tode, trotzdem ist der Roman nahezu gewaltfrei. Wie Percival, hier meistens Percy genannt, dank seiner Unerfahrenheit von einem Abenteuer ins andere stolpert und trotz seiner Naivität alle Tücken des Ritterlebens siegreich besteht, entbehrt nicht der Komik. Und schließlich ist da noch die Elfe Lili, die Percy heimlich liebt und die einen erheblichen Anteil daran hat, dass Percy weder von hinterhältigen Rittern, noch von durchtriebenen Frauen ernsthafter Schaden zugefügt wird.

Laut Klappentext schrieb USA Today über das Buch: Großartig wie Marion Zimmer Bradleys “Nebel von Avalon.” Betrachtet man allein den Umfang des Buches, merkt man schon, dass dieser Vergleich wieder einmal nicht stichhaltig ist. Weder die Charaktere, noch die Handlung sind in Percival und die schöne Elfe so komplex und lebensnah gestaltet wie bei Zimmer Bradley.

Priester von Trudi CanavanAufgrund ihrer starken magischen Fähigkeiten wird die junge Auraya von den weißen Göttern auserwählt. Fortan gehört sie zum Kreis der Fünf, denen die Götter Unsterblichkeit verliehen haben, damit sie den Menschen ihren Willen offenbaren. Auraya fühlt sich zutiefst geehrt, doch ihre neue Stellung erfordert auch einige Opfer. In der Zwischenzeit braut sich noch weitaus größeres Unheil über dem Land zusammen: Im Süden von Ithania bereiten sich die Pentadrianer, eine Religion von schwarzen Magiern, auf einen Krieg vor, um den weißen Göttern des Nordens ein für allemal ein Ende zu bereiten. Auraya muss die Völker des Nordens vereinen, um gegen die Pentadrianer bestehen zu können.

-Auraya erstarrte. Er kann mich nicht gehört haben, sagte sie sich. Ich habe kein Geräusch gemacht. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie der Mann sich erhob und in die Zweige eines alten Garpa-Baumes hinaufblickte.-
Prolog

Oft wird Fantasy als ein recht oberflächliches Genre abgetan, mit dem man aus der Realität und ihren Problemen fliehen kann. Hinter Trudi Canavans Geschichte Priester (Priestess of the White) steckt allerdings weit mehr, wenn man genauer hinsieht. Wegen einer Religion beginnen sich zwei Völker zu begkriegen, ohne die Weisungen der Götter oder ihrer Stellvertreter auch nur im Mindesten zu hinterfragen.
Sensibel zeigt die Autorin auf, wohin blinder Gehorsam und fanatischer Glaube führen kann, ohne dabei die Weltreligionen in schlechtem Licht dastehen zu lassen.
Fragen von Liebe und Macht werden durch die Gedanken der unterschielichen Protagonisten reflektiert. Im Vordergrund steht natürlich eine überraschungsreiche, gut strukturierte Geschichte aus der Sicht mehrerer Protagonisten in einer liebevoll beschriebenen Welt, die man sich gut vorstellen kann.
Auf dem Cover sieht man vielleicht jeden Fingerabdruck, dennoch finde ich es gelungen. Innen befindet sich noch eine Karte und ein Glossar, was weiterhin zur Veranschaulichung beiträgt.
Tudi Canavans Spache ist auch hier wieder abwechslungsreich, leicht verständlich und sehr gut zu lesen.

Handlung und Story-Ideen sind meiner Meinung nach sehr gelungen. Am Anfang muss man sich vielleicht erst einmal an die ganzen unbekannten Bezeichnungen für Tiere gewöhnen, aber das legt sich bald und ist kein Hindernis. Ein wenig übertrieben ist auch die anfängliche Macht der Protagonistin Auraya, auch wenn ihre Grüne in den zwei Folgebänden erläutert werden.
Richtig gut ist, wie die Autorin die Gefühle und Handlungswege der Protagonisten darstellt und es somit schafft, jeder Figur einen individuellen, erstaunlich ausgereiften Charakter zu geben. So etwas findet man selten.
Emerahl zum Beispiel, die sehr scharfsinnig und intelligent ist, aber trotzdem nicht davor zurückschreckt, ihren Körper zu verkaufen, nur um unerkannt zu bleiben, oder Auraya, die zwischen Pflicht, Mitgefühl, Liebe und Gewissen gefangen ist und dazu noch die Stärke aufbringen muss, nicht nur für sich, sondern auch für andere zu entscheiden, oder auch siamesische Zwillinge, die nach der Trennung feststellen müssen, dass sie sich auch geistig auseinanderleben.
Am allerbesten hat mir der Ideenreichtum (Vernetzung über Träume, Heilmethoden, Gedankenlesen u.v.m.) der Autorin gefallen. Immer wieder bekommt die Handlung neue Seitenstränge und die Spannung bleibt stets erhalten.
Das Buch hat keine Hänger und ist immer wieder für eine Überraschung gut.
Priester ist mit Sicherheit eines der besten Bücher, die in letzter Zeit veröffentlicht wurden, und ich würde es jedem Fantasyfan wärmstens weiterempfehlen. Ich für meinen Teil zähle es zu meinen Lieblingsbüchern, da es deutlich mehr bieten kann als eine abgedroschene Standardstory, aber trotzdem sehr flüssig und amüsant zu lesen ist.

Die Priesterin der Tuerme von Heide Solveig GoettnerAls Amra, die Totenpriesterin der Stadt Caláxi, einen Fremden aus dem verfeindeten Norden der Insel entdeckt, stürzt sie ihre Heimatstadt in Aufregung. Doch während der Fremde festgesetzt wird, erscheint den Bewohnern seine Begleiterin, ein kleines Mädchen mit sonderbaren Augen, viel schlimmer: Sie gilt als eines der Verlorenen Kinder, vor denen die Menschen in einer Prophezeiung gewarnt werden. Tatsächlich spricht die kleine Lillia auch von einem Unheil, das über Caláxi kommen wird – und die Bewohner sind ihr nicht gewogen.
Amra allerdings kümmert sich um das Kind und erfährt bald, daß das Ziegenvolk der Nraurn hinter der sonderbaren Kleinen her ist. Doch da bricht die Katastrophe auch schon über die Stadt herein…

-Als die vier Tage der Totenklage vorüber waren, verließ Amra die steinernen Grabkammern, rückwärts gewandt, wie es der Brauch vorschrieb.-
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Sonnenverwöhnte Landstriche, Kräuterduft in der Luft, erhabene Bauwerke und geschichtsträchtige Stätten, Mittagshitze und lebensfrohe Märkte – wer denkt da nicht an einen Urlaub im Süden?
In diesem Ambiente (genauer gesagt: auf einer phantastischen Version Sardiniens) hat Heide Solveig Göttner ihre Trilogie angesiedelt, und mit der authentischen und doch ganz behutsam phantasievoll veränderten Realisierung des mediterranen Settings – in einer Zeit, die an die ersten großen menschlichen Kulturen denken läßt – schlägt sie den Leser schnell in ihren Bann. Man kann von Anfang an eintauchen in diese Welt, die einerseits durch alltägliche Nebensächlichkeiten vermittelt wird, und andererseits durch die gut durchdachte magische Komponente überzeugt, die sich nahtlos in das Setting einfügt.
Ein perfektes Buch also, um woanders hinzugehen – und dort wartet dann auch eine gute Geschichte: Was anfangs ein wenig nach Langeweile klingt – besondere Kinder unbekannter Herkunft gehören nun einmal zum etwas ausgelutschten Standard-Repertoire der Fantasy – entpuppt sich bald als Überlebenskampf der Personen, die um dieses Kind herum sind: Die unberührbare Priesterin Amra, der fremde, verschlossene Jemren und der Reiterkrieger Gorun sind dazu gezwungen, nicht nur ihre eigenen persönlichen Geschichten langsam aufzudecken und aufzuarbeiten, sondern auch die Geschichte ihrer Völker und ihrer Insel, die von Halbwissen und Vorurteilen belastet ist. Die Priesterin der Türme ist ganz auf diese drei unterschiedlichen Personen fokussiert, aus deren Perspektive berichtet wird – die Autorin setzt auch geschickt deren unterschiedliche Sichtweisen der Dinge für spannende Handlungsabschnitte ein.

Dabei überwiegen ruhige Passagen, für Spannung sorgt weniger Dauer-Action als eine vor allem wegen der fehlenden Informationen drängende Atmosphäre. Daß das Augenmerk in diesem Buch nicht unbedingt auf Kämpfen liegt, erkennt man auch daran, daß diese Szenen manchmal durch gut plazierte Zeitsprünge oder Perspektivwechsel ausgespart werden, was keineswegs künstlich wirkt. Gerade am Ende aber zeigt die Autorin, daß sie Verfolgungjagden und Kämpfen nicht abgeneigt ist und sie auch umzusetzen versteht. Dennoch ist Die Priesterin der Türme mit Sicherheit eher für die Liebhaber von gründlich ausgeleuchteten Charakteren und überzeugender Atmopshäre geeignet, die gerne auf Entdeckungsreise in fremde Kulturen gehen.

Auch auf den ersten Blick kommt man leicht zu einer falschen Einschätzung des Buches: Eine “Priesterin” im Titel, Matriarchat als Gesellschaftsform auf der Insel der Stürme und im Klappentext Lobgesänge, die alles von Marion Zimmer Bradley bis Monika Felten beschwören – das kann schon abschreckend wirken, wenn man kein spezieller Fan von alles überragender Frauenpower im Fantasy-Roman ist. Um so schöner ist dann die Entdeckung, daß man sich ganz umsonst gegruselt hat: Statt Schwarzweißmalerei und Lobeshymnen auf die Frauenherrschaft, die in der Fantasy bisweilen schon dazu instrumentalisiert wurde, die Kluft zwischen den Geschlechtern unterm Strich eher zu vertiefen, bietet Heide Solveig Göttner eine realistische Umsetzung des Matriarchats – und überhaupt wird den Geschlechterrollen im Roman so wenig Bedeutung beigemessen, daß dieser Absatz eigentlich schon viel zu lange ist, als daß er dem Thema gerecht werden könnte…
Man kann sich also ganz beruhigt auf die Insel der Stürme einlassen, auf dem es neben der menschlichen Kultur auch noch das Ziegenvolk der Nraurn zu entdeckten gibt, und das Ambiente in den Städte der Menschen genießen, die trotz der lebendigen Umsetzung immer ein Hauch von Vergangenheit zu umwehen scheint – und eine durch und durch menschliche Geschichte von Mißverständnissen und Fehlurteilen lesen.
Zum perfekten Urlaub im Süden fehlt dann eigentlich nur noch das Meer – und das kommt gewiß im zweiten Band!

Cover von Prince Caspian von C.S. LewisEin Jahr ist vergangen, seit Peter, Susan, Edmund und Lucy im magischen Land Narnia waren. Fast hätten sie ihre aufregenden Abenteuer wieder vergessen, doch eines Tages, während einer Zugreise, gelangen sie von einem Bahnhof aus zurück nach Narnia. Dort wird ihre Hilfe dringend gebraucht. Hunderte Jahre sind dort seit ihrem letzten Abenteuer vergangen und inzwischen haben die Telmaren das Land erobert, die magischen Wesen verjagt und die Tiere geknechtet. Und Prinz Caspian, der rechtmäßig Herrscher über Narnia, wird von seinem Onkel gejagt, weil dieser den Thron für sich beansprucht …

-“Oh Peter!”, exclaimed Lucy. “Do you think we can possibly have got back to Narnia?” –
Chapter 1: The Island

C.S. Lewis versteht es, kindgerechte Bücher auch für ältere Leser schmackhaft zu machen. Und so ist das zweite Abenteuer, Prince Caspian (Prinz Kaspian von Narnia), der vier Geschwister wieder eine Einladung für Groß und Klein, sich verzaubern zu lassen. Erneut entführt uns der Autor in das magische Land Narnia, dass von den Telmaren erobert und unterdrückt wurde. Der rechtmäßige Herrscher Prinz Caspian wird von seinem Onkel verfolgt, weil dieser den Thron über Narnia selbst behalten will. Die klassische Geschichte erhält hier allerdings keine Ausschmückungen, sie wird relativ gradlinig erzählt. Nur durch das Land Narnia, seine Bewohner und Magie, hebt sie sich von anderen Büchern ab und kann den Leser trotz der vorhersehbaren Handlung an das Buch fesseln. Denoch verbergen sich unter der recht einfallslosen Story jede Menge Details, die aufmerksame Narnia-Leser schnell in die große Narnia-Welt einbauen können. Narnia ist mit jedem Buch ein bißchen mehr gewachsen und ausgebaut worden, die kleinen Mosaiksteinchen, die der Leser in jedem Buch erhält, bilden ein wunderschönes Bildwerk, das zum verzaubern Lassen und Schwärmen einlädt. Das eigentlich Lesenswerte an den Büchern ist nunmal Narnia an sich, was jeder versteht, der einmal damit angefangen hat. Lediglich die allgegenwärte christliche Symbolik stört, wenn sie wieder einmal besonders hervorgehoben wird. Glücklicherweise passiert das nicht allzu oft und der Leser kann Narnia ungestört genießen.

The Prince of Shadow von Curt BenjaminDer junge Sklave Llesho ist einer der besten Perlentaucher der Perleninsel, doch er erinnert sich noch an die Zeit vor seiner Versklavung, als er der Herrscherfamilie von Thebin angehörte, eines Landes, das von den grausamen Harn unterjocht wurde. Als Llesho erfährt, dass seine sechs Brüder noch am Leben sind, plant er, seine Familie wiederzuvereinen und sein Königreich zurückzuerobern. Der Junge versucht, Gladiator zu werden, um von der Perleninsel zu entkommen und die Suche nach seinen Brüdern aufnehmen zu können. Doch die Gladiatorenschule ist hart, und nebst einiger Freunde, die sich seiner als Lehrer annehmen, findet Llesho dort auch Feinde, vor allem den finsteren Aufseher Markko.

-“Llesho! Has anyone seen Llescho!”-
Chapter 1

Für die Wahl eines Pseudonyms gibt es allerlei Gründe, im Falle von Curt Benjamin, der eigentlich unter anderem Namen in einem anderen Fantasy-Subgenre aktiv ist,  kommt einem aber der ein oder andere Gedanke, was dahinter gestanden haben könnte, je länger man sich durch The Prince of Shadow quält. Die mehr oder weniger kreativ ins Fantasy-Asien versetzte Befreiungsgeschichte des winzigen, spirituell begünstigten Bergkönigreichs Thebin, das vom bösen Volk der Harn erobert und besetzt wurde, während das wahre Herrschergeschlecht ins Exil oder die Sklaverei ging und die Religion nur noch im Verborgenen ausgeübt werden darf, krankt an allen Ecken und Enden und kann weder als Coming-of-Age-Geschichte noch als fernöstliches Action-Abenteuer punkten.
Der erste Teil vom Befreiungskampf Lleshos, des jüngsten versklavten Prinzen von Thebin, ist eine uninspiriert heruntererzählte Ereigniskette, in der die Figuren durch diverse Abenteuer und Schicksalsschläge bugsiert werden, die waltende und schaltende Hand des Autors immer gut sichtbar im Nacken.

Vom Protagonisten Llesho entfernt sich die Handlung nie sehr weit, vermutlich zum Bedauern eines jeden Lesers: Der kleine Held – der jüngste von sieben Brüdern, ausersehen, seine Familie zu vereinen und seine Heimat von den bösen Unterdrückern zu befreien – wird zwar als Kriegertalent und strategisches Mastermind der Rückeroberung Thebins angepriesen, nur  Taten folgen darauf nicht. Während der gesamten Handlung wird Llesho vom Schicksal geführt, von anderen angeleitet und muss (und vor allem kann!) niemals eine Entscheidung alleine fällen.
Würden dieser blassen und wenig nachvollziehbaren Hauptfigur interessante Nebenfiguren oder Antagonisten zur Seite stehen, hätte man vielleicht die Geschichte eines herumgeschubsten und von der Geschichtsschreibung hochstilisierten Helden gelesen, doch weder die stets eindimensional-bösen Harn noch die ganze Parade von Unterstützern taugen als Ersatz für die fehlende Charakterisierung des Protagonisten.

Unter diesen Voraussetzungen entsteht auch nur ein krude zusammengezimmertes Nichts an Geschichte mit unlogischen Lösungen am laufenden Meter: Damit der Plot überhaupt weitergetrieben werden kann, erhält Llesho von beinahe jeder Person, der er begegnet, Hilfe – und das nicht zu knapp, er wird sozusagen durch die Geschichte getragen. Für diese übermäßige Unterstützung des Helden von allen möglichen und unmöglichen Seiten erhält man zwar auf der letzten Seite noch eine aus dem Hut gezauberte Erklärung, die aber nicht über die spannungslähmende Gewissheit hinwegtrösten kann, dass in jeder Zwangslage ein wohlmeinender Helfer herbeieilen wird.
Eine Struktur in der Handlung – durch die Suche nach den sechs Brüdern würde man immerhin eine erwarten – ist nicht vorhanden, und die planlosen Reisen kreuz und quer durch die Welt werden auch noch ungeschickt präsentiert: Kein einziges Mal schafft Benjamin es, die Distanz zwischen Figuren und Leser zu überbrücken; für eine stark narrative Erzählung fehlt es aber an Eleganz und thematischer Bedeutsamkeit des Erzählten. Das angepeilte epische Ambiente leidet außerdem unter Passagen, die in modernem Stil formuliert sind.

Richtiges Eastern-Gefühl will ohnehin höchstens beim Blick auf das Titelbild aufkommen. Auch wenn mitunter die schwersten Geschütze aufgefahren werden, um einen panasiatischen Fernost-Einheitsbrei zu präsentieren – Götter, die in die Handlung eingreifen, Kampfkunst, Drachen und Geister – will sich beim Lesen kein Bild einstellen. Kultur und sogar Landschaft oder Herrschaftsverhältnisse bleiben merkwürdig vage, und man ist als Leser gut beraten, die eigene Phantasie, die hier vielleicht herhalten müsste, in andere Projekte zu stecken.

Prinz Kaspian von Narnia von C.S. LewisEin Jahr ist vergangen, seit Peter, Susan, Edmund und Lucy im magischen Land Narnia waren. Fast hätten sie ihre aufregenden Abenteuer wieder vergessen, doch eines Tages, während einer Zugreise, gelangen sie von einem Bahnhof aus zurück nach Narnia. Dort wird ihre Hilfe dringend gebraucht. Hunderte Jahre sind dort seit ihrem letzten Abenteuer vergangen und inzwischen haben die Telmaren das Land erobert, die magischen Wesen verjagt und die Tiere geknechtet. Und Prinz Caspian, der rechtmäßig Herrscher über Narnia, wird von seinem Onkel gejagt, weil dieser den Thron für sich beansprucht …

»Oh Peter!«, rief Lucy aus. »Was meinst du? Sind wir vielleicht wieder in Narnia?«
Die Insel

Zu Prinz Kaspian von Narnia liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Der Prinz und der Feuervogel von Patricia A. McKillipDer Feuervogel ist ein prächtiges Wesen voller magischer Kräfte. Mit einem Schrei, der so schrecklich ist, daß kein menschliches Ohr ihn erträgt, verwandelt er alles, was ihm in die Quere kommt, in Gold und Edelsteine. Als aber der Mond über den Mauern von Ro Haus aufgeht, verwandelt sich dieser seltsame Vogel in einen jungen Mann, auf dem ein dunkler Fluch lastet. Fast zur selben Zeit stört noch jemand den Frieden von Ro Haus: Ein fremder Magier, der die Gestalt eines weißen Drachen annehmen und die Zeit anhalten kann. Er benötigt einen Schlüssel, der in Ro Haus versteckt gehalten wird, und will ihn unbedingt an sich bringen. Dazu entführt er Meguet, die Wächterin des Jungen Schwans, in seine Heimat, wo unsichtbare Drachen das Land beherrschen.

-“Ja”, flüsterte er. “Der Vogel schreit um Hilfe – er verwandelt seine Schreie in Edelsteine, Gold, in irgend etwas Wertvolles, das ins Auge fällt.” “Woher wußtest du, daß du hier Hilfe finden kannst?” “Der Vogel wußte es.”-
Kapitel 3

Man könnte den Roman Der Prinz und der Feuervogel (The Cygnet and the Firebird) durchaus unabhängig vom ersten Teil des Cygnet-Zyklus Die Zauberin und der Schwan (The Sorceress and the Cygnet) lesen. Die beiden Bände hängen nur relativ lose miteinander zusammen, und man dürfte kaum Verständnisschwierigkeiten haben, wenn man den ersten Band nicht gelesen hat.
Für den Lesegenuß und das Verständnis ist es jedoch besser, die chronologische Reihenfolge einzuhalten.
Die Geschichte wird vom englischen Originaltitel The Cygnet and the Firebird (“Der Junge Schwan und der Feuervogel”) wesentlich besser umrissen, der verwendete deutsche Titel ist etwas irreführend. Die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches ist ebenfalls verdreht und bringt Patricia McKillips poetischen Roman erheblich durcheinander. Genau genommen stimmt eigentlich gar nichts von dem, was da zusammenfassend auf der Buchrückseite vom Verlag geschrieben wurde, und man hat, wie auch beim ersten Teil, das Gefühl, dass dieser Band wohl eher für den Bahnhofsverkauf konzipiert wurde. Diese Ausgabe dürfte auch kaum von einem Lektor mit großem Aufwand nachbearbeitet worden sein, denn es häufen sich auch hier zum Teil gravierende Rechtschreibfehler. Darüber hinaus wurde qualitativ schlechtes Papier verwendet und auch das nicht eben gelungene Cover vervollständigen den Eindruck einer lieblosen Produktion.
So wenig das Äußere dieses Taschenbüchleins zum Schmökern und Lesen einlädt, so schade wäre es, ließe man es sich entgehen:
Die Handlung des zweiten Teils spielt in einem Land, das von seinen Gegebenheiten ein wenig an den vorderen Orient erinnert, und seine magische Natur, die sich vollständig von jener in Ro Holding unterscheidet, ist das zentrale Thema dieses Buches:
Es ist ein Roman voller Exotik, und dem Zauber, den eine Kultur auf einen fremden Besucher ausüben kann, nämlich die des Landes Saphier und der Wüste Luxour, in der immer wieder Schatten von Drachen beobachtet werden. Die geisterhafte Anwesenheit dieser legendären Geschöpfe macht die Luxour zu einem Ort voller traumgleicher, geheimnisvoller Magie.
Patricia McKillip beschreibt das Wesen der Drachen auf eine neue und eigentümliche Weise. Ihre Drachen sind keine “greifbaren” Geschöpfe, wie sie sonst in den Märchen, Sagen und Legenden der Welt vorkommen. Man ahnt hier lange Zeit nur ihre Präsenz, man glaubt zum Beispiel “aus dem Augenwinkel” hier mal eine Flügelspitze zu entdecken oder dort mal ein Auge oder eine Klaue aufblitzen zu sehen. Sie tauchen in den Träumen einiger weniger auf und hinterlassen geheimnisvolle Botschaften. Bei manchen ist es eine unbestimmte Sehnsucht – bei anderen eine namenlose Furcht. Bei McKillip sind sie sehr mächtige magische Wesen, die nicht eindeutig gut oder böse sind, und die sich nicht für die armseligen menschlichen Begierden und Leidenschaften interessieren oder gar benutzen lassen.
Auch das mystisch-mythische Moment der menschlichen Protagonisten bleibt in diesem Teil des Romans erhalten, so dass man die typisch menschlichen Regungen nach wie vor fast vergebens sucht. Viele Figuren bleiben unnahbar und deren Beweggründe für ihre Handlungsweise sind genauso selten wirklich zu verstehen, wie das bei den meisten Figuren des ersten Teils der Fall war.
Patricia McKillip versteht es, ihre Romane so zu schreiben, als erzähle sie einen Traum: Ihre menschlichen Figuren sind meist halb feenhafter Natur mit Fähigkeiten, die weit jenseits unseres alltäglichen Erfahrungshorizontes liegen, und ihre Drachen sind keine unförmigen, häßlichen und grünbeschuppten Ungeheuer. Ihre Drachen sitzen nicht Jungfrauen verspeisend, Feuer spuckend und Angst und Schrecken verbreitend groß und plump auf irgendwelchen unermesslichen Schätzen, sondern sie schafft es mit ihrem magisch-poetischen Stil, sogar solche riesigen und beeindruckenden Wesen wie die Drachen in gleichsam nebelhafte Magie zu verwandeln …

The Queen of Attolia von Megan Whalen TurnerNachdem die Königin von Attolia ein in ihrem Palast spionierendes Mitglied des Königshauses von Eddis hat verstümmeln lassen, eskaliert der  schon lange schwelende Konflikt zwischen den beiden Ländern vollends. Der Krieg ruft nicht nur den immer noch eroberungslustigen König von Sounis sondern auch das mächtige Mederreich auf den Plan, und bald droht den drei kleinen Staaten ihre Zerstrittenheit wirtschaftlich wie politisch zum Verhängnis zu werden. Ein Verlust der Unabhängigkeit scheint kaum noch abzuwenden. Doch zweierlei hat der medische Gesandte Nahuseresh bei seinen Intrigen nicht bedacht: Die Macht der Götter – und die Unberechenbarkeit menschlicher Gefühle…

– When he fell asleep, he dreamed the queen of Attolia was dancing in her garden in a green dress with white flowers embroidered around the collar. It started to snow, dogs hunted him through the darkness, and the sword, red in the firelight, was above him, and falling. –
Chapter Five

Dass ein zweiter Band die im ersten Teil einer Reihe geweckten Erwartungen nicht einlöst, hat gewiss jeder Leser schon erlebt – aber selten wird ein solcher Bruch derart bewusst und erschütternd vollzogen wie hier von Megan Whalen Turner. The Queen of Attolia erlaubt einem weder wohliges Schwelgen in mediterranen Landschaften noch unbefangenes Vergnügen an Abenteuern, sondern wagt sich an ernste Themen. Neben dem Umgang mit politischer und persönlicher Verantwortung stehen vor allem das Erdulden und die mögliche Überwindung von Leid im Vordergrund.

Die Götter haben weiterhin allenthalben die Hand im Spiel, doch ihr Einfluss steht in ständiger Wechselwirkung mit den Entscheidungen der Menschen, deren Taten sich nicht einfach durch das Eingreifen höherer Mächte ungeschehen machen lassen und so letztlich stärker als alle übernatürlichen Faktoren den Gang der Ereignisse bestimmen. Den Konsequenzen des eigenen Handelns kann sich daher keiner der Protagonisten entziehen, und was politisch geboten erscheint, widerspricht oft genug ihren heimlichen Wünschen oder ihrem ethischen Empfinden. List und Tücke bieten zwar häufig eine taktische, aber nur selten eine wirkliche befriedigende Lösung der Probleme, mit denen sich jeder einzelne im Laufe des langen Kriegs konfrontiert sieht, und der Preis, der für das eigene Weiterkommen gezahlt werden muss, ist oft sehr hoch. Das merkliche Vergnügen, mit dem Turner in ihrer bewährten Technik, Entscheidendes oft nur verhüllt anzudeuten, Intrigen und Winkelzüge schildert, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie auch und vor allem Geschichten des Verlusts erzählt: Von körperlicher und psychischer Unversehrtheit, moralischen und religiösen Gewissheiten, äußerer und innerer Freiheit und nicht zuletzt auch von liebgewonnenen menschliche Beziehungen muss mehr als eine Gestalt unwiderruflich Abschied nehmen. Vor allem der Dieb Gen macht in dieser Hinsicht eine ebenso schlüssige wie herzzerreißende Entwicklung durch, an deren Endpunkt er nur noch wenig mit dem unbekümmerten Spötter gemein hat, als der er dem Leser in The Thief entgegengetreten ist.

Ein düsterer und deprimierender Roman also? Nicht ganz, denn er ist zugleich – so sehr dies überraschen mag – ein Loblied auf die Liebe und ihre hoffnungstiftende Kraft, die über Zwang und Widrigkeiten triumphieren kann. Während die Thematik in der ersten Hälfte des Buchs eher auf leisen Sohlen in einer scheinbar zufällig erzählten Göttersage eingeführt wird, gewinnt sie im weiteren Verlauf an Bedeutung. Romantasygeschädigte müssen dennoch nicht in Panik geraten: Der schwierige Annäherungsversuch zweier Menschen, die einander in der Vergangenheit wahrlich keine Wohltaten erwiesen haben, ist anrührend geschildert und von jedem Kitsch weit entfernt. Ohnehin wird man effekthascherische Szenen in diesem Buch vergebens suchen, obwohl es Situationen gibt, die manch ein Autor wohl als Steilvorlage betrachtet hätte, sich in drastischen Beschreibungen zu ergehen (so wird z.B. einer zentralen Gestalt auf offener Bühne die Hand abgehackt). Turner ist eher an langfristigen Folgen vor allem psychologischer Natur interessiert. Auf ihre zurückhaltende Erzählweise, die einen Kontrast zu der in der modernen Fantasy weit verbreiteten, quasi filmischen Unmittelbarkeit bildet, muss man sich also weiterhin einlassen. Wer dazu bereit ist, wird mit einem überdurchschnittlichen Lektüreerlebnis belohnt.

Trotz all dieser Qualitäten lässt sich aber eines nicht verschwiegen: The Queen of Attolia ist ein Buch mit Übergangscharakter, das dazu dient, den im ersten Band vorgegebenen Status quo aufzubrechen und die Charaktere für den Fortgang der Serie in Position zu bringen. Diese Brückenfunktion lässt die liebevolle Darstellung der Welt, die so viel zum Charme der Reihe beiträgt, etwas in den Hintergrund treten; eine Ausnahme bildet allenfalls das sehr gelungene Kontrastprogramm zwischen dem Königshof von Eddis (der vorwiegend aus dem ausgedehnten Familienclan der Herrscherin besteht) und seinem von Machtgier und Misstrauen geprägten attolischen Pendant.

Diese Kritikpunkte fallen aber eigentlich nur dann ins Gewicht, wenn man den Roman, den man auch als in sich abgeschlossene Geschichte lesen kann, in den Kontext von Vorgänger- und Nachfolgeband einordnet. Verzichtet man auf diesen Vergleich, so bleibt einem neben den feinfühlig gezeichneten Charakteren vor allem eines in Erinnerung: Die hoffnungsvoll stimmende Bereitschaft der Autorin, in einer ungeschönten Wirklichkeit neben Leid auch Tröstliches gelten zu lassen.

Die Rache der Shadowmoon von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

– Obwohl ein Wolkenbruch auf die Straßen von Alberin niederprasselte und der Wind so stark war, dass man in den Böen nicht geradeauf laufen konnte, waren die beiden Männer, die gerade das Anwesen verlassen hatten, erleichtert, wieder im Freien zu sein. –
Prolog

Zu Die Rache der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon.

Cover von Der Rat der Hexer von Elizabeth A. LynnKerris, der verwaiste Sohn eines großen Kriegsherrn, hat als Kind durch einen Schwerthieb einen Arm verloren. Als Krieger ungeeignet, hängt er seinen Träumen nach – von einer Gemeinschaft der Cheari, der begnadeten Krieger von Arun, und von seinem Bruder Kel, dem vielleicht besten von ihnen. Als er Kel und seinen Gefährten in die ferne Stadt Elath begleitet, findet er einen Meister, der eine Gabe in ihm weckt, die mächtiger ist als jedes Schwert. Doch im einst friedlichen Elath lauern erbarmungslose Gegner – und jetzt ist es an Kerris, dem Tod ins kalte Auge zu sehen …

-Kerris erwachte. Er reckte sich. Er fühlte sich kalt und steif. Der Strohsack unter ihm war dünn und stachlig; er hatte weit entfernt von den Kaminen geschlafen, an einer Stelle, wo er der Tür am nächsten war.-
1. Kapitel

Trotz einiger Vorbehalte gegen den ersten Teil der Trilogie habe ich mich auch an den zweiten gewagt, und ich war ehrlich positiv überrascht. Die Handlung setzt ca. 100 bis 150 Jahre nach dem ersten Band ein und erzählt nun ein völlig anderes Schicksal eines Menschen von Tornor Keep. Dabei werden gerade zu Beginn viele Verknüpfungen zu Die Winterfestung gemacht, die man mit einem Lächeln zur Kenntnis nimmt.
Die Welt von Arun ist diesmal noch facettenreicher und lebendiger. Seit der Schlacht im ersten Teil hat es kaum Kriege gegeben und die Grenzfesten haben ihre eigentliche Aufgabe verloren. Trotzdem lernen die Menschen noch das Kriegshandwerk, wozu aber der Protagonist aufgrund seines fehlenden Armes ungeeignet ist. Das Schicksal von Kerris auf dieser Burg erregt natürlich Mitleid beim Leser, jedoch ohne zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken. Kerris’ Charakter wirkt lebendig, es fällt aber manchmal etwas schwierig, die Handlungen nachzuvollziehen.
Die Welt der chrearis, die im ersten Teil begonnen hat, ist 150 Jahre später weit im ganzen Süden verbreitet. Dabei gelingt es der Autorin, der Welt einer unglaublichen Dichte und Komplexität zu geben, die den Leser gleichzeitig mit einbindet und fesselt.
Ein bißchen gewöhnungsbedürftig ist jedoch die Lebensweise der chearis: Jeder kann seinen sexuellen Wünschen frei nachgehen und die Autorin konnte es dann nicht vermeiden, auch ein paar Mal genauere Details preiszugeben. Wer in dieser Hinsicht sehr konservativ ist, sollte es sich besser zweimal überlegen, das Buch zu lesen.
Auch hier tauchen wie im ersten Buch sehr viele Personen auf, man sollte sich dadurch aber nicht abschrecken lassen. Sobald man die 7 (!) Hauptpersonen einigermaßen kennengelernt hat, schafft man es gut, der Handlung zu folgen.

Raven die Schwertmeisterin von Richard KirkDie junge Sklavin Su’uan schafft es eines Nachts, aus der Sklaverei des Kriegsherrn Karl Ir Donwayne zu fliehen, der sie vergewaltigt hat und für den abscheulichen Tod ihrer Mutter verantwortlich ist. Auf ihrer Flucht wird sie von blutrünstigen Sklavenhunden verfolgt und der Tod scheint ihr sicher, als ihr plötzlich ein riesiger schwarzer Vogel zu Hilfe kommt, der die Hunde in die Flucht schlägt. Der Gefahr entronnen, gerät sie jedoch schon wenige Stunden später erneut in Gefangenschaft, bis sie schließlich in die Hände einer Horde von Kriegern und Dieben fällt, unter denen sich der Magier Spellbinder befindet. Dieser eröffnet Su’uan, dass sie Raven ist, die auserwählte Kriegerin, die das Chaos bringen und die Welt verändern wird.

– Das Mädchen duckte sich auf die mondbeschienene Sandfläche und lauschte dem Kläffen der Sklavenhunde. Das unterirdische Heulen schien sich dem angestrengten Heben und Senken ihrer Brüste anzupassen, die sich gegen den fadenscheinigen Stoff ihres Gewandes wölbten. –
Kapitel 1, S.12

Nun, um es auf den Punkt zu bringen: dieser Klassiker wird seinem Cover gerecht. Man stelle sich eine junge Frau vor, um nicht zu sagen ein Mädchen, das gerade vergewaltigt wurde, deren Mutter regelrecht zu Tode ge… ja… wie drückt man das jetzt jugendfrei aus? Sie wurde von derart vielen Soldaten nacheinander genommen, wie es in dem Buch alle Nase lang heißt, bis sie dabei, vermutlich vor Erschöpfung, gestorben ist.
Selbiges Mädchen flüchtet also nun in die Wüste, wo sie von einem neuen Sklavenhändler gefunden wird, der, welch Überraschung, ihr gerne an die Wäsche will. Glück im Unglück, wird sie vorher von einer Karawane Gesetzloser gefunden, deren Anführer, nochmal Überraschung, ihr an die Wäsche will. Bevor dieser soweit kommt, eilt der Held herbei und erklärt, dieses Mädchen sei nicht dazu bestimmt (jetzt kommt es wieder) genommen zu werden. Na, wenn das mal vorher einer gesagt hätte!
Besagter Held ist seines Zeichens Magier und belegt die junge Dame mit einem Zauber, der sie die vergangenen Erlebnisse zunächst vergessen lässt, damit sie sich voll auf ihre Ausbildung zur Schwertmeisterin konzentrieren kann. Daraufhin verschwindet er. Ein Jahr später taucht er wieder auf und mit ihm auch die Erinnerungen unserer Heldin. Man halte nun mal kurz fest: Ihre Erinnerungen sind gerade derart frisch, als wäre ihre Schändung erst wenige Tage zuvor passiert, trotzdem entdeckt sie plötzlich ihre unstillbare Libido, springt in des Helden Bett und hat auch gleich (Zitat:) die Leidenschaft von zehn Frauen, die sie im Verlaufe des Buches immer wieder einbringt. Es geht hier um 180 Seiten, auf denen es zu zwei Drittel nur um ihre oder die Wollust anderer geht.

Im großen und ganzen kann man sich über Raven die Schwertmeisterin (Raven Swordsmistress of Chaos) herrlich kaputt lachen und amüsieren. Spätestens, als sie auch noch ihre Lust auf das eigene Geschlecht entdeckt, ist so ziemlich alles an erotischen Klischees bedient, was man sich vorstellen kann. Von dem eher intelligent-mächtigen Zauberer, über den nicht ganz so intelligenten, aber dafür sehr muskulösen und tatkräftigen Piraten, bis hin zur sinnlichen Königin, die sich vor Begierde nach unserer Heldin kaum gerade auf den Beinen halten kann.
Hin und wieder wird das romantische Treiben unterbrochen von einer Reise, einer Suche oder auch mal einem Schwertkampf. Am Ende darf die Heldin sogar ihrem ursprünglichen Peiniger Karl Ir Donwayne mit dem Schwert gegenüber treten. Wie das ausgeht, sei an dieser Stelle natürlich nicht verraten, nur so viel: es fallen eine Menge Kleider.

Sprachlich ist der Roman solide geschrieben, der Weltenbau ist zwar bei den wenigen Seiten nicht umfangreich, jedoch gut genug auf den Punkt gebracht, so dass man sich alles bildlich vorstellen kann, die Charaktere wirken zwar teilweise stark konstruiert, dabei aber wenigstens geradlinig. Inhaltlich ist es eine einfache Queste nach bekannten Schemata. Heldin wird geboren, Bösewicht taucht auf, ein magischer Gegenstand muss zu seiner Bekämpfung gefunden werden, Showdown. Einzig der Sinn der Handlung wollte sich nicht ganz erschließen lassen. Da hatte es den Eindruck, man brauchte noch etwas Fantasy um das erotische Geplänkel herum. Letzteres stellt dann auch das große Manko des Romans dar. Das zeigt allzu deutlich, dass Raven von einem Mann konzipiert wurde. Eigentlich waren das in diesem ersten Band sogar zwei Männer (Robert Holdstock und Angus Wells), die in den Folgebänden abwechselnd unter dem gemeinsamen Pseudonym Richard Kirk an den Raven-Romanen geschrieben haben. Das ganze ist auch eher ein feuchter Männertraum als die Geschichte einer starken Heldin.  Selbstbewusst und emanzipiert wie Raven sein soll, ist sie eigentlich keines von beidem, denn am Ende verhält sie sich genauso, wie es sich für eine stereotype weibliche Heldin gehört.
Leider ist Raven die Schwertmeisterin damit auch ein deutliches Beispiel dafür, weshalb dieses Genre dauernd als Schmuddelgenre beschimpft wird.

Wer also gerne einen klassischen Roman lesen möchte, bei dem es auch immer wieder um das Eine geht, der wird an Raven sicher seine Freude haben. Wem es gefällt, der kann sich auf vier weitere, in sich abgeschlossenen Bände mit entsprechend spannenden Coverbildern freuen. Ein Sammelband aller fünf Geschichten ist ebenfalls erschienen.

Cover des Buches "Die Rebellin" von Trudi CanavanZwar wird das Land Kyralia von einem König regiert, doch verfügt die Gilde der Magier über große Machtbefugnisse. Das Mädchen Sonea lebt als Straßenkind in der Stadt Imardin. Jedes Jahr ziehen die Magier durch die Straßen der Stadt, um die Bettler, Obdachlosen, Straßenkinder und sonstiges Gesindel aus der Stadt zu jagen. Die Mitglieder der Gilde sind dabei durch ihre Zauberkräfte geschützt, doch als Sonea einen Stein auf einen der Magier schleudert, bricht der getroffen zusammen. Das kann nur bedeuten, dass das Straßenkind  über magische Kräfte verfügt. Wenn es der Gilde nicht gelingt, Sonea zu fangen, und sie auszubilden oder ihre Zauberkräfte unschädlich zu machen, dann wird sie zu einer Gefahr für sich selbst und für Imardin.

-In Imardin, so heißt es, habe der Wind eine Seele und pfeife heulend durch die schmalen Straßen der Stadt, weil das, was er dort finde, ihn mit Trauer erfülle.-
1.Teil 1. Die Säuberung

Die Rebellin (The Magician’s Guild) ist keine Sekunde langweilig, und das ist in diesem Fall wirklich bemerkenswert, da der Leser nach wenigen Seiten im Großen und Ganzen weiß, wie der erste Band der Trilogie enden wird.

Im ersten Teil des Romans, der sich über 290 Seiten erstreckt, bemühen sich die Magier, Soneas habhaft zu werden, und es ist völlig klar, ob ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden oder nicht. Die Spannung hält sich also in Grenzen. Trotzdem ist man keinen Augenblick versucht, das Buch aus der Hand zu legen, da noch genug Interessantes geboten wird. Soneas magische Fähigkeiten werden im Verlauf der Handlung immer größer, gleichzeitig unkontrollierbarer und damit gefährlicher. Das Mädchen wird von einer Bande von Dieben vor den Magiern versteckt, die eine Art krimineller Gegenentwurf zum königlichen Hofstaat ist. Der junge Leser kann sich nie sicher sein, ob nicht einer der Diebe die Belohnung für die Auslieferung Soneas kassieren will und zum Verräter wird.
Auch bei den Magiern gibt es Gute und Böse, von denen so mancher sein eigenes Süppchen kocht. Während einige es gut mit Sonea meinen, schmieden andere finstere Pläne.

Im zweiten Teil der Geschichte, der 242 Seiten lang ist, muss Sonea sich entscheiden, ob sie bei den Magiern bleiben und lernen möchte, ihre Zauberkräfte zu beherrschen, oder ob sie ihre Magie verlieren und als Straßenkind weiterleben will. Auch dieser Konflikt trägt nicht über 242 Seiten, da von Anfang an klar ist, wie Soneas Entscheidung ausfallen wird. Trotzdem gilt auch hier das gleiche wie für den ersten Teil. Langweilig wird es nicht, denn der böse Magier verfolgt seine Ränke auf so intrigante Weise, das man nicht nur wissen möchte, wie dieser Roman endet, sondern auch noch neugierig auf den zweiten Teil der Trilogie ist.

Cover von Das Regenbogen-Schwert von Simon R. GreenPrinz Rupert wird ausgeschickt, um in den Wäldern einen Drachen zu erlegen. Nicht so sehr, damit er sich bewährt, denn es kann nur einen Thronerben geben, und Prinz Rupert ist nunmal der Zweitgeborene. Doch als der Prinz und sein melancholisches, sprechendes Einhorn tatsächlich auf einen Drachen treffen, entpuppt dieser sich als alt, müde und Schmetterlingssammler. Darüber hinaus tyrannisiert den kampfesmüden Drachen eine schlagkräftige Prinzessin, die vor ihrem Bräutigam ausgerissen ist. Als das Königreich von einer immer stärker werdenden dunklen Macht bedroht wird, ist Prinz Rupert plötzlich der einzige, der sich der drohenden Gefahr (gemeinsam mit seinen drei untypischen Begleitern) entgegenstellen kann.

-»Kein Drache, kein Regenbogenschwert, aber wir kehren in die Finsternis zurück! Wir müssen verrückt sein! Aber was soll’s? Vielleicht finden wir wenigstens den Mistkerl, der mein Horn geklaut hat. Seit der Zeit fühl ich mich irgendwie nackt.«
»Du bist doch immer nackt«, sagte Rupert.
»Menschen sind eine Rasse zum Abgewöhnen«, meinte das Einhorn.-
Kapitel Fünf – Der Schwarze Turm

Wow, das hätte ich wirklich nicht gedacht! Der verzweifelte Spontankauf überrascht auf ganzer Linie: die komplexe, spannende, ideenreiche und lustige Geschichte hat mich sofort gefesselt und bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Allein schon die Charaktere sind fabelhaft gelungen: das melancholische, dauernd meckernde Einhorn, der friedfertige Drache, eine nicht ganz damenhafte Prinzessin und der ständig übersehene, aber trotzdem heldenhafte Prinz Rupert bilden ein Quartett der Extraklasse. Diese Kombination schreit geradezu nach vielen bissigen und komischen Ereignissen und davon gibt es im Buch auch reichlich. Gott sei Dank versucht der Autor nicht, den Witz auf jeder Seite mit Gewalt übers Knie zu brechen, sondern streut gekonnt an den richtigen Stellen Ironie oder Sarkasmus. Und neben all den lustigen Stellen wir hier eine durchaus ernste Geschichte erzählt: das Waldkönigreich wird vom Dämonenfürsten und seinen Sklaven bedroht und Rupert ist der einzige, der die Welt noch vor dem Bösen retten kann. Jedoch hatte der Zweitgeborene am Hofe des Königs nie ein leichtes Leben: immer im Schatten seines älteren Bruders war er oft genug nur ein Ziel für Intrigen und die Boshaftigkeit des Hofadels. Gleich zu Beginn des Buches befindet er sich ja auf einer Mission, die ihn eigentlich das Leben kosten soll – schließlich braucht keiner einen zweiten Sohn, denn die Erbfolge ist bereits gesichert. Dieser Wechsel zwischen lustiger Geschichte, bitterer Ironie und den persönlichen Schicksalen der Charaktere (Prinzessin Julia wurde von ihren sieben älteren Schwestern dem Drachen zum Frass vorgeworfen, weil sie sich weigerte zu heiraten!) ist unglaublich gut aufgebaut und macht das Buch zu einem wahren Lesevergnügen. Und auch der Stil des Autors ist gelungen, schließlich werden viele schöne Metaphern für die Geschichte benötigt.
Aber irgendwo ist immer ein Haken, und diesmal war es das (meiner Meinung nach dämliche) Cover. So nichtssagend und irgendwie albern, dass ich mich damit kaum von zu Hause fort trauen konnte. Dafür ist der Roman im Gesamturteil eine der wirklich lesenswerten Fantasygeschichten auch für Neueinsteiger.

Requiem von Ken ScholesWährend Jin Li Tam gen Y’Zir segelt, um ihren geheimen Auftrag zu erfüllen, kämpft ihr Gemahl Rudolfo in den Neun Wäldern nicht nur gegen die überbordende Macht der Y’Ziriten – die ihn als Verbündeten ausersehen haben und um keinen Preis aus dieser Rolle entlassen –, sondern das Gefühl, betrogen und verlassen worden zu sein. Winters und ihr vertriebenes Volk versuchen eine neue Bleibe zu finden und sich die Hoffnung zu bewahren, dass die Mission von Neb, der sich in etwas Unnahbares und Unverständliches verwandelt hat, doch noch von Erfolg gekrönt ist und ihnen den Weg in ihre wahre Heimat öffnet.

-A gibbous moon hung in the predawn sky, casting shades of blue and green over a blanket of snow. Fresh from the gloom of the woodlands behind her and not even an hour past the warmth of the thick quilts and crackling fire of her family’s home, Marta clutched her stolen sling and cursed the rabbit for running so far and so fast.-
Prelude

Im vierten Band der Psalms of Isaak befinden wir uns auf dem Höhepunkt einer vielschichtigen und aus vielen Blickwinkeln erzählten Saga, jeder Handlungsstrang ist durch drei Bände Vorgeschichte belastet, so dass es schwierig wird, auch nur einen allgemeinen Überblick über den Inhalt zu geben. Deshalb zu Beginn vielleicht ein Hinweis für die Kenner der Reihe, der eine der wichtigsten Fragen beantwortet: Trotz des Titels und der düsteren Vorankündigungen wird Requiem keine Tragödie. Es geht – wie schon der letzte Band – mit einer gewissen Sterbequote an die Nieren und bringt in verschiedenen Ausprägungen das Thema der Endlichkeit zur Sprache, doch ein desolates Trauerspiel, das mit aller Kraft auf die Tränendrüse drückt, bevor der letzte Band erscheint, ist es nicht geworden.

Zunächst bricht die Geschichte endgültig aus dem längst nicht mehr geschützten Rahmen der Benannten Lande aus und führt in eine größere und komplexere Welt, in der die Regeln der Moral und dessen, was man wissen kann, neu definiert werden. Die Linien verschwimmen zusehends, Recht und Unrecht, Gut und Schlecht vermischen sich zu einer riesigen Grauzone, in der sich keine der Figuren wohlfühlt. Der Wunsch nach Klarheit, der alle antreibt, und die Verwirrung und Ohnmacht aufgrund des fehlenden objektiven Standpunkts sind sehr moderne Empfindungen, die Scholes meisterlich in einem Fantasy-Setting fühlbar gemacht hat, und das ist in dem Subgenre, in dem er sich bewegt, eine beachtliche Leistung, denn wenn man mit Rudolfo, Jin, Neb, Petronus, Vlad und Winters ins Schwimmen gerät, sticht ins Auge, wie abhängig die Struktur der epischen Fantasy mit ihren Prophezeiungen (die sich hier ein ums andere Mal als von langer Hand geplant erweisen), ihren in einem festen Fundament verankerten Religionen und Grundsätzen und ihren schicksalshaften Rollen für Individuen von einer unbestreitbaren Wahrheit ist. Eine spannende Frage ist demnach auch die, ob eine solche im letzten Band gefunden wird.

Als Nebeneffekt, der allerdings enorme Wirkung auf die Figuren hat, lockert sich auch das vorher klar bestimmte Beziehungsgeflecht: Räumliche Trennung löst vormals enge Verhältnisse, politische Bündnisse zerbrechen vollständig, jede Verbindung wird aufs Härteste erprobt und hält oftmals nicht stand. Dennoch bleibt das Familienthema zentral, es zurrt sich sogar immer enger um den mythisch aufgeladenen Handlungskern zusammen: Das verzweigte und mehrfach gebrochene Narrativ der Familie Tam wird abermals auf den Kopf gestellt, und die Verbindungen zwischen Mechoservitoren, Menschen und alten Göttern scheinen zugleich liebevoll und schrecklich.
Es fällt auf, wie sehr bei allen männlichen Figuren das Thema der Vaterschaft in den Vordergrund rückt, und manchmal scheint das Ganze thematisch fast etwas zu sehr durchkalkuliert, etwa wenn jeder der (männlichen) Helden sich mit Verführung und der Treuefrage auseinandersetzen muss, die sich in Zeiten zerbrechender Bande stellt.

Zum Glück werden aber auch neue Beziehungen geknüpft: Ein Neuzugang unter den Figuren, aus deren Sicht erzählt wird, ist das Mädchen Marta, die sich mit einem Mechoservitor anfreundet. Ein Kind und ein Roboter – die bezaubernden Szenen, die diese Konstellation bietet, heben die Laune inmitten des schweren Stoffs. Martas Kombination aus unmittelbarer, kindlicher Weltsicht und Unschuld einerseits und ihrem Durchblick, der dem der Erwachsenen oft überlegen ist, hat etwas Erfrischendes inmitten der ganzen gereiften Personen, die die Psalms of Isaak sonst bestreiten, manchmal jedoch macht sie den Eindruck, etwas zu sehr die emotionale Auffassungsgabe eines Erwachsenen zu besitzen.

Dass es thematisch und auf der Figurenebene hoch hergeht, ist allerdings nicht das, was diesen Band zum wahren Genuss macht: Ken Scholes ist ein Mythenschöpfer, und in Requiem hat er seine Helden an Positionen manövriert, wo er seine Schöpfungen zum Funkeln bringen kann. Wir betreten nicht nur die Terra incognita der Benannten Lande, sondern den Mond, den man im geradlinigen, aber trotzdem bisweilen poetischen Stil der Reihe nur zu gerne erkundet.
Für Leser und Leserinnen kristallisieren sich dabei immer mehr Hintergründe heraus, wenn man im Auge behält, dass Scholes hier SF-Elemente mit den Mitteln der Fantasy ausdrückt. Dadurch kommt ein neuer Blickwinkel auf Vertrautes zustande, man sieht sozusagen doppelt: Aus Figurensicht bleiben die SF-Aspekte unerklärlich und mystisch, und sie bewahren diese Aura, auch wenn man aus Lesersicht mehr weiß.
Die Psalms of Isaak stehen damit vor einem Finale, in dem alles passieren kann und nur eines klar ist: Die Welt, wie sie war, ist in ihren Grundfesten erschüttert.

Resenting the Hero von Moira J. MooreDie junge Dunleavy Mallorough ist ein “Shield” – sie kann einen Magier beschützen, während dieser die großen Naturkatastrophen verhindert, die Dunleavys Heimat regelmäßig heimsuchen. Nach ihrer Ausbildung hofft sie, mit einem netten und bescheidenen “Source”-Magier ein Bündnis eingehen zu können, doch zu ihrem Leidwesen ist es der berühmt-berüchtigte Lord Shintaro Karish, ein Angeber und (Frauen-)Held, der sie auswählt. Während Dunleavy noch mit dem Schicksal hadert, schleppt ihr Gefährte sie schon zu ihrer ersten Aufgabe: Sie sind der größten und gefährlichsten Stadt des Kontinents zugeteilt worden. Dunleavy hat allerdings nicht lange Zeit zu murren, denn jemand scheint es auf die Magier der Stadt abgesehen zu haben …

-“Not feeling any uncontrollable urges, are you?” the low voice in my ear teased.
I looked up at the speaker and said, “Huh?”-
Chapter One

Leicht, locker und lustig – das scheint schon das Titelbild von Moira J. Moores Debutroman zu versprechen. Und wenn man sich keinen Terry Pratchett erwartet und eine Portion lustig gegen eine Prise romantische Anflüge austauscht, liegt man damit ganz richtig, hockt allerdings auch zwischen den Stühlen, denn für eine Komödie ist die Sache zu ernst, für eine Romanze herrschen – noch? – die ganz und gar falschen Gefühle zwischen den beiden Hauptcharakteren, und ob die Source & Shield-Reihe Parodie oder doch eher Ernst sein will, läßt sich mit der Lektüre dieses Bandes nicht abschließend klären.

Die aus der Ich-Perspektive berichtende Protagonistin Dunleavy wünscht sich alles andere als einen aufschneiderischen Helden an ihrer Seite, als sie den Dienst beim “Triple S” (Source & Shield Service) beginnt. Triple S schützt mit seinen Magiern die Menschen vor der ihnen feindlich gesonnenen Umwelt – an dieser Stelle klingt ganz leicht ein “Lost Colony”-Thema an: die Menscheheit ist einst mit Raumschiffen auf diesem unwirtlichen Planeten voller Naturkatastrophen gelandet.

Vom ersten Augenblick an vertragen sich Dunleavy und ihr Partner bis ans Lebensende, Lord Karish, in etwa so gut wie Hund und Katz. Da liegt die Vermutung nahe, daß sich die Handlung nun im Zusammenraufen der beiden widerstrebenden Naturen ergeht und sich die Helden am Ende in den Armen liegen werden, aber so einfach ist Resenting the Hero dann vorerst nicht gestrickt, obwohl man zu Beginn recht seifenopernmäßig in die Handlung eingeführt wird. Die kurzen Kapitelchen machen als leichte Lektüre Spaß und lesen sich sehr flott und nach der Einstiegsphase auch spannend, selbst wenn man zu wissen glaubt, wie der Hase läuft. Unterwegs warten einige interessante Wendungen, wenn auch der Schluß samt einem so bösen Fiesling, daß er beinahe zur Karikatur geraten wäre, ein Stück übers Ziel hinausschießt.

Wie es bei der Ich-Perspektive manchmal Fall ist, leidet auch hier die Hauptfigur unter üblen (und konstruiert wirkenden) Fehleinschätzungen und erscheint bisweilen arg begriffstutzig. Insgesamt sind die beiden Protagonisten aber lebendig und menschlich gezeichnet, gerade Dunleavy werden auch negative Seiten zugestanden und ihr Hang zum Egoismus dürfte nicht jedermanns Sache sein.
Da das Büchlein relativ dünn und schnell gelesen ist, gibt es bei den anderen Figuren starke Abstriche, sie bleiben im Hintergrund oder sind sehr formelhaft; und man darf sich gewiß auch keine Wunder an Weltschöpfung und epischer Handlung erwarten, im Gegenteil, der Plot läuft ein wenig ins Leere, als würden der Autorin die Seiten ausgehen. Der “Triple S” bzw. die Magie von Source & Shield ist dagegen eine ganz nette Erfindung, und auch sonst sticht die Welt an einigen Stellen ein wenig hervor (zum Beispiel ist man trotz der eher mittelalterlichen Anmutung  der technisch zurückgeworfenen Kolonisten recht frei in Liebes- und Geschlechterfragen), insgesamt bleibt aber alles eher blaß, worauf schon kreative Ortsnamen wie High Scape oder Middle Reach schließen lassen.

Als niedlich-harmlose Unterhaltung läßt sich Resenting the Hero dennoch lesen – da bleibt nur abzuwarten, ob sich die Dynamik der hadernden Hauptfiguren in den Fortsetzungen verliert, und ob die Autorin sich doch noch auf eine verhinderte Liebesgeschichte einschwingt oder bei einer interessanten Freundschaft bleibt.

Cover von Die Ringe der Macht von Helmut W. Pesch & Horst von AllwördenFern im Westen des Imperiums liegt Elderland, die Heimat des friedliebenden Ffolks. Dieses kleine und ruhige Volk lebt dort weitgehend unabhängig und unberührt von den grossen Ereignissen im Reich. Doch eines Tages tauchen längst vergessene Schatten der Vergangenheit wieder auf – ausgerechnet an den Küsten Elderlands. Für Kimberon Veit, den jungen Kustos des Ffolksmuseums zu Aldwick, beginnt somit das gefährliche Abenteuer, die Nachricht vom Angriff der Dunkelelben in das Imperium zu tragen und den Kaiser zu warnen. Auf ihrer langen und gefahrvollen Reise gelingt es den Freunden dabei, so manchens Geheimnis zu lüften und schließlich die Mysterien der Vergangenheit des Ffolks zu ergründen …

-Als Magister Adrion Lerch, der Kustos des Ffolksmuseums von Elderland, bekanntgab, daß er zum fünfzigsten Jahrestags seines Wirkens das Amt an einen Jüngeren abzugeben gedenke, schwirrte die Luft auf dem großen Markt zu Aldswick von Gerüchten.-

Die Ringe der Macht ist gewiss kein Buch, das überraschen oder neue Pfade beschreiten will. Wie Helmut W. Pesch, einer der Autoren, der in Fachkreisen als grosser Tolkien-Kenner und Fantasyexperte gilt und bereits einige theoretische Werke auf diesem Gebiet veröffentlicht hat, im Vorwort selbst schildert, handelt es sich bei diesem Buch eher um eine Art Experiment in Sachen Fantasyerzählung, um eine Homage an Auoren wie J.R.R. Tolkien, eine Entdeckungsreise in die Wirkungsweisen und Mechanismen der Reiche der Fantasy, als um die bewusste Erzeugung eines inovativen Romanes.
Eben dieser Anspruch, dieses absichtliche und gezielte Rückbesinnen und sich Beziehen auf bekannte Inhalte und Ideen ermöglicht es dem Erzähler, völlig unbefangen und frei mit eben diesen Inhalten und Ideen zu verfahren. Entstanden ist so – ohne dies eigentlich zu beabsichtigen – ein grossartiger Fantasyroman. Die Liebe zur Thematik und eine gewisse sprachliche und erzählerische Begabung, großes Einfühlungsvermögen und eine gehörige Portion Humor gestatten es Pesch und seinem Co-Autor Horst von Allwörden eine ungekünstelte, liebevolle und ambitionierte Geschichte zu erzählen, eine ‘neue alte Welt’ zu erschaffen, die gerade aufgrund ihrer offensichtlichen Rückbezüge und Anleihen und den Mut, bereits Dagewesenes und Wohlbekanntes aufzunehmen und spielerisch zu verarbeiten, frischen Wind in das Genre bringt.
Mag sich auch für manchen Die Ringe der Macht als pures Abkupfern bekannter Autoren ausnehmen – was den Leser dahinter erwartet, ist ein charmantes und wohlüberlegtes Jonglieren mit den Grundthemen und -gedanken der klassischen High Fantasy. Trotz aller Anleihen und Referenzen bleibt stets die eigene Erfindungsgabe, das schöpferische Element des Autors bestehen. Ein rundum geglücktes Experiment.

Cover von Der Ritter von Gene WolfeEin Junge entdeckt auf einer Wanderung eine Wolke, die die Gestalt einer riesigen Burg hat. Er folgt ihr und landet in einer Höhle in Mythgarthr, einer fantastischen und mittelalterlichen Welt, welche die mittlere von sieben übereinanderliegender Welten ist. Dort sagt ihm eine alte Frau, sein Name sei Able of the High Heart. Able begibt sich auf eine abenteuerliche Entdeckungsreise, auf welcher er nicht nur mehrere Welten kennenlernt, sondern auch viele Geschöpfe, freundliche wie feindliche, trifft. Eine Liebesnacht mit der Königin der Moosalfar verleiht Able den Körper eines Mannes, schlägt ihn zum Ritter und schickt ihn auf die Suche nach dem Schwert Eterne. Diese führt den jungen Ritter zur Burg des Herzog Marders und schließlich nach Jotunland, wo die Riesen wohnen.

-Und so kam es, daß ich bei Bold Berthold lebte. Er war irgendwie verrückt, und manchmal ist er hingefallen. Aber er war der tapferste Mann, den ich kannte, und er hatte keinen Gram Falschheit an sich.-
Kap. 2, Die zerstörte Stadt

Mit diesem ersten Band der Saga unterstreicht Gene Wolfe seine bemerkenswerte schriftstellerische Klasse, indem er der alten Geschichte vom Ritter auf der Suche nach Ehre und Abenteuern neues Leben einhaucht. Was macht das Buch so außerordentlich? Der Leser wird sofort in den Bann geschlagen von dem ungewöhnlichen, aber zauberhaft leicht anmutenden Erzählstil aus der Sicht des Heldens Able, welcher sich in Form eines Briefes an seinen Bruder Ben richtet. Mythgarthr sowie die anderen Welten sind nach dem Vorbild der nordischen Mythologie erschaffen, wobei es dem Autor gelungen ist, diese sofort vor dem geistigen Auge lebendig werden zu lassen. Dasselbe gilt für die zahlreichen Nebencharaktere, von denen keiner uninteressant oder fehl am Platze wirkt, denn jeder hat eine ureigene magische Wirkung.

Einen zusätzlichen Reiz bekommen die Figuren dadurch, dass der Leser sie (subjektiv) durch die Augen von Able sieht. Gleichzeitig erfährt man viel durch den sehr offen berichtenden Helden: Seine Gedanken und Motive, sein Gebahren und die Auseinandersetzung, sowie die Suche nach Ehre, Liebe und Freundschaft. Es entsteht ein vielschichtiger, auch widersprüchlicher Charakter, der jedoch auch seine Geheimnisse hat (Wer zum Beispiel war er vorher auf der Erde, und was geschah in der Zeit, an die er sich nicht mehr erinnern kann?). Er steht dem Leser sowohl nah als auch distanziert gegenüber. Während der Leser Able auf seinen zahlreichen Abenteuern begleitet, wächst er einem immer mehr ans Herz, doch muss man dabei höllisch aufpassen, nicht aufzuhören, Ables Verhalten moralisch zu hinterfragen. Dies zeigt einem der Autor etwa durch Sätze wie: “Jetzt kommt etwas, worauf ich nicht stolz bin”.
Zusätzliche Spannung wird durch Vorwegnahme von Ereignissen und auftretenden Figuren erziehlt, was einem förmlich zum Weiterschmöckern zwingt. Insgesamt ist Wolfe mit Der Ritter (The Knight) ein sehr überzeugender Roman gelungen, welcher sowohl literarische Ansprüche erfüllt als auch ein ungeheures Lesevergnügen bereitet. Man darf gespannt sein auf den zweiten und abschließenden Band Der Zauberer.

Royal Assassin von Robin HobbNach Veritys Hochzeit erholt sich Fitz nur langsam, während die Red Ships weiterhin die Küste terrorisieren, bis der Prinz befürchtet, sein Land werde den nächsten Sommer nicht überstehen. So faßt er den Plan, sich auf die Suche nach den legendären Elderlings zu machen, und sie um Hilfe zu bitten. Er läst seine Frau zurück, um über seinen Thron zu wachen. Regal erkennt seine Chance und lässt nichts unversucht, um während der Abwesenheit von Verity Kettricken in Verruf zu bringen. Als Fitz wieder erstarkt, ist es an der Zeit, daß er als “Royal Assassin” dafür sorgt, daß der rechtmäßige Thronerbe bei seiner Rückkehr auch noch ein Königreich hat, in das er zurückkehren kann …

-Why is it forbidden to write down specific knowledge of the magics? Perhaps because we all fear that such knowledge would fall into the hands of one not worthy to use it.-
Prologue: Dreams and Awakenings

Robin Hobbs Geschichten beginnen, so sagt sie, mit den Figuren – die Handlung ergibt sich erst später. Diese Vorgehensweise wirkt sich fast auf jedes Wort ihrer Romane aus, und jeder Leser, der Geschichten mag, in denen das Innere gegenüber dem Äußeren dominiert, kann sich von der intensiven Charakterschilderung in Royal Assassin mitreißen lassen.

Im zweiten Farseer-Band wird die Biographie des königlichen Bastards Fitz nahtlos fortgeführt, so daß man auf alle bekannten Figuren des ersten Teils trifft und sogar die Handlung in ganz ähnlichen Bahnen verläuft – immer dann, wenn Fitz brillieren kann, verliert er auch, denn seine Fähigkeiten und Leistungen unterliegen stets der Geheimhaltung, so daß sein Privatleben gehörig in Mitleidenschaft gezogen wird und der Lohn für die Heldentaten gering ausfällt. Langweilig wird es aber nie, denn der Fokus liegt vornehmlich auf Fitz’ Entwicklung statt auf den Ereignissen um ihn herum – wobei beides zusammenhängt und letztendlich doch eine Mischung erreicht wird: Abenteuer und Action kommen also keineswegs zu kurz.

Grundthema ist die Lebenslüge, denn Fitz muß vor allen außer wenigen verbergen, was er wirklich ist, vor allem vor seiner großen Liebe Molly. Darunter lauert eine weitere Schicht, seine Gabe, sich geistig mit Tieren zu verbinden, mit der er abergläubischen Haß auf sich zieht und von der er doch nicht lassen kann. Hin- und hergerissen zwischen seinen Verpflichtungen und seinen eigenen Wünschen nach einem vermeintlich freiem Leben, erlebt der Protagonist kaum einen schönen Augenblick. Er ist schon ein gequälter Bursche, dieser Fitz, und da das Buch auch noch offen und nicht eben gut endet, benötigt man die paar lichten Punkte, die es bietet, äußerst dringend: Da gibt es einmal herrliche Figuren, die trotz der Dominanz des Hauptcharakters als Ich-Erzähler noch viel Raum bekommen und die in allen Facetten angenehm menschlich und unkonstruiert wirken – edle, oder zumindest bodenständig-ehrliche Figuren wie Prinz Verity, Stallmeister Burrich und Fitz’ Ersatzmutter Patience. Jeder, der gerne liest, wie Tiere sich an Figuren binden, wird Fitz’ neues Haustier Nighteyes lieben, das auch einen trockenen Witz in die Geschichte einbringt.
Spannung bezieht Hobb unter anderem daraus, daß sie nach und nach wieder Details und Geheimnisse der vielschichtigen Figuren lüftet, und vor allem eine zwingende Intrigengeschichte erzählt, die eng mit Fitz’ eigener Geschichte und Reifung verknüpft ist.

Gute Recherche über das mittelalterliche (Stadt-)Leben rundet die Geschichte ab und macht daraus eine in vielen Belangen realistisch wirkende, eindringliche und mitreißende Charakterstudie. Wenn nicht alles gar so traurig und düster wäre, würde man das Buch mit einem großen Lächeln im Gesicht ins Regal zurückstellen …

Die Rückkehr der Königin von Greg KeyesIn einem Land, in dem mehr und mehr unheimliche Dinge geschehen und Monster wandeln, verfolgen die Protagonisten ihre lose miteinander verknüpften Ziele.
Anna und Austra bemühen sich um ihre Rückkehr nach Eslen und werden aus dem gleichen Grund von Neil gesucht. Aspar, Stephan und Winna sind im Auftrag der Kirche unterwegs, während der Königin mehr und mehr die Kontrolle über das Königreich entgleitet. Ein neuer Handlungsstrang um den naiven Komponisten Leoff zeigt die Ereignisse am Hof aus einer anderen Perspektive und geht wie alle anderen einem fulminanten Ende entgegen.

– Die blauen Raubtieraugen des Mönchs starrten unverwandt, als versuchten sie, sich durch die gewaltigen Stämme der Eiseneichen und die felsigen Hänge des Königswaldes zu brennen. –
Prolog, S. 9

Zu Die Rückkehr der Königin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Rune der Knechtschaft von Ange GuéroDer ehemalige Spion und Meuchelmörder Arekh fristet ein erbärmliches Dasein als Galeerensträfling und hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch als sein Schiff in einem Gefecht versenkt wird, rettet Marikani, die Thronerbin des Königreichs Harabec, Arekh unversehens das Leben, so dass er sich im Gegenzug widerwillig bereitfindet, ihr und ihrer Hofdame Liénor bei der gefahrvollen Rückkehr in ihre Heimat zu helfen. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass nicht nur äußere Feinde ihnen Steine in den Weg legen: Aus dem Königshaus von Harabec droht Verrat, die mächtige Priesterschaft spinnt ihre eigenen Intrigen, und in den Reihen des versklavten Türkisvolks gärt es…

– Die Galeere sank langsam, als täte sie es nur widerwillig. Die Besatzungsmitglieder waren schon in den ersten Minuten getötet worden; dann hatte sich die Schlacht zum Südufer des Sees verlagert, und das Schiff und die Sträflinge blieben ihrem Schicksal überlassen. –
Kapitel 1

Zu Rune der Knechtschaft liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Die Saat der Zwietracht von Janny WurtsDie Lage spitzt sich zu. Arithon hat sich in das Küstendorf Merior zurückgezogen und schmiedet dort Pläne für eine Flucht aus Athera, doch vorher muss er noch der Bitte seines Meisters nachkommen und eine alte Feindschaft in Innish beenden. Dann taucht die junge Hexe Elaira im Dorf auf …
Durch einen Handel mit einer Hexe des Korianiordens erfährt Lysaer den Aufenthaltsort seines verhaßten Halbbruders und beginnt mit seinem Feldzug gegen den Herrn der Schatten.

-»Bist du dumm? Du musst dumm sein, wenn du hier in der Sonne brätst wie ein Würstchen.« Nachdem sie diese Perle der Weisheit abgeliefert hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen zu.-
2 Merior

Auch der vierte Teil der Nebelgeist-Saga stellt sich ganz in die Tradition der Vorgänger: während der Schreibstil für ein sehr lebendiges Bild von Athera sorgt, bemühen sich Handlung und Charaktere den Anforderungen gerecht zu werden. Meistens gelingt das auch.
Das größte Problem sind für mich die Hauptcharaktere. Zwar bemüht sich die Autorin, genau zu erklären, was gerade in den Personen vorgeht und warum sie so handeln (bzw. handeln müssen), wie sie es tun, trotzdem kann man zu keinem der beiden Brüder eine wirkliche Verbindung aufbauen: Lysaer wird mehr und mehr als “der Böse” dargestellt, auch wenn natürlich der Fluch des Nebelgeites für seine Tat verantwortlich ist. Arithon wird von seinen früheren Handlungen gequält, sorgt sich, ohne auf sich selbst zu achten, um andere und stürzt sich mehr und mehr auf seine Musik; das sind wohl die schwersten Passagen des Buches, da eine seitenlange Beschreibung über das unvergleichliche Spielen von Arithons Lyranthe und über die perfekten Noten nicht gerade zur Spannung beiträgt und zumindest von mir nicht ganz nachvollzogen werden kann.

Die Handlung führt die Geschichte gelungen weiter, auch wenn für fast 500 Seiten relativ wenig passiert. Das Ende entschädigt für einige Längen in der Handlung, die zwar das Verständnis für die Charaktere ausbauen, aber nichts zur Spannung beitragen.
Ein großer Pluspunkt ist, dass die Autorin ihren lebendigen Schreibstil auch über tausende Seiten, die es mittlerweile sind, aufrecht erhalten kann. Nahtlos reiht sich die Geschichte an die Vorbände. Durch ihren Stil wirkt die Geschichte wundervoll lebendig, das Bild von Athera wird Stück für Stück ausgebaut und vielschichtiger. Dadurch werden auch die Längen erträglicher und man kommt schneller voran, als man vielleicht beabsichtigt hat.

Die Schamanenbrücke von Robin HobbNevare Burvelle ist der zweite Sohn einer jungen Adelsfamilie aus dem Osten des Königreiches Gernia. Damit ist er durch die göttlichen Weisungen als späterer Soldat vorherbestimmt, genauso wie sein älterer Bruder das Erbe seines Vaters übernehmen wird und sein jüngerer Bruder eine Ausbildung zum Priester macht. Schon früh in seinem Leben beginnt Nevare die Grundlagen des Soldatenlebens zu lernen, nach seinem 18. Geburtstag macht er sich auf den Weg zur Militärakademie. Doch schon bald wird er in den politischen Konflikt zwischen den alten Herrschaftsfamilien und den neuen Adelshäusern des Ostens hineingezogen, und seine persönliche Zukunft ist in Gefahr.

– Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, als ich die Magie der Flachländer sah. –
1. Magie und Eisen

Zu Die Schamanenbrücke liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Der scharlachrote Turm von Mathieu GaboritDer junge Januel, über dessen Kindheit niemand redet, dient im Orden der Phöniken als begabter Schüler. Der Orden betreut die Phönixe, eine von vielen verschiedenen Spezies von mythischen Wesen, die auf der Well`t beheimatet sind. Während die Drachen, Greifen, Einhörner und anderen jeweils mit einem bestimmten Reich der Well`t verbunden sind, sind die Phöniken frei und geraten deshalb ins Visier von Machtkämpfen der anderen Orden und Reiche. Als Januel die ehrenvolle Aufgabe, den kaiserlichen Phönix wiederzuerwecken, zugewiesen wird, zeichnet sich eine Katastrophe ab: Das Aas – das Reich der Toten – plant die Übernahme der Well`t und versucht dazu, die Orden und Reiche ins Chaos zu stürzen.

-Das letzte Tageslicht tauchte den Horizont in ein glutrotes Licht. Das Kind betrachtete wehmütig die sterbende Feuersglut.-
Prolog

Fantasy aus Frankreich bekommt man nun nicht alle Tage zu lesen, um so spannender ist es, wenn hin und wieder auch ein Roman aus dem Land der Comics auf den deutschen Fantasy-Markt schwappt. In diesem Fall jedoch erwartet den Leser im ersten Band der Trilogie Im Reich des Feuervogels kaum etwas allzu besonderes: Der junge noble Held, dessen einzige Schattenseite seine mysteriöse Vergangenheit ist, wird vom Schicksal gebeutelt und kann sich dadurch prächtig vom Jungen zum Mann entwickeln, aber auf dieser Schiene tut sich im Auftaktband noch nicht viel. Auch der Rest des Personals liest sich wie die Standard-Besetzung in einem Rollenspiel-Roman (darum handelt es sich allerdings bei Der scharlachrote Turm (Cœur de Phénix) nicht): Ein weiser, gütiger Lehrmeister, eine gutaussehende, schlagkräftige und toughe Söldnerin, ein rachdürstiger, intriganter Oberpriester.
Die richtigen Bösen, bezeichnenderweise als »das Aas« geführt, sind natürlich nicht nur fies, sondern auch eklig, komplett mit Würmern und herabfallenden Körperteilen. Eindringliche Beschreibungen, so daß es einem kalt den Rücken herunterlaufen würde, gehören aber nicht zum Repertoire des Autors.

Bei seiner Welt oder vielmehr Well`t hat Gaborit ein wenig tiefer in die Wunderkiste gegriffen und setzt auf die Fealen, eine ganze Handvoll der bekanntesten Fabeltiere, die die Geschichte und Kultur der Well`t geprägt haben. Am meisten erfährt man diesebezüglich natürlich über die Phönixe – und die weltschöpferische Detailarbeit daran ist zwar nicht unbedingt schlecht, aber trotz der ungewöhnlichen Idee der festen Einbdindung der Fabeltiere entwickelt sich daraus sehr wenig Eigenes; allerhöchstens eine etwas buntere Variante des eher mittelmäßigen Standard-Fantasy-Settings.
Zusätzlich erschwert die sprachliche Ausführung den Lesegenuß, und vor allem am Anfang sorgen Formulierungen wie »eine Art Countdown der Nacht« oder »um dieses Handicap auszugleichen« für Verwirrung bezüglich der Zeit, die der Autor gerne darstellen möchte – man muß damit leben, daß diese Verquickung von flapsiger, moderner (Anglizismen-)Sprache und mittelalterlicher Welt wohl ernst gemeint ist.

Als Januel dann durch eine Intrige zur Flucht gezwungen wird, kommt der action- und spannungsreiche Teil des Romans. Fans von schneller, leichter Abenteuer-Fantasy kommen also durchaus noch auf ihre Kosten, besonderen Tiefgang entwickelt das Ganze aber nicht. Letztendlich macht es also nicht allzu viel Unterschied, ob man einen französischen Gaborit oder einen amerikanischen Salvatore liest; von Actionfantasy erwartet sich wohl die ganze Well`t dasselbe Schema …

Cover von Schatten über Ombria von Patricia A. McKillipNach dem Tod des Fürsten von Ombria setzt sich die machthungrige, alte Hexe Domina Perle als Regentin für den kleinen Thronerben Kyel ein und reißt die Macht über die Stadt an sich. Um den Jungen zu kontrollieren, verjagt sie außerdem alle Menschen, denen wirklich etwas an ihm liegt. Nur Kyels erwachsener Cousin bleibt, doch der scheint ausschließlich mit seinen Kohlezeichnungen beschäftigt zu sein. Dabei entwickelt er eine besondere Faszination für Schatten und zeichnet immer wieder vom Licht vergessene Türen, Fenster und Durchgänge, die alle in die Schattenwelt Ombrias führen. Und auch in dieser Welt leben Wesen, die sich um die Zukunft des kleinen Prinzen und der Stadt sorgen.

-Während der Herrscher der uralten Stadt Ombria im Sterben lag, glitt seine Geliebte, verscheucht vom eisigen Blick der Domina Perle, wie ein Vogel auf einer Welle aus dem Raum, durch Kyel Greves unbewachte Tür, bis sie an sein Bett stieß, wo er mit seinen Puppen spielte.-
Eins- Rose und Dorn

Einfach zu lesen sind Patricia McKillips Geschichten nicht.
Ihre Sprache ist mehr Poesie denn simple Prosa und wie man bei Gedichten mehrmals hinschauen muß, um hinter die Worte zu sehen, so auch bei Patricia McKillips Romanen: Für ihre Bücher sollte man sich Zeit nehmen – man sollte die Worte und Sätze, die heraufbeschworenen Bilder in sich wirken lassen. Ich betone das absichtlich gleich zu Anfang, weil oftmals vor Beginn einer Lektüre das Lesen des Klappentextes steht, aber dieser ist schlicht mißlungen.
Da werden Tatsachen verdreht und es werden Figuren falsch dargestellt. Kaum ein Satz dieser kurzen Inhaltsangabe gibt den sehr poetischen Roman richtig wieder, so daß man sich die Frage stellen muß, ob das Buch vorher vom Verfasser aufmerksam gelesen wurde.

In Schatten über Ombria (Ombria in Shadow) geht es vor allem um Politik – um die häßliche Seite der Politik, die sich wohl überall im Verborgenen und Geheimen abspielt. Hier ist dafür von der Autorin ein recht greifbares Bild geschaffen worden: in Gestalt des Palastes, der sich hoch über der Stadt erhebt.
Es ist ein Gebäude, in das ein zweites hineingebaut wurde: Auf der einen Seite der offen zugängliche Palast, in dem sich das Leben abspielt, welches nach außen gezeigt werden soll. Hier gibt es weite Flure, helle und gepflegte Räume mit großen Fenstern, die auf den Garten oder das Meer blicken. Hier finden offizielle Ratssitzungen, aber auch rauschende Feste statt. Die Autorin versinnbildlicht hier, mit diesem schönen und sichtbaren Teil des Palastes, gleichsam die “Tag- oder Lichtseite” dieser Welt. Auf der anderen der verborgene Palast, dessen Zugänge nur wenigen bekannt sind. Dieser “unsichtbare” Palast, in den das Tageslicht niemals dringt und der nur über versteckte Türen zugänglich ist, stellt gleichsam die “Nacht- oder Schattenseite” dar. Auch die Stadt selbst ist in eine Tag- und Nachtseite, in eine Licht- und Schattenwelt geteilt, die Patricia McKillip mit fein gezeichneter Poesie wunderschön heraufzubeschwören versteht.

Die Geschichte beinhaltet nur einen Handlungsstrang, der sich im Palast, in den Straßen der Stadt bzw. darunter abspielt. Das umliegende Land wird ein ums andere Mal kurz erwähnt, aber die Handlung führt niemals dorthin. Der Roman ist in überschaubare Kapitel eingeteilt, in denen meist jeweils eine der Hauptfiguren im Vordergrund der Ereignisse steht. Die drei wichtigsten, Lydea, Ducon und Mag, begleitet man auf ihren Wegen durch Palast, Stadt und Geschichte. Man begegnet mit ihnen zusammen interessanten, bedrohlichen, gefährlichen und wichtigen Gestalten, die alle mehr oder weniger ihren Teil zum seltsamen Ende der Geschichte beitragen.
Es ist an einem selbst, die Rollen der Figuren zu interpretieren und an die “richtige” Stelle zu rücken. Jeder wird in dieser poetischen Geschichte etwas anderes lesen und jeder Leser wird seine Sichtweise dazu haben, denn es fällt schwer, sich mit einem oder mehreren der Protagonisten zu identifizieren. Einerseits liegt das an der Erzählweise der Autorin: man liest die Geschichte, als würde man einen Film oder ein Theaterstück ansehen. Man ist gewissermaßen nur Zuschauer und betrachtet alles von außen. Zweitens sind einige der Charaktere mit Fähigkeiten und physischen Eigenheiten ausgestattet, die es einem schwermachen, sich die betreffende Person bildlich vorzustellen und last but not least sind einige Vorgänge in der Erzählung einfach schwierig zu (be)greifen.
Licht und Schatten, Tag und Nacht werden als Metapher für zwei Welten gebraucht, die nebeneinander bzw. ineinander existieren, die sich gegenseitig im Gleichgewicht halten, sich aber niemals überschneiden dürfen. Beide Welten durchdringen sich gegenseitig mit Macht und Magie – sie sind davon durchwoben.

Es lohnt sich, Schatten über Ombria mehrmals zu lesen, denn erst dann werden die Poesie und der Sinn hinter den Worten der Geschichte deutlicher. Wenn man manche Konsequenzen im Handlungsverlauf erst einmal nicht verstanden hat, weil man beim ersten Lesen vielleicht ein wichtiges Detail überlesen hat, wird einem das beim zweiten oder dritten Mal eventuell klarer. Dennoch muß man sich die Erklärung für manche Dinge und Ereignisse aus zahlreichen Andeutungen und Anspielungen selbst zusammenreimen.
Das mag vielleicht der einzige Wermutstropfen in dieser wunderbaren Geschichte sein …

Schattenbruch von Markolf HoffmannNoch immer kämpfen die Menschen auf Gharax verzweifelt gegen die einfallenden Echsenwesen, die Goldéi, an – doch nach wie vor ohne Aussicht auf Erfolg. Nicht einmal die von Baniter Geneder herbeigeführte Verbindung des Kaiserreichs Sithar mit seinem Nachbarn Arphat kann gegen die einfallende Macht bestehen, zumal der junge Kaiser und seine Frau, die arphatische Herrscherin, gegeneinander intrigieren. Baniter selbst ist ein Gefangener des Kaisers, während sich über der Hauptstadt Vara langsam das Unheil zusammenbraut.
Derweil versuchen die beiden verfeindeten Legenden Mondschlund und Sternengänger ihre jeweiligen Verbündeten in den Kampf zu ziehen, doch diese vertrauen ihren Mentoren nicht vollends – wie es aussieht, zu recht.

-Tief im Gestein schwelt uralter Haß. Zwischen Schichten aus Erz und Granit, Ton und Kies wohnt eine Kraft, die uns Menschen verachtet, unser Fleisch, unser pochendes Herz, das Blut, das durch unsere Adern peitscht.-
Prolog

Mit einem abermals äußerst eindrucksvollen Prolog nimmt Markolf Hoffmann die vielen komplex verstrickten Fäden seiner Erzählung wieder auf – und das größte Manko an Schattenbruch ist wohl, daß er sie in diesem immerhin vorletzten Band der Reihe nicht einmal ansatzweise entwirrt, so daß man am Ende nur wenig klüger ist und sich in keiner Weise ausmalen kann, wo der Autor denn mit all seinen Handlungssträngen hin will. Daher entsteht trotz der diesmal actionreichen und vielseitigen Handlung das Gefühl, im Prinzip auf der Stelle zu treten: Es werden keine Zusammenhänge aufgeklärt, die fragwürdige Loyalität und Moral aller Figuren bleibt erhalten und gerade zu den beiden großen Gegenspielern im Hintergrund der Geschichte, Sternengänger und Mondschlund, gibt es keine näheren Informationen.

Wenn die Kontinuität in Hoffmanns Informationspolitik auch ein wenig störend ist – an anderer Stelle ist sie hochwillkommen: Wie bereits in den Vorgängerbänden kann man sich an einem schönen und sich vom Einheitsbrei abgrenzenden Sprachstil erfreuen, der wie gehabt auch sprachliche Experimente beinhaltet (die wiederum nicht jedes Lesers Fall sein dürften). Abgesehen davon, daß nicht alle diese Experimente ganz rund laufen, finden sich in Schattenbruch wieder etliche stilistisch überzeugende Elemente, und man kann sich von einem erweiterten Wortschatz, der durchaus auch antiquierte Wortbedeutungen enthält, verwöhnen lassen.

Die Handlung vermag nach wie vor zu fesseln, wenn man auch nicht umhin kommt, zu fragen, wie dieser Knoten im Abschlußband denn ohne brutalen Schwerthieb gelöst werden soll – interessante Ideen, die sich wohltuend vom mittelaltertümelnden Standard abheben, gibt es zu Hauf, und die moralisch ganz und gar nicht einwandfreien Figuren, bei denen so gar kein Auge zugedrückt wurde, so daß sie allesamt mehr schlechte als gute Seiten haben, sind farbig, entwickeln sich und haben Tiefe. Aber gerade hier vermißt man nach wie vor ein wenig Herzblut. Auf den ersten Blick erscheinen die Figuren fast oberflächlich – aber was fehlt, ist schlichtweg ihre Gefühlsebene. Die emotionale Bindung der zahlreichen Charaktere an den Leser wurde beinahe komplett ausgespart und deswegen sind sie nicht selten schwer nachvollziehbar. Den Verzicht auf das vermeintlich billige Wechselbad der Gefühle mag ja ein ehrbarer Ansatz sein, aber die so geschaffene Distanz von Leser und Figur trägt nicht dazu bei, daß man sich locker-leicht auf die Ebene der Geschichte und der Welt Gharax begeben kann.
Ein abgeschlossenes Leseerlebnis hat Schattenbruch übrigens nicht zu bieten – alle Handlungsstränge enden in einem Cliffhanger. Fesselnd genug, zum Folgeband zu greifen, ist das Zeitalter der Wandlung gewiß. Aber mit fortschreitender Dauer hätte man sich in vielfacher Hinsicht etwas mehr als das gewünscht …

Schattenfall von R. Scott Bakker2000 Jahre nach der ersten Apokalypse, bei der fast die gesamte Bevölkerung der Welt Eärwa von dem Nicht-Gott Mog vernichtet wurde, ruft die inrithische Kirche einen heiligen Krieg gegen die Fanim aus. In der Stadt Momemn werden eine Reihe ganz unterschiedlicher Personen in den Sog der Ereignisse hineingezogen: Drusus Archamian ist Mitglied der “Mandate”, die seit der Apokalypse mit ihren magischen Fähigkeiten gegen die Anhänger des Nicht-Gotts kämpfen. Esmenet ist eine in Archamian verliebte Prostituierte. Cnaiür ist ein Clansmann von der Steppe, der auf Rache für den Tod seines Vaters sinnt. Anasûrimbor Kellhus ist ein Mönch der Dûnyain, der durch seine erlangten Fähigkeiten in der Lage ist, Menschen in radikaler Weise zu beeinflussen. Er ist auf der Suche nach seinem Vater.

– Alle Kundschafter sind von ihren Informanten besessen. Manche grübeln nur vor dem Einschlafen über sie nach, andere tun es in jeder nervösen Gesprächspause. –
Kapitel 1

Zu Schattenfall liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Schattenkönige von Michael CobleyVor Jahren wurde das Kaiserreich Khatrimantine von den wilden Mogaun eingenommen, die mit Hilfe ihrer Schamanen und eines bösen Gottes die Priester und Magier unterwarfen und ausrotteten. Nur noch einige letzte verstreute Rebellengrüppchen planen einen unrealistischen Widerstand, und auch diesen droht die Vernichtung: Fünf sterbliche Krieger und Magier beherbergen in ihren Seelen Fragmente des bösen Gottes, der für all die Zerstörung verantwortlich ist. Sie trachten danach, sich zu vereinen und endlich die letzten Reste Khatrimantines auszulöschen.
Doch gerade jetzt taucht ein verschollener Erbe des letzten Kaisers auf, der zu einer neuen Gallionsfigur werden könnte.

-In dem hochgelegenen Bergtal unter dem bedrückenden, sternenlosen Baldachin der Nacht brannten zwischen uralten Ruinen zahlreiche Lagerfeuer.-
1

Düster geht es zu in Michael Cobleys Welt, Frohsinn und die schönen Seiten des Lebens sind Fremdwörter im Reich Khatrimantine – schließlich ist die Apokalypse schon längst gelaufen und nur noch die letzten Reste der Zivilisation wehren sich mehr schlecht als recht gegen den Untergang. Verursacht haben den Schlamassel die wilden Nomaden-Horden der Mogaun – diese sind zwar auch Menschen, aber anscheinend liegt ihnen nichts an der Zivilisation – es läßt sich wohl auch in einer zerstörten und vernichteten Welt wunderbar leben und geheihen.
Wäre dies das einzige logische Loch in Schattenkönige (ShadowKings), könnte man noch damit leben, aber die Logik wurde alle paar Seiten der dunklen Atmosphäre geopfert. Diese zumindest beherrscht Cobley, und an keiner einzigen Stelle in knapp 500 Seiten kommt auch nur ansatzweise das Gefühl auf, daß man dieser Welt vielleicht gerne mal einen Besuch abstatten würde.

Auch die Charaktere handeln wenig nachvollziehbar und könnten den Leser kälter nicht lassen: Rebellengeneral Mazaret, Meistermagier Bardow und seine Schülerin Suviel, die Schwertkämpferin Keren – sie alle machen niemals den Eindruck, als wären sie mit Herz und Seele bei der Sache. Im Gegenteil, bei allen stellt man eine gleichgültige Haltung fest, nach dem Motto “Rebellion, hoffentlich ist es bald vorbei”. Motivationen werden höchstens ab und zu ganz plakativ in einer kurzen Selbstreflexion à la “warum mache ich den Mist eigentlich” vermittelt.
Auf der Seite der Bösen sieht es kaum besser aus, hier gibt es Standardfieslinge, die sich auch gegenseitig nicht ganz grün sind, aber immerhin manchmal darüber nachdenken, ob man sich wirklich von den Göttern so herumschieben lassen sollte.

Magie und Militär-Operationen und Action gibt es zuhauf, auch hier nicht immer logisch, aber dafür in Massen.
Vieles bleibt in diesem Band auch kryptisch und verwirrend, und wenn Cobley eine seiner vielen Überraschungs-Trumpfkarten ausspielt, fühlt man sich als Leser eher überrumpelt, weil solch undurchschaubare Strukturen innerhalb der Handlung herrschen, daß man sich manchmal fragen muß, ob der Autor selbst überhaupt den Durchblick behalten hat.
Am VaterBaum, den JägerKindern und der ErdenMutter kann man beim Lesen auch immer wieder hängenbleiben – ein an mißlungene Werbesprache erinnernder Einfall von Cobley, der damit wohl seine einigermaßen unoriginelle Götterwelt aufpeppen wollte.

Bleibt also die apokalyptische Atmosphäre, an der man sich erfreuen (oder vor der man vielmehr erzittern) kann. Hierzu sind vor allem auch die kurzen Kapitelvorspänne gut gelungen, in denen Sprichwörter, Ausschnitte aus Gedichten und Schauspielen und dergleichen mehr aus Cobleys Welt zitiert werden, und die sich immer subtil auf den Kapitelinhalt beziehen. Gäbe es mehr von diesen aufwendig gestalteten Feinheiten, hätte man Schattenkönige vielleicht mit Genuß lesen können, aber es überwiegt der Eindruck einer reichlich konfusen Geschichte – hauptsache schön finster.

Der Schattenprinz von David GemmellTenaka Khan, halb Fürst der Nadir und halb Drenai von hoher Geburt, kennt nur noch ein Ziel im Leben: Er will den Despoten Ceska ermorden, der das Land der Drenai unter seiner Schreckensherrschaft leiden läßt und mit dem Tenaka eine ganz eigene Rechnung zu begleichen hat. Eigentlich ist diese Aufgabe auch für einen der besten Schwertkämpfer, wie es Tenaka ist, reiner Selbstmord, doch auf dem Weg schließen sich ihm alte und neue Freunde an.
Schließlich wird klar, daß Tenaka und seine Gefährten eine Rebellion anzetteln und ein Heer gegen den Kaiser und seine dunklen Kreaturen führen müssen.

-Auf den Bäumen lastete der Schnee, und der Wald lag wie eine schüchterne Braut unter der weißen Decke. Eine Weile blieb der Mann zwischen den Felsen und Steinblöcken stehen und betrachtete prüfend die Hänge.-
Prolog

Wie schon im ersten Band der Drenai-Saga ist auch hier die Handlung sehr linear und sehr dünn: Ein Despot soll vom Thron gestoßen werden. Das ist alles. Keine weiteren Komplikationen, keine Nebenhandlungen, keine unvorhergesehenen Wendungen. Trotzdem hat Gemmell dieses einfache Thema mit einer gewissen Dynamik umgesetzt, die das Buch zu einer schnellen, leichten und unterhaltenden Lektüre macht.
Die Helden sind kernig und unbeugsam und die besten in allen Disziplinen, entwickelt werden sie innerhalb des rasanten Geschehens kaum. Daß es dennoch allesamt farbige, gut vorstellbare Gestalten geworden sind, verdanken sie vor allem dem immer wieder aufblitzenden Humor. Gerade wenn man schon glaubt, man hätte die Nase voll von echten Männern und Pathos, gibt es einen kleinen Schuß Ironie, der (fast) alles wieder ins Lot rückt.

Daß die Handlung einige Generationen nach den Geschehnissen des ersten Bandes angesiedelt ist, sorgt am Anfang für leichte Verwirrung, aber nach einigen Seiten Einstieg findet man Zugang zur Geschichte und erfährt im Verlauf der Handlung auch mehr oder weniger, was zwischen den Büchern geschehen ist. Je mehr Seiten man aber hinter sich bringt, desto auffallender werden auch die Ähnlichkeiten der beiden Bände – bald hat man wiederum eine Belagerungssituation wie in Die Legende vorliegen, und in diesem Vergleich zieht Der Schattenprinz (The King Beyond the Gate) eindeutig den Kürzeren: Auf so wunderbare Überraschungen wie im ersten Band wartet man vergeblich, und gegen Ende wirkt das Buch schlecht strukturiert, wenn etliche Szenen, auf die man gewartet hätte, einfach nicht erzählt werden (so z.B. die Übernahme von Dros Delnoch) und aufwendig vorgestellte Figuren einfach sang- und klanglos verschwinden.

Fans von ausführlicher Weltschöpfung kommen bei Gemmell nicht auf ihre Kosten, und sprachliche Feinheiten gibt es auch nicht zu bewundern, vor allem sticht die deutsche Ausgabe durch viele Flüchtigkeitsfehler und Anachronismen heraus. Wenn man aber hin und wieder ein paar klassische Helden in Aktion erleben möchte (mit einem Schuß Militärstrategie garniert) und sich auch an den nur vordergründig modernen, aber letzten Endes ganz klassischen Frauenrollen und dem ein oder anderen Schenkelklopfer nicht stört, kann man ruhig zu diesem Drenai-Band greifen und wird auf diesen Sektoren bestens bedient – mehr aber auch nicht.

Schattenritter von James ClemensTylar ist ein gefallener Schattenritter – einst war er einer der Ritter der Götter, nun lebt er als Krüppel in der Gosse. Eines Nachts aber wird er Zeuge der Ermordung einer Göttin – und mit ihrem letzten Atem haucht sie Tylar noch ein Geheimnis zu und verleiht ihm eine mysteriöse Gabe. In den Augen ihrer Schattenritter und Beschützer, die noch rätseln, wie ein unsterblicher Gott überhaupt getötet werden konnte, macht Tylar dies zum Schuldigen. Nur Delia, eine Dienerin der Göttin, hält zu Tylar und verhilft ihm zur Flucht. Tylar sieht nur einen Ausweg: Er muß seine Unschuld zu beweisen.
Derweil wird die junge Außenseiterin Dart an der Schule für angehende Götterdiener ausgebildet. Doch einige Lehrer und Schüler wollen ihr Böses.

-Es gleitet, ein Schatten sucht das Licht.
Sein wahrer Name bezeichnet ein Wesen jenseits von Fleisch und Atem.-
In der Dunkelheit…

Souverän wie eh und je erzählt James Clemens von einem gefallenen Ritter, einem Dieb, einer hübschen Alchimistin und dem unvermeidlichen Waisenkind mit magischen Fähigkeiten, die langsam eine weltumspannende Verschwörung aufdecken. Obwohl die Geschichte und Welt völlig unanbhängig von Clemens’ vorausgegangenen Fantasy-Zyklus sind, kann man einen hohen Widererkennungsfaktor nicht leugnen – es sind Motive und kleine Details, die alles vertraut machen und so manche Überraschung in der Handlung ein wenig schmälern, wenn man bereits ein versierter Clemens-Leser ist. Die Charaktere sind hier beispielsweise gewohnt detailiert und liebevoll entworfen, aber ein wenig erkennt man die Schablone, die Clemens benutzt hat. Zum Wiedererkennungswert kommt hinzu, daß Clemens sehr klassisch erzählt und dazu auf ausgetretenen Pfaden wandelt, und diese Überanpassung an Fantasy-Standards kommt der Spannung nicht gerade zugute.

Neues bietet dagegen die Welt Myrillia, in der sich hundert Götter in fleischlicher Form niedergelassen haben und mit ihren Gaben Magie ermöglichen und die Länder aufblühen lassen. Diese Gaben haben es in sich – dabei handelt es sich nämlich um (alle vorstellbaren) Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen der Götter. Das System ist gut durchdacht und im Grunde innovativ, aber der häufige Einsatz der Magie zur letzten Rettung und ihre letztendliche Form in Feuer, Frost oder vergleichbaren Effekten haben einen recht faden Beigeschmack.
Dieses Mal bekommt man auch kein ans Mittelalter angelehntes Setting geboten, sondern es gleiten U-Boote und Luftschiffe durch die Szenerie, magisch angetrieben, versteht sich. Manchmal verliert sich der Zauber der Welt leider in zu viel (Magie-)Technik.

Ohne Zweifel versteht Clemens sein Handwerk, kann den Leser fesseln und sorgt für eine flüssige Lektüre, die sich rasant weglesen läßt und dabei gut unterhält. Aber ein wenig kommt man sich so vor, als würde man – wie bei einem Action-Kracher im Kino – mit sehr einfachen Tricks gekonnt gefesselt. Eigentlich ahnt man in gewisser Weise voraus, was geschehen wird, daß sich Feinde als Freunde entpuppen können und schicksalshafte Verknüpfungen aus dem Boden schießen, denen man die Konstruktion hinter den Kulissen etwas zu deutlich ansieht. Um dem Anspruch der actionreichen Unterhaltung bis zum Ende gerecht zu werden, darf auch ein großer Endkampf nicht fehlen, bei dem es Effekte magischer Art regnet – bunt war es bei Clemens schon immer.
Aber so billig und ausgelutscht Clemens’ Tricks auch sein mögen, wenn man spannender, leichter und vor allem fesselnd erzählter Unterhaltung nicht abgeneigt ist, läßt man sich gerne davon ködern. Sprachlich liegt Clemens über dem Durchschnitt, und seine farbenfrohen und prägnanten Charaktere muß man geradezu mögen.
Die Reihe scheint allerdings mittlerweile auf dem Abstellgleis zu stehen – nach dem Erscheinen des zweiten Bandes Hinterland hat es keine Fortsetzung mehr gegeben, der Autor hat sich in der Zwischenzeit dem Thriller-Genre zugewandt.

Cover des Buches "Das Schiff der Hoffnung" von Janny WurtsDie letzte Schlacht steht bevor: das Heer Lysaers und die Clankrieger Arithons stehen sich in Vastmark gegenüber und sind bereit zum Kampf. Jetzt wird sich zeigen, ob die Halbbrüder sich dem Fluch des Nebelgeistes entgegenstellen können oder ob die Rache Desh-Tieres am Ende doch erfüllt werden kann…

-So fremd es ihm auch war, sich dergestalt unsicher zu fühlen, als wäre er noch ein junger, unerfahrener Krieger, blieb doch die Abscheu gegen den Gedanken, sein Schwert ziehen zu müssen. Auch schien ihm kein Grund unter dem Himmelsrund auszureichen, auch nur noch ein weiteres Leben zu fordern. Am falschen Ort und viele Jahre zu spät erkannte er, dass sein Stolz und seine kriegerische Kunst ihn nirgendwohin führen würden.-
3 Krieg im Dier Kenton-Tal

Den Stil von Frau Wurts werden einige nicht leicht zu lesen finden. Verschachtelte, teilweise sehr lange Sätze und die häufige Verwendung von Genitiven lassen den Stil recht altbacken erscheinen. Ich fand ihn im Gegensatz dazu endlich mal wieder ein wenig anspruchsvoll, nachdem in den neueren Bücher immer öfter Denglisch auftaucht und Kommata Mangelware sind (was nicht heißen soll, dass hier jeder Satz eine halbe Seite lang ist). Schließlich schafft Frau Wurts dadurch ein sehr lebendiges Bild von Athera, das trotz diverser Satzkonstrukte zu fesseln vermag. Welchen Stil man nun bevorzugt, bleibt jedem selbst überlassen.

Am Ende bleibt ein gewisser Wermutstropfen: die sich bereits vorher angedeutete Schwarz-Weiß-Malerei (Arithon gut, Lysaer böse) hat sich im Laufe doch noch verstärkt, so dass die am Beginn gestellte Aufforderung (“Möge ein jeder, der sie liest, selbst entscheiden, wo sich Gut und Böse in diesem Geschehen trennen lassen”, Band 1) eigentlich beantwortet wurde. Alles nur auf den Fluch des Nebelgeistes zu schieben, klingt in meinen Ohren hohl, auch wenn die Autorin darauf besteht.

Es ist deutlich zu merken, dass Das Schiff der Hoffnung (The Warhost of Vastmark) eigentlich als Einzelband geplant war und vom Verlag aufgeteilt wurde. Besonders die beiden mittleren Bände vier und fünf können kaum als eigenes Buch bestehen, dafür sind sie auch gar nicht konzipiert. Es passiert einfach nicht genug, Anfang und Ende kommen abrupt und scheinbar willkürlich. Zwar hat der Verlag sich Mühe gegeben, das Original sinnvoll zu trennen, trotzdem macht dies die zerpflückten Bücher nicht besser und eine Bewertung der Einzelbände schwerer. Man muss also die Bände drei bis sechs als ein Werk ansehen und sich dann ein Urteil bilden.

Cover des Buches "Die Schiffe von Merior" von Janny WurtsWie die Prophezeiung es voraussagte, ringen die Mächte des Lichts und des Dunkels in der Gestalt der zwei Prinzen Arithon und Lysaer miteinander. Nun sind die Wolken verschwunden, die den Himmel Atheras einst verdüsterten. Doch noch in seiner Niederlage belegte der Nebelgeist seine beiden Bezwinger mit einem Fluch, dem mächtigen Fluch der Rache…

-Mit schmerzendem Kopf und einer Zunge, die sich anfühlte, als wäre sie in alte Felle gewickelt, erwachte der Wahnsinnige Prophet. Wenn die Glücksgöttin ihn in der Nacht auch geküsst haben mochte, so hatte es ihr anschließend wohl gefallen, ihm des Morgens auf dem Kopf herumzutrampeln.-
2 Landstreicher

Die Nebelgeist-Saga geht in die nächste Runde. Fünf Jahre nach der Schlacht im Strakenwald sind die Fronten nach wie vor verhärtet. Während Lysaer bei den Stadtbewohnern immer mehr Sympathien sammeln kann, ist sein Halbbruder Arithon untergetaucht und zieht mit Halliron, dem Meisterbarden, durch die Lande.

Da der Roman zeitlich ein ganzes Stück später als die letzten beiden Bände spielt und völlig neue Handlungsstränge eingeführt werden müssen, leidet ein wenig die Spannung. Nicht, dass dieser Teil staubtrocken wäre. Die Atmosphäre zieht einen nach wie vor in ihren Bann und lässt die Seiten nur so dahinschmelzen. Allerdings reicht Die Schiffe von Merior (The Ships of Merior) in punkto Spannung einfach nicht an seinen Vorgänger heran. Die Brüder begegnen sich nicht und sind meist einen ganzen Kontinent voneinander getrennt. Zwar ist jeder für sich auch interessant, aber eine gewisse Schwarz-Weiß-Malerei (Lysaer böse, Arithon gut) ist durchaus nicht zu übersehen. Freilich nur in einem sehr geringen Maße und an wenigen Stellen; der Spaß an der Saga wird nicht getrübt.

Mittlerweile hat man sich auch an die manchmal schwierige Ausdrucksweise gewöhnt, die zwar eine gute Atmosphäre zu vermitteln vermag, aber auch Sätze ungeahnter Länge hervorbringt. Ein paar Punkte mehr wären hier und dort vielleicht besser gewesen. Wie auch zuvor ist die Übersetzung sehr gelungen, in sich stimmig kann sie den Stil der Autorin gut vermitteln.
Alles in Allem wieder ein Garant für ein paar vergnügliche Lesestunden.

Die Schlacht der Shadowmoon von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

– Am fünften Tag nach der Abreise aus Glasbury kam die Reisegarde in Sichtweite des Kapfanggebirges, einer noch jungen Bergkette mit spitzen Gipfeln und scharfen Graten, nahezu frei von sanften und abgerundeten Hängen. –
Drachenschule

Zu Die Schlacht der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon.

Die Schule der Rätselmeister Patrica K. McKillipMorgon ist nach dem Tod seines Vaters der Landerbe von Hed und muß sich um die Belange der Bauern dort kümmern. Allerdings ist er auch einer der berühmten Rätselmeister von Caithnard, und er hat schon verschiedenste schwierige Rätsel gelöst, bis auf eines: Ein Mal aus drei Sternen prangt auf seiner Stirn und verheißt ihm ein besonderes Schicksal – doch Morgon will lieber in Hed bleiben und keine Rätsel mehr lösen.
Allerdings hat er aufgrund eines gelösten Rätsels die Köngistochter Rendel für sich gewonnen, und als er in Begleitung des Harfners Thod zu ihr aufbricht, holt ihn sein Schicksal langsam, aber unerbittlich ein – und es scheint nicht nur ihn, sondern das ganze Land zu betreffen.

-Morgon von Hed begegnete dem Harfner des Erhabenen an einem Herbsttag in Tol, als dort, wie alle Jahre um diese Zeit, die Handelschiffe zum Austausch der Güter anlegten.-
1

Eigentlich passiert gar nicht viel in diesem relativ kurzen Bändchen – Morgon wird immer wieder mit dem Schicksal, das ihm die drei Sterne verheißen, konfrontiert, kehrt ihm den Rücken, wird davon eingeholt oder von anderen auf den Pfad zur Lösung dieses Rätsels gelockt, nur um sich wenig später abermals zur Umkehr zu entschließen. Auf lange Sicht kann er seinem Schicksal nicht entkommen, und da die ganze Welt davon betroffen scheint, stellt das Buch nicht bloß die Frage nach Vorsehung und Eigenbestimmung des Lebens, sondern auch die, ob eine solche Eigenbestimmung noch möglich ist, wenn andere dadurch beeinträchtigt werden.

Interessant ist vor allem die Art, wie die Geschichte erzählt wird. Sie läßt sich langsam und ruhig an, und ist mit der wunderschönen, aber niemals überladenen Bildersprache der Autorin eher auf der märchenhaft-romantischen Seite der Fantasy angesiedelt, obwohl sich durchaus eine Handlung von epischer Breite anbahnt. Uralte Harfen und Schwerter, die Magie der Musik und des Gestaltwandels verleihen der Welt eine ganz eigene Atmosphäre, die einem dennoch vertraut vorkommt – der Rückgriff auf keltische Mythologie ist unübersehbar und bestimmt das Setting des Romans maßgeblich mit. Der Zauber, der dadurch über der Welt liegt, erinnert ein wenig an Tolkien, und tatsächlich ist die Erdzauber-Trilogie auch eines der älteren Fantasy-Werke, dem man deutlich das Streben nach einer Erdung in einem eigenen mythologischen Entwurf statt der bloßen Nachahmung eines erfolgreichen Konzepts anmerkt. Was allerdings vielen anderen Romanen aus den 70ern verwehrt geblieben ist – nämlich heute noch genauso gut lesbar zu sein – schafft McKillip mit ihren wahrhaft zeitlosen Motiven mit Leichtigkeit.

Zentrales Thema des Buches ist das Lösen von Rätseln: Fast jede der Figuren, denen Morgon begegnet, hat ein Geschenk für ihn und führt ihn mit einem neuen Rätsel weiter auf dem Weg zu seinem Schicksal. Der junge Held bleibt während alldem etwas passiv und läßt sich treiben, wirklich große Geschehnisse dürfen erst für die Fortsetzung erwartet werden; aber vor allem die sprachliche Qualität des Buches unterscheidet es von anderen Entwicklungsgeschichten – dafür lohnt es sich, sich die Zeit zu nehmen, die die Gerschichte mit ihrem zögerlichen Helden braucht. Nur die Eigennamen lassen ein wenig zu wünschen übrig – viele davon sind nur einsilbig und einander recht ähnlich; das sorgt nicht nur für Verwirrung, sondern fällt bei der sonst so phantasievollen Welt als eher unschönes Detail auf.

Cover von Der Schwalbenturm von Andrzej SapkowskiDunkle Vorzeichen rauben rund um die Herbst-Tagundnachtgleiche Menschen auf dem gesamten Kontinent den Schlaf. Ciri ist in Gefahr, ihr Treiben mit den Ratten, ihre Abstammung und ihre Bestimmung führen dazu, dass sie von vielen Akteuren fieberhaft gesucht wird, und der unerbittliche Kopfgeldjäger Bonhart ist ihr dicht auf den Fersen. Wesentlich dichter als der Hexer, der sich mit seinen Begleitern kaum aus den Mühlen des Krieges befreien kann …

 – Die Ziegenmelker sangen mit wilden Stimmen die Totenklage, den Himmel jedoch bedeckten Wolken, die den Rest des Mondlichtes auslöschten. Da begann eine schreckliche Beann’shie zu heulen, die jemandes raschen und gewaltsamen Tod ankündigte, und am schwarzen Himmel preschte die Wilde Jagd einher – ein Heerhaufen flammenäugiger Gespenster auf Pferdegerippen, mit laut flatternden Fetzen von Kleidung und Standarten. – S. 9

Andrzej Sapkowskis Der Schwalbenturm (Wieża Jaskółki) ist der vorletzte Band der Hexer-Reihe und hat mit dem zu erwartenden Problem zu kämpfen, die verschiedenen Handlungsfäden langsam in Richtung Finale zu führen … oder eben auch nicht.

Auf den ersten Seiten des Romans wird ein kurzer, augenzwinkernder Überblick über die wichtigsten Personen gegeben, die von den dunklen Erscheinungen heimgesucht werden (gesegnet sind diejenigen, bei denen der Abstand zum vorangegangenen Band Feuertaufe nicht zu groß war). Man könnte sagen, dies ist bezeichnend für den gesamten Roman, denn Sapkowski bietet eine Vielzahl von Perspektiven auf die Ereignisse der Geschichte. Dabei verschachtelt er die mitunter auch zeitlich zueinander versetzten Erzählebenen durchaus geschickt, vieles wird in Rückblenden erzählt, die zumeist tatsächlich als Erzählung beginnen, bevor Sapkowski direkt ins Geschehen springt. Die zahlreichen Perspektivenwechsel binden größere politische Ereignisse ein und verweben kleinere Geschichten von Nebenfiguren mit der Hauptstory. Allerdings scheint diese Multiperspektivität etwas auf Kosten Geralts und seines Erzählstrangs zu gehen, Ciri hat längst seinen Platz als Hauptfigur eingenommen und macht dem alle Ehre. Ihre dramatische und grausame Geschichte, ihre undurchsichtige Bestimmung und die Entwicklung, die ihre Person durchlaufen hat, machen sie zu einer unglaublich spannenden, ambivalenten Figur, die außerdem noch einen nicht weniger interessanten Sidekick erhält, der gut zu ihr passt, obwohl oder gerade weil die beiden so gegensätzlich erscheinen.

Daneben weist der Band die bereits aus den Vorgängern bekannten Stärken auf: Geschickt eingestreute moralische Dilemmata, eine vielschichtige Welt und augenzwinkernden Humor. Allerdings ist dies der bisher brutalste und düsterste Teil des Geralt-Zyklus, vielleicht ex aequo mit Die Zeit der Verachtung, hier wie da ist besonders Ciris Geschichte davon betroffen. Wie sich das Finale in Die Dame vom See gestalten wird, lässt sich auch am Ende des vorliegenden Bandes kaum erahnen, aufgrund der Multiperspektivität wirkt er manchmal etwas disparat und das rätselhafte Ende verlangt geradezu danach, dass man sofort den nächsten Teil der Reihe liest. Man darf gespannt sein, ob dieser es schafft, die Geschichten gelungen zusammenzuführen.

Die geflügelte Armee von Adrian TchaikovskyDas Wespenimperium wächst Jahr für Jahr und führt Krieg gegen seine Nachbarn, zwingt sie in die Sklaverei. Nach dem Krieg gegen den Bund der Libellen fassen die Wespen nun die zerstrittenen Tieflande ins Auge. Als sie die ferne Stadt Myna einnehmen, wird auch Stenwold Werker die wahre Macht des Pwespenstaats bewusst und sendet seine Agenten um mehr über den Feind zu lernen und das Volk der Tieflande zu warnen bevor es zu spät dafür ist.

– Alle Morgen waren freudlos für ihn, und so auch dieser. –
Eins

Zu Die geflügelte Armee liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die geflügelte Armee und Schwarzer Glanz.

Cover von Der schwarze Dolch von Sean StewartMark, Sohn einfacher Leute, hat schon immer davon geträumt, den Gespensterwald zu bezwingen und den Bann der Roten Festung zu brechen. Der König hat versprochen, dem siegreichen Helden einen Wunsch zu erfüllen. Viele tapfere Männer, die sich allein auf die Kraft ihres Schwertes verlassen haben, sind an der Aufgabe gescheitert. Doch Mark kann nicht nur kämpfen, sondern er hat auch Verstand und so gelingt es ihm tatsächlich, den Bann zu brechen. Aber dann ist alles anders als er es sich ausgemalt hat. Und zu allem Überfluß muß er eines Tages erkennen, daß die Gespenster nicht alle besiegt sind, nicht die der Roten Festung und auch nicht die seiner Vergangenheit.

– Der Gespensterwald wurde von Erinnerungen heimgesucht, brüchig wie die Zweige, die winzigen Knochen gleich unter Marks Stiefeln knirschten.-
Die Rote Festung

Auf den ersten Blick scheint Der schwarze Dolch (Nobody’s Son) nichts weiter zu sein als eine ironische Abrechnung mit den alten Märchen. Der Held besteht seine Prüfung und erwartet -genau wie der Leser- das übliche Happy End: Der Retter wird gefeiert, der König gibt ihm die Hand seiner Tochter und sie leben alle glücklich bis an ihr Lebensende. Zu Marks Enttäuschung und zum Vergnügen des Lesers verläuft die Geschichte aber anders. Der König ist von dem hergelaufenen und nach seinem Abenteuer ziemlich derangiert aussehenden Schwiegersohn in spe überhaupt nicht begeistert. Die Herren und Damen des Hofes verhalten sich fast alle arrogant bis beleidigend und Prinzessin Gail ist zwar sympathisch, weil sie natürlich, bodenständig und ohne Dünkel ist, aber sie weigert sich aus Angst vor einer Schwangerschaft strikt, das Bett mit Mark zu teilen, außerdem scheint sie einen sehr vertrauten Umgang mit ihrer Hofdame zu haben. Das ist witzig geschrieben und Mark ist ein Held, den man gern haben muß. Stewart läßt den Leser Anteil an Marks inneren Dialogen nehmen und so formt sich recht schnell ein Bild seines Charakters. Mark hat zwar Angst im Gespensterwald, benimmt sich aber tapfer, er weiß, daß er die Spielregeln des Hofes nicht beherrscht, aber er hat ein gesundes Selbstbewußtsein, er ist manchmal undiplomatisch, aber offen und geradeheraus. So einen wie Mark möchte man gerne zum Freund haben, vor allen Dingen, wenn man in der Nähe eines verwunschenen Gespensterwaldes wohnt. Doch je mehr sich die Geschichte ihrem Ende zuneigt, um so klarer wird, was sich schon am Anfang des Romans angedeutet hat. Hier geht es eigentlich nicht um “reale” Gespenster, um Untote, die spuken, weil sie keine Ruhe finden, es geht um Gespenster, die uns alle verfolgen können, Gespenster der Vergangenheit. Es geht um einen Sohn, der darunter leidet, daß der Vater die Familie verlassen hat, als er noch klein war, ein Sohn, der alles Mögliche vollbringen will, damit sein Vater eines Tages zurückkehrt, ihm auf die Schulter klopft und sagt: “Gut gemacht, Sohn” und es geht darum, daß dieser Sohn die Vergangenheit überwinden und seinen Frieden mit ihr schließen muß, damit er eine glückliche Gegenwart und Zukunft haben kann.

Cover des Buches "Das schwarze Einhorn" von Terry BrooksDrei seltsame Träume schicken Ben Holiday, den König des magischen Landes Landover, und seine Freunde auf Reisen. Ben besucht seinen alten Partner Miles in Chicago, Questor, der Hofzauberer, holt die verschollenen Zauberbücher und die Sylphe Weide sucht das schwarze Einhorn, von dem Legenden schlechtes zu berichten wissen. Doch die Träume sind ein Trick von Meeks, dem bösen Hexenmeister. So gelingt es ihm mit dem König zurück nach Landover zu gelangen. Dort verzaubert er sich und Ben, so dass Meeks wie der König erscheint und Ben wie ein Fremder. Wird es Ben rechtzeitig gelingen, den Trick, mittels dessen Meeks ihm seine Macht nahm, durchschauen?

-Das schwarze Einhorn tauchte aus den Morgennebeln, fast als sei es aus ihnen entstanden, und blickte über das Königreich Landover.-
Prolog

Die Welt dieser Geschichte ist dieselbe wie in Ein Königreich zu verkaufen, nur konzentriert sich der Autor in Das schwarze Einhorn (The Black Unicorn) noch stärker auf den Handlungsablauf, so dass kaum Platz für Neues ist und ein paar alte Dinge nur noch erwähnt werden, aber selber keine Rolle mehr spielen, wie die Herren des Grünlandes und die Trolle. Mit Ausnahme von Weide und ihrem Vater dem Flussherren, werden die bekannten Figuren auch nicht weiter entwickelt.
Neu hinzu kommt die Erdmutter, welche die Hüterin des Landes ist; vom Konzept her ähnlich wie Tom Bombadil, nur nicht so gelungen, und Edgewood Dirk. Dirk ist eine Prismenkatze, ein mächtiges und undurchschaubares Elfenwesen, das viele andere nervös werden lässt. Er begleitet Ben auf seiner Suche nach sich selbst mit Ratschlägen, die zwar immer den Kern treffen, aber selten verständlich sind. Dirk ist der wahre Star der Geschichte, selten ist mir ein so sonderbarer Charakter untergekommen. Bis zum Schluss bleibt er unberechenbar.

Die Story ist eigentlich recht einfach: Weide sucht das Einhorn, während Ben Weide und seine verlorene Macht sucht. Dazu werden verschiedene Stationen besucht, z.B. der Flussherr, der Tiefe Schlund, etc. Aber man gewinnt dennoch nicht den Eindruck, dass hier alte Geschichten wieder aufgewärmt werden, denn die Stationen werden gut begründet miteinander verknüpft.
Die Geschichte erinnert von der Form her stark an eine klassische Detektiv-Geschichte: Ein Verbrechen wird begangen (Meeks stiehlt Landover) von einem Schurken mit persönlichem Motiv (Meeks will Macht). Der Detektiv und sein Sidekick (Ben Holiday und Edgewood Dirk) müssen eine Reihe von Indizien sammeln um das Verbrechen aufklären zu können. Es gibt am Ende sogar eine Aufklärungsszene, in der die kompletten Vorgänge noch einmal aufgerollt werden.

War der erste Band aufgrund seiner grotesken Situationen humorvoll, so versucht der Autor hier neben den grotesken Szenen mit Edgewood Dirk zusätzlich mittels gewollter Komik einige Szenen aufzulockern – was meiner Meinung nach nicht besonders gut gelingt, aber auch nicht sonderlich störend wirkt.
Lesen lässt sich der zweite Band unabhängig vom ersten da alle wichtigen Ereignisse kurz rekapituliert werden. Allerdings geht dann ein wichtiger Hinweis leider verloren und die Entwicklungen der Charaktere (Ben, Weide und der Flussherr) fallen weniger stark ins Gewicht.

Mit der Bewertung habe ich mich dieses mal sehr schwer getan; auf der einen Seite enthält die Geschichte einige hervorragende Elemente – sie ist sehr spannend, man fühlt sich zum miträtseln regelrecht gedrängt, Edgewood Dirk ist großartig und die Auflösung halte ich ebenfalls für gelungen. Dass die Charaktere keine besondere Tiefe entwickeln stört mich hier nicht sonderlich, da in Detektiv-Geschichten so etwas nur ablenkt. Aber die Geschichte läuft etwas zu reibungslos ab, einiges ist zu konventionell und sprachlich sind manche Dinge ungelenk (der Sprachstil der Erdmutter). Letztlich meine ich aber, dass die positiven Elemente gerade beim ersten Lesen deutlich überwiegen.

Cover von Die schwarze Stadt von Tamora PierceDie zehnjährige Alanna von Trebond soll in einem Kloster lernen, eine Dame zu werden. Ihr Zwillingsbruder Thom wird an den Hof gehen, um eine Ausbildung als Ritter zu erhalten – so hat es ihr Vater beschlossen. Dabei will Thom viel lieber Zauberer und Alanna Ritter werden, um gefährliche Abenteuer zu bestehen. Die Kinder fälschen die Briefe, die der Vater ihnen mitgegeben hat. Alanna verkleidet sich als Junge und geht an den Hof, um Page zu werden, und Thom reitet zum Kloster und läßt sich zum Zauberer ausbilden. Für Alanna beginnen schwere Zeiten. Die Ausbildung ist hart, aber sie findet Freunde. Doch nicht jeder ist ihr wohlgesonnen. Früher als es ihr lieb ist, muß sie gefährliche Abenteuer bestehen und sie fürchtet, jemand könnte herausfinden, daß sie ein Mädchen ist…

– “Ich habe meine Entscheidung getroffen. Keine Diskussion mehr”, sagte der Mann am Schreibtisch. Er schaute schon wieder in ein Buch. Seine beiden Kinder verließen den Raum und machten die Tür hinter sich zu.-
Die Zwillinge

Eigentlich ist Die Schwarze Stadt (Alanna: The First Adventure) nichts anderes als die gute alte phantastische Internatsgeschichte, die in eine mittelalterliche Szenerie verlegt wurde, aber diese alte Idee wurde von Tamora Pierce sehr gut umgesetzt. Alanna kommt an den Hof und muß lernen, lernen, lernen: Mathematik, Geschichte, Gedichte und natürlich den Umgang mit dem Schwert, mit Lanzen und alle Kampfkünste, die ein Ritter so braucht. Außerdem muß sie am Tisch bedienen und Botengänge für die Adligen erledigen. Abends fällt sie todmüde ins Bett. Sie schließt Freundschaften, aber sie muß sich auch gegen den “Schulhofrüpel” zur Wehr setzen. Kurzum, Alanna ist die ideale Identifikationsfigur für Mädchen, die schon immer davon geträumt haben, Abenteuer als Pirat, Räuber, Indianer oder eben Ritter zu erleben. Sie wirkt so authentisch, weil sie gerade kein “Supermädchen” ist, dem alles leicht fällt. Als Alanna in die Pubertät kommt, fällt es ihr schwer zu akzeptieren, daß sich ihr Körper verändert. Sie wird von Selbstzweifeln geplagt, nie ist sie sich sicher, ob sie all die Aufgaben bewältigen kann, die ihr gestellt werden und sie muß erst lernen, daß sie ihre Freunde nicht nachahmen muß, um von ihnen gemocht zu werden. Sie darf sein, wie sie ist.
Alanna ist beherzt, tapfer und geradeheraus, sie besitzt Durchhaltevermögen und einen starken Willen. Diese Charaktereigenschaften braucht sie auch, denn sonst hätte sie nicht die geringste Chance gegen den Tod, der ihr immer wieder in verschiedenen Formen begegnet. Auch alle anderen Protagonisten sind individuell gezeichnet. Natürlich gibt es “die Guten”, “die Bösen” und “den Zwielichtigen”, aber Tamora Pierce gelingt es ganz ausgezeichnet, lebendige Menschen darzustellen und bedient sich nicht flacher Stereotypen, die einem so oft das Lesen von Fantasyromanen verleiden. Die Handlung ist logisch und schlüssig motiviert. Der Einsatz von Magie scheint vollkommen natürlich zu sein und wirkt nicht aufgesetzt. Nie hat man bei diesem Roman das Gefühl, Tamora Pierce bediene sich der Zauberei, weil sie sonst nicht wüßte, wie sie ihre Helden aus einer gefährlichen Situation befreien oder in ein Abenteuer stürzen sollte.
Gedacht für Leser ab zwölf Jahren.

Schwarzer Glanz von Adrian TchaikovskyDas Wespenimperium wächst Jahr für Jahr und führt Krieg gegen seine Nachbarn, zwingt sie in die Sklaverei. Nach dem Krieg gegen den Bund der Libellen fassen die Wespen nun die zerstrittenen Tieflande ins Auge. Als sie die ferne Stadt Myna einnehmen, wird auch Stenwold Werker die wahre Macht des Pwespenstaats bewusst und sendet seine Agenten um mehr über den Feind zu lernen und das Volk der Tieflande zu warnen bevor es zu spät dafür ist.

– Er verlor sich in dunklen Gefilden, in unermesslichen Abgründen, in die noch nie ein Lichtstrahl gedrungen war. Hier schienen keine Sterne, und es gab keine Laternen. Nur Leere und das Rauschen des Windes oder das Reißen des Stroms, der ihn nach unten zerren wollte. –

Zu Schwarzer Glanz liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die geflügelte Armee und Schwarzer Glanz.

Cover von Die Seele der Nacht von Ulrike SchweikertAls Tahâmas Vater schwerverletzt von einer Mission zum Elfenbeinturm zurückkommt, ringt er Tahâma, bevor er stirbt, das Versprechen ab, ihrem Volk, das in das Land Nazagur aufgebrochen ist, nicht nachzufolgen. Tahâma macht sich jedoch trotzdem auf den Weg – soll dieses Land doch ausgesprochen gute Lebensbedingungen bieten und sich immer weiter ausbreiten, während die anderen Länder Phantásiens nach und nach vom Nichts verschlungen werden. Unterwegs in dies gelobte Land schließen sich Tahâma Céredas, ein junger Jäger, und Wurgluck, ein Erdgnom, als Reisegefährten an. Als die drei in Nazagur ankommen, ist das Land auf den ersten Blick tatsächlich ein Idyll – doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein schreckliches Geheimnis …

-“Auf nach Gwonlâ!”, hallten seine Worte bis zum Tor hinunter. “Heute Nacht werden wir im Tal des Wínolds unsere Gier stillen!”-
Prolog

Dieser zweite Band der Legenden von Phantásien nimmt kaum Bezug auf Die unendliche Geschichte, nur ein paar Dinge finden in Nebensätzen und beiläufigen Unterhaltungen Erwähnung. Auf diese Weise hat sich Ulrike Schweikert Raum geschaffen, in welchem sie ihre Erzählung frei entwickelt, hat sich bemüht, eine spannende Geschichte zu erzählen, nur leider ist dies nicht in allen Bereichen des Romans gelungen.
Die Geschichte dreht sich um das Mädchen Tahâma, das dem Volk der Tashan Gonár angehört. Die Tashan Gonár sind in ganz Phantásien für ihre einzigartige Musik berühmt, die heilen und trösten, aber auch verletzen kann.
Die Autorin beschreibt Tahâma und einige Vertreter des Volkes ausführlich und liebevoll. Sie zeichnet Tahâma klar und arbeitet ihren Charakter sehr deutlich heraus, so daß man sich das Mädchen gut vorstellen kann. Auch Wurgluck weiß sie sehr schön zu skizzieren. Doch bei den übrigen Figuren des Romans, die für die Handlung ebenfalls eine herausragende, wenn nicht gar entscheidende Rolle spielen, sind die Beschreibungen leider nicht so ausführlich und schön gediehen: Vor allem die Figuren auf der Seite des Bösen sind sehr oberflächlich skizziert. Sie machten auf mich allesamt den Eindruck von Schauspielern, die eine Rolle nur deshalb übernommen haben, weil die Gage stimmt … Ihre Motivation war unglaubwürdig – sie waren, oft nach halbherzig beschriebenen Konfrontationsszenen (von “Kämpfen” kann man hier kaum sprechen …) viel zu rasch besiegt, so daß der Eindruck entstand, sie wollten gern schnell besiegt sein, um das Set so schnell wie möglich wieder verlassen zu können. Überall geht Tahâma, meist nach von der Autorin ziemlich halbherzig ausgeführten Kampfszenen, Gefangennahmen und Versteckspielen, als strahlende Siegerin hervor. Alles ist vorhersehbar, denn die “gefährlichen” und “übermächtigen” Gegner setzen dem blauhaarigen Gör kaum Widerstand entgegen. Nicht einmal bei dem hier als all- bzw. übermächtig, abgrundtief böse und gierig beschriebenen Schattenlord hat Tahâma größere Schwierigkeiten, dem fiesen Kerl das Handwerk zu legen … viel zu schnell ist alles vorbei und sein … gebleichtes Gewand fiel leer zu Boden …
Auch bei Céredas, Tahâmas zweitem Weggefährten, fiel die Beschreibung des Charakters, seiner guten und schlechten Eigenschaften, eher sparsam aus. Für die wichtige Rolle, die ihm die Autorin ursprünglich zugedacht hatte, wird er nun zu stark an den Rand gedrängt und kommt, trotz aller für die Handlung wichtigen Details, nicht über das Schattendasein einer Nebenfigur hinaus.
So sind auch seine übrigen Eigenschaften eher schwach herausgearbeitet – die ganze Figur bleibt unnahbar und der Hauptzweck seiner Anwesenheit scheint ausschließlich darin zu bestehen, Tahâma in möglichst gutem Licht dastehen zu lassen …

Cover von The Books of the South von Glen CookNach dem Fall des Dominators macht sich die Black Company auf den Weg nach Süden und damit zu einer Reise in die eigene Vergangenheit – nach Khatovar. Dabei finden sich nicht nur neue Rekruten für die geschrumpfte Truppe, sondern auch neue Herausforderungen. Denn als die Gruppe die Stadt Taglios erreicht, sieht sie sich erneut dunklen Mächten gegenüber, die ihren Weg blockieren. Im Auftrag der Stadt Taglios, mit der die Black Company scheinbar mehr verbindet als ein Vertrag, muss Croaker nun seine Rolle als Hauptmann tatsächlich voll ausfüllen.

-I, of course, replied with the golden tongue of a horse seller >Uh…Uh…But…< . Like that. Master of the glib and facile remark.- S. 26

Shadow Games ist der Auftaktband für die Books of the South und schließt direkt an den Abschluss der Trilogie Books of the North an. Daher sei Neulingen der Reihe angeraten, sich zuerst die Vorgängerromane anzuschauen, auch wenn in dieser Rezension Spoiler so gut wie möglich vermieden werden, ist es kaum möglich, die Ereignisse aus den Vorgängern vollkommen auszuschließen.

Shadow Games bietet vieles, was man bereits aus den Books of the North kennt, und das ist sowohl Stärke als auch Schwäche des vorliegenden Bandes. Croaker ist immer noch derselbe unterhaltsam-hemdsärmelige Erzähler, nicht zuletzt wegen seiner Selbstironie, die selbst das finsterste Setting noch aufhellt. Das ist also die altbekannte Stärke der Serie.

Die Reise von den nördlichen Gebieten des Imperiums der Lady über die See der Qualen bis tief in den Süden des anderen Kontinents liest sich zwar durchaus flüssig, die durchwanderten Regionen werden jedoch nur andeutungsweise geschildert und stecken voller Exotismen, von runzeligen, kleinen Stammesleuten im Dschungel bis hin zu hochgewachsenen dunkelhäutigen Kriegern mit fellbespannten Schilden. Selbst die Stadt Taglios bleibt noch etwas farblos, denn außer der Zersplitterung in zahllose Kulte und der Aversion gegen dieselben und deren Priester, der sämtliche Haupt- und Nebenfiguren mehr oder weniger freien Lauf lassen, erfährt man relativ wenig über die leicht indisch angehauchte Metropole.
Auch tut es dem Roman nicht unbedingt gut, dass sich für die neue Trilogie wieder dasselbe Szenario zu ergeben scheint, wie es schon in den Books of the North der Fall war. Tatsächlich werden im Verlauf der Handlung außerdem Fässer erneut aufgemacht, die man mit der Vorgängertrilogie für längst ver- und abgeschlossen hielt. So gelungen und spannend das Setting der ersten Trilogie war, ein bloßer Aufguss desselben wäre etwas zu viel Altbekanntes.

An sich böte die lange Reise bis Taglios, die doch einen bedeutenden Teil des Buches ausmacht, auch eine gute Gelegenheit, neue Figuren einzuführen oder alte näher kennenzulernen. Es bleiben jedoch sowohl die neuen Personen, die sich zur Black Company gesellen, als auch die bekannten Söldner, abgesehen vielleicht von Croaker und ansatzweise der Lady, (weiterhin) kaum mehr als grob skizzierte Nebenfiguren, die mehr oder weniger dieselben Rollen wie ausfüllen, die sie seit dem ersten Band innehaben.
Der Liebesbeziehung zwischen Croaker und der Lady, die nun (endlich) realisiert werden könnte, wird immerhin viel Platz eingeräumt. Allerdings führt dies dazu, dass sich die beiden in der ersten Hälfte des Buches plötzlich mehr wie pubertierende Jugendliche aufführen, denn wie Erwachsene. Gerade bei der Figur der Lady, der mächtigen, uralten ehemaligen Kaiserin eines enormen Reiches, wirkt dies sehr gekünstelt und zeigt einmal mehr, dass gute Liebesgeschichten nicht einfach zu schreiben sind.

In der zweiten Hälfte kann Cook dann wieder seine Stärken ausspielen, als die Kampagne Croaker in Beschlag nimmt und die Lady sich wieder in die selbstbewusste, starke Frauenfigur verwandeln darf, als die man sie kennt. Auch die Andeutungen bezüglich der Vergangenheit, welche die Black Company mit Taglios verbindet, politische Intrigen und allerhand militärisches Taktieren sorgen dafür, dass der Roman deutlich an Spannung hinzugewinnt, und er endet sogar mit einem Paukenschlag, der trotz aller Kritik dazu führt, dass man wissen will, wie es weitergeht.

Dass Cooks Stärken nicht unbedingt in tiefgründiger Figurenzeichnung liegen, wissen Anhänger der Reihe wohl seit den ersten drei Bänden, aber er hat mit Croaker eine Erzählerfigur geschaffen, die einen immer noch über so manche Schwäche gerne hinwegsehen lässt, davon profitiert auch Shadow Games. So liefert Cook mit Shadow Games erneut einen flüssig zu lesenden und unterhaltsamen Roman, der vor allem in der zweiten Hälfte sehr spannend ist, ob er jedoch aus den Books of the South mehr als eine Variation der Books of the North machen kann und aus dem Setting mehr herauszuholen vermag, muss sich erst erweisen.
Der Roman ist zuletzt gemeinsam mit dem Folgeband Dreams of Steel und dem spin-off The Silver Spike in dem Sammelband The Books of the South (ISBN: 978-0-7653-2066-7) veröffentlicht worden.

Cover des Buches "A Shadow in Summer" von Daniel AbrahamDer junge Maati wird zum Poeten ausgebildet – zum mächtigen Zauberer, der einen gottähnlichen Andaten in seinen Dienst zwingen kann. Als Schüler kommt er zu Heshai, dem Hofpoeten der Stadt Saraykeht. Heshai gebietet über das Andat Seedless, Saraykehts wichtigstes Machtinstrument: Dadurch, daß er die Samen von der Baumwolle trennt, hält er das Handelsmonopol der Stadt aufrecht, und da er die Ernten der Feinde vernichten und sie selbst unfruchtbar werden lassen könnte, ist Saraykeht unangreifbar. Doch die kriegerische Nation Galt plant, die Grundlage von Saraykehts Sicherheit zu vernichten – das Andat. Amat, Geschäftsleiterin eines galtischen Handelshauses, bekommt von diesen Plänen Wind und beschließt, ihre Stadt zu retten…

-As the stone towers of Machi dominated the cold cities of the north, so the seafront of Saraykeht dominated the summer cities in the south.-
1

Auf den ersten Blick ist das Anziehende an A Shadow in Summer (Sommer der Zwietracht) das Konzept der Poeten, die mit ihrer Beschreibung von Wesenzügen und äußerer Erscheinung die Andat, gottgleiche Manifestationen abstrakter Gedanken, in die Welt und in ihren Dienst zwingen können, und zugleich deren Charakterzüge und Erscheinung bestimmen. Die Macht, die es verleiht, das wahre Wesen der Dinge zu kennen, wurde hier in ein ganz neues Gewand verpackt – und es ist gelungen, wie man an den Charakteren Heshais und seines Andats bestens ablesen kann. Der Hofpoet Heshai ist wehleidig und undiszipliniert und wird zu allen Gelegenheiten von dem in jeder Hinsicht vollkommenen Seedless gequält – zwischen Schöpfer und Diener herrscht nichts als Haß, aber auch eine für die Geschichte zentrale Abhängigkeit.

Der Handlungsort, der nicht so dominant im Mittelpunkt steht wie bei anderen Romanen, die sich in einer urbanen Umgebung abspielen, bietet auch genug gezügelte Exotik, um den Appetit des Lesers zu wecken. Nicht nur das disziplinierte Leben in der Klosterschule der Poeten, auch das lebhafte Saraykeht selbst ist ein leicht asiatisch angehauchtes Ambiente, mit seinen Teezeremonien und der elaborierten Gestensprache, die jede Aussage begleitet und ihr Tiefe verleiht – anfangs fast zu enthusiastisch eingesetzt. Gleichzeitig ist es aber auch ein gelungenes urbanes Setting, eine quirlige Großstadt, in der man die Charaktere durch “ihr” Saraykeht begleitet.
Vor den Augen des Lesers entfaltet sich ein unaufhaltsames Drama – sowohl auf der persönlichen Ebene der Figuren als auch für das ganze Land, subtil ausgelöst durch die Konstellation der Charaktere und kleine Manipulationen – und in dessen Mittelpunkt stehen die Poeten und jene um sie herum. Immer eindringlicher erfährt Maati, dessen Schicksal es sein wird, Seedless einst selbst zu binden, von der Beziehung zwischen Poet und Andat – daß Seedless ein Teil von Heshais Wunschträumen und damit Teil seiner selbst ist, seinen Poeten aber gleichzeitig abgrundtief haßt, und daß noch nicht klar ist, ob Heshai Seedless wirklich gebunden hat oder seinen Preis noch zahlen muß – den Preis, gewöhnlich der Tod, den jeder Poet sofort bezahlt, dem beim Binden eines Andats Fehler unterlaufen.

Die Entwicklungen in A Shadow in Summer werden fast ausschließlich über Charaktergeschichten in Gang gesetzt und wichtige Dinge spielen sich oft subtil zwischen den Zeilen ab, daher ist der Roman mit Sicherheit keine groß angelegte epische Fantasy.
Eher ist er eine verflochtene Geschichte der unmöglichen Entscheidungen, bei denen jede Wahl die falsche ist: Liat, die kleine Angestellte eines Handelshauses, die zwischen zwei Männern steht; die Freundschaft von Maati und dem Arbeiter Itani, die von Liat getrübt wird; Maati, der sich sowohl mit Heshai als auch mit Seedless anfreundet – und letztendlich auch die moralischen Entscheidungen, die die Charaktere treffen müssen: Ein Opfer, um Freunde zu retten? Eine Rache an tausenden um der Gerechtigkeit an einem Einzelnen willen? Ein Wesen versklaven, um dem Wohl von vielen zu dienen?

Abraham bringt diese subtilen Nuancen in einem dichten und straffen Stil an den Leser, der trotzdem ausführlich, mit vermeintlich “nebensächlichen” Szenen erscheint, von denen letztendlich keine einzige überflüssig ist. Gerade die alltäglichen Szenen liegen dem Autor besonders, er hat einen guten Blick für das Zwischenmenschliche, für das gewöhnliche, mitreißende Leben im Schatten großer Ereignisse.
Die angelegten Handlungsstränge werden in diesem Band weitestgehend aufgelöst, und erst in den Folgebänden wird sich herausstellen, wie hoch der Preis ist, den die Andat für ihre Dienste verlangen – auch wenn man in A Shadow in Summer bereits einen bitteren Vorgeschmack darauf erhalten kann…

Shadowmarch von Tad WilliamsIm Norden des Kontinents Eion liegen die Königreiche der Marschen. Von den ehemaligen vier Reichen ist nur noch Southmarch bewohnt, die anderen wurden schon vor einigen Jahrhunderten von den Twilight People, märchenhaften Wesen, die schon lange Zeit zuvor weit in den Norden des Landes zurückgetrieben worden waren, zerstört. Der König von Southmarch wird festgehalten, wo er hoffte ein Bündnis gegen den diktatorischen Herrscher des Kontinents Xand zu schmieden, der nun auch seine Fühler nach dem Kontinent des Nordens ausstreckt. Schon bald obliegt die Verantwortung über Southmarch des Königs Zwillingskindern, Briony und Barrick, die den Intrigen am Hofe ausgesetzt sind.

-The belling of the hounds was already growing faint in the hollows behind them when he finally pulled up.-
1 – A Wyvern Hunt

Shadowmarch (Die Grenze) war zu Beginn seiner Entstehung als Fernsehprojekt, in Serienform, geplant. Doch nachdem das Projekt schließlich doch nicht verwirklicht werden konnte, versuchte Tad Williams die Geschichte im Internet umzusetzten. Durch Anregungen und Kritiken der Leser sollte auch die Meinung der Fans in den Fortlauf der Handlung einfließen. Doch das Projekt war finanziell nicht sehr erfolgreich und brachte auch Williams’ andere Pläne in Verzug, so dass er sich entschloss, Shadowmarch in dieser Form einzustellen. So kam es schließlich zu einer Veröffentlichung in klassischer Buchform.

Shadowmarch beginnt mit einem gelungenen, kurzen Abriss der Geschichte der Kontinente Eion und Xand, der dem Leser einen schnellen Überblick verschafft. Die ersten Kapitel des Buches lesen sich sehr gut und vor allem kurzweilig, was bei anderen Werken von Williams, insbesondere Otherland und seinem ersten größeren Fantasy-Werk, den Büchern über die Fantasy-Welt Osten Ard, nicht immer der Fall war. Doch schon bald tritt Ernüchterung ein, die Intrigen am Hof von Southmarch können nicht wirklich überzeugen, gerade weil den beiden Hauptcharakteren, den Zwillingen Briony und Barrick, deutlich die Charaktertiefe fehlt, die der Funderling Chert, eine weitere Hauptfigur, oder auch der Hauptmann Ferras Vansen aufweisen können. Bei der gesamten Geschichte vermisst man die Originalität und den Wortwitz, der Tad Williams, gerade auch in Otherland, so ausgezeichnet hat. So ist die Geschichte zwar interessant, aber nicht unbedingt außergewöhnlich oder innovativ, und weil vor allem im mittlerem Teil des Buches kaum Entscheidendes passiert, fragt man sich, wo die erzählte Zeit von rund einem Jahr Handlung vergangen ist.

Hat man sich schließlich in Richtung Ende vorgearbeitet, nimmt das Geschehen noch einmal stark an Tempo auf, aber das Ganze wirkt eher aufgesetzt und die Erklärungen gegen Ende wirken nicht wirklich überzeugend und schon gar nicht befriedigend, da man sie im Verlaufe des Geschehens kaum erahnen konnte. Williams hat die ganze Geschichte über kaum Hinweise zur Lösung der meisten Fragen ausgestreut, und so fehlt am Ende die Nachvollziehbarkeit. Wirkliche Vorfreude auf die Fortsetzung, die unter dem Titel Shadowplay erschienen ist, mag bei mir nicht aufkommen.

Mit Sicherheit ist Shadowmarch kein schlechtes Buch, aber es kann in kaum einem Punkt (gerade was die Geschichte, ihre Entfaltung und die Schaffung der Spannung angeht) mit den Autoren, die sich auf ähnlich komplexem Gebiet der Fantasy versuchen, wie Greg Keyes, Robin Hobb oder auch George R.R. Martin messen. Tad Williams hat schon brilliante Bücher geschrieben, aber wenn Briony Eddon schon zum dritten Mal wieder vergessen hat, was sie eigentlich tun wollte und ihr Kapitelabschnitt fast wieder denselben Ablauf wie schon der vorige einnimmt und man sich nicht mal ordentlich über sie aufregen kann, weil man ihr wegen der mangelnden Charaktergestaltung eigentlich gleichgültig gegenübersteht, dann macht das ganze keinen Spaß mehr. Die Highlights des Romans findet man in den Nebengeschichten, in den Gesprächen zwischen Chert und dem kleinen “Rooftopper” Beetledown oder den Erlebnissen von Ferras Vansen, wo ab und zu tatsächlich so etwas wie Spannung und Action aufkommt, oder sogar in der Geschichte von Qinnitan, die im interessant gestalteten Reich des Gottgleichen Herrschers des Kontinents Xand überleben muss.
Aber auch diese Punkte können den nur durchschnittlichen Eindruck von der Hauptgeschichte nicht retten.

Shadowplay von Tad WilliamsEine scheinbar unaufhaltsame, riesige Elbenarmee überschreitet die Schattengrenze. Als Barrick in die Hände der Feinde fällt, ist Briony gezwungen, aus der Südmarkfeste zu fliehen. Andernorts flieht auch die ehemalige Novizin des Bienentempels Qinnitan mit dem stummen Jungen Pigeon aus dem Harem des Autarchen. Auf einem Schiff gelangen sie nach Hierosol, wo das Mädchen als 100. Ehefrau des Monarchen von Xis erkannt wird. Während sie und Pigeon eine neue Unterkunft finden, schickt der Monarch einen Auftragsmörder los, um Qinnitan zu beseitigen.
Viele Schicksale stehen auf dem Spiel, und überall lauert der Verrat.

-The older ones in the household had hunted the missing boy for an hour without result, but his sister knew where to look.-
Prelude

Shadowplay (Das Spiel) schließt lückenlos an den ersten Teil der Reihe an und berichtet sowohl vom Schicksal der aus Southmarch Vertriebenen als auch derjenigen, welche sich immer noch dort aufhalten. Neben dem Schwerpunkt von Brionys Flucht und Barricks und Vansens Erkundung des Feenlands werden in vielen Handlungssträngen die Schicksale von bereits bekannten und ein paar bisher unbekannten Personen beschrieben. So erfährt der Leser zum Beispiel etwas vom Schicksal König Olins, während er nach wie vor auch über Chert und Qinnitan auf dem Laufenden bleibt.

Meine Meinung zu dem Buch ist ziemlich gespalten. Zum einen vermag es Tad Williams natürlich zu erzählen, was er auch mit diesem Buch wieder beweist. Zum anderen gibt es aber auch eine Reihe von Kritikpunkten, die den Gesamteindruck trüben. Beginnen wir mit den positiven Aspekten:

Tad Williams Stil vermittelt einem die Welt, die er beschreibt, und die Figuren in ihr sehr gut, so dass man keine Probleme damit hat, schnell wieder in die Geschichte einzusteigen. Auch sind einem eigentlich alle Charaktere recht sympathisch oder wenn sie es einmal nicht sind, so doch zumindest interessant.
Nachdem die Grundvoraussetzungen für ein gutes Buch erfüllt sind, kommen jedoch die Schwachstellen im Detail zum Vorschein. So weist auch dieses Buch eine etwas geruhsame Geschwindigkeit der Handlung auf. Für deutlich über 600 Seiten ist am Ende des Buches rückblickend nicht sehr viel geschehen. Insgesamt wirkt die Handlung zwar etwas schneller als beim ersten Teil, letztlich wird aber auch in Shadowplay sehr viel geredet und angedeutet, aber wenig geschieht wirklich. Das liegt sicherlich auch an der sehr großen Zahl von Figuren, die Williams auftauchen lässt. Dabei nutzt er sie aber nicht als eine Art Stein in einem großen Mosaik, sondern behandelt jeden einzelnen wie den Hauptcharakter einer eigenen Geschichte, was den Fluss des Buches logischerweise bremst.

Neben der lahmenden Geschwindigkeit sind die zahlreichen Klischees ein großer Kritikpunkt. Man hat das Gefühl, als habe Williams von allerlei Geschichten, die ihm gefallen haben, Schnipsel genommen und sie zu seiner eigenen Geschichte verknüpft. Dadurch folgt die Handlung leider viel zu sehr ausgetretenen Pfaden. Hier eine Weissagung, dort ein Orakel und am Ende werden sie wahrscheinlich alle Recht haben. Man bleibt jedoch im Unklaren und wünscht sich regelmäßig, es würde sich endlich etwas Konkretes ergeben. Auch in anderen Punkten ist die Handlung ebenso festgefahren: Die Bösen sind natürlich böse und die Guten müssen leiden. Stirbt jemand, wird vorher deutlich mit einem bunten Strauß Zaunpfähle gewunken, so dass es sogar die betroffene Figur selbst merkt und zum Glück noch notwendige Vorkehrungen für ihre Begleiter treffen kann. Manches fügt sich entschieden zu glatt ineinander ein, mit teils recht weit hergeholten Erklärungen. Aber schließlich folgt die Geschichte ja einer oder mehrerer Prophezeiungen. Als abschließenden und besonders störenden Punkt empfinde ich übrigens die Tatsache, dass Williams jeden (wirklich JEDEN) Handlungsstrang mit einem Cliffhanger enden lässt.

Was Shadowplay letztlich aber doch nicht ganz verkommen lässt, ist Williams ansprechender Schreibstil. Dieser tröstet über die teils sehr störenden Kritikpunkte hinweg und macht das Buch doch noch unterhaltsam.

Shaman's Crossing von Robin HobbNevare Burvelle ist der zweite Sohn einer jungen Adelsfamilie aus dem Osten des Königreiches Gernia. Damit ist er durch die göttlichen Weisungen als späterer Soldat vorherbestimmt, genauso wie sein älterer Bruder das Erbe seines Vaters übernehmen wird und sein jüngerer Bruder eine Ausbildung zum Priester macht. Schon früh in seinem Leben beginnt Nevare die Grundlagen des Soldatenlebens zu lernen, nach seinem 18. Geburtstag macht er sich auf den Weg zur Militärakademie. Doch schon bald wird er in den politischen Konflikt zwischen den alten Herrschaftsfamilien und den neuen Adelshäusern des Ostens hineingezogen, und seine persönliche Zukunft ist in Gefahr.

-I remember well the first time I saw the magic of the plainspeople.-
One: Magic and Iron

Vorab: Ich bin kein allzu großer Fan der Bücher von Robin Hobb. Die ersten beiden Bände der Farseer-Trilogie waren exzellent, der dritte Band gefiel mir nur noch mäßig. Ähnlich ging es mir mit den Liveship Traders, und die zweite Farseer-Trilogie habe ich bisher nicht angerührt. Shaman’s Crossing erinnert ein wenig an Hobbs ersten Roman, Assassin’s Apprentice. Auch hier verfolgen wir den Werdegang eines Jungen, dessen zukünftiges Leben schon recht bald von “oben” festgelegt wird.
Die ersten 100-140 Seiten des Buches lesen sich noch recht zäh, was auch daran liegt, dass Hobb in kurzer Folge das Leben von Nevare in einzelnen Erlebnissen von seinem achten Lebensjahr bis zu seinem 18. Geburtstag zusammenfasst. Das “richtige” Buch beginnt erst mit Nevares Schiffsreise zur Akademie. Hier bekommen wir dann auch einen etwas besseren und umfassenderen Eindruck von der Welt Gernia, die prinzipiell realistisch angelegt ist, d.h. magische Wesen wird der Leser nur selten zu Gesichte bekommen, und auch die Magie gilt als ein verschollenes Relikt der Vergangenheit. Wie schon bei Martins Das Lied von Eis und Feuer oder Keyes Verlorenen Reichen dreht sich Shaman’s Crossing (Die Schamanenbrücke ) vor allem um zwischenmenschliche und auch politische Konflikte bzw. die Folgen dieser Konflikte für die Mitglieder der Akademie. Auch wer große Actionszenen erwartet, wird enttäuscht werden, denn Hobb verzichtet fast gänzlich auf den Einsatz solcher Spannungsmomente.

Dennoch entwickelt der Roman nach dem eher zögerlichen Beginn immer mehr Spannung, was vor allem durch die Charaktere gefördert wird. Wie bei den meisten Romanen von Hobb ist das Geschehen aus der Ich-Perspektive des Hauptcharakters geschrieben und es ist interessant zu beobachten, wie die einzelnen Charaktere des Buches immer wieder in moralischen Konflikt mit den Regeln der Akademie und auch den Weisungen der Religion geraten. Die Gefangenheit der Charaktere zwischen gesellschaftlichen Normen und politischen Ambitionen ist generell das Thema des Buches. Dabei wird das Ganze durch den geistreichen Stil von Hobb und die Tatsache, dass auch der Humor nicht zu kurz kommt, selten langweilig und bleibt bis zum Ende (das den Band relativ abschließt) unterhaltsam. Am Ende fehlt dem Buch jedoch das letzte Feuer (und vor allem die Komplexität), um es wirklich zu einem der Topromane des Genres werden zu lassen. Dennoch ist es ein schönes Buch für einige Abende, das auch interessante Fragen zum Thema Religion und Tradition aufwirft und damit sicherlich eines der Top-15 Fantasy-Bücher des Jahres 2005 ist.

The Shapechanger's Wife von Sharon ShinnDer junge, äußerst talentierte Magier Aubrey will seine Kenntnisse in der Zauberei vervollständigen und die Kunst des Gestaltwandelns erlernen. Sein Lehrmeister weigert sich allerdings, sie ihm beizubringen und verweist ihn an einen Meister dieser Disziplin.
Aubrey macht sich auf in die einsame Gegend mitten im Wald, die der berühmte Magier Glyrenden bewohnt – und trifft in dessen Haus auf allerlei seltsame Gestalten. Ihn fasziniert vor allem Glyrendens junge Frau, die ihren Mann offensichtlich haßt und dennoch an der Seite des charismatischen Magiers bleibt. Während Glyrenden Aubrey ausbildet, entdeckt dieser nach und nach das dunkle Geheimnis das Magiers.

-Until Aubrey arrived in the village to study with Glyrenden, he had no idea that the great wizard had taken a wife.-
One

Epische Breite, bombastische Action, eine Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren und Abenteuern kann The Shapechanger’s Wife (Im Zeichen der Weide) alles nicht bieten – und dennoch ist es ein Kleinod, das es gestattet, sich beim Lesen in eine andere Welt zu träumen. Liebhaber von poetischer, märchenhafter Fantasy liegen mit diesem Buch richtig und werden von der einfachen, kleinen Geschichte nicht enttäuscht werden.
Die sich langsam aufbauende Handlung ist so gut strukturiert, daß man förmlich die finsteren Wolken, die sich allmählich drohend über der anfänglich halbwegs normalen und friedlichen Szenerie zusammenballen, sehen kann. Gewalt und Grausamkeiten finden in diesem Roman hinter verschlossenen Türen statt, treten nur als Ahnungen auf und sind daher umso prägnanter.

Obwohl die Weltschöpfung hier nicht im Vordergrund steht, malt Shinn nach und nach ein schlüssiges und subtiles Bild ihrer Welt und läßt sie vor allem durch die Charaktere leben. Die Konstellation der Hauptfiguren – ein Magier, der selten zu Hause ist, seine frustrierte Frau und sein junger, empfindsamer Schüler – lassen auf eine einfache Liebesgeschichte schließen. Damit liegt man einerseits nicht ganz falsch, andererseits ist von kitschiger Romantik hier nicht einmal ein Echo geblieben. Die Perspektive ist während der ganzen Handlung bei Aubrey, und mit ihm errät der Leser nach und nach die Geheimnisse um Glyrenden und sieht sich mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert.

Shinn bedient sich dabei einer schlichten, und doch fast lyrischen Sprache (garniert mit einigen sprechenden Namen) die man mit viel Genuß lesen kann. Auf gut 200 Seiten ist zwar kein riesiges Panorama an Welt und Handlung zu erwarten, aber diese kleine feine Geschichte unterhält hervorragend, gibt einige Denkanstöße und hält außerdem ein sehr liebevoll gestaltetes Ende bereit, so daß sie in der Nachbarschaft der gängigeren mehrbändigen Werke durchaus bestehen und glänzen kann.

Cover des Buches "Der silberne Hengst" von James Branch CabellDom Manuel, der Graf von Poictesme, ist fort. Auf dem letzten Konvent seiner getreuen Ritter vom Orden des silbernen Hengstes prophezeit der undurchsichtige Horvendil einem jeden von ihnen das Entschwinden aus dem Land. Und die Voraussagen erweisen sich als wahr, denn die Ritter erleben seltsame Abenteuer, an deren Ende keiner mehr der ist, der er vorher war – wenn er überhaupt noch ist. Eng verknüpft damit ist die wachsende Legende des mittlerweile religiös als Erlöser Poictesmes verehrten Manuel. So werden die Ritter bald Relikte einer vergangenen Zeit und haben mit dem Wandel, der durch die Legende ihres ehemaligen Kameraden veranlasst wurde, und anderen menschlichen Schwächen zu kämpfen.

-Man erzählt sich, wie Dom Manuel, der der hohe Graf von Poictesme war und den man überall als den größten und von Skrupeln unbeflecktesten Glücksritter seiner Zeit ansah, ohne Grund und Vorwarnung am Festtag von St. Michael und allen Engeln aus seiner Burg zu Storiesende entschwunden war.-
1 Kindergerede

Schauplätze und Zeitraum des Geschehens umfassen große Weiten, es geht durch Persien, nach Mittelamerika, nach Inis Dahut und den anderen Wunderinseln, sogar in den Himmel und die entgegengesetzte Richtung, doch Kern ist die (fiktive) südfranzösische Provinz Poictesme des 13. Jh. Die realen Hintergründe werden nur beiläufig eingeflochten, die z.T. sehr phantastischen Gesellschaftsformen und Wesen werden zwar etwas ausführlicher behandelt, dienen aber in erster Linie dazu, die anthropologischen Konstanten zu verdeutlichen.
Magische Elemente gibt es haufenweise, aber sie lassen sich nicht auf eine einfache Formel bringen. Nur ein paar Dinge seien hier genannt: Es treten Engel, Dämonen, Götter und Zauberer auf, doch niemals so, wie der Leser es erwartet.

Auch wenn die Zahl der auftretenden Figuren recht groß ist, läßt sich innerhalb eines Abenteuers der Überblick leicht bewahren, aber darüber hinaus ist es z.T. nicht ganz leicht. Zentrale Rollen spielen sieben der zehn Ritter: Gonfal, ein Realist, der die Wunderinseln besucht und um die Hand der Königin Morvyth anhält; Miramon Lluagor, ein Künstler, der endlich die leuchtenden Bienen Toupans erhält und wieder mit seiner Frau Giséle streitet; Coth, ein Hitzkopf und Querulant, der Manuel im fernen Westen bei den Taolteken sucht; Guivric, ein gewitzter Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes um seinen Platz in der Gesellschaft kämpfen muß; Kerin, ein naiver Mensch, den seine Frau Saraïde auf eine langwierige Suche nach den Fragen des Lebens schickt; Nizian, der Rechtschaffendste der Ritter, der wie ein Vogel auftritt – was gläubigen Menschen, weder seiner Frau Balthis noch dem Heiligen Holmendis, nicht gefallen kann und Donander, dem Standfestesten der Zehn, der aus Versehen statt in den Himmel nach Walhalla gelangt. Doch auch die Frau Manuels, die ehemalige Heidin Niafer, die sehr um die Verbreitung der Legende um den christlichen Erlöser Poictesmes bemüht ist, und Jürgen, mal als junger Sohn Coths, mal als alter Pfandleiher, kommen Rollen zu.
Auch wenn die Figuren Inkarnationen von Grundmustern menschlichen Verhaltens sind und keine komplexe Psychologie haben, gelingt es Cabell doch, ihnen allen eine gewisse Einmaligkeit zu verleihen – wer Jürgen gelesen hat, erkennt ihn sofort wieder. Aufgrund der höchst befremdlichen Situationen, in welche die Ritter geraten, stört der Mangel auch nicht besonders.

Der Hauptplot befaßt sich wieder mit Manuel, denn es geht um seine Anpassungsfähigkeit – Mundus vult decipi – selbst nach seinem Verschwinden kann er den Menschen darstellen, was sie sehen wollen. Doch oftmals rückt dieser Strang in den Hintergrund und ins Rampenlicht treten die Nebenplots der einzelnen Ritter – jeder der sieben erhält ein Buch, mit Ausnahme von Coth, der zwei erhält; dazu kommt das erste Buch als Einleitung/Auftakt mit der Prophezeiung Horvendils im Mittelpunkt und das zehnte und letzte Buch als eine Art Abschluß in dem Niafer und Jürgen über Manuel und seine Legende nachdenken.
Die Ritterabenteuer befassen sich immer mit Grundpfeilern des menschlichen Verhaltens und zumeist mit dem Geschlechterverhältnis. Oftmals wird der Sinn und Unsinn des Christentums behandelt. In dem Abenteuer des Miramon Lluagor erhält dieser Toupans leuchtende Bienen, die dem Anwender drei Wünsche gewähren. Doch mit jedem Wunsch wird der schlafende Gott Toupan etwas aktiver, sollte er zur Gänze erwachen, würden die alten Götter zurückkehren und die Schöpfung beenden. Miramons turbulente Variante des 3-Wünsche-Themas entbrennt mit dem klassischen Ehestreit zwischen ihm und Giséle.
Die Nebenplots sind unterschiedlich gut gelungen, manche, wie Guvirics Reise, sind recht schwer zugänglich, da sie zu kryptisch sind, und können daher den Leser nicht so recht mitnehmen. Andere, wie Ninzians Erlebnis, sind dagegen äußerst amüsant. Ihre besondere Qualität erhalten die Geschichten aus der ironischen Überzeichnung der fein beobachteten menschlichen Eigenheiten – spannend sind die Geschichten nur selten.

Der silberne Hengst (The Silver Stallion)
ist der zweite Teil der Chroniken von Poictesme. Er ist zwar ohne weiteres für sich lesbar, da die relevanten Punkte aus Manuels Leben (wenn auch etwas verzerrt) im Kapitel Die Legende von Manuel wiederholt werden, aber mit der Kenntnis der anderen Bücher werden viele Details mit Bedeutung aufgeladen. Insgesamt scheint dieses Buch weniger tiefschürfend zu sein, als es Die Legende von Manuel oder Jürgen ist, dennoch ist dieses eine sehr unterhaltsame Satire auf Ritterromane, Märchen – und das menschlichen Miteinander.
Sprachlich unterscheidet es sich nicht vom üblichen ironischen Stil Cabells; kurze, lakonische Sätze wechseln sich mit langen, geschraubten Reden ab und die Wortwahl ist immer äußerst treffend.

Das Silmarillion von J.R.R. TolkienVon der Schöpfung der Welt, den ersten Kriegen der Valar gegen Melkor und dem Erwachen der Elben und ihrem Schicksal in den westlichen Landen und Mittelerde handelt das Silmarillion in einzelnen, mehr oder weniger abgeschlossenen Erzählungen, die sich zu einer großen, umfassenden Mythologie verbinden lassen.
Der Höhepunkt der Zusammenstellung ist die Geschichte von den Kriegen um die schönsten Edelsteine, die je von Künstlerhand geschaffen wurden: Die Silmaril, mit denen das traurige und verlustreiche Schicksal der Elben in Beleriand verknüpft ist.

-Es heißt unter den Weisen, der erste Krieg habe begonnen, bevor Arda noch ganz erschaffen und ehe noch etwas da war, das wuchs oder ging auf Erden; und lange hatte Melkor die Oberhand.-
I Vom Anbeginn der Tage

Im Silmarillion kann man vieles sehen: Ein Buch mit weiteren Geschichten  aus Tolkiens Welt, inbesondere jenen, die von den Helden des Herrn der Ringe besungen werden. Ein fragmentarisches Werk, nach dem Tod des Autors zusammengestellt und veröffentlicht. Eine Schau von Tolkiens weitläufiger Mythologie, die er für das leidgeplagte Mittelerde oder vielmehr die ganze Welt Arda geschaffen hat, und als halbwegs durchgängige Erzählung, die von der Schöpfungsgeschichte über Zeitalter hinweg die Geschicke der Welt berichtet, am ehesten so etwas wie sein Lebenswerk – das er allerdings niemals zu seiner vollen Zufriedenheit fertig stellte und dessen einzelne Bestandteile in etlichen Versionen vorliegen. Eines ist Das Silmarillion aber nicht: Eine kohärente, kompakte Geschichte, die man wie einen Roman weglesen kann.

Erzählt werden die Mythen der Elben und Menschen vom Anbeginn der Zeit bis hin zur ‘geschichtlichen’ Epoche, die schließlich auch zum Ringkrieg im Hauptwerk des Autors führt. Trotzdem ist Das Silmarillion nur ein Ausschnitt aus Tolkiens umfassender Mythologie.
Schwere Kost also, und auch der Text an sich ist nicht leicht zugänglich. Der Anhang mit  Namensregistern und Stammbäumen zeigt teilweise schon auf, weshalb: Figuren kommen und gehen als Spielbälle des Schicksals, und zu den einzelnen wichtigen Charakteren kann man nur sehr bedingt Bezüge aufbauen. Gerade anfangs sind auch lange Landschaftsbeschreibungen häufig, in denen Ardas Oberfläche dem Leser detailliert vor Augen geführt wird.
Man erfährt die Handlung nicht aus Charaktersicht, sondern aus einer über den Ereignissen stehenden Perspektive im Stil einer Chronik. Generationen vergehen, Kriege werden geführt und das Angesicht der Welt verändert sich. Diese Art des Erzählens ist nicht auf gewohnte Art spannend und auch anders strukturiert, denn erzählt wird die Geschichte einer Welt, in der nur einzelne Stränge abgeschlossen werden, die aber immer im Fluß bleibt.

Wenn man sich aber auf den Stil einläßt, der so gar nicht dem Leitfaden “wie schreibe ich einen Roman” folgt, dann findet man sich in einer Erzählung wieder, die so monumental, archaisch und ausufernd ist, daß man sie eher in eine Reihe mit Homers Epen, Gilgamesch oder der Edda stellen kann, als neben einen anderen Fantasy-Roman. Die für diese Zusammenstellung gewählten Abschnitte ergeben letztendlich ein erstaunlich rundes Bild der Geschichte und sind meistens in sich geschlossen.
Wer mit einer Mischung aus archetypischen Ursprungsgeschichten, Erzählungen von den ersten und den letzten Dingen, monumentalen Schlachten und echtem, nicht aufgesetztem Pathos etwas anfangen kann, sollte einen Versuch mit dem Silmarillion wagen – wer einen ersten Einstieg in die Geschichte Mittelerdes sucht, ist sowieso an der richten Stelle. Es hat auf jeden Fall mehr zu bieten als nur den Herrn der Ringe geschichtlich zu vertiefen, und wie es sich für ein richtiges Epos gehört, klingen etliche Stellen so schön, als seien sie zum lauten Vortragen geschaffen worden.

Cover des Buches "Sommer der Drachen" von Lawrence Watt-Evans Im Sommer der Drachen ist der junge Arlian der Einzige, der den Angriff der mörderischen Echsen auf das Dorf Obsidian überlebt. Von Plünderern als Sklave in die Fremde verkauft, bewegt ihn fortan nur ein Gedanke – Rache zu nehmen an denen, die seine Familie und seine Kindheit auf dem Gewissen haben …

-»Hast du schon mal einen Drachen gesehen, Grandsir?«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht«, antwortete er. »Schließlich bin ich noch am Leben, nicht wahr?«-
Erstes Buch: Arlian ; 1- Drachenwetter

Der Auftakt der Obsidian-Chroniken ist nicht gerade ein Meisterstück der fantastischen Erzählkunst.
Die Handlung ist mehr als dürftig und vorhersehbar, die Charaktere sind bloße Schemen und der Protagonist ist unglaubwürdig. Einzig die Welt scheint interessanter als der Rest, kann das Buch aber auch nicht unbedingt retten. Die Handlung wirkt arg durchkonstruiert und lässt kaum Spannung aufkommen. Ein paar Pseudo-Erörterungen über die Ungerechtigkeit dieser Welt (mit immer demselben Ergebnis) helfen da auch nicht weiter. Und die vielen Zufälle und glücklichen Fügungen machen die Handlung nicht glaubwürdiger. Die gesuchten Drachen tauchen zwar zu Beginn der Geschichte auf, danach sind sie aber nur noch der Aufhänger, die dunkle Bedrohung, die Arlian bekämpfen will. Des weiteren erfährt man recht wenig von ihnen.

Die Charaktere sind meistens nach Schema F aufgebaut. Einfallsreiche Namen wie Blitzhand (weil er schnell mit dem Schwert ist), Black (schwarze Sachen) und Sumpf (entsprechendes Aussehen) sagen bereits alles über die Personen aus, mehr braucht man nicht zu erfahren. Da die meisten Personen eh nach einigen Seiten wieder verschwinden, ist das auch nicht weiter dramatisch. Die Stilisierung auf bloß eine herausragende Eigenschaft spart schließlich viel Zeit. Der Protagonist Arlian ist eine Mischung aus naivem Bauernburschen und Schwertkämpfer, der vergeblich versucht, Gerechtigkeit in die Welt zu bringen.
Nun, im Grunde eine interessante Idee, denn Arlian muss immer wieder feststellen, dass er als Einzelner kaum imstande ist, etwas großartig zu bewegen. Da wäre jede Menge Raum für entsprechende Ausführungen, stattdessen nimmt der Autor den einfacheren Weg: Arlian ist noch zu jung oder zu unerfahren, er muss noch viel lernen, aber dann irgendwann wird er seine Rache bekommen. Entsprechend kann man sich den Fortgang der Geschichte denken, besonders, da Arlian ja jetzt schon auf dem besten Wege ist, ein herausragender Schwertkämpfer zu werden. Wollen wir hoffen, dass der Autor in den Folgebänden nicht weiter den einfachen Weg nimmt und Arlian tatsächlich einfach alle abmetzeln darf, doch alle Zeichen stehen dafür. Die Naivität von Arlian ist wohl die größte Schwachstelle des Charakters, sie ist einfach viel zu unglaubwürdig. Nach dem Tod der Eltern durch Drachen, Jahren der Gefangenschaft als Sklave und Bezeugen dutzender Ungerechtigkeiten gegen andere glaubt er trotzdem fest daran, alles wieder richten zu können. Seine Liste von unerledigter Rache wird im Laufe des Buches immer länger, aber das scheint ihn nicht zu stören. Als Ausgleich für diese Naivität lernt er die Kunst des Schwertkampfes, wo er zwar nicht sofort ein Meister wird, aber natürlich nicht untalentiert ist.

Einzig das Setting birgt ein paar interessante Begebenheiten, die aber viel zu vage beschrieben werden, als dass sie ein richtiges Bild der Welt erzeugen könnten. Arlian stapft anscheinend mit Scheuklappen durch die Welt und bemerkt nur das Nötigste. Schade eigentlich, denn schon das Grobe lässt auf ein paar interessante Ideen schließen.
Sprachlich ist das Buch auch kein riesiger Wurf. Einfache Sätze ohne herausragende sprachliche Gewandtheit, der Story entsprechend simpel. Zumindest gab es keine grammatikalischen Verstöße, wenn man schon was Positives erwähnen will. Alles in Allem also ein sehr enttäuschender Anfang, der mich nicht gerade fesseln konnte.

Zuletzt noch eine Bemerkung zum Coverbild: es hat rein gar nichts mit der Handlung zu tun.

Cover des Buches "Sommer der Zwietracht" von Daniel AbrahamDas Wirken der magischen Kreatur Samenlos garantiert der blühenden Handelsmetropole Saraykeht Wohlstand und Macht, doch es wird allein durch den Zauberdichter Heshai erzwungen, an den Samenlos nicht länger gebunden sein möchte. So wird Heshai zur Zielscheibe, als äußere Feinde auf den Untergang der Stadt hinzuarbeiten beginnen – denn wenn der Dichter stirbt, ist auch Saraykeht verloren …

-“Tahi-kvo hat mir gezeigt, daß mein Urteil mein Kompass ist, und Milah-kvo hat mir vermittelt, daß halb gelernte Lektionen nichts wert sind. Ich hatte mich entschieden, die Schule zu verlassen, und mit dieser Entscheidung lag ich richtig. Ich hätte mich nicht dazu verleiten lassen sollen, zurückzukehren. Mehr, ehrwürdiger Dai, habe ich hier nicht gelernt.”-
Prolog

“Saraykeht ist die bedeutendste der großen Sommerstädte: vor Leben pulsierend, ein Hort des Friedens und des Fortschritts. Doch leider hat Saraykehts sagenhafter Reichtum den Neid seiner Nachbarn geweckt, die skrupellos auf den Sturz der mächtigen Metropole hinarbeiten …”
Liest man auf der Buchrückseite diesen Text, glaubt man im Inneren des Buches einiges an Kriegswirren und Schlachtengetümmel vorzufinden, doch es wird bald klar, dass man sich auf eine hinterhältige aber dennoch äußerst kunstvoll eingefädelte Intrige eingelassen hat. Intrigen – eigentlich nicht mein bevorzugtes Terrain – weder im wirklichen Leben noch in Romanen. Trotz meiner Vorbehalte habe ich mich auf Daniel Abrahams Sommer der Zwietracht (A Shadow in Summer), dem Beginn der Geschichten um die Magischen Städte, eingelassen und erlebte eine angenehme Überraschung: je weiter ich in die Geschichte vordrang, desto mehr sorgfältig, ja liebevoll beschriebene Details, z.B. zu Personen, Schauplätzen und Handlungsverlauf, konnte ich entdecken. Interessant ist die Gesellschaftsstruktur, die Abraham für die Magischen Städte gewählt hat und die auf asiatisch anmutenden Lebens- und Arbeitsverhältnissen basiert. Das gesellschaftliche Miteinander wird von komplizierten Gesten bestimmt, die das Gesagte entsprechend untermauern. In der Übersetzung wurde leider ein wenig zu oft und damit eintönig der Begriff “Gebärde” verwendet, sodass er einem mit der Zeit ein wenig lästig wird. Es wäre schön gewesen, wenn man noch ein oder zwei Synonyme für diesen Begriff gefunden hätte.
Trotz dieses kleinen Mankos war ich von dieser gesellschaftlichen Besonderheit fasziniert, denn das Zusammenspiel von Gestik, Mimik und Sprache ist so gestaltet, dass sich die handelnden Figuren bei allem Respekt die ein oder andere Unverschämtheit zu verstehen geben können, ohne sich – beispielsweise bei heftigeren Konflikten – einer plumpen Fäkalsprache bedienen zu müssen. Die Geschichte der Sommerstadt Saraykeht wird in locker-flockiger Art erzählt, die sich entspannt lesen lässt. Die Sätze sind nicht zu lang und auf überflüssige Information wird verzichtet. Alles wird so beschrieben, dass man ein klares Bild des gerade Geschilderten vor Augen hat, ohne dass sich der Autor in zu genauen Detailbeschreibungen verliert. Die Handlung wird sehr zügig vorangetrieben, sodass keine Langeweile aufkommt.

Tumbe Gewalt ist in Sommer der Zwietracht (A Shadow in Summer) nicht zu finden, obwohl durchaus Gewalt vorkommt. Abraham hält sich jedoch nicht länger als unbedingt nötig mit der Beschreibung solcher Passagen auf. Er schildert nur, was zum jeweiligen Verständnis der Situation unbedingt notwendig ist. Diese Balance zu finden und zu halten ist nicht einfach, doch Abraham ist dies hervorragend gelungen. Nicht nur bei der Schilderung von Gewaltszenen hat der Autor bewiesen, dass er mit Bildern und Sprache umzugehen weiß – gleiches gilt auch für die lebendige Beschreibung seiner Figuren, denn Abraham gelingt es vortrefflich, dem Leser die Gefühlswelt seiner Charaktere nahezubringen. Gleichzeitig offenbart sich deren Facettenreichtum erst im Laufe der Geschichte.

Nachdem aus den Magischen Städten eine Tetralogie werden soll, gibt es in Sommer der Zwietracht auch Figuren, bei denen abzusehen ist, dass eine Weiterentwicklung des Charakters geplant ist. Dies gilt vor allem für den Sohn des Khai Machi, den Dichterschüler Maati, die angehende Verwalterin Liat und das Inselmädchen Maj, die Hauptrollen in dieser Geschichte innehaben und sicher noch eine Rolle zu spielen haben werden.

Kein Fantasy-Roman ohne ein wenig Magie – doch das magische Element ist hier genauso ungewöhnlich wie die Geschichte selbst. Magie im eigentlichen Sinn kommt nicht vor, sondern nur in Form eines Geschöpfes, einem sogenannten “Andaten”. Die “Andaten” sind zu menschlicher Gestalt geformte Gedanken und Ideen, mächtig, ja nahezu gottähnlich, die allerdings fast wie Sklaven unter der Herrschaft des Menschen stehen, der sie kraft seiner Vorstellungen erschaffen hat. Nun ist es aber nicht ganz einfach ein solches Wesen zum Dasein zu erwecken, geschweige denn, es unter Kontrolle zu halten. Das Wissen, das dazu notwendig ist, wird streng gehütet und nur an Auserwählte weitergegeben. Diese Ideen sind neu und man möchte so bald wie möglich mehr über diese faszinierenden Wesen erfahren, die so gar nichts mit den bekannten Feen, Elfen und Kobolden gemein haben.
Sommer der Zwietracht
arbeitet mit dem uralten Erfolgsrezept der Intrige in den höchsten (und damit entscheidungsbefugten) Kreisen, dennoch liest man hier keine abgedroschene “Königshausintrigengeschichte”, wie man sie schon zum wiederholten Mal in anderen Büchern (und Filmen) vorgefunden hat, sondern bewährte Zutaten in neuer Komposition. Erfrischend anders in der Zusammensetzung mit menschlichen Figuren, deren Gedanken und Gefühle dem Leser hier sehr nahe gebracht werden, sodass man auch für die “andere Seite” Mitgefühl und Verständnis aufbringt und die Grenzen von Gut und Böse verschwimmen.
Ich hoffe, dass Daniel Abraham mit seinem Winter des Verrats an diesen starken Auftakt anknüpfen kann.

Son of Avonar von Carol BergSeri ist eine Dame aus einem der großen Adelshäuser von Leire, aber sie führt ein ärmliches und zurückgezogenes Leben in einem kleinen Dorf. Eines Tages findet sie einen nackten jungen Mann in der Wildnis, der nicht sprechen kann. Fast widerwillig kümmert sie sich um ihn, als sie erfährt, daß er gesucht wird – unter anderem von denselben Höflingen, die ihr einst großes Leid antaten. Sie ist vor Jahren für das schrecklichste Verbrechen bestraft worden: das Verstecken eines Zauberers.
Nach und nach erfährt sie mehr über ihren Schützling, seine Talente und seine Feinde – und statt ihn der Obrigkeit zu übergeben, schützt sie erneut einen Zauberer. Doch was es wirklich mit den magisch begabten Menschen auf sich hat, kann sie nicht annähernd erahnen.

-The dawn wind teased at my old red shawl as I scrambled up the last steep pitch of the crescent-shaped headland the villagers called Rif Paltarre – Poachers Ridge.-
Chapter 1

Bei Carol Bergs drittem Fantasy-Szenario hat sich im Vorfeld vor allem eine Frage gestellt: Hat sie es wieder getan? Die Antwort: Und ob! Wieder einmal sind sämtliche Hauptcharaktere zu Beginn der Handlung gebrochen, haben Schlimmes hinter sich und  sind mit dem Leben fertig – bis etwas in ihren Alltag dringt, das ihre Lebensgeister aufs neue weckt. Man erkennt deutlich, daß die Strukturen von Bergs Romanen große Parallelen aufweisen, und es bleibt auch nicht bei der standardisierten Ausgangssituation, die natürlich für die Charakter- und Plotentwicklung ganz andere Möglichkeiten bietet als ein junger Held an der Schwelle zum Erwachsenwerden.
Trotzdem ist Son of Avonar ein eigenständiger und durchaus mitreißender Roman geworden, der sich durch einen cleveren Aufbau in zwei Zeitebenen, die abwechselnd erzählt werden, wie am Schnürchen liest. Eine lebendige Welt und hervorragende Charaktere sind bei Berg garantiert, und was auch in dieser Reihe besonders hervorsticht, ist der extravagante Zugang zur Magie: Die klaren und stimmigen Formen, die sie in Bergs Welt annehmen kann, machen oft mehr her als der übliche “ich kann alles”-Zauberer der Fantasy.

Hauptfigur und Ich-Erzählerin Seri wächst einem schnell ans Herz, beeindruckt durch ihren scharfen Verstand und ihren Humor selbst in mißlichsten Lagen und handelt für den Leser immer nachvollziehbar, selbst wenn sie Fehler macht. In dem Handlungsstrang, der Seris Vergangenheit aufarbeitet (und dessen Ende durch die Gegenwartshandlung dem Leser bereits bekannt ist), steht weniger die Spannung als eine Liebesgeschichte im Vordergrund, deren Kitsch-Faktor sich durch Seris abgeklärte Erzählstimme in Grenzen hält.

Gegen Ende des Romans ist allerdings vieles vorhersehbar (besonders, wenn man schon einmal gelesen hat, welche Wendungen im Plot und den Figuren die Autorin gerne anbringt) – dennoch gelingt die ein oder andere Überraschung; und auch wenn sich manche Charaktere genauso entwickeln, wie man es erwartet hat, bleiben sie durch ihre einprägsame Ausgestaltung interessant. Zum Glück endet das Buch nicht mit einem Cliffhanger, obwohl auf Charakterebene einiges offen bleibt.
Nach wie vor gilt: Carol Berg ist die Autorin für die Kombination aus High Fantasy und tiefgreifender, schlüssiger Charaktergeschichte, allerdings wäre es schön, wenn sie sich mehr als nur Variationen desselben Themas zuwenden würde.

Song of the Beast von Carol BergEinst galt Aidan MacAllister als Günstling der Götter und bester Musiker seiner Zeit, und seine Lieder hatten die Kraft, die Gemüter der Menschen zu verändern. Doch plötzlich verschwand er spurlos – wegen Verrats am König, seinem Vetter, wurde er eingesperrt. Nach 17 Jahren wird er entlassen, aber das Gefängnis hat ihn gebrochen, sein Talent ist verwirkt. Doch sein Lebenswille erwacht langsam wieder, denn er will herausfinden, warum er jahrelang gefoltert und von der Welt ferngehalten wurde. Die Drachen, Kriegsbestien des Königreiches und Säulen seiner Macht, scheinen dabei eine wichtige Rolle zu spielen, aber bevor Aidan mehr herausfinden kann, wird er wiederum von den Häschern des Königs verfolgt.

-The light had almost undone me. I had not been prepared for any of it, dead man that I was, but never could I have been ready for the shattering explosion of sunlight after so many years in the dark.-
Chapter 1

Nach der Veröffentlichung von Carol Bergs Rai-Kirah-Trilogie konnte die Autorin auch diesen – früher verfaßten – Roman veröffentlichen, einen heimlichen Erstling also. Man merkt ihm auch einige ungeschliffene Kanten an, vor allem in der nicht ganz ausgewogenen Handlungskonstruktion, und Themen und Elemente decken sich zum Teil mit dem, was die Autorin später ausführlicher und elaborierter ausgearbeitet hat.
Aber Song of the Beast besticht durch faszinierende Plotideen rund um Götterglauben, Drachen und Musik, eine spannende, treibende Handlung, souveräne Sprache und  gelungene Charaktere. Der abgeschlossene Einzelband bietet zudem eine epische Handlung auf nicht zu vielen Seiten.

An Parallelen zu den drei Vorgängern sticht als erstes der zu Beginn gebrochene und aussichtslose Hauptcharakter ins Auge. Berg weiß allerdings mit ihren Figuren umzugehen, so daß gerade in diesem Bereich nicht so schnell Langeweile aufkommt: es sind durch die Bank keine Neulinge, die sich erst ihren Platz in der Welt suchen und Erfahrungen machen müssen, sondern gestandene Männer und Frauen, die bereits viel durchgemacht haben. Für diesen Hintergrund ist die Ich-Perspektive des Romans die beste Wahl, allerdings wechseln die erzählenden Charaktere, und die Übergänge sind trotz der eindeutigen Zuordnung nicht immer bruchlos von statten gegangen, zumal die sehr ungleichmäßige Verteilung (es gibt nur sehr kurz einen Schwenk zu einer anderen Figur) wie ein strukturell unschöner Notnagel in der Plotkonstruktion wirkt.

Viele Wendungen und Überraschungen lassen die Handlung fast bis zur letzten Seite spannend bleiben – und an den gediegenen Szenen- und Satzkompositionen merkt man trotz der Konstruktionsschwächen, daß hier eine sehr talentierte Erzählerin am Werk ist: Egal, ob bewegend, lustig oder haarsträubend spannend, Carol Berg bewegt sich immer auf sicherem Boden. Nebenbei wird eine Welt präsentiert, die im Detail, auch wenn man nur dedizierte Ausschnitte zu sehen bekommt, sehr lebensecht wirkt – Magie wird man allerdings vergeblich suchen.

Das Besondere an Song of the Beast und der Grund, weshalb man vielleicht trotz  der ungeschliffenen Kanten einen Blick hineinwerfen sollte, sind die Drachen. Selten hat man ein so gelungenes und stimmiges Konzept für diese beliebten Fantasystereotype schlechthin gelesen. Was meistens irgendwie gekünstelt und zusammengeschustert wirkt, läuft hier wie geschmiert: Die Drachen sind viel mehr als nur Tiere, aber meilenweit von einer anthropomorphisierten Darstellung entfernt und strahlen die Erhabenheit aus, die man sich zumindest in diesem Setting von solchen Urmächten erwartet.

The Soul Weaver von Carol BergVier Jahre sind vergangen, seit Gerrick vor den drei Lords von Zhev’na gerettet wurde. Er lebt zusammen mit Seri in Leire, erholt sich aber nur sehr langsam von seinen traumatischen Erlebnissen. Karon dagegen ist in Gondai zurückgeblieben und führt sein Volk im Kampf gegen die Zhid. Nur selten hat er Zeit, Seri zu besuchen, und zu Gerrick findet er kaum einen Zugang.
Als endlich ein erfolgversprechender Plan gegen die Zhid geschmiedet wird, besucht Karon vor Freude überwältigt seine Familie. Kurze Zeit später läßt Verrat seine Pläne scheitern. Für Karon gibt es nur eine Antwort: Sein Sohn  ist immer noch an die finsteren Lords gebunden. Rachedürstig macht er sich nach Leire auf.

-My senses were deafened by Jayereth’s pain. Desperately I fought to maintain my control, to prevent her agony from confusing my purpose.-
Prologue: Karon

The Soul Weaver war ursprünglich als Abschlußband der D’Arnath-Reihe geplant, wird aber nun durch einen vierten Band fortgesetzt. Dennoch macht das Buch einen relativ runden Eindruck, und die meisten Handlungsstränge werden zum Abschluß gebracht.
Gegen die beiden mitreißenden Vorgänger fällt The Soul Weaver in einigen Bereichen leider ab. Im Mittelpunkt des Geschehens steht das turbulente und von Schicksalsschlägen getrübte Familienleben von Seri, Karon und Gerrick. Es gibt einige Schlüsselszenen der drei, die vor allem für diese mittlerweile wohlbekannten Charaktere viel zu pathetisch wirken. Seri ist zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn hin- und hergerissen und verliert dadurch unter anderem die Entschlossenheit, die sie in den Vorgängern als treibende Kraft der Handlung ausgezeichnet hat. Auch Karon und Gerrick wirken manchmal unglaubwürdig und machen Entwicklungen durch, die eher von der Handlung erzwungen als schlüssig erscheinen.
An anderer Stelle brilliert Carol Berg dagegen wieder mit ihrem Talent für stimmige Charaktere – sie braucht wichtige Nebenfiguren wie den wunderaren Ven’dar nur eine halbe Seite lang einzuführen, und schon haben sie Persönlichkeit und nehmen den Leser emotional mit.

Das titelgebende Konzept des Soul Weaver wurde nicht so sehr ausgereizt, wie man sich das vielleicht gewünscht hätte. Es sorgt zwar für spannende Szenen und Überraschungen, auch mittels der verschiedenen Erzählperspektiven, die die Autorin in diesem Band wieder geschickt kombiniert, bleibt aber an der Oberfläche des Möglichen, wohingegen andere magische Erscheinungen viel Raum einnehmen, ohne einen komplett durchdacht oder verständlich wirkenden Hintergrund zu bekommen.
Daß die Geschichte dennoch überzeugt, liegt unter anderen an den Kleinigkeiten: Nebenfiguren, die man einfach mögen muß, Einzelszenen, die ans Herz gehen, Reinigungsrituale, die Lust auf Baden machen. Da möchte man fast, aber nur fast, über die Schwächen hinweglesen, kann sich aber auch angesichts des angehängten Folgebands des Eindrucks nicht erwehren, daß in diesem dritten von vier nicht ganz dünnen Büchern etwas viel Lärm um nichts gemacht wurde.

Shadowmarch: Das Spiel von Tad WilliamsEine scheinbar unaufhaltsame, riesige Elbenarmee überschreitet die Schattengrenze. Als Barrick in die Hände der Feinde fällt, ist Briony gezwungen, aus der Südmarkfeste zu fliehen. Andernorts flieht auch die ehemalige Novizin des Bienentempels Qinnitan mit dem stummen Jungen Pigeon aus dem Harem des Autarchen. Auf einem Schiff gelangen sie nach Hierosol, wo das Mädchen als 100. Ehefrau des Monarchen von Xis erkannt wird. Während sie und Pigeon eine neue Unterkunft finden, schickt der Monarch einen Auftragsmörder los, um Qinnitan zu beseitigen.
Viele Schicksale stehen auf dem Spiel, und überall lauert der Verrat.

– Die älteren Frauen des Haushalts suchten schon eine Stunde vergeblich, aber die Schwester des verschwundenen Jungen wusste, wo sie nachsehen musste. –
Vorspiel

Zu Das Spiel liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Die Spur des Seketi von Gesa HelmDie Schicksale von gut einem Dutzend Menschen sind auf mystische Weise miteinander verwoben. Im Zentrum der Geschichte stehen die Geschwister Maijsa, Tisme, Tihon und Hoan, die einer Färberfamilie aus Gachten entstammen. Ihre Lebenswege sind ungewöhnlich und werden von den Machtkämpfen rivalisierender, ehrgeiziger Adliger beeinflußt. Aber nicht nur die politische Realität bestimmt das Leben der Geschwister, sondern auch ein Dämon: Der Seketi, ein wolfsähnliches Raubtier. Tisme gelangt als kleines Mädchen in den Besitz einer geschnitzten Figur, die diesen Dämon darstellt und sie hat nach einem Unfall eine Narbe, die wie ein Tatzenabdruck aussieht. Das verbindet ihr Schicksal mit dem des Kajec, einem Glasmacherlehrling, der als Sklave in den Bleiminen landet, später ein Rädchen im Getriebe der politischen Intrigen wird und der als Junge von seinem Onkel unter das Zeichen des Seketi gestellt wurde.

– In Nehrasaxar, an dessen langer Küste der Wind stets gegenwärtig ist, gibt es ein Sprichwort: “Alles trägt der Wind davon – Blätter, Ziegel und die Last der Gedanken”.-
Gedanken auf einer Terrasse

Die größte Schwierigkeit bei der Lektüre des Buches besteht für den Leser darin, sich zunächst einmal zu orientieren und einen Überblick zu gewinnen, wer die Hauptpersonen der Geschichte sind und wovon der Roman eigentlich handelt. Fremd klingende Namen und Bezeichnungen für Personen, Titel, Länder und Städte, Gegenstände und Speisen; Rückblicke, Vorausdeutungen, wechselnde Namen für ein und dieselbe Person und verschiedene Erzählperspektiven machen es dem Leser nicht gerade leicht, schnell einen roten Faden zu finden. Aber dank des ausführlichen Glossars lichten sich früher oder später die Nebel und man fragt sich beschämt, warum man mit Sätzen wie Und so erfährt man, daß ein Solargenetzu zweihundert Undeten in Gold an den hochgeborenen Niaketer Hes Phogas zu übermitteln hatte, bestimmt für die Wagnerin Zitanucha kahatan Batwanes in Kehestre. Der Auftrag war von Banaikxo Kehestrezu erteilt worden, >geschworenen Mann des Hinehniak und Hes Niaketer als solcher bekannt< je irgendwelche Schwierigkeiten hatte und warum man die Erläuterung zu Pekeiraz (>gehen + Anstieg + ich<. Z’Pekeiraz, HiasPekeiraz, Zuname Sarinai, Schimpfname >Einäugiger Dämon<), Nehri aus Sarine, ZMiach, Ringträger der P’Mesam und TesMesam, Absolvent der Hohen Schule (Z’Mes), Dreiringträger, Vertrauter Gachots, Gildenmeister Gachtens, ab 273 Hias Sarkach und Siegelträger, ab 280 Statthalter Zabgas, nach Attentat einäugig; verfaßte zum Vergnügen gel.Verse (Beispiele in der Beshechsiach-Samllung Gachten); ab 289 Najajaz-Name Okanateros, Händler in Pahija, ab 296 erster Kanzler von Kajx; 246-325 zunächst als nicht wirklich hilfreich empfand.
Hat man diese Hürde erst einmal genommen, darf man sich an einem spannenden, epischen Roman erfreuen.

Die Handlung spielt in den fiktiven Regionen Banahicha und Nehra. Die Welt ist mittelalterlich, es gibt noch keine funktionierenden Handfeuerwaffen und erst recht keine Industrie. Aufgrund der fremdartigen Namen erinnert sie an Kulturen, wie man sie zum Beispiel im asiatischen Teil Rußlands findet. Keinesfalls ist diese Welt unser europäisches Mittelalter, wie man es aus Ritterfilmen kennt.
Magie hat einen bedeutenden Anteil am Leben der Menschen, sie ist aber kein plakativer Hokuspokus. Manchmal scheint sie nur geschickt eingesetzte Psychologie zu sein. So glauben die Nehri an Namensmagie, also daran, daß der Name eines Menschen den Träger beeinflußt. Eine andere magische Technik ist das Spiegeln, dabei verstärkt man das Gefühl eines anderen. Wenn jemand einen Auftrag nicht pflichtgemäß erledigt, dann hat er zumindest ein geringes Schuldgefühl. Jemand, der sich auf das Spiegeln versteht, würde das vorhandene Schuldgefühl so sehr verstärken, daß er sicher sein kann, daß der Auftrag das nächste Mal zu seiner Zufriedenheit erledigt wird. Es gibt aber auch unberechenbarere Arten von Magie: Dämonen beeinflussen das Leben der Menschen zum Guten oder zum Schlechten hin und manche Menschen opfern sich durch rituellen Selbstmord einem Gott und werden dann zu Seitjihinx, machtvollen Geistwesen, die freundlich oder bösartig sein können.

Die Geschichte ist in eine Rahmenhandlung eingebettet: Die Erzählerin ist eigentlich Historikerin, der Roman ist aber nicht das Ergebnis ihrer wissenschaftlichen Arbeit, sondern sie schreibt auf, was sie in Visionen, also auf magische Weise, erfahren hat. Das erklärt auch die Komplexität des Romans. Als Leser hat man den Eindruck, das Entstehen eines riesigen Gobelins zu verfolgen, die Stickerin fertigt das Motiv in der linken oberen Ecke, dann ein anderes am rechten Rand, dann eines in der Mitte und je mehr die Künstlerin fortschreitet, um so mehr erkennt der Betrachter wie alles zusammenhängt und am Ende steht er vor einem farbenprächtigen Kunstwerk, in dem sich jeder Stich harmonisch mit den anderen zusammenfügt. Gesa Helm erzählt in ihrem Roman viele Geschichten: die von Maijsa, die sich aus Unerfahrenheit in den falschen Mann verliebt und schließlich zur Retterin des Erben Gachtens wird, die von Tisme, die sich für eine Dämonenfreundin hält und unerschütterlich daran glaubt, daß alles gut werden wird, die von dem verschlagenen Kajec, der schon als Kind von allen beschimpft wurde, weil seine Mutter trank und der als Erwachsener hart und gewalttätig ist, die von der gelähmten Setajnij, die sich für ihren Bruder Banaikxo opfert, der später Bekanntschaft mit Kajec machen wird, sie erzählt die Geschichte von Pekeiraz, einem machtgierigen Emporkömmling und die seines Schreibers Stani, der ein Freund von Hoan ist, dem Bruder Tismes und Maijsas. Auf derartige Weise sind all diese Menschen miteinander verbunden und beeinflussen das Schicksal der anderen, oft, ohne es zu wissen. Am Ende fügen sich alle Erzählstränge harmonisch zusammen, auch wenn einige Fragen offen bleiben und es ist erstaunlich, wie Gesa Helm die verschiedenen Geschichten über fast neunhundert Seiten spinnt, ohne sich in ihrem eigenen Gespinst zu verheddern oder logische Fehler zu begehen.
Es gibt aber einen Fehler im Buch: Der Rezensent hat auf der Karte eine halbe Stunde nach Gachten gesucht, dem zentralen Ort des Romans. Ergebnis: Gachten ist auf der Karte nicht verzeichnet. Dort wo die Stadt sein müßte, am Zufluß des Deseb prangt nur ein dicker schwarzer Punkt, ohne Ortsbezeichnung.

Die Stadt des blauen FeuersIn Darujistan und in Schwarz-Korall scheint, nachdem der offene Krieg vorbei ist, langsam Ruhe in die Straßen einzukehren. Jedoch nicht in das Herz ihrer Bewohner: während sich Seesoldaten einer neuen Bedrohung ausgesetzt sehen und Crokus auf der Suche nach seinem alten Leben nur Scherben findet, formiert sich in Schwarz-Korall ein Widerstand gegen die herrschenden Tiste Andii. Und was hat es eigentlich mit dem Erlöserkult auf sich …?

– Ruhm und böse Omen, freudiges Wiedersehen und schreckliche, drohende Gefahr, ein geflügeltes Dies und ein geflügeltes Das, … was für eine Nacht!
Was für eine Nacht! –
Kapitel 3

Nach all der großflächigen, unbegreiflichen Kriegsgewalt der vergangenen Bände, nach der Pannionischen Domäne, nach den Auseinandersetzungen in Letheras folgt mit Die Stadt des blauen Feuers (Toll the Hounds, 1. Teil) ein neuer Band der Reihe, der leisere Töne anschlägt. Es ist nicht mehr das Geräusch zehntausend marschierender Soldaten, sondern das Weinen in der Dunkelheit, das leise Gerede in beinah leeren Gasthäusern, die geflüsterten Drohungen, die den Takt des Buches angeben. Das menschenverachtende Schlachtgewühl weicht dem inneren Krieg, den Schuldgefühlen, den schlaflosen Nächten. „Im Krieg lag Trauma“ – diese Lektion, diese Quintessenz des Romans, müssen sowohl Figuren als auch Leser kompromisslos und schmerzhaft lernen.

Nach der Unmenschlichkeit des Krieges wendet sich Erikson also den nicht weniger bedrückenden Menschlichkeiten zu. Einem Kammerspiel gleich konzentriert sich die Handlung auf die Städte Darujistan und Schwarz-Korall und ihre Bewohner und Besucher. Die Akteure der großen Kriege sind weitläufig verstreut, doch das Leben pulsiert in beiden Städten, die zu Orten großer Konvergenzen werden. Sehr schnell wird deutlich, dass Erikson mit diesem Roman ein anderes Tempo einschlägt als mit den Vorgängerbänden; bis sich die inneren Konflikte der Figuren in äußere umwandeln, vergeht mehr als die Hälfte des Buches – und darin liegt sein großer Gewinn. Erikson lotet seine Figuren mit einer psychologischen Feinfühligkeit und Tiefe aus, die auf eindimensionale Erklärungsversuche verzichtet und den Leser mit der Aufgabe betraut, sich auf Leid, Wut und Kriegs- und Lebensmüdigkeit seiner Figuren einzulassen. Erst dann wird der Roman seine Wirkung entfalten, die, das möchte man nicht bestreiten, keine beruhigende oder wohlige ist. Nicht nur die Wandlung von Crokus zu Schlitzer, auch das, was von Duikers Seele noch übrig ist, wird erst in diesem Band in nötiger Ruhe und mit eindringlichem Blick zur Sprache gebracht. Und so erfährt der Leser, sofern er gewillt ist, den Gedanken zu folgen, weit mehr über den Menschen, als jede Bequemlichkeitszone es zulässt und als es ein anderes modernes phantastisches Werk zu erzählen vermag.

Nicht nur strukturell – mit direkter Leseransprache, beinah filmischen Szenenwechseln und kammerspielartigen Erzählweisen –, auch thematisch schlägt der Autor Wege ein, die in den Vorgängerbänden weniger präsent waren: Liebe, Eifersucht, höfisches Intrigenspiel, Existenzängste eines Stadtbürgers; es sind weniger die Kriege von Göttern, sondern die Kleinkriege in Hinterhöfen und Himmelbetten, die die Grundfesten des Lesers erschüttern. Und wie immer ist es der gewagte Balanceakt zwischen Schmerz und Humor, Schönheit und Zerbrechen, den Erikson mal bildgewaltig, mal leise und hintergründig bewältigt. Ob nun mit den unglückseligen Schuldeneintreibern Flamm und Leff auf Patrouille, daheim bei Ehepaar Nom oder zu Besuch in Kruls Kneipe – Erikson beherrscht die Humorpalette von trocken-ironisch bis hin zum Klamauk natürlich auch in diesem Band. Wenn Kruppe über den Markt schlendert, bleibt keine Spezialität unangetastet, kein Weinkrug und kein Auge trocken.

Eriksons sprachliche Ausdruckskraft, die in der deutschen Übersetzung glänzt, kann sich in diesem Reigen menschlicher Tragödien genauso prachtvoll und schmerzlich entfalten wie auf der Bühne des Spieles der Götter. Die Betrachtung über das phantasievolle Spielen eines Kindes ist für mich eine der poetischsten Passagen der Reihe, und ein Beweis, wie kraftvoll Literatur sein kann – und dafür, dass es Fantasyautoren gibt, die neue Welten, Planeten, Universen erdichten können, die uns völlig fremd und dennoch schmerzlich lebensnah sind.

All dies verwebt Erikson zu einem Portrait einer Stadt, zu einer Studie ihrer Bewohner und zu einem tragischen Epos über Einsamkeit. Und wem das alles jetzt zu menschlich klang: keine Angst – die Götter schlafen nicht. Sie sterben nur. Und Kruppe tanzt dazu.
Sicher ahnt ihr, was das bedeutet.

Die Sternenbraut von Sara DouglassUnheimliche Gerüchte von finsteren Wesen, die die Menschen im Norden Achars bedrohen, überschatten die Feierlichkeiten zum Namenstag des Königs. Zusammen mit seinen Beratern schmiedet er einen Plan: Der Kriegsherr und Herzog Bornheld soll die Truppen im Norden anführen, während sein verhaßter Halbbruder Axis nach Informationen über die Bedrohung suchen soll. Tatsächlich stößt Axis auf eine geheimnisvolle Prophezeiung, die von der Ankunft eines Zerstörers kündet. Während er noch überlegt, was zu tun ist, rüsten sich die Gegner schon zum Angriff auf seine Truppen. Unter diesen Männern befindet sich auch Faraday, Bornhelds Verlobte, die sich verhängnisvollerweise viel mehr zu Axis hingezogen fühlt…

-Es werden erblicken das Licht der Welt zwei Knaben, blutsverbunden. Der eine, im Zeichen von Flügel und Horn, wird hassen den Sternenmann.-
Die Prophezeiung des Zerstörers

Eine dräuende Prophezeiung, in deren Mittelpunkt zwei Brüder stehen, ein Land, aus dem die Magie lange entschwunden ist und das sich nun geheimnisvollen Feinden gegenüber sieht – das klingt nach ganz klassischer Fantasy. Und den Hunger nach Abenteuern in einer fremden Welt, mit Magie und großen Schlachten garniert, vermag die Reihe Unter dem Weltenbaum wohl auch zu stillen – mit gewissen Abstrichen.
Zu Beginn des Romans wird eine ganz erhebliche Auswahl an Personen vorgestellt, ohne tiefer auf sie einzugehen, und auch später fokussiert sich die Handlung nicht allzu sehr auf eine geringere Figurenanzahl. Außerdem führen die häufigen Perspektivwechsel – oft mehrmals auf einer Seite – dazu, daß man sich niemals intensiver in eine Figur hineinfühlen kann, eine Identifikation fällt schwer, und manchmal auch schon das Verständnis für die Motivation der Charaktere. Dennoch sind ein paar ganz gut vorstellbare Helden entstanden, nur hätte ihnen mehr Tiefe gut getan, vor allem, um sie aus den romantisierten Geschlechterstereotypen zu holen, an denen sich die Autorin entlanghangelt.

Das Land Achar mit seinen Bewohnern, die dem Weg des Pfluges folgen und alle Bäume fällen, um dem Bösen keine Verstecke zu bieten, bietet eine farbenprächtige Kulisse für die große Prophezeiung und die Rückkehr der Magie, ist aber kein Ort der gut ausgearbeiteten Kulturen.
Leider ist die handlungstreibende Prophezeiung – so gut sie sich auch für diese Art von klassischer Fantasy eignen mag – sehr dominant. Bedingungslos unterwerfen sich die Figuren dem Diktat: Wenn die Prophezeiung vorschreibt, was zu geschehen hat, schreiten fast alle ohne großes Murren zur Tat – auch das mag seinen Teil dazu beitragen, daß man häufig keine Charaktere, sondern Abziehbildchen handeln sieht.

Durch den ganzen Band zieht sich ein Auftakt-Gefühl; Anlagen für eine gute Geschichte sind durchaus vorhanden, aber ob die Autorin es wirklich schafft, sie in den nächsten Bänden mit Leben und etwas weniger blassen Charakteren zu füllen, muß sich erst noch erweisen. Mit ihren vielen Action- und Wanderszenen, ihrem guten Schuß Romantik und ihrem hohen Tempo fällt Die Sternenbraut (BattleAxe, Teil 1) fürs Erste noch in die Sparte des Popcorn-Kinos im Kopf – Tiefgang kann später noch nachkommen.

Sternenströmers Lied von Sara DouglassDie Awaren und die Ikarier – die zurückgedrängten Völker, die bei den Menschen als die Unaussprechlichen bekannt waren – bereiten sich auf die bedeutsamen Jultiden-Riten vor, ohne die die Sonne den Winter nicht wieder vertreiben kann.
Gleichzeitig strömen die Horden des Zerstörers auf die Feste Gorken zu, wo sich gemäß der Prophezeiung inzwischen Faraday mit dem ungeliebten Bornheld vermählt und der Axtherr Axis sein Erbe als Sternenmann langsam begreift und antritt. Doch immer noch ist er auf der Suche nach seinem Vater – und während er seine Kräfte weder verstehen noch beherrschen kann, bahnt sich durch die Belagerung Gorkens eine Katastrophe an.

-Kaum zehn Schritte tief im Awarinheim-Wald fühlte Aschure sich wie in einer anderen Welt.-
1: Der Geistbaum-Klan

Wie schon im ersten Band plätschert auch hier die Handlung trotz vieler Actionszenen ganz gemächlich dahin, alle folgen brav wie Schafe den Anweisungen der Prophezeiung, und in deren Schatten vermögen auch die größten Ereignisse nicht richtig mitzureißen. Spannungsaufbau ist eine große Schwierigkeit, wenn die Autorin selbst schon eine ihrer Figuren über mögliche Enwicklungen resümmieren läßt: Das kann ja gar nicht passieren, das steht so nicht in der Prophezeiung.
Dabei ist die Prophezeiung an sich gut gelungen – sie ist rätselhaft, ja zweideutig, und bietet jede Menge Spielraum für Ängste und Interpretationen. Doch der Umgang der Personen mit dieser Thematik vereitelt ein echtes Leseerlebnis. Niemals stellen sie die überlieferten Worte in Frage; im besten Fall beklagen sie sich darüber, zur Zeit ihrer Wahrwerdung zu leben. So werden die schönsten Charaktere zu blassen Abziehbildern, obwohl es Sara Douglass durchaus versteht, im Einzelnen einnehmende und überzeugende Szenen zu präsentieren.

Zum Glück entwickelt das Buch in der zweiten Hälfte aber noch eine gewisse Eigendynamik – eine Belagerungsgeschichte zieht fast immer, und das direkt drohende Unheil beflügelt plötzlich auch die bisher lahmsten Figuren. Mit den Ikariern und den Awaren ist ein Gegenentwurf zu den gewöhnlichen Menschen entstanden, bei dem man sich ein bißchen mehr Detailfreude gewünscht hätte. Bis auf die äußerlichen Unterschiede gibt es nämlich keine allzu tiefgreifenden kulturellen Abweichungen, und Menschen mit sozusagen literarisch angepappten Anhängseln – ob es nun Flügel sind oder spitze Ohren, ist letztlich egal – hat man schon zur Genüge gesehen.
Damit bietet die Weltenbaum-Reihe allenfalls solide Unterhaltung. Da gibt es Szenen, die ganz laut “verlfilme mich” schreien, Abenteuer und Romantik (mit einem Hang zum Kitsch) – ein bunter Fantasy-Mix. Doch um dem Ganzen das Prädikat “episch” aufzustempeln, müßte wenigstens eine Prise Tiefgang enthalten sein.

Cover des Buches "Die Streitmacht von Vastmark" von Janny Wurts Nach der Zerstörung der Schiffswerft in Merior und der Flucht vor der Streitmacht seines Halbbruders zieht Arithon durch die karge Einöde Vastmarks, im Schlepptau immer noch den wahnsinnigen Propheten Dakar. Dieser ist überzeugt, dass Arithon bereits eine neue List plant, um irgendwie seinen Halbbruder Lysaer zu töten, die Freundschaft zu den bitterarmen Hirten und den Clans dieses Landes kommt da gerade recht.
Währenddessen versucht Lysaer die Spur seinen flüchtenden Halbbruders zu finden, als ihn eine furchtbare Nachricht erreicht: seine Frau ist auf dem Weg zu ihm überfallen und entführt worden, nur gegen ein immenses Lösegeld an Arithon soll sie freikommen …

-Mochte ihm diese abenteuerliche Reise in die Wildnis auch Gelegenheit geben, mehr über die wahren Absichten Arithons herauszufinden, setzte er doch eine düstere Miene auf, sein angemessenes Mißfallen kundzutun. Unter freiem Himmel über Felsen zu klettern wie eine Bergziege kam in der Rangfolge verabscheuenswerter Lagen gleich nach dem endlosen Zählen von Sandkörnern, die ihm Asandir einst als Strafe auferlegt hatte.-
3 Vastmark

Teil 5 der Nebelgeist-Saga bietet für den Leser die gleichen Zutaten wie die vorhergehenden Bände. Die Autorin bleibt sich auch dieses Mal treu, die Geschichte wird lebendig und vielschichtig erzählt.

Die bekannten Charaktere (besonders Dakar) erhalten ein paar weitere Nuancen und auch die Nebencharaktere verlieren endgültig ihre schematischen Züge und bekomme eine individuelle Note. Allerdings ist das nach 2000 Seiten auch durchaus gerechtfertigt, schließlich hatte Frau Wurts ja genug Zeit dafür.
Man merkt, dass die Handlung nur ein Luftholen vor dem großen Finale ist. Dementsprechend ruhig geht der Kampf der Brüder weiter. Ein wenig Politik hier – Verbündete werden gesucht und gefunden – ein wenig Kriegsvorbereitung da … 400 Seiten später ist man bereit, in den Krieg zu ziehen, der folgt dann erst im nächsten Buch.

Natürlich ist auch der Teil wieder stimmig und passt gut in die Gesamtgeschichte, lediglich die Spannung leidet ein wenig. Ein paar interessante Kapitel jedoch (Lysaers Besuch in dem Heiligtum Aths; Dakars Heilung eines sterbenden Mädchens) retten das Buch vor Langeweile und verleihen ihm wieder die gewohnte Tiefe.

Windwir liegt in Trümmern. Die Stadt, die einst die Geheimnisse einer hochtechnologisierten Gesellschaft hütete, ist dem Erdboden gleichgemacht. Im Zentrum der Zerstörung steht, als Überbleibsel einer nunmehr verlorenen Wissenskultur,  der Metallmann Isaak, in endloser Trauer gefangen. Doch schon bald nach dieser Katastrophe werden die Karten allerorts neu gemischt. Wer wird die Macht über die Benannten Lande an sich reißen? Doch je mehr Parteien das Spielfeld betreten, desto drängender wird die Frage, die sich jeder stellt, und deren Antwort alles verändern wird: wer zerstörte diese einst so stolze Stadt? Und – warum?

-Windwir ist eine Stadt aus Papier und Talaren und Stein.-
Vorspiel

Ken Scholes Roman begeistert sie alle: die Rätselwütigen, die Bibelfesten, die Freunde des Steampunks und die Liebhaber unvorhergesehener Wendungen. Tatsächlich ist die Geschichte vom Metallmann Isaak auf mehren Ebenen ein Fest, und es fordert den Leser zu etwas auf, wofür in vielen Fantasyromanen leider die Notwendigkeit verloren gegangen ist: interpretieren! Deuten! Denken! Wenn Isaak seinen Motor anwirft, um zu wandern, sollte man schnellstens sein Hirn anwerfen, damit man Schritt halten kann.
Dabei scheint am Anfang alles so einfach zu sein. Ein wahnsinniger Verbrecher stellt sich gegen den geckenhaften Guten, der – James Bond wäre neidisch – flugs Hilfe von der mysteriösen Schönen erhält. Doch die Figuren bleiben nicht lange in dieser Ausgangskonstellation verhaftet, denn im Laufe jeder Seite offenbaren sich neue Verschwörungen, neue Charakter(un)tiefen und neue Facetten eines Handlungsmosaiks, welches sowohl Leser als auch handelnde Figuren ungläubig staunen lässt. Die Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit leidet glücklicherweise jedoch nicht darunter, im Gegenteil: die Zeiten, in denen Gut und Böse eindeutig in zwei Schubladen aufteilbar war, gab es ohnehin nie, auch wenn so mancher Autor das behauptet. Doch was die vermeintlich hehre Sorge um das ‘Greater Good’ so alles anrichten kann, wandelt sich von anfänglicher Euphorie – es wird ja nicht alle Tage ein wahnsinniger Verbrecher überführt – in blankes Grausen. Denn das Böse in Sündenfall (Lamentation) ist alles andere als plump und laut und eindeutig. Und wenn es einmal die Bühne betreten hat, dann kann man es nicht einmal so recht verteufeln, denn ohne Beweggründe ist in dem ganzen verzwickten Handlungsreigen wahrlich niemand.

Die Charaktere sind allenfalls graumeliert und bis zum Ende weder auf der lichten, noch auf der dunklen Seite zu verorten. Denn obwohl die mysteriöse Schöne – zugegebenermaßen – ziemlich mysteriös und wohl auch schön anzuschauen ist, ist sie noch viel mehr: eine unwissende Marionette, die irgendwann laufen lernt. Und damit ist sie dem Metallmann Isaak nicht so unähnlich. Doch auch der eitle Geck ist nicht ohne Grund der selbstsichere, geliebte Anführer geworden, und Herr Li Tam – aber nein, das würde zu weit führen.
Mit Isaak behauptet der Roboter seine Stellung als vielseitiges, literarisches Faszinosum; von der Gratwanderung zwischen Menschlichkeit und Maschinerie zu lesen, werde ich wirklich nie müde. Und mit der Feststellung, dass Isaak durch seine neu erworbene Fähigkeit zu lügen auch immer menschlicher wird, ist ziemlich viel über die Handlung und die Figuren von Sündenfall gesagt.

Doch, wie schon erwähnt, existiert neben dieser Handlungsebene noch eine zweite, wie es schon der Titel des Romans andeutet. Noch nicht oft habe ich als Fantasy-Leserin von meiner Bibelfestigkeit profitieren können, doch Scholes’ Roman lädt geradezu überschwänglich dazu ein.

Der Autor verflicht kunstvoll sein Religionskonzept mit den Geschichten, Organisationen und Traditionen des Christentums. Berücksichtigt man diese Parallelen, punktet Sündenfall mit einer erstaunlichen Realitätsnähe; und ist es nicht ein geradezu herrlicher Kunstgriff, die jahrhundertalte Tradition der intertextuellen Bezugnahme auf Bibeltexte in einem Fantasyroman weiterzuspinnen?

Ins Auge fällt dabei zuerst die Namensgebung: Isaak (dessen Doppelbelegung die Opferrolle des biblischen Namensvetters auf leicht abgewandelte, traurige Art aufgreift) und Petronus-Petros (in jeder Hinsicht der große Verleugner). Außerdem finden sich immer wieder wörtliche Bibelzitate, die erneut eine zweite Deutung zulassen. Wenn beispielsweise auf S. 340 “Neb barg all ihre Worte in seinem Herzen” steht, dann ist das schon eine erstaunliche Umkehr der Weihnachtsgeschichte, und ich bin wirklich gespannt, wie es mit Neb und seiner braunäugigen Schönheit weitergehen mag (Vielleicht gebiert ebendiese ja einen Sohn?). Doch auch die erwähnten Zahlenverhältnisse lassen tief blicken, die 2000-Jahre-Spanne ist da noch das eindeutigste.
Bei der ganzen Spielerei mit Zitaten, Motiven und Zahlen gelingt es Scholes dennoch, ein kritisches und differenziertes Bild seiner Religion zu zeichnen, ohne die christlichen Traditionen zu verteufeln oder zu verherrlichen. Den Bewohnern der Benannten Lande geht es ja nicht anders als uns: Religion ist Teil des Alltags, und wir müssen uns darum herum arrangieren, ob es uns passt, oder nicht.

Doch eine Rezension ohne Kritik ist wie ein Abendmahl ohne Wein, und deshalb möchte ich eine Frage in den Raum stellen: was denkt sich ein Autor, wenn er eine Figur „Xhum Y’Zir“ nennt? Es kann nur eine Verzweiflungstat aus Mitleid mit den letzten Buchstaben des Alphabets gewesen sein, doch dies würde leider nicht den Apostroph erklären. Tatsächlich hatte ich meine Probleme mit der Namensgebung: „Jin Li Tam“ neben „Rudolfo“ und „Isaak“ – allein diese drei Namen scheinen aus völlig unterschiedlichen Kultur- und Sprachkreisen zu stammen. Doch damit ist meine Kritik leider schon erschöpft.

Leser der Romane von Daniel Abraham werden übrigens ihre wahre Freude haben an der neuen Art des Sub-Textes, die Scholes in seinem Roman einbindet: die nonverbalen Sprachen durch schriftliche Kodierung und ‘Fingerdruck’, Pfeiftöne und Lieder. Sehr spannend, sehr fremdartig und ein guter Kunstgriff, um jeder Botschaft mehrere Meta-Botschaften beizufügen. Anfangs mag das System mangels einer Erläuterung noch sehr gewöhnungsbedürftig erscheinen, doch der Leser gewöhnt sich ja an alles, sodass es im Laufe des Romans zu einem weiteren Rätsel wird, welches geknackt werden kann. Und durch die rundum stimmige Übersetzung wird man derart an den Roman gefesselt, dass man das Buch nicht mehr zur Seite legen möchte, hat der goldene Vogel erst seine Schwingen ausgebreitet …

Übrigens gibt es hier ein spannendes Interview mit dem Autor.

Tanz der Sterne von Sara DouglassWährend sich sowohl die Truppen des Zerstörers Gorgrael als auch die der Menschen von Achar erholen, wird Axis von seinem Vater zum Zauberer ausgebildet, und dabei stoßen die beiden auf ein schreckliches Geheimnis.
Aber auf Axis wartet eine noch viel größere Aufgabe – er muß die drei Völker Tencendors vereinen, um gegen Gorgrael bestehen zu können, und gerade sein eigenes Volk, die Achariten, wehren sich mit Händen und Füßen dagegen. Schließlich und endlich hat der Sternenmann auch noch mit Frauengeschichten zu kämpfen: Obwohl er seine Liebe Faraday versprochen hat, wird seine Freundschaft mit Aschure immer tiefer…

-Er stand im verlassenen Schlafgemach der Burg, und sein Atem gefror in der eisigen Luft an seinen Hauern.-
Prolog: Die Ruinen der Feste Gorken

Auch im dritten Band ihrer Saga um den Sternenmann schafft Sara Douglass es schlicht nicht, sich aus den Niederungen der Fantasy zu erheben. So interessant ihre Geschichte sein könnte, sie bleibt durchgehend vorhersehbar und flach, zumal die Autorin keine Meisterin des Spannungsaufbaus ist: Über überraschenden Andeutungen läßt sie den Leser niemals mehr als zwei Seiten lang alleine grübeln, dann wird auch schon schnellstens alles aufgelöst – Mitdenken ist hier nicht angesagt.
Auch sonst verläuft die Geschichte in den geradlinigen Bahnen, die sie von Anfang an eingeschlagen hat. Die besseren Ideen kennt man bereits aus den ersten Bänden, einzige Innovation ist ein großer Unbekannter, der neu auf die Bildfläche tritt und anfangs ein wenig für Spannung sorgt. Das kleine Intrigenspiel der Kirche des Seneschall dagegen ist kaum der Rede wert. Man vermißt einfach durchweg etwas Besonderes, eine eigene Atmosphäre oder wenigstens den ein oder anderen Kniff, der aus Schema F ausbrechen würde.
Als solche Besonderheit werden innerhalb des Buches immer wieder die Hauptcharaktere herausgestellt – sie alle sind mit der Prophezeiung verwoben und haben spezielle Fähigkeiten. Axis hat dabei am meisten Potential, den Leser gehörig zu nerven, denn die Autorin scheint ihn so heiß und innig zu lieben, daß seine Qualitäten ständig unterstrichen werden müssen, nicht zuletzt dadurch, daß ihm die Frauen unter den Hauptcharakteren zu Füßen liegen und auch voll und ganz damit zufrieden sind, die zweite Rolle in seiner Gunst zu spielen. Dabei beweist Sara Douglass an Nebencharakteren wie Ogden und Veremund, daß sie durchaus interessante und liebenswerte Figuren schaffen kann – gerade jene, die nicht ganz perfekt und sensationell sind.
Die ständig wechselnden Perspektiven führen leider dazu, daß sehr viel heruntererzählt statt wirklich aus Charaktersicht berichtet wird. Es wirkt alles ein wenig wie ein flach dahinplätschernder Kinofilm, der nur auf Unterhaltung ausgelegt ist und alle Kitsch und Effekt-Register zieht, der aber niemals auch nur an der Oberfläche kratzen und wirklich berühren kann.

Ein Tanz mit Drachen von George R.R. MartinDaenerys, die Königin der Drachen muss eine Entscheidung treffen. Während ihre wahre Liebe einem machtlosen Söldner gilt, muss die Königin der Drachen eine politisch vorteilhafte Wahl treffen für ihren zukünftigen Gemahl. Doch elcher ihrer Adligen Freier stellt den mächtigsten Verbündeten für die Eroberung Westeros dar?
Die Intrigen der Adligen interessieren das wahre Schlachtfeld jedoch nicht. Außerhalb der sicheren Mauern entscheidet sich das Schicksal Westeros’ im Kampf.

– Der Schädel ruhte auf einem Bett aus schwarzem Filz und grinste. Alle Schädel grinsten, aber dieser erschien fröhlicher als die meisten anderen. Und größer. –
Der Beobachter

Zu Der Sohn des Greifen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Der Sohn des Greifen und Ein Tanz mit Drachen.

Nachdem Hezhi, Prinzessin von Nhol, gemeinsam mit Perkar und dem Schamanen Brother Horse aus dem Einflussgebiet des Großen Flußgottes fliehen konnte und sich in Sicherheit wähnt, sammelt dieser gerade erst seine Kräfte: Ghe, von den Toten auferstanden und mehr Geist als Mensch, wird zur mächtigsten Waffe seines Herren.
Angesichts dieser Gefahr verbündet sich Hezhi mit dem Gott Karak, der Krähe, um den Flußgott für immer zu besiegen, und bald wird es unmöglich, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden …

Wake up, my guest
You have slept long
In the house of my ribs,
The house of my heart
Wake up now,
See through my eyes,
Walk with my feet,
Yush, my old friend.-
XIX. Drum Battle

Waterborn Fans will be jubilant“, lautet das Versprechen auf der Rückseite des zweiten Romans der Chosen of the Changeling-Reihe, The Blackgod, in welchem uns Greg Keyes einmal mehr in die Welt eines alternativen Amerika entführt, wo indianische Nomaden und sesshafte Hirtenvölker neben orientalisch angehauchten Hochkulturen existieren. Es ist eine Welt, die von ursprünglicher Magie erfüllt und und wo jeder Baum, jeder Stein, jedes Lebewesen beseelt ist. Der Schamanismus und Mystizismus, der von den Naturvölkern praktiziert wird, steht deshalb im scharfen Gegensatz zu dem aggressiven und krankhaft-dekadenten Monotheismus der Stadt Nhol, und tatsächlich ist auch in The Blackgod die Anbetung des großen Flußgottes Ausgangspunkt aller Konflikte.

Der Fortsetzungsband The Blackgod schließt inhaltlich nahtlos an seinen Vorgänger an und rückt den Kampf von Hezhi und Perkar gegen den Flußgott in den Mittelpunkt, denn die Flucht Hezhis aus Nhol beendete keineswegs den kranken Einfluss des Flußgottes auf ihr Schicksal und das Schicksal ihres Volkes. Denn der Gott hat sich eine mächtige Waffe erschaffen: Ghe, schon zu Lebzeiten ein tödlicher Gegner, wird nach seiner Wiedererweckung durch den Fluß ein übermächtiger Feind, dessen Macht übermenschlich erscheint und einen hohen Tribut fordert – die Menschlichkeit selbst. Keyes schildert meisterhaft und bedrückend, wie der Ghul, weder Mensch noch Tier noch Gott, an physischer und magischer Stärke gewinnt und auf diesem Weg seine Menschlichkeit schleichend verliert. Die Entwicklung des einstigen Assassinen zeigt, wie mit anormaler, pervertierter Logik sämtliche Moralvorstellungen scheinbar außer Kraft gesetzt und durch Pflichterfüllung ersetzt werden können – danach finden alle Taten ihre Rechtfertigung, und es ist für den Leser keine bequeme Aufgabe, Ghe in seine Gedankenwelt zu folgen. Simple Kategorien wie „Gut“ oder „Böse“ wird man in The Blackgod nicht antreffen; denn auch die Jäger von Hezhi haben treffliche Gründe für ihr Handeln, Perkars Weg – der des Helden – ist mit Leichen übersät, und für die Götter existiert keine Moral, kein Gesetz, sondern die Notwendigkeit und das Gutdünken. Das Brechen mit den etablierten Vorstellungen von Gut und Böse ist eine der größten Stärken des Romans; dies macht The Blackgod nicht zu einer einfachen, aber mehr als lohnenswerten Lektüre.

Keyes beschränkt sich in seiner Charakterzeichnung jedoch keinesfalls nur auf das Ausloten (un)menschlicher Abgründe. Vielmehr entwickelt er mit Hezhi und Perkar zwei Protagonisten, die in ihrem Streben, das Richtige zu tun, unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist Hezhi, die ihrer Rolle der Prinzessin und den festgelegten Bahnen ihres Lebens komplett entfliehen möchte und sich nur in Momenten der tiefen Trostlosigkeit nach dem ihr vorherbestimmten Leben im Palast von Nhol zurücksehnt. Perkar hingegen ist ein Held: er lebt für das Schicksal, für das Erfüllen von Aufgaben und Questen, für schicksalsschwere Kämpfe und seine Ehre als Mann und Krieger. Eine Rolle also, wie sie scheinbar klischeebeladener nicht sein könnte – doch Keyes ironisiert den Heldenmythos derart, dass Perkars von Ehrgefühl geleiteten Taten, seine Schwüre und seine heroisch-verzweifelten Kämpfe immer eine tragisch-komische Saite zum Klingen bringen. Er ist in seiner Rolle derart determiniert, dass alle Regungen, all das Gerede von Schicksal und Ehre, das den fantasyerfahrenen Lesern zu gut bekannt sein dürfte, hohl und leer erscheinen. Der Kampf Perkars gegen seine Heldenrolle ist für mich eines der ehrlichsten Auseinandersetzung mit den Themen Schicksalsergebenheit und Eigenbestimmung, die ich aus der phantastischen Literatur kenne.

Während Perkar also mit dem Heldentum hadert, aber sich gleichzeitig an dieses Rollenkonstrukt klammert wie ein Ertrinkender an den Rettungsring, ist es Hezhis größter Wunsch, all ihre Rollen ablegen zu können wie Kleidungsstücke, um sich endlich als Mensch – nicht als Prinzessin, Gefangene, Schamanin oder Anführerin – zu erfahren. Doch da manche in ihr die einzige Hoffnung, andere in ihr die vollständige Zerstörung sehen, erscheint Hezhi ihr Wunsch nach Selbstbestimmung wie eine egoistische, eitle Regung.

Die Tiefsinnigkeit und Authentizität des Romans wird auch bei einem weiteren Thema spürbar: der Ethnologe Keyes nähert sich den verschiedenen Kulturen seiner geschriebenen Welt, ohne in einen populären romantisierend-entwürdigenden Exotismus zu verfallen, und schildert glaubhaft und detailliert die verschiedenen kulturellen Konzepte. Ohne dies aufdringlich oder plakativ zu gestalten, beschäftigt sich Keyes dabei mit rassistischen Denkweisen, die mehr als vertraut wirken: für die Bewohner des ‘zivilisierten’ Nhol sind die indianischen Mang nicht mehr als Barbaren, wenn auch mit einer „exotischen Schönheit“ behaftet, und ihre Kultur wird nur aus größtmöglicher Ferne studiert und belächelt wie ein skurriler Witz. Der Roman wird inhaltlich auf eine neue Ebene gehoben, als die linguistischen Spurensuchen der Protagonisten ergeben, dass beide Völker die gleichen Wurzeln haben; spätestens an dieser Stelle wird deutlich, mit wie viel Hintersinn und Ironie sich der Autor mit interkulturellen Problemen und dem Toleranzgedanken auseinandergesetzt hat. Besonders in den komplexen Beziehungen der kulturell gemischten Gruppe um Hezhi und Perkar spielen die Themen Freundschaft, Offenheit und Misstrauen allem Fremden gegenüber eine große Rolle und halten dem Leser mehr als ein mal freundlich, aber bestimmt, den Spiegel vor, ohne das der Roman einen belehrenden Tonfall erhält.

Mit viel Sensibilität und Gespür für Menschlichkeit beschreibt Keyes die Entwicklungen seiner Protagonisten, die neben der spannungsgeladenen Handlung einen ganz eigenen Sog entwickeln und den Leser nicht mehr loslassen. So ist es kein Wunder, dass das letzte Viertel des Romanes in atmenloser Spannung am Stück gelesen werden will – mit seiner poetischen und zum Weinen schönen Sprache erschafft Keyes eine von Leben erfüllte Welt, die, es darf nicht anders sein, irgendwo in all ihrer schrecklichen und zerbrechlichen Schönheit und ihrer Naturerhabenheit existieren muss. Wer einmal die Wälder des Balat bereiste und gemeinsam mit behuften, geflügelten und gehörnten Gottwesen unter die Oberfläche des Sees tauchte, um auf Sternenpfaden zu wandern, wird wissen, wovon ich spreche.

The Thief von Megan Whalen TurnerNur vereint könnten sich die rivalisierenden Staaten Sounis, Eddis und Attolia der Eroberung durch das Mederreich widersetzen – wenn es nach dem Magus des Königs von Sounis geht, unter Führung seines Herrn, dem er mithilfe eines sagenumwobenen Steins die Herrschaft über Eddis sichern will. Um das Artefakt aus seinem Versteck im feindlichen Attolia zu holen, benötigt er einen geschickten Einbrecher. Der Meisterdieb Gen, den seine Prahlerei mit einer besonders dreisten Untat ins Gefängnis gebracht hat, kommt ihm da gerade recht. Mit einigen Begleitern brechen die beiden nach Attolia auf. Doch unter den Gefährten lauert ein Verräter, und auch Götter, an die niemand mehr so recht glauben will, nehmen Einfluss auf den Ausgang des Abenteuers…

-It’s a funny thing that the new gods have been worshiped in Sounis since the invaders came, but when people need a truly satisfying curse, they call on the old gods.-
Chapter Two

Ein All-Age-Titel, der noch dazu nach allzu klassischer Questenfantasy klingt? Nichts Besonderes, so möchte man meinen, und würde damit dem ersten Band von Megan Whalen Turners Attolia-Reihe bitter unrecht tun.

Allerdings lässt sich ein Teil dessen, was den Reiz des klug aufgebauten Romans ausmacht, kaum ohne größere Spoiler benennen. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass der Ich-Erzähler Gen – ein Trickster, wie er im Buche steht – zwar nicht eigentlich unzuverlässig berichtet, aber doch eine Reihe von Äußerungen tätigt, die den Leser in die Irre führen und erst in der Rückschau ihre eigentliche Bedeutung entfalten. Wer gern zwischen den Zeilen liest und aufmerksam Wortwahl und subtile Hinweise verfolgt, wird aber schon früh bemerken, dass nicht alles ist, wie es zu sein scheint.

Ohnehin ist die Bereitschaft, sich auf eine ruhig erzählte, eher durch Feinheiten als durch grelle Effekte wirkende Geschichte einzulassen, eine Grundvoraussetzung, um The Thief (Der Dieb) zu genießen, denn viel Spektakuläres geschieht zunächst einmal nicht. Anders als die meisten Fantasyhelden begegnen die Gefährten des Magus (der noch nicht einmal über Zauberkräfte verfügt) nämlich nicht hinter jeder Wegbiegung einem Ungeheuer, das nur auf sie gewartet zu haben scheint, sondern schlagen sich mit den ganz profanen Tücken des Reisealltags und Spannungen innerhalb der Gruppe herum. Die einzelnen Figuren sind dabei sehr differenziert und menschlich gezeichnet, so dass man ihre Interaktionen gespannt verfolgt, ohne aufregende Gefahren zu vermissen. Dabei lohnt es sich, auch auf Details zu achten: Vieles von dem, was zwischen geruhsamen Mahlzeiten, Reit- und Fechtstunden, Kletterpartien und Abenden am Lagerfeuer scheinbar nur am Rande Erwähnung findet, erweist sich im weiteren Verlauf der Serie (und durchaus nicht allein in diesem Buch) noch als wichtig.

Ganz nebenbei taucht man auch in die liebevoll ausgearbeitete mediterrane Welt ein, deren Städte, Bauerndörfer, Gebirge und Olivenhaine einem bald lebendig vor Augen stehen und mit der ein oder anderen Anspielung auf das reale Griechenland glänzen (so findet man etwa in der Hauptstadt von Sounis Elemente des antiken Athen mit dem Löwentor von Mykene kombiniert). Das Konzept einer an das Altertum angelehnten polytheistischen Welt, die sich gleichwohl bis in die frühe Neuzeit weiterentwickeln durfte (so gibt es z.B. Feuerwaffen), fasziniert auch in Abwesenheit klassischer Fantasyelemente, für deren Fehlen zudem die äußerst authentisch wirkenden Göttersagen entschädigen, die immer wieder eingeflochten werden. Die Gefahr, sich im Zuge dieser Reisebeschreibung nach einem Urlaub am Mittelmeer zu sehnen, ist für Leser mit entsprechenden Vorlieben durchaus gegeben.

Wie weit The Thief dennoch von bloßer Wohlfühllektüre entfernt ist, wird aber spätestens im letzten Drittel der Geschichte deutlich, wenn schlagartig Leid und Tod, vor denen auch liebgewonnene Charaktere nicht gefeit sind, in das bis dahin eher harmlose Abenteuer einbrechen und moralische Fragen aufgeworfen werden, auf die es keine eindeutigen Antworten geben kann. Wenn im Zuge dessen selbst Gen, der sich bisher erfolgreich durchs Leben gemogelt hat, erkennen muss, dass List und spöttische Distanz in manchen Situationen weder weiterhelfen noch überhaupt wünschenswert sind, wirkt diese plötzliche Wahrhaftigkeit wie ein Fanal für die folgenden Bände, in denen – so viel sei hier schon vorab verraten – mit einigen der Protagonisten auch die Themen erwachsener werden.

So sollte man The Thief vielleicht vor allem als charmante erste Begegnung mit einer Welt und einem Figurenensemble lesen, die weit mehr zu bieten haben, als sie in diesem gefälligen Jugendabenteuer zeigen können.

Threads of Malice von Tamara Siler JonesDubric Byerly, der Kastellan von Faldorrah, erhält einen Hilferuf aus dem “Reach”, einer ärmlichen Gegend mit vielen verstreuten Dörfern. Dort verschwinden immer wieder junge Männer. Als eines Tages die gräßlich verstümmelte Leiche eines verlorenen Sohnes angespült wird, eskaltiert die Situation. Als Dubric eintrifft, sieht er sich mehr als zwanzig Geistern gegenüber – vor ihrem Tod mußten die Männer und Jungen Folter und Vergewaltigung über sich ergehen lassen. Dubrics Ermittlungen kommen langsam voran, und die Bevölkerung behindert mitunter seine Arbeit. Da das Gebiet weitläufig ist, trennen sich die  Gesetztesdiener notgedrungen, obwohl seine jungen Pagen genau ins Opferbild des Mörders passen. Langsam muß Dubric vermuten, daß alte Magie hinter den Morden steht.

-Braoin saw strings.
They streamed from somewhere above, dangling before his eyes. Black and shining in reflected firelight, they rustled in the slightest breeze and hung before him, just out of reach.-
Chapter I

Wer gerne Fingernägel kaut, die Augen auch bei expliziten Beschreibungen von Obduktionen und Folterungen offen behalten kann und sich zusammen mit den Gesetzeshütern aus diversen Hinweisen zusammenrätseln möchte, wer der Mörder ist, sollte unbedingt Dubric Byerly kennenlernen, die eigenwillige Fantasy-Variante unter den kriminalistischen Schlauköpfen. Er und seine Mannschaft sind sympathisch, vor Fehlern nicht gefeit, und da dieser Fantasy-Thriller vornehmlich aus den Perspektiven der Wache von Faldorrah – quer durch alle Alterstufen – erzählt wird, wird es mit dem mit seinen mehr als 60 Jahren für mittelalterliche Verhältnisse schon beinahe greisen Dubric auch nie langweilig.
Abgesehen vom Kastellan, seinem Knappen und den beiden jungen Pagen darf man mitunter auch dem Bösewicht selbst und seinen Opfern über die Schulter schauen, in diesem Fall eine eher unangenehme (und nicht ganz klischeefreie) Erfahrung. Zimperlich sollte man nicht sein, um Threads of Malice genießen zu können, denn die Autorin ist es auch nicht und mutet selbst ihren Protagonisten allerhand zu, so daß man unter anderem gespannt sein darf, wie sie deren traumatische Erfahrungen in den nächsten Bänden verarbeitet.

Die gelungenen Charaktere sind dann auch eher Triebfeder des Romans als die Handlung. Es bestätigt sich, was sich bereits im ersten Band gezeigt hat: Tamara Siler Jones schreibt keine einzige überflüssige Szene. Dadurch wird Threads of Malice zwar schön straff, aber man wird zum Meta-Lesen verführt und kann durchaus Elemente der Handlung erraten, weil die Aufmerksamkeit auf ‘unwichtige’, aber dadurch hoch gewichtete Details gelenkt wird. Die Spannung leidet aber nur teilweise darunter, denn da diesmal auch den liebgewonnenen Charakteren ernste Gefahr droht, legt sich das Buch nur schwer aus der Hand und hat viel stärkere Thriller-Anleihen als der erste Band, so daß es nicht nur ums Rätsellösen geht.

Im Prinzip ist der Plot klug konzipiert – die ausgestreuten Puzzlestückchen sind gar nicht so leicht zusammen zu setzen. Viel stärker als im ersten Band kommt Magie zum Einsatz, und leider hat sich die Autorin damit am Ende etwas verzettelt: Wie genau das hinter der Auflösung stehende Phänomen funktioniert, vermag sie dem Leser nicht zur vollen Befriedigung zu erklären, und ihre Beschreibungen sind an dieser Stelle nur schwer vorstellbar. Abgesehen davon findet sich aber alles, was das Ermittler-Herz höher schlagen läßt: Eine Schnitzeljagd nach verketteten Hinweisen, Zeitdruck, um ein noch lebendes Opfer zu befreien, sich ergänzende Beweise, die leider von örtlich getrennten Charakteren gefunden werden, und falsche Spuren.

Der stark romantische Einschlag des Vorgängers wurde auf ein annehmbares Maß reduziert und ist hier als Auflockerung der düsteren Handlung angenehm zu lesen. Leider gibt es auch einige sehr schwache Szenen aus Sicht des Antagonisten, die den vergewaltigenden Bösewicht ganz plakativ als winselndes Muttersöhnchen darstellen.
Für Abwechslung von der Weltrettungs-Fantasy mit einem halben Ausflug ins Thriller-Genre hat sich Tamara Siler Jones hier dennoch ein weiteres Mal bewährt, und die sympathische Burgwache Faldorrahs begleitet man auch in Zukunft gerne auf ihre nervenzerreißenden Abenteuer.

Cover des Buches "Der Thron der Libelle" von Wolfgang Hohlbein Zehn Jahre nach dem letzten Angriff durch feindliche Drachen herrscht nach langer Unruhe endlich Frieden. Nach Meinung der Bürger von Schelfheim sind Angella, Kara und ihre Drachenreiter ohne weiteren Nutzen, denn die Gefahren scheinen gebannt. Doch dann häufen sich unerklärliche Phänome: Auf dem Land erscheinen giftige Seen aus dem Nichts, geheimnisvoller Staub tötet alle Menschen über 30 Jahre und in einem Landstrich hört es seit Monaten nicht auf zu regnen. Während die Drachenreiter die Phänome untersuchen, stellt sich heraus, dass dies nur die Vorboten einer weitaus größeren Gefahr sind, die nicht nur Schelfheim, sondern den ganzen Planeten bedroht.

-»Da siehst du, wie weit du mit deiner famosen Technik kommst«, erwiderte Kara verärgert. Sie gab sich Mühe, das Wort möglichst abfällig auszusprechen. »Wenn man sie einmal wirklich braucht, funktioniert sie nicht!«-
14

Ganz im Stil des Vorgängers (Die Töchter des Drachen) gehalten, entwickelt der Autor auch hier wieder einen spannenden Roman, der überraschend tiefgründig wird.
Was vor 1100 Seiten als eine eher mittelalterliche anmutende Drachengeschichte beginnt, endet hier als Kampf zwischen Natur und Technik, Drachen gegen Maschinen, Veränderung gegen Erhaltung. Ich war besonders überrascht, dass der Roman in eine völlig andere Richtung steuert, als man es zunächst erwartet. Wer nur ein bisschen Abenteuer mit ein paar exotischen Tieren erwartet, wird enttäuscht bzw. überwältigt von der Tiefe, die der Autor in dieses unscheinbare Buch packt.

Drachen spielen zwar eine wichtige Rolle, aber nicht die entscheidende. Vielmehr wird die Entwicklung eines ganzen Volkes erzählt, die Geschichte der Erde, wie sie vielleicht ablaufen könnte. Unglaublich detailreich lässt Hohlbein eine Welt entstehen, die auf den ersten Blick fremd und bizarr erscheinen mag, bei genauerem Hinsehen aber gar nicht so abwegig wirkt. Die Handlung ist wider erwarten gut durchdacht und strukturiert, sie enthält kaum Längen und hält sich nicht mit unwichtigen Nebenaspekten auf. Kleinere Schwächen wie z.B. die vielen kleinen “Zufälle”, mit denen Kara wieder einer tödlichen Gefahr entgeht, stören zwar etwas, dafür wird man diesmal mit einem starken Finale belohnt.
Die letzten vierzig Seiten sind hier das Wichtigste, denn sie lassen die beiden Romane erst im richtigen Licht erscheinen. Sie krempeln die Geschichte nochmal fast völlig um.

Alles in Allem zwei wunderbare Bücher, die so ganz anders sind als das, was man sonst von Hohlbein kennt.

Cover des Buches "Die Töchter des Drachen" von Wolfgang HohlbeinAls Talianna noch ein Kind war, töteten Drachen ihre Eltern und legten ihr Dorf in Schutt und Asche. Nun, fast 20 Jahre später, zieht sie durch die Welt, um die grausamen Drachen zu finden und Rache zu nehmen. Ihr Weg führt sie durch eine zerstörte Welt, durch endlose Wüsten und ausgetrocknete Meere, wo jeder Schritt tödliche Gefahren birgt…

-Die Mauer ragte schwarz gegen den Nachthimmel auf, nicht mehr als ein Schatten, dessen Umrisse die Sterne auslöschten, die wie kleine blankpolierte Augen am Firmament standen; ein finsteres Loch, das jemand in den Himmel gestanzt hatte.-
Prolog

Ups – Moment! Habe ich mich beim Autor vermacht?
Ich habe einige Bücher von Hohlbein gelesen und war danach immer mehr oder weniger enttäuscht, also hatte ich entsprechende Vorurteile von diesem etwas älterem Werk. Aber nein, ich wurde überrascht. Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass ein Hohlbein-Roman mich nochmal so fesseln könnte.

Die Story enthält viele interessante Ideen und überraschende Wendungen. Besonders das Ende lässt den Roman dann in einem völlig anderen Licht erscheinen, als man zu Beginn erwartet hätte. Kleine Schwächen in der Handlung sind leicht zu verzeihen, da ist man wirklich Schlimmeres vom Autor gewohnt.
Anstatt wie üblich durch die Gegend zu hetzen und seine Charaktere möglichst viele tödliche Gefahren überleben zu lassen, nimmt sich Hohlbein Zeit, die Welt auszuarbeiten und zum Leben zu erwecken, in der Tally und ihre Gefährten sich befinden. Die Charaktere wirken nicht nur wie bloße Abziehbilder, sondern sind wie die Welt ziemlich gut beschrieben und glaubwürdig.

Einzig die Aufmachung bedarf Besserung. Vor Rechtschreibfehlern sind wir alle nicht gefeit, aber ein bisschen Mühe darf man sich schon geben. Ab und zu fehlen Buchstaben oder werden Personen vertauscht (was zu ulkigen Selbstgesprächen führen kann, wenn eine Person mit sich selbst streitet, was aber nicht Sinn der Sache ist), das könnte man besser hinbekommen. Dies stört aber den Lesefluss nur unwesentlich und man kann in aller Ruhe Tally bei ihrer Reise begleiten.

Cover von Tochter des Windes von Elizabeth HaydonDie ehemalige Prostituierte Rhapsody flieht vor einem gewalttätigen Freier. Sie trifft auf den Meuchelmörder Achmed und den monströsen Riesen Grunthor, die auf der Flucht vor einem Dämon sind. Die drei schließen sich zusammen. Um ihren Verfolgern zu entgehen, steigen sie in das Erdinnere hinab und geraten schließlich in eine andere Welt.

– Meridion setzte sich an den Zeit-Editor und fing an zu arbeiten. –
Meridion

Dieser Roman ist vom Anfang bis zum Ende eine sprachliche Katastrophe und eine Zumutung für den Leser. Der Erzählstil ist dem Sujet völlig unangemessen und selbst für eine Liebesschmonzette zu schwülstig. Die Sätze sind umständlich konstruiert und die Autorin benutzt häufig Wörter und Wendungen, die im Kontext der Erzählung anachronistisch sind. Die Dialoge sollen oft einen witzigen oder ironischen verbalen Schlagabtausch darstellen, sie wirken aber bemüht und sind unnatürlich. So spricht einfach kein Mensch. Hier verschiedene Kostproben der sprachlichen Verirrungen: Als zwei Protagonisten Sex haben, glaubt die Autorin dem Leser folgendes mitteilen zu müssen: »Wie lange sie sich liebten, war aus Mangel an Vergleich oder Anhaltspunkten weder für sie noch für ihn nachzuvollziehen.« Der gewalttätige Freier sagt zu Rhapsody: »Ich träume fast jede Nacht von dir, und ich weiß, dir ergeht es ähnlich in Bezug auf mich.« Und um die Gefahr zu verdeutlichen, in der sich die Helden befinden, wählt Haydon folgenden Vergleich: »Als sich ihre Blicke trafen, verzogen sich beider Mienen zu einem Lächeln, wie es wohl auch in den Gesichtern von Schiffbrüchigen geschrieben stand, die, an irgendeinem Schwimmkörper festgeklammert, im Wasser trieben.«

Inhaltlich ist der Roman genauso schlecht wie sprachlich: Ein bißchen Edda, ein wenig König Artus-Legende, eine Prise keltische Mythen, die Sage von Atlantis und viel Naturmagie, das sind die Quellen aus denen die Autorin die Geschichte hauptsächlich zusammengeschustert hat. Die Handlung, die auf 150 Seiten Platz finden würde, wird auf 765 Seiten breitgetreten und strotzt nur so vor Längen. Die Charaktere sind unglaubwürdig. Mit keinem der Protagonisten kann sich der Leser identifizieren, daher kommt auch keine Spannung auf. Wenn Haydon Spannung erzeugen will, läßt sie die Bösewichte sich an Kindern vergreifen. Diese Szenen sind aber nur widerlich und abstoßend. Das Buch bewegt sich sprachlich wie inhaltlich auf unterstem Niveau und ist nur für Hardcore-Romantiker unter den Fantasyfans einigermaßen erträglich, aber auch die sind mit anderen Büchern besser bedient.

Tor der Verwandlung von Carol BergSeyonne gehörte einst einem Volk aus mächtigen Zauberern und Kämpfern an, doch ist er seit sechzehn Jahren Sklave im Imperium der Derzhi, seiner Kräfte beraubt. Abgestumpft und ohne Hoffnung beginnt er den Dienst bei seinem neuen Herrn Aleksander, dem Kronprinzen der Derzhi, der sich als grausamer und unbedachter junger Mann entpuppt. Doch eines Tages entdeckt Seyonne in ihm mit den Resten seiner früheren Fähigkeiten die Kraft, die Welt zu verändern – und genau dies hat er einst geschworen zu beschützen. Denn die Dämonen, die aus ihrer eisigen Heimat in die Seelen der Menschen eindringen, um sich an menschlichem Leid zu nähren, haben die außergewöhnliche Seele des Prinzen schon entdeckt und trachten danach, sie sich zu Nutzen zu machen.

– Die ezzarischen Propheten sagen, dass die Götter ihre Schlachten in den Seelen der Menschen austragen und dass sie das Schlachtfeld gemäß ihrem Willen neu gestalten, wenn es ihnen nicht gefällt. –
1

Zu Das Tor der Verwandlung liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Tor von Ivrel von C. J. CherryhTore, die verschiedene Welten miteinander verbinden, sind neben vereinzelten Waffen beinahe alles, was von der Zivilisation der qhal geblieben ist, die sich durch die Technologie der Tore selbst zerstört hat. Nun müssen alle Tore geschlossen werden, um diese Gefahr für die Zukunft zu bannen.
Der ausgestoßene Krieger Vanye befreit unabsichtlich eine Frau aus einer “magischen” Anomalie, und aus Erzählungen erkennt er in ihr Morgaine wieder, eine Kriegerin, die vor hundert Jahren auf einem Feldzug gegen den Herrscher Thye Tausende in den Tod führte. Mithilfe des komplexen Ehrsystems von Vanyes Heimat gelingt es ihr, den jungen Mann an sich zu binden, damit er sie beim erneuten Kampf gegen Thye unterstützt.

-Die Tore waren der Untergang der qhal.-
Prolog

Eine Fantasy-Geschichte mit SF-Hintergrund, vordergründig eine klassische Queste, die allerdings als ungewöhnliche Charakterstudie erzählt wird, mit Action, mächtigen Zauberwaffen, etlichen Umstürzen und einem Bruderzwist – und das alles auf wenig mehr als 200 Seiten? Das müssen die 70er sein, als man noch mit allerlei bunten Weltentwürfen und die Vorstellungskraft sprengenden Ideen herumexperimentierte, um das Fantasybewußtsein ein wenig zu erweitern.
Zugegeben, so richtig bunt wird es nicht in C. J. Cherryhs Debutroman, der den Grundstein für ihre langlebige Karriere legte. Bis auf ein paar als Magie interpretierte Überreste – und die Tore – ist kaum etwas vom galaktischen Imperium geblieben, und die relativ ahnungslose Menschheit lebt in einer mittelalterlichen, stark von einem Ehrenkodex und Blutsbanden geprägten Kultur. Die vor allem im Prolog abgehandelten SF-Topoi sind voll in diese Fantasy-Welt integriert, so daß die Queste, auf der der gefürchtete Herrscher vernichtet und das Tor unter seiner Kontrolle geschlossen werden soll, im Fantasy-Duktus erzählt werden kann. Trotzdem ist die Struktur des Romans erfreulich wenig stereotyp, vielmehr liegt der Fokus auf der Interkation der beiden Hauptfiguren, die sich in einem komplizierten Abhängigkeitsverhältnis befinden, das aus der Sicht des schwächeren Parts dieser Zwangs-Liaison berichtet wird. Die (zum Gutteil von den beiden ausgelösten) vielschichtigen Geschehnisse in der Welt – politische, magische, individuelle – tauchen eher am Wegesrand auf und dominieren die Handlung nicht, und letzten Endes geht es auch nicht unbedingt in erster Linie um die Bewältigung der Queste.

Cherryh setzt vor allem auf das Spannungsfeld zwischen ihren beiden ungleichen Figuren mit dem starken Machtgefälle: Die unmenschliche, aus der Vergangenheit angereiste Heldin mit üblem Leumund bleibt für den Erzähler Vanye (und damit auch für den Leser) ein Geheimnis, mit seinen Annahmen über sie liegt er nur manchmal richtig, auch wenn sie im Verlauf der Geschichte menschlicher und verständlicher wird, auch dadurch, daß der Leser langsam die Schutzwälle erahnen kann, die sie errichten muß, um ihrer Tätigkeit nachzugehen. Der allzu menschliche, schwache Vanye fungiert als ihr Gewissen, denn seine Ehre bindet ihn zwar an seine Herrin, allerdings auch an die beiden Völker, in denen seine Wurzeln liegen. Dieser Loyalitätskonflikt wird durch einen stark portraitierten Bruderzwist verschärft, den Vanye auszutragen hat. Die angebliche Vorherbestimmung durch Blutsverwandtschaft und ererbte Charakterzüge spielt bei all diesen Beziehungen eine große Rolle und erweist sich manchmal als richtig, viel häufiger jedoch als nichtig.

Ohne großes Bohei bekommt so auch die Welt eigene Züge, die ausgestoßenen ilin–Krieger erinnern stark an Ronin, die unterschiedlichen Menschenvölker werden mit kleinen Details charakterisiert, und die geschichtlich und kulturell verarbeiteten Bezüge auf das untergegangene Reich der qhal blitzen hier und da auf.
Die Abenteuer der beiden Figuren sind jedoch ausgesprochen realistisch, Kämpfe und Flucht unter widrigen Umständen fordern immer ihren Tribut, so daß Vanye bis zum Ende regelrecht auf dem Zahnfleisch kriecht. Die klassischen Fantasyelemente stechen dabei um so deutlicher hervor, etwa Wechselbalg, die cherryh’sche Variante des seelenverschlingenden Schwertes. Sogar die Pferde bekommen ganz genretypisch Namen und Persönlichkeit, doch klassisch episch wird es trotzdem kaum. Vielmehr wirken die Reiseabenteuer von Morgaine und Vanye bisweilen wie ein Kammerspiel unter offenem Himmel, unterbrochen durch kurze Kampfszenen und actionreichere Aufenthalte auf Burgen und in Herrscherhallen.

Mit ihrer feinen Charakterisierung in Das Tor von Ivrel war Cherryh ihrer Zeit definitiv ein Stück voraus, allerdings muß man einräumen, daß auch die Übersetzung aus den 70ern stammt und bei weitem nicht so gut wie der Roman gealtert ist.

Cover von Tore der Dämmerung von Robert NewcombDer Kampf gegen den grausamen Bund der Zauberinnen hat Eutrakien schwer verwüstet: Der Palast ist zerstört, der König und etliche seiner Untertanen sind getötet worden. Zwar wurden die Zauberinnen vertrieben, doch der Friede ist brüchig, der Stein, der alle Magie in sich vereint, verliert langsam an Kraft. Die Magie droht aus Eutrakien zu verschwinden und merkwürdige Dinge geschehen.
Prinz Tristan und der Zauberer Wigg werden mit einem machtvollen Zauberer konfrontiert, der ihnen überlegen ist. Wieder müssen sie um ihr Leben und für ihr Land kämpfen.

-Und daran werdet ihr ihn erkennen – den schändlichen Mutanten, der dazu bestimmt ward, das Volk gegen den Erwählten aufzuhetzen. Denn sein Denken wird gespalten sein – in das der magisch begabeten, aber auch in das der Verdammten …-
Prolog – Die Diener

Im Großen und Ganzen ist der zweite Teil der Trilogie seinem Vorgänger sehr ähnlich – sieht man davon ab, dass der Autor den exzessiven Gewalteinsatz größtenteils unterbunden hat. Der Rest – Handlung und Charaktere – erfährt leider keine größeren Veränderungen, sodass man am Ende genauso weit ist wie zu Beginn.
Besonders auffällig ist dieses Auf-der-Stelle-Treten beim Protagonisten Tristan. Während er im ersten Buch noch eine Entwicklung durchgemacht hat, passiert hier eigentlich gar nichts mit ihm. Aus unerfindlichen Gründen wird er von den Magiern noch nicht in Magie unterwiesen und steht so den neuen Gegnern mehr oder weniger passiv gegenüber. Shailiha, geheilt und jetzt Mutter, bekommt wenigstens noch eine größere Rolle. Wigg, tränenreich wie immer, und Faegan, kindgeblieben mit Anwandlungen zu seltsamem Verhalten, bleiben so, wie sie sind, ohne dass da irgendeine Entwicklung in Sicht wäre. Sie begehen sogar die gleichen Fehler wie im ersten Buch, indem sie Tristan nicht weiter auf die Rolle als Erwählter vorbereiten und sich stattdessen um sonst irgendetwas kümmern (müssen). Von den Nebenpersonen sind einzig Ragnar und Geldon einigermaßen interessant, über die anderen kann man kaum einen Satz verlieren.

Wenigstens die Handlung bekommt einige neue Aspekte. Ab der Mitte des Romans steigt die Spannung bis knapp vor dem Ende kontinuierlich an, sodass man fast von einem fesselnden Roman sprechen kann. Aber eben nur fast. Das eigentliche Ende kommt 50 Seiten zu früh und ist leider recht unspektakulär. Nachdem man die Hilflosigkeit von Tristan über die vielen Seiten hinweg verfolgen konnte, ist auch das Ende gezeichnet von der Passivität des Auserwählten, der nur beobachten und hoffen kann. Und da weder Magier noch Auserwählter irgendetwas gegen den Gegenspieler tun können, lässt sich das Ende einfach mit “Glück gehabt” zusammenfassen. Natürlich hat man dann ja noch fünfzig Seiten Zeit, das pure Glück ausreichend zu erklären, besser wird es dadurch aber auch nicht. Die fadenscheinigen Erklärungen erscheinen zwar im Zusammenhang durchaus nachvollziehbar, aber überzeugen konnten sie mich nicht. Dafür passieren einfach zu viele Zufälle. Durch das am Ende reichlich vorhandene Glück kommt auch niemand auf die Idee, das eigene Verhalten oder diverse Fehler zu hinterfragen – es ist ja auch so alles gut gegangen. Mal schauen, ob der Erwählte je die Magie beherrschen wird …

Transformation von Carol BergSeyonne gehörte einst einem Volk aus mächtigen Zauberern und Kämpfern an, doch ist er seit sechzehn Jahren Sklave im Imperium der Derzhi, seiner Kräfte beraubt. Abgestumpft und ohne Hoffnung beginnt er den Dienst bei seinem neuen Herrn Aleksander, dem Kronprinzen der Derzhi, der sich als grausamer und unbedachter junger Mann entpuppt. Doch eines Tages entdeckt Seyonne in ihm mit den Resten seiner früheren Fähigkeiten die Kraft, die Welt zu verändern – und genau dies hat er einst geschworen zu beschützen. Denn die Dämonen, die aus ihrer eisigen Heimat in die Seelen der Menschen eindringen, um sich an menschlichem Leid  zu nähren, haben die außergewöhnliche Seele des Prinzen schon entdeckt und trachten danach, sie sich zu Nutzen zu machen.

-Ezzarian prophets say that the gods fight their battles within the souls of men and that if the deities mislike the battleground, they reshape it according to their will.-
Chapter 1

Dieses ungewöhnliche Erstlingswerk hat viele Stärken, eine davon ist das an klassische Abenteuerromane erinnernde Wüsten-Setting, in dem das Geschehen angesiedelt ist und das Carol Berg auch gut zu nutzen weiß. Jenseits von allen Elfen-und-Zwerge-Stereotypen wird zwar nicht bis ins Kleinste ausgearbeitet, aber stimmig und überzeugend  eine Wüstenkultur dargestellt; nebst dieser alt-orientalisch angehauchten Umgebung spielt noch ein keltisch anmutendes Volk eine Rolle, das aber so eigenständig entwickelt ist, daß die Ursprünge am ehesten noch in der Namensgebung und einer magielastigen Lebenswelt zu finden sind.

Die Darstellung von Magie folgt in Transformation (Das Tor der Verwandlung) ohnehin einem eigenen Konzept – magische Handlungen sind zweckgebunden und streng reglementiert und definieren sich aus kulturellen und mythologischen Mustern (etwa die Waffen des ‘Wächters’, der Seelen vor Dämonen schützt: Spiegel und Silbermesser).
Diese Magie ist Kern der Handlung und folgt damit keinen ausgetretenen Pfaden – der Sklave entpuppt sich weder als heimlicher König noch als formbarer Held,  sondern ist vielmehr längst nicht mehr der Jüngste und benimmt sich auch dementsprechend sklavenhaft, was dem Leser zu Beginn einen sehr desillusionierten Hauptcharakter beschert, der sich mit trockenem Humor mehr schlecht als recht über Wasser hält. Die Geschichte gewinnt aber schnell an Dynamik und Spannung und schaukelt sich zu einem furiosen Finale auf, das von einem stimmigen Schluß abgerundet wird.

Der Protagonist berichtet seine Abenteuer als Ich-Erzähler , und diese Technik beherrscht Carol Berg so gut, daß selbst eingefleischte Verächter dieses Stils hier zugreifen dürfen. Seyonne erweist sich als vielseitig genug, um Einseitigkeit zu vermeiden. Man erlebt die Ereignisse aus erster Hand, ohne daß die üblichen Schwächen des Ich-Erzählers wie unglaubwürdiger Spannungsaufbau ins Gewicht fallen würden. Die Charaktere sind extrem plastisch, die Entwicklungen, die sie durchmachen, glaubhaft – in der Wandlung der Hauptcharaktere liegt die große Stärke der Autorin.
Bleibt nur zu sagen, daß der Band zwar als erster Teil einer  Trilogie fungiert, aber in sich abgeschlossen ist und duchaus als Stand-Alone gelesen werden kann.

Cover von Die Träumer von Kendra von Elizabeth A. LynnKendra ist die prachtvollste Stadt im Land Arun, die Metropole der Handelsherren und Kauffahrer. Hier lebt das Mädchen Sorren als Leibeigene einer großen Handelsfamilie, bis sie eines Tages im Traum einen Ruf aus der Vergangenheit erhält. Dort, wo einst ihre Vorfahren herkamen, steht es nicht zum besten, und Sorren muss ihre Stadt und ihre Liebe verlassen, um den Wächtern der sagenumwobenen Festung Tornor in ihrem letzten Kampf beizustehen – dem Kampf gegen das Vergessen …

-Ich hasse dich, dachte Sorren und meinte damit das Meer. Die salzgeschwängerte Sommerluft machte sie müde. Der Goldreif, den Arré ihr für die Einkäufe gegeben hatte, hatte auf ihrem Arm eine rote Drucklinie hinterlassen.-
1. Kapitel

Auch im letzten Teil der Trilogie, die erneut etwa 100 Jahre später spielt, bleibt sich die Autorin treu: Der Erzählstil baut eine komplexe und fesselnde Welt auf, die den Leser sofort mitreißt. Die ganze Welt hat im Laufe der Trilogie eine unglaubliche Lebendigkeit gewonnen und wird nun noch weiter ausgebaut. Spielte der erste Band im hohen Norden, der zweite in der “Mitte”, so wird die Handlung diesmal in den äußersten Süden verlegt. Im Roman selbst werden zwei Schicksale erzählt: Sorren kommt ursprünglich aus dem Norden und wünscht sich nichts sehnsüchtiger, als endlich wieder dahin zurückzukehren. Als Leibeigene der Arré Med jedoch muss sie erst ihre Dienstzeit hinter sich bringen. Arré ist die zweite Hauptperson, sie hat mit Intrigen und Machtspielen im Rat der Häuser von Kendra zu kämpfen. Mit einem unglaublichen Gespür für Details erzählt die Autorin die Wege und Schicksalsschläge der Personen und schafft es dabei sogar, das recht trockene Thema “Politik” spannend dem Leser zu vermitteln. Dieses Thema ist es auch, das den Hauptteil des Buches einnimmt. Erst gegen Ende hin rückt dann die Festung Tornor Keep wieder in den Mittelpunkt, was aber dem Lesespaß keinen Abbruch tut.
Das Buch jedenfalls macht Lust auf mehr, zu schade, dass die Autorin danach lange nichts mehr geschrieben hat.

Cover von Die Trolle von Christoph HardebuschIm Land Wlachkis kämpft der junge Rebell Sten cal Dâbran gegen den tyrannischen Herrscher Zorpad. Doch eines Tage verlässt ihn sein Glück, und er endet – in einem Metallkäfig ausgesetzt – mitten in den dichten Wäldern. Dort wird er ausgerechnet von Kreaturen gerettet, die er eigentlich für Märchen und Legenden hielt: Trolle. Die bösartigen und gewalttätigen Wesen sind an die Oberfläche gekommen, um Antworten zu finden, denn auch ihr unterirdisches Reich wird bedroht. Im Laufe einer gefahrvollen Reise zeigt sich: Nur wenn Menschen und Trolle sich verbünden, kann eine Zeit der Finsternis verhindert werden.

-In den Eingeweiden der Welt, weit unter dem Land, herrschten ewige Wärme und Dunkelheit. Endlose Tunnel und Höhlen zogen sich durch die Knochen der Berge und boten unzählige Verstecke.-
Founding, 1

Der Roman Die Trolle von Christoph Hardebusch führt den erfolgreichen Titelreigen rund um Tolkiens Geschöpfe fort, zu dem auch Markus Heitz’ Zwergenromane und Bernhard Hennens Elfenzyklus gehören. Diesmal dreht sich die Handlung um die namensgebenden Trolle, jedoch wird hier, anders als in anderen Romanen dieser Art, die Geschichte nicht aus Sicht der Trolle erzählt, sondern aus dem Blickwinkel der Menschen, die ihnen über den Weg laufen.
Die Geschichte selbst folgt einem klassischen Questenmuster, das der Autor aber immer wieder variiert. Besonders gut gelungen ist die Skizzierung der Verhältnisse von Gut und Böse, die ja in der Fantasy häufig eindimensional und platt dargestellt werden. Hier jedoch erscheinen nur wenige Handlungsträger als eindeutig definiert, denn obwohl die Trolle grausam und brutal sind, werden sie differenziert gezeichnet. Gleiches gilt für die menschlichen Protagonisten. Mir persönlich hat gut gefallen, dass die fremden Wesen auch tatsächlich fremdartig bleiben und nicht für den Lesefluss “vermenschlicht” werden.
Die Welt ist wunderschön ausgearbeitet, und es macht großen Spaß, sie während des Lesens zu entdecken. Die Beziehungen der Völker untereinander, ihre Geschichte und Kulturen werden detailliert und ausführlich beschrieben. Die vorhandene Magie ist schwach und spielt keine Hauptrolle. Generell erscheint die Welt sehr realistisch und gemahnt an Osteuropa im Mittelalter.
Sprachlich versteht der Autor sein Handwerk und weiß den Leser zu fesseln.
Neben all diesen ansprechenden Faktoren muss aber auch gesagt werden, dass der Roman recht schleppend beginnt, um sich gegen Ende stark im Tempo zu steigern. Dieser langsame Anfang erleichtert nicht gerade den Einstieg, da teilweise allzu ausufernd beschrieben wird. Ein überzeugender Debütroman, der auf mehr hoffen lässt.

Cover des Buches "Der Turm der Göttin" von Jane GaskellCija ist die Tochter der Königin, deren Geschlecht sich von den Göttern ableitet. Um eine Prophezeiung, die Fremdherrschaft für das Land verheißt, zu verhindern, wurde sie siebzehn Jahre lang in einem Turm fernab der Gesellschaft gehalten, doch nun verlangt der mächtige Feldherr Zerd, der mit seinen Truppen das Land besetzt hält, einige Geiseln, so auch Cija. Sie erhält die Aufgabe ihn zu verführen und dann in der Nacht zu ermorden. Zerd aber scheint zunächst an ihr nicht interessiert zu sein, sein Ziel ist es, das ferne und unerreichbare Atlantis zu erobern. Dazu jedoch benötigt er die Flotte des Südreiches. So macht sich Cija, die Tochter der Götter, auf eine lange Reise in den tiefen Süden, auf der sie in der Gesellschaft immer tiefer sinkt…

-Von keinem anderen Fenster aus kann ich die Dinge so gut sehen.-
Der Turm

Das Geschehen findet wohl in einem prähistorischen Mittel- und Südamerika statt, es könnte aber genauso auf einer Sekundärwelt stattfinden, so wenig hat diese Welt mit der unseren gemein. In Cijas Heimat herrscht eine matriarchalische Dynastie, die allerdings von den Priestern stark unter Druck gesetzt wird. Die Nordländer, deren Feldherr Zerd ist, haben einen sehr militaristischen König als Herrscher, die Südländer einen militaristischen Gottkaiser.

Bei der Beschreibung der Techniken der Kulturen bleibt Gaskell einigermaßen vage: Es gibt Bauern, die Pflüge und künstlichen Dünger benutzen, Brennstoffhändler, die mit Torf und Holz handeln, prachtvolle Steinbauten und Springbrunnen. Großer Reichtum Weniger ist mit allgemeiner Armut gepaart. Die Soldaten nutzen Speere und Schwerter, die Nordländer reiten große straußenähnliche Reitvögel, die Südländer Pferde. Die sehr phantasievoll und prachtvoll herausgeputzten Frauen werden z.T. detailliert beschrieben. Gaskell hat eine sehr originelle Welt geschaffen, die bis heute ungewöhnlich geblieben ist.
Die magischen Elemente sind jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau angesiedelt, z.T. muss der Leser schon genau hinsehen um eines als solches zu erkennen. Einige sind jedoch für den Verlauf der Geschichte nicht unerheblich.

Die phantastischen Elemente, die sich am Feldherrn Zerd manifestieren, gehören zu den weniger bedeutsamen, aber dafür offensichtlicheren, denn seine Mutter entstammt einer dunkel-schuppigen nicht-menschlichen Rasse, nur sein Vater war ein Mensch. Zerd selbst hat ebenfalls eine Haut wie von einer Schlange – daher rührt auch sein Spitzname: Der Drache.
Zerd ist ein begnadeter Feldherr und gewiefter Politiker, auch physisch ist er herausragend, dennoch ist er kein Übermensch – auch er kann nur das Machbare schaffen. Er kann grausam und hart sein, aber auch mitfühlend und freundlich – generell scheinen andere Menschen aber nur Instrumente für ihn zu sein.

Cija ist die Hauptperson, die ihr Tagebuch schreibt. Da sie Gespräche z.T. wörtlich wiedergibt, gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen, wenn Cija jemand ihr Verhalten vorwirft. Sie ist feinfühlig und naiv, auch wenn sie  sehr schnell und sehr viel hasst, so wird sie doch eher von ihrem Mitgefühl bestimmt. Sie ist nicht dumm, denn sie hat in ihrer Jugend ihre Bibliothek ausgiebig genutzt. Daher kann sie z.B. erkennen, dass die meisten Männer nur den Körper der Frauen gebrauchen und deren Aussehen relativ egal ist – dennoch will sie Zerd, den sie doch hasst, gefallen und schön für ihn aussehen.
Mal reflektiert sie bewusst über derartige Zwiespältigkeiten, mal nicht. Je nachdem, in welcher Lage sie sich gerade befindet, übernimmt sie passende Ansichten, um sich in der Situationen zurecht zufinden – sie ist auf der Suche nach einer Gemeinschaft, der sie sich anschließen kann, dafür gibt sie viele ihrer alten Positionen auf.

Daneben gibt es noch unzählige weitere Figuren, einige spielen größere Rollen, wie Smahil, der auch eine Geisel ist, die ungewöhnliche Priesterin Ooldra, die kleine Narra, die Cija verehrt oder die Schönste, welche die Konkubine Zerds ist, andere treten nur kurz auf. Alle Figuren wirken glaubwürdig, vielfach streiten kleine Eitelkeiten, das Gewissen und Rationalität der Figuren miteinander. Auch ist es der Autorin gelungen eine ungewöhnliche Bandbreite von Charakteren darzustellen. Die Figuren sind sicherlich eines der Glanzstücke der Geschichte.

Cija beschreibt in ihrem Tagebuch ihren Alltag, der allerdings von Leiden massiv geprägt ist. Auch wenn Cijas Geschichte zunächst einigermaßen geradlinig aussieht, wird sie im Laufe der Zeit doch immer verworrener und zielloser.
Es werden viele unangenehme Themen angeschnitten: Es geht um Gewaltanwendung als Strafmaßnahme und aus Langeweile, es geht um Vergewaltigung und die Stellung der Frau in der Gesellschaft, insbesondere wenn ein feindliches Heer in ein Territorium eindringt, Armut, Sklaverei, Fremdenfeindlichkeit und Genderbending. Vieles davon erfährt Cija am eigenen Leib, so muss sie sich eine Zeit lang als Junge verkleiden und lernt einen Jungen kennen, der lieber eine Frau wäre. In seinem Heimatdorf würden ihn die Mitbewohner töten, würden sie von seiner “Perversion” erfahren.

Auch wenn es sich vielfach ausgedehnte Beschreibungen gibt, besonders am Anfang, ist die Geschichte doch spannend und der Leser will erfahren, wie es mit Cija weitergeht. Als Manko könnte man aber die vielen Zufälle, die sich ereignen, werten. Der Stil ahmt den eines Tagebuchs tadellos nach, selbst die Wandlungen, denen Cija unterliegt, werden leicht angedeutet.
Jane Gaskell hat The Serpent als einen Roman verfasst, erst später wurde dieser zweigeteilt – in den “ersten” Band The Serpend/Der Turm der Göttin und den “zweiten” Band The Dragon/Der Drache, das Ende ist daher nicht besonders befriedigend – man muss dafür schon den “zweiten” Teil lesen.

Die Vergangenheit des Regens von Tobias O. MeissnerDas Mammut wurde stark dezimiert und steht eigentlich vor dem Aus, doch die Probleme auf dem Kontinent werden nicht kleiner. Deshalb macht sich die Gruppe um den ehemaligen Stadtschreiber Rodraeg Delbane nach Süden auf, um im Regenwald nach dem Rechten zu sehen. Dort fällt seit geraumer Zeit kein Regen mehr. Auf der Suche nach der Ursache stoßen Rodraeg und seine Gefährten auf andere Fraktionen, die ebenfalls an einer Aufklärung interessiert sind – u.a. die Einheimischen –, und auf eine Vielzahl an Gefahren. Mit einer großen Gruppe an teils fragwürdigen Verbündeten machen sie sich auf ins Innere des ausgetrockneten Waldes.

-Von Anfang an hatte Ogan »Schartbart« Broog kein gutes Gefühl bei der Sache gehabt. Aber es ist immer leichter, hinterher zu sagen: »Ich habe es doch geahnt«, als im Voraus, während die Dinge sich entfalten, im entscheidenden Augenblick eine andere Richtung einzuschlagen.-
Prolog

Das Mammut hat bereits Walfängern das Handwerk gelegt, Tierversuche verhindert und Haarhändler gestoppt – dass nun der Regenwald gerettet werden soll, ist eigentlich ein ganz logischer Schritt. Doch genauso, wie auch die bisherigen Ereignisse immer weiter von den Abenteuern einer Rollenspielgruppe auf dem Ökotrip weggeführt haben, bis nur noch das Gerüst dieser Ausgangssituation stehenblieb, während im Inneren eigentlich längst eine andere Geschichte erzählt wurde, spielt Logik gerade in diesem Band eine immer kleiner werdende Rolle.
Die Vergangenheit des Regens ist der (vorerst) letzte Band der ursprünglich doppelt so lang geplanten Reihe, und eine der spannenden Fragen im Vorfeld war, ob es auch ein Abschluss sein würde. Die kurze Antwort lautet: nein. Tobias O. Meißner hat die bisher im glazialen Tempo voranschreitende Hintergrundgeschichte nicht in einem großen Streich beendet und schon gar nicht dafür auf das Einzelabenteuer des sechsten Bandes verzichtet, wenngleich beides diesmal stärker verwoben ist als in den meisten anderen Bänden.

Mit Die Vergangenheit des Regens thematisiert Im Zeichen des Mammuts zunehmend die problematischen Aspekte einer auf dem ganzen Kontinent operierenden Gruppe von Aktivisten, vor allem der Umgang mit Einheimischen (die eine eigene Interpretation der Geschehnisse vertreten, aber häufig gar nicht über ein “wo geht’s lang” hinaus um ihre Meinung gebeten werden) und die Gewaltbereitschaft werden immer wieder hinterfragt. Meißner gelingt es damit, durchaus moderne Themen in seinen Roman einfließen zu lassen, auch wenn der Abenteueraspekt trotzdem im Vordergrund bleibt.
Das Dschungelabenteuer bietet auch alles, was man sich von einem solchen Setting erwartet – Riesenameisen, Spinnenmenschen, verborgene Ruinen –, und noch einiges mehr, denn Meißners Talent für atmosphärische Schauplätze und die Bedrohung durch ein verstörendes Übel, das ganz klassisch an der Welt nagt, aber alles andere als ein dunkler Herrscher ist, kann sich hier voll entfalten, genauso sein Händchen für gelungene Eigennamen.

Durch den hohen Verschleiß innerhalb der Mammuttruppe kommt immer wieder Bewegung in die Beziehungen der Mitglieder, allerdings gibt es nur wenig Kontinuität. In Die Vergangenheit des Regens trifft man jedoch viele alte Bekannte wieder, und die Figuren, die man schon lange begleitet, sind stark gereift und gealtert. Vor allem Rodraeg als moderner (Vor-)Denker sticht heraus, der mit all seinen Bedenken, seinem Abwägen und Zögern häufig die Handlungsfreiheit verliert. Er markiert einen Übergang, einen Aufbruch ins Denken, er wagt die Formulierung großer Theorien und Zusammenhänge und wendet sich ab von der reinen Hinnahme (von menschlicher und göttlicher Herrschaft) hin zu einer differenzierteren Sicht, auch wenn sich diese nicht unbedingt als praktikabel erweist. Diese tiefere Thematik von Glauben contra Vernunft ist von Ironie geprägt, wenn sich der ewige Zweifler Rodraeg schließlich sogar anhören muss, er würde einen guten Priester abgeben.
Mit diesen Erkenntnissen und einer neuen Sicht auf das Göttliche macht Die Vergangenheit des Regens einen großen Entwicklungssprung und liefert etwas Hintergrund für die Hauptgeschichte, womit sich sogar eine Meta-Ebene auftut, die AutorInnen (oder LeserInnen) anspricht, die jederzeit zu anderen, interessanteren Welten weiterwandern können.

Letztlich bleibt aber alles offen, was die Zukunft für Rodraegs Heimatwelt und jene andere, die man im Verlauf der sechs Bände kennenlernen durfte, bereithält. Die Vergangenheit des Regens ist in erster Linie einfach ein neuerliches Mammutabenteuer, und als solches geht es den Weg weiter, der weg vom rollenspielartigen Plot zunehmend ins Unkonventionelle führt und die Erwartungen umkehrt – nicht nur die der Figuren, die verzweifelt versuchen, den Sinn der Ereignisse zu ergründen, auch wenn sie dazu bizarre mentale Purzelbäume schlagen müssen. Da dieser Weg aber zumindest von Verlagsseite hier ein Ende hat, steht zu befürchten, dass es bei einem Versuch bleibt.

Das vergessene Zepter von Tobias O. MeißnerWieder einmal ist der Mammutgruppe nicht viel Erholung vergönnt: Der nächste Auftrag läßt nicht auf sich warten. Diesmal soll das Mammut den bedrängten Riesen zur Seite stehen, die sich in den Gebirgszug Wildbart zurückgezogen haben und trotzdem ihrer Haare wegen gejagt werden. Entsprechend mißtrauisch sind die Riesen gegenüber Rodraeg und seinen Gefährten, aber schließlich werden diese dennoch für einen Auftrag auserwählt: Sie sollen den Fliegenstab, das vergessene Zepter des Riesenköngis, aus einer Höhle bergen. Obwohl Rodraeg noch immer von seiner Krankheit geplagt ist, brechen die Gefährten auf, um sich den tödlichen Gefahren und Rätseln der Höhle zu stellen. Und sie sind nicht die einzigen, die an der legendären magischen Waffe ein Interesse haben…

-Der Mann, der seinen Namen vergessen hatte, saß auf dem Steinboden und ließ aus seinen Handflächen Insekten wachsen.-
Prolog

Inzwischen ist es ja zur entspannenden Gewohnheit geworden: Bekommt das Mammut – wie in jedem vorausgegangenen Band der Reihe – einen neuen Auftrag, stürzen sich die Helden nicht Hals über Kopf ins Abenteuer, sondern nähern sich ihm langsam an, mit ausführlichen Reise- und Vorbereitungs-Szenen. Und auch in Das vergessene Zepter läßt sich Meißner wieder alle Zeit, um die Befindlichkeiten seiner Protagonisten zu erkunden. Die Haupthandlung scheint erst richtig loszugehen, wenn man schon ein Drittel der Seiten hinter sich gebracht hat. Dramatisch ist diese Betulichkeit allerdings nicht, denn Rodraeg und seine Mannen sind nach wie vor ein wahres Lesevergnügen, und der Autor erweist sich auch in Szenen des Kleinen und Alltäglichen als ausgesprochen guter Geschichtenerzähler. Zu Beginn gibt es genug Hinweise auf Vergangenes, so daß man nach einer längeren Lesepause problemlos einsteigen kann.

Alles beim Alten also – zum Glück, möchte man sagen, denn bisher gab es nicht viel zu meckern an den unterhaltsamen Abenteuern des Mammuts. Aber genauso gut leider, denn auch bei der reihenüberspannenden Hintergrundhandlung bleibt alles wie gewohnt vage. Sucht man nach größeren Zusammenhängen, ist die Informationsausbeute auch nach dem dritten Band mehr als dürftig. Womöglich läßt der Autor es im Gesamtkonzept ebenso ruhig angehen wie in jedem einzelnen Band, und immerhin ist die Reihe auf mehr als eine Handvoll Titel ausgelegt, doch im Augenblick liest sie sich eher wie eine Ansammlung durchaus spannender Einzelabenteuer und nicht wie ein großes Ganzes. Das mindert das Vergnügen ein wenig, denn Meißner hat durchaus Köder ausgelegt, auch solche, die man beim augenblicklichen Stand der Dinge noch nicht so recht einordnen kann. Aber es bleibt bei Andeutungen und Winzigkeiten – und das nach einer Seitenzahl, bei der in anderen Fantasy-Zyklen langsam schon das Ende in Sicht ist.

Für das Abenteuer, das im Rahmen von Das vergessene Zepter bewältigt wird, tut all das aber keinen Abbruch. Anders als bei den ersten beiden Bänden der Reihe schwenkt Meißner im Kontext der verworrenen Rätsel und Prüfungen der Höhle, in der die Mammut-Recken das Zepter suchen, auf einen teils sehr interessanten Stil um – da werden Teile als seitenlanger Bandwurmsatz erzählt, andere als in der Gegenwart parallel erlebte Träume. Die Abschnitte mäandern zwischen originell und überkandidelt, werden aber auf Leser, die Brüchen im gewöhnlichen Erzählfluß weniger abgewinnen können, mit Sicherheit etwas lang wirken.

Bei einem der Hauptcharaktere wird niemals lange verweilt, fast wie ein allwissender Erzähler schwenkt der Autor in schneller Folge von einem zum nächsten. Dennoch entwickeln sich die Charaktere und das Mammut als Ganzes im Gegensatz zur Haupthandlung prächtig weiter – daß es ihnen am Ende prächtig geht, wird dem Leser allerdings nicht vergönnt: Das Warten auf den nächsten Band ist mit einem ordentlichen Cliffhanger gewürzt.
Im Epilog erwartet einen dann ein weiterer kleiner Bruch mit dem Standard eigenständiger Fantasy-Welten: Offenbar kennt man in der Welt Rodraeg Delbanes und des Mammuts auch Das Zeitalter der Wandlung, die Roman-Reihe von Meißners Kollegen Markolf Hoffmann, was aber hauptsächlich den Eindruck erhöht, trotz des zumindest aus Lesersicht gelungenen Einzelabenteuers im großen Bogen der Reihe auf der Stelle zu treten und weitere Mysterien aufzuhäufen, statt einige zu lösen.

Cover von Das verlorene Land von Michael A. StackpoleDas Land der Neun Dynastien wurde vor über 700 Jahren von einem magischen Kataklysmus verwüstet und erholt sich erst langsam davon. In Nalenyr leben die Brüder Keles und Jorim, beide gehören zur Anturasi-Familie, durch besondere Fähigkeiten in der Kartografie die mächtigste Familie neben dem Prinzdynasten Cyron. Eigentlich könnten sie ein angenehmes Leben führen, wäre da nicht Qiro, ihr Großvater, der seine Stellung als Oberhaupt der Familie behaupten will und seine Enkel deswegen auf gefährliche Missionen nach Osten und nach Westen schickt, wo noch immer wilde Magie tobt. Gleichzeitig hofft Prinz Cyron auf neue Handelswege, deren Reichtümer Nalenyr vor den expansionsfreudigen Nachbardynastien schützen sollen.

-»Falls ihr immer noch kämpfen wollt, nennt eure Bedingungen.«
Ich hab keine Angst vor euch.« Pavyntis braune Augen wurden schmal. »Natürlich bis zum Tod.«
Moraven nickt. »Zeichnet den Kreis.«-
1

Der seitenstarke Auftakt des neuen Zyklus von Michael Stackpole platzt zwar nicht gerade vor Spannung, beweist aber, dass der Zyklus durchaus Potential hat und sich einiges daraus entwickeln kann. Besonders das Ende beinhaltet einige gemeine Cliffhanger, die einen neugierig auf den nächsten Teil machen. Aber erstmal zu diesem Buch:
Das schwierige an Auftaktbänden ist natürlich, dass der Leser in eine völlig fremde Welt eingeführt wird und sich zurechtfinden muss. Aber gerade da macht es uns der Autor nicht sonderlich einfach. Schon im ersten Kapitel wird man mit fremden Bezeichnungen überhäuft, ohne irgendeine Erklärung zu erhalten. Im Laufe des Buches erhält man zwar ansatzweise ein paar Erläuterungen, aber diese Hilfe kommt spärlich und spät. Besonders Anfänger dürften bei Wörtern wie Xidantzu, Pavynti Syolsar und Ummummorar schnell die Lust am Weiterlesen verlieren. Aber keine Sorge, mit etwas Geduld durchschaut man auch diesen Wirrwarr an Wörtern und kann relativ unbeschwert der Handlung folgen.
Diese ist, wie bereits geschrieben, nicht gerade die pure Spannung. Eher langsam und bedächtig steigt die Spannungskurve bis zum Ende hin an und fesselt erst auf den letzten Seiten richtig. Schade nur, dass man dann auf den nächsten Band warten muss. Außerdem erkennt man einige “ausgeliehene” Ideen anderer Geschichten und Mythen. So entspringt etwa die Idee der Kaiserin, die eines Tages wiederkommen wird, um ihr Volk gegen Feinde zu verteidigen, eindeutig der Artus-Sage.

Zwischendrin gibt es dafür jede Menge Intrigen und Mordkomplotte, die zwar einen detaillierteren Blick auf die Welt und die Dynastien erlauben, aber dafür recht umständlich und vor allem langatmig geschrieben wurden. Dennoch muss man Stackpole für die Komplexität der Welt Respekt zollen, alles ist gut durchdacht und ausgearbeitet. Würde man nur besser in die Welt eingeführt werden, könnte man diesen Aspekt des Buches vielleicht mehr Beachtung schenken. Doch genau wie etwa bei Steven Erikson geschieht das zu wenig, sodass der Leser eher außen vorbleibt, anstatt sich in die Welt hineinversetzen zu können. Geübte Leser werden dabei allerdings nicht so große Probleme haben wie Fantasyneulinge.
Bei den Charakteren jedoch gab sich Stackpole größte Mühe, und das merkt man auch. Die Personen sind vielschichtig und lebendig dargestellt, jede hat ihre Vergangenheit. Besonders Qiro als tragischste Person fällt dabei ins Auge. Bei Nebencharakteren lässt diese Sorgfalt etwas nach, etwa wenn die “Mutter der Schatten”, eine alte Frau im Dienste des Prinzdynasten von Deseirion, immer nur ans Töten denkt und der Prinz sie jedes Mal davon abhalten muss, jeden Feind persönlich aus dem Weg zu räumen.
Insofern verspricht das Anfangsbuch des Zyklus mehr für die kommenden Bände, hoffentlich können diese die Versprechen auch halten.

Kushiel: Der Verrat von Jacqueline CareyEin Jahr ist vergangen, seit die Invasion der Skaldi abgewehrt werden konnte. Phèdre lebt mittlerweile glücklich auf dem kleinen Anwesen Montrève, zusammen mit ihren Beschützer Jocelin. Eines Tages kommt ein alter Freund ihres verstorbenen Vormundes Delaunay zu Besuch und bringt ein merkwürdiges Geschenk mit: ihren sangoire Mantel, den die entkommene Verräterin Melisande bei sich hatte. Phèdre weiß, dass dies eine Herausforderung darstellt, dass Melisande noch nicht geschlagen ist. Und dass sie ihr kurzes Glück aufgeben muss, um die Königin zu warnen. Doch keiner ahnt, wie tief die Verschwörung geht …

– Selbst wenn ich mich nunmehr Comtesse de Montrève nennen darf und mein Name im Adelsverzeichnis von Terre d’Ange aufgeführt ist, habe ich nicht vergessen, wie es ist, wenn einem alles genommen wird, was man besitzt. –
1. Kapitel

Zu Der Verrat liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Verschwörer von Megan Whalen TurnerSophos, der eher gelehrsame als machtbewusste Neffe und Erbe des Königs von Sounis, wird verschleppt und gerät in die Sklaverei. Kaum ist er dieser misslichen Lage mit knapper Not entronnen, sieht er sich mit Schwierigkeiten eines ganz anderen Kalibers konfrontiert: Sein Onkel ist während seiner Abwesenheit ums Leben gekommen, und die Herrschaftsübernahme in dem von inneren Wirren geplagten Land gestaltet sich äußerst problematisch, zumal die allgegenwärtigen Meder natürlich wie gewohnt die Situation zu ihren Gunsten auszunutzen trachten. Aus eigener Kraft kann Sophos sich schwerlich halten, doch die angebotene Hilfe aus dem Ausland hat ihren Preis…

– Der König von Attolia durchquerte seine Stadt. Er war auf dem Weg zum Hafen, um Gesandte willkommen zu heißen, die gerade aus fernen Weltgegenden eingetroffen waren. –
Prolog

Zu Die Verschwörer liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Voyage of the Shadowmoon von Sean McMullenAuf dem Kontinent Torea ist ein machthungriger Kaiser auf dem Weg, alle anderen Reiche zu erobern – und er schreckt dazu auch vor dem Gebrauch einer zerstörerischen Waffe nicht zurück.
Zur selben Zeit tingelt das kleine Schiff Shadowmoon durch die Häfen der Küste. Niemand weiß, daß die Mannschaft aus Spionen besteht, die Informationen sammeln – unter anderem über die Waffe des Kaisers Wasrovan. Doch wer wem vertrauen kann und wer für wen arbeitet, ist niemals ganz klar. Die Katastrophe droht bereits über Torea hereinzubrechen, und die Spione und zufällig auf der Shadowmoon gestrandeten Passagiere müssen zusammenarbeiten, um dem verrückten Wasrovan seine Waffe abzunehmen…

-Miral dominated the sky as the deepwater trader docked, an immense green, banded disk at the center of threee scintillating green rings.-
Prologue

Sean McMullen schafft in diesem Roman den Spagat zwischen einer epischen, mitreißenden Handlung und nahezu unglaublicher Komik, die entweder aus absurden Situationen oder aus dem trockenen Humor der Figuren erwächst. Der rote Faden wird allerdings nie dem Witz untergeordnet, auch wenn der Autor sämtliche Gelegenheiten für skurrilen Szenen auskostet.
Schon die Charaktere allein bieten Anlaß für einige Lacher: Da wäre in erster Linie Laron, der einzige Vampir der Welt Verral, der seit Jahrhunderten im Körper eines pickeligen 14jährigen steckt, und der auf seinen Beutezügen immer das Wohl der Menschheit im Auge hat; außerdem der Krieger und Magier Roval, der seine Probleme mit dem anderen Geschlecht am liebsten in Alkohol ertränkt, die erstaunlich resourcenreiche Priesterin Terikel und etliche andere. Der Leser wird in schneller Folge von einem Charakter zum nächsten gejagt und wird dabei Zeuge unglaublicher Abenteuer in schönster Mantel- und Degen-Manier, die nicht selten auf einem äußerst wagemutigen Plan fußen. Der Spaß und die amourösen Episoden kommen dabei keinesfalls zu kurz, dennoch nimmt sich die Handlung im Grunde genommen ernst – auch wenn sie meistens locker und leichtfüßig von einem Punkt zum nächsten hastet, von einem lakonischen Erzählstil geerdet, der Voyage of the Shadowmoon zu einem einzigartigen Vergnügen macht.

Auf den zweiten Blick erscheinen die Zusammenhänge kompliziert und mitunter verwirrend, denn es ist teilweise recht schwer, sich zu merken, wer mit wem gemeinsame Sache macht und was die jeweiligen Charaktere über die anderen wissen. McMullen behält sich auch vor, den Leser mehrmals kräftig zu überraschen, indem er die eigentlichen Ziele einer im Grunde wohlbekannten Figur erst recht spät in der Handlung eröffnet.

Erwähnenswert ist auch die Welt Verral – der Mond eines größeren Planeten – die Magie in rauhen Mengen aufweist und sich noch in jeder Menge anderer exotischer Einzelheiten  von unserer Welt (die übrigens am Rande eine Rolle spielt) unterscheidet. Zahlreiche Orden, Vereinigungen und Reiche bieten Raum für die Spionage-Arbeit der Agenten, denen James Bond wohl nicht das Wasser reichen könnte. Als wäre das alles nicht schon sensationell genug, macht McMullen zu Beginn des Buches etwas, das in Fantasy-Romanen normalerweise immer in letzter Sekunde verhindert wird, und benutzt es als Ausgangspunkt für die Handlung (und beeindruckenden Schauplatz).
Wenn man sich in dieses grandiose Abenteuer auf See, an intrigenreichen Höfen und anderen exotischen Schauplätzen stürzt, wird man feststellen, daß sich wunderbarer Nonsens-Humor und Spannung und bedeutsame Ereignisse nicht gegenseiutig ausschließen; und auch die Charaktere setzen sich im Gedächtnis fest, obwohl sie vordergründig hauptsächlich durch ihre Schrullen zum Leben erweckt werden.

Cover des Buches "The War of the Flowers" von Tad Williams Theo, ein Sänger in einer unbekannten Rockband, lebt ein normales, wenn auch unspektakuläres Leben. Plötzlich jedoch taucht eine kleine Elfe auf und rettet ihm im letzten Moment das Leben vor einem Horrorwesen. Die Elfe Applecore bringt Theo nach Faerie, eine Märchenwelt, die aber entgegen unseren Erwartungen nichts Märchenhaftes hat, sondern ein verzerrtes Abbild unserer eigenen Welt ist. Faerie wird von schönen, lustigen aber auch schrecklichen Wesen bevölkert und von einer herrschsüchtigen Elfenrasse regiert.

-The shape of Faerie itself is even stranger than the nautilus plan of the city I call New Erewhon – for it is no shape at all. To accurately reflect the experience of traveling there, a map that land have to revolve like a child´s top or go through some other metamorphosis I cannot quite concieve, for Faerie simply will not lie flat an behave itself….-

The War of the Flowers (Der Blumenkrieg) ist eine Mischung aus Fantasy und Phantastik.
Der Plot ist zuerst in der realen Welt dieses Jahrhunderts angesiedelt, dann taucht der Leser mit der Hauptperson in Faerie ein, eine Märchenwelt, bevölkert mit allerlei märchenhaften, phantastischen, skurrilen und auch albtraumhaften Bewohnern, die den Leser auf den ersten Blick mit allerlei Anachronismen konfrontiert.
Der Einstieg in die Geschichte wird dem Leser einfach gemacht, da der Hauptcharakter Theo als ein ganz durchschnittlicher, ja gewöhnlicher Mensch beschrieben wird. Es ist daher ist leicht, gedanklich in seine Rolle zu schlüpfen, und man hat dabei sogar noch das gute Gefühl, es ein wenig besser zu haben als dieser Blumenzusteller und Musiker in einer unbekannten Rockband.
Der Autor beschreibt seine Figuren, insbesondere Theo, vielschichtig, plastisch und sehr umfangreich. Die Personen wirken in ihrem Charakter und Verhalten erfrischend natürlich und nicht konstruiert oder stereotyp.

Tad Williams ist ein Meister im Erschaffen und Beschreiben von phantastischen Elementen. Er stellt die Bewohner und Gesetze seiner Welt lebhaft und plastisch dar. Nicht selten muss man über besonders skurrile Erscheinungen schmunzeln, wie z. B. einen blinden Taxifahrer, der einem Pferd nicht ganz unähnlich ist und dessen Rasse oder Art sozusagen zum Chauffieren geboren ist, oder auch den “Remover of Inconvinient Obstacles”, dessen Titel schon allein ein Grinsen beim Leser provoziert. Williams schafft es, die Welt mit unterhaltsamen, lebendigen Figuren anzufüllen.
Wer durch die vielen Bezeichnungen von Wesen nicht durchblickt, dem wird im Anhang mit einer kurzen Erklärung von Personen, Wesen und Dingen geholfen.
So interessant Faerie auch ist, der Plot selbst geht teilweise nur schleppend voran und weist häufig Längen auf. Von Williams’ anderen Romanen Der Drachenbeinthron und Otherland mit vielen Handlungssträngen und ebenso vielseitigen Personen verwöhnt, muss der Leser sich in The War of the Flowers nur mit einem größerem Handlungsstrang begnügen. Theo muss folglich die ganze Geschichte tragen, aber leider bleibt er so gewöhnlich, wie anfangs beschrieben, und vollzieht keine charakterlichen Weiterentwicklungen. Die wenigen handelnden Nebenpersonen werden einigermaßen gelungen herausgearbeitet, sind aber genauso entwicklungsarm.
Tad Williams schafft es aber trotzdem, das Leseinteresse durch dichte Atmosphäre, Sprachwitz und ein paar kleine “Highlights” aufrecht zu erhalten.

Die Geschichte endet in einem sehr spannenden und mitreißenden Höhepunkt und gibt dem Leser letztlich das versöhnliche Gefühl, es habe gar keine Längen gegeben. Der Plot wurde von Williams sorgsam durchdacht und ist abgerundet.

The Waterborn von Greg KeyesPerkar, der eigentlich den Haushalt seines Vaters verlassen und eine eigene Familie gründen sollte, lässt sich zu einer kaum zu bewältigenden Mission hinreißen: Er will den Gott des Großen Flusses besiegen. Als er zusammen mit anderen Kriegern seines Stammes auszieht, um mit dem Waldgott um weiteres Weideland zu verhandeln, sieht er seine Gelegenheit gekommen.
Weit unten, schon beinahe im Flussdelta, verfügt der Herrscher der riesigen Stadt Nhol über die Macht des Flusses. Als Hezhi, eine seiner Töchter, langsam erwachsen wird, beginnt sie zu ahnen, dass dafür ein Preis zu zahlen ist. Stur stellt sie eigene Nachforschungen an.

-Hezhi confronted the black depth, felt a wind blow up from it and envelop her like the breath of a vast beast.-
I. The Princess and Perfect Darkness

In seinem Debutroman The Waterborn hat Greg Keyes sich seiner Lieblingsthemen angenommen: Das Wissen eines Ethnologen steckt darin, die Liebe zur Sword & Sorcery, die Vorstellung eines nicht kolonialisierten Amerikas, das er in keinem anderen Setting so weit entwickelt hat wie hier.
Das Amerika unserer Welt ist es allerdings nicht: Die Anklänge sind deutlich, die Verfremdung aber auch, denn es ist eine Welt, in der die Menschen nur eine Art unter vielen sind. Unheimliche, naturnahe Waldbewohner, Riesen und eine Heerschar von Göttern bewohnen die Urwälder, Ebenen und Bergregionen, in denen die spirituelle Welt mit ihren Ahnen und den oft ambivalenten göttlichen Manifestationen immer präsent ist. Es wimmelt vor kleinen und großen Göttern, mit denen die Menschen zwar im Umgang vertraut sind, die ihnen aber nicht nur aufgrund ihrer Launenhaftigkeit und Undurchschaubarkeit sehr fremd bleiben. Die zahllosen Ausprägungen dieser spirituellen Welt ergeben bei Keyes ein ausgesprochen stimmiges Gesamtbild, während ihre Ausgestaltung im Einzelnen über den ganzen Roman hinweg spannend bleibt.

Gut und Böse sind in dieser Konstellation nicht klar erkennbar, weder in den eigentlich gar nicht so sehr lenkenden, als vielmehr nach Gutdünken eingreifenden oder tatenlos zusehenden Mächten, noch in den Helden selbst: Keyes erzählt die erstaunlich menschliche Geschichte von Hezhi und Perkar, die sich von außen betrachtet zu wahren Übermenschen entwickeln, aber einander trotzdem antithetisch gegenüberstehen. Hezhi ist dazu geboren, ohne es zu wissen oder zu wollen, und sie hat keinerlei Methoden für den Umgang mit ihren Fähigkeiten erlernt. Perkar wünscht sich nichts sehnlicher, als zur Erfüllung seiner (zunächst romantisch verklärten) Mission, gegen den mächtigen Flussgott ins Feld zu ziehen, übermenschliche Kräfte zu haben, aber als er sie erwerben kann, muss er auch ihren Preis erkennen.
Dadurch wird The Waterborn einerseits zu einer Geschichte um Identitäten, um das Coming of Age der beiden jungen Helden, doch es ist genauso sehr ein Sword-and-Sorcery-Abenteuer mit einer nachdenklichen Note, in dem der Heldenstatus und die Mystifizierung der Ereignisse, ihre Übertragung ins Reich der Geschichten, ständig hinterfragt werden, ohne die positiven Seiten zu negieren.

Keyes erweist sich dabei als sehr geschickter Erzähler: Durch die gegensätzliche Anlage seiner beiden Protagonisten wechselt der Erzählduktus zwischen der ruhigen, beinahe kriminalistischen Spurensuche von Hezhi im Palast der Großstadt Nhol und der actionreichen Questen-Wanderung von Perkar. Wissen erlangen und Entdecken stehen dem Agieren, Bewegen und schmerzlichem Nicht-Wissen gegenüber. Dabei gehen aber niemals die (häufig wichtigen) Beobachtungen auf der Detailebene unter, es gibt viele kleine, subtile Momente beider Figuren und auch etliche gelungene Überraschungen. Bis zum Ende bleibt offen, wie die beiden trotz örtlicher Trennung geschickt verbundenen Hauptfiguren zueinander stehen – The Waterborn ist eines der Bücher, die eine treibende Spannung besitzen und nicht zulassen, dass man den Ausgang bereits weit im Voraus ahnt.
Bereits der Einstieg ist ungewöhnlich und gewagt, denn er gibt einen szenischen Abriss über wichtige Ereignisse beim Aufwachsen der Helden und enthält mehrere Zeitsprünge, ehe er in die Haupthandlung einsteigt.

Vor allem aber nicht nur an Perkar zeigt Keyes, dass er seinen Helden auch krasses Fehlverhalten zugesteht, und beschreibt Möglichkeiten, mit den unguten Konsequenzen aus Handlungen umzugehen, auch wenn sie nicht wiedergutzumachen sind. Die hochmagische Welt mit ihren beseelten Schwertern, magischen Wassern und mächtigen Weissagungen hält zwar viele Wunder bereit, aber sie verzeiht auch nicht viel – es geht bisweilen also recht heftig zur Sache.
In den Figuren meistert Keyes sowohl einen differenzierten Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem die Darstellung von Perkars und Hezhis Verehrern und Verehrten spielt mit Klischees und steckt voller Wärme und Leidenschaft (nein, nicht in der sülzig-schwülstigen Bedeutung), genauso aber auch die Betrachtung von Freundschaften und Konkurrenzverhalten, die bei den juvenilen Helden oft dicht beieinander liegen. Neben den präzisen psychologischen Beobachtungen stehen philosophische, die auch nicht davor zurückschrecken, den Tod als einen (legitimen) Ausweg aus einem Dilemma heranzuziehen.

Die gut ausgearbeitete Kulisse dazu  bietet Keyes’ anthropologischer Hintergrund: Sein alternatives Amerika ist eine bunte Mischung aus Kulturen; an Sprachfetzen kann man ablesen, dass auch linguistisch etwas am Weltenbau dran ist, und die Bandbreite ist groß, von augenzwinkernd als Barbaren titulierten Viehwirten über Steppenhalbnomaden bis hin zu Großimperien. Ob Nhol nun deutlicher von mesopotamischen Städten oder von Cahokia am Mississippi beeinflusst ist, das Setting wirkt bis ins Detail gut recherchiert und kann mit einer Originalität aufwarten, die man in der High Fantasy nicht alle Tage findet.

Der gesamte Spannungsbogen von Chosen of the Changeling ist zwar mit The Waterborn nicht geschlossen, aber es kann durchaus für sich stehen, was vor allem im Hinblick auf die deutsche Ausgabe (Aus Wasser geboren) wichtig ist, die keine Fortsetzung gefunden hat.
Man kann das ein oder andere an Keyes Debutroman bekritteln, den sprunghaften Beginn oder die Momente, in denen man dem Helden “Tu’s nicht!” zubrüllen möchte, aber davon sollte man sich nicht abhalten lassen, The Chosen of the Changeling zu lesen, wenn man die hochoriginelle Welt und den ungewöhnlichen und spannenden Plot nicht versäumen will.

Cover von The White Dragon von Laura ResnickNachdem Josarian der Feuerbringer wurde, wie es die Prophezeiung vorhersagte, und die Valdani besiegte, die Sileria seit Jahrhunderten regiert hatten, wurde er von seinen Verbündeten verraten und vom gefürchteten Weißen Drachen getötet.  Diese tödliche Kreatur war von Kiloran, dem mächtigesten Wasserherrn in Sileria, geschaffen worden. Tansen, Josarians Blutbruder, führt nun den Kampf gegen die Wasserherren an. Als die Vulkangöttin Dar in Erdbeben und Lavaströmen ihre Wut über den Verlust des Feuerbringers auslässt, erschaffen die Kräfte von Schicksal, Prophezeiung und Magie neue Helden, welche aus den zerstörten Bergdörfern, aus den dürstenden Städten, vom Meer und sogar von unter der Erde kommen.

– She was the destroyer goddess, wiping out whole villages on a whim, exploding in showers of lava and molten rock which set the surrounding mountains on fire and blackened the sky with ash. –

Nachdem uns Laura Resnick nach dem ersten Teil so ziemlich im Regen hat stehen lassen und man den zweiten Teil gar nicht erwarten konnte, entschädigt sie uns dafür mit einer unglaublich guten Fortsetzung der Chronik.
Die Handlung knüpft nahtlos an die Vorgänger an und überrascht durch ebenso viele Wendungen. Zwar verliert die Handlung besonders in der ersten Hälfte des Buches an Fahrt, das resultiert aber aus dem Ende des zweiten Teils: Die chaotischen Zustände und Machtrangeleien nach Josarians Tod stehen vorerst im Vordergrund. Langeweile kommt trotzdem nicht auf, den Resnick baut immer wieder Nebenhandlungen auf, die am Ende dann zu einem großen Strang verschmelzen.

Wie schon im Vorgänger trifft der Leser hier neben den Hauptcharakteren auf viele Nebencharaktere, die vielschichtig und lebendig dargestellt werden. Der Roman wird zum großen Teil von den Charakteren getragen, und diese erstaunen immer wieder: Vermeintliche Hauptcharaktere verschwinden gewaltsam von der Bildfläche, scheinbare Nebencharaktere entwickeln eine eigene Geschichte und sind entscheidend für die Handlung.
Resnicks Englisch lässt sich gut lesen, bis auf einige Wörter, die ich nachgeschaut habe, müsste jeder, der Englisch in der Schule gehabt hat, dem Buch folgen können.

Am Ende merkt man deutlich, dass dies nur der eine Teil einer Geschichte ist: abrupt endet das Buch ohne in irgendeiner Weise die Handlung zu beenden. Im Nachwort erfährt man aber auch warum: der Verlag war nicht in der Lage, die Geschichte in einem Buch zu drucken, und machte kurzerhand zwei draus. Dem Leser kann das nur recht sein, hätte Resnick sonst zu viel von ihrer einmalig guten Geschichten streichen müssen!

Anmerkung: Laura Resnick hat ihre Reihe Chronik von Sirkara genannt, der Name Sirkara ist der Name des Mittleren Meeres, er heißt übersetzt “Herz der Welt”. Die Handlung spielt auf der Insel Sileria, die im Mittleren Meer liegt. Da es aber auch viel um das Festland drumherum geht, die dortigen Reiche etc., hat Resnick die Chronik danach benannt.

Die wilde Gabe von Ursula K. Le GuinIm Flachland liegen die großen und kleinen Städte des Landes mit ihren Märkten, ihren Häusern und Straßen; im kargen Hügelland leben die Clans auf verstreuten Höfen. Das Leben dort ist schwer, doch die Clans besitzen die Gabe, eine Form der Magie, die in der Familie von Generation zu Generation weitergegeben wird. Denen, die sie besitzen, verleiht sie eine besondere Fähigkeit. Orrec ist der Sohn eines Clanführers und einer Frau aus den Städten, daher ist es ungewiss, ob er die Gabe besitzt, die notwendig ist, um seinem Vater nachfolgen zu können, und zugleich fürchtet er deren potentielle Kraft. Auch das Mädchen Gry hadert mit dem Einsatz ihrer Gabe.

Zu Die wilde Gabe liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Winter des Verrats" von Daniel AbrahamKlirrend kalt sind die Winter in Machi, der nördlichsten der unermeßlich reichen Sommerstädte. Und eiskalt sind auch die Intrigen, die in diesen Tagen und Wochen die Stadt zu vergiften drohen. Denn der Herrscher von Machi liegt im Sterben, und gemäß der Tradition kämpfen seine ältesten Söhne unerbittlich um die Nachfolge. Doch was noch niemand ahnt: in den Schatten der Stadt formieren sich bislang unbekannte Kräfte. Und sie schrecken vor keiner noch so abscheulichen Tat zurück, um den Winter des Verrats zu ihrem ganz persönlichen Vorteil zu nutzen…

– Als sie sich ausgeweint hatte, sammelte Idaan die Fetzen des Briefes sorgfältig auf und legte sie unter ihr Kissen. Dann senkte sie den Kopf und betete aus ganzem Herzen zu allen Göttern, dass ihr Vater sterben möge – und zwar rasch und ohne die wahre Natur seiner Tochter entdeckt zu haben.-
Kapitel 5

… Ich hoffe, dass Daniel Abraham mit seinem Winter des Verrats an diesen starken Auftakt anknüpfen kann …
Mit diesen Worten hatte ich meine Besprechung zu Sommer der Zwietracht, dem ersten Band des Zyklus um die Magischen Städte, beendet. Nun weiß ich mehr, und soviel sei vorne weg verraten: Er kann.
Die Intrigen gehen weiter, und langsam werde ich wirklich neugierig… Was will das Volk der Galten eigentlich? Bis jetzt wird eigentlich nur von ihnen gesprochen. Sie agieren im Hintergrund und kaufen sich – wahrscheinlich mit Unsummen – in entscheidungsbefugte Kreise ein. Aber welchem Zweck dient das Ganze? Liest man Winter des Verrats, beginnt man die Zusammenhänge ein wenig zu erahnen: Der Herrscher der Winterstadt Machi liegt im Sterben, und gemäß der Tradition kämpfen nun dessen drei älteste Söhne um die Nachfolge. Ein barbarischer Brauch – nebenbei bemerkt – wobei derjenige als nächster den Thron besteigt, dem es gelingt, beim Kampf um die Nachfolge am Leben zu bleiben… Hmm… ich weiß nicht, ob es so gut für eine Stadt, ein Volk oder ein Reich ist, jemanden zum König haben, der am gewieftesten seine Familie umzubringen weiß… aber sei’s drum…
In diesem Kampf mischt diesmal jemand mit, der dafür eigentlich nicht vorgesehen ist und Hilfe vom Volk der Galten erhält. Die Galten betreiben eine hinterhältige Politik, die darauf abzielt, die Vormachtstellung der Khaistädte zu untergraben, und auch deren Reichtum – der auf den von den Dichtern des Reiches beschworenen Andaten beruht – sticht ihnen in die Augen. Es scheint wohl eines ihrer wichtigsten Ziele zu sein, das Wissen um das streng gehütete Geheimnis der Andatenbeschwörung ohne große Aufmerksamkeit an sich zu bringen.

Daniel Abraham gelingt es abermals mit seinen detailreichen Beschreibungen, die Figuren sehr lebendig wirken und deren Konflikte, Leidenschaften und inneren Sehnsüchte den Leser miterleben zu lassen. Eine der faszinierendsten Figuren des zweiten Bandes ist Idaan, die Tochter des sterbenden Herrschers von Machi. Sie ist im Grunde eine unspektakuläre Erscheinung: nicht besonders hübsch, aber auch nicht ausgesprochen hässlich. Sie versteht es allerdings meisterhaft, sich mit Lidschatten, Make-Up und Kajal gebührend in Szene zu setzen. Diese Kunst ist durchaus von Vorteil, und sie weiß ihre dadurch erreichte äußere Erscheinung geschickt für ihre Ziele einzusetzen. Sie hasst die Konventionen, in die sie als Frau und Herrschertochter hineingeboren wurde, und kämpft auf ihre Weise dagegen an. Sie weiß genau, was sie will, und spinnt – mit Hilfe mächtiger Verbündeter … – eine folgenschwere Intrige…
Obwohl sie einen anderen Mann heiraten soll, teilt Idaan mit Chemai, dem Dichter der Stadt, das Bett, und man wird beim Lesen den Eindruck nicht los, dass sie ihn ziemlich zum Narren hält. Sie sucht seine Nähe zunächst auch nur, um sich nicht mit ihren schweren Schuldgefühlen herumplagen zu müssen, doch bald wird aus dieser anfänglichen Zerstreuung Liebe – oder sagen wir: Leidenschaft, und das wiederum bringt sie bald arg in Bedrängnis. Idaan ist eine Figur, die mit ihren psychischen und charakterlichen Abgründen vom Autor am genauesten ausgearbeitet wurde. Da gibt es den – verständlichen – Wunsch, etwas darzustellen, jemand zu sein und beachtet zu werden. Diese Bedürfnisse setzt sie allerdings äußerst rücksichtslos durch. Ihr Geltungsbedürfnis und Machtstreben geht auf Kosten anderer, ohne dass sie selbst dazu bereit wäre, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. Andererseits empfindet sie Reue, sie sehnt sich nach der Unschuld ihrer Kindertage und würde am liebsten alles ungeschehen machen. Diese Beschreibung der Figur der Idaan ist Daniel Abraham so gut gelungen, dass man ohne Schwierigkeiten nachvollziehen kann, was in ihr (und – nebenbei bemerkt – auch in den anderen Figuren des Romans) vorgeht.
Gleiches gilt für Chemai: Der Autor beschreibt ihn als Menschen, dem es aufgrund seiner Jugend an Reife und Abgeklärtheit fehlt. Idaan ist seine erste große Liebe, und das trübt nicht nur sein Urteilsvermögen, sondern lässt ihn auch einen Fehler begehen: er schwört, sie bedingungslos vor allem zu beschützen. Dieser Schwur hat bei seiner besonderen Stellung auch ein besonderes Gewicht und Chemai gerät dadurch auch bald in eine besondere Zwickmühle… Sein Andat Steinerweicher meint es erstaunlich gut mit ihm, obwohl er natürlich – wie alle Andaten – in erster Linie um jeden Preis seine Freiheit herbeiführen will. Steinerweicher gibt Chemai – für lediglich gestaltgewordene Gedanken und Ideen – erstaunlich pragmatische Empfehlungen im Umgang mit sich und seinen Gefühlen. Diese Passagen lesen sich recht amüsant, vor allem, weil Steinerweicher mit seinen lakonischen Bemerkungen den Nagel oftmals auf den Kopf trifft. Doch nicht nur bei der Beschreibung der Figuren beweist Abraham einmal mehr, dass er mit Sprache umzugehen weiß, sondern auch die Schauplätze, Szenen und Situationen sind wieder in wunderbarer Klarheit umrissen. Da findet sich kein überflüssiges Wort und kein langatmiges Abgleiten in allzu genaue Detailbeschreibungen. Die Handlung wird einmal mehr rasch vorangetrieben, so dass keine Langeweile aufkommt, und es finden sich überall die passenden Worte, um etwas so darzustellen, dass man es sich deutlich vorstellen kann.
Alles in allem ein Band, in dem die Karten im Machtgefüge der Magischen Städte neu gemischt werden, und der einen die Vorgehensweisen der mächtigen Kreise erahnen lässt. Ein wesentlicher Aspekt der Handlung in Winter des Verrats ist, dass Otah, der nie der Tradition gemäß auf den Thron verzichtet hat, nun als brudermordender Teufel an die Wand gemalt wird, um dahinter die wahren Machenschaften um die Thronfolge zu verbergen. Das alles kommt einem irgendwie bekannt vor, und auch die Tatsache, dass der Einzige, der an die Unschuld des Angeklagten glaubt, mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen hat, als er sich daran macht dessen Unschuld zu beweisen…
Es bleibt also spannend im Reich der Magischen Städte

Cover von Die Winterfestung von Elizabeth A. LynnDie düstere Festung Tornor Keep im Norden Aruns schützt das fruchtbare Land seit vielen Jahren gegen die feindlichen Horden aus Anhard. Doch dann fällt Errel, der junge Burgherr, in die Hände des gnadenlosen Col Istor. Während der Winter die Feste von Arun in seinem eisigen Griff hält, erscheinen zwei geheimnisvolle Frauen am Tor der Burg: zwei Kriegerinnen, denen kein Mann im Zweikampf gewachsen ist. Sie verhelfen Errel und seinem treuen Gefährten Ryke zur Flucht – doch die beiden jungen Männer wissen, dass sie zurückkehren müssen, um Tornor von Col Istor und seinen Briganten zu befreien …

-Tornor Keep war ein toter Ort. Es brannte aus.
Rykes Gesicht war rußverschmutzt, seine Handgelenke waren bis aufs Fleisch zerschunden, so sehr hatte er gegen die Fesseln gewütet.-
1. Kapitel

Die Handlung, die in ca. anderthalb Monaten spielt, bietet wenig Neues: Tornor wird von Col Istor besetzt, der Prinz muss fliehen, findet aber in der Fremde Freunde, die ihm im Kampf gegen die Besatzer helfen. Lesefreude ist bei mir daher kaum aufgekommen, teilweise dümpelt die Handlung vor sich hin und man hofft auf eine interessante Entwicklung, die sich nicht einstellen will. Die Geschichte vom jungen Prinzen Errel und seinem Gefährten Ryke reißt den Leser nicht wirklich mit, außer ein paar Stellen am Ende ist kaum Spannung vorhanden. Dabei ist der Ansatz durchaus interessant, für meinen Geschmack aber wird die Geschichte etwas zu lieblos und trocken erzählt.
Ein weiteres Hindernis waren die zahlreichen Nebenpersonen, die die Geschichte zu bieten hat. An einigen Stellen tauchen zu schnell zu viele neue Namen auf, die man leider allzu schnell überliest und nicht richtig in die Geschichte einordnen kann. Die Personen wirken zwar durchaus lebendig: Errel macht eine große Entwicklung durch und lässt sich auf die neuen Begebenheiten ein, während bei Ryke die Flucht kaum eine Spur zu hinterlassen scheint und er sich stets zurück nach Tornor wünscht. Ganz gut hat mir die Idee von Norres und Sorren gefallen, zwei Frauen, die sich in der patriarchalischen Welt nicht unterordnen wollten und das Kämpfen erlernten.
Die Welt an sich ist überraschend gut durchdacht und wirkt zumindest teilweise lebendig. Dem Leser wird das Bild einer mittelalterlichen Welt beschrieben, in der ein brüchiger Frieden zwischen Anrun und Anhard besteht. Was wirklich gefehlt hat, war eine Karte des Landes. Errel und Ryke sind viel unterwegs und kommen an viele Orte, doch die Beschreibungen der Autorin reichen nicht aus, um ein vollständigs Bild des Landes zu erschaffen. Somit bleiben Errels und Rykes Flucht für den Leser undurchsichtig und nicht richtig nachvollziehbar.
Auch die Idee der chearis ist gut eingearbeitet worden. Diese praktizieren waffenloses Kämpfen durch eine Art der Selbstverteidigung, die sich, wie die Autorin bemerkt, an der Kunst des Aikido orientiert. Sie leben völlig anders als es Ryke und Errel gewohnt sind, was zumindest bei Ryke auf Unverständnis und Verwirrung stößt.
Somit ist die Welt zwar einigermaßen gut gelungen, durch das langatmige Erzählen wird aber der Lesespass in Grenzen gehalten.

Wintertide von Michael J. SullivanDas nahende Winterfest soll der schurkischen Regentenclique des Kaiserreichs dazu dienen, ihren Triumph gebührend zu feiern: Der militärische Sieg über die letzten Widerständler ist in greifbare Nähe gerückt, die machtlose junge Kaiserin sieht einer Zwangsheirat mit einem politisch verlässlichen Mann entgegen, die unbequeme Prinzessin Arista und der Rebellenführer Degan Gaunt schmachten gebrochen im Kerker und Hadrian, der sie zu befreien versucht, wird prompt erkannt und zur Kollaboration erpresst. Um zumindest ihn retten zu können, lässt Royce sich widerstrebend auf einen riskanten Handel mit seinem Erzfeind Merrick Marius ein…

– Royce stood at the edge of the forest trying to decide between the road and the more direct route through the trees. Snow started to fall again, and the wind swept the flakes at an angle. The white curtain muted colors, turning the world a hazy gray. The thief flexed his hands. He had lost feeling in his fingers again. In his haste to find Gwen, he had once more neglected to purchase winter gloves.–
Chapter 5 – Footprints in the Snow

Mit Wintertide gelingt es Michael J. Sullivan nur teilweise, nach dem eher schwachen Vorgängerband The Emerald Storm zum ursprünglich hohen Unterhaltungswert seiner Serie zurückzufinden. Bedauerlich ist vor allem, dass er dem Plot eine der größten Stärken der Reihe opfert: Dadurch, dass Hadrian und Royce hier überwiegend getrennt agieren, fällt ihr freundschaftliches Geplänkel weg, das die Atmosphäre bisher entscheidend geprägt hat. Mit der über weite Strecken hilflos im Verlies dahinvegetierenden Arista ist auch die dritte zentrale Gestalt daran gehindert, für eine Kontinuität der gewohnten Elemente zu sorgen. Die neu eingeführten Charaktere – so etwa der Straßenjunge Mince und der edle Ritter Sir Breckton – bleiben typenhaft und werden oft in sehr generischen Situationen präsentiert, die auch den Weltenbau bestimmen.

Da das Setting in sich schlüssiger als im vierten Band wirkt, möchte man zunächst noch vermuten, dass die Rückkehr an vertraute Schauplätze wie die Kaiserstadt Aquesta dem Buch durchaus gut tut. Bald aber stellt sich ein gewisser Verdruss darüber ein, dass Sullivan den Kaiserhof samt Ritterturnier, Tafelfreuden, Falkenjagd und Schachbegeisterung etwas zu oberlehrerhaft schildert. Mit Hadrian und der aus einfachen Verhältnissen zur Sekretärin der Kaiserin aufgestiegenen Amilia sind zwei Figuren vorhanden, deren Unvertrautheit mit den Sitten und Gebräuchen ihrer neuen Umgebung als Vorwand für weitschweifige Erklärungen dient, die versierteren Gesprächspartnern in den Mund gelegt werden. So entsteht eher der Eindruck eines sehr theoretisch angelegten Konstrukts als der einer glaubwürdigen Lebenswirklichkeit. Dass anlässlich eines höfischen Fests auch noch ein paar Liedzeilen auftauchen, die wie eine ungeschickt umformulierte Entlehnung aus Penelope’s Song von Loreena McKennitt klingen, macht die Sache nicht besser. Auch sprachlich holpert der eine oder andere Satz mehr als üblich.

Ihren gewohnten Charme kann die Geschichte nur in einigen kleinen Szenen am Rande entfalten, so etwa, wenn Royce zu seiner Verblüffung erlebt, dass eine schon halb vergessene gute Tat sich für ihn auszahlt. Ähnlich anrührende Momente gibt es auch in der Schilderung der rauen Welt der Straßenkinder, deren harter Überlebenskampf die Suche nach Freundschaft und menschlicher Wärme nicht ausschließt. Die große Rolle, die für die Jungen die alljährliche Schlachtwoche spielt, in der auch für die Ärmsten der Armen etwas abfällt, wirkt dabei fast wie ein Fanal für die Endphase des Romans, in der es für Sullivans Verhältnisse ungewöhnlich blutig zugeht. Zwar sind auch in den anderen Bänden Kämpfe und Morde keine Seltenheit, aber dass hier einer der Helden im Racherausch eher unbedeutende Helfershelfer der Schurken bei lebendigem Leibe zerstückelt, befremdet im Vergleich doch ein wenig.

Ohnehin kommt es in den letzten  paar Kapiteln zu einer Häufung gewaltsamer Todesfälle unter überwiegend schon seit Beginn der Serie relativ wichtigen Figuren. Es wirkt, als wolle der Autor unter dem Personal ebenso aufräumen wie auf der Handlungsebene, denn der Dauerkonflikt der Protagonisten mit den geistlichen und weltlichen Machthabern des Kaiserreichs wird zu einem wenig originellen Ende geführt, so dass der letzte Band sich wohl auf das immer noch ungeklärte Rätsel um den verschollenen Erben Novrons und die damit verbundene, bisher eher diffus angedeutete dunkle Bedrohung konzentrieren wird. Es bleibt abzuwarten, ob daraus ein überzeugendes Finale oder doch nur eine allzu gewollt wirkende Auflösung wird.

The Wise Man's Fear von Patrick RothfussKvothe erzählt Chronicler und Bast ein weiteres Stück seiner wildbewegten Lebensgeschichte: Der Konflikt mit seinem in der Thronfolge ein wenig aufgerückten Dauerrivalen Ambrose führt an der Universität zu neuen Verwicklungen, die ein Urlaubssemester ratsam erscheinen lassen. Auf Empfehlung eines Bekannten will Kvothe die Zeit  und seine musikalische Begabung  nutzen, um  einen mächtigen Adligen als Förderer zu gewinnen. Doch auf seiner Reise gerät er von einem Abenteuer ins nächste und sieht sich in seinen Nachforschungen über die Chandrian und den geheimnisvollen Orden der Amyr mit immer mehr Rätseln konfrontiert …

– Dawn was coming. The Waystone Inn lay in silence, and it was a silence of three parts. –
Prologue – A Silence of Three Parts

Patrick Rothfuss ist wahrscheinlich ein zu fähiger Autor, als dass er ein völlig misslungenes Buch vorlegen könnte, aber im Vergleich mit seinem großartigen Debüt The Name of the Wind (Der Name des Windes) fällt The Wise Man’s Fear (Die Furcht des Weisen) enttäuschend aus. Bis zu einem gewissen Grade ist dieser Eindruck sicher der Tatsache geschuldet, dass die Qualität des ersten Romans und die vergleichsweise lange Zeit bis zur Veröffentlichung des zweiten überhöhte Erwartungen geweckt haben, aber auch unabhängig davon weist der Text strukturelle und inhaltliche Schwächen auf, die alles Erzähltalent des Autors nicht ausgleichen kann.

Auf erzählerischer Ebene ist nämlich durchaus manches gewohnt gut: Einige Szenen sind von poetischer Intensität, und das Wechselspiel von Rahmenhandlung und Binnenerzählung ist weiterhin geschickt genutzt. Rothfuss’ sehr bewusster Umgang mit literarischen Techniken schimmert auch an den Stellen durch, die das Erzählen selbst zum Thema machen und fein beobachtet die Umformung von Realität in Geschichten und wiederum deren Einfluss auf die Wirklichkeit schildern. Humor und bitterer Ernst liegen dabei oft nahe beieinander: Schmunzelt man im ersten Augenblick noch darüber, wie Kvothe und Bast sich gegenseitig darin überbieten, eine wilde Lügengeschichte über Chronicler in die Welt zu setzen, ist im nächsten Moment schon die nachdenkliche Überlegung präsent, welche Auswirkungen sich verselbständigende Märchen auf Individuen oder ganze Volksgruppen haben können.

Bestimmte inhaltliche Aspekte liegen Rothfuss dabei erkennbar besonders am Herzen (so übt er etwa wiederholt Kritik an Rassismus und Vorverurteilungen), doch immer wieder steht auch der Akt des Erzählens oder der Informationsvermittlung selbst im Vordergrund, wobei neben den omnipräsenten Mitteln der Sprache und der Musik auch andere Kommunikationsformen ausgelotet werden, die sich dinglicher Symbole oder bestimmter Gesten bedienen.

Rothfuss’ eigener Sprachgebrauch genügt nicht immer den Ansprüchen, die man aufgrund seiner theoretischen Reflexionen an ihn heranzutragen versucht ist. I am no poet. I do not love words for the sake of words. I love words for what they can accomplish, lässt er seinen Helden sagen – und vielleicht trifft das auch auf ihn selbst zu, denn manches, was er hier mit Wörtern zu erreichen versucht, wirkt zu bemüht und gekünstelt. Generell schreibt Rothfuss zwar weiter auf hohem Niveau, doch dort, wo er mit Sprache spielt, ist das Ergebnis bestenfalls durchwachsen. Während der Varianten- und Bedeutungsreigen, den er um den Familiennamen „Lackless“ entwickelt, durchaus funktioniert (und eine gehörige Herausforderung für jeden Übersetzer darstellen dürfte), hat er sich zu viel vorgenommen, wenn er mit ziemlich schlechten Stabreimen arbeitet oder einen Teil der Dialoge in Versform präsentiert. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Letzteres gilt auch für die Fülle von Versatzstücken, aus denen Rothfuss seine weiterhin bunte Welt, sein Panoptikum von archetypischen bis skurrilen Figuren und die über weite Strecken etwas ziellos dahinmäandrierende Handlung zusammenfügt. Die Tempelritter, das Rechtsprinzip des benefit of clergy, eine Fee vom Schlage einer Belle Dame Sans Merci, eine bekannte Anekdote über Schiller und eine schiere Überfülle geläufiger Motive aus dem Fundus der (Fantasy-)Literatur sind alle irgendwie eingeflossen, wirken aber bisweilen recht willkürlich kombiniert.

Zu diesem Anschein von Beliebigkeit trägt sicher bei, dass die übergreifende Geschichte nur sehr langsam vorankommt und letztlich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden. Besonders in der zweiten Hälfte des Buchs kommt einem Kvothe fast wie ein Rollenspieler vor, der auf einer Nebenquest nach der anderen Erfahrungen und Artefakte sammelt, ohne in der Sache große Fortschritte zu machen.

Das wäre sicherlich zu verschmerzen, wenn seine etwas episodisch angelegten Abenteuer wenigstens gute Unterhaltung bieten würden, doch leider hat man spätestens im letzten Drittel des Romans den Eindruck, dass Rothfuss mithilfe seines Helden recht pubertäre Träume auslebt: Von einer lüsternen übernatürlichen Partnerin zum kundigen Liebhaber ausgebildet gelangt Kvothe zu einem Kriegervolk, das ihn nicht nur in Fremden gewöhnlich vorenthaltene Kampfkünste einweiht, sondern auch ein höchst entspanntes Verhältnis zur Sexualität pflegt. Die entsprechenden Schilderungen bleiben zwar dezent, sind aber darum inhaltlich nicht weniger albern. Auch kämpferisch darf Kvothe aktiver als zuvor werden, und anfängliche Gewissensbisse über das ein oder andere Gemetzel an Schurken sind rasch überwunden, mangelt es doch nicht an Gelegenheiten, sich edel und hilfsbereit zu geben und zu fühlen.

Es nützt nur wenig, dass Rothfuss seinen Erzähler hier einiges selbst unter dem Hinweis auf seine damalige Jugend ironisieren lässt oder den Initiationscharakter bestimmter Plotelemente betont. Wäre nicht die Rahmenhandlung, die einem immer wieder die Erzählsituation ins Gedächtnis ruft und vor allem einen auf Menschenmaß zurechtgestutzten Kvothe zeigt, hätte man wahrscheinlich bald genug von dem Wunderknaben und seinen Erlebnissen. So aber bleibt immerhin die Hoffnung, dass es Rothfuss irgendwie gelingt, im letzten Band seiner Trilogie eine überzeugende Hinführung zur tragischen Jetztzeit seines Helden zu finden und zu demonstrieren, dass seine Erzählkunst zu mehr taugt als nur dazu, die Klammer um eine Loseblattsammlung mehr oder minder offenkundiger Entlehnungen zu bilden.

Zauberbann von James BarclayDer Rabe ist eine legendäre Söldnergruppe, die aus einer handvoll Krieger und einem Elfen-Magier besteht. Bei ihrem jüngsten Auftrag geht allerdings einiges schief, und so beschließen die Söldner, in den Ruhestand zu gehen.
Doch hatte der Auftrag mehr Tücken als vorgesehen: Inzwischen sind Meuchelmörder auf den Fersen des Raben. Der Magier Denser – eigentlich ein Feind der Veteranen, da er vom gefürchteten Magier-Kolleg Xetesk stammt – macht ihnen ein Angebot, das sie trotz ihres Ruhestandes nicht ausschlagen können, denn es geht um die Verteidigung ihres Heimatlandes Balaia, das von einem alten Übel bedroht wird. Und so muß der Rabe mit dem wenig vertrauenswürdigen Zauberer zusammenarbeiten, um einen gefährlichen Zauberspruch zu bergen…

-Eine Hand wurde auf ihren Mund gedrückt und erstickte ihre Schreie, als sie erwachte. Neben ihr schlief Alun, ahnungslos und still.-
Prolog

Sie wünschen sich Fantasy, die man schnell mal an einem Feierabend durchlesen kann? Mit ordentlich Gemetzel drin? Und ohne poetischen Singsang und langwierige Beschreibungen? Willkommen in den Chroniken des Raben
In einer Fantasy-Welt, die man auch ohne großartige Einführung sofort verstehen kann (und die, nebenbei bemerkt, zumindest in diesem Auftakt-Band wirkt, als wäre sie in einer halben Stunde am Reißbrett entworfen worden) läßt es die Söldnertruppe Rabe ordentlich krachen. Sechs Menschen-Krieger und ein Elfen-Magier haben sich hier zur natürlich  besten, moralisch auch noch integren (Metzeln im Kampf : ja – Morden: nein) und bekanntesten Söldnertruppe des Landes Balaia zusammengetan.
Mit viel Vorstellungskraft kann man sich aus den spärlichen Andeutungen des Autors auch ungefähr ausmalen, wie Balaia so sein könnte, aber viel Energie wurde weder in die Entwicklung noch in die Umsetzung gesteckt. Elfen? Ach ja, das sind die mit den spitzen Ohren. Nö, sonst haben sie keine eigene Kultur oder Eigenart. Selbst bei den Charakteren hat der Autor so viele Worte gespart, daß man manchmal raten muß, wer von den sieben Kampfmaschinen den letzten coolen Spruch gerade geäußert hat. Aber die Mitglieder des Raben sind ohnehin – auch im wahrsten Sinne des Wortes – austauschbare Figuren. Zusammengebastelt aus ein paar Klischees und selten mal einer netten Eigenheit treten sie in Erscheinung, und am Ende des Buches weiß man kaum mehr über sie als zu Beginn. Immerhin ist auf diese Weise die rasante Rate, mir der sie das Zeitliche segnen, besser erträglich – man vermißt nicht viel.

Die garstigen Wytchlords, gegen die die Helden in letzter Konsequenz ins Feld ziehen, sind ebenfalls Standardbösewichte aus der Mottenkiste der Fantasy – in der Vergangenheit wurden sie bereits einmal geschlagen, sind aber einfach nicht totzukriegen und nun auf Rache aus …
Aber mit alldem könnte man in einem Fantasy-Quickie, der nicht mehr sein will als ein ausformuliertes Rollenspiel, vielleicht noch leben. Leider hat der Autor aber auch sprachlich kein gutes Händchen bewiesen: Mit Sätzen wie “Ich habe schon meinen neuen Job als Barkeeper angetreten” und eine ganzen Reihe weiterer flapsiger Wendungen schafft er bisweilen eine völlig unpassende Stimmung, wie man sie vielleicht in der humorvollen Fantasy erwarten würde. In diesem bierernsten Umfeld, in dem der Tod eines Hauptcharakters mitunter auch in einem kurzen Satz abgehandelt wird, wollen sie nicht ganz passen.
Ein schnelles, testosterongetränktes Vergnügen ganz ohne künstlerische Kapriolen – wenn man diese Art von Fantasy mag, ist Zauberbann sicher eine Abwechslung zu Drizzt do’Urden und anderen Actionhelden, für alles andere müßte es etwas mehr sein.

Kushiel: Das Zeichen von Jacqueline CareyDas Volk der D’Angelines hat das Engelblut in den Adern, das sie mit überirdischer Schönheit ausstattet. Phèdre ist eine von ihnen, sie steht im Dienste der Ahngöttin Namaah, deren Anhänger die Kunst der Liebe zelebrieren. Der Adlige Delaunay erkennt an einem Makel in ihrem Auge, dem Zeichen des Engels Kushiel, dass Phèdre eine Anguisette ist – sie erfährt Lust durch Schmerz. Er kauft das Mädchen und bildet sie zusammen mit seinem anderen Schüler in Sprachen, Künsten und Spionage aus, damit sie ihm als Konkubine dient, die bei ihren Freiern Staatsgeheimnisse ausspioniert. Tatsächlich gibt es Verschwörungen, die das ganze Land Terre D’Ange gefährden.

– Damit niemand annimmt, ich sei ein Kuckuckskind, das von lüsternem Bauernvolk unehelich gezeugt und in einem schlechten Erntejahr in die Leineigenschaft verkauft wurde, will ich vorausschicken, dass ich einem der Dreizehn Häuser entstamme und im Nachtpalais selbst großgezogen wurde, auch wenn es mir nicht viel genützt hat. –
1. Kapitel

Zu Das Zeichen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Zeit der Krähen von George RR MartinDer Krieg hat sie Sieben Königreiche verwüstet und nun versucht Cersei ihrem Sohn Tommen die Macht über das Reich zu sichern. Die Aufgabe ist keine Leichte, denn überall im Land werden Pläne geschmiedet, diese Macht ins Wanken zu bringen. Einzig siegreich sind die Krähen, die sich an den Folgen der Konflikte zwischen Adelshäusern, religiösen Fanatikern und umherziehenden Banden laben.

– »Drachen«, sagte Mollander –
Prolog

Zu Zeit der Krähen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Zeit der Krähen und Die dunkle Königin.

Die Zweite Legion von Richard SchwartzHavald und seine Gefährten beschließen, nach den Ereignissen im Wirtshaus Hammerkopf die magischen Tore zu benutzen, um in das legendäre Reich Askir zu reisen, und dort um Hilfe gegen die Invasoren zu bitten. Doch ein seltsamer Wanderer, der im Gasthaus eintrifft, erzählt Havald, daß die Länder, aus denen Askir bestand, inzwischen uneins sind. Trotzdem bekräftigt er Havald in seinem Vorhaben, in Askir vorzusprechen.
Um eines der Tore benutzen zu können, müssen die Gefährten hoch in das eisige Gebirge reisen, wo ihnen etliche Gefahren drohen – denn schon ist der Feind auf ihrer Spur, ohne daß sie es ahnen …
Nach etlichen Strapazen gelangen sie in das Wüstenreich Bessarein und etliche politische Verstrickungen.

-Ich lehnte mich zufrieden in meinen Stuhl zurück, Eberhard, der Wirt des Gasthofs Zum Hammerkopf, hatte sich in der Küche selbst übertroffen, und ich fühlte mich angenehm gesättigt.-
1. Tore und Steine

Nachdem Das Geheimnis von Askir mit Das Erste Horn im Auftakt als eisiges, atmosphärisches Kammerspiel fesseln konnte, geht es nun aus dem beklemmenden Wirthaus für die Gefährtengruppe hinaus in die weite Welt – die Queste, Verstärkung gegen die einfallenden Feinde zu holen, wartet. Und kaum ist man ein Stück weit unterwegs, präsentiert Richard Schwartz ganz gelassen und selbstverständlich einen actionlastigen Universal-Fantasy-Mischmasch, in dem unsere Helden Unterweltpanther, Riesenkakerlaken, Lindwürmer und eine Spinnenkolonie bekämpfen müssen – als wären im Hintergrund die Würfel unter der Prämisse gerollt, nur ja kein Höhlengewürm auszulassen, das man in einer “best of”-Sammlung eines beliebigen Rollenspiels finden könnte.
Daß das Geschnetzel – verglichen mit ähnlichen Werken – tatsächlich leidlich unterhaltsam ist (und nach der ersten ermüdenden Höhlenpartie sogar einigermaßen mitreißend wird), liegt an Schwartz’ unbestreitbarem Erzähltalent: Die Erzählperspektive des alten Recken Havald geht ihm derart gut von der Hand, daß man auch das knietiefe Waten im Klischeesumpf ertragen kann, und der Stil liest sich flüssig und schön (von ein paar Macken wie einer häufig verschusselten Zeitenfolge, wenn in der Vorvergangenheit berichtet wird, einmal abgesehen). Um den jovial vorgetragenen Sexismus, in dem der Erzähler sich häufig ergeht, zu ertragen, muß man allerdings schon mehr als ein Auge zudrücken.

Die einzelnen Kurzkapitelchen machen meistens Spaß, lesen sich locker und flott und lassen Die Zweite Legion zu einer soliden Unterhaltungslektüre werden, doch aus dem Mittelfeld würde die Reihe nur herauskommen, wenn man in den Ideen in Sachen Setting und Handlung endlich einmal Schwartz’ eigene Hand erkennen würde und nicht das Gefühl hätte, alles wäre etwas lieblos aus Versatzstücken zusammengepinselt. Die Handschrift des Autors in Welt und Ideenfindung gehört mit zur eigenen “Poesie” der Fantasy und ist oft Teil des Lesevergnügens – hier leider mehr als blaß umgesetzt.

Und man muß davon ausgehen, daß dies genau so Absicht ist, denn in anderen Gebieten zeigt sich Schwartz durchaus erfinderisch: Kann man die Ansprüche an Weltenbau & Konsorten etwas herunterschrauben, wird man nämlich prächtig von den humorigen Streitigkeiten innerhalb der Gefährtengruppe unterhalten – in diesem Band hat sich Schwartz besonders der spröden Dunkelelfe Zokora angenommen, deren trockener Humor fast in jedem Kapitel Lacher garantiert. Damit präsentiert der Autor seine Helden auf warme und trotz der Klischees eigene Art, so daß man mit den Schwächen Nachsicht üben kann.
Mag auch die Handlung kein Knüller sein, ebensowenig die Welt, aber die Charaktere und ihre Interaktionen sind meistens ein herrlicher, lebendiger Spaß und sorgen für ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Cover von Die Zwerge von Markus HeitzDas Tote Land ist auf dem Vormarsch – immer mehr Völker fallen ihm zum Opfer. Viel ist passiert, seit die Zwerge einst die Zugänge zum Geborgenen Land schützten.
Tungdil, ein junger Zwerg, ist fernab von seinem eigenen Volk als Findelkind bei dem Magier Lot-Ionan aufgewachsen. Nur über Bücher und alte Schriften erfährt er Einzelheiten über die Zwerge. Eines Tages wird er von seinem Ziehvater auf einen Botengang geschickt – der Anfang eines großen Abenteuers. Durch viele Irrungen und Wirrungen findet sich Tungdil als Thronanwärter des Zwergenvolkes und Retter des Geborgenen Landes wieder, gerät in allerlei Bedrängnis und erlebt viele Abenteuer, deren Ausmaß er sich vorher nie vorzustellen vermochte.

-Weißer Nebel füllte die Schluchten und Täler des Grauen Gebirges. Die Gipfel der Großen Klinge, der Drachenzunge und der anderen Berge erhoben sich trotzig aus dem Dunst und reckten sich der Abendsonne entgegen.-
Prolog

Markus Heitz hat ohne Zweifel eine gute Schreibe. Sein Stil ist ansprechend und die verwendeten Formulierungen wissen zu gefallen. Die Zwerge lässt sich dementsprechend flüssig lesen und bietet gute Hausmannskost.
Thematisch widmet er sich dem “kleinen” Volk der Zwerge, die er in ein interessantes Szenarion versetzt. Die Idee der verschiedenen Zwergenclans mit den unterschiedlichen Fähigkeiten und dem Auftrag der gesamten Zwergenheit, für den Schutz des Geborgenen Landes Sorge zu tragen, sorgt von Anfang bis Ende für spannende Unterhaltung.
Allerdings zeigt das vorliegende Werk bei näherer Betrachtung deutliche Schwächen. Die Story ist, wenn man den neuen Aspekt “Zwerg” mal außen vor lässt, dem alten Kampf von Licht und Schatten, Gut und Böse gewidmet. Für Schattierungen bleibt kaum Platz.
Die Idee, die LeserInnen an der Gedankenwelt der ProtagonistInnen teilhaben zu lassen, ist immer gefährlich. So ist es beispielsweise seltsam bzw. schwer zu erklären, dass, wenn der Blick auf einen Bösewicht fokussiert wird, man trotz des Einblicks in seine Gedanken nichts über die Dimensionen seiner Bösartigkeit erfährt, obwohl er gerade eine Abscheulichkeit sondergleichen plant. Heitz hätte hier besser früher weggeblendet oder eine andere Figur herangezogen. Auch an anderen Stellen läuft er in diese Falle, in denen z.B. sein Held in bestimmten Situationen viel zu kühl und rational wirkt.
An anderen Stellen wird seine Erzählung nicht der Situation gerecht, wenn sich beispielsweise ein 298jähriger Thronfolger durch einen 63jährigen Mitbewerber verunsichern und wie ein kleines Kind behandeln lässt.
Außerdem kommt es zu Logikfehlern. Wenn der eine Zwergenclan z.B. seit 200 Jahre keinen Kontakt mehr unterhält, weil er in den letzten 30 Jahren von der Tradition abgewichen ist. Dafür verfügt er aber noch über das Wissen über bestimmte Transporteinrichtungen, die auch regelmäßig gewartet werden, die bei anderen Zwergenclans schon seit mehreren Jahrhunderten vergessen sind und erst wiederentdeckt werden müssen.
Die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen im Geborgenen Land sind kaum zu erklären, wenn man sich die Dimensionen vor Augen führt. Auch die skizzierten kulturellen Unterschiede lassen sich kaum mit den Distanzen erklären, und Heitz bietet leider auch keine geeigneten Erklärungsmuster an. Die Welt erweckt den Eindruck eines Flickenteppichs, wo von allem was dabei ist/sein muss.
Insgesamt ist Die Zwerge leider ein durchschnittliches Buch geworden. Es weiß zu fesseln, aber die vielen kleinen Detailfehler haben den Lesespaß ein ums andere Mal deutlich beschnitten. Ich habe es mit der Hoffnung beiseite gelegt, daß es Heitz beizeiten nochmal gründlich überarbeitet.

Die Zwerge von Amboss von Thomas PlischkeDer Zwergen-Ermittler Garep Schmied muß zusammen mit seinem Assistenten einen Mordfall aufklären: Ein Komponist wurde ermordet, und alle Indizien deuten darauf hin, daß sein menschlicher Diener den Mord begangen hat. Garep hat jedoch seine Zweifel.
Als allerdings ein weiterer Übergriff von Menschen auf Zwerge stattfindet, kocht die ohnehin geladene Stimmung über: Im Wahljahr der Zwerge haben diese Fälle, die augenscheinlich von den als Flüchtlingen im Zwergenreich lebenden Menschen begangen wurden, auch politische Bedeutung. Nachdem Garep endlich eine Verdächtige an der Hand hat, wird ihm der Fall entzogen.
Derweil laufen im Hintergrund schon längst die Vorbereitungen für einen Krieg…

-Garep Schmied hätte nie erwartet, im Zuge seiner Arbeit einmal eine Silberflöte aus dem Rücken eines Zwergs ragen zu sehen.-
1

Sollte einmal eine Wahl zum unoriginellsten aller Fantasy-Völker stattfinden, so hätten die Zwerge wohl nicht die schlechtesten Chancen darauf, den Titel zu ergattern. Seit einst der erste Zwerg tolkienesker Ausprägung seinen Kopf aus einem Felsenschacht strecken durfte, bevölkern sie als wandelndes Klischee mit Bart, Spitzhacke und einem Hang zur Derbheit diverse Fantasywelten. Individuelle Charakterzüge sind meist eine Fehlanzeige, man begegnet stets Abgüssen des „Urzwergs“.
Auch in Thomas Plischkes Zerrissenen Reichen schimmert dieser klassische Fantasy-Zwerg hin und wieder durch – immer dann, wenn seine umtriebigen Nachfahren auf ihre ferne Vergangenheit blicken. Für Die Zwerge von Amboss wurde der Klassiker aber konsequent und auf sehr authentische Art und Weise weiterentwickelt, in eine industrialisierte, säkularisierte und zutiefst bürgerliche Zwergengesellschaft, so daß man sich als Leser in einer phantastischen Version des wilhelminischen Zeitalters wähnt, in dem Zwerge plötzlich einen Alltag und Familien haben (aber auch Feuerwaffen und Eisenbahn) und beinahe ein wenig beschämt auf ihre vergangenen Tage als Buddler und Krieger zurückblicken.

Schon diese augenzwinkernde Betrachtung liebgewonnener Klischees spricht für eine originelle Bearbeitung des Zwergenstoffs (oder auch Rollenspielstoffs, denn man begegnet noch Halblingen und Elfen, Diebesgilden, höhlenbewohnenden Ungeheuern und weiteren Ingredenzien, die an rollende Würfel denken lassen), doch trotz der Anlehnung ans wilhelminische Kaiserreich stechen vor allem brandaktuelle Themen aus der Romanhandlung hervor: So sind in diesem Szenario etwa die Menschen aufgrund einer Art verschärfter Variante der Reformationskriege Flüchtlinge, und die Zwerge sind wenig angetan von den vielen schmarotzenden Ausländern, die in ihre Städte strömen. Daß einem bei den Debatten, ob und wie diese Menschen besser zu integrieren seien, deutsche Politiker diverser Couleur in den Sinn kommen, ist vielleicht ein nicht ungewollter Nebeneffekt, und dem Roman tun die unverbrauchten Themen und der Gegenwartsbezug gut. Daß solcherlei Konflikte meistens durch die Sichtweise der Zwerge vermittelt werden, macht sie um so interessanter.
Zudem erinnern stets viele liebevoll gestaltete Details daran, es nicht nur mit kleingeratenen Menschen, sondern einer eigenen, wie gewachsen wirkenden Kultur zu tun zu haben: Zwergische Bräuche, Sprachbilder und Eigentümlichkeiten gibt es zu Hauf zu entdecken, alle ideenreich vom Urzwerg abgeleitet und durch den Fleischwolf einer geschichtlichen Entwicklung gedreht. Sprachlich sind diese Dinge gekonnt eingebunden, etwa wenn Körperteile zwergisch benannt werden.
Nebst verschiedenen (tatsächlich sehr individuellen) Zwergen, die Teestuben besuchen, Moden nacheifern oder sich alldem traditionalistisch verweigern und politische Debatten führen, darf man allerdings auch noch Halblingen, die hier eine Art bürokratische Aufseherkaste stellen und sich als ein fremdartiges, eigentümliches Volk entpuppen, und den auf die ein oder andere Weise von ihrer Religion bestimmten Menschen über die Schultern schauen. Sowohl die Charaktere als auch das politische Szenario, das im Laufe der Handlung bedenklich ins Wanken gerät, werden kontinuierlich entwickelt und sorgen dafür, daß es kaum Leerlauf gibt und Spannung groß geschrieben wird.

Einen Großteil der Faszination dieses Auftaktbandes macht dennoch das Entdecken der gut ausgearbeiteten Welt aus, hinzu kommt die spannende Mischung aus Krimi-Elementen, politischer Verschwörung und eines sich anbahnenden Konflikts zwischen Glauben und Vernunft. Nachdem die Handlung mit Garep Schmied anfangs vor allem auf eine Figur setzt, die sich nahe am Hardboiled detective bewegt – ein desillusionierter Ermittler mitsamt verlorener Liebe, halb geheimen Süchten und Schnüfflermentalität – dreht der Plot später eher in die Abenteuer- und Thrillerecke ab, in der die Charaktere nicht ganz so gut auftrumpfen können. Zusammen mit dem Nachlassen der entdeckerischen Aha-Effekte ergibt sich ein für das interessante Szenario doch etwas konventionelles Ende, das leider auch mehr als offen bleibt. Ähnliches geschieht in einem zweiten Handlungsstrang rund um medizinische Experimente an den Insassen einer Heilanstalt, der beeindruckend beginnt und mit einem Traum aufwarten kann, der zu den stärksten Szenen des Romans zählt, dessen Ende aber vorhersehbar ist und den Erwartungen nicht ganz gerecht wird.
Doch selbst wenn die Spannungskurve zum Ende hin etwas abflacht, liegt doch ein Roman vor, der gleichzeitig ein hohes Tempo und einen bisher in Zwergenreichen ungekannten Tiefgang an Themen und Charakteren – und durchaus auch Humor – zu bieten hat. Da sich der Wirkungsradius der Handlung in den finalen Szenen erhöht, darf man gespannt erwarten, was es im nächsten Band zu entdecken geben wird und wie die vielen, teilweise erst ansatzweise eingebrachten Themen fortgeführt werden.
Die Zwerge sind also rehabilitiert!

Zwölf Wasser - Zu den Anfängen von E. L. GreiffBabu, ein Hirte der Merzer, will zunächst nicht mehr vom Leben, als seine Kafur-Herde erfolgreich zu vergrößern. Als er einen Falkner und dessen Szasla genannten Riesenfalken kennenlernt, wird alles anders …
Felt ist Wachhauptmann in Goradt, der letzten Stadt der Welsen, die einst die ganze Welt mit Krieg überzogen haben. Das Volk lebt nun elend in Eis und Schnee, immer am Rande der endgültigen Auslöschung. Doch unter ihrer Stadt beherbergen sie die Undae, heilige Frauen, die sich plötzlich mit einer bedrohlichen Prophezeiung zu Wort melden: Es stimmt etwas nicht mit den Quellwassern der Welt.

-Der Fisch gab auf. Sein Leben lang hatte er das Wasser in sich hineingepumpt und an den Kiemen entlangströmen lassen, jetzt war es vorbei. Erst sank er, dann drehte er sich und trieb langsam trudelnd aufwärts.-
Prolog: Das große Sterben

Deutsche und deutschsprachige AutorInnen, speziell in meinem Leib- und Magengenre, der epischen Fantasy, reißen mich aus nicht ganz geklärten Gründen nur selten zu großen Begeisterungsstürmen hin. Bei der vielen Auswahl, die es in den letzten Jahren gab, habe ich natürlich auch ein paar gefunden, die ich gerne gelesen habe, aber in meine Top 10 hat es keine/r geschafft. In meine Top 25 auch nicht.
Ob E. L. Greiff eine/r dieser LieblingsautorInnen werden könnte, steht nach ihrem Debütroman Zwölf Wasser: Zu den Anfängen noch in den Sternen, aber sie kommt der Kluft, die zwischen den besten deutschen AutorInnen und den besten internationalen immer noch besteht, zumindest sehr nahe, und die Folgebände, für die mit Zu den Anfängen eine Menge Potential geschaffen wurde, werden zeigen, ob sie auch darüberspringen kann.

Zunächst einmal nimmt sich der Auftaktroman jede Menge Zeit, um Figuren und Themen einzuführen, und das auf eine für heutige Maßstäbe ungewohnt sanfte Art und Weise: Weder bekommt man alles bis hin zum letzten Gedankengang haarklein vorgekaut, noch schießt Zu den Anfängen zu Beginn gleich eine ganze Breitseite an Informationen auf Leserinnen und Leser ab: Man hat sowohl beim Plot, aber vor allem auch bei den Figuren Zeit, nach und nach interessante Aspekte zu entdecken. Und das macht sich bezahlt: Beim anfangs (auch durch die Namenswahl) etwas naiv wirkenden Hirten Babu und mehr noch beim unscheinbaren Felt, aber auch der Vielzahl an wichtigen Nebenfiguren erfasst man erst nach etlichen gelesenen Seiten das Heldenformat, das sie mitbringen.
Die wahren Dimensionen des Plots schleichen sich ebenfalls durch die Hintertür herein, und während man sich vom gemächlichen Anfangstempo noch einlullen lässt, findet man sich unversehens in fesselnden Konflikten wieder, die die Welt von Zwölf Wasser radikal zu verändern drohen.

Doch auch bis dahin gibt es viel Interessantes: geradezu nostalgisch mutet die strikte Aufteilung in zwei Handlungsstränge an, die nicht abwechselnd, sondern nacheinander erzählt werden. Der Gegensatz zwischen den beiden Settings und Figurenhintergründen könnte nicht größer sein, wenn man von Babus gerade sesshaft werdender, üppiger Gesellschaft der Steppenhirten, die mit einem guten Blick für Details aus der Sachkultur lebendig dargestellt wird, in die karge Winterwelt des darbenden Volks der Welsen wechselt.
Der Handlungsstrang der Welsen, der sich liest, als würde er Jahre nach dem Punkt einsetzen, an dem Fantasyromane gewöhnlich mit dem Sieg über das Böse ein Happy End finden, ist eines der interessantesten und stärksten Elemente von Zu den Anfängen, in dem unemotional, aber hoch anrührend über ein immer noch gefürchtetes, völlig geschlagenes und verachtetes Volk berichtet wird, das sich an ein elendes Leben klammert.

Das Konzept der Quellen und der Bedeutung des Wassers für das Leben aller stellt sich im Laufe der Handlung nicht nur als erstaunlich innovativ umgesetzt heraus, sondern ist auch sehr offen für Interpretationen und weist von wissenschaftlichen über mythische bis hin zu spirituellen Komponenten eine große thematische Bandbreite auf. Greiff versteht es dabei auch, eine überzeugende Bildsprache zu finden, die im Verlauf des Romans an Intensität zunimmt und zu im besten Wortsinn phantastischen Schauplätzen führt. Hand in Hand damit geht eine sichere, angenehme und experimentierfreudige Sprache, die sich auch in den weltschöpferischen Aspekten bei Orts- und Figurennamen bemerkbar macht und nie die Grenze überschreitet, an der Sprachspielereien nicht mehr im Dienste der Geschichte stehen.

Die Autorenvorstellung des Verlags drückt sich bisher übrigens mehr oder weniger elegant davor, E. L. Greiff ein Geschlecht zuzuordnen – auch auf dem Blog bleibt es unklar. Im Zeitalter des Internets wirkt die Vorgehensweise ein wenig antiquiert und erinnert an Zeiten, als es nicht opportun war, mit einem eindeutig weiblichen Namen epische Fantasy (oder SF) zu veröffentlichen. Denselben Hofknicks vor etablierten Mustern macht Zwölf Wasser im Auftaktband dann auch bei den Geschlechterrollen, denn ein kleiner Schwachpunkt des Romans sind die Frauenfiguren, die zwar nicht nur in Gestalt der Undae mitunter vorhanden sind, aber bei Weitem nicht so viel Wirkmacht haben wie die männlichen Helden, obwohl ihnen vordergründig durchaus starke Rollen auf den Leib geschrieben wurden. Mit den Undae, den Wassermagierinnen und –weisen, ist Greiff allerdings eine faszinierend fremdartige Variante der spirituellen Frauenfigur gelungen, in der für die Folgebände noch einiges an Potential steckt.
Und das lässt sich mit begründeter Hoffnung für den ganzen Roman sagen – die angelegten Grundlagen lassen große Zusammenhänge erahnen, nehmen ein paar Fantasy-Traditionen innovativ auf und machen mit detailfreudiger Weltschöpfung Lust darauf, mehr zu entdecken. Zu den Anfängen ist damit mehr als lediglich ein weiteres solides Fantasy-Abenteuer, denn es schlägt ganz eindeutig in vielerlei Hinsicht eigene Wege ein, statt eine Erfolgsformel abzuarbeiten, und überzeugt als charakterzentrierte Geschichte mit einem starken Plot, die den Figuren ihr Überraschungspotential und ihren Entwicklungsraum lässt und ganz unaufgeregt zu einem beeindruckenden Debut heranwächst.