Valen, ein Magier, der seit Jahren seiner Familie und den Häschern entflieht, die entlaufene „Reinblütige“ jagen – wird nach einer Schlacht vor den Mauern des Klosters Gillarine schwer verletzt zurückgelassen. Die Mönche retten Valen und gewähren ihm Asyl. Valen verschweigt allerdings seine magischen Fähigkeiten und eine damit einhergehende Erkrankung, die ihn in eine Abhängigkeit von den Nivat-Samen getrieben hat. Der Krieg der drei Prinzen um das Land Navronne macht aber auch vor den Klostermauern nicht halt, und Valens Buch, das er von seinem Großvater geerbt hat und das ins Land der Engel führen soll, scheint dabei eine Rolle zu spielen.
-On my seventh birthday, my father swore, for the first of many times, that I would die face down in a cesspool.-
Chapter 1
Flesh and Spirit steht und fällt damit, ob man sich mit dem Protagonisten anfreunden kann oder nicht. Wie andere Romane von Berg ist es vor allem eine Charaktergeschichte, und Valen, Ich-Erzähler und unfreiwilliges Zentrum der Handlung, ist anfangs keine Identifikationsfigur und niemand, den man auf Anhieb mögen wird.
Anders als Seyonne (aus den Rai-Kirah-Romanen) oder Seri und Karon (aus der Bridge of D’Arnath-Reihe) ist Valen keinesfalls ein Held – und er entwickelt auch kaum heldenhafte Züge. Er ist ein Opportunist (anfangs auf eine liebenswert-lustige Art, später, wenn sein Opportunismus hauptsächlich auf seine von einem masochistischen Ritual geprägte Drogenabhängigkeit zielt, weniger einnehmend). Gegen Ende des Romans zeichnet sich ein Charakterwandel ab, aber nahezu auf der ganzen Strecke hat er neben seiner persönlichen Freiheit nur wenige Prinzipien. Valen ist zwar ein nachvollziehbarer, aber keinesfalls ein positiver Charakter. Nebenfiguren, die sich als Ersatz-Lieblinge anbieten, gibt es im ersten Band der Reihe nicht, was auch aus der wieder sehr gelungenen Ich-Perspektive resultiert.
Die Nebenfiguren sind abgesehen davon typisch für Berg (und daher möglicherweise auch leicht zu durchschauen): Wie in jedem ihrer bisherigen Romane gibt es wieder Böse, die sich als ganz nette Zeitgenossen entpuppen, und besonders gute und freundliche, die dann doch gar keine so edlen Motive haben. Leider hat das inzwischen einen stereotypen Charakter.
Sprachlich ist der Roman etwas elaborierter als Bergs bisheriges Werk, und sowohl sprachlich wie inhaltlich wird es gleichzeitig auch derber. Ob dies an „grim & gritty“-Trends anknüpfen soll oder ein Zugeständnis an die mondäne Natur des Erzählers ist, sei dahingestellt.
Die Welt, beschränkt auf Navronne bzw. seine drei Provinzen, ist nur angezeichnet. Sie ist deutlich ans Mittelalter angelehnt, und zwar ein Mittelalter, in dem düstere Prophezeiungen vom Ende der Welt, Kälte, Dunkelheit, Hunger, Pest sich bewahrheiten. Die Aurellian, von denen die Magier abstammen, und ihre Sprache (oftmals Latein-Derrivate) und Errungenschaften (z.B. Aquädukte) lassen diese Anlehnung noch deutlicher scheinen.
Vor allem das Klosterleben wird detailreich und kompetent geschildert, und da zu Beginn ein Mord hinter den Klostermauern das spannungstreibende Moment ist, kommt einem durchaus Der Name der Rose in den Sinn.
Der Endzeitaspekt gewinnt im Verlauf der Handlung immer mehr Gewicht und trägt zur Atmosphäre von Flesh and Spirit bei. Treibende Kräfte sind die Entfremdung des Menschen von der Natur (durch Städte und die Kultivierung des Landes) und eine kultische Gruppe, die eine pervertierte Naturordnung aufbauen will. Anfangs entwickeln sich die Dinge langsam – ein widerspenstiger Protagonist muss neugierig gemacht und ins Zentrum der Handlung geschoben werden. Hier sind das Klosterleben, das Einfügen des Protagonisten, sein Versteckspiel mit den Magierhäschern und die wenigen Puzzlestücke für die Hauptgeschichte die Motoren der Handlung. Später verschiebt sich die Spannung etwas auf das Schicksal Navronnes, allerdings bleiben immer Valens persönliche Fährnisse und sein drogenbedingt unzuverlässiger Charakter das mitreißendste Moment.
Nach und nach gewinnt die für einen Zweiteiler recht komplexe Geschichte Zugkraft. Nachdem die Handlung einmal ins Laufen gekommen ist, manövriert die Autorin ihren Protagonisten geschickt von einem Dilemma ins nächste.
Zumindest im Zusammenspiel mit den restlichen Berg-Veröffentlichungen lässt sich aber eine gewisse Vorhersehbarkeit nicht leugnen, und der von Sucht und Selbsthass zerfressene Valen aalt sich unerfreulich lange in seinem Elend. Wer eher an Abenteuer und Abwechslung interessiert ist, wird vielleicht enttäuscht sein, dass sich die Geschichte doch ganz auf Valens Schicksal konzentriert und seine Anteilnahme an der restlichen Welt über weite Teile des Romans nicht groß ist. Die zauberhaften Aspekte der Welt, die durchaus vorhanden sind, zeigen sich in Flesh and Spirit erst spät und nur in Ansätzen und kommen erst im zweiten Band Breath and Bone zur Entfaltung.