Autor: Sullivan@Michael J.

Avempartha von Michael J. SullivanDie naive Bauerntochter Thrace bittet Hadrian und Royce um Beistand: Ihr Dorf wird von einem Ungeheuer heimgesucht, dessen nächtliche Angriffe schon zahlreiche Menschenleben gefordert haben. Die einzige Waffe, mit der es besiegt werden kann, soll in der verlassenen Elfenfestung Avempartha verborgen sein – doch dorthin ist seit Jahrhunderten niemand mehr vorgedrungen. Schnell stellt sich heraus, dass hinter dem Hilferuf in Wahrheit der Zauberer Esrahaddon steckt, der eigene Gründe hat, nach Avempartha gelangen zu wollen. Aber auch die Kirchenoberen haben Interesse an den Vorgängen und gedenken, sie im Sinne ihrer Machtambitionen auszuschlachten …

– They stood very near the ridge of the cataract and could see the white mist rising from the abrupt drop like a fog. Out in the middle of the river, at the edge of the falls, a massive shelf of bedrock jutted out like the prow of a mighty ship that ran aground just before toppling over the precipice. On this fearsome pedestal rose the citadel of Avempartha. –
(Chapter 5 – The Citadel)

Michael J. Sullivans Konzept, seine epische Geschichte in mehreren in sich abgeschlossenen Episoden zu erzählen, geht auf: Avempartha hat zwar seine Schwächen, aber es sind nicht die eines klassischen Übergangsbands. Das Abenteuer um den Kampf gegen den drachenähnlichen Gilarabrywn funktioniert durchaus auch als Einzelbuch, obwohl natürlich einige Handlungsstränge aus The Crown Conspiracy ihre Fortsetzung finden. Manch ein Rückbezug bringt einen dabei zum Schmunzeln (so entdecken die Helden etwa ein Theaterplakat, das ein Stück über ihre im Eingangsband der Reihe geschilderten dramatischen Erlebnisse anpreist).

Ein Übermaß an Originalität darf man auf der Plotebene nicht erwarten. Es kommen wieder zahlreiche altbekannte literarische Motive zum Einsatz, allen voran der Herrschaftserwerb im Drachenkampf, wobei dieses Element recht gelungen mit der ebenfalls gängigen Vorstellung verknüpft ist, dass die Überwindung eines Ungeheuers Heiligkeit und Gottesnähe beweist. Auch die klassische Entführung (mehr als) einer damsel in distress durch den Drachen darf natürlich nicht fehlen, nimmt aber immerhin eine ganz erfrischende Wendung. Für den Leser amüsant ist die innerhalb der Geschichte eher beklemmende Tatsache, dass die schurkischen Kirchenleute mit solchen Erzählkonventionen bestens vertraut sind und sie zu ihren Gunsten auszunutzen verstehen.

Die Antagonisten sind jedoch nicht die einzigen, die in Avempartha an Profil gewinnen. Sullivan entwickelt seine Charaktere nach wie vor mit viel Verständnis und gelegentlich auch mit unterschwelligem Humor. Besonders der ambivalent gezeichnete Zauberer Esrahaddon ist mit seinem fortdauernden Kampf gegen die Tücken der modernen Sprache und seiner Selbstironie für einige Lacher gut. Manch eine Entwicklung kommt nicht weiter überraschend (so ahnt man z.B. schon seit dem ersten Band, worin Royces hier enthülltes großes Geheimnis besteht), aber die lockeren Frotzeleien des Heldenduos und die unbedarfte Entschlossenheit, mit der die rebellische Prinzessin Arista wieder einmal durch jedes Klischee stiefelt, sind so unterhaltsam, dass man ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit gern in Kauf nimmt.

Auch der Weltenbau ist vertrauten Mustern verhaftet: Sullivan schildert weiterhin ein typisches Pseudomittelalter. Vor allem die seit Jahrhunderten versiegelte Elfenfestung Avempartha bietet genau das, was man von einem solchen Gebäude erwartet, von wundersamen Artefakten über magische Kraftorte bis hin zu düsteren Spuren älterer und neuerer Tragödien. Was allzu gewohnt und daher langweilig sein könnte, funktioniert erstaunlich gut, denn wie im Falle der Figuren gelingt es dem Autor, einen emotional anzusprechen und eine Art nostalgisches Lesegefühl zu erzeugen, das eher von erfüllten Erwartungen als von ihrer heute schon allgegenwärtigen ironischen Brechung getragen wird.

Störend sind allerdings die zahlreichen Tippfehler, die sich eingeschlichen haben; gerade bei einem für Fantasyverhältnisse recht kurzen Roman in überwiegend schnörkelloser Sprache sollte man eigentlich annehmen dürfen, dass das Korrekturlesen nicht zu viel Mühe bereitet und dementsprechend gründlich erfolgt.

The Crown Conspiracy von Martin J. SullivanAls die Meisterdiebe Royce Melborn und Hadrian Blackwater den Auftrag erhalten, ein magisches Schwert aus der Königsburg zu stehlen, ahnen sie nicht, dass sie nur als Sündenböcke für ein weit schlimmeres Verbrechen missbraucht werden sollen. Der König wird erdolcht, und die am Tatort aufgegriffenen Einbrecher finden sich rasch als vermeintliche Mörder im Kerker wieder. Ein qualvolle Hinrichtung scheint unausweichlich, doch da macht Arista, die Tochter des Ermordeten, den beiden ein unerwartetes Angebot: Sie will ihnen zur Flucht verhelfen, wenn sie im Gegenzug ihren Bruder, den auf seine neue Aufgabe nur schlecht vorbereiteten Thronfolger Alric, entführen …

– By architectural standards, or any other measures, Ballentyne Castle was unremarkable and ordinary in every respect. No great king or hero ever called the castle home. Nor was it the site of any legend, ghost story, or battle. Instead, it was the perfect example of mediocrity and the mundane. –
Chapter 1 – Stolen Letters

Es ist beim besten Willen keine hohe Literatur, was Michael J. Sullivan in The Crown Conspiracy bietet, sondern recht simple Abenteuerfantasy, die bewährten Schemata verhaftet ist und in der man gesunden Menschenverstand bei den Figuren, Realismus oder konsequente Logik oft vergeblich sucht. Dementsprechend wenig überraschend entwickelt sich auch der Plot um das nolens volens in die Machtkämpfe eines kleinen Königreichs hineingezogene Gaunerduo, das in seiner Gegensätzlichkeit ebenso dem Klischee entspricht wie die meisten anderen Charaktere. Unreife Kronprinzen, exzentrische Zauberer, weltfremde Mönche, korrupte Priester, opportunistische bis ritterliche Adlige und Huren mit goldenem Herzen gehören nun einmal zum Standardinventar einer bestimmten Form von Fantasy und werden hier nicht etwa ironisiert, sondern mit der fast naiven Ernsthaftigkeit zum Einsatz gebracht, die dem Genre in den letzten Jahren eigentlich verloren gegangen ist. Der Einfachheit des Inhalts entspricht die fast durchgehend schnörkellose Sprache, die auch Lesern, die sich nur selten an englische Originaltexte wagen, keine großen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Auch der Weltenbau enthält viel Althergebrachtes: Die Helden bewegen sich durch eine wenig originelle Topographie aus Städten, Burgen und Landgebieten mit dem ein oder anderen architektonischen Überbleibsel einer glorreicheren Vergangenheit, die zur Handlungszeit natürlich bereits einem klassischen Pseudomittelalter gewichen ist, in dem eine vage an das Christentum angelehnte, gespaltene Kirche und unterschiedliche politische Parteiungen teilweise auch länderübergreifend um Einfluss ringen. Neben Menschen sind Elfen und Zwerge zu finden, und auch die Magie folgt gewohnten Mustern.

Am Rande sind in dieser erst sehr derivativ anmutenden Kulisse allerdings durchaus interessante Ideen versteckt: So gestaltet sich etwa die Kommunikation mit einem seit Jahrhunderten in einem magischen Gefängnis schmachtenden Zauberer schon aus dem Grunde schwierig, dass er selbst nach Lehrstunden in moderner Sprache immer noch ungefähr so klingt, als würde Yoda sich auf Mittelenglisch zu äußern versuchen, und sich nur zähneknirschend bereiterklärt, an seiner Ausdrucksweise zu arbeiten.

Während dies sich noch vor allem amüsant liest, werden unversehens auch ernstere Themen präsentiert: Die Elfen sind nach langer Unterdrückung und Versklavung durch die Menschen zu einer marginalisierten Randgruppe heruntergekommen, deren besondere Fähigkeiten zwischen Armut und Alkoholmissbrauch kaum noch zur Entfaltung gelangen. Wenn Sullivan an ihrem Beispiel alltäglichen Rassismus schildert, beweist er eine Feinfühligkeit, mit der man zwischen all den munteren Abenteuern und flotten Sprüchen nicht rechnet, die aber auch in manchen anderen Szenen plötzlich aufscheint (etwa im schwierigen Abschied eines schon im Kindesalter ins Kloster gesteckten Mannes von dieser einzigen ihm vertrauten Heimat).

Solche Momente und die spürbare Sympathie des Autors für seine in all ihrer Gewöhnlichkeit doch irgendwie ziemlich liebenswerten Helden ziehen einen fast wider Willen in die Geschichte und sorgen dafür, dass nach dem Ende der Lektüre mehr hängen bleibt, als man es diesem Roman eigentlich zutraut. Abseits hoher Ansprüche und neuer Trends im Genre entfaltet The Crown Conspiracy einen gewissen nostalgischen Charme, der einen über die unleugbaren Schwächen hinwegtröstet und den Roman zur guilty pleasure macht, wobei man guilty vielleicht groß schreiben sollte – doch das hätte ein Buch, das so erkennbar gut gemeint ist, nun auch wieder nicht verdient.

The Emerald Storm von Michael J. SullivanKönig Alric wird ein Brief zugespielt, aus dem hervorgeht, dass für den Kriegserfolg des feindlichen Kaiserreichs die geheime Mission des Schiffs Emerald Storm von entscheidender Bedeutung ist. Obwohl Royce, dessen Hochzeit unmittelbar bevorsteht, und der mit einer privaten Queste beschäftigte Hadrian eigentlich andere Pläne haben, lassen sie sich breitschlagen, die Fahrt als Seeleute getarnt mitzumachen, um mehr herauszufinden. Doch diesmal hat Royces Erzfeind Merrick Marius die Hand im Spiel, und das droht nicht nur den beiden Gaunern zum Verhängnis zu werden, sondern auch Prinzessin Arista zu gefährden, die mittlerweile auf eigene Faust nach dem gefangenen Rebellen Degan Gaunt sucht …

– “Why does this always happen?“ Royce asked. “Why are we always hanging on a wall waiting to die by slow vivisection? I just want to point out that this was your idea – again.“ –
(Chapter 25 – Invasion)

The Emerald Storm ist in mehrerlei Hinsicht der bisher schwächste Roman der Riyria Revelations.  Zum Teil hängt das sicher damit zusammen, dass Michael J. Sullivan an dieser Stelle in der übergreifenden Geschichte schon zu weit vorangekommen ist, um sie noch sinnvoll mit seinem eigentlich angestrebten Konzept der in sich abgeschlossenen Einzelepisode verbinden zu können: Er muss sein Figurenensemble erkennbar für die beiden abschließenden Bände der Serie in Stellung bringen und immerhin einige der bisher aufgeworfenen Sachfragen klären.

Die Konzentration darauf geht zulasten der Handlung. Der Paukenschlag, mit dem sie einsetzt, als gleich im ersten Kapitel eine zentrale Gestalt einem Attentat zum Opfer fällt, täuscht: Was folgt, ist streckenweise nichts als eine mehr oder minder übersteigerte Wiederholung von Elementen der vergangenen Bände. Besonders Aristas Erlebnisse – ein riskanter Alleingang, das Hineinwachsen in die eigenen magischen Fähigkeiten und eine tragisch endende Beziehung zu einem nicht standesgemäßen Mann – wärmen fast exakt das wieder auf, was schon in Nyphron Rising geschildert wurde. Doch auch Hadrian und Royce ergeht es kaum besser. Zwar ist ihr Handlungsstrang auf den ersten Blick komplexer aufgebaut, doch im Grunde wiederholt sich auch hier ein vertrautes Schema.

Wie zum Ausgleich für das, was das Grundgerüst des Plots nicht bieten kann, zwängt Sullivan eine Überfülle von Einzelabenteuern häufig exotischer Prägung in diesen einen Band. Von einem Seegefecht über eine Dschungelexpedition und Begegnungen mit klischeebefrachteten Eingeborenen (die zu allem Elend auch noch mit ausgeschriebenem Akzent sprechen) bis hin zu einem aufgezwungenen Gladiatorenkampf ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

In der Summe ist das etwas zu viel des Guten. Gerade die Szenen auf dem titelgebenden Schiff wirken wie ein Fremdkörper in dem vagen Pseudomittelalter, das Royce und Hadrian gewöhnlich durchstreifen. Sullivan schildert Schiffstypen, Kommandostrukturen und Segelmanöver, die eher im 18. bis 19. Jahrhundert zu verorten wären, und wenn auch in einer Fantasywelt per definitionem keine echten Anachronismen möglich sind, werden doch die falschen Assoziationen wachgerufen. Dass Sullivan diesen unvereinbaren Kontrast beabsichtigt hat, ist kaum anzunehmen, und es bleibt ein unfreiwillig merkwürdiges Leseerlebnis, wenn die seekranken Helden sich in eine Mannschaft in bester Age-of-Sail-Tradition einzufügen versuchen, während unter Deck eine Mischung aus Tempelritter und Inquisitor Folter- und Mordgelüste an gefangenen Elfen auslebt.

Das amüsante bis anrührende Zusammenspiel der beiden Protagonisten funktioniert allerdings immer noch, und spätestens, als ein sehr heterogener Trupp von der Emerald Storm in den Dschungel aufbricht, gelingt es Sullivan auch, eine durchaus interessante Gruppendynamik herzustellen. Über einen Mangel an Action kann man sich ebenfalls nicht beklagen, und so ist das Buch insgesamt nicht ohne Unterhaltungswert – nur eben ganz gewiss nicht mehr als die Summe seiner Teile.

Nyphron Rising von Michael J. SullivanObwohl die Gauner Royce und Hadrian seit einiger Zeit als Spione für König Alric ein gesichertes Auskommen haben, ist Hadrian nicht zufrieden: Es belastet ihn, dass seine Taten immer wieder auch Unschuldige in Mitleidenschaft ziehen, und er ahnt, dass Royce ihm wichtige Dinge verschweigt. Eigentlich möchte er die langjährige Partnerschaft so bald wie möglich beenden, lässt  sich dann aber doch überreden, einen letzten Auftrag anzunehmen. Gemeinsam mit Royce soll er Prinzessin Arista helfen, sich heimlich mit dem Rebellenführer Degan Gaunt zu treffen, der ihrem Bruder im Krieg gegen das aufstrebende Kaiserreich ein wichtiger Verbündeter sein könnte…

– He always feared he would die this way, alone on a remote stretch of road far from home. The forest pressed close from both sides, and his trained eyes recognized that the debris barring his path was not the innocent result of a weakened tree. He pulled on the reins, forcing his horse’s head down. She snorted in frustration, fighting the bit – like him, she sensed danger. –
(Chapter 2 – The Messenger)

Auch im dritten Band seiner Riyria Revelations bietet Michael J. Sullivan Fantasy klassischer Prägung: Ein kleines Land muss sich der Bedrohung durch ein expandierendes Reich erwehren, und von finsteren Kirchenmännern über geheimnisvolle Magier bis hin zu den Mitgliedern einer wohlorganisierten Diebesgilde mischt so gut wie jeder Figurentypus mit, der einem in einem abenteuerlichen Roman schon einmal begegnet ist. Mancher Handlungsstrang weist denn auch dementsprechend viele vorhersehbare Wendungen auf. Wenn etwa Arista aus ihrem behüteten höfischen Leben auf eine strapaziöse Queste und unter das einfache Volk gerät, kann man beinahe eine Strichliste der klischeehaften Erlebnisse führen. Ebenso wenig wird es einen erfahrenen Fantasyleser überraschen, dass der mit seinem Ganovendasein hadernde Hadrian vom Schicksal zu Höherem bestimmt ist.

Ohnehin gewinnen in Nyphron Rising bandübergreifende Entwicklungen an Bedeutung, obwohl auch hier eine handlungsmäßig mehr oder minder in sich abgeschlossene Episode erzählt wird. Neben der schon seit The Crown Conspiracy im Hintergrund präsenten Geschichte um den verschollenen wahren Erben des Kaiserreichs nimmt diesmal vor allem die Vergangenheit der beiden Helden breiten Raum ein. Beide müssen sich unwillkommenen Erinnerungen stellen und erkennen, dass eigentlich schon vergessen Geglaubtes auch ihre Zukunft prägen wird: So erfährt Royce, dass ein alter Erzfeind es abermals auf ihn abgesehen hat, während Hadrian sich mit einer ererbten Verantwortung konfrontiert sieht, der er sich nicht entziehen kann und will.

Dem Weltenbau tut diese Erweiterung des Blickwinkels gut. Man lernt nicht nur eine ganze Anzahl neuer Schauplätze kennen (darunter Hadrians Heimatdorf, das mit seinen freien und unfreien Bewohnern und dem Kompetenzgerangel verschiedener Instanzen der Obrigkeit erstaunlich überzeugende pseudomittelalterliche Verhältnisse bietet), sondern erfährt auch mehr als bisher über die Funktionsweise der Magie und die politische Großwetterlage.

Sympathisch ist einem auch in diesem Band, dass Sullivan aufrichtig bestrebt zu sein scheint, seinen Protagonisten eine glaubwürdige Gefühlswelt zu verleihen. Gelegentlich bewegt sich das hart an der Grenze zum Kitsch (wenn etwa Royce, der sonst gern den harten Burschen spielt, sich vom Leid eines Straßenjungen, das ihn an seine eigene Kindheit gemahnt, zu Tränen rühren lässt), aber gerade in einem Genre, in das in den letzten Jahren vielfach ein gewisser Zynismus Einzug gehalten hat, liest es sich eigentlich durchaus angenehm, wenn menschliche Ängste, Sehnsüchte und Hoffnungen ernst genommen werden, und sei es auch in etwas simpler Form.

Obwohl Sullivan also weiterhin ebenso ungekünstelt wie unbedarft an manche Belange herangeht, sind in Nyphron Rising einige Kinderkrankheiten des ersten Bandes überwunden. Manch ein schreibtechnisches Detail ist mittlerweile routinierter gelöst als zu Beginn der Serie. Nobelpreisverdächtige Prosa darf man freilich weiterhin nicht erwarten, aber immerhin einen soliden Roman, der viel Vergnügen bereitet, wenn man mit altbewährten Erzählmustern und dem liebevoll ausgearbeiteten Heldengespann etwas anfangen kann.

Percepliquis von Michael J. Sullivan

Die Invasion eines eroberungslustigen Elfenheers, dem nichts und niemand etwas entgegensetzen kann, trifft die Menschenwelt vollkommen unvorbereitet, und bald ist auch das mächtige Kaiserreich in seiner Existenz bedroht. Nur ein sagenumwobenes Horn, das in der versunkenen Stadt Percepliquis verborgen sein soll, kann die Elfen angeblich aufhalten, aber bisher hatte keine Expedition in die Ruinen Erfolg. Die Magierin Arista macht sich mit einer kleinen Schar von Gefährten auf die Suche nach dem rettenden Artefakt, doch bald drohen nicht nur äußere Feinde, sondern auch Spannungen innerhalb der Gruppe die Mission zum Scheitern zu bringen …

– “The elves have crossed the Nidwalden River,“ Julian announced to the crowd. His voice fought against the wind that viciously fluttered the flags and banners. He walked gingerly, placing his feet upon the frozen ground as if it might be pulled out from beneath him. The old man’s stately robes snapped about him like living things, his cap threatening to fly off. “They’ve invaded and taken all of Dunmore and Ghent.“ He paused, looked at King Alric, took a breath, and said, “And Melengar.“ –
(Chapter 2 – Nightmares)

Michael J. Sullivan beschließt seine Riyria Revelations mit einer klassischen Questengeschichte, die alle, aber auch wirklich alle, Elemente enthält, die man von solch einem Plot erwartet, von der scheinbar unausweichlichen militärischen Niederlage über die bunt zusammengewürfelte Heldentruppe und das legendäre magische Artefakt bis hin zum Auserwählten, der als einziger der dunklen Bedrohung wirksam entgegentreten kann.

Wie auch schon in den anderen Bänden ist nicht nur auf der Motivebene überdeutlich zu erkennen, wo Sullivan sich seine Inspiration gesucht hat. So kann etwa die unterirdische Ruinenstadt Percepliquis, die über weite Strecken den hauptsächlichen Handlungsort bildet, Anklänge an Tolkiens Moria nicht verleugnen, und dass in einem Grab mit hohem Wiedererkennungswert, das die Helden erkunden, dann doch nicht Tutanchamun liegt, dürfte jeden historisch halbwegs interessierten Leser aufrichtig überraschen.

Und dennoch: Die Mischung aus viel Altvertrautem und einigen netten eigenen Ideen funktioniert und kann in manchen Szenen mit durchaus atmosphärischen Schilderungen überzeugen,  so etwa, wenn die in einem behelfsmäßigen Unterschlupf auf die Rückkehr ihrer Herren wartenden Pferdeburschen der Helden von einem plötzlichen Wintereinbruch überrascht werden und man beim Lesen fast den Eindruck erhält, die Kälte selbst spüren zu können.

Vor allem aber kann Sullivan dank der zur Weltrettung ausziehenden Gefährten auf eine seiner größten Begabungen zurückgreifen und eine interessante Gruppendynamik entwerfen. Die Verschiebungen, die sich Stück für Stück im Beziehungsgeflecht zwischen den Protagonisten ergeben, lassen einen auch dann noch mit Neugier weiterlesen, wenn man bemerkt, dass einem der eigentliche Plot so oder so ähnlich schon dutzendfach begegnet ist. Zum Vergnügen an der Lektüre trägt auch bei, dass allerlei gelungene Nebenfiguren, deren große Auftritte bisher auf die verschiedenen Bände verteilt waren, hier zusammengeführt werden und noch einmal glänzen dürfen, etwa der seit dem ersten Teil der Serie sträflich vernachlässigte Mönch Myron, den seine Mischung aus Naivität und erstaunlicher Intelligenz oft zu amüsantem bis anrührendem Querdenken befähigt.

Das Talent, sich eigentlich sattsam bekannten Themen aus ungewohnten Perspektiven zu nähern, hat er dabei mit seinem Autor gemein. So spielt Sullivan beispielsweise genüsslich gleich an zwei verschiedenen Personen durch, welche teils komischen, teils tragischen Auswirkungen es wohl haben könnte, wenn der in der Fantasy weit verbreitete, unerkannt im einfachen Volk aufgewachsene Thronerbe gerade aufgrund seiner Biographie für die ihm zugedachte Aufgabe denkbar ungeeignet ist. Auch die ungewöhnliche Verwendung, die ein magisch erzeugter Wächterdrache erfährt, ist kreativ und zeugt von einigem Humor.

Gewiss, ein wenig Toleranz für Kitsch muss man vor allem gegen Ende durchaus mitbringen, ebenso wie die Bereitschaft, sich auf einige gar zu gewollte Wendungen einzulassen (insbesondere auch, was Sullivans Neigung betrifft, mit quasi unübersetzbaren vorausdeutenden Wortspielen zu arbeiten). Doch vielleicht sollte man Sullivan eher an dem Anspruch messen, den er selbst in seinem Nachwort formuliert: I wrote these books, because in our jaded, embittered world that is so eager to denounce happiness and happily-ever-after as a myth, such tales are rare, and yet are exactly the type of stories that I think are worth telling. Und eine Geschichte mit fast nostalgischem Wohlfühlfaktor und genau jenen Stärken zu erzählen, die vor der Welle des grim&gritty und der allgegenwärtigen Ironisierung viel zum Charme des Fantasygenres beigetragen haben, ist ihm voll und ganz gelungen.

Wintertide von Michael J. SullivanDas nahende Winterfest soll der schurkischen Regentenclique des Kaiserreichs dazu dienen, ihren Triumph gebührend zu feiern: Der militärische Sieg über die letzten Widerständler ist in greifbare Nähe gerückt, die machtlose junge Kaiserin sieht einer Zwangsheirat mit einem politisch verlässlichen Mann entgegen, die unbequeme Prinzessin Arista und der Rebellenführer Degan Gaunt schmachten gebrochen im Kerker und Hadrian, der sie zu befreien versucht, wird prompt erkannt und zur Kollaboration erpresst. Um zumindest ihn retten zu können, lässt Royce sich widerstrebend auf einen riskanten Handel mit seinem Erzfeind Merrick Marius ein…

– Royce stood at the edge of the forest trying to decide between the road and the more direct route through the trees. Snow started to fall again, and the wind swept the flakes at an angle. The white curtain muted colors, turning the world a hazy gray. The thief flexed his hands. He had lost feeling in his fingers again. In his haste to find Gwen, he had once more neglected to purchase winter gloves.–
Chapter 5 – Footprints in the Snow

Mit Wintertide gelingt es Michael J. Sullivan nur teilweise, nach dem eher schwachen Vorgängerband The Emerald Storm zum ursprünglich hohen Unterhaltungswert seiner Serie zurückzufinden. Bedauerlich ist vor allem, dass er dem Plot eine der größten Stärken der Reihe opfert: Dadurch, dass Hadrian und Royce hier überwiegend getrennt agieren, fällt ihr freundschaftliches Geplänkel weg, das die Atmosphäre bisher entscheidend geprägt hat. Mit der über weite Strecken hilflos im Verlies dahinvegetierenden Arista ist auch die dritte zentrale Gestalt daran gehindert, für eine Kontinuität der gewohnten Elemente zu sorgen. Die neu eingeführten Charaktere – so etwa der Straßenjunge Mince und der edle Ritter Sir Breckton – bleiben typenhaft und werden oft in sehr generischen Situationen präsentiert, die auch den Weltenbau bestimmen.

Da das Setting in sich schlüssiger als im vierten Band wirkt, möchte man zunächst noch vermuten, dass die Rückkehr an vertraute Schauplätze wie die Kaiserstadt Aquesta dem Buch durchaus gut tut. Bald aber stellt sich ein gewisser Verdruss darüber ein, dass Sullivan den Kaiserhof samt Ritterturnier, Tafelfreuden, Falkenjagd und Schachbegeisterung etwas zu oberlehrerhaft schildert. Mit Hadrian und der aus einfachen Verhältnissen zur Sekretärin der Kaiserin aufgestiegenen Amilia sind zwei Figuren vorhanden, deren Unvertrautheit mit den Sitten und Gebräuchen ihrer neuen Umgebung als Vorwand für weitschweifige Erklärungen dient, die versierteren Gesprächspartnern in den Mund gelegt werden. So entsteht eher der Eindruck eines sehr theoretisch angelegten Konstrukts als der einer glaubwürdigen Lebenswirklichkeit. Dass anlässlich eines höfischen Fests auch noch ein paar Liedzeilen auftauchen, die wie eine ungeschickt umformulierte Entlehnung aus Penelope’s Song von Loreena McKennitt klingen, macht die Sache nicht besser. Auch sprachlich holpert der eine oder andere Satz mehr als üblich.

Ihren gewohnten Charme kann die Geschichte nur in einigen kleinen Szenen am Rande entfalten, so etwa, wenn Royce zu seiner Verblüffung erlebt, dass eine schon halb vergessene gute Tat sich für ihn auszahlt. Ähnlich anrührende Momente gibt es auch in der Schilderung der rauen Welt der Straßenkinder, deren harter Überlebenskampf die Suche nach Freundschaft und menschlicher Wärme nicht ausschließt. Die große Rolle, die für die Jungen die alljährliche Schlachtwoche spielt, in der auch für die Ärmsten der Armen etwas abfällt, wirkt dabei fast wie ein Fanal für die Endphase des Romans, in der es für Sullivans Verhältnisse ungewöhnlich blutig zugeht. Zwar sind auch in den anderen Bänden Kämpfe und Morde keine Seltenheit, aber dass hier einer der Helden im Racherausch eher unbedeutende Helfershelfer der Schurken bei lebendigem Leibe zerstückelt, befremdet im Vergleich doch ein wenig.

Ohnehin kommt es in den letzten  paar Kapiteln zu einer Häufung gewaltsamer Todesfälle unter überwiegend schon seit Beginn der Serie relativ wichtigen Figuren. Es wirkt, als wolle der Autor unter dem Personal ebenso aufräumen wie auf der Handlungsebene, denn der Dauerkonflikt der Protagonisten mit den geistlichen und weltlichen Machthabern des Kaiserreichs wird zu einem wenig originellen Ende geführt, so dass der letzte Band sich wohl auf das immer noch ungeklärte Rätsel um den verschollenen Erben Novrons und die damit verbundene, bisher eher diffus angedeutete dunkle Bedrohung konzentrieren wird. Es bleibt abzuwarten, ob daraus ein überzeugendes Finale oder doch nur eine allzu gewollt wirkende Auflösung wird.