Autor: Turner@Megan Whalen

A Conspiracy of Kings von Megan Whalen TurnerSophos, der eher gelehrsame als machtbewusste Neffe und Erbe des Königs von Sounis, wird verschleppt und gerät in die Sklaverei. Kaum ist er dieser misslichen Lage mit knapper Not entronnen, sieht er sich mit Schwierigkeiten eines ganz anderen Kalibers konfrontiert: Sein Onkel ist während seiner Abwesenheit ums Leben gekommen, und die Herrschaftsübernahme in dem von inneren Wirren geplagten Land gestaltet sich äußerst problematisch, zumal die allgegenwärtigen Meder natürlich wie gewohnt die Situation zu ihren Gunsten auszunutzen trachten. Aus eigener Kraft kann Sophos sich schwerlich halten, doch die angebotene Hilfe aus dem Ausland hat ihren Preis…

– The king was visible now, sitting upright in the carriage beside the queen. The carriage drew closer. The young man clinging to the street marker took his aim, waited for the right moment, and with a concentrated puff of air, fired the shot. –
Prologue

Es wird dem vierten Teil der Attolia-Reihe bis zu einem gewissen Grade zum Verhängnis, dass er zu einer Serie gehört: Als Einzelroman würde er einen vorbehaltlos begeistern, doch im direkten Vergleich mit seinem furiosen Vorgängerband fällt er ein wenig ab und weist auch mehr typische Jugendbuchzüge auf. In hohem Maße ist dies sicher der Wahl des zeitweise als Ich-Erzähler fungierenden Helden geschuldet, denn der schon aus dem ersten Band bekannte Sophos ist nicht nur für einen klassischen Entwicklungsroman geradezu prädestiniert, sondern von vornherein weitaus konventioneller angelegt als die in den anderen Büchern zentralen Gestalten.

Dennoch ist er ein sympathischer Protagonist, mit dem sich besonders jüngere Leser sicher identifizieren können, und Turner schildert durchaus überzeugend, wie die freundliche Naivität ihres Helden Stück für Stück der Erkenntnis weicht, dass Rücksichtslosigkeit bis hin zur Missachtung völkerrechtlicher Vorschriften und nicht zuletzt ein furchteinflößender Ruf sich als Schlüssel zum Erfolg erweisen können. Manch eine moralisch fragwürdige Tat ist dabei wirkungsvoll in Szene gesetzt – wahrscheinlich ist man selten in so großer Versuchung wie hier, einem dreisten Ignorieren diplomatischer Immunität Beifall zu zollen.

Turner erliegt allerdings nicht der Faszination der Skrupellosigkeit und Gewalt: Anders als in vielen anderen zeitgenössischen Fantasyromanen werden Werte als Richtschnur menschlichen Handelns nicht lächerlich gemacht oder für unbedeutend erklärt. Das Ringen darum, sich auch unter ungünstigen Bedingungen wenigstens ein Mindestmaß an Anstand zu bewahren, spielt auch hier wieder eine Rolle, wie überhaupt die Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren fein ausgelotet werden. Trotz aller ernsten oder gar tragischen Aspekte bringt einen dabei wieder manch ein gelungener Dialog zum Schmunzeln.

Die Welt, in der Sophos seine Abenteuer erlebt, ist liebevoll ausgestaltet und wartet mit ungewohnten Perspektiven auf. Hat man bisher vor allem das Leben der Eliten an den verschiedenen Königshöfen verfolgt, steht hier in der Anfangsphase der Alltag der Sklaven auf dem Lande im Vordergrund, der mit seinen Hierarchien, Nöten und kleinen Freuden differenziert geschildert wird. Vielleicht spiegelt sich hier Turners erklärte Vorliebe für Rosemary Sutcliffs Werke wider, in denen das Heranreifen eines ursprünglich aus besseren Verhältnissen stammenden jungen Mannes in der Sklaverei (oder zumindest in einer untergeordneten Dienerrolle) ein wiederkehrendes Motiv ist.

Neben dieser möglichen äußeren Inspiration ist A Conspiracy of Kings aber vor allem ein Roman, in dem viele Rückbezüge auf die bisherigen Bände der Reihe zu entdecken sind. Turner führt hier ihre Technik der nachträglichen Umdeutung auf eine buchübergreifende Ebene: Viele scheinbar nebensächliche Einzelheiten aus The Thief erscheinen einem in der Rückschau wie gezielte Vorausverweise auf Entwicklungen, die sich erst hier vollziehen. Handlungsmäßige Parallelen ergeben sich dagegen vor allem zum zweiten Band. Wer sich noch an die Vorgehensweise der Königin von Attolia bei ihrer Thronbesteigung oder an die Intrigen des Meders Nahuseresh erinnert, wird hier viele altvertraute Plotelemente vorfinden, die zwar mit Verve zum Einsatz gebracht werden, aber den Reiz des Neuen ein wenig verloren haben.

Auch insgesamt wirkt Turner diesmal bestrebt, eher von langer Hand Vorbereitetes auszuarbeiten, als große Überraschungen zu bieten. Eine politische Entwicklung, die seit dem ersten Band zumindest als Möglichkeit im Raume stand, tritt tatsächlich ein, und auch manche Veränderung im Beziehungsgeflecht der Hauptpersonen kommt nicht unerwartet. So scheint mit dem Ende des Bandes ein vorläufiger Schlusspunkt erreicht zu sein; eine Fortsetzung müsste sich ein wenig von den mittlerweile ausgetretenen Pfaden wegbewegen, um interessant zu bleiben.

Dennoch ist A Conspiracy of Kings ein solider Teil einer alles in allem überdurchschnittlichen Buchreihe und wird Fans durchdachter, ohne Effekthascherei erzählter Geschichten sicher nicht enttäuschen.

Der Dieb von Megan Whalen TurnerNur vereint könnten sich die rivalisierenden Staaten Sounis, Eddis und Attolia der Eroberung durch das Mederreich widersetzen – wenn es nach dem Magus des Königs von Sounis geht, unter Führung seines Herrn, dem er mithilfe eines sagenumwobenen Steins die Herrschaft über Eddis sichern will. Um das Artefakt aus seinem Versteck im feindlichen Attolia zu holen, benötigt er einen geschickten Einbrecher. Der Meisterdieb Gen, den seine Prahlerei mit einer besonders dreisten Untat ins Gefängnis gebracht hat, kommt ihm da gerade recht. Mit einigen Begleitern brechen die beiden nach Attolia auf. Doch unter den Gefährten lauert ein Verräter, und auch Götter, an die niemand mehr so recht glauben will, nehmen Einfluss auf den Ausgang des Abenteuers…

– Ich wusste nicht, wie lange ich schon im Gefängnis des Königs saß. Die Tage waren alle gleich, abgesehen davon, dass ich mit jedem schmutziger wurde als zuvor. –
Kapitel 1

Zu Der Dieb liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Der Gebieter von Megan Whalen TurnerKönigin Irene von Attolia hat durch ihre Heirat mit einem Cousin der Königin von Eddis außenpolitisch eine Atempause gewonnen. Aber der neue König ist unbeliebt und wird immer wieder zur Zielscheibe von demütigenden Streichen. Niemand geht jedoch so weit wie der Gardist Costis, der dem König einen Fausthieb ins Gesicht versetzt. Sein Schicksal scheint besiegelt, doch er hat eher die Neugier als den Rachedurst des Herrschers geweckt. Nach und nach bildet sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Männern heraus. Costis erkennt, dass er den König unterschätzt hat, dessen wahre Fähigkeiten bald gefordert sind. Denn der machthungrige attolische Adel und die düpierten Meder ruhen nicht …

– Die Königin wartete. Sie saß am Fenster und sah die Lichter der Stadt im letzten Rest des langen Zwielichts funkeln. –
Prolog

Zu Der Gebieter liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The King of Attolia von Megan Whalen TurnerKönigin Irene von Attolia hat durch ihre Heirat mit einem Cousin der Königin von Eddis außenpolitisch eine Atempause gewonnen. Aber der neue König ist unbeliebt und wird immer wieder zur Zielscheibe von demütigenden Streichen. Niemand geht jedoch so weit wie der Gardist Costis, der dem König einen Fausthieb ins Gesicht versetzt. Sein Schicksal scheint besiegelt, doch er  hat eher die Neugier als den Rachedurst des Herrschers geweckt. Nach und nach bildet sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Männern heraus. Costis erkennt, dass er den König unterschätzt hat, dessen wahre Fähigkeiten bald gefordert sind. Denn der machthungrige attolische Adel und die düpierten Meder ruhen nicht …

– Costis took a ragged breath. He wanted to kill the king. He wanted to cry. He dropped to his knees before his queen and lowered his head almost to the floor, covering his face with his hands, still balled into fists, tightening knots of rage and bitter, bitter shame. –
Chapter One

Mit The King of Attolia läuft Megan Whalen Turner zu Höchstform auf und legt ihren bislang vielleicht gelungensten Roman vor, der die Stärken der ersten beiden Teile der Attolia-Reihe kombiniert. Das Spannungsfeld zwischen persönlicher Integrität und politischer Notwendigkeit ist wie im zweiten Band eines der zentralen Themen, doch wie in The Thief herrscht trotz aller Ernsthaftigkeit der Handlung wieder ein von unaufdringlichem Humor gefärbter Erzählton vor. Gerade die Dialoge sind oft spritzig und pointiert, aber auch insgesamt ist die Lektüre ausgesprochen locker und unterhaltsam, ohne in Oberflächlichkeit abzugleiten. Manch subtiler Scherz ist schon in der Namensgebung verborgen. So wird es etwa historisch interessierte Leser nicht wundern, dass ein (ehemaliger) Gardist namens Sejanus für den geplagten Herrscher eher mit Vorsicht zu genießen ist.

Ohnehin erinnern die Gardesoldaten als potentielle Königsmacher ein wenig an die Prätorianer der römischen Kaiserzeit, wie auch überhaupt wieder einzelne Versatzstücke aus mediterranen Kulturen zu einer überzeugenden Welt kombiniert sind, die niemals bloße Kulisse bleibt, sondern mit ihren regionalen und sozialen Gegensätzen die Psyche der liebevoll ausgearbeiteten Charaktere bis ins Detail prägt.

Wie gewohnt dominiert der facettenreiche Gen über weite Strecken unangefochten die Bühne, wobei sein weiterhin sehr direktes Verhältnis zu den Göttern (die auch schon einmal verhindern, dass er angetrunken von der Palastmauer stürzt) für einige Lacher gut ist. Mit dem durchaus sympathisch gezeichneten, aber oft heillos überforderten Costis schenkt Turner dem Leser zum ersten Mal eine klassische Identifikationsfigur, an deren Seite er sich durch das Intrigengewirr am Hof von Attolia tasten kann. Wer allerdings die Reihe in chronologischer Reihenfolge gelesen hat, ist Costis oft um ein paar Schritte voraus, denn die Vorliebe der Autorin dafür, bestimmte Einzelheiten zu verschweigen und manches erst nachträglich in ganz anderem Licht erscheinen zu lassen, ist einem mittlerweile vertraut.

Dass man sich trotzdem nicht langweilt, liegt unter anderem auch daran, dass die bisher eher in außenpolitischem Kontext zum Einsatz gebrachten Winkelzüge hier dazu dienen, die inneren Machtverhältnisse eines Königshofs umzuformen. Was auf den ersten Blick wie eine Beschränkung wirken könnte, erhöht in Wahrheit die unterschwellige Bedrohlichkeit der Atmosphäre, denn die Illusion einer schützenden Trennung von gefahrvollem Aktionsraum und relativ sicherer Heimat entfällt. In dieser Hinsicht geht The King of Attolia thematisch noch über den Vorgängerband hinaus: Die dort begonnene Geschichte des (oft schmerzlichen) Heranreifens von Einzelpersonen wird um den Aspekt der Einfügung des Individuums in die Gesellschaft erweitert und bietet einen ehrlicheren Blick auf das Erwachsenendasein als manch ein anderes Jugendbuch.

Turner verzichtet dabei weiterhin darauf, Szenen auszuschlachten, die sich durchaus auch reißerisch hätten gestalten lassen. Die unaufgeregte Erzählweise vermeidet jeden Voyeurismus, obwohl gefoltert und gemordet wird und sehr schnell feststeht, dass in einer von Machtkalkül geprägten Umgebung auch Friedenszeiten nicht gar so friedlich sein müssen. Trotz dieser durchaus realistischen Sichtweise dürfen die Figuren jedoch ihre Menschlichkeit bewahren. Die Hoffnung, dass zumindest im Kleinen stets auch die Möglichkeit einer Wendung zum Guten besteht, scheint immer wieder auf, so dass man das Buch am Ende nicht angewidert von allen Ränken, sondern in durchaus positiver Grundstimmung aus der Hand legt.

Eine Besonderheit stellt die scheinbar unverbunden zum Rest des Textes eingefügte abschließende Kurzgeschichte dar, die eine Episode aus der Jugend der Königin von Eddis schildert. Es lohnt sich aber, sie aufmerksam zu lesen, und das nicht nur, weil in ihr auf ansprechende Weise Göttersagen und fiktive Realität ineinandergreifen: Manche hier vermittelte Informationen werden im vierten Band der Reihe noch wichtig. Ob man findet, dass eine Integration der Begebenheit in den Roman selbst die elegantere Lösung gewesen wäre, ist wohl Geschmackssache. Man kann es auch als kleinen Leckerbissen betrachten, entdecken zu dürfen, dass Megan Whalen Turner die kurze Form ebenso gekonnt beherrscht wie längere Erzählungen.

Nachdem die Königin von Attolia ein in ihrem Palast spionierendes Mitglied des Königshauses von Eddis hat verstümmeln lassen, eskaliert der schon lange schwelende Konflikt zwischen den beiden Ländern vollends. Der Krieg ruft nicht nur den immer noch eroberungslustigen König von Sounis sondern auch das mächtige Mederreich auf den Plan, und bald droht den drei kleinen Staaten ihre Zerstrittenheit wirtschaftlich wie politisch zum Verhängnis zu werden. Ein Verlust der Unabhängigkeit scheint kaum noch abzuwenden. Doch zweierlei hat der medische Gesandte Nahuseresh bei seinen Intrigen nicht bedacht: Die Macht der Götter – und die Unberechenbarkeit menschlicher Gefühle…

– Lärm scholl aus dem Befeuerungsraum den engen Tunnel entlang: Schlurfen, Rumpeln und, wenn er die Ohren spitzte, ein Knistern. –
Kapitel 1

Zu Die Königin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Queen of Attolia von Megan Whalen TurnerNachdem die Königin von Attolia ein in ihrem Palast spionierendes Mitglied des Königshauses von Eddis hat verstümmeln lassen, eskaliert der  schon lange schwelende Konflikt zwischen den beiden Ländern vollends. Der Krieg ruft nicht nur den immer noch eroberungslustigen König von Sounis sondern auch das mächtige Mederreich auf den Plan, und bald droht den drei kleinen Staaten ihre Zerstrittenheit wirtschaftlich wie politisch zum Verhängnis zu werden. Ein Verlust der Unabhängigkeit scheint kaum noch abzuwenden. Doch zweierlei hat der medische Gesandte Nahuseresh bei seinen Intrigen nicht bedacht: Die Macht der Götter – und die Unberechenbarkeit menschlicher Gefühle…

– When he fell asleep, he dreamed the queen of Attolia was dancing in her garden in a green dress with white flowers embroidered around the collar. It started to snow, dogs hunted him through the darkness, and the sword, red in the firelight, was above him, and falling. –
Chapter Five

Dass ein zweiter Band die im ersten Teil einer Reihe geweckten Erwartungen nicht einlöst, hat gewiss jeder Leser schon erlebt – aber selten wird ein solcher Bruch derart bewusst und erschütternd vollzogen wie hier von Megan Whalen Turner. The Queen of Attolia erlaubt einem weder wohliges Schwelgen in mediterranen Landschaften noch unbefangenes Vergnügen an Abenteuern, sondern wagt sich an ernste Themen. Neben dem Umgang mit politischer und persönlicher Verantwortung stehen vor allem das Erdulden und die mögliche Überwindung von Leid im Vordergrund.

Die Götter haben weiterhin allenthalben die Hand im Spiel, doch ihr Einfluss steht in ständiger Wechselwirkung mit den Entscheidungen der Menschen, deren Taten sich nicht einfach durch das Eingreifen höherer Mächte ungeschehen machen lassen und so letztlich stärker als alle übernatürlichen Faktoren den Gang der Ereignisse bestimmen. Den Konsequenzen des eigenen Handelns kann sich daher keiner der Protagonisten entziehen, und was politisch geboten erscheint, widerspricht oft genug ihren heimlichen Wünschen oder ihrem ethischen Empfinden. List und Tücke bieten zwar häufig eine taktische, aber nur selten eine wirkliche befriedigende Lösung der Probleme, mit denen sich jeder einzelne im Laufe des langen Kriegs konfrontiert sieht, und der Preis, der für das eigene Weiterkommen gezahlt werden muss, ist oft sehr hoch. Das merkliche Vergnügen, mit dem Turner in ihrer bewährten Technik, Entscheidendes oft nur verhüllt anzudeuten, Intrigen und Winkelzüge schildert, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie auch und vor allem Geschichten des Verlusts erzählt: Von körperlicher und psychischer Unversehrtheit, moralischen und religiösen Gewissheiten, äußerer und innerer Freiheit und nicht zuletzt auch von liebgewonnenen menschliche Beziehungen muss mehr als eine Gestalt unwiderruflich Abschied nehmen. Vor allem der Dieb Gen macht in dieser Hinsicht eine ebenso schlüssige wie herzzerreißende Entwicklung durch, an deren Endpunkt er nur noch wenig mit dem unbekümmerten Spötter gemein hat, als der er dem Leser in The Thief entgegengetreten ist.

Ein düsterer und deprimierender Roman also? Nicht ganz, denn er ist zugleich – so sehr dies überraschen mag – ein Loblied auf die Liebe und ihre hoffnungstiftende Kraft, die über Zwang und Widrigkeiten triumphieren kann. Während die Thematik in der ersten Hälfte des Buchs eher auf leisen Sohlen in einer scheinbar zufällig erzählten Göttersage eingeführt wird, gewinnt sie im weiteren Verlauf an Bedeutung. Romantasygeschädigte müssen dennoch nicht in Panik geraten: Der schwierige Annäherungsversuch zweier Menschen, die einander in der Vergangenheit wahrlich keine Wohltaten erwiesen haben, ist anrührend geschildert und von jedem Kitsch weit entfernt. Ohnehin wird man effekthascherische Szenen in diesem Buch vergebens suchen, obwohl es Situationen gibt, die manch ein Autor wohl als Steilvorlage betrachtet hätte, sich in drastischen Beschreibungen zu ergehen (so wird z.B. einer zentralen Gestalt auf offener Bühne die Hand abgehackt). Turner ist eher an langfristigen Folgen vor allem psychologischer Natur interessiert. Auf ihre zurückhaltende Erzählweise, die einen Kontrast zu der in der modernen Fantasy weit verbreiteten, quasi filmischen Unmittelbarkeit bildet, muss man sich also weiterhin einlassen. Wer dazu bereit ist, wird mit einem überdurchschnittlichen Lektüreerlebnis belohnt.

Trotz all dieser Qualitäten lässt sich aber eines nicht verschwiegen: The Queen of Attolia ist ein Buch mit Übergangscharakter, das dazu dient, den im ersten Band vorgegebenen Status quo aufzubrechen und die Charaktere für den Fortgang der Serie in Position zu bringen. Diese Brückenfunktion lässt die liebevolle Darstellung der Welt, die so viel zum Charme der Reihe beiträgt, etwas in den Hintergrund treten; eine Ausnahme bildet allenfalls das sehr gelungene Kontrastprogramm zwischen dem Königshof von Eddis (der vorwiegend aus dem ausgedehnten Familienclan der Herrscherin besteht) und seinem von Machtgier und Misstrauen geprägten attolischen Pendant.

Diese Kritikpunkte fallen aber eigentlich nur dann ins Gewicht, wenn man den Roman, den man auch als in sich abgeschlossene Geschichte lesen kann, in den Kontext von Vorgänger- und Nachfolgeband einordnet. Verzichtet man auf diesen Vergleich, so bleibt einem neben den feinfühlig gezeichneten Charakteren vor allem eines in Erinnerung: Die hoffnungsvoll stimmende Bereitschaft der Autorin, in einer ungeschönten Wirklichkeit neben Leid auch Tröstliches gelten zu lassen.

The Thief von Megan Whalen TurnerNur vereint könnten sich die rivalisierenden Staaten Sounis, Eddis und Attolia der Eroberung durch das Mederreich widersetzen – wenn es nach dem Magus des Königs von Sounis geht, unter Führung seines Herrn, dem er mithilfe eines sagenumwobenen Steins die Herrschaft über Eddis sichern will. Um das Artefakt aus seinem Versteck im feindlichen Attolia zu holen, benötigt er einen geschickten Einbrecher. Der Meisterdieb Gen, den seine Prahlerei mit einer besonders dreisten Untat ins Gefängnis gebracht hat, kommt ihm da gerade recht. Mit einigen Begleitern brechen die beiden nach Attolia auf. Doch unter den Gefährten lauert ein Verräter, und auch Götter, an die niemand mehr so recht glauben will, nehmen Einfluss auf den Ausgang des Abenteuers…

-It’s a funny thing that the new gods have been worshiped in Sounis since the invaders came, but when people need a truly satisfying curse, they call on the old gods.-
Chapter Two

Ein All-Age-Titel, der noch dazu nach allzu klassischer Questenfantasy klingt? Nichts Besonderes, so möchte man meinen, und würde damit dem ersten Band von Megan Whalen Turners Attolia-Reihe bitter unrecht tun.

Allerdings lässt sich ein Teil dessen, was den Reiz des klug aufgebauten Romans ausmacht, kaum ohne größere Spoiler benennen. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass der Ich-Erzähler Gen – ein Trickster, wie er im Buche steht – zwar nicht eigentlich unzuverlässig berichtet, aber doch eine Reihe von Äußerungen tätigt, die den Leser in die Irre führen und erst in der Rückschau ihre eigentliche Bedeutung entfalten. Wer gern zwischen den Zeilen liest und aufmerksam Wortwahl und subtile Hinweise verfolgt, wird aber schon früh bemerken, dass nicht alles ist, wie es zu sein scheint.

Ohnehin ist die Bereitschaft, sich auf eine ruhig erzählte, eher durch Feinheiten als durch grelle Effekte wirkende Geschichte einzulassen, eine Grundvoraussetzung, um The Thief (Der Dieb) zu genießen, denn viel Spektakuläres geschieht zunächst einmal nicht. Anders als die meisten Fantasyhelden begegnen die Gefährten des Magus (der noch nicht einmal über Zauberkräfte verfügt) nämlich nicht hinter jeder Wegbiegung einem Ungeheuer, das nur auf sie gewartet zu haben scheint, sondern schlagen sich mit den ganz profanen Tücken des Reisealltags und Spannungen innerhalb der Gruppe herum. Die einzelnen Figuren sind dabei sehr differenziert und menschlich gezeichnet, so dass man ihre Interaktionen gespannt verfolgt, ohne aufregende Gefahren zu vermissen. Dabei lohnt es sich, auch auf Details zu achten: Vieles von dem, was zwischen geruhsamen Mahlzeiten, Reit- und Fechtstunden, Kletterpartien und Abenden am Lagerfeuer scheinbar nur am Rande Erwähnung findet, erweist sich im weiteren Verlauf der Serie (und durchaus nicht allein in diesem Buch) noch als wichtig.

Ganz nebenbei taucht man auch in die liebevoll ausgearbeitete mediterrane Welt ein, deren Städte, Bauerndörfer, Gebirge und Olivenhaine einem bald lebendig vor Augen stehen und mit der ein oder anderen Anspielung auf das reale Griechenland glänzen (so findet man etwa in der Hauptstadt von Sounis Elemente des antiken Athen mit dem Löwentor von Mykene kombiniert). Das Konzept einer an das Altertum angelehnten polytheistischen Welt, die sich gleichwohl bis in die frühe Neuzeit weiterentwickeln durfte (so gibt es z.B. Feuerwaffen), fasziniert auch in Abwesenheit klassischer Fantasyelemente, für deren Fehlen zudem die äußerst authentisch wirkenden Göttersagen entschädigen, die immer wieder eingeflochten werden. Die Gefahr, sich im Zuge dieser Reisebeschreibung nach einem Urlaub am Mittelmeer zu sehnen, ist für Leser mit entsprechenden Vorlieben durchaus gegeben.

Wie weit The Thief dennoch von bloßer Wohlfühllektüre entfernt ist, wird aber spätestens im letzten Drittel der Geschichte deutlich, wenn schlagartig Leid und Tod, vor denen auch liebgewonnene Charaktere nicht gefeit sind, in das bis dahin eher harmlose Abenteuer einbrechen und moralische Fragen aufgeworfen werden, auf die es keine eindeutigen Antworten geben kann. Wenn im Zuge dessen selbst Gen, der sich bisher erfolgreich durchs Leben gemogelt hat, erkennen muss, dass List und spöttische Distanz in manchen Situationen weder weiterhelfen noch überhaupt wünschenswert sind, wirkt diese plötzliche Wahrhaftigkeit wie ein Fanal für die folgenden Bände, in denen – so viel sei hier schon vorab verraten – mit einigen der Protagonisten auch die Themen erwachsener werden.

So sollte man The Thief vielleicht vor allem als charmante erste Begegnung mit einer Welt und einem Figurenensemble lesen, die weit mehr zu bieten haben, als sie in diesem gefälligen Jugendabenteuer zeigen können.

Die Verschwörer von Megan Whalen TurnerSophos, der eher gelehrsame als machtbewusste Neffe und Erbe des Königs von Sounis, wird verschleppt und gerät in die Sklaverei. Kaum ist er dieser misslichen Lage mit knapper Not entronnen, sieht er sich mit Schwierigkeiten eines ganz anderen Kalibers konfrontiert: Sein Onkel ist während seiner Abwesenheit ums Leben gekommen, und die Herrschaftsübernahme in dem von inneren Wirren geplagten Land gestaltet sich äußerst problematisch, zumal die allgegenwärtigen Meder natürlich wie gewohnt die Situation zu ihren Gunsten auszunutzen trachten. Aus eigener Kraft kann Sophos sich schwerlich halten, doch die angebotene Hilfe aus dem Ausland hat ihren Preis…

– Der König von Attolia durchquerte seine Stadt. Er war auf dem Weg zum Hafen, um Gesandte willkommen zu heißen, die gerade aus fernen Weltgegenden eingetroffen waren. –
Prolog

Zu Die Verschwörer liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.