Zyklus: Alanna von Trebond

Cover von Die schwarze Stadt von Tamora PierceDie zehnjährige Alanna von Trebond soll in einem Kloster lernen, eine Dame zu werden. Ihr Zwillingsbruder Thom wird an den Hof gehen, um eine Ausbildung als Ritter zu erhalten – so hat es ihr Vater beschlossen. Dabei will Thom viel lieber Zauberer und Alanna Ritter werden, um gefährliche Abenteuer zu bestehen. Die Kinder fälschen die Briefe, die der Vater ihnen mitgegeben hat. Alanna verkleidet sich als Junge und geht an den Hof, um Page zu werden, und Thom reitet zum Kloster und läßt sich zum Zauberer ausbilden. Für Alanna beginnen schwere Zeiten. Die Ausbildung ist hart, aber sie findet Freunde. Doch nicht jeder ist ihr wohlgesonnen. Früher als es ihr lieb ist, muß sie gefährliche Abenteuer bestehen und sie fürchtet, jemand könnte herausfinden, daß sie ein Mädchen ist…

– “Ich habe meine Entscheidung getroffen. Keine Diskussion mehr”, sagte der Mann am Schreibtisch. Er schaute schon wieder in ein Buch. Seine beiden Kinder verließen den Raum und machten die Tür hinter sich zu.-
Die Zwillinge

Eigentlich ist Die Schwarze Stadt (Alanna: The First Adventure) nichts anderes als die gute alte phantastische Internatsgeschichte, die in eine mittelalterliche Szenerie verlegt wurde, aber diese alte Idee wurde von Tamora Pierce sehr gut umgesetzt. Alanna kommt an den Hof und muß lernen, lernen, lernen: Mathematik, Geschichte, Gedichte und natürlich den Umgang mit dem Schwert, mit Lanzen und alle Kampfkünste, die ein Ritter so braucht. Außerdem muß sie am Tisch bedienen und Botengänge für die Adligen erledigen. Abends fällt sie todmüde ins Bett. Sie schließt Freundschaften, aber sie muß sich auch gegen den “Schulhofrüpel” zur Wehr setzen. Kurzum, Alanna ist die ideale Identifikationsfigur für Mädchen, die schon immer davon geträumt haben, Abenteuer als Pirat, Räuber, Indianer oder eben Ritter zu erleben. Sie wirkt so authentisch, weil sie gerade kein “Supermädchen” ist, dem alles leicht fällt. Als Alanna in die Pubertät kommt, fällt es ihr schwer zu akzeptieren, daß sich ihr Körper verändert. Sie wird von Selbstzweifeln geplagt, nie ist sie sich sicher, ob sie all die Aufgaben bewältigen kann, die ihr gestellt werden und sie muß erst lernen, daß sie ihre Freunde nicht nachahmen muß, um von ihnen gemocht zu werden. Sie darf sein, wie sie ist.
Alanna ist beherzt, tapfer und geradeheraus, sie besitzt Durchhaltevermögen und einen starken Willen. Diese Charaktereigenschaften braucht sie auch, denn sonst hätte sie nicht die geringste Chance gegen den Tod, der ihr immer wieder in verschiedenen Formen begegnet. Auch alle anderen Protagonisten sind individuell gezeichnet. Natürlich gibt es “die Guten”, “die Bösen” und “den Zwielichtigen”, aber Tamora Pierce gelingt es ganz ausgezeichnet, lebendige Menschen darzustellen und bedient sich nicht flacher Stereotypen, die einem so oft das Lesen von Fantasyromanen verleiden. Die Handlung ist logisch und schlüssig motiviert. Der Einsatz von Magie scheint vollkommen natürlich zu sein und wirkt nicht aufgesetzt. Nie hat man bei diesem Roman das Gefühl, Tamora Pierce bediene sich der Zauberei, weil sie sonst nicht wüßte, wie sie ihre Helden aus einer gefährlichen Situation befreien oder in ein Abenteuer stürzen sollte.
Gedacht für Leser ab zwölf Jahren.

Cover des Buches "Im Bann der Göttin" von Tamore PierceAlanna ist mittlerweile vierzehn Jahre alt und Prinz Jonathans Knappe. Im Wald trifft sie auf eine Dame, die ihr auf den Kopf zusagt, sie fürchte sich vor der Ritterprüfung, vor der Liebe und vor Herzog Roger von Conté. Genau diesen Ängsten muss Alanna sich in Im Bann der Göttin stellen. Sie muss in einen Krieg ziehen und zahlreiche andere Gefahren bedrohen ihr Leben.

-Die Reiterin mit dem kupferfarbenen Haar sah zum dunklen Himmel empor und fluchte. Gleich würde das Gewitter losbrechen und dabei gab es weit und breit keinen Unterschlupf.-
1 Die Dame im Wald

Auch im zweiten Band ist Alanna das beherzte, geradlinige und entschlossene Mädchen, das es Leserinnen jeden Alters leicht macht, sich mit ihr zu identifizieren. Jedoch im Gegensatz zu Die Schwarze Stadt geht hier alles etwas glatter vor sich und Tamora Pierce verwendet offensichtlicher die alte “Fantasy-Strategie” Gefahr, Rettung, neue Gefahr, wieder Rettung und so weiter bis zum glücklichen Ende. Je älter der Leser ist, um so weniger hat er das Gefühl, dass Alanna wirklich ernsthaft bedroht ist. Besonders die Episode, die im Krieg spielt, wird zu rasch und zu einfach aufgelöst.
Gleich zu Beginn erfährt man, dass Alannas Vater gestorben ist. Damit fällt ein Handlungsstrang weg, der ein reizvolles Konfliktpotential geboten hätte. Und um der Spannung willen, hätte Tamora Pierce dem Herzog von Conté etwas mehr Erfolg bei seinen Übeltaten gönnen können.
Bedauerlich ist auch, dass Alanna kaum noch von Selbstzweifeln geplagt wird. Gerade, dass sie sich so oft selbst in Frage gestellt hat, hat Alannas Charakter im ersten Band so viel Individualität und Persönlichkeit verliehen. Nun drehen sich ihre Selbstzweifel hauptsächlich darum, ob sie sich der Liebe hingeben soll und wenn ja, mit wem: Mit Prinz Jonathan oder mit Georg, König der Diebe? Glücklicherweise hat Tamora Pierce es vermieden, die Handlung in eine kitschige Liebesgeschichte abdriften zu lassen. Die Emotionen aller Protagonisten sind stimmig und die Autorin verzichtet auf jegliche Gefühlsduselei.
Trotz der kleinen Schönheitsfehler gehört Im Bann der Göttin zu den besten Fantasyromanen im Jugendbereich, auch wenn der Titel wieder einmal nicht glücklich gewählt ist. Es ist ein profunder Unterschied ob man sich im Bann eines Gottes befindet oder ob man -wie es der Originaltitel sagt- in der Hand (eines) Gottes ist, der zweite Begriff impliziert im Gegensatz zum ersten Schutz und Geborgenheit. Und genau das trifft auf diese Geschichte zu. Alanna besteht ihre Abenteuer u.a. so glücklich, weil die Muttergöttin sie schützt und ihr hilft.