Der alte Recke Havald, der beschlossen hat, sich für den Winter – oder gar seinen Lebensabend – in einem abgelegenen Gasthof einzuquartieren, gerät mit den Gästen enger aneinander, als er sich gewünscht hat: Alle Anwesenden werden während eines heftigen Schneesturmes eingeschneit. Mit Havald sind etliche Handwerker, Söldner, Händler, eine Dunkelelfe und die magiebegabte Maestra Leandra eingeschlossen. Havald befürchtet schon das Schlimmste für die Stimmung der unfreiwilligen Dauergäste, da erschüttert ein grausamer Mord die Moral. Havald als Ritter sieht sich gezwungen, mit der Maestra an der Aufklärung zu arbeiten, das Misstrauen der Gäste untereinander und ihre Gereiztheit erschweren diese Aufgabe zusätzlich.
-Die Frau verstand es, einen Auftritt hinzulegen: erst der Blitz, welcher die dunkle Gaststube durch die Ritzen der Fensterläden erhellte, dann der Donner, der die Erde vibrieren ließ. Dass sie in diesem Moment die Tür zur Gaststube aufstieß und ein kalter Luftzug die Hälfte der rauchigen Talgkerzen in der Stube erlöschen ließ, war sicherlich Zufall.-
1. Die Maestra
Der Debut-Roman von Richard Schwartz ist ein gelungenes kleines Kammerspiel, das sich wie Peter S. Beagles Klassiker Es kamen drei Damen im Abendrot komplett auf einem Gasthof abspielt, mit dem Unterschied, dass sich das Wirtshaus “Zum Hammerkopf” zu einer engen, eisigen Falle entwickelt, als die Temperaturen draußen sinken und sich Eiswände vor Fenstern und Türen türmen.
Dieses Ambiente, das sich ganz hervorragend im warm geheizten Stübchen genießen lässt, weiß der Autor meisterhaft zu einzufangen: Die beklemmende Stimmung, das langsame Abgleiten der Gäste in Gereiztheit und Ängste, die Eiseskälte, die einem direkt aus den Seiten entgegenwehen will. Da fliegen die Zeilen nur so dahin, vor allem, da sich Richard Schwartz bzw. sein aus der Ich-Perspektive berichtender alternder Held Havald als guter Erzähler entpuppt, dessen Geschichte man gerne lauscht. Mit Klischees Marke Altherrenwitz übertreibt Schwartz es allerdings, und man mag nicht immer die Augen zudrücken, nur weil es vielleicht zur Figur passt, denn jegliches Gegengewicht fehlt.
Schon der Aufbau der Geschichte – Mord im Gasthaus – erinnert ein wenig an ein Rollenspielabenteuer, und von der ersten Seite an werden auch munter und relativ unreflektiert diesbezügliche Stereotypen aufgefahren: Dunkelelfen, Mithril-Rüstungen und andere magische Artefakte erinnern deutlich an das Inventar einer allumfassenden Standard-Fantasy-Welt. Und auch andere Elemente der Handlung erscheinen etwas wahllos aus den üblichen Versatzstücken zusammengeschustert, etwa die obligatorische Liebesgeschichte, und die magielastige Lösung des Falles. Dennoch bekommt man vor allem gegen Ende des Bandes ein wenig Ausblick auf den Hintergrund der Welt und hin und wieder ein paar ganz eigene Einsprengsel, so dass man gespannt abwarten kann, ob sich im zweiten Band in dieser Richtung noch mehr entwickelt, wenn die Geschichte das eingeschränkte Areal des Gasthofes verlässt.
Sprachlich ist Richard Schwartz ein angenehmer Erzähler, der Stimmungen hervorragend vermitteln kann, nur ab und an knirscht es ein wenig – vor allem der Anglizismus “Sinn machen” stößt in der sonst ganz dem alten Erzähler angepassten Sprache sauer auf, und das alle paar Seiten wieder.
Leichte Enttäuschung bereitet auch das etwas simpel gestrickte Ende, denn man hätte sich nach so viel herrlichem Ambiente vielleicht ein wenig mehr Hintergrund und ein wenig mehr Ausführlichkeit erwartet. Als Auftakt und zum Einstieg in eine neue Serie ist Das Erste Horn aber definitiv eine Empfehlung wert, denn es lädt dazu ein, einen Blick in den nächsten Band zu werfen und ist eine vergnügliche, wenn auch etwas unoriginelle Unterhaltungslektüre, die vor allem durch die eisige Atmosphäre und eine größtenteils sehr angenehme Erzählstimme besticht.