Glass Dragons

Glass Dragons von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

-Even though the streets of Alberin were being lashed by a rainstorm and the wind was so strong that one could not walk through the gusts in a straight line, the two men who emerged from the mansion were relieved to be outside again.-
Prologue

Ganz ähnlich wie schon im ersten Band der Moonworlds Saga schickt Sean McMullen seine Helden in den Kampf gegen ein außer Kontrolle geratenes magisches Artefakt, dessen Schöpfer an die weitreichenden Folgen ihrer Arbeit keinen Gedanken verschwendet haben. Auch die schwer durchschaubaren Loyalitäten der Helden und ihre teilweise über weite Strecken geheimen Aufträge erinnern an den Vorgänger – von daher betreffen herausragende Neuerungen die Helden selbst. Während wohlbekannte Charaktere aus Voyage of the Shadowmoon als durchaus wichtige Nebenfiguren noch etliche Auftritte erhalten, stellt eine Riege von neuen Protagonisten das Herz und die Seele von Glass Dragons, auch wenn sie ganz bestimmt nicht Herz und Seele sind: Der gutherzige Andry Tennoner, ein einfach gestrickter Seemann, der das Beste aus sich machen will (falls er einmal nüchtern ist) und der intrigante Hofmusiker Wallas, bei dem es ein Euphemismus wäre, ihn als Egoisten zu bezeichnen, sind ein klassisches Slapstick-Duo: Das Schicksal zwingt sie zusammen, und sie lassen keine Gelgenheit aus, sich anzukeifen, auszutricksen, zu schmähen und einander am Erfolg zu hindern.
Besonders in Andrys Entwicklung hat der Autor viel Herzblut gesteckt, und an ihm offenbart sich auch die Eigenheit der Reihe, die man vermutlich entweder hassen oder lieben wird: Andry ist eine realistische, liebevoll gezeichnete Figur mit einer herzzerreißenden Geschichte, die aber von einem Satz zum nächsten zwischen zu Tränen rührend und reinstem Slapstick unter der Gürtellinie pendeln kann. Die gute Nachricht ist, dass McMullen das erzählen kann, ohne der Geschichte ihren tieferen Ernst zu nehmen, aber dennoch ist es gewöhnungsbedürftig, wenn ab und an Beziehungen oder Figuren in einem halben Satz abwürgt werden, weil ein Knalleffekt oder eine Kehrtwendung in der Handlung höheren Stellenwert haben.

Des weiteren gelingt es McMullen, auf den gut 500 Seiten wirklich viel Stoff unterzubringen, was nicht zuletzt an Verral selbst liegt, einer Welt mit einem Überschuß an Magie und einer Vielzahl an Fraktionen und Interessengruppen. Wie man schon im Vorgänger lesen konnte, ist die Magie auf Verral meistens von der megalomanischen Sorte, und der Autor scheut nicht davor zurück, Katastrophen nicht nur anzudrohen, sondern auch hereinbrechen zu lassen. Auch hier stehen schon allein in ihrem Ausmaß äußerst kaltschnäuzige Szenen neben liebenswerten Einschüben, wie etwa der pratchettesken Geschichte der Prostituierten Madame Jilli, deren Ableben eine Diskussion unter diversen Schicksalsmächten auslöst und die daraufhin zu einer resoluten eigenen Macht gelangt. Diese eigenartige Mischung aus turbulenten Szenen und einfühlsamen Charakterbeschreibungen ist gewiss nicht jedermanns Sache.

McMullen unterhält mit alledem aber so hervorragend, dass erst am Ende auffällt, wie zerfahren seine Geschichte eigentlich ist – es wurde im Laufe von Glass Dragons niemals richtig entschieden, ob der Fokus eher auf der weltumspannenden Queste oder den Geschichten der Figuren liegen soll, und da McMullen beides umgesetzt hat, ist die Struktur nicht ganz glatt, dafür aber vielschichtig und überraschend.

Neue Charaktere mit offenen Entwicklungen für den nächsten Band stehen am Ende auch bereit, womit die Moonworlds Saga als Reihe von locker zusammenhängenden, spektakulären Einzelabenteuern in einem aberwitzigen Setting bestens etabliert wäre.

Stand: 11. September 2012
Erscheinungsjahr: USA 2004
Verlag: Tor
ISBN: 0-765-34708-3
Seitenzahl: 529
Titel der Übersetzung: Die Rache der Shadowmoon, Die Schlacht der Shadowmoon