The Darkness That Comes Before

Cover von The Darkness That Comes Before von R. Scott Bakker2000 Jahre nach der ersten Apokalypse, bei der fast die gesamte Bevölkerung der Welt Eärwa von dem Nicht-Gott Mog vernichtet wurde, ruft die inrithische Kirche einen heiligen Krieg gegen die Fanim aus. In der Stadt Momemn werden eine Reihe ganz unterschiedlicher Personen in den Sog der Ereignisse hineingezogen: Drusus Archamian ist Mitglied der “Mandate”, die seit der Apokalypse mit ihren magischen Fähigkeiten gegen die Anhänger des Nicht-Gotts kämpfen. Esmenet ist eine in Archamian verliebte Prostituierte. Cnaiür ist ein Clansmann von der Steppe, der auf Rache für den Tod seines Vaters sinnt. Anasûrimbor Kellhus ist ein Mönch der Dûnyain, der durch seine erlangten Fähigkeiten in der Lage ist, Menschen in radikaler Weise zu beeinflussen. Er ist auf der Suche nach seinem Vater.

-All spies obsessed over their informants. It was a game they played in the moments before sleep or even during nervous gaps in conversation.-
Chapter I

The Darkness That Comes Before (Schattenfall) ist ein sehr komplexes Buch, mit Unmengen von historischen und kulturellen Informationen über die Welt Eärwa und einer unzählbaren Anzahl von fremdklingenden Namen und Bezeichnungen. Entsprechend schwierig ist der Einstieg in das Buch. Man fühlt sich unvorbereitet ins eiskalte Wasser geworfen, und den wirklichen Sinn und Inhalt der beiden Prologe und der ersten Abschnitte des ersten (von insgesamt fünf) Teilen wird man wahrscheinlich erst beim zweiten Lesen erfassen. Leser, die einen geruhsamen, erklärenden Einsteig bevorzugen, könnte dieser Beginn doch sehr abschrecken.

Doch mit Hilfe des Anhangs und der Karten wird man sich spätestens in der Mitte des ersten Teiles in das Buch und die eigenartige Welt hineingefunden haben und kann endlich in vollem Maße die sehr umfangreiche und ausgereifte Story genießen. Die Handlung enthält viele Elemente der historischen Kreuzzüge und beinhaltet aus diesem Grund auch eine Reihe von religiösen Elementen. Als wirklich spannend kann man die Story nicht bezeichnen, auch wenn einige Actionszenen und Kämpfe durchaus vorkommen, das Hauptaugenmerk liegt eher auf den Gesprächen der Figuren, Erinnerungen an die Vergangenheit der Hauptpersonen und Vermittlung der Informationen über die verschiedenen Fraktionen, als auf großer tatsächlicher Handlungsbeschreibung. Durch diesen Schreibstil bleibt die Welt selbst etwas blass, man kann sich nur schwer in die Situationen selbst hineinversetzen. Hierbei merkt man dann auch deutlich, dass es sich um den ersten Teil einer Trilogie handelt (dieser Trilogie werden übrigens noch zwei weitere, inhaltlich eigenständige und zeitlich abgetrennte Trilogien folgen, die auf derselben Welt spielen und denselben Grundkonflikt zugrunde liegen haben), in dem vor allem die Charaktere dargestellt und die Ausgangssituation der Story für die nächsten beiden Bücher ausgebreitet werden soll. Dennoch ist die Handlung interessant und legt vor allem in den letzten beiden Teilen des Buches an Tempo zu.

Highlight des Buches ist wohl die Charaktergestaltung. Bakker ist einfach meisterhaft in der Fähigkeit, seine Hauptpersonen unglaublich lebendig darzustellen, wodurch die Nebencharaktere im Vergleich aber leider etwas in der Gestaltung zurückbleiben. Durch die fast schon typische Beschreibung der Handlung aus der Sicht einer ganzen Reihe von Figuren hat man auch die Möglichkeit, die Hauptpersonen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Besonders das Wechselspiel zwischen Kellhus und Cnaiür im späteren Verlauf des Buches ist dabei brillant. Die Brutalität (das Buch ist wohl auch eher für etwas ältere Leser zu empfehlen), die ein Charakter, den man eigentlich als sympatisch – oder um den vielbemühten und kaum mehr angebrachten Begriff noch einmal zu verwenden, als “gut” – empfand, plötzlich aus einer anderen Perspektive zeigt, ist fast schon schockierend. Hier übertrifft Bakker auch einen George R. R. Martin, bei dem diese Personenbetrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln durch die geografische Abgetrenntheit der Personen einfach zu selten zustande kommt.

Doch der Vergleich mit George R. R. Martin ist sowieso eigentlich eher schlecht gewählt. Bakker ähnelt in Schreibweise und vor allem auch der Gestaltung seiner Welt in Bezug auf Magie und die verschiedenen Fraktionen und Allianzen vielmehr seinem kanadischen Landsmann Steven Erikson und dessen A Tale of the Malazan Book of the Fallen-Serie, als dem Amerikaner. Bakker darf nur nicht den Fehler machen und mit den nächsten Büchern ein Werk schaffen, das sich doch letzendlich nur um den epischen Kampf des Guten gegen das Böse dreht. Die Gefahr ist durchaus gegeben, aber eigentlich kann ich mir dies nur sehr schwer vorstellen.
Letzendlich lässt sich also sagen, dass Bakker gleich mit seinem Debütroman ein glanzvolles Werk hingelegt hat, das sich vor den großen Namen des Genres nicht verstecken muss. Die Schwächen bezüglich der Einleitung des Buches und der Weltgestaltung (bei der sich Bakker für meine Begriffe dann doch etwas zu stark an Tolkien orientiert) seien trotzdem noch erwähnt. Aber ich denke, Bakker hat durchaus noch das Potenzial sich in gewissen Punkten zu steigern.

Stand: 11. September 2012
Erscheinungsjahr: CAN 2003
Verlag: Simon & Schuster
ISBN: 0-7432-5668-9
Seitenzahl: 577
Titel der Übersetzung: Schattenfall