Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter von Tobias O. MeißnerWieder einmal ist der Mammutgruppe nicht viel Erholung vergönnt: Der nächste Auftrag läßt nicht auf sich warten. Diesmal soll das Mammut den bedrängten Riesen zur Seite stehen, die sich in den Gebirgszug Wildbart zurückgezogen haben und trotzdem ihrer Haare wegen gejagt werden. Entsprechend mißtrauisch sind die Riesen gegenüber Rodraeg und seinen Gefährten, aber schließlich werden diese dennoch für einen Auftrag auserwählt: Sie sollen den Fliegenstab, das vergessene Zepter des Riesenköngis, aus einer Höhle bergen. Obwohl Rodraeg noch immer von seiner Krankheit geplagt ist, brechen die Gefährten auf, um sich den tödlichen Gefahren und Rätseln der Höhle zu stellen. Und sie sind nicht die einzigen, die an der legendären magischen Waffe ein Interesse haben…

-Der Mann, der seinen Namen vergessen hatte, saß auf dem Steinboden und ließ aus seinen Handflächen Insekten wachsen.-
Prolog

Inzwischen ist es ja zur entspannenden Gewohnheit geworden: Bekommt das Mammut – wie in jedem vorausgegangenen Band der Reihe – einen neuen Auftrag, stürzen sich die Helden nicht Hals über Kopf ins Abenteuer, sondern nähern sich ihm langsam an, mit ausführlichen Reise- und Vorbereitungs-Szenen. Und auch in Das vergessene Zepter läßt sich Meißner wieder alle Zeit, um die Befindlichkeiten seiner Protagonisten zu erkunden. Die Haupthandlung scheint erst richtig loszugehen, wenn man schon ein Drittel der Seiten hinter sich gebracht hat. Dramatisch ist diese Betulichkeit allerdings nicht, denn Rodraeg und seine Mannen sind nach wie vor ein wahres Lesevergnügen, und der Autor erweist sich auch in Szenen des Kleinen und Alltäglichen als ausgesprochen guter Geschichtenerzähler. Zu Beginn gibt es genug Hinweise auf Vergangenes, so daß man nach einer längeren Lesepause problemlos einsteigen kann.

Alles beim Alten also – zum Glück, möchte man sagen, denn bisher gab es nicht viel zu meckern an den unterhaltsamen Abenteuern des Mammuts. Aber genauso gut leider, denn auch bei der reihenüberspannenden Hintergrundhandlung bleibt alles wie gewohnt vage. Sucht man nach größeren Zusammenhängen, ist die Informationsausbeute auch nach dem dritten Band mehr als dürftig. Womöglich läßt der Autor es im Gesamtkonzept ebenso ruhig angehen wie in jedem einzelnen Band, und immerhin ist die Reihe auf mehr als eine Handvoll Titel ausgelegt, doch im Augenblick liest sie sich eher wie eine Ansammlung durchaus spannender Einzelabenteuer und nicht wie ein großes Ganzes. Das mindert das Vergnügen ein wenig, denn Meißner hat durchaus Köder ausgelegt, auch solche, die man beim augenblicklichen Stand der Dinge noch nicht so recht einordnen kann. Aber es bleibt bei Andeutungen und Winzigkeiten – und das nach einer Seitenzahl, bei der in anderen Fantasy-Zyklen langsam schon das Ende in Sicht ist.

Für das Abenteuer, das im Rahmen von Das vergessene Zepter bewältigt wird, tut all das aber keinen Abbruch. Anders als bei den ersten beiden Bänden der Reihe schwenkt Meißner im Kontext der verworrenen Rätsel und Prüfungen der Höhle, in der die Mammut-Recken das Zepter suchen, auf einen teils sehr interessanten Stil um – da werden Teile als seitenlanger Bandwurmsatz erzählt, andere als in der Gegenwart parallel erlebte Träume. Die Abschnitte mäandern zwischen originell und überkandidelt, werden aber auf Leser, die Brüchen im gewöhnlichen Erzählfluß weniger abgewinnen können, mit Sicherheit etwas lang wirken.

Bei einem der Hauptcharaktere wird niemals lange verweilt, fast wie ein allwissender Erzähler schwenkt der Autor in schneller Folge von einem zum nächsten. Dennoch entwickeln sich die Charaktere und das Mammut als Ganzes im Gegensatz zur Haupthandlung prächtig weiter – daß es ihnen am Ende prächtig geht, wird dem Leser allerdings nicht vergönnt: Das Warten auf den nächsten Band ist mit einem ordentlichen Cliffhanger gewürzt.
Im Epilog erwartet einen dann ein weiterer kleiner Bruch mit dem Standard eigenständiger Fantasy-Welten: Offenbar kennt man in der Welt Rodraeg Delbanes und des Mammuts auch Das Zeitalter der Wandlung, die Roman-Reihe von Meißners Kollegen Markolf Hoffmann, was aber hauptsächlich den Eindruck erhöht, trotz des zumindest aus Lesersicht gelungenen Einzelabenteuers im großen Bogen der Reihe auf der Stelle zu treten und weitere Mysterien aufzuhäufen, statt einige zu lösen.

Stand: 06. Juni 2012
Erscheinungsjahr: D 2006
Verlag: Piper
ISBN: 3-492-26623-1
Seitenzahl: 390