Die junge Sklavin Su’uan schafft es eines Nachts, aus der Sklaverei des Kriegsherrn Karl Ir Donwayne zu fliehen, der sie vergewaltigt hat und für den abscheulichen Tod ihrer Mutter verantwortlich ist. Auf ihrer Flucht wird sie von blutrünstigen Sklavenhunden verfolgt und der Tod scheint ihr sicher, als ihr plötzlich ein riesiger schwarzer Vogel zu Hilfe kommt, der die Hunde in die Flucht schlägt. Der Gefahr entronnen, gerät sie jedoch schon wenige Stunden später erneut in Gefangenschaft, bis sie schließlich in die Hände einer Horde von Kriegern und Dieben fällt, unter denen sich der Magier Spellbinder befindet. Dieser eröffnet Su’uan, dass sie Raven ist, die auserwählte Kriegerin, die das Chaos bringen und die Welt verändern wird.
– Das Mädchen duckte sich auf die mondbeschienene Sandfläche und lauschte dem Kläffen der Sklavenhunde. Das unterirdische Heulen schien sich dem angestrengten Heben und Senken ihrer Brüste anzupassen, die sich gegen den fadenscheinigen Stoff ihres Gewandes wölbten. –
Kapitel 1, S.12
Nun, um es auf den Punkt zu bringen: dieser Klassiker wird seinem Cover gerecht. Man stelle sich eine junge Frau vor, um nicht zu sagen ein Mädchen, das gerade vergewaltigt wurde, deren Mutter regelrecht zu Tode ge… ja… wie drückt man das jetzt jugendfrei aus? Sie wurde von derart vielen Soldaten nacheinander genommen, wie es in dem Buch alle Nase lang heißt, bis sie dabei, vermutlich vor Erschöpfung, gestorben ist.
Selbiges Mädchen flüchtet also nun in die Wüste, wo sie von einem neuen Sklavenhändler gefunden wird, der, welch Überraschung, ihr gerne an die Wäsche will. Glück im Unglück, wird sie vorher von einer Karawane Gesetzloser gefunden, deren Anführer, nochmal Überraschung, ihr an die Wäsche will. Bevor dieser soweit kommt, eilt der Held herbei und erklärt, dieses Mädchen sei nicht dazu bestimmt (jetzt kommt es wieder) genommen zu werden. Na, wenn das mal vorher einer gesagt hätte!
Besagter Held ist seines Zeichens Magier und belegt die junge Dame mit einem Zauber, der sie die vergangenen Erlebnisse zunächst vergessen lässt, damit sie sich voll auf ihre Ausbildung zur Schwertmeisterin konzentrieren kann. Daraufhin verschwindet er. Ein Jahr später taucht er wieder auf und mit ihm auch die Erinnerungen unserer Heldin. Man halte nun mal kurz fest: Ihre Erinnerungen sind gerade derart frisch, als wäre ihre Schändung erst wenige Tage zuvor passiert, trotzdem entdeckt sie plötzlich ihre unstillbare Libido, springt in des Helden Bett und hat auch gleich (Zitat:) die Leidenschaft von zehn Frauen, die sie im Verlaufe des Buches immer wieder einbringt. Es geht hier um 180 Seiten, auf denen es zu zwei Drittel nur um ihre oder die Wollust anderer geht.
Im großen und ganzen kann man sich über Raven die Schwertmeisterin (Raven Swordsmistress of Chaos) herrlich kaputt lachen und amüsieren. Spätestens, als sie auch noch ihre Lust auf das eigene Geschlecht entdeckt, ist so ziemlich alles an erotischen Klischees bedient, was man sich vorstellen kann. Von dem eher intelligent-mächtigen Zauberer, über den nicht ganz so intelligenten, aber dafür sehr muskulösen und tatkräftigen Piraten, bis hin zur sinnlichen Königin, die sich vor Begierde nach unserer Heldin kaum gerade auf den Beinen halten kann.
Hin und wieder wird das romantische Treiben unterbrochen von einer Reise, einer Suche oder auch mal einem Schwertkampf. Am Ende darf die Heldin sogar ihrem ursprünglichen Peiniger Karl Ir Donwayne mit dem Schwert gegenüber treten. Wie das ausgeht, sei an dieser Stelle natürlich nicht verraten, nur so viel: es fallen eine Menge Kleider.
Sprachlich ist der Roman solide geschrieben, der Weltenbau ist zwar bei den wenigen Seiten nicht umfangreich, jedoch gut genug auf den Punkt gebracht, so dass man sich alles bildlich vorstellen kann, die Charaktere wirken zwar teilweise stark konstruiert, dabei aber wenigstens geradlinig. Inhaltlich ist es eine einfache Queste nach bekannten Schemata. Heldin wird geboren, Bösewicht taucht auf, ein magischer Gegenstand muss zu seiner Bekämpfung gefunden werden, Showdown. Einzig der Sinn der Handlung wollte sich nicht ganz erschließen lassen. Da hatte es den Eindruck, man brauchte noch etwas Fantasy um das erotische Geplänkel herum. Letzteres stellt dann auch das große Manko des Romans dar. Das zeigt allzu deutlich, dass Raven von einem Mann konzipiert wurde. Eigentlich waren das in diesem ersten Band sogar zwei Männer (Robert Holdstock und Angus Wells), die in den Folgebänden abwechselnd unter dem gemeinsamen Pseudonym Richard Kirk an den Raven-Romanen geschrieben haben. Das ganze ist auch eher ein feuchter Männertraum als die Geschichte einer starken Heldin. Selbstbewusst und emanzipiert wie Raven sein soll, ist sie eigentlich keines von beidem, denn am Ende verhält sie sich genauso, wie es sich für eine stereotype weibliche Heldin gehört.
Leider ist Raven die Schwertmeisterin damit auch ein deutliches Beispiel dafür, weshalb dieses Genre dauernd als Schmuddelgenre beschimpft wird.
Wer also gerne einen klassischen Roman lesen möchte, bei dem es auch immer wieder um das Eine geht, der wird an Raven sicher seine Freude haben. Wem es gefällt, der kann sich auf vier weitere, in sich abgeschlossenen Bände mit entsprechend spannenden Coverbildern freuen. Ein Sammelband aller fünf Geschichten ist ebenfalls erschienen.