Elantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …
-Prince Raoden of Arelon awoke early that morning, completely unaware that he had been damned for all eternity.-
Chapter 1
Mit seinem Debutroman Elantris hat Brandon Sanderson den Grundstein für eine steile Karriere gelegt, die ihn inzwischen als Nachfolger Robert Jordans beim Rad der Zeit und Verfasser eigener umfangreicher Fantasy-Zyklen in die erste Liga der Autoren geführt hat. Liest man seinen gefeierten Erstling, der durchaus wegweisend für die literarische Richtung ist, die Sanderson seither eingeschlagen hat, weiß man nicht recht, ob man lachen oder weinen soll, weil ein weiteres Mal ein allzu simpel nach Schema F gestrickter Fantasy-Roman die Gunst der Leser erworben hat …
Mit hohem Tempo wechselt Sanderson die Handlungstränge um den durch das Shaod verdammten Prinzen Raoden, der sich im elenden Elantris durchschlägt, seine Verlobte Sarene, ein allen Widrigkeiten zum Trotz emanzipiertes, kluges, politikbegeistertes Mädchen, das sofort die Zügel in Raodens Heimat Arelon an sich reißt und in der Folge die Politik des kleinen Landes komplett auf den Kopf stellt, und den Priester Hrathen, der mit der Kraft der Logik ein ganzes Volk bekehren will und dabei eine fanatische Natter an seinem Busen heranzüchtet. All diese Handlungsstränge laufen ab und berühren sich wie ein gut geöltes Uhrwerk, man steigt schnell ein, aber die Spannung bleibt auf der Strecke, weil alles in so glatten und vorhersehbaren Bahnen verläuft.
Der Held Raoden ist ein Super-Optimist, dem trotz widrigster Umstände in den ersten 250 Seiten gerade einmal drei Zeilen Selbstzweifel zugestanden werden (und dann schlägt der Blitz ein und Raoden darf sich einige Seiten lang im Elend aalen, als hätte der Autor einen Schalter umgelegt); die Heldin ist ein ähnliches Kaliber. Einfache, sich ständig wiederholende Charakterzüge werden verwendet, um den Figuren Eigenständigkeit zu verleihen, bis man es nicht mehr lesen kann, dass Sarene mit ihrem Finger an die Wange tippt, wenn sie kurz vor einer weiteren genialen Idee steht – denn gute Einfälle gibt es am laufenden Meter in Elantris. So schwer Feinde und widrige Umstände den Helden das Leben auch machen, sie sind niemals auch nur einen Augenblick lang um eine Lösung verlegen.
Dabei hat die Handlung durchaus Potential für Spannung – eine Stadt voller Zombies sucht nach Erlösung, während außenherum das Land in den Ruin stolpert. Wenn diese Gemeinschaft der Gefallenen fieberhaft an einem Ausweg für das Hauptproblem – den Fall von Elantris – arbeitet, kann man sich ein wenig mitreißen lassen. Um so enttäuschender ist dann aber die hahnebüchene Auflösung.
Das Ende ist ohnehin ein Spektakel, und kein erfreuliches: Eine bunte, sensationelle und gigantische Explosion von Magie, und wenn man sich vorab schon in einem Hollywood-Schinken der platteren Sorte gewähnt hat, kommen hier erst recht die passenden Szenen für diese These: Ein Totgeblaubter rappelt sich noch einmal blutend und stöhnend auf, um dem Bösewicht in einer kritischen Situation schnell Eins überzubraten, ein längst vergessener Charakter stolpert zufällig aus einer Kneipe und löst eine Kettenreaktion aus. Während ein ganzes Buch lang niemand ins Gras beißen musste, werden innerhalb von drei Seiten beinahe alle getötet (aber mit Auferstehungsoption), und wirklich jede einzelne Figur darf etwas zur Rettung beitragen, auch wenn sie nur für diese eine Aktion 400 Seiten weit mitgeschleppt wurde.
Mit den Holzhammerfiguren, der auf reine Dynamik hinkonstruierten Geschichte und den clever eingebundenen Themen, die ohne in die Tiefe zu gehen angerissen werden – von Emanzipation über Herrschaftssysteme hin zu Selbstbewußtsein und Erfüllung im Leben – kann man Elantris wohl ganz gut konsumieren, aber etwas Besonderes oder gar Subtiles fehlt dieser Klischeeparade, die sich liest, als hätte Brandon Sanderson einfach die Erfolgsformel für Fantasy-Romane abgearbeitet.