Tobias O. Meißner

portraitiert von Fremdling

Tobias O. Meißner; Copyright: Ralf Tober

Tobias Oliver Meißner (* 1967) lebt seit seinem zweiten Lebensjahr in Berlin. Er studierte Theaterwissenschaften und Publizistik und arbeitete nebenher im journalistischen Bereich, was ihm aber nicht behagte. Ihm lag das belletristische Schreiben näher, schließlich hatte er damit schon während der Schulzeit begonnen. Gemeinsam mit Freunden gründete er einen Literaturclub, in dessen Rahmen drei seiner Romane entstanden. Einer davon, Starfish Rules, wurde 1997 auch sein Debütroman. Seit diesem Jahr ist er halbjährlich abwechselnd als Fabrikarbeiter und freiberuflicher Schriftsteller tätig.

Müsste man sein Werk mit einem Wort charakterisieren, wäre wohl „ambitioniert“ ein guter Anfang. Meißner hat bisher viele Genres bedient und ist zudem bemüht, andere Medien in die Literatur einfließen zu lassen. Dazu zählen für ihn auch Computerspiele, mit denen er sich besonders im Cyberpunk-Roman Neverwake auseinandergesetzt hat.

Ambitioniert ist auch die Romanreihe Hiobs Spiel, die auf fünfzig Jahre und eine unbestimmte Zahl an Bänden ausgelegt ist – veröffentlicht wurden bisher aber lediglich zwei. Namensgebend ist das Spiel, das Hiob Montag mit dem Teufel spielt (oder eher vice versa) und bei dem die Erde als Spielbrett, die Menschen als Figuren herhalten müssen, unabhängig von der Epoche, wie die Zeitreise in die Jahre des Ersten Weltkriegs beweist. Wie dieses Szenario nahelegt und der Name des Protagonisten (Montag! ;-)) vorausahnen lässt, ist es eine gnadenlos explizite Reise in menschliche und gesellschaftliche Abgründe. Dies alles ist verpackt in einen Text, der sprachlich, inhaltlich und nicht zuletzt optisch (das Schriftbild wird teilweise in die Erzählung miteinbezogen) aber noch mehr zu bieten hat als stumpfe Brutalität.

Fantasy-Romanen wird ja gerne mal vorgeworfen, sie würden sich wie die Questreihe eines Rollenspiels lesen, für das Konzept von Das Paradies der Schwerter hat Meißner jedoch ganz bewusst Elemente von Pen & Paper RPGs herangezogen. Der Verlauf des Romans, der die Geschichten verschiedener Kämpfer erzählt, die in einem Turnier gegeneinander antreten, sollte vom Zufall bestimmt werden. Daher ordnete Meißner den Charakteren Attributswerte zu, entschied per Los über die Gegnerkonstellationen und würfelte schließlich die Kämpfe aus. Über die Auswirkungen auf den Handlungsverlauf spricht er im unten verlinkten Interview mit Alien Contact.

Auch Im Zeichen des Mammuts lehnt sich an klassische RPGs an, so beschäftigt sich die Reihe zu einem großen Anteil mit Entwicklungen und Beziehungen innerhalb der vielseitig ausgerichteten Heldentruppe, verbindet das aber mit einer für Fantasy recht untypischen Problematik, nämlich Umweltzerstörung und dem Kampf gegen ebendiese. Anders als etwa bei Das Paradies der Schwerter, wo die pseudo-mittelalterliche Welt durch unzeitgemäße Aspekte gebrochen wird, ist das Worldbuilding des Mammut-Zyklus in sich stimmig. Die scheinbar unpassend-moderne Thematik wird, etwa durch magische Elemente, in das vormoderne und deutlich klassisch-buntere Fantasysetting eingewoben. Ursprünglich war die Reihe auf ambitionierte 12 Bände ausgelegt, nun wird sie allerdings (vorläufig?) mit dem 6. Band zu Ende gehen, denn sie wird nach diesem Band nicht weiter veröffentlicht. Ein Finale liefert Die Vergangenheit des Regens allerdings auch nicht, sodass sich Meißner die Möglichkeit einer Vollendung der Reihe zu einem späteren Zeitpunkt offen hält.

Die Dämonen schließlich scheint auf der Welle der Völkerromane zu schwimmen, vor denen man sich in den Nullerjahren auf dem deutschsprachigen Fantasymarkt kaum retten konnte. Man sollte sich allerdings nicht vom Titel irreführen lassen, Meißner spielt mit den Erwartungshaltungen, mit denen man an ein solcherart betiteltes Buch herantritt, liefert eine Parabel auf den Krieg ab und knüpft mit lakonischen Gewaltdarstellungen und einer düsteren Weltsicht an den grim&gritty-Trend an – oder setzt einfach wieder da an, wo er mit Das Paradies der Schwerter schon begonnen hat.
2012 erschien Tobias O. Meißners Barbarendämmerung, in dem er die Abenteuer des namenlosen, barbarischen Helden in anfangs recht lose miteinander verknüpften Episoden verfolgt.

Links:
Interview auf literaturschock.de
Interview mit Alien Contact

Bibliographie:

  • 1997: Starfish Rules
  • 1998: Gott ist tot, und es wäre schön, wenn jemand einen Plan hätte
  • 1999: HalbEngel
  • 2000: Todestag
  • 2001: Neverwake
  • 2002: Wir waren Space Invadors (mit Mathias Mertens)
  • 2002: Frauenmörder (Hiobs Spiel 1)
  • 2003: Scherbenmund (Berlinoir 1 – Comic, Zeichner: Reinhard Kleist)
  • 2004: „Mord!“ (Berlinoir 2 – Comic, Zeichner: Reinhard Kleist)
  • 2004: Das Paradies der Schwerter
  • 2005: Die dunkle Quelle (Im Zeichen des Mammuts 1)
  • 2006: Die letzten Worte des Wolfs (Im Zeichen des Mammuts 2)
  • 2006: Das vergessene Zepter (Im Zeichen des Mammuts 3)
  • 2007: Traumtänzer (Hiobs Spiel 2)
  • 2007: Die Brücke der brennenden Blumen (Im Zeichen des Mammuts 4)
  • 2008: Die Dämonen (Die Dämonen 1)
  • 2008: Ladezeit (mit Mathias Mertens u.a.)
  • 2008: Narbenstadt (Berlinoir 3 – Comic, Zeichner: Reinhard Kleist)
  • 2009: Der Mann, der nicht geboren wurde (Im Zeichen des Mammuts 5)
  • 2011: Die Vergangenheit des Regens (Im Zeichen des Mammuts 6)
  • 2011: Die Dämonen – Freiheit oder Finsternis (Die Dämonen 2)
  • 2011: Die Soldaten
  • 2012: Barbarendämmerung

Rezensionen:

[Rezis von]Meißner@Tobias O.[/Rezis von]
Stand: 14. Juli 2012