Zyklus: Moonworlds Saga@The

Voyage of the Shadowmoon von Sean McMullenAuf dem Kontinent Torea ist ein machthungriger Kaiser auf dem Weg, alle anderen Reiche zu erobern – und er schreckt dazu auch vor dem Gebrauch einer zerstörerischen Waffe nicht zurück.
Zur selben Zeit tingelt das kleine Schiff Shadowmoon durch die Häfen der Küste. Niemand weiß, daß die Mannschaft aus Spionen besteht, die Informationen sammeln – unter anderem über die Waffe des Kaisers Wasrovan. Doch wer wem vertrauen kann und wer für wen arbeitet, ist niemals ganz klar. Die Katastrophe droht bereits über Torea hereinzubrechen, und die Spione und zufällig auf der Shadowmoon gestrandeten Passagiere müssen zusammenarbeiten, um dem verrückten Wasrovan seine Waffe abzunehmen…

-Miral dominated the sky as the deepwater trader docked, an immense green, banded disk at the center of threee scintillating green rings.-
Prologue

Sean McMullen schafft in diesem Roman den Spagat zwischen einer epischen, mitreißenden Handlung und nahezu unglaublicher Komik, die entweder aus absurden Situationen oder aus dem trockenen Humor der Figuren erwächst. Der rote Faden wird allerdings nie dem Witz untergeordnet, auch wenn der Autor sämtliche Gelegenheiten für skurrilen Szenen auskostet.
Schon die Charaktere allein bieten Anlaß für einige Lacher: Da wäre in erster Linie Laron, der einzige Vampir der Welt Verral, der seit Jahrhunderten im Körper eines pickeligen 14jährigen steckt, und der auf seinen Beutezügen immer das Wohl der Menschheit im Auge hat; außerdem der Krieger und Magier Roval, der seine Probleme mit dem anderen Geschlecht am liebsten in Alkohol ertränkt, die erstaunlich resourcenreiche Priesterin Terikel und etliche andere. Der Leser wird in schneller Folge von einem Charakter zum nächsten gejagt und wird dabei Zeuge unglaublicher Abenteuer in schönster Mantel- und Degen-Manier, die nicht selten auf einem äußerst wagemutigen Plan fußen. Der Spaß und die amourösen Episoden kommen dabei keinesfalls zu kurz, dennoch nimmt sich die Handlung im Grunde genommen ernst – auch wenn sie meistens locker und leichtfüßig von einem Punkt zum nächsten hastet, von einem lakonischen Erzählstil geerdet, der Voyage of the Shadowmoon zu einem einzigartigen Vergnügen macht.

Auf den zweiten Blick erscheinen die Zusammenhänge kompliziert und mitunter verwirrend, denn es ist teilweise recht schwer, sich zu merken, wer mit wem gemeinsame Sache macht und was die jeweiligen Charaktere über die anderen wissen. McMullen behält sich auch vor, den Leser mehrmals kräftig zu überraschen, indem er die eigentlichen Ziele einer im Grunde wohlbekannten Figur erst recht spät in der Handlung eröffnet.

Erwähnenswert ist auch die Welt Verral – der Mond eines größeren Planeten – die Magie in rauhen Mengen aufweist und sich noch in jeder Menge anderer exotischer Einzelheiten  von unserer Welt (die übrigens am Rande eine Rolle spielt) unterscheidet. Zahlreiche Orden, Vereinigungen und Reiche bieten Raum für die Spionage-Arbeit der Agenten, denen James Bond wohl nicht das Wasser reichen könnte. Als wäre das alles nicht schon sensationell genug, macht McMullen zu Beginn des Buches etwas, das in Fantasy-Romanen normalerweise immer in letzter Sekunde verhindert wird, und benutzt es als Ausgangspunkt für die Handlung (und beeindruckenden Schauplatz).
Wenn man sich in dieses grandiose Abenteuer auf See, an intrigenreichen Höfen und anderen exotischen Schauplätzen stürzt, wird man feststellen, daß sich wunderbarer Nonsens-Humor und Spannung und bedeutsame Ereignisse nicht gegenseiutig ausschließen; und auch die Charaktere setzen sich im Gedächtnis fest, obwohl sie vordergründig hauptsächlich durch ihre Schrullen zum Leben erweckt werden.

Glass Dragons von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

-Even though the streets of Alberin were being lashed by a rainstorm and the wind was so strong that one could not walk through the gusts in a straight line, the two men who emerged from the mansion were relieved to be outside again.-
Prologue

Ganz ähnlich wie schon im ersten Band der Moonworlds Saga schickt Sean McMullen seine Helden in den Kampf gegen ein außer Kontrolle geratenes magisches Artefakt, dessen Schöpfer an die weitreichenden Folgen ihrer Arbeit keinen Gedanken verschwendet haben. Auch die schwer durchschaubaren Loyalitäten der Helden und ihre teilweise über weite Strecken geheimen Aufträge erinnern an den Vorgänger – von daher betreffen herausragende Neuerungen die Helden selbst. Während wohlbekannte Charaktere aus Voyage of the Shadowmoon als durchaus wichtige Nebenfiguren noch etliche Auftritte erhalten, stellt eine Riege von neuen Protagonisten das Herz und die Seele von Glass Dragons, auch wenn sie ganz bestimmt nicht Herz und Seele sind: Der gutherzige Andry Tennoner, ein einfach gestrickter Seemann, der das Beste aus sich machen will (falls er einmal nüchtern ist) und der intrigante Hofmusiker Wallas, bei dem es ein Euphemismus wäre, ihn als Egoisten zu bezeichnen, sind ein klassisches Slapstick-Duo: Das Schicksal zwingt sie zusammen, und sie lassen keine Gelgenheit aus, sich anzukeifen, auszutricksen, zu schmähen und einander am Erfolg zu hindern.
Besonders in Andrys Entwicklung hat der Autor viel Herzblut gesteckt, und an ihm offenbart sich auch die Eigenheit der Reihe, die man vermutlich entweder hassen oder lieben wird: Andry ist eine realistische, liebevoll gezeichnete Figur mit einer herzzerreißenden Geschichte, die aber von einem Satz zum nächsten zwischen zu Tränen rührend und reinstem Slapstick unter der Gürtellinie pendeln kann. Die gute Nachricht ist, dass McMullen das erzählen kann, ohne der Geschichte ihren tieferen Ernst zu nehmen, aber dennoch ist es gewöhnungsbedürftig, wenn ab und an Beziehungen oder Figuren in einem halben Satz abwürgt werden, weil ein Knalleffekt oder eine Kehrtwendung in der Handlung höheren Stellenwert haben.

Des weiteren gelingt es McMullen, auf den gut 500 Seiten wirklich viel Stoff unterzubringen, was nicht zuletzt an Verral selbst liegt, einer Welt mit einem Überschuß an Magie und einer Vielzahl an Fraktionen und Interessengruppen. Wie man schon im Vorgänger lesen konnte, ist die Magie auf Verral meistens von der megalomanischen Sorte, und der Autor scheut nicht davor zurück, Katastrophen nicht nur anzudrohen, sondern auch hereinbrechen zu lassen. Auch hier stehen schon allein in ihrem Ausmaß äußerst kaltschnäuzige Szenen neben liebenswerten Einschüben, wie etwa der pratchettesken Geschichte der Prostituierten Madame Jilli, deren Ableben eine Diskussion unter diversen Schicksalsmächten auslöst und die daraufhin zu einer resoluten eigenen Macht gelangt. Diese eigenartige Mischung aus turbulenten Szenen und einfühlsamen Charakterbeschreibungen ist gewiss nicht jedermanns Sache.

McMullen unterhält mit alledem aber so hervorragend, dass erst am Ende auffällt, wie zerfahren seine Geschichte eigentlich ist – es wurde im Laufe von Glass Dragons niemals richtig entschieden, ob der Fokus eher auf der weltumspannenden Queste oder den Geschichten der Figuren liegen soll, und da McMullen beides umgesetzt hat, ist die Struktur nicht ganz glatt, dafür aber vielschichtig und überraschend.

Neue Charaktere mit offenen Entwicklungen für den nächsten Band stehen am Ende auch bereit, womit die Moonworlds Saga als Reihe von locker zusammenhängenden, spektakulären Einzelabenteuern in einem aberwitzigen Setting bestens etabliert wäre.