Zyklus: Sundering@The

Banewreaker von Jaqueline CareySeit Jahrhunderten haust der dunkle Herrscher Satoris in seiner Festung Darkhaven und brütet Armeen von Fjelltrollen und Weren aus, um die freien Völker zu versklaven. Aber eine Prophezeiung des Ersten Schöpfers Haomane besagt, daß Satoris vernichtet werden kann. Eine Verbindung zwischen Ellyl und Menschen ist der erste Punkt der Prophezeiung, und so planen Cerelinde, die schöne unsterbliche Herrin der Ellylon, und Aracus, der vertriebene König des Westens, zu heiraten, um die Erfüllung in die Wege zu leiten. Satoris, der sich seinem rachsüchtigen Bruder ewig widersetzt, versucht die Hochzeit zu verhindern und schickt seine drei Marschälle Tanaros, Vorax und Ushahin hinaus in die Welt. Er ficht einen verzweifelten Verteidigungskampf.

-The place was called Gorgantum.
Wounded once more, he fled there, and having fled, seethed. It was not a defeat, not wholly.-
Prologue

Wo andere Autoren sich damit begnügen, Tolkien-Epigonen zu sein, nimmt Jacqueline Carey im zweibändigen Epos The Sundering den Herrn der Ringe und Das Silmarillion auf, um mit den Themen und Aussagen Tolkiens zu arbeiten, mit seinen Figuren, seiner Weltschöpfung und seiner Interpretation von Gut und Böse. Wer Tolkien begeistert gelesen hat und sich schon lange eine Geschichte mit ähnlicher epischer Breite und mythologischem Hintergrund wünscht, wird bei The Sundering fündig werden. Vieles ist direkt entliehen, etwa die (ähnlichen) Namen und Aufgabenbereiche der der sieben Schöpfer, die ganz verdächtig Tolkiens Valar ähneln, genauso wie Carey ihre Ellylon auch gut und gerne als Elben hätte bezeichnen können. Auch sprachlich macht Carey bei ihrer Hommage eine gute Figur und beherrscht den epischen Stil, ohne ins Überkandidelte abzugleiten. Einen zweiten Herrn der Ringe hat sie allerdings trotzdem nicht erzählt.
Denn – und jetzt wird’s interessant – auch LeserInnen, die mit Tolkiens extremer Schwarz-Weiß-Malerei schon immer auf Kriegsfuß standen, die sich längst gefragt haben, ob Morgoth oder Sauron nicht doch nur Rebellen waren, und nicht die Verkörperung des absolut Bösen, bekommen hier eine interessante Variante der Geschichte aufgetischt. In erster Linie schaut man nämlich in Banewreaker (Der Herr der Dunkelheit) den überall anerkannten Bösewichten über die Schulter. Die alte Leier von Gut und Böse wird verdreht und undurchsichtig, wenn man sich plötzlich auf der Seite des großen Übels der Welt wiederfindet.

Haomane, der erstgeborene Schöpfer, der für Vernunft und rationales Denken steht, läßt seine Anhänger, die “guten” freien Völker, im besten Glauben gegen den ausgewiesenen Obermotz Satoris – einst ebenfalls einer der sieben Schöpfer, doch längst aufgrund seiner Widerspenstigkeit in Ungnade gefallen – in den Krieg ziehen, und das schon seit Jahrhunderten. Satoris, der für Leidenschaft und die fleischliche Zeugung von Leben steht, wird als mächtige, düstere Kreatur gezeichnet, die ein immerwährender Schmerz plagt und für die Rebellion gegen seinen Bruder bitter büßen muß. Verzweifelt kämpft er dagegen an, das zu werden, was die Welt in ihm sieht. Der Ansatzpunkt ist somit ein ganz anderer als bei Tolkien (und dem Großteil seiner Nachfolger).

Man verfolgt durchaus auch die Machenschaften der “guten” Seite, die sich voll im Recht fühlt, das Land vom Zerstörer zu befreien. Carey schafft dabei auf beiden Seiten faszinierende und sehr menschliche Charaktere (auch wenn eine ganze Reihe davon quasi-unsterblich ist, als würde man bei Tolkien nicht die Hobbits, sondern die Herren und Zauberer als Identifikationsfiguren anbieten), die Düsterlinge liegen ihr aber eindeutig mehr. Was durch diesen verwirrenden Standpunkt allerdings komplett wegfällt, ist das Böse. Widerlinge gibt es hier nicht, und alle Charaktere, egal welcher Fraktion, haben eine edle Seite, sie sind höchstens einmal starrköpfig und uneinsichtig oder verletzt an Körper und Geist – aber abgesehen von diesem immerwährenden Konflikt scheint die Welt Uru-alat von Schlechtigkeit relativ frei zu sein. Der dichte Reigen von Ereignissen mythischer Dimension verhindert allerdings, daß man vom Alltag der Welt (und ihrer etwaigen alltäglichen Schlechtligkeit) bis auf wenige Ausnahmen viel mitbekommt.

Ein wenig leidet die Intensität des Romans unter der Fülle von Figuren – man hätte sich gewünscht, ein wenig länger bei den Einzelnen verweilen zu können, statt gleich wieder zum nächsten aus der Riege überzugehen.
Dennoch ist Banewreaker ein großes Lesevergüngen für Fans von klassischer Fantasy. Wo es nötig ist, beherrscht Carey die epische Breite und hochtrabende Sprache und fängt so die Atmosphäre der mythischen Umwälzung der Welt sehr gut ein. Dabei bietet sie mehr Stoff zum Nachdenken – auch über die Konventionen der tolkienesken Fantasy – als ein weiterer Tolkien-Abklatsch, denn es wird deutlich, dass sie sich  ausführlich mit den Themen auseinandergesetzt und sie zu etwas Neuem verarbeitet hat. Die Vielzahl der verdrehten Anspielungen auf Tolkien zu entdecken, ist dabei noch das kleintse Vergnügen, das die Lektüre bereiten kann.

Godslayer von Jacqueline CareyDie Pläne des dunklen Herrschers Satoris, die Prophezeiung zu verhindern, die seinen Untergang vorhersagt, drohen zu scheitern: Der Träger des Wassers des Lebens, das Satoris’ Macht brechen kann, ist unterwegs zur Festung Darkhaven, und die Heere der freien Völker sammeln sich zum Angriff auf den verhassten Feind. Doch immer noch hat Satoris Cerelinde in seiner Gewalt, die Herrin der Ellylon, die, um die Prophezeiung zu erfüllen, Aracus, den Herrscher der Menschen des Westens, heiraten müßte. Satoris weigert sich, seine Gefangene zu töten, und so müssen seine Marschälle Tanaros, Ushahin und Vorax Darkhaven zur Verteidigung rüsten und die Heere der Fjelltrolle in den Krieg führen, die ihnen unterstehen …

-All things converge.
In the last Great Age of the Sundered World of Urulat, which was once called Uru-Alat after the World God that gave birth to it, they began to converge upon Darkhaven.-
One

Hält man Godslayer zum ersten Mal in der Hand, kommt man nicht umhin zu fragen, ob Jacqueline Carey es tatsächlich schafft, ihr Epos auf den vergleichsweise wenigen Seiten auch wirklich zu Ende zu erzählen – immerhin wird hier das mittels Prophezeiung erstellte Aufgebot gegen den dunklen Herrscher in die letzte Schlacht geschickt und ein Zeitalter beendet, in insgesamt nur zwei Bänden mit jeweils weniger als 500 Seiten: Das entspricht nicht den Gepflogenheiten der sonst eher zum Format Ziegelstein tendierenden epischen Fantasy.
Und bei diesem Kuriosum allein bleibt es nicht, denn wie schon im ersten Band werden beim Kampf der Guten gegen die allseits ausgewiesenen Bösen die den LeserInnen vertrauten Erzählmuster gehörig auf den Kopf gestellt, so dass man selbst mitentscheiden muss, was in Godslayer gut und was böse ist.
Satoris ist ein düsterer Herrscher, doch da man ihm über die Schulter schauen darf, wirkt der Hass, den ihm die freien Völker entgegenbringen, oft unverständlich. Einmal hat er gewagt, seinem Bruder, dem Schöpfer Haomane, zu widersprechen und dessen Entscheidungen in Zweifel zu ziehen, und schon darf er für allezeit das Böse der Welt repräsentieren und mit Verve niedergemacht werden. Doch auch die sogenannten freien Völker begleitet man auf ihrer Queste – selbstgerecht sind sie vielleicht, aber letzlich handeln sie nur so, wie es ihren Interessen dienlich scheint. All das verlangt der Leserschaft einiges an Eigeninitiative bei der Wahl der Sympathien ab, obwohl ganz in der Tradition der epischen Fantasy um das Wohl der Welt gekämpft wird.

Wie schon beim ersten Band ist die hauptsächliche Inspirationsquelle Careys Tolkien, dessen Weltentwurf mit den dahinterstehenden Ideologien sie aufgreift und aus einer anderen Perspektive die gleiche Geschichte anders erzählt. Das Spiel mit Themen und Zitaten aus dem Herrn der Ringe und dem Silmarillion ist daher mehr als nur eine reizvolle Spielerei, auch wenn etliches, wie etwa der Träger des Wassers des Lebens, der selbiges in die Festung des dunklen Herrschers bringen muss, um ihn zu schlagen, direkt übernommen scheint.
Unaufhaltsam strebt die Geschichte von der ersten Seite an ihrem Ende entgegen – und auch hier ist Carey ihren Vorbildern auf ganz eigene Art treu geblieben: In dem gelungenen Abschluss bleiben nur wenige Fäden offen, und wenn man  mit vielbändigen Fantasyzyklen mit ihren nicht tot zu kriegenden Stehauf-Bösewichten vertraut ist, wird man hier auf eine verblüffend konsequente Lösung stoßen.
Dass für die Seite der freien Völker alles ausgesprochen glatt läuft und die Prophezeiung wie am Schnürchen erfüllt wird, eher zum Leidwesen des Lesers, nimmt Godslayer zuweilen ein wenig den Wind aus den Segeln, denn zum Großteil hat die Autorin auch der Versuchung widerstanden, die Guten als die eigentlich Bösen darzustellen. So wenig man ihnen als Leser den Sieg wünscht, ihre Motive sind dennoch nachvollziehbar und nicht weniger ehrlich als die von Satoris.

Der epische Ton, den Carey mühelos anstimmt, verleiht der Welt Urulat eine tiefe Geschichtlichkeit, all ihren Bewohnern wird ein eigener Zauber zugestanden. Wer schon immer einmal leise in sich hineinschnüffeln wollte, wenn ein Fjell (hier das Pendant zum Ork) erschlagen wird, ist definitiv an der richtigen Adresse.
Vielleicht, wenn man ein nächstes Mal in eine epische Fantasy-Geschichte eintaucht, wird man sich nach der Lektüre von Godslayer hin und wieder fragen, ob der nächste dunkle Lord, der von seinem Thron gestoßen werden muss, nicht doch nur ein missverstandener Rebell ist.