Nebelriss

Nebelriss von Markolf HoffmannWährend viele die goldenen Schiffe der Goldéi noch für Gerüchte halten, fallen die Echsenwesen im Königreich Kathyga schon gnadenlos ein. Vor allem auf die magischen Quellen des Landes haben es die unbesiegbaren Invasoren abgesehen, doch ihre wahren Pläne durchschaut niemand – auch nicht der einzige Gefangene, der neben hunderten von Getöteten gemacht wird: Laghanos, ein Schüler der Magie. Im Kaiserreich von Sithar, das unter einem jungen, schwachen Herrscher leidet und von Intrigen und Machtpolitik seiner Fürsten in den Verfall gerissen wird, wagt allein Fürst Baniter es, in diplomatischer Mission das Nachbarreich aufzusuchen, um ein Bündnis gegen die Goldéi zu schmieden.

-Dünne Nebelschleier. Eiskalter Windhauch; leise pfiff er über die Menschenmenge hinweg und brach sich an den steinernen Hauswänden Larambroges.-
Prolog

Markolf Hoffmanns Nebelriss ist ein mutiges Debut – der Autor wagt Experimente, biedert sich nicht groß mit vertrauten Erzählmustern bei der Leserschaft an und schlägt mit seiner Reihe Zeitalter der Wandlung einen so eigenständigen Weg ein, dass sowohl ein Vergleich mit anderen deutschen als auch mit internationalen Fantasy-Autoren nur in die Irre führen würde.
Auffallend ist zunächst die Sprache: Hoffmann scheut sich nicht, Gebrauch von verschiedensten Stilmitteln zu machen und Ungewohntes auszuprobieren, und vor allem auch in den Dialogen nutzt er ein breites Register von Möglichkeiten.

Die Handlung steht dem kaum nach; man kann zwar nach diesem Auftakt-Band noch nicht absehen, wohin die Reise wirklich gehen wird, aber die Anlagen machen klar, dass es weder die übliche Geschichte vom Auserwählten noch ein Kampf gegen dunkle Mächte sein wird. Nebelriss lädt zum Rätseln ein, was die Goldéi sind und was sie wollen, aber auch die Hofintrigen und die Vorgänge in der  überzeugend ausgearbeiteten Kirche des Kaiserreiches lassen keine Langeweile aufkommen. Die Welt besticht mit interessanten Details und einer großen Vielfalt, sie wirkt bewohnt und belebt, und auch wenn die Schauplätze noch überschaubar bleiben, kommt der Eindruck einer lebendigen und auf verschiedene Weise tradierten Geschichte auf.
Besonders bei den Szenen mit den Goldéi ist es Markolf Hoffmann gelungen, ein beklemmendes und befremdendes Gefühl heraufzubeschwören (und das, was sie mit ihren magiebegabten Gefangenen anstellen, ist allemal für eine Gänsehaut gut).

Die einzelnen Figuren passen sich gut in das Gesamtpaket ein und bedienen keinerlei Klischees, handeln aber dennoch nachvollziehbar und wirken rund. Sie kochen alle ihr eigenes Süppchen, und sind bis in die Nebenfiguren hinein gut ausgearbeitet. Allerdings faszinieren sie eher auf kühle Art: man rätselt mit ihnen, beobachtet, versucht (in diesem Band vollkommen chancenlos), die Puzzleteile zusammenzusetzen, die Hoffmann ausstreut, aber ans Herz wächst einem keine der Figuren. Es wird sehr schnell klar, dass es keinen richtigen Symphatieträger geben soll, und die Welt von Nebelriss ist kein Ort für strahlende Helden.  Trotzdem bleibt der Eindruck, dass ein klein wenig Wärme und hier und da ein Zug der Figuren, der nicht extrem oder negativ besetzt ist, den Leser/die Leserin besser eingebunden hätte.
Interessant genug, um sich diese innovative Geschichte anzuschauen, ist Nebelriss aber allemal – es macht so viel anders, dass man vielleicht erst im Nachhinein bemerkt, dass es einen trotz der faszinierenden Ansätze etwas kalt gelassen hat.

Stand: 06. Juni 2012
Erscheinungsjahr: D 2004
Verlag: Heyne (Neuauflage: Piper)
ISBN: 3-453-87553-2
Seitenzahl: 504