Der Schwalbenturm

Cover von Der Schwalbenturm von Andrzej SapkowskiDunkle Vorzeichen rauben rund um die Herbst-Tagundnachtgleiche Menschen auf dem gesamten Kontinent den Schlaf. Ciri ist in Gefahr, ihr Treiben mit den Ratten, ihre Abstammung und ihre Bestimmung führen dazu, dass sie von vielen Akteuren fieberhaft gesucht wird, und der unerbittliche Kopfgeldjäger Bonhart ist ihr dicht auf den Fersen. Wesentlich dichter als der Hexer, der sich mit seinen Begleitern kaum aus den Mühlen des Krieges befreien kann …

 – Die Ziegenmelker sangen mit wilden Stimmen die Totenklage, den Himmel jedoch bedeckten Wolken, die den Rest des Mondlichtes auslöschten. Da begann eine schreckliche Beann’shie zu heulen, die jemandes raschen und gewaltsamen Tod ankündigte, und am schwarzen Himmel preschte die Wilde Jagd einher – ein Heerhaufen flammenäugiger Gespenster auf Pferdegerippen, mit laut flatternden Fetzen von Kleidung und Standarten. – S. 9

Andrzej Sapkowskis Der Schwalbenturm (Wieża Jaskółki) ist der vorletzte Band der Hexer-Reihe und hat mit dem zu erwartenden Problem zu kämpfen, die verschiedenen Handlungsfäden langsam in Richtung Finale zu führen … oder eben auch nicht.

Auf den ersten Seiten des Romans wird ein kurzer, augenzwinkernder Überblick über die wichtigsten Personen gegeben, die von den dunklen Erscheinungen heimgesucht werden (gesegnet sind diejenigen, bei denen der Abstand zum vorangegangenen Band Feuertaufe nicht zu groß war). Man könnte sagen, dies ist bezeichnend für den gesamten Roman, denn Sapkowski bietet eine Vielzahl von Perspektiven auf die Ereignisse der Geschichte. Dabei verschachtelt er die mitunter auch zeitlich zueinander versetzten Erzählebenen durchaus geschickt, vieles wird in Rückblenden erzählt, die zumeist tatsächlich als Erzählung beginnen, bevor Sapkowski direkt ins Geschehen springt. Die zahlreichen Perspektivenwechsel binden größere politische Ereignisse ein und verweben kleinere Geschichten von Nebenfiguren mit der Hauptstory. Allerdings scheint diese Multiperspektivität etwas auf Kosten Geralts und seines Erzählstrangs zu gehen, Ciri hat längst seinen Platz als Hauptfigur eingenommen und macht dem alle Ehre. Ihre dramatische und grausame Geschichte, ihre undurchsichtige Bestimmung und die Entwicklung, die ihre Person durchlaufen hat, machen sie zu einer unglaublich spannenden, ambivalenten Figur, die außerdem noch einen nicht weniger interessanten Sidekick erhält, der gut zu ihr passt, obwohl oder gerade weil die beiden so gegensätzlich erscheinen.

Daneben weist der Band die bereits aus den Vorgängern bekannten Stärken auf: Geschickt eingestreute moralische Dilemmata, eine vielschichtige Welt und augenzwinkernden Humor. Allerdings ist dies der bisher brutalste und düsterste Teil des Geralt-Zyklus, vielleicht ex aequo mit Die Zeit der Verachtung, hier wie da ist besonders Ciris Geschichte davon betroffen. Wie sich das Finale in Die Dame vom See gestalten wird, lässt sich auch am Ende des vorliegenden Bandes kaum erahnen, aufgrund der Multiperspektivität wirkt er manchmal etwas disparat und das rätselhafte Ende verlangt geradezu danach, dass man sofort den nächsten Teil der Reihe liest. Man darf gespannt sein, ob dieser es schafft, die Geschichten gelungen zusammenzuführen.