Lange waren die Dämonen aus der Welt verbannt, doch die unbedachte Tat des Thronerben von Orison ermöglicht zweien die Flucht: Gäus und Irathindur. Sie planen, sich in der Welt der Menschen festzusetzen und wählen jeweils einen Herrscher, den sie übernehmen werden: Irathindur wird sein irdisches Dasein als Baroness eines der neun Baronate Orisons antreten; Gäus als der junge König des Landes. Ehe die beiden getrennter Wege gehen, schwören sie sich, nicht gegeneinander Krieg zu führen. Bald stellt Irathindur aber fest, dass die Lebenskraft im Land Orison nur für einen Dämon reicht – und beginnt nach mehr Macht zu streben. Noch immer an den Pakt mit Gäus gebunden, stürzt er alsbald das ganze Land ins Chaos, um seinen Hunger nach Lebenskraft zu stillen.
-Der König, der keine Augen hatte, streckte eine Hand aus nach dem Meer.-
Vorausschau
Mit den Dämonen wird ein ganz neues Fass in der Auswahl der „Völker Tolkiens“ aufgemacht, zu denen uns die deutsche Fantasy-Szene im Laufe der letzten Jahre überreichlich viele Ausflüge beschert hat. Die Grenzen der Vielfalt scheinen langsam ausgereizt: Dämonen als eines der Völker Mittelerdes? Wir wollen aber mal nicht so kleinlich sein, schließlich ist es auch alles andere als der Geist Tolkiens, der dieses Werk von Tobias O. Meißner durchweht, das stellt man schon fest, wenn man einen Blick auf die Figuren wirft:
Da wäre der Möchtegern-Student Minten, der stattdessen, wenn auch unfreiwillig, zum brutalen Haudrauf wird, von den Wogen des Krieges herumgeschleudert, bis er im wahrsten Sinne des Wortes sein Gesicht und die Orientierung verliert, für wen und wofür er eigentlich kämpft. Dann der finstere Dämon Gäus, der alsbald den schwächlichen König des Menschenlandes übernimmt und als dieser ganz in der Aufgabe aufgeht, das Land zu regieren. Und schließlich der gewitztere und elegantere Dämon Irathindur, der zum Zweck eines irdischen Daseins in die lüsterne Baroness Meridienn einfährt und nach anfänglichen Daseinsfreuden bald nicht mehr mit dem schnöden Titel zufrieden ist. So entspinnt sich ein Machtkampf und schließlich aus Unwissenheit, Gleichgültigkeit und schlichtem Pech ein grausamer Krieg, der für die meisten Beteiligten ein ziemlich sinnloses Unterfangen ist, aber trotzdem immer größere Kreise zieht.
Fast wie im wirklichen Leben also. Und das ist auch die Essenz des Romans – der Mensch braucht keine Dämonen, um im Krieg alles kurz und klein zu schlagen. Und die Dämonen? Sind auch nur Menschen, eignen sich menschliche Züge an, sobald sie Fuß im irdischen Dasein gefasst haben, und zwar die guten wie die schlechten. Das ist vielleicht das Interessanteste an Meißners Roman, wie das Spiel mit Erwartungen auf die Spitze getrieben wird, wie aus anfänglicher Machtgier Verantwortung wird und aus Lebensfreude die Gier nach immer mehr.
Die daraus resultierende Schlachtenfolge allerdings ist eine relativ langatmige Aneinanderreihung von Action-Szenen, und wenn man sein Lesevergnügen nicht nur aus Kämpfen und Kriegswogen ziehen kann, dann bleibt nicht mehr viel übrig. Stilistisch und selbst in einigen Charakterzügen der Hauptfiguren ähneln Die Dämonen Meißners Mammut-Reihe, doch Menschlichkeit und Wärme spielen in diesem Kriegsgetümmel kaum eine Rolle. Legitim, manchmal angebracht und wichtig ist es durchaus, einen solchen Blick auf die Abgründe zu eröffnen und daneben Weltschöpfung und Charakterzeichnung auch etwas verblassen zu lassen, jedoch scheinen Die Dämonen diesbezüglich auf halber Strecke stecken geblieben zu sein und ihr blutiges Machtgerangel ist doch nur ein halbherziger Tanz an der Grenze zum Tabubruch: Mit Verdauungsproblemen, Orgien, S/M-Klamotten, Körpersäften in allen Variationen und anderen Klischees von Dämonen und Dämonenwirken wird zwar immer wieder kokettiert – diese Ingredienzen bleiben allerdings ohne große Nachwirkung und machen ein wenig den Eindruck, als hätten sie zum Thema Dämonen eben dazu gehört. Andere Autoren, die die düstere Sparte der Fantasy bedienen, haben diesbezüglich weitaus finsterere und beeindruckendere Tableaus von der dämonischen Fratze des Krieges gezeichnet.
Eine Weltschöpfung ist nur ansatzweise vorhanden und dem Leser wird ein wie von Bürokraten am Reißbrett entworfenes Land namens Orison vorgesetzt, dessen Ordnung die Dämonen dann mehr oder weniger genüßlich über den Haufen werfen dürfen. Ebenso dürftig sind die Nebencharaktere skizziert, fast schon Karikaturen von Menschen, die im Angesicht des Chaos, das in ihr wohlgeordnetes (und dennoch alles andere als perfektes) Leben eindringt, vollkommen ins Surreale kippen, wie etwa der sich selbst geißelnde, sexuell unbefriedigte Mann, der als völlig überzeichnete Figur zum Frauenhasser und -mörder mutiert. Sollte dabei einmal der Ansatz einer tiefgründigeren Betrachtung zum Thema entstehen, wird sie recht schnell in einem Feuerwerk cineastischer und wilder Szenen verbraten, die dem Dämonenkrieg ein grelles Erscheinungsbild verleihen.
Am Ende gibt es noch ein kleines stilistisches Wagnis, das aber den Schluß nicht mehr recht abwenden kann, hier vor allem ein effektlastiges Schaubild zu betrachten, das allerdings trotz – oder gerade wegen – der universellen Interpretationsmöglichkeiten zum Thema „Krieg“ nur wenig mehr ist als die übliche Action-Fantasy der düsteren Sorte.