Autor: Kay@Guy Gavriel

Die Fürsten des Nordens von Guy Gavriel KayDer junge Erling Bern Thorkellson gerät unverschuldet in die Leibeigenschaft und will sich in einer unüberlegten Aktion daraus befreien. Eigentlich ist er chancenlos und malt sich schon aus, wie er von seinem blutrünstigen Volk hingerichtet wird, doch er erhält Hilfe von unerwarteter Seite.
Alun ap Owyn, ein Barde der Cyngael, und sein Bruder Dai geraten bei einem Viehdiebstahl ausgerechnet an das Haus und den Besitz des berühmten Brynn, der einen der bekanntesten Erling-Plünderer getötet hat, auch wenn die Erling nach wie vor an den Küsten der Cyngael einfallen. Nur durch eine List können sich die Brüder retten und werden sogar als Gäste in Brynns Haus empfangen, wo sie die Bekanntschaft seiner schönen Tochter machen.

– Allmählich verstand er, worum es ging. Ein Pferd war verschwunden.
Solange es nicht gefunden wurde, stand alles still. Der Marktplatz der Insel war an diesem grauen Frühjahrsmorgen voller Menschen. –
Eins

Zu Die Fürsten des Nordens liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Ein Kind von Licht und Schatten von Guy Gavriel KayVon allen verlassen, gejagt, gehasst oder gefürchtet, begibt sich Darien, das Kind von Licht und Schatten, auf die Suche nach seiner Bestimmung. Doch für ihn gibt es im Webmuster Fionavars keinen Faden – und so muss er selbst entscheiden, welchen Weg er einschlagen möchte. Er ahnt, dass von seiner Entscheidung das Wohl und Wehe Fionavars und all seiner Bewohner abhängig sein wird. Kriege, Zweifel und Verrat lassen scheinbar keinen Platz für Hoffnung – doch noch immer streiten Kimberley, Jennifer, Dave und Paul für das Licht und wandeln dabei auf dunkelsten Pfaden.

Einen Augenblick später rannte er durch die Ebene, seine Geschwindigkeit war schneller, als die des Slaug jemals hätte sein können, er rannte so schnell er konnte nach Westen, vergessen war die Schlacht, der Krieg, fast vergessen.
Nach Westen, wo die Lichter brannten und jemand im Raum stand, in jenem Raum, der einst Lisen gehört hatte.
Teil I: Das letzte Kanior

Alle Fäden, die Autor Guy Gavriel Kay in den ersten beiden Bänden der Fionavar-Trilogie so meisterhaft wob, bilden in diesem letzten Buch endlich das finale Muster und lassen den Leser teilhaben am Ende der Geschichten von Dave, Kim, Paul und Jennifer. Mit den einfach bis anstrengend gestrickten Charakteren des ersten Bandes haben die Vier nicht mehr viel gemein: alle haben sich zu Persönlichkeiten weiterentwickelt, die durch phantastische Gaben und Fähigkeiten brillieren und sich durch Zweifel, Angst und Unsicherheit immer weiter wandeln. Und das ist auch bitter nötig: keiner zweifelt mehr an der Existenz von furchterregenden, göttlichen oder verdorbenen Gestalten, denn in mannigfaltiger Form begegnen sie den vier „Fremden“ in Fionavar immerzu; und man kann gestrost annehmen, dass es Dave nicht bis in den 3. Band geschafft hätte – wäre er nicht zu einem Anderen geworden. Die Charaktere sind die große Stärke von Kays Roman: sie bleiben menschlich, auch wenn sie mit Macht beladen sind, und sie sind einer ständigen Entwicklung unterworfen. Selbst Jaelle, die kalte Tochter der Göttin, kommt im Laufe der Handlung nicht umhin, sich selbst im Frage zu stellen und aufgrund neuer Selbsterkenntnisse weitreichende Konsequenzen zu ziehen.

Und so sind Entscheidungen und Veränderungen die beiden Motive, die sich wie rote Fäden durch das kunstvolle Bild Fionavars ziehen. Sind wir frei genug, um wahrhaftig eine Entscheidung zu treffen, oder ist selbst die Entscheidung vorgezeichnet? Mit dieser Frage nähert sich Kay einer uralten und zur gleichen Zeit sehr modernen Problematik: die Natur des freien Willens. Der Autor lässt seine Figuren die Frage mit einem entschiedenen „Ja!“ beantworten, wobei jedoch auch deutlich wird, dass die Abkehr vom Schicksalsglauben einen hohen Preis fordert. Und genau dies beeinflusst die Grundstimmung des Werkes entscheidend: keine Seite wird gewendet, ohne dass dem Leser unaussprechliche Traurigkeiten, tiefste Miseren und schwierigste Entscheidungen offenbar werden. Mit dem Gewicht vom Curdardhs Hammer drücken die Ungerechtigkeiten und Unfassbarkeiten auf das Gemüt eines jeden, der ihnen ausgesetzt ist – da geht es Figuren wie Lesern. Jede kleine Handlung ist derart mit Bedeutung angereichert, dass es dem Leser bald die Sprache verschlägt: wandelt denn niemand auf Fionavars Boden, der nicht reinkarniert oder seit tausend Jahren von Seelenschmerz gezeichnet ist? In diesem Band vernachlässigt Kay leider einen wichtiger Aspekt, der die beiden vorhergehenden Bücher auszeichnet: eine gewisse Leichtigkeit und eine Schönheit der Sprache, die nicht erdrückend wirkt.

Man kann es den Bewohnern Fionavar jedoch wahrlich nicht verübeln, dass ihnen der Spaß gründlich vergangen ist: im andauernden Schlachtgetümmel – auf den Felder Fionavars und im Inneren von hin- und hergerissenen Seelen – beschränkt sich sogar der schillernde Prinz Diarmuid auf lahme Scherze, die ihm der Leser nicht mehr so recht abnehmen mag.

Die Einflechtung der Arthussage erreicht in diesem Band ihren Höhepunkt sowie ihre überraschende Auflösung. Das Trio Guinevere, Lancelot und Arthus ficht, ungeachtet der allzu weltlichen Dinge wie Raum und Zeit, auf Fionavar seinen letzten Kampf aus, um der unsterblichen Liebe willen. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, weshalb in diesem fundamentalen Kampf zwischen Gut und Böse jedes Fass aufgemacht wird, dessen Bodensatz nach Pathos riecht. Scheinbar endlos wird die Liste der Traurigkeiten, will man sie alle aufzählen. Endlos ist jedoch nicht die Aufnahmefähigkeit des Lesers, und so kommt es, dass gebrochene Herzen zur Lesegewohnheit werden und humorige Passagen zum ungläubigen Zweimallesen anregen.

Was als Urteil allzu vernichtend klang, soll jedoch nicht als einziges Bewertungskriterium herangezogen werden. Für seine Geduld belohnt Kay den Leser mit feinfühlig und differenziert gezeichneten Figurenkonstellationen und ausdrucksstarker, sprachlicher Bildlichkeit. Und an Ideen mangelt es dem Autor wahrlich nicht: furchterregende, beeindruckende Wendungen in der Handlung lassen den Leser in eifriger Hast weiterlesen. Erwähnt seien hier die nächtliche Meerfahrt auf einem Schiff, dass bereits vor tausend Jahren sank, oder die Enthüllung des Geheimnisses vom Kristallsee – und der Gesang der Paraiko, der nicht nur die weißhaarige Kimberley tief berührt.

Trotz allem Ideenreichtums möchte ich Isaac Asimov mit seiner Bewertung „Tolkienesk“ zustimmen: einige Motive kommen dem geneigten Tolkianer sehr bekannt vor, sei es das entrückte Land im Westen oder das lichterfüllte Gründervolk, welches in raren friedlichen Zeiten den Abendstern huldigt. Kay interpretiert diese motivischen Traditionen jedoch oft in erstaunlicher oder erschreckender Art und Weise neu, sodass dem Leser viele neue Facetten eines Stoffes gewahr werden – so auch des Artusstoffes.

Zum Schluß kommen endlich auch Freunde der blutreichen Kampfszenen auf ihre Kosten; auf den letzten 50 Seiten entscheiden sich – oder enden – recht abrupt etliche Schicksale, die den Leser in tiefer Trauer zurücklassen. Doch nicht ohne Hoffnung: auf den letzten Seiten entwickelt sich erneut ein heiterer Unterton in der Erzählung, der das Abschiednehmen des Lesers von Fionavar und seinen Bewohnern von seiner allumfassenden Tragik und Dramatik zumindest für einen Moment befreit und damit versöhnlich stimmt – wenn man nicht vorher durch einen Tränenschleier gehindert wird, bis zum Ende der Geschichte zu lesen.

Cover des Buches "Last Light of the Sun" von Guy Gavriel KayDer junge Erling Bern Thorkellson gerät unverschuldet in die Leibeigenschaft und will sich in einer unüberlegten Aktion daraus befreien. Eigentlich ist er chancenlos und malt sich schon aus, wie er von seinem blutrünstigen Volk hingerichtet wird, doch er erhält Hilfe von unerwarteter Seite.
Alun ap Owyn, ein Barde der Cyngael, und sein Bruder Dai geraten bei einem Viehdiebstahl ausgerechnet an das Haus und den Besitz des berühmten Brynn, der einen der bekanntesten Erling-Plünderer getötet hat, auch wenn die Erling nach wie vor an den Küsten der Cyngael einfallen. Nur durch eine List können sich die Brüder retten und werden sogar als Gäste in Brynns Haus empfangen, wo sie die Bekanntschaft seiner schönen Tochter machen.

-A horse, he came to understand, was missing.
Until it was found nothing could proceed. The island marketplace was crowded on this grey morning in spring.-
One

In The Last Light of the Sun (Die Fürsten des Nordens) lässt Guy Gavriel Kay die hochzivilisierten Kulturen Süd-Europas hinter sich und entführt den Leser in die kalte, karge Welt der Cyngael, Angclyn und Erling, seiner Variante der (walisischen) Kelten, Angeln und Wikinger. Historisch orientiert sich der Roman am Britannien des 9. Jahrhunderts und den Geschehnissen rund um Alfred den Großen.
Auch in diesem Roman beherrscht Kay meisterhaft die Inszenierung ineinander verwobenen Handlungsstränge. Anfangs scheint er einfache, unzusammenhängende und unspektakuläre Geschichten zu erzählen, die sich um drei Hauptpersonen bzw. Personengruppen ranken, doch es ist ein fragiles Gespinst, in dem Kleinigkeiten auf unvorhersehbare Art große Bedeutung erlangen, der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings, der anderswo einen Orkan auslöst. Auf subtile Weise verbindet Kay die Einzelschicksale zu einem großen Ganzen, und es ist eine Freude, aufzudecken, wie sich alles gegenseitig bedingt und worauf es hinausläuft.

Mehr als in den vorausgegangenen Romanen Kays spielt hier das Magische eine Rolle, das immer mehr vom Glauben an Jad (Kays Paralelle zum Christentum) zurückgedrängt wird. In den Wäldern der erst kürzlich jaddisierten Cyngael lebt das Alte, das Magische fort, und selbst Priester tun sich schwer, die Existenz einer Anderswelt und ihrer Geschöpfe – vor allem der Feen – zu leugnen. Während in The Last Light of the Sun einerseits großartige historische Recherchearbeit geleistet wurde und die dargestellten Kulturen und Ereignisse authentisch geschildert werden, beeindrucken vor allem auch die Passagen, die die Anderswelt mit ihren Geisterwäldern und verborgenen Tümpeln darstellen, durch eine archaische, unheimliche Atmosphäre, verstärkt durch einen lyrischen Präsensstil, der diese Abschnitte ganz wortwörtlich in eine vom Geschehen losgelöste Zeit hebt.

Kays brilliante Sprache passt sich Situationen, Kulturen und verschiedenen Figuren an, verliert aber nie den kleinen Hauch Poesie, der sie so lesenswert macht. Einige Erzählkniffe heben das Buch zusätzlich vom gewohnten, linearen Einheitsbrei ab, am prägnantesten wohl jene eingestreuten Passagen, in denen immer wieder die Schicksale von Figuren, die an der Handlung nur marginal beteiligt sind, vor dem Leser ausgebreitet werden und die Geschehnisse des Romans relativieren, ohne ihnen die Intensität zu rauben. Und Kay beherrscht nach wie vor die Kunst, in einem einzigen Satz eine überraschende Wendung so zu verpacken, dass man erst nach einigen Zeilen den Mund wieder zuklappen kann.
Aber auch seinen Hang zur Tragik hat er beibehalten, und man wünscht sich manchmal doch etwas mehr positive Elemente – trotz eines versöhnlichen Endes überwiegt eindeutig das Düstere.
Weniger bombastisch als in Lions of Al-Rassan oder Sarantine Mosaic, was sicher auch an den weniger üppigen Kulturen und damit einhergehend einer geringeren sprachlichen Verspieltheit liegt, aber fast genauso dicht am Geschehen, schafft es Kay auch hier wieder, den Leser in seinem Mahlstrom menschlicher Schicksale mitzureißen, zumindest diejenigen, die sich für Geschichten und Geschichte begeistern und auf massiven Magie-Einsatz auch verzichten können.