Subgenre: Jugendbuch

Das Cover von Alaizabel Cray von Chris WoodingDer junge Thaniel Fox ist Hexenjäger, einer der gefährlichsten und anerkanntesten Berufe in ganz London, das seit einer Bombadierung durch Luftschiffe von sogenannten Hexlingen überannt wird – Kreaturen, die aus Mythen und Märchen zu stammen scheinen. Als Thaniel eines dieser gefährlichen Wesen zur Strecke bringen soll, findet er stattdessen ein junges Mädchen ohne Erinnerung, eine Verrückte vielleicht. Doch als Bruchstücke der Erinnerung von Alaizabel zurückkehren, wird klar, daß sie in eine große Bedrohung für ganz London verwickelt ist. Thaniel versucht dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, während sich Alaizabel in ständiger Gefahr befindet: Hexlinge werden von ihr angezogen wie Motten vom Licht.

-Bedrohlich tief kam das Luftschiff daher. Sein langer Bauch schimmerte, vom Licht der Gaslaternen unter ihm getroffen, silbern durch den Nebel.-
1 Verfolgungsjagd/Thaniel erlebt eine böse Überraschung/Erste Eindrücke

Luftschiffe, Hexenjäger und Serienmörder – Alaizabel Cray (The Haunting of Alaizabel Cray) verspricht einen abenteuerlichen Steampunk-Spaß, der sich aber gleich von der ersten Seite an als sprachlicher Rohrkrepierer erweist. Offenbar stand der Roman unter der Prämisse, sich mit hölzernem und effektheischendem Ausdruck an möglichst junge Leser anzubiedern, obwohl er thematisch am ehesten für ältere Jugendliche gedacht ist, die möglicherweise nicht mehr in jedem dritten Satz ein Ausrufezeichen brauchen, um sich gut und spannend unterhalten zu fühlen. Die Holzhammersprache bleibt leider auf der ganzen Länge des Romans erhalten, wirkt in actionreichen oder auch besonders leisen Szenen eher noch unpassender und verdirbt das ansonsten größtenteils doch sehr gelungene Ambiente.

Würden Sprache und Inhalt ein bißchen besser Hand in Hand gehen, so hätte Alaizabel Cray einiges zu bieten: ein nebliges London bei Gaslicht, in dessen Gassen neben Mördern und Wölfen auch mythische Wesen wie Gnome, Werwölfe und Dämonen ihr Unwesen treiben und in dem sich in den Nächten nur die Furchtlosen auf die Straßen wagen – oder diejenigen, die müssen, weil sie bei der industriellen Revolution auf der Verliererseite standen.
Diese düstere Atmosphäre hat Wooding im Prinzip sehr gut eingefangen und  gekonnt mit den phantastischen Elementen verknüpft – besonders gelungen sind ihm beispielsweise die zur Industrialisierungszeit passenden magischen Prozeduren wie die Arbeit mit diversen Reagenzien und magischen Zeichen, aber auch die Namensgebung der auftretenden Figuren zeugt eigentlich von einem guten Gefühl für das Setting.

Bei der Ausarbeitung der Charaktere hatte diese Sorgfalt allerdings auch schon wieder ein Ende – sie bestechen eher durch Coolness als durch Charme und haben eine starke Tendenz zu comicartigen, aufgeblasenen Superhelden, deren Beweggründe und Persönlichkeiten niemals übers Schablonenartige hinauskommen. Schade drum, denn die Geschichte an sich glänzt mit einer guten Balance zwischen Action und Ruhe und Wooding ist kein schlechter Erzähler. Er verbindet geschickt das kriminalistische Miträtseln an einer Verschwörungsgeschichte und einem Serienmord mit der langsamen Aufdeckung des Hauptplots – auch wenn es keine sensationellen Wendungen und Überraschungen gibt und die Bösewichte letzten Endes ziemlich ausgelutschte Nummern sind. Ein wenig Gruseln und Fingernägelkauen wären aber auf jeden Fall drin gewesen, nur schafft es der Autor nicht, den Leser ganz in die Welt zu ziehen oder mit seinen Charakteren mitfiebern zu lassen.
(rezensiert von: mistkaeferl)

Alice hinter den Spiegeln von Lewis CarollIm Spiel mit ihrem kleinen schwarzen Kätzchen vertieft, überlegt das Mädchen Alice sich, wie lustig es auf der anderen Seite des Spiegels wohl sein mag, und so geht sie durch diesen ins Spiegelhaus. Sich dort umschauend sieht sie, wie die Figuren des Schachspiels lebendig werden. Auch sonst ist einiges sonderbar, und Alice beschließt sich den Garten anzusehen, was ihr zunächst sehr schwer fällt, da die Wege vom Haus weg zum Haus hinführen. Erst nach einigen Anstrengungen kann sie dem Haus entkommen. Im Garten trifft sie auf die Schwarze Königin, die dem Mädchen erklärt, wie es vom Bauern zur Königin werden kann. Alice nimmt die Herausforderung an und beginnt eine höchst bizarre Reise…

– So viel stand fest: das weiße Kätzchen hatte nichts damit zu tun – das schwarze war ganz allein an allem schuld. –
Kapitel 1, Das Haus hinterm Spiegel

Zu Alice hinter den Spiegeln liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Alice im Wunderland von Lewis CarollDer kleinen Alice ist zum Einschlafen langweilig. Da läuft plötzlich ein weißes Kaninchen vorüber, das auf seine Taschenuhr schaut und sein Zu-Spät-Kommen laut bedauert. So etwas hat Alice noch nie gesehen, daher folgt sie ihm und fällt lange Zeit durch ein Kaninchenloch an Regalen mit Marmeladengläsern (leider leer) vorbei. Auf der anderen Seite angekommen, stellt sich alles als höchst sonderbar heraus; nicht nur die Leute, auch Alice’s Körper und Gedächtnis (Ist sie überhaupt noch Alice?) verhalten sich nicht so, wie man es von ihnen erwarten sollte.

– Hinab, hinab, hinab. Wollte das denn nie ein Ende nehmen? »Wie viele Meilen ich wohl schon gefallen bin?« –
Hinab in das Kaninchenloch, S. 13

Zu Alice im Wunderland liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Alice's Adventures in Wonderland von Lewis CarrollDer kleinen Alice ist zum Einschlafen langweilig. Da läuft plötzlich ein weißes Kaninchen vorüber, das auf seine Taschenuhr schaut und sein Zu-Spät-Kommen laut bedauert. So etwas hat Alice noch nie gesehen, daher folgt sie ihm und fällt lange Zeit durch ein Kaninchenloch an Regalen mit Marmeladengläsern (leider leer) vorbei. Auf der anderen Seite angekommen, stellt sich alles als höchst sonderbar heraus; nicht nur die Leute, auch Alice’s Körper und Gedächtnis (Ist sie überhaupt noch Alice?) verhalten sich nicht so, wie man es von ihnen erwarten sollte.

-Alice was beginning to get very tired of sitting by her sister on the bank, and of having nothing to do: once or twice she had peeped into the book her sister was reading, but it had no pictures or conversations in it, ‘and what is the use of a book,’ thought Alice, ‘without pictures or conversation?’-
Down the Rabbit-Hole

Wahrhaftig, Alice landet im Wunderland, einer unmöglichen Version des idyllischen Englands des 19. Jahrhunderts. Klare Strukturen sind kaum erkennbar – d.h. nur dann, wenn Alice sie einfordert. Alles kann sich von Moment zu Moment kraß verändern, aber schon die Grundlagen sind reichlich grotesk. Der Glanz aber sind die außerordentlich bizarren Figuren.
Alice ist gut getroffen; sie ist ein kleines Mädchen, das gerade erst zur Schule geht. Mit Längen- und Breitengeraden kann sie nur wenig anfangen – es sind aber schwierige Worte, die der Situation sicherlich angemessen sind. Stolz darauf ein so wichtiges Wort wie “Juror” zu kennen, wiederholt sie es auch ein paar mal. Mühsam hat sie die Regeln der Höflichkeit erlernt (zumindest recht passabel) und nun reagiert sie mit der für Kinder typischen peniblen Korrektheit bei frisch Gelerntem. Einiges erschrickt die Kleine, doch da sie nicht das gesamte Ausmaß der Absonderlichkeiten überblicken kann, bleibt sie viel ruhiger, als ein Erwachsener dieses könnte. Als die Situation für das riesenhaft angewachsene Mädchen zu erdrückend ist, weint sie, nur um kurz darauf ins Zwergische zu schrumpfen und im See ihrer Tränen vom Ertrinken bedroht zu werden.
Die meisten anderen Figuren sind in irgendeiner Art Herausforderungen für Alice, die mit der Logik eines Kindes an die Sache heran geht. Doch niemand meint es böse mit ihr. Es ist ein Panoptikum von Kuriositäten, das ihr den Weg weißt: eine Wasserpfeife rauchende Raupe, die nichts für gegeben hält; die bekannte grinsende Cheshire Cat, die Alice freimütig Auskunft gibt; die verrückte Teegesellschaft – March Hare, Mad Hatter und the sleeping Dormouse – für die es immer tea-time ist, nachdem Zeit (ein er) befürchten muß, vom Hutmacher getötet zu werden; die Königin (eigentlich die Spielkarte “Herzdame”), die auf jedes Problem gleich reagiert: “Kopf-AB!”, neben unzähligen weiteren grotesken Gestalten.
Magie in Form von Zaubersprüchen oder magischen Artefakten gibt es nicht – es ist die Absurdität, die mit normalem Verstand unverständlichen Regeln der Welt, welche die Magie ausmachen.
In der Geschichte relativiert der Autor (und Dozent für Mathematik) Wahrnehmungsweisen und “Zeit” & “Raum”- Verständnis radikal. Mit diesen Unverständlichkeiten muß Alice umgehen, ihr Körper, Geist und ihre Umwelt stellen sie von Episode zu Episode vor neue Rätsel. Es dauert eine Weile, bis Alice beginnt, die vertrackte Logik zu durchschauen und ein wenig Kontrolle zurückzugewinnen. Ein festes Moralverständnis und Selbstvertrauen gehören zwar dazu, aber Lewis will mit dieser Geschichte nicht missionieren.
Humor entsteht in der Geschichte durch die ins absurde geführten Konventionen der englischen Gesellschaft des 19. Jhd., die Wortspiele und den daraus entstehenden Verwechslungen. “Then you should say, what you mean,” [said the March Hare]. “I do,” Alice hastily replied; “at least – at least I mean what I say – that’s the same thing, you know.” “Not the same thing a bit!” said the Hatter. “You might just as well say that ‘I see what I eat’ is the same thing as ‘I eat what I see’!” – Sprachphilosophisch nicht uninteressant.
Sprachlich ist das Werk ebenfalls eine Meisterleistung, doch die Sätze und das Vokabular sind nicht sprachgewaltätig, sondern fließen leicht und elegant dahin, man kann sich den flinken Wendungen kaum entziehen. Wer kann, sollte Alice im Original lesen; auch wenn es eine hervorragende Übersetzung von Christian Enzensberger gibt, so ist dieser perfekte Umgang mit der englischen Sprache einfach nicht ohne zu große Verluste ins Deutsche zu übersetzten.

Cover von The Amulet of Samarkand von Jonathan StroudÜber das moderne British Empire herrscht eine machtgierige und paranoide Clique von Zauberern. Mr. Underwood, der einen geringen Posten in der Regierung inne hat, soll den hochbegabten Nathaniel unterrichten, unterschätzt diesen jedoch völlig. So beschließt der Junge voller Ehrgeiz und Ungeduld den uralten Djinn Bartimaeus zu beschwören, damit dieser vom arroganten Simon Lovelace das mächtige Amulett von Samarkand stielt. Unversehens geraten die beiden in eine großangelegte Verschwörung um Macht, bei der die Akteure nicht zimperlich sind und ohne zu zögern über die Leichen Unschuldiger steigen…

-The temperature of the room dropped fast.-
1

In The Amulet of Samarkand (Das Amulett von Samarkand) Geschehen findet das Geschehen weitgehend im modernen London mit Limousinen und Telefonen statt, erst gegen Ende verlagert es sich von der Stadt aufs Land. Ein besonderes Gefühl der Urbanität kommt jedoch nicht auf, das Setting ist eher Kulisse für die Handlung. Für die Briten gestaltet sich die Ordnung der intelligenten Wesen so: Ganz oben stehen natürlich die Zauberer, dann kommen die Gewöhnlichen und zum Schluß die Dämonen (Marids, Afrits, Djinn, Foliots und Imps) – aber die meisten “Dämonen” sind nicht gerne Sklaven und auch die Gewöhnlichen wollen nicht alle von Zauberern regiert werden. Um eine Dynastienbildung zu verhindern, dürfen Zauberer keine leiblichen Kinder haben. Gewöhnlichen Eltern wird ein Kind von etwa sechs Jahren abgekauft, einem Zauberer zur Ausbildung überlassen und der Geburtsname wird gelöscht, damit er niemanden in die Hände fällt – denn Wissen über den wahren Namen eines Dinges bedeutet, darüber bestimmen zu können. Von Außenstehenden wird das Kind mit dem Namen seines Meisters angesprochen, vom Meister nur als Junge oder Mädchen bis zum zwölften Lebensjahr, in dem sich der Lehrling einen Namen aussuchen darf.
Mit Zauberei läßt sich so manches vollbringen – mit einer kurzen Spruchformel und einer schnellen Geste lassen sich Schadenszauber, Schutzzauber oder Haltezauber wirken. Der wichtigste Zauber aber ist das Binden von “Dämonen”. Aufwendig muß der Zauberer den wahren Namen recherchieren, in einem anstrengenden Ritual mit seltenen Ingredienzien an sich binden und dann hat er einen Sklaven, der ihm gehorchen muß. Die “Dämonen” nun sind – je nach Grad – mächtige Wesen, ein Djinn wie Bartimaeus kann seine Gestalt fast beliebig verändern, alle sieben Ebenen einsehen – und damit leichter die wahre Natur eines Dinges erkennen – und einiges an Zaubern wirken. Doch Vorsicht ist geboten, denn nur die wenigsten “Dämonen” lieben ihren Herren, die meisten lieben es jedoch diesem Schaden zuzufügen, daher sollte ein Zauberer sich den Wortlaut seiner Befehle genau überlegen. Die arabischen/europäischen Vorbilder der magischen Elemente sind deutlich zu erkennen, was bei der Konfrontation von Magie und Moderne aber auch nicht sonderlich stört. Ärgerlich dagegen ist die Unklarheit darüber, wie mächtig etwas wirklich ist, welche Möglichkeiten die Zauberei bietet und noch schlimmer: “Dämonen” sollen gerne ihren Meistern Schaden zufügen, sagt Bartimaeus, eine unverdächtige Quelle in diesen Zusammenhang. Geboten werden dem Leser aber nur Gegenbeispiele.
Figuren treten zwar etliche auf, doch größere Rollen spielen nur wenige. Nathaniel ist der eigentliche Protagonist der Geschichte, er ist jung, ehrgeizig, höchst talentiert – und ungeduldig. Kunstvoll werden diese Eigenschaften aus einzelnen, aber wichtigen Episoden abgeleitet. Aber im Gegensatz zu seinen Zaubererkollegen hat er noch Reste eines Gewissens. Bartimaeus übernimmt die Rolle des Sidekicks, allerdings ist er nicht nur für den Humor zuständig, sondern auch ein sehr fähiger Djinn. Er ist sehr gewitzt, neigt allerdings auch zu Übertreibungen, besonders dann, wenn es um die Mängel der Konkurrenten oder die eigenen Qualitäten geht. Einen besonders ausgeprägten Charakter hat er nicht, was daran liegt, daß er hauptsächlich Nathaniels Befehlen gehorchen muß. Er ist ironisch, geistreich und nicht besonders gewaltfreudig, aber durchaus dazu fähig. Die anderen Zauberer sind alle hartherzig und machtgierig. Manche sind unfähig, wie Underwood, andere sind talentiert, wie Lovelace, aber alle sind Mächtigeren gegenüber Speichellecker und Schwächeren gegenüber arrogant. Allesamt Radfahrer, ein paar mehr Unterschiede wären schön gewesen. Gelungener ist die Darstellung der “Dämonen”, diese sind viel farbenfroher und interessanter. Auch wenn die Herleitung des Charakters Nathaniels gut gelungen ist und keiner der anderen ein bloßer Gutmensch oder ein arger Bösewicht ist, sind die Charaktere der Menschen zu einseitig tendenziös und die Befähigungen der Zauberer scheinen mir unplausibel verteilt zu sein – Nathaniel ist äußerst talentiert und ihm gelingt, was nicht einmal vielen der Regierungszauberer zusammen gelingt.
Der Plot selbst ist nicht besonders originell, es geht um eine Verschwörung, in die der rachsüchtige Nathaniel und sein Sklave Bartimaeus hineingeraten. Dennoch ist die Geschichte spannend erzählt, dafür sorgen die vielen actionreichen Sequenzen und überraschenden Wendungen. Weiterhin wird sachte der sich anbahnende Konflikt mit der Resistance, einer Gruppe von Kindern der Gewöhnlichen, die allerdings ungewöhnliche Fähigkeiten haben und gegen das Establishment agieren, angedeutet. Da schon im ersten Kapitel ernsthaft in den Plot eingestiegen wird und die Handlung vielfach rasant voranschreitet, ist die Spannung das ganze Buch über hoch – sie unterliegt nur geringen Schwankungen, wenn es mal ein erläuterndes Kapitel gibt. Aus Bartimaeus lakonischen und ironischen Bemerkungen zieht das Buch außerdem einiges an humorvollen Momenten.
Ungewöhnlich wird aber mit den Erzählperspektiven umgegangen: Bartimaeus berichtet als Ich-Erzähler mit Fußnoten, die die unterschiedlichen Ebenen seines Denkens symbolisieren (und zu komischen oder erläuternden Bemerkungen genutzt werden), während Nathaniels Kapitel von einer personalen Perspektive aus erzählt werden. Die Sätze sind einigermaßen unauffällig und die Wortwahl ist immer treffend.

Cover des Buches Das Amulett von Samarkand von Jonathan StroudIn England herrschen Zauberer. Zwar gibt es auch “Gewöhnliche”, das sind Menschen, die nicht zaubern können, aber im öffentlichen Leben spielen sie keine große Rolle. Zauberer dürfen aber keine Kinder bekommen, stattdessen ist jede Familie dazu verpflichtet ein Kind von “Gewöhnlichen” auszubilden. So kommt Nathanael zu den Underwoods, bei denen er eine solide Ausbildung erhält, auch in Zauberei. Nathanael macht schnell große Fortschritte. Als ihn der einflußreiche Simon Lovelace bei einer Prüfung demütigt, schwört Nathanael Rache. Mit zwölf Jahren hat Nathanael soviel gelernt, daß er den mächtigen Dämon Bartimäus beschwören kann und ihn beauftragt das Amulett von Samarkand aus Simon Lovelaces Haus zu stehlen. Er ahnt nicht, welche Katastrophe er damit auslöst.

-Die Temperatur im Zimmer sank rasch. Eis bildete sich auf den Vorhängen und überzog die Deckenlampen mit einer dicken Kruste. Die Glühfäden sämtlicher Birnen schnurrten zusammen und verglommen, und die Kerzen, die wie eine Kolonie Giftpilze aus jeder feien Fläche sprossen, erloschen .-
Teil 1

Jonathan Stroud scheint eine Vorliebe für den bekanntesten deutschen Dichter zu hegen. Nathanael wirkt wie eine Mischung aus einem jungen Möchtegern-Faust und dem Zauberlehrling aus Goethes gleichnamiger Ballade. Er kann weitaus besser zaubern als Underwood es ihm zutraut, aber er ist noch nicht reif genug, um zu übersehen, welche Folgen sein Verhalten nach sich zieht und prompt löst er eine Katastrophe aus. Nathanael ist zweifellos eine sympathische Figur, jedoch ist er nicht so originell, daß er aus der Vielzahl, der in Kinderbüchern neuerdings zaubernden Jünglingen, herausragen würde. Nun hat der aufmerksame Leser vielleicht schon bemerkt, daß Nathanaels Name nicht im Titel des Buches auftaucht -und das hat seinen guten Grund, denn der eigentliche Star dieses Romans ist der Dämon Bartimäus, ein Dschinn und zeitweise Ich-Erzähler. Auf höchst witzige Weise erzählt Bartimäus seine Version der Geschichte. Er besitzt einen lakonischen Humor und eine erstaunliche Urteilskraft, er ist listig und kann sich in alles Mögliche verwandeln und wenn es nötig ist, scheut er auch nicht vor dem Einsatz roher Gewalt zurück. Zur Zeit ist er leider ein wenig miesepetrig. Es paßt ihm überhaupt nicht, daß ein Zwölfjähriger ihn beschworen hat und er jetzt tun muß, was Nathanael ihm befiehlt, deshalb wartet er nur auf eine Möglichkeit, den Bann zu brechen. Doch als die Lage immer verfahrener wird, bilden die beiden eine äußerst erfolgreiche Zweckgemeinschaft.
Bartimäus ist wahrscheinlich der originellste Dämon, der in Romanen gerade sein
(Un-)Wesen treibt, allerdings hat er einen Fehler: Seine Vorliebe für ausführliche Fußnoten. Die eine Hälfte der Fußnoten hätte gut in den Text integriert werden können und die andere Hälfte hätte in einem Glossar am Schluß des Buches untergebracht werden können. So stören sie allzu oft den Lesefluß und nur die Angst, etwas von Bartimäus’ britischem Humor zu verpassen, sorgt dafür, daß man nicht den Rat befolgt, den der Dämon in einer dieser Fußnoten dem Leser erteilt: Wieso verplemperst Du eigentlich deine Zeit damit, das hier zu lesen? Lies lieber oben weiter und sieh selbst!

Ankunft im Licht von Jeanne DuPrauNachdem die Emberaner dank Lina und Doon den Weg an die Oberfläche gefunden haben, treffen sie nach Tagen des Wanderns auf die ländliche Stadt Sparks, wo sie sich Hilfe in dieser fremden Welt erhoffen. Anfangs sind beide Parteien überrascht und aufgeregt über die gegenseitige Entdeckung, die Bewohner von Sparks nehmen die Emberaner bei sich auf, versorgen sie mit Nahrung und Unterkunft. Doch die Ressourcen sind knapp, die Emberaner unwissend, wie sie sich selbst versorgen können, und so dauert es nicht lange, bis Streit, Neid und Vorurteile entstehen, die dazu führen könnten die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Zu Ankunft im Licht liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Cover von Artemis Fowl 1 von Eoin ColferArtemis Vater hat der russischen Mafia ins Handwerk gepfuscht und gilt seitdem als verschollen. Durch diese Unternehmung ist das Fowlsche Familienvermögen erheblich geschrumpft. Arm kann man Artemis und seine Mutter nun nicht gerade nennen – aber Milliardäre sind sie nicht mehr. Also beschließt Artemis die Einkünfte wieder aufzustocken. Der hochbegabte Junge faßt einen ebenso genialen wie verbrecherischen Plan: Er will eine Elfe kidnappen, um an das sagenhafte Elfengold zu gelangen.

-Ho Chi Minh City im Sommer. Unerträglich heiß und drückend. Artemis Fowl hätte selbstverständlich solche Unannehmlichkeiten niemals auf sich genommen, wenn nicht etwas ungeheuer Wichtiges auf dem Spiel gestanden hätte.-
Kapitel 1: Das Buch

Artemis Fowl ist ein Antiheld, aber nur fast: Ein blasses zwölfjähriges Kerlchen, das zuviel Zeit vor dem Computer verbringt, skrupellos seinen genialen Plan verfolgt und von einem gewalttätigen, ihm treu ergebenen, Leibwächter beschützt wird. Bei näherem Hinsehen ist Artemis aber keineswegs so skrupellos, wie es auf den ersten Blick scheint und wie er es gerne von sich selbst glauben möchte. Der Junge leidet unter dem Verlust seines Vaters und unter der psychischen Krankheit seiner Mutter und erkennt daher folgerichtig am Ende der Geschichte, daß Geld nicht alles im Leben ist. Aber vorher muß er sich noch mit den Unterirdischen herumschlagen, wobei das “Herumschlagen” hauptsächlich von seinem Leibwächter namens Butler übernommen wird. Artemis hat zwar einen scharfen Verstand, aber anscheinend hat er sein Körpertraining sträflich vernachlässigt, so daß ihn sogar eine kaum ein Meter große Elfe mit einem gezielten Schlag auf die Nase zu Boden schicken kann. Peinlich, peinlich. Die Elfe heißt Holly, ist der erste weibliche Officer bei der ZUP, der Polizei der Unterirdischen, und hat meistens Ärger mit ihrem Vorgesetzten, Commander Root, da sie des öfteren die Vorschriften außer acht läßt. Jetzt gerade hat sie es schon seit längerem versäumt, ihre Magie aufzuladen, was dazu führt, daß sie von Artemis gekidnappt wird und Commander Root höchstpersönlich in Aktion treten muß, um Holly zu retten. Es entspinnt sich ein Kampf zwischen Artemis und den Unterirdischen, der stellenweise recht gewalttätig geführt wird, aber bei dem letztendlich niemand wirklich zu Schaden kommt und bei dem ein pupsender Mulch eine zentrale Rolle spielt. Spätestens an dieser Stelle sollte man als Leser erkennen, daß die ganze Geschichte mit Augenzwinkern und Ironie erzählt wird. Ansonsten könnte man Artemis Fowl anstatt für einen humorvollen James-Bond/Star-Trek/Krimi-Verschnitt für die Verherrlichung jugendlichen, gewalttätigen Verbrechertums halten und würde damit dem Buch bitter Unrecht tun.
Um dieses Buch zu mögen, darf man nicht ironieresistent sein (bzw. man muß alt genug sein, um Ironie zu verstehen) und man darf sich nicht an Welten stören, die von Technik bestimmt sind, denn die Welt der Unterirdischen, wozu Elfen, Zentauren, Mulche und Trolle gehören, hat hier nichts Romantisches. Die Technik ist weiter fortgeschritten als in der Menschenwelt und in der ZUP herrscht ein militärischer Kommandoton, jedenfalls dann, wenn alle sich an die Dienstvorschriften halten. Der Ablauf des Einsatzes erinnert an die Star-Trek-Abenteuer. Es wird zwar niemand von einem Raumschiff auf einen Planeten hinuntergebeamt, aber die Unterirdischen werden aus dem Erdinneren auf die Erde hinaufbefördert. Als etwas schiefgeht, wird eine Bergungseinheit hinterhergeschickt, die nicht wirklich erfolgreich ist (und deren Mitglieder hauptsächlich daran interessiert sind, daß ihre Mama stolz auf sie ist) und schließlich müssen die verantwortlichen Offiziere die Sache selbst in die Hand nehmen.
Wenn Sie sich mit einem verletzlichen, aber arrogant wirkenden, hochbegabten, alles und jeden herumkommandierenden, reichen, halbwüchsigen Kriminellen anfreunden können und Sie keine Abneigung gegen Technik hegen, dann bietet Ihnen Artemis Fowl eine unterhaltsame Lektüre.

Artemis’ Vater geht es besser. Hollys Magie hat ihm nicht nur geholfen wieder gesund zu werden, sie hat auch seinen Charakter beeinflußt. Er möchte er ein ganz normales Familienleben ohne Verbrechen führen. Artemis kann sich mit dem Gedanken an ein bürgerliches Leben noch nicht so ganz anfreunden und plant einen letzten genialen Coup. Er benutzt den mit Elfentechnologie entwickelten Minicomputer C Cube um John Spiro, den skrupellosen Chef einer der größten Computerfirmen der Welt, zu erpressen. Doch dieser hat nicht vor, sich von einem Dreizehnjährigen um seine Firma bringen zu lassen. Er will den C Cube und damit ist auch das Erdland in Gefahr. Captain Holly Short muß eingreifen.

– Artemis Fowl war beinahe zufrieden. Sein Vater sollte bald aus dem Universitätskrankenhaus in Helsinki entlassen werden. Er selbst freute sich auf ein leckeres – wenn auch recht spätes –
Mittagessen im En Fin, einem Londoner Fischrestaurant, und der Geschäftsmann, mit dem er verabredet war, mußte jeden Moment eintreffen. Alles lief nach Plan.-
Kapitel 1 Der Würfel

Auch der erneute Anfall von Arroganz zu Beginn des Romans kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Artemis mit jedem Buch sympathischer wird. Obwohl er wieder dem Traum vom großen Geld nachjagt, lernt er recht schnell, daß Freundschaft mehr wert ist als alles Gold der Welt, auch wenn er noch so oft das Familienmotto zitiert: aurum potestas est – Gold ist Macht. Doch zunächst will er unbedingt seinen großen Coup landen, der jedoch nicht so genial ist wie Artemis glaubt. Sein Geschäft mit Spiro scheitert auf furchtbare Weise. Das hat fatale Folgen für seinen treuen Leibwächter Butler und die Bewohner von Erdland müssen ihre Entdeckung fürchten. Es kommt wieder zu gewalttätigen Szenen, die Colfer aber in bewährter Manier mit Witz und Ironie abmildert. Der Geheimcode (The Eternity Code) ist das komischste der drei Artemis-Bücher. Allerdings gilt auch hier, daß Kinder alt genug sein müssen, um die Ironie und das Augenzwinkern zu verstehen, mit denen Colfer seine Geschichte erzählt. Die Gewaltszenen sind für jüngere Kinder, die alles für bare Münze nehmen, was hier geschildert wird, zu heftig. Alle anderen dürfen sich köstlich amüsieren. Noch nie hat ein Autor so witzig beschrieben wie jemand lebendig begraben wird.
Neben Artemis und Holly spielt auch wieder Mulch Diggums eine wichtige Rolle. Er arbeitet mittlerweile für die Chicagoer Mafia. Diggums hat immer noch die Angewohnheit, im richtigen Moment Gas auszustoßen und die Tatsache, daß er seine Haut mit dicken Schichten Sunblocker zukleistern muß, weil er Sonnenlicht genauso gut verträgt wie ein Vampir, trägt auch nicht gerade zu seinem Wohlgeruch bei. Der Zentaur Foaly überwacht und dirigiert die Operation “Rettet Erdland”, bei der, wie gewohnt, ausgefeilte Technik und Hollys Magie zum Einsatz kommen und Butlers Schwester Juliet hat verschiedene Auftritte als weibliche Kampfmaschine.
Das Ende des Romans läßt auf eine Fortsetzung der Geschichte hoffen, allerdings weiß man nicht so recht, ob man sie sich wünschen soll, denn es hat den Anschein, als würde Artemis bald selbst zu seinem ärgsten Feind.

Endlich einmal ist in Erdland alles in Ordnung. Opal Koboi, die gefährliche Verbrecherin, liegt im tiefen Koma und stellt keine Bedrohung mehr dar. Artemis Fowls Gedächtnis wurde gelöscht, so dass auch er Erdland nicht mehr gefährlich werden kann. Captain Holly steht kurz vor einer Beförderung. Es ist zu schön, um wahr zu sein. Und tatsächlich: Opal Koboi täuscht ihre behandelnden Ärzte, sie liegt überhaupt nicht im Koma. Mittels eines Klons gelingt ihr die Flucht und sie will sich an allen rächen, die ihre Machtübernahme verhindert haben. Commander Root erteilt Holly den Befehl, Artemis vor der rachsüchtigen Opal zu retten. Bald wird klar, dass Holly nicht nur Artemis, sondern ganz Erdland retten muss, doch die Lage erscheint aussichtslos.

-Die Argon-Klinik war kein staatliches Krankenhaus. Niemand wurde dort kostenlos aufgenommen. Argon und sein Psychologenteam behandelten nur Unterirdische, die es sich leisten konnten.-
Kapitel 1 Völlig besessen – Argon-Klinik, Haven City, Erdland. Drei Monate zuvor.

Erneut müssen Holly und Artemis gemeinsam das Böse in Gestalt von Opal Koboi bekämpfen und wieder einmal wenden sie dazu ihre bewährte Mischung aus Methoden á la James Bond und Star-Trek-Besatzung an. Die Spannung kommt dabei nicht zu kurz. Der Leser muss mit dem Verlust einer beliebten Figur fertig werden, es gibt Bombenanschläge auf Artemis Leben und er und Holly müssen vor liebeswütigen Trollen fliehen – das ist nicht lustig.

Genau das ist das Manko des vierten Artemis-Fowl-Romans Die Rache (The Opal Deception), die Ironie und der Witz, die bisher für Colfers Geschichten so typisch waren, kommen nur höchst selten zum Zuge. Das ist schade, denn da auf diese Weise z.B. die gewalttätigen Einsätze Butlers nicht mehr ironisch gebrochen werden, kommen sie überhaupt nicht mehr vor und das wirkt, als ob Colfer diesen Roman mit angezogener Handbremse geschrieben hätte. Vielleicht hängt dies mit der großen Popularität der Artemis-Fowl-Geschichten zusammen, eventuell fürchtet man, daß Colfers bisherige Erzählweise auf jüngere Kinder gewaltverherrlichend wirkt, weil sie die Ironie nicht verstehen. Das ist eine ehrenwerte Vorgehensweise, aber sie nimmt der Story einen Teil ihres besonderen Charakters und macht aus Artemis Fowl – Die Rache einen “normalen” Fantasykrimi mit Science-Fiction-Anteil. Außerdem verdichten sich die Hinweise, dass Artemis dem Verbrechen völlig entsagen und sein Talent ausschließlich im Dienste des Guten ausüben will. Bitte nicht.

Artemis Fowl: Die verlorene Kolonie von Eoin ColferCaptain Holly Short ist alles andere als zufrieden mit ihrer Privatdetektei, die sie mit ihrem ehemaligen Gegner, dem verdauungswütigen Zwerg Mulch Diggums, betreibt. Seit sie die ZUP, die unterirdische Polizei von Erdland, verlassen hat, hat sie nur noch mit kleinen Fischen zu tun. Hollys Hilfe wird jedoch benötigt, als der Zeitstrom, in dem sich die Insel der Dämonen befindet, zusammenzubrechen scheint. Dadurch würden die Dämonen in alle möglichen Welten zerstreut werden. Unangenehm für die Erde, denn die Dämonen meinen, noch eine Rechnung mit der Menschheit offen zu haben, und das Auftauchen von Dämonen an der Erdoberfläche hat bereits begonnen …

-Holly Shorts Karriere als unterirdische Privatdetektivin entwickelte sich nicht wie geplant. Das lag vor allem daran, dass Erdlands beliebteste Fernsehshow in den letzten Monaten gleich zwei Sondersendungen über sie gebracht hatte. Es war nicht einfach, als verdeckte Ermittlerin zu arbeiten, wenn das eigene Gesicht dank der zahllosen Wiederholungen ständig über den Bildschirm flimmerte.-
Kapitel 2 – Doodah Day

Endlich ist er da, der neue Artemis Fowl, und kaum habe ich den fünften Band Die verlorene Kolonie (The Lost Colony) im Buchladen gesehen, habe ich direkt mein restliches Geld auf die Kasse gelegt und das noch recht frische Exemplar gekauft. Nun, direkt das erste Kapitel enttäuschte mich. Zu Anfang fühlt man sich an Kapitel Eins des ersten Fowl-Bandes erinnert: Artemis und sein stets wachsamer Leibwächter Butler halten sich in einer erhitzen, altertümlichen Stadt im Hochsommer auf – diesmal ist Barcelona dran, und zunächst können wir nichts weiter als mit Butler leiden: wir haben keine Ahnung, wovon Artemis spricht. Er “wartet auf etwas”, leider verschweigt er Butler schon die ganze Zeit über, worum es sich dabei handelt, und nach kurzer Zeit nervt dies schon. Es sorgt nicht sonderlich für Spannung, dass es einige Seiten lang so weiter geht. Und dann taucht aus einem Lichtstrahl plötzlich ein verdutzter Dämon auf, verschwindet wieder und reißt Artemis mit in einen Zeitenstrom. Butler kann Artemis nur mit Glück und großem Zufall retten. Zuvor aber reist Artemis mit dem Dämon durch die Zeit und trifft dabei kurz auch noch den berühmten Architekten Gaudí und hinterlässt seine Spuren an der Casa Milà. Das ist nicht witzig, finde ich, und Eoin Colfer hat dieses erste Kapitel wirklich vollkommen verbraten. Vor allem, da diese Zeitreise Artemis mehr als zufriedenstellt, aber Butler immer noch zu großen Teilen im Unklaren lässt.

Ab dem zweiten Kapitel findet Colfer wieder in die alten und geliebten Höhen seiner Fowl-Romane zurück, und das alte Gefühl ist wieder da. Zwischen Mulch und Holly besteht weiterhin eine Art Hassliebe à la Spock & McCoy aus Star Trek, und der folgende Teil des Buches bleibt weiterhin eine angenehme Mischung aus Spannung, High-tech und Sarkasmus, der schön über das Buch gestreut ist. Die alte Stimmung bleibt zum großen Teil erhalten. Doch storymäßig wackelt es stellenweise sehr. Eine Art weibliche Ausgabe von Artemis Fowl, die junge Minerva Paradizo, hat selbst etwas über die Welt der Dämonen herausbekommen und wünscht diese zu vernichten. Zwar ist die Auseinandersetzung zwischen ihr und Artemis spannend und interessant gestaltet, aber dennoch kommt uns all dies bekannt vor: noch ein hochbegabtes Kind, das in das Geschehen der Nichtmenschen eingreift. Es ist, als kämpfte der junge Artemis Fowl gegen sein nicht sehr originell gestricktes Spiegelbild.

Zudem ist wenig von dem alten, unsympathischen, fast abstoßenden Fowl übrig geblieben: diesmal handelt Artemis nur aufgrund seines “Gewissens”, es geht ihm nicht einmal um Geld. Das mag für Holly und ihre Konsorten erstaunlich und moralisch richtig wirken, doch die Figur wird dadurch eher weniger interessant. Artemis Fowl war immer ein Schlitzohr, ein bisschen Verbrecher steckte immer in ihm, selbst wenn er stets auf der Seite des Guten stand. Dieser Zwiespalt machte den gewissen Reiz von Artemis Fowl aus, der leider von Buch zu Buch immer weiter ausgemerzt wurde. Letztendlich scheint aus Artemis doch ein richtiger Held geworden zu sein. Ein Genie und verrückt vielleicht, aber dennoch ein gewissenhafter Held. Den Ganoven in ihm vermisst man hingegen sehr, der Irrsinn der Figur, ihr inneres Feuer, scheint erloschen. Dies war der Grund, warum ich das Geschehen um Holly und Butler viel lieber verfolgt habe als die Geschichte um Artemis und Minerva. Und ab dem dritten Viertel des Buches wird endgültig klar: das ist nicht mehr Artemis Fowl, wie man ihn kennt. Dass weiterhin Spannung herrscht und Eoin Colfers großartiger Humor wie immer zu begeistern weiß, ist nicht zu verleugnen. Aber wie schon gesagt: je näher das Buch auf sein Finale zusteuert, desto mehr geht die Fowl-Atmosphäre verloren.

Ein schlechtes Buch ist Artemis Fowl: Die verlorene Kolonie ganz bestimmt nicht. Aber das missratene Finale bringt ihm weitere Minuspunkte ein. Um dem Leser nicht die Spannung zu rauben, nehme ich keinen direkten Bezug auf den Inhalt. Insgesamt würde ich jedoch sagen: es war zuviel. Weniger wäre in diesem Falle mehr gewesen, Qualität hätte vor Quantität stehen müssen.
Artemis Fowl bleibt dennoch in meinen Augen eine gelungene Buchreihe, und auch den fünften Band habe ich sehr gerne gelesen. Er mag zwar gewisse Ecken und Kanten haben, von denen einige wirklich unsanft auffallen, aber dennoch war es eine Lektüre, die mich entspannt und zurück in eine andere Welt geführt hat, allein schon aufgrund Colfers humorsprühender, sarkastischer Sprache.
Ich hätte nicht mehr erwartet, sondern eher weniger Beliebigkeit, die in diesem Buch vorrangig ist.
Fans der Fowl-Reihe würde ich das Buch dennoch empfehlen, es ist wirklich nicht zu verachten. Doch die ungewohnten Neuheiten in Artemis’ Welt sind nicht einfach aufzunehmen.

Cover von Die Verschwörung von Eoin ColferCaptain Holly Short ist strafversetzt worden und muss jetzt einen Druckaufzugsschacht beobachten, der kaum benutzt wird. Ein total langweiliger Job – bis sie und ihr Kollege von Schmugglern angegriffen werden. Offensichtlich haben sich Menschen mit verbrecherischen Unterirdischen verbündet, mit den B’wa Kell, einer Art Kobold-Mafia. Holly hat sofort Artemis Fowl im Verdacht.
Doch den plagen im Moment ganz andere Sorgen. Es verdichten sich die Hinweise, dass die russische Mafia seinen Vater entführt hat.
Holly und Artemis schließen einen Vertrag…

-Im Alter von dreizehn Jahren wies unser Untersuchungsobjekt Artemis Fowl Zeichen einer Intelligenz auf, die größer war als die sämtlicher Menschenwesen seit Wolfgang Amadeus Mozart.-
Artemis Fowl: Ein psychologisches Gutachten, Die Jugendjahre

Artemis Fowl: Die Verschwörung (The Arctic Incident) ist noch tempo- und spannungsreicher als der erste Teil und ebenso humorvoll. Die Handlung ist so dicht, dass dem Leser kaum Zeit gelassen wird, Atem zu holen. Doch trotz aller Action, vernachlässigt Colfer nicht die Darstellung der Charaktere. Es wird immer deutlicher, dass Artemis durchaus nicht soooo skrupellos ist, wie er es selbst gern wäre. Zwar wird dem Leser noch vor dem Prolog mitgeteilt, dass er eine Reihe von Verbrechen begangen hat, aber im Roman benimmt er sich kooperativ, er steht auf der richtigen Seite und schließlich ist es bestimmt nicht ehrenrührig, seinen eigenen Vater aus der Hand von Entführern zu befreien. Über seinen Vater sagt Artemis übrigens mehrmals, dass er zwar einige illegale Dinge getan hat, aber trotzdem ein Ehrenmann ist. Es sieht ganz so aus, als ob die männlichen Mitglieder der Familie Fowl sich langsam aber sicher zu edlen Verbrechern á la Robin Hood entwickeln.
Sogar Holly, die ja bisher glaubte, alles Übel in der Welt käme von Artemis Fowl, entdeckt an dem Jungen einige positive Charakterzüge.

Wieder dabei sind auch der kampferprobte Butler, der harte aber herzliche Commander Root, Zentaur Foaly, den sein Humor auch in der prekärsten Situation nicht verlässt, die Offiziere Kelp, die leider nur kurze Auftritte haben und Meisterdieb Nummer 2 Mulch Diggums, der seine Umwelt immer noch mit seinen Abgasen belästigt.

Ash

Ash von Malinda LoAisling, genannt Ash, wächst wohlbehütet in dem Landhaus ihrer Eltern auf, bis ihre Mutter eines Tages sehr plötzlich erkrankt und stirbt. Der Vater bringt wenig später eine neue Ehefrau samt zweier Stiefschwestern nach Hause. Als kurz darauf auch Ashs Vater stirbt, bleibt das Mädchen mit ihrer Stiefmutter und den Stiefschwestern alleine zurück und wird zur Dienstmagd erklärt, die die angeblichen Schulden ihres Vaters abarbeiten soll. Den einzigen Trost in diesem traurigen Leben bietet ihr die Welt der Feen und Geister.

– Aisling’s mother died at midsummer. She had fallen sick so suddenly that some of the villagers wondered if the fairies had come and taken her, for she was still young and beautiful. She was buried three days later beneath the hawthorn tree behind the house, just as twilight was darkening the sky. –
Part One, The Fairy, S. 1

Ash ist der Versuch, das allseits bekannte Märchen von Aschenputtel neu aufzugreifen und mit alten Mythen und Legenden zu verknüpfen. Im ersten Moment erwartet man daher eine neuartige Aschenputtel-Geschichte und es gibt sie tatsächlich, die Parallelen, doch die Ausarbeitung enttäuscht und vermag letzten Endes leider nicht zu überzeugen. Während der Sprachstil dieses Romans eigentlich recht flüssig und malerisch daherkommt, wird die Story durch langweilige Nebenerzählungen zu einem zähen Gemisch von Mythen, dem Dahinvegetieren eines depressiven Teenagers und immer wieder eingeworfenen Anekdoten aus der Feenwelt, die so gar nichts Magisches oder Märchenhaftes an sich haben.

Wie schon in anderen Büchern, die versucht haben, eine Brücke zwischen Feenland und unserer Welt zu schlagen, wird die Melancholie der Protagonisten zu einem Stolperstein und so zieht sich in diesem kurzen Roman die Handlung unendlich langsam und belanglos dahin. Malinda Lo schafft es trotz ihrer Bemühungen nicht, diesem alten Märchen neues Leben einzuhauchen, trauriger noch, sie schafft es nicht einmal das Märchen zu bewahren und erzählt schlicht in leicht abgewandelter Form nach, ohne den Zauber transportieren zu können. Obwohl das Buch kaum 300 Seiten zu bieten hat, kommt es bis zum Schluss nicht in Fahrt und dümpelt entsprechend träge vor sich hin.

Auch die Charaktere vermögen den Leser nicht zu fesseln. Sie sind blass und oberflächlich gezeichnet, ihre Motivationen und Reaktionen wirken oft unglaubwürdig oder einfach nur unüberlegt, manchmal geradezu nervtötend dumm. Was ihnen fehlt, ist ein wenig Tiefgang und Dynamik. Ash wirft einmal mehr die Frage auf, weshalb Feen in solchen Büchern derart bewundert werden, wie sie als fröhliches, feierndes Volk bezeichnet werden können und gleichzeitig so entsetzlich motivations- und freudlos dargestellt werden. Es spricht ja nun nichts gegen einen ruhigen Erzählstil, doch in diesem Fall hat es die Autorin mit der Ruhe etwas zu gut gemeint.

Einen Versuch, Innovation zu zeigen, unternimmt die Autorin, indem sie das typische Aschenputtel-trifft-Prinz in ein Aschenputtel-trifft-Prinzessin umwandelt. Für einen Jugendroman zumindest mal ein etwas ungewöhnlicherer Ansatz und sicherlich auch positiv zu bewerten, wenn es darum geht, dadurch die Aufgeschlossenheit junger Leser gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe zu fördern. Aber auch dieser Aspekt bleibt wieder ohne atmosphärische Ausarbeitung und reiht sich unauffällig in die allgemein blasse Erzählung ein.
Sehr schade, denn die Idee klingt beim Lesen des Klappentextes erst einmal verlockend und auch die wirklich schöne Aufmachung des Buches ließ Großes hoffen, so jedoch eignet sich Ash lediglich als optisches Schmankerl im Buchregal.

Ash von Malinda LoAisling, genannt Ash, wächst wohlbehütet in dem Landhaus ihrer Eltern auf, bis ihre Mutter eines Tages sehr plötzlich erkrankt und stirbt. Der Vater bringt wenig später eine neue Ehefrau samt zweier Stiefschwestern nach Hause. Als kurz darauf auch Ashs Vater stirbt, bleibt das Mädchen mit ihrer Stiefmutter und den Stiefschwestern alleine zurück und wird zur Dienstmagd erklärt, die die angeblichen Schulden ihres Vaters abarbeiten soll. Den einzigen Trost in diesem traurigen Leben bietet ihr die Welt der Feen und Geister.

– Aislings Mutter starb mitten im Sommer. Sie war so plötzlich erkrankt, dass im Dorf schon gemunkelt wurde, die Feen hätten sie geholt, denn sie war noch jung und schön gewesen. Drei Tage später, bei Anbruch der Abenddämmerung, wurde sie unter dem Rotdornbaum hinter dem Haus beerdigt. –
Prolog, S. 7

Zu Ash liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Assassin's Curse von Cassadra Rose ClarkeAnanna von den Tanarau ist eine Piratin und Tochter eines hochgestellten Kapitäns. Ihr Leben lang träumte sie davon, eines Tages selbst Kapitänin eines Schiffes zu sein. Als ihre Eltern jedoch entscheiden, sie mit dem Sohn eines anderen Piratenkapitäns zu verheiraten, brennt die junge Frau an ihrem Hochzeitstag kurzerhand auf einem gestohlenen Kamel durch. Im Stolz verletzt schickt die Familie ihres Verlobten einen Assassinen aus, um Ananna zu töten. Doch es kommt alles ganz anders, als sie dem Auftragsmörder versehentlich das Leben rettet und damit einen alten Fluch auslöst, der Ananna und den Assassinen aneinander bindet.

– I ain’t never been one to trust beautiful people, and Tarrin of the Hariri was the most beautiful man I ever saw. (…) Golden skin and huge black eyes and this smile that probably worked on every girl from here to the ice-islands. I hated him on sight. –
Kapitel 1

The Assassin’s Curse ist der Debütroman der Autorin Cassandra Rose Clarke, die gleich in ein ungewöhnliches Setting eintaucht. Piraten auf hoher See treffen auf die Wüste des historischen Orients, wo man wiederum auf Ninja-mäßige Assassinen treffen kann, wenn man Pech hat. Ein wilder Mix von Inhalten und Persönlichkeiten, der jedoch gut funktioniert und sich von den üblichen Handlungsorten klassischer Fantasy positiv abhebt. Dieses Buch mutet an wie ein Crossover von Fluch der Karibik, Prince of Persia und Assassin’s Creed.

Man darf sich dabei über ein subtiles Magiesystem freuen, über Erdmagie, Wassermagie und vor allem die dunkle Blutmagie der Assassinen. Subtil deswegen, weil sich nicht alle Probleme durch Magie lösen lassen und sie eher ein Hilfsmittel im Hintergrund darstellt. Perfekt ausgereift ist das Ganze noch nicht, und bisher steht vor allem die Blutmagie im Vordergrund, doch das Potential ist da und lässt darauf hoffen, dass Band 2 dieser Reihe, The Pirate’s Wish, hier noch mehr ins Detail gehen und die restlichen Magiearten weiter ausarbeiten wird.

Was die Charaktere angeht, so sind diese im doppelten Sinne nicht perfekt. Ananna ist eine starke Frauenfigur, die man im heutigen Jargon mit “kickass” beschreiben würde. Sie weiß, was sie will, sie weiß nicht genau, wie sie es kriegt, aber wie sie es nicht erreichen kann, ist ihr stets klar, und entsprechend praktisch handelt sie. Sie ist bewaffnet mit Dolch, Schwert, schlagfertigem Mundwerk und kann sich mit Fäusten wehren. Auf der anderen Seite ist Ananna aber keine unverwundbare, perfekt gezeichnete Superheldin, die nicht gelegentlich auch mal schwache Momente hätte. Ihre Entscheidungen sind nicht völlig makellos, sie macht ihre Fehler, manchmal wirkt sie dabei etwas zu egoistisch und gedankenlos, andererseits … sie ist Piratin. Taktgefühl und Höflichkeit sind vermutlich nichts, was man auf einem Piratenschiff beigebracht bekommt.
Naji, der Assassine, ist Anannas Gegenteil. Er kommt einem wie ein magisch bewanderter Ninja vor, der sich unsichtbar durch Schatten bewegen kann und der nicht so eiskalt mordet, wie man von einem Assassinen erst einmal erwarten würde. Tatsächlich erinnern er und sein Orden ein wenig an Assassin’s Creed (s.o.), dessen Auftragskiller auch nicht so richtig blutrünstig sind und eher als Instrumente politischer Geplänkel benutzt werden, während sie darüber hinaus auch eine menschliche Seite haben und von eigenen Beweggründen getrieben werden. Naji ist der klassische Eigenbrödler mit einem gut gehüteten Geheimnis (vielleicht auch zwei oder drei …) , der von einer dunklen Aura umgeben wird und die gefürchtete Blutmagie beherrscht. Irgendwo in ihm aber versteckt sich auch noch ein Hauch kindlicher Verwundbarkeit, die ab und an aufblitzt und Naji Menschlichkeit verleiht.
Zusammengenommen sind Clarkes Charaktere durchaus sympathisch, vor allem weil sie nicht vollkommen sind und gerne mal aus stereotypen Rollen ausbrechen. Sie sind aber auch noch nicht völlig ausgereift und bieten genügend Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln.

Wenn es nun einen männlichen und einen weiblich Protagonisten gibt, die unfreiwillig zusammengewürfelt werden, ist natürlich zunächst auch schnell klar, wo das vermutlich mal enden wird. Auf der Pro-Seite steht dabei immerhin, dass das Abenteuer, die Aufgabe den Fluch zu brechen, im Vordergrund steht und die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Ananna und Naji sich mehr nebenbei und nur sehr langsam einschleicht. Es wird zwischen den beiden nie zum Thema, was und ob überhaupt sie füreinander empfinden, man kann lediglich erahnen, was sich höchst wahrscheinlich entwickeln wird. Die Schmachtalarm-Glocke braucht man für dieses Buch erst einmal nicht, und so kann man sich in Ruhe an dem ungewöhnlichen Setting erfreuen.

Um die größten Mängel dieses Romans aufzuzählen: die Sprache hinkt oft ein wenig und kann sich nicht ganz entscheiden zwischen modern und historisch. Oft fallen Begriffe wie “bullshit”, “fuck off” und dergleichen, was in diesem Zeitkontinuum leider völlig fehlplatziert wirkt. Des weiteren war der Verlag bei der Korrektur nicht sehr ordentlich und hat etliche Rechtschreib- und Satzfehler übersehen bis hin zu einem Buchstabendreher im Namen. Gerade im letzten Drittel des Buches fällt das verstärkt auf, als wäre den Korrektoren die Lust ausgegangen.

Trotz einiger typischer Anfängerschwächen in The Assassin’s Curse überwiegen letzten Endes die positiven Eigenschaften. Wer mal wieder mit Piraten reisen oder Wüsten durchqueren will und einem Jugendbuch nicht gänzlich abgeneigt ist, der kann nicht viel verkehrt machen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Fortsetzung an die starken Elemente anzuknüpfen weiß und diese weiter ausbauen wird.

Drachologie: Aufspüren und zähmen von Ernest DrakeIn Ein Kurs für Drachenforscher: Aufspüren und zähmen (Tracking and taming dragons) aus der Reihe Drachologie (Dragonology), erfährt der Leser, wie der Titel schon verrät, wie man einen Drachen aufspüren und zähmen kann. Geschildert und bebildert von dem fiktiven Autor und Drachenforscher Ernest Drake, erfährt man alles über die verschiedenen Erkennungsmerkmale, Spuren und den korrekten Umgang mit Drachen.

– Die Fertigkeit, sich so gut zu tarnen, dass man praktisch unsichtbar ist, rettete schon vielen Drachenforschern das Leben. –
Drachologie: Aufspüren und Zähmen, S. 7

Mit diesem Titel bringt der Verlag Ars Edition einmal mehr ein fantastisches Bucherlebnis auf den Markt. Nicht nur, weil es den Eindruck vermittelt, dass es tatsächlich Drachen gibt, sondern auch weil es so eindrucksvoll aufgemacht wurde. Während das Cover noch relativ unspektakulär wirkt, geht es im Buchinnern überaus Nostalgie erweckend zur Sache.
Klappt man das Buch auf, so findet man zunächst eine Mappe statt eines Buches. Links steckt das eigentliche Büchlein in einer Seitenlasche, die rechte Seite wird von einer Art Kuriertasche eingenommen, in der sich das Modell eines europäischen Drachen zum Zusammenstecken befindet.

Das Büchlein selbst bietet zwar nur magere 24 Seiten und ist in kurzer Zeit gelesen, doch die liebevollen Illustrationen halten einen mit ihren humorvollen Details auf jeder Seite fest, angefangen bei den Seiten selbst, die wie vom Alter gezeichnet wirken und zum Teil mit einem Foto alter Buchecken hinterlegt wurden, sodass sie wie ein altes, zerknittertes Tagebuch erscheinen. Das Papier der Seiten wirkt auch optisch wie das ungestrichene Papier eines vergilbten Skizzenbuchs.

Die Illustrationen sind, schlicht gesagt, herzallerliebst, strotzen nur so vor kleinen Details, die sich oft im Hintergrund abspielen, und sie sind zum Brüllen komisch. Neben den passenden satirischen Kommentaren sind es vor allem diese Illustrationen, die den Leser regelmäßig schmunzeln lassen. In schwarzbrauner Tusche mit Aquarell gehalten, liegt die eigentliche Wirkung der Zeichnungen dabei eindeutig auf den herrlich amüsanten Gesichtsausdrücken oder Gesten der Drachen. Hin und wieder werden kleine Besonderheiten auch mal farbig koloriert. Diese gesamte Farbgebung sorgt ebenfalls dafür, dass man während der Lektüre den Eindruck hat, ein händisch angefertigtes Forschungsbuch vor sich zu haben.

Zum Schluss steht es einem nun frei sich seinen persönlichen Drachen zusammen zu setzen und an die Zimmerdecke zu hängen. Das beigefügte Modell erwies sich als überraschend gut verarbeitet und aus stabilem Karton, wodurch es auch optisch aufgewertet wird und mit seinem Gewicht nicht labberig in der Gegend herum flattert. Auch hier wieder wunderbar gezeichnet und ausgearbeitet, besitzt es mit den gesetzten Highlights in goldener Farbe sogar ein wenig schuppigen Glanz (der leider auf den Fotos verloren geht).

Drachologie: Aufspüren und zähmen (Modell)
© moyashi

Interessierte Drachenforscher wird es vielleicht erfreuen zu hören, dass weitere Bücher in dieser Reihe erschienen sind. Neben einem großen Sammelband, der gleich mehrere Drachenmodelle enthält, wurde auch dem Frostdrachen ein eigener Band gewidmet.

Eragon: Der Auftrag des Ältesten von Christopher PaoliniNach der zunächst siegreichen Schlacht bei Farthen Dûr, bei der Eragon schwer verletzt wurde, ereilt die Varden ein weiterer Schicksalsschlag: Murthag, Ajihad und die magiebegabten Zwillinge werden von einer versprengten Urgal-Truppe überrascht und getötet. Ajihads Tochter Nasuada wird nach inneren Machtkämpfen die neue Anführerin, doch viel Zeit bleibt nicht: Galbatorix weiß nun von dem Versteck der Varden, sie müssen nach Surda fliehen. Gleichzeitig wird Eragon zu den Elfen nach Ellesméra geschickt um seine Ausbildung als Reiter zu vollenden. Auch in Carvahall spitzt sich die Lage zu, denn Roran, das einzige noch lebende Familienmitglied von Eragon, ist ins Visier von Galbatorix geraten.

– Die Lieder der Toten sind das Wehklagen der Lebenden. So dachte Eragon, als er über den verrenkten Leichnam eines Urgals hinwegstieg und das Wimmern der Frauen hörte, die ihre toten Männer und Söhne vom blutdurchtränkten Boden Farther Dûrs aufhoben. –

Zu Der Auftrag des Ältesten liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Das Auge der Seherin" von Victoria HanleyVon den Kindern Königin Dreeas hat nur eine Tochter, Prinzessin Torina, überlebt.  Ihr Mann, König Kareed, hat soeben Bellandra erobert und dessen König getötet. Landen, den Prinzen, hat er mitgebracht und schenkt ihn Torina als Sklaven, die ihn frei lässt. Torina erhält außerdem eine Kristallkugel, mit der sie in die Zukunft sehen kann. Die Kinder freunden sich an, doch als sie heranwachsen, wird die Beziehung kühler. Die Prinzessin verliebt sich in Vesputo, einen Hauptmann ihres Vaters, der geeignet scheint, Thronfolger zu werden. Die Hochzeit steht kurz bevor, als König Kareed ermordet wird. Landen flieht und Vesputo schickt ihm Häscher hinterher. Torina ist erschüttert, sie hat die Tat in ihrer Kugel gesehen, ohne es verhindern zu können. Nun ist auch sie in Gefahr.

-Auf Archeld, dem Schloss des Königs, saß Dreea, die Königin, und webte. Im ganzen Königreich pries man die ausdrucksvollen Muster ihrer Teppiche. Sie zeugten von einer verhaltenen Leidenschaft, die sich jedoch nie in Mimik oder Stimme der Königin verriet.-
1. Kapitel

Das Auge der Seherin (The Seer ans the Sword) ist ein packender Abenteuerroman, den nur Torinas Kristallkugel und ein besonderes Schwert zu einem Fantasyroman machen und genau das ist auch der Grund, warum diese Geschichte so gut und so spannend ist. Es gibt keine Helden, die mit Zauberkräften begnadet sind, die sie bei jeder passenden Gelegenheit siegreich einsetzen können und deshalb gibt es auch nicht diese unsäglich einfallslosen Episoden, in denen irgendeine gar schreckliche Gefahr plötzlich aus dem Busch springt, die der Held umgehend ohne viel Federlesens beseitigt, worauf die nächste Gefahr um die Ecke prescht und so weiter, bis das Böse vernichtet ist.

Torina sieht nur, was die Kristallkugel ihr gestattet zu sehen. So ist es ihr unmöglich, ihr eigenes Schicksal vorauszusehen. Die Kristallkugel zeigt ihr auch nicht, was Torina selbst erkennen könnte, wenn sie ihre Umwelt nur genau beobachten und richtig beurteilen würde und wenn die Prinzessin dann tatsächlich drohendes Unheil voraussieht, dann ist es keineswegs sicher, dass sie es auch verhindern kann, manchmal gelingt es ihr und manchmal nicht, dies macht die Geschichte so außerordentlich spannend. Außerdem trägt zur Spannung bei, dass Frauen und Männer, die Helden und die Schurken einander ebenbürtig sind. Torina ist genauso mutig und intelligent wie die Männer, so dass man hoffen darf, dass sie sich auch aus aussichtslos erscheinenden Situationen retten kann und man muss immer fürchten, dass der gerissene und skrupellose Bösewicht die Oberhand behält.

Es gibt Tote in diesem Buch und eine Szene ist durchaus fragwürdig, aber die Gewalt sprengt nicht den Rahmen dessen, was zu einem zünftigen Abenteuerroman nun einmal dazugehört, im Gegenteil: Das von Kaared zerstörte Königreich und dessen König werden als vorbildlich dargestellt, denn Bellandra war ein friedliches Land, in dem die Kampfkünste nur als Sport geübt wurden, in dem die Menschen glücklich lebten und wo es keine Kriege gab.
Es gibt kein Schlachtgemetzel in diesem Buch und ein bevorstehender Krieg wird durch eine List abgewendet, die nur wenige Menschenleben kostet.
Die Romantiker unter den jungen Lesern dürfen sich auf eine kleine Liebesgeschichte freuen, die glücklicherweise nicht vor Kitsch trieft. Ein- oder zweimal hat man das Gefühl in einen Robin-Hood-Film geraten zu sein, z.B. beim furiosen Showdown, aber auch diese Szenen steigern die Spannung und sind keine platten, ärgerlichen Plagiate.

Cover von Das Auge des Golem von Jonathan StroudNathanael ist mittlerweile vierzehn Jahre alt, seine neue Lehrmeisterin ist Sicherheitsministerin in Devereauxs Kabinett. Er selbst hat sich bald so viel Wissen angeeignet, daß er seine erste Anstellung als Assistent des Leiters der Abteilung für Innere Angelegenheiten antreten kann. Er soll die Widerstandsbewegung zerschlagen, die die Herrschaft der Zauberer bekämpft. Nach einem Attentat auf den Premierminister ist nun ein besonders brutaler und verheerender Anschlag verübt worden. Sämtliche Mitglieder des Kabinetts verdächtigen die Gewöhnlichen, doch Nathanael hat einen anderen Verdacht. Allein kann er seine Vermutung nicht beweisen und da er unter den Zauberern keinen Verbündeten findet, bleibt ihm keine andere Wahl: er muß Bartimäus beschwören.

– »Klar habe ich damit gerechnet, dass mich eines Tages wieder irgendein Schwachkof mit spitzem Hut beschwört, aber doch nicht derselbe wie beim letzten Mal!” Er zog einen Flunsch. “Ich trage keinen spitzen Hut!« –
Bartimäus (10)

Er ist selbstverliebt, eitel, arrogant, ironisch, sarkastisch, süffisant, makaber, beleidigend – und stinksauer, daß ihn derselbe Schwachkopf wie beim letztenmal beschworen hat. Kurz und gut: Bartimäus ist zurück und er ist liebenswert wie eh und je. So grummelig, muffelig und bösartig kann sich der Dschinn gar nicht geben, als daß man nicht früher oder später merken würde, daß die rauhe Fassade nur dazu dient, Bartimäus’ goldenes Herz zu verbergen, das er ohne Zweifel auf dem rechten Fleck hat. Wenn er sich zu der einen oder anderen kleinen Grausamkeit hinreißen läßt, dann nur, weil er Nathanael unbedingten Gehorsam zu leisten hat. Und Nathanael ist erstaunlicherweise derjenige, der in diesem Roman einige Sympathiepunkte einbüßt. Auch Nathanael ist arrogant und eitel, aber ohne Bartimäus’ rauem Charme und Witz. Sein Ehrgeiz ist maßlos, er bricht seine Versprechen und scheint sich langsam zu einem Zauberer wie all die anderen zu entwickeln. Das ist wahrlich kein Kompliment, denn die meisten Zauberer haben einen eher unangenehmen Charakter und außerdem wirkt das von Zauberern beherrschte Großbritannien mehr und mehr wie eine Diktatur. Man muß Nathanael allerdings zugute halten, daß er es schwer hat, weil er der Jüngste im Ministerium ist und immerhin meldet sich noch sein Gewissen. Man darf also hoffen, daß er sich richtig entscheiden wird, wenn er eines Tages zwischen Gut und Böse wählen muß.
Überraschenderweise tritt in diesem Roman eine andere Person auf, die dem Leser von Seite zu Seite sympathischer wird. Das ist ausgerechnet Kitty, die zu den jugendlichen Widerstandskämpfern gehört. Sie ist mutig, besitzt ein ungetrübtes Urteilsvermögen und läßt ihre Freunde nicht im Stich.

Bartimäus – Das Auge des Golem (The Golem’s Eye) lebt von seinen originellen und individuell gezeichneten Protagonisten, die ihre Ecken und Kanten haben und keine 08/15-Fantasy-Stereotypen sind. Aber natürlich kommt auch die Spannung nicht zu kurz. Ein seelenloses Ungeheuer macht London unsicher, das sich zielsicher und unbeirrbar seinen Weg bahnt, dabei eine Spur der Verwüstung hinter sich herzieht und jeden tötet, der sich ihm in den Weg stellt. Nathanael muß bis nach Prag reisen, mit seinen engen Gassen und alten Friedhöfen, um Hinweise zu finden, wie man ihm das Handwerk legen kann. Dann fängt auch noch ein übergeschnapptes Gerippe an, sein Unwesen in London zu treiben – und das ist keineswegs so lustig, wie es sich anhört. Es sieht sogar aus, als ob Bartimäus Nathanael nicht die vereinbarten sechs Wochen dienen muß, denn wenn der Zauberer, der ihn beschworen hat, stirbt, ist der Dschinn frei…

Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen von Rick RiordanEin Jahr ist vergangen, seit Percy Jackson das letzte Mal im Camp Half-Blood war, und nur noch ein einziger Tag trennt ihn davon, ein ganzes Jahr lang nicht von einer Schule geflogen zu sein. Doch selbstverständlich kommt die Freude zu früh und die Monster zerlegen pünktlich zum letzten Schultag mit Feuerbällen die Turnhalle und lassen Percy zusammen mit dem Straßenjungen Tyson zum Camp Half-Blood flüchten. Dort angelangt offenbart sich Percy nicht nur das Sterben von Thalias Baum und ein nunmehr ungeschütztes Camp, sondern auch ein Ersatz für Chiron und ein Halbbruder …

– Mein Alptraum fing so an:
Ich stand auf einer verlassenen Straße in einem kleinen Ort am Meer. –
Mein bester Freund geht ein Brautkleid kaufen

Zu Im Bann des Zyklopen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Battle of the Labyrinth von Rick RiordanDie Lage spitzt sich zu. Percy, Annabeth, Grover und Tyson bleibt keine große Verschnaufpause, denn ihr Erzfeind Luke hat einen neuen Plan, um das Camp Half-Blood zu vernichten und so den Weg zur Eroberung des Olymp freizumachen. Mit seiner Armee aus Monstern und Halbgöttern plant Luke durch das unterirdische Labyrinth in das Camp einzufallen. Doch unsere Helden scheuen natürlich wieder keine Gefahren, um Freunde und Götter zu verteidigen, stürzen sich mutig in das sagenumwobene Labyrinth des Minotauren und treffen auf Gegner, die stärker sind als alles bisher da gewesene.

– Nothing caps off the perfect morning like a long taxi ride with an angry girl. –
The underworld sends me a prank call, S.18

The Battle of the Labyrinth (Die Schlacht um das Labyrinth) beginnt geheimnisvoll mit vielen Andeutungen und zunächst nur halb verständlichen Wahrheiten. Allmählich zeichnet sich ab, dass ein Krieg zwischen Olymp und Titanen nicht zu vermeiden ist, und mittendrin stehen die Halbgötter und müssen sich für eine Seite entscheiden. Entsprechend düster ist auch die Grundstimmung des vierten Abenteuers von Percy Jackson & The Olympians, denn die Verluste in den eigenen Reihen mehren sich und hinterlassen einen bitteren Beigeschmack. Das wird vor allem in der zweiten Hälfte des Buches immer stärker deutlich. Doch Percy Jackson wäre nicht Percy Jackson, wenn er nicht auch noch im Angesicht des Todes einen kessen Spruch auf den Lippen hätte. So tritt der bisher lockere Humor zwar etwas weiter in den Hintergrund, auch dies fällt wieder besonders in der zweiten Hälfte auf, wird aber durch noch mehr zynischen und schwarzen Humor ersetzt. Für den Leser bleibt es also weiterhin zum Brüllen komisch, egal wie ernst die Lage ist.
Einzelne Inhalte von The Battle of the Labyrinth transportieren dementsprechend aber auch einiges an Tragik und genügend Gründe für einen Moment des Bedauerns. Nicht nur die Protagonisten werden älter und plagen sich neben der Monsterjagd auch noch mit ganz alltäglichen Problemen eines Teenagers, auch die Themen werden erwachsener und ein wenig herausfordernder.

Anders als im Vorgänger The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) tauchen weniger neue Charaktere auf, das kommt den bereits bekannten Figuren zugute, deren Persönlichkeiten weiter ausgebaut werden oder eine größere Rolle als bisher einnehmen dürfen. Einen neuen Charakter gibt es aber, der sowohl tragend für diesen vierten Band ist, als auch interessante neue Entdeckungen offenbart. So laufen in The Battle of the Labyrinth verdächtig viele rote Fäden zusammen und sorgen für Aha!-Effekte.

Inhaltlich treten ebenfalls wieder verstärkt mythische Gestalten auf und man darf mit Freude feststellen, dass die Monster nun endgültig dazu gelernt haben. Sie fallen nicht nur nicht mehr auf die alten Tricks herein, nein – sie machen sich auch mit ironischer Selbstverständlichkeit darüber lustig, wenn man das Thema anspricht. Wenn man der Sphinx beispielsweise vorwirft, die gestellte Aufgabe sei aber nicht das Rätsel aus Ödipus’ Begegnung mit ihr, so antwortet sie hochnäsig, das sei eben der Grund, weshalb sie sich etwas neues einfallen lassen musste. Dieses neu Eingefallene sorgt dabei beim Leser für Lachtränen, doch die Details sollte jeder für sich selbst entdecken und werden hier nicht verraten.

Rick Riordan hat mit The Battle of the Labyrinth eine rundum stimmige Erzählung geschaffen und konnte wieder einige Schwächen aus den Vorgängern weiter verbessern. Auch verlagert er die Handlung aus der gewohnten Welt in ein unterirdisches Labyrinth, welches überall und nirgends mit der eigentlichen Welt verbunden ist. Die Dimensionen verschwimmen und Tunnelgänge funktionieren wie Wurmlöcher. Das Einzige, was The Battle of the Labyrinth fehlt, ist der obligatorische Minotaur, auf den man nach den Ereignissen in The Lightning Thief (Diebe im Olymp) trotz Labyrinth verzichten muss.

Unter dem Strich ist der vierte Band dieser Buchreihe etwas ruhiger und manchmal trauriger, dann aber doch wieder sehr humorvoll und auf jeden Fall eine Fortsetzung mit inhaltlich gestiegener Qualität. Das Buch spielt fast ausschließlich im Labyrinth und lässt ein wenig Abwechslung vermissen, bringt die einzelnen Handlungsstränge der Vorgänger dafür aber erstmals deutlich zusammen und lässt auf ein spannendes Finale hoffen.

Cover von Das Bernstein-Teleskop von Philip PullmanMrs Coulter hält Lyra in einer Höhle im Himalaya gefangen. Sie versetzt das Mädchen mittels Drogen in einen permanenten Tiefschlaf. Lyra träumt von Roger, der sich im Land der Toten aufhält und sie um Hilfe anfleht.
Zur gleichen Zeit begibt sich Will auf die Suche nach seiner Freundin. Doch noch ein anderer ist unterwegs: Pater Gomez, der vom Geistlichen Disziplinargericht ausgeschickt wurde, um Lyra zu ermorden.

-In einem von Rhododendren überschatteten Tal nahe der Schneegrenze, durch das schäumend ein Bach mit grünem Schmelzwasser floß und unter dessen gewaltigen Pinien sich Tauben und Bergfinken tummelten, lag unter einer Felsnase, halb versteckt hinter den schweren, harten Blättern der Büsche, eine Höhle.-
Die verzauberte Schläferin

Wie die ersten beiden Bände so besticht auch Das Bernstein-Teleskop (The Amber Spyglass) durch seine Komplexität. Das Buch ist gespickt mit literarischen Anspielungen, aber diesmal ist es für den Leser nicht sonderlich schwierig herauszufinden, worauf Phillip Pullman sich bezieht, denn er gibt in seiner Danksagung zu, daß er Ideen aus jedem Buch gestohlen hat, das er gelesen hat und daß er sich besonders durch Kleists Über das Marionettentheater, durch Blakes Werke und durch Miltons Paradise Lost hat inspirieren lassen. Außerdem bezieht er sich auf die Bibel und auf die griechische Sagenwelt. Soviel für die Literaturinteressierten, die selbst nachlesen möchten, woher Pullman seine Ideen schöpft.
Man muß die Quellen aber nicht kennen, um die Geschichte zu genießen, wobei “genießen” eindeutig das falsche Wort ist. Der Schluß der Trilogie ist traurig. Es gibt zwar Hoffnung, doch kein Happy End. Großen Raum nimmt das Thema “Tod” ein, die Passagen die davon handeln sind oft düster und beklemmend. Das Bernstein-Teleskop ist völlig ungeeignet, wenn man an trüben Herbsttagen eine Lektüre sucht, um seine Stimmung aufzuheitern. Außerdem kann es religiöse Gefühle verletzen. Verschenken Sie die Trilogie also nicht ungefragt an jemanden, der einen strenggläubigen christlichen Hintergrund hat. Auch Anhänger anderer monotheistischer Religionen könnten sich verletzt fühlen. Diese Punkte tun der hervorragenden Qualität des Buches jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie tragen zu der Klasse der Geschichte bei. Der interessanteste Charakter ist Mrs Coulter. Bis zum Schluß fragt sich der Leser, ob sie Lyra der Kirche ausliefern wird oder ob sich in ihrer schwarzen Seele nicht doch so etwas wie Mutterliebe für ihr Kind regt. Besonders gelungen ist Pullman die Beschreibung der Welt der Mulefas, einer ungewöhnlichen Tierart. Hingegen stört es etwas, daß der Autor es sich nicht verkneifen konnte, seine Botschaft ziemlich plakativ an den Leser zu bringen. Wahrscheinlich war er sich nicht sicher, ob Kinder und Jugendliche die Moral von der Geschichte verstehen, wenn er sie nicht explizit ausspricht.
Das halbe Sternchen Abzug gibt es für die unnötige Darstellung von Grausamkeiten: Klippenalpe reißen einem Fuchs den Kopf ab, Mrs Coulters Dämon, der goldene Affe, zerreißt eine Fledermaus bei lebendigem Leibe und König Iorek frißt die Leiche eines seiner Freunde. All diese Episoden sind nicht motiviert, sie sind weder für den Fortgang der Handlung nötig, noch werden sie gebraucht, um die Protagonisten zu charakterisieren. Es gibt noch genug Gewaltszenen, die durch die Geschichte bedingt sind, so daß Pullman auf diese billige Effekthascherei gut hätte verzichten können.
Noch ein Hinweis: Wie mehrmals erwähnt, ist Das Bernstein-Teleskop der dritte Band einer Trilogie. Man kann die Geschichte nicht verstehen, wenn man die ersten beiden Bände nicht gelesen hat. Wenn Sie sich für diese Reihe interessieren, fangen Sie also bitte mit Der goldene Kompaß (Nothern Lights/The Golden Compass) an. Auch sollte man die Bücher ihrer Komplexität wegen relativ schnell hintereinander lesen. Läßt man sich dazwischen zu viel Zeit, kann es passieren, daß man den Faden verliert

Blutrote Schwestern von Jackson PearceScarlett und Rosie March sind seit dem Angriff eines Fenris-Wolfs in ihrer Kindheit gezeichnet. Ihre Großmutter, die Einzige, die sich je um sie gekümmert hat, wurde bei dem Angriff getötet, während Scarlett bei der Verteidigung ihrer kleinen Schwester schwer verwundet wurde und ihr rechtes Auge verlor. Seit jenem Tag ist sie besessen davon, jeden Fenris-Wolf zu töten. Zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Partner Silas macht sie des Nachts Jagd auf die Monster. Doch dann wird ihre Routine von einem besonderen Ereignis unterbrochen: Die Fenris-Wölfe haben einen Potentiellen gewittert, der zu einem von ihnen gewandelt werden kann. Die drei Jäger setzen alles daran, dies zu verhindern und den Potientellen vor den Wölfen zu finden.

– Er folgt mir. Wurde auch Zeit. (…) Ich täusche ein Zittern vor, als mir ein Windstoß durch die glänzenden Haare fährt. So ist es richtig … komm weiter, komm nur. Denk daran, wie brennend es dich nach meinem Fleisch verlangt. Denk daran, wie gut mein Herz dir schmecken wird. –
Kapitel 1, Scarlett March

Zu Blutrote Schwestern liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Die Brüder Löwenherz von Astrid LindgrenDer neunjährige Karl Löwe, genannt Krümel, ist krank. Aber erst als er zufällig seine Mutter belauscht, erfährt er, dass er bald sterben muß. Er wird traurig und bekommt furchtbare Angst. Sein älterer Bruder Jonathan erzählt ihm, daß der Tod nichts Schreckliches ist, denn danach kommt man in das Land Nangijala, wo man ein Abenteuer nach dem anderen erlebt. Aber dann stirbt Jonathan vor Krümel. Doch bald sind die Brüder in Nangijala vereint, im Kirschtal, das genauso schön ist wie Jonathan gesagt hat. Bald jedoch bemerkt Krümel, daß seltsame Dinge vor sich gehen. Der Frieden des Kirschtals ist bedroht. Im benachbarten Heckenrosental herrscht der grausame Tyrann Tengil, der jetzt auch das Kirschtal einnehmen will.

-Jetzt will ich von meinem Bruder erzählen. Von ihm, Jonathan Löwenherz, will ich erzählen. Es ist fast wie ein Märchen, finde ich, und ein klein wenig auch wie eine Gespenstergeschichte, und doch ist alles wahr. Aber das weiß keiner außer mir und Jonathan.-
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Die Brüder Löwenherz (Bröderna Lejonhjärta) ist das schönste traurige Buch der ganzen Welt. Besonders die ersten beiden Kapitel und das Ende sind so rührend, daß Ihnen die Tränen in die Augen treten werden. Das gilt selbstverständlich nicht für Männer, die ja bekanntlich höchst selten weinen und schon gar nicht bei der Lektüre von Kinderbüchern. Es könnte aber ganz zufällig passieren, daß Sie beim Vorlesen der erste Allergieanfall des Jahres erwischt, mit tränenden Augen und laufender Nase. Also legen Sie trotzdem ein paar Taschentücher in Ihre Nähe, sicherheitshalber.
Astrid Lindgren thematisiert in diesem Buch Tod, Trauer und den Kampf gegen das Böse. Kann man ein solches Buch Kindern überhaupt zumuten? Ja, man kann. Denn das Wunderbare an Die Brüder Löwenherz ist, daß Astrid Lindgren trotz dieses Themas eigentlich eine ganz andere und sehr spannende Geschichte erzählt. Sie erzählt von Liebe, Selbstlosigkeit, Freundschaft, Treue und Mut. Sie erzählt von der Liebe zwischen den Brüdern Löwenherz, die alle Gefahren und sogar den Tod überwindet. Sie erzählt von der Selbstlosigkeit des alten Matthias, der Jonathan vor den Schergen des Tengil versteckt, obwohl darauf die Todesstrafe steht und sie erzählt vom Mut des kleinen ängstlichen Krümel und dem Mut der Antonia. Deren Mann wird von Tengils Männern getötet. Später sehen Krümel und Matthias wie sie auf der Türschwelle ihres Hauses sitzt und sich das Haar abschneidet. Während der erwachsene Leser noch denkt, sie mache dies als Zeichen der Trauer fragt Matthias: “Was tust du, Antonia? Was machst du mit deinem Haar?” “Bogensehnen”, sagte Antonia.

Eigentlich ist Die Brüder Löwenherz gar kein Kinderbuch, es ist ein Lehrbuch für Diktatoren. Aber selbst, wenn sie es läsen, würden sie nur darüber lachen, weil sie nicht verstünden, daß es bald keine Diktatoren mehr gäbe, wenn jedes Kind dieser Welt dieses Buch gelesen hätte. Also lesen SIE es. Verschenken Sie es an jeden, den Sie kennen, ob er neun oder neunzig Jahre alt ist. Spenden Sie es an öffentliche Büchereien in Schulen, Krankenhäusern, Horte und Kirchengemeinden. Schenken Sie es Ihrem Abgeordneten. Die Brüder Löwenherz gehören in jedes Haus.

Cover von Das Buch der Drei von Lloyd AlexanderTaran träumt davon, ein Held zu sein und Abenteuer zu erleben. Bisher hat er es aber nur zum Hilfsschweinehirt gebracht. Als eines Tages das Zauberschwein Hen Wen davonläuft, macht sich Taran auf die Suche nach dem Tier und gerät dabei in höchste Gefahr.

-Taran hätte lieber ein Schwert geschmiedet; doch Coll, der mit der praktischen Seite seiner Erziehung betraut war, bestand auf Hufeisen.-
Der Hilfsschweinehirt

Dem Cover sieht man es nicht auf Anhieb an, daß es sich bei diesem Roman um ein Kinderbuch handelt. Wahrscheinlich hat man wegen der neu ausgebrochenen Fantasy-Begeisterung versucht, mit Hilfe des Titelbildes das Buch auch für Erwachsene attraktiv zu machen. Das Buch der Drei (The Book of Three) ist aber schon vor Jahren im Arena Verlag erschienen, unter dem Titel Taran und das Zauberschwein.

Bei diesem Roman handelt es sich mit Sicherheit nicht um einen Meilenstein der Fantasy, wie der Verlag behauptet. Dazu sind die Charaktere zu eindimensional: Die Guten sind gut und die Bösen sind böse. Der einzige, der ansatzweise eine Entwicklung durchmacht, ist Taran. Die Handlung ist nicht genügend motiviert und durchschaubar. Die Gefahren, die Taran und seine Freunde bedrohen, tauchen plötzlich und unerwartet auf, ebenso schlagartig und unmotiviert folgt die Rettung auf dem Fuße. Kinder werden das aber so nicht wahrnehmen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Kinder die Handlung spannend und abwechslungsreich finden und sie können sich gut mit den Hauptfiguren identifizieren. Unterhaltsam geschrieben ist das Buch allemal, dafür sorgt allein schon der witzige Gurgi, der sich auf eine Art und Weise benimmt, daß den Leser der begründete Verdacht beschleicht, daß Gurgi als Vorlage für J.K. Rowlings Hauself Dobby gedient hat.

Bastei Lübbe hätte gut daran getan, den Roman mit der Altersangabe Ab neun zu versehen. Für erwachsene Leser ist das Buch zu oberflächlich und hat zu wenig Tiefgang, obwohl die übliche Moral -Freundschaft ist etwas wertvolles und das Gute siegt- natürlich auch hier vorhanden ist. Wenn man für zwei Stunden schnelle Unterhaltung sucht, z.B. um sich von einem bevorstehenden Zahnarztbesuch abzulenken oder wenn man sich daran erinnert, Taran als Kind verschlungen zu haben, dann kann man das Buch auch als Erwachsener lesen, ohne daß man Schaden am guten Geschmack erleidet.

Cover der Buches "Das Buch der toten Tage" von Marcus SedgwickBoy lebte auf der Straße, als der Zauberkünstler Valerian ihn in einer Kirche aufgelesen hat. Er kann sich an kein anderes leben erinnern. “Boy” ist auch kein richtiger Name, Valerian ruft ihn so. Boy ist Valerians Gehilfe bei den Vorstellungen. Aber er erledigt auch andere Dienste für seinen Herrn, etwa Briefe bei allen möglichen Leuten abliefern. Dabei gehen gerade unheimliche Dinge vor sich, bestialische Morde geschehen und Gräber werden geplündert. Sogar Valerian ist nervöser als sonst. Am 27. Dezember, dem ersten der “toten Tage” bricht aus Valerian heraus, worüber er sich sorgt: ihm bleiben noch vier Tage, dann muß er sterben. Es gibt nur einen Weg, Valerians Leben zu retten. Er muß das Buch der toten Tage finden…

-Hast du je die Reglosigkeit dieser sonderbar stillen Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr gespürt? Für mich sind das tote Tage. Tage, an denen die Türen zwischen unserer Welt und jener unsichtbaren, die gleich darunter liegt, geöffnet sind.-
Vorbemerkung des Autors

Ein Junge ohne Vergangenheit, ein zwielichtiger Magier, mysteriöse Morde, nächtliche Grabungen auf einem Friedhof, unterirdische Labyrinthe und ein Pakt mit dem Bösen – das sind ein paar der Fäden aus denen Marcus Sedgwick seinen spannenden Roman Das Buch der toten Tage (The Book of Dead Days) gestrickt hat.
Die interessanteste Figur ist Valerian: Ein Mann voller Ehrgeiz, Bühnenzauberkünstler, “richtiger” Magier und Gelehrter, der Boy in einer Kirche aufgelesen und das Waisenkind bei sich behalten hat, obwohl dieser strenge und unfreundliche Mann keineswegs den Eindruck macht, als hätte er eine soziale Ader und würde sich mit Vorliebe um das Elend anderer Leute kümmern. Boy ist vor allen Dingen durch seine mysteriöse Herkunft interessant und natürlich ist er der Held der Geschichte, der von einer atemberaubenden Gefahr in die andere gerät.

Aber der Roman hat noch eine andere faszinierende “Hauptfigur” und das ist diese düstere Stadt, die Sedgwick geschickterweise nicht in einer bestimmten Epoche ansiedelt und auch nicht benannt hat, so daß die Phantasie jedes Lesers genügend Spielraum hat, um sich ihren eigenen finsteren Moloch auszumalen. Sedgwick hat aber dem Leser genügend Hinweise gegeben, um diesen Phantasien Nahrung zu geben. So schreibt er in seiner Vorbemerkung:

Und plötzlich sah ich eine Welt vor mir oder eher eine Stadt, so riesig und wuchernd, daß sie eine Welt für sich bildet. Magische Orte haben diese Stadt inspiriert, Paris mit seinen Meilen unsichtbarer Katakomben, Bologna mit seinem versteckten Kanalsystem und Krakau mit seinen überfüllten Friedhöfen und Schneemassen zur Weihnachtszeit.

Der Rezensent hat sich allerdings eher das alte Prag mit seinen engen, verwinkelten Gassen und alten Friedhöfen vorgestellt und auch das mit gutem Grund: Dem Engländer Marcus Sedgwick sei zunächst einmal Dank, daß er darauf verzichtet hat, als Schauplatz das neuerdings so beliebte viktorianische London zu wählen und obwohl er keine genaue Zeitangabe macht, nennt er einen Namen, der dem Leser eine zeitliche Vorstellung vermittelt: Valerians ehemals bester Freund und Wissenschaftskollege heißt Kepler, ist Doktor der Medizin, betrieb aber zugleich spezielle Forschungen auf dem Feld der Himmelskunde. Er besaß Geräte aller Art, mit denen er die Sterne beobachtete … Kepler hatte Boy einmal erzählt, er könne Voraussagen aller Art über Menschen und ihre Handlungen treffen, er brauche dazu nur den genauen Zeitpunkt ihrer Geburt zu wissen. Das ist natürlich mehr als nur eine leise Anspielung auf den berühmten Astronomen Johannes Kepler, der von 1571 bis 1630 lebte, 1600 nach Prag übersiedelte und Wallensteins Horoskop erstellte. Es ist aber eindeutig, daß Sedgwick seinen Roman in keiner identifizierbaren vergangenen Epoche ansiedeln möchte, denn die beiden Gelehrten machen Experimente mit Elektrizität, die an Galvanis berühmte Versuche erinnern, die dieser aber in der Realität erst um 1780 durchführte. Auch ist der Herrscher über Boys Welt, König Frederik, nicht historisch. Diese höchst geglückte Verquickung von realen und phantastischen Motiven macht Das Buch der toten Tage zu einer fesselnden Lektüre.

Die toten Tage sind in Deutschland übrigens besser unter dem Begriff Zwischen den Jahren bekannt, der natürlich keinen wohlklingenden Titel für ein phantastisches Buch geliefert hätte. Es handelt sich um die Tag vom 27. bis zum 31. Dezember. Jedem dieser Tage ist ein Kapitel des Romans gewidmet und hier gibt es allerdings einen Kritikpunkt: Die Kapitelüberschriften sind nicht immer ganz geglückt. Während sich Der Tag des größten Unglücks oder Der Tag der schlimmen Entwicklungen noch ganz gut anhören, so klingen die doppeldeutigen Titel Der Tag des geschickten Mitarbeiters oder Der Tag der vollkommenen Beförderung eher nach Aktionen eines mittelständischen Unternehmens zur Mitarbeitermotivation oder gar nach den alten sozialistischen “Gedenktagen”.

Castle in the Air von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

– In his daydreams, he was really the long-lost son of a great prince, which meant, of course, that his father was not really his father. It was a complete castle in the air, and Abdullah knew it was. –

Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) ist die indirekte Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers). Hierin wird es allerdings märchenhaft wie in einer Geschichte aus Tausendundeinernacht und der geneigte Leser muss sich recht lange gedulden, ehe die bekannten Protagonisten aus dem ersten Buch dieser locker verknüpften Reihe wieder in Erscheinung treten. Castle in the Air sollte man daher auch als einen eigenständigen Roman betrachten – in dem nur zufällig ein paar bekannte Charaktere wieder auftauchen – und keine richtige Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle erwarten.

Ganz so brillant wie sein Vorgänger ist Castle in the Air nicht, dennoch ist es wieder eine sehr phantasievolle und lebendige Geschichte, die Diana Wynne Jones hier erschafft und mit gewohntem Humor garniert. Letzterer kommt diesmal besonders bei Namensgebung und Wortwahl zum Tragen, denn die Autorin spielt wieder gerne mit Klischees und bedient sich hier bei den Vorstellungen vom Orient, wo Namen nicht nur Namen sind, sondern Bedeutungen haben. Dabei darf natürlich auch nicht die blumige Ausdrucksweise fehlen, die die Autorin jedoch in unseren Sprachgebrauch überträgt, was für viel Schmunzeln sorgt. So kommt es, dass eine Prinzessin den Namen Blume-in-der-Nacht/Flower-in-the-Night trägt oder Teppichhändler geradezu lyrische Verkaufsgespräche führen.
Darauf lässt die Autorin es freilich nicht beruhen und schickt zusätzlich wieder herrlich überzogene, schrullige, spießige oder hochnäsige Charaktere ins Rennen, die alle ein bisschen mehr sind, als man glaubt über sie zu wissen. So überzeugend sympathisch und lebendig wie Howl und Sophie in Howl’s Moving Castle werden Abdullah und Flower-in-the-Night aber leider nicht, und auch die beiden erstgenannten kommen in Castle in the Air nicht so richtig zu ihrem alten Glanz.

Kleinere Abzüge muss man ebenfalls bei der erzählerischen Dynamik machen, die sich mit Einschüben, die nicht zwingend nötig gewesen wären, leider immer mal wieder als etwas langatmig erweist. Es ist daher dringend ratsam, eine längere Pause zwischen Howl’s Moving Castle und Castle in the Air verstreichen zu lassen und die beiden Bücher nicht gleich nacheinander zu lesen. Auch sollte man davon absehen, die Bücher als normale Buchreihe zu betrachten, denn im direkten Vergleich haben sie wenig miteinander zu tun und gerade Castle in the Air wirkt dabei doch ein wenig enttäuschend. Für sich betrachtet und davon ausgehend, dass die wiederkehrenden Charaktere ein zusätzlicher Bonus, aber kein tragendes Element dieses Romans sind, ist Castle in the Air durchaus unterhaltsam und amüsant. Man muss sich lediglich klar machen, dass dies die Geschichte von Abdullah und Flower-in-the-Night ist und nicht die von Sophie und Howl.

Cover von Circes Rückkehr von Libba BrayGemma versucht weiterhin ihr Schicksal zu verfolgen und die Magie des magischen Reichs wieder an den Orden zu binden. Sie und ihre Freundinnen sind plötzlich in der Lage, die Magie dieser anderen Welt mit in ihr viktorianisches London zu holen, wo sie die Weihnachtsferien bei ihren Familien verbringen. So gerne Gemma das Chaos der magischen Welt für eine Weile vergessen würde, so akut ist jedoch die Bedrohung durch Circe, und die Mädchen begeben sich auf die Suche nach dem verlorenen Tempel, dem Schlüssel zur Kontrolle der Magie. Unterdessen ist Gemma hin und her gerissen zwischen dem exotischen Rakshana Kartik und dem attraktiven, aber nicht sehr tiefgründigen Lord Denby, der ihr den Hof macht.

– “Verbirg deine Absicht vor ihr. Gewinne ihr Vertrauen.” Und nach einer Pause: “Wenn nötig, mach ihr den Hof.”
Ich dachte an das selbstbewusste, eigensinnige Mädchen, dem ich auf Schritt und Tritt gefolgt war. “Sie lässt sich nicht so leicht den Hof machen.” “Jede Frau lässt sich gerne den Hof machen. Man muss es nur richtig anstellen.” –
Kapitel 1, S. 18

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City of Bones von Cassandra ClareClary dachte, sie und ihr bester Freund Simon würden einen ganz normalen Abend im Club Pandemonium verbringen. Ein wenig tanzen, feiern und das normale jugendliche Leben genießen. Doch dann sieht sie wie ein Teenager von drei anderen ermordet wird und sich anschließend vor ihren Augen in Rauch auflöst. An diesem Abend ändert sich für Clary alles, denn nun muss sie erkennen, dass neben ihrer bekannten Welt eine ganz andere, düstere Welt voller übernatürlicher Kreaturen existiert, und dass sie irgendwie mit ihr in Verbindung steht. Doch die einzige Person, die Klarheit schaffen könnte, Clarys Mutter, wird entführt, bevor Clary die Chance hat, Antworten zu bekommen.

– »Are there any more with you?«
The blue-haired boy could feel blood welling up under the too-tight metal, making his wrist slippery. »Any other what?«
»Come on now.« The tawny-eyed boy held up his hands, and his dark sleeves slipped down, showing the runes inked all over his wrists, the backs of his hands, his palms. »You know what I am.«
Far back inside his skull, the shackled boy’s second set of teeth began to grind.
»Shadowhunter,« he hissed.
The other boy grinned all over his face. »Got you,« he said. –

City of Bones ist der Auftakt der populären Jugendbuchreihe The Mortal Instruments (Die Chroniken der Unterwelt) und Debütroman der Autorin Cassandra Clare. Um die Problematik dieses Romans (und auch der restlichen Reihe) gleich zu Anfang zu nennen: City of Bones begann als Fanfiction basierend auf J.K. Rowlings Figur Draco Malfoy aus der Harry Potter-Reihe, und so sehr Frau Clare auch versucht hat, die Geschichte zu überarbeiten und ihr ihren eigenen Stempel aufzudrücken, so unübersehbar sind doch gewisse Ähnlichkeiten. Leider ist es dadurch sehr schwierig zu entscheiden, wie viel eigene Kreativität die Autorin in dieses Buch eingebracht hat und ob der Roman nun Spaß macht oder ärgert. Die Magie in Clares urbaner Fantasywelt funktioniert gut und ist stimmungsvoll, man sieht nur immer wieder vertrautes aus Harry Potter, Star Wars, Angel Sanctuary … Da fragt man sich unweigerlich, ob die Autorin sich auch irgendetwas von diesem Roman selbst ausgedacht hat. Die subtile Runenmagie, Vampire, Warlocks, Werwölfe, Halbengel, Menschen, Feen und andere Kreaturen in City of Bones haben es schwer, sich über das offensichtlich Kopierte zu erheben. Somit ist die Frage, wie gut einem das Buch gefallen wird, vor allem eine Frage danach, wie gut man einen Neuaufguss anderer Geschichten findet.

Um aber auch einmal auf das Positive zu sprechen zu kommen, gehen wir doch weiter zu den Charakteren. Hier liefert die Autorin zunächst einmal eine breite Vielfalt an Figuren, was sowohl deren Charakter als auch deren ethnische Herkunft oder sexuelle Orientierung angeht. Es ist von allem etwas dabei, so dass sich wirklich jeder mit wenigstens einer der Figuren identifizieren kann. Entsprechend werden auch bestehende Vorurteile unserer Gesellschaft auf unterschiedliche Weise kritisch thematisiert.
Die Charaktere wirken auch sonst recht solide und sind unterhaltsam, ab und an verleiten sie einen zu einem Schmunzeln, ein anderes Mal möchte man sie herzhaft schütteln vor Unverständnis. Fast alle haben emotionale Narben (manche auch körperliche). Das verschafft ihnen eine glaubhafte Lebendigkeit und hält den Leser bei Laune. Nur der Bösewicht ist flacher als ein Blatt Papier. Einzig ärgerlich ist dabei aber die in Jugendbüchern inzwischen obligatorische Dreiecksbeziehung der Hauptfiguren, die, neben anderen Teilen der Handlung, von Anfang an durchschaubar ist. Was dagegen sicherlich noch nicht viele Jugendbuchautoren gemacht haben, ist, eine derart frustrierende Auflösung an den Schluss des Romans zu setzen, dass man das Buch entweder mehr als schlecht gelaunt in die Ecke wirft (immerhin hat man eigentlich nur wegen der einen Sache solange durchgehalten) oder man zerfließt vor Sehnsucht angesichts der dramatischen und schier hoffnungslosen Ereignisse … Für letzteres muss man vermutlich noch zur jüngeren Lesergruppe zählen oder deutlich weniger Jugendbucherfahrung haben.

Wenn man nichts Innovatives erwartet und sich mit den zahlreichen »Inspirationen« in City of Bones arrangieren kann, ist der Roman flüssiges und schnelles Lesefutter mit einer guten Atmosphäre im modernen New York und sympathischen Charakteren. Überraschungen hat der Roman allerdings keine zu bieten, vielleicht bessert sich das noch im Nachfolger: City of Ashes

Verfilmung:
City of Bones wurde 2013 mit Lilly Collins und Jamie Campbell Bower in den Hauptrollen verfilmt.

The City of Ember von Jeanne DuPrauDie Stadt Ember existiert im dunklen Innern der Erde, erhellt nur durch das elektrisch erzeugte Licht eines einzigen Generators. Doch ausgerechnet der droht nun zu zerfallen und die marode gewordene Stadt in vollkommene und nie enden wollende Dunkelheit zu tauchen.
In dieser Zeit macht die junge Lina Mayfleet eine Entdeckung unter den Erinnerungsstücken ihrer Großmutter – eine Kiste, in der sich die bruchstückhaft erhaltenen Anweisungen der Erbauer Embers befinden. Anweisungen, die die Bewohner retten und in eine neue Stadt führen könnten.

»They must not leave the city for at least two hundred years«, said the chief builder. »Or perhaps two hundred and twenty.«
»Is that long enough?« asked his assistant.
»It should be. We can’t know for sure.«
»And when the time comes«, said the assistant, »how will they know what to do?«
»We’ll provide them with instructions, of course«, the chief builder replied.
– The Instructions, S. 1

Es wird abenteuerlich und schmutzig! Das wird nicht nur schon beim Betrachten des Buches selber klar, wo eine altmodisch gezeichnete Stadtkarte für den nötigen Überblick sorgt und vergilbtes Papier den Hauch von Alter vermittelt.
The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) ist das Debüt der Autorin Jeanne DuPrau, die eine Welt unterhalb der Erdoberfläche erschaffen hat, als letzte Hoffnung für das Überleben der Menschheit. Den Emberanern ist die Bedeutung ihrer Heimat dabei nicht bewusst. Für sie ist die Stadt die einzige Form der Existenz, die sie kennen, sozusagen das ganze Universum. So wie man einst glaubte, das Meer fließe am Ende der Welt über den Rand der Erdscheibe hinaus, so glauben die Bewohner Embers, hinter dem Licht der Stadt läge nur ein weites Nichts.

In gigantischen Lagerräumen haben die Erbauer den Emberanern einst Unmengen von allem hinterlassen, was man zum Überleben braucht: Lebensmittelkonserven, Medizin, Vitamin-Präparate, Kleidung, Glühbirnen … doch nach beinahe 250 Jahren ist von diesen einstigen Reichtümern nicht mehr viel geblieben. Der Leser bewegt sich durch eine rostige Welt des Zerfalls, durch eine reine Nutzgesellschaft, die keine Herstellungsprozesse kennt. Embers Bewohner wissen nicht einmal mehr, wie man Elektrizität oder Feuer erzeugt und somit auch nicht, wie man den Generator reparieren, transportable Lichtquellen oder neue Energiequellen schaffen könnte. Sie sind gerade noch in der Lage, die Dinge am Laufen zu halten. Dabei ist es unheimlich spannend zu erleben, wie der eigene Kosmos und das wenige Wissen um unser Universum in Ember zu einer Art Mikrokosmos wird. Für die Emberaner existieren weder Sonne noch Mond, doch elektrisches Licht und Dunkelheit treten hier als stellvertretende Pendants auf. Die Dunkelheit wird zur Weite des Universums, die Erbauer zur Schöpfungskraft … alles, was man als Leser erkennt, entdeckt man gleichzeitig völlig neu, weil es in Ember eine ganz andere Bedeutungsschwere bekommt. Unweigerlich schleicht sich da der Gedanke ein, ob nicht auch unsere Erde eine Art Ember sein könnte. Doch genug der Meta-Ebene und des Philosophierens!

Man schreibt vermutlich das Jahr 241 – “vermutlich” weil das regelmäßige Aufziehen der großen Uhr oder die Einhaltung der Tages- und Nachtzeiten gelegentlich auch mal vergessen wurde –, als die Schüler Lina und Doon ihren Abschluss machen. Wie alle Emberaner beenden auch sie ihre Schulzeit im Alter von zwölf Jahren und treten sofort in das Berufsleben ein. Wer nun denkt, ein Kinderbuch präsentiert zu bekommen, darf gleich wieder aufatmen. Die beiden Helden dieser Geschichte sind für ihr Alter überraschend erwachsen, verantwortungsbewusst und clever, nur in seltenen Momenten erhält man einen Hinweis darauf, dass es tatsächlich noch Kinder sind. Dadurch fällt es auch erwachsenen Lesern nicht schwer sich mit Lina und Doon, den beiden Hauptfiguren, zu identifizieren und ihrem Abenteuer zu folgen.

Doon, ein rebellischer und hitziger Junge, der manchmal mit unbedachtem Eifer nach der rettenden Lösung für Embers Probleme sucht, und Lina, ein Mädchen voller Energie und Tatendrang, kommen durch den Fund eines alten Dokuments der Erbauer möglicherweise zu genau dieser Lösung. Angespornt von ihrem gemeinsamen Ziel, Embers Bewohner zu retten, entziffern Lina und Doon nach und nach die Überreste der Anweisungen.
Mit diesen beiden lebendig gezeichneten Charakteren bewegt sich der Leser nun durch eine klassische Queste mit Hinweisen und Entdeckungen, zwischen tropfenden Rohren, verborgenen Türen, neu entdeckten und gleichzeitig unbekannten Gebrauchsgegenständen, die Lina und Doon zunächst Rätsel aufgeben. Es beginnt ein Reise, die an Jules Vernes Abenteuer erinnert, mit vielen Fragen im Hinterkopf. Wie lange noch kann Ember überleben? Wird das Licht der Stadt eines Tages für immer erlöschen? Gibt es eine Stadt außerhalb Embers und damit eine Hoffnung für das Überleben der Bewohner?

Die Suche nach Antworten wird von einem stimmigen Weltenbau begleitet und vielen sozialkritischen Aspekten, die man in einem Jugendbuch nicht unbedingt erwarten würde. Vertraute Details sorgen außerdem dafür, dass der Roman ein heimeliges Gefühl vermittelt. Da sind z.B. Konserven mit den Etiketten unserer vergangenen Gesellschaft oder Redewendungen, von Generation zu Generation weitergetragen, die in Ember weiter benutzt werden, deren Worte aber oft sinnlos erscheinen. So wird “im selben Boot sitzen” zwar sinngemäß verstanden als “in der selben Situation sein”, doch was ein “Boot” ist und was es bedeutet, das kann niemand mehr sagen. Dieses Zusammenspiel von Alt und Neu, Wissen und Unwissen, Gewohnt und Ungewohnt, macht The City of Ember zu einem nahezu romantischen Lesegenuss für Jung und Alt. Nichts ist so spannend wie die Suche nach unseren Wurzeln, und das findet man in diesem Roman, während man sich mit Lina und Doon auf die Spuren der Erbauer begibt.

Viele dystopische Romane schildern so ein Szenario auf wenig erfreuliche, schon gar nicht wünschenswerte Weise. Doch Ember ist anders. Trotz ihres inzwischen kläglichen Zustands ist sie voller Leben und erfüllt von dem Geist eines Neuanfangs. Die Stadt wurde erbaut, um die Menschheit zu retten und dieser Plan geht auf. The City of Ember begleitet unsere glückliche Rückkehr in die Welt und bietet ein nostalgisches Leseerlebnis mit einem wehmütigen Blick zurück auf das Verlorene. Die Konstruktion der Stadt wirkt dabei solide durchdacht. Nur selten fragt man sich, ob dieses oder jenes in der Realität wirklich funktionieren kann oder ob es sich die Autorin nicht gerade doch zu einfach macht.

Das halboffene Ende des Romans klärt nicht alle Fragen, es kann aber getrost so stehen gelassen werden und wer auf den Geschmack gekommen ist, darf sich über zwei Fortsetzungen und ein Prequel freuen.
(Sprachlich ist The City of Ember übrigens leicht verständlich gehalten und damit auch für Englisch-Einsteiger im Original zu empfehlen.)

Verfilmung:
Das Buch wurde 2008 stimmungsvoll verfilmt. Neben der aufstrebenden Schauspielerin Saoirse Ronan in der weiblichen Hauptrolle treten u.a. Bill Murray, Tim Robbins, Martin Landau und Marianne Jean-Baptiste auf.
Einen ausführlichen Bericht zum Film gibt es im Blog.

The Diamond of Darkhold von Jeanne DuPrauNeun Monate nach ihrer Flucht aus Ember haben sich die ehemaligen Bewohner in der kleinen Stadt Sparks eingerichtet und die Differenzen mit den dortigen Einwohnern überwunden.
Doch das Leben ist nicht unbedingt leicht in Sparks. Der Winter ist angebrochen und die Lebensmittelversorgung der Stadt sieht nicht gut aus. Lina und Doon beschließen, noch ein letztes Mal nach Ember zurückzukehren, um dort nach brauchbaren Dingen zu suchen, die das Überleben in Sparks vereinfachen könnten. Doch was mag in der Dunkelheit ihrer einstigen Heimat inzwischen lauern?

-„When the people emerge from the city,“ he said, „they will find themselves in a devastated world.“
„Unfortunately true,“ said his assistant.-
The Vault, S. 1

The Diamond of Darkhold stellt den Abschluss der Books of Ember dar und man ist beinahe geneigt, sich erlöst zu fühlen von der Qual, zu der die schöne Stadt Ember geworden ist. Obwohl der vierte Teil ein klein wenig unterhaltsamer ist als die beiden Vorgänger, fällt es doch insgesamt schwer zu glauben, dass The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) von derselben Autorin geschrieben worden sein soll wie die drei Nachfolger. Die Unterschiede sind leider beträchtlich, daher gleich vorweg der Rat: Spart euch die Bände 2-4 und belasst es bei The City of Ember als Einzelbuch.

The Diamond of Darkhold leidet wie die beiden Vorgänger unter dem Fehlen einer mitreißenden Atmosphäre und Geschichte. Alles wirkt zwanghaft um den Kern – in Form einer moralischen Botschaft – herum konstruiert. Die Charaktere haben viel von ihrer anfänglichen Cleverness eingebüßt, was natürlich vor allem an Lina und Doon deutlich wird, die inzwischen wesentlich jünger und naiver wirken als sie es im ersten Teil waren. Erwachsene Figuren scheinen generell nur pro Forma vorhanden zu sein, wirklichen Nutzen oder gar Führungsqualitäten bieten sie nicht. Genaugenommen befindet sich der Intellekt der Erwachsenen irgendwo im Bereich Sechs- bis Zehnjähriger, was dann doch arg unglaubwürdig wirkt.

Nachdem Lina und Doon nun ein altes, zerfleddertes Buch finden, das eindeutig von den Erbauern stammt, liefert Jeanne DuPrau nach bereits bewährter Taktik ein neues Rätsel um Ember und einen geheimnisvollen Diamanten. Leider gelingt es der Autorin nicht mehr, etwas Neues und Unerwartetes zu präsentieren. Der Roman folgt Punkt für Punkt dem bereits bekannten Schema der Vorgänger, abzüglich nachvollziehbarer Erklärungen. Des Rätsels Lösungen sind plötzlich da und man weiß nicht recht, woher sie kamen und wie sie sich ergeben haben. Keine Spur mehr von Abenteuer und Spurensuche, ja nicht einmal die vermeintlichen Gefahren wecken beim Leser noch Interesse. Geschichte und Figuren treiben so voran, ganz gemächlich, bis man am Ende angelangt ist, wo eine letzte Lektion für den Leser wartet.

Einzig positiv an diesem Abschlussband ist die kurze Rückkehr nach Ember, wo man als Leser gleich wieder in die eigenartige Sogwirkung der unterirdischen Stadt gerät. Man kann die Gerüche beinahe wahrnehmen und den metallischen Geschmack der Stadt kosten. Phantasien erwachen vor dem geistigen Auge zum Leben.
Schade, dass es nur ein kurzer Aufenthalt ist, der in einer Art weichgespültem Hollywood-Ende gipfelt, ohne je die unbeantworteten Fragen zu klären, die einen als Leser wirklich interessiert hätten. So muss man letztlich doch recht enttäuscht Abschied nehmen von dieser vielversprechenden Stadt unter der Erde.

The City of Ember vermochte viele Eindrücke zu vermitteln und Neugierde zu wecken – auch bei einem erwachsenen Publikum. Ab The People of Sparks aber muss man ganz klar sagen, dass es reine Kinder-/Jugendbücher sind, die man besser auch dieser Altersgruppe überlässt, denn es wird, trotz aller Hoffnungen, nicht mehr besser.

Percy Jackson: Diebe im OlympPercy Jackson ist ein Problemkind wider willen, denn er gerät von einer seltsamen Situation in die nächste. Kein Wunder, dass er schon von sechs Schulen geflogen ist. Was er und der gewöhnliche Mensch aber nicht ahnen: Percy Jackson ist kein Unruhestifter sondern ein Halbgott und damit in höchster Lebensgefahr. Denn die Schergen des Gottes der Unterwelt haben es auf den Jungen abgesehen, nicht nur weil er im Verdacht steht, den berüchtigten Blitz des Zeus gestohlen zu haben. Die Furien sind ihm bereits dicht auf den Fersen, und die einzige Chance zu überleben scheint das Camp Half-Blood zu sein in dem ein mauliger Dionysus die Leitung hat.

– Ein Halbblut zu sein ist gefährlich. Beängstigend. Meistens führt es zu einem schmerzhaften, scheußlichen Tod. –
Aus purem Zufall lasse ich meine Mathelehrerin in Dampf aufgehen

Zu Diebe im Olymp liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Drachenmeer von Nancy FarmerIn einem trostlosen englischen Küstendorf fristet der Schäferssohn Jack ein eintöniges Dasein. Harte Arbeit, die verhätschelte kleine Schwester und der verbitterte Vater bestimmen seinen Alltag. Als der unheimliche Barde des Dorfes den Jungen zu seinem Lehrling erwählt, hält Jack dies zunächst für ein Missverständnis. Doch schon bald beginnt er seine Verbindung zur Magie zu spüren. Bevor er aber seine Ausbildung beenden kann, werden seine Kräfte auch schon aufs Härteste geprüft: Die Berserker kommen und ihre Segel am Horizont verheißen Blut und Feuer. Ausgerechnet um seine Schwester zu schützen, muss Jack nun all seinen Mut zusammen nehmen und sich auf eine Reise begeben, die ihn ins barbarische Nordland – und zu den Quellen der Magie – führen wird.

-“Mach dir um mich keine Sorgen”, sagte der alte Mann barsch. “Ich habe schon mehr als einem Ungeheuer die Haut abgezogen. Und jetzt lass uns Nebel machen.”-
Die Schutzrune

Drachenmeer (Sea of Trolls) ist ein Jugendbuch, mit einem linearen Aufbau, einem junge Helden und einer Entwicklungsgeschichte – aber definitiv eines von der besseren Sorte. Jack mit seinem leicht fanatischen Vater, der verhätschelten kleinen Schwester und der bodenständigen, aber zurückhaltenden Mutter ist eine Figur, mit der man sich schnell identifiziert und die einen leichten Einstieg in die Welt der Angelsachsen im frühen Mittelalter ermöglicht – schließlich kommen einem seine Probleme zumindest vage bekannt vor. Von Anfang an fällt dabei die gute Recherchearbeit der Autorin auf (die auch in einer Bibliographie im Anhang nachvollziehbar gemacht wird): Das Leben der einfachen Menschen wird nicht geschönt oder glorifiziert, und die kleinen Einblicke, die in die damalige Landwirtschaft oder Wohn- und Esskultur gegeben werden, wirken authentisch. Dabei ist Drachenmeer keineswegs ein historischer Roman, denn sobald Jack als Lehrling des alten Barden des Dorfes angenommen wird, taucht er in die Welt von Trollen, Erdmagie und Zauberern ein. Natürlich hat Jack eine Begabung für die Magie, und natürlich fällt ihm ihr Einsatz am Anfang schwer, ist aber dann zur Hand, sobald sie gebraucht wird – gerade zu Beginn der Handlung gibt es einige sehr schnell durchschaubare Handlungsmuster, die ein wenig zu sehr an schon oft Dagewesenes erinnern. Aber im Verlauf des Romans fährt die Autorin noch einige andere Kaliber auf, und Jack löst seine Probleme mit Köpfchen statt mit gerade passend kommender Erdmagie.

Einprägsame Figuren sind das Sahnehäubchen des Buches – sind die Nordmänner anfangs noch furchtbare Feinde, halbe Tiere sogar, stellt sich ihr Anführer Olaf Einbraue als durchaus liebenswerter Charakter heraus , und die auf Raubzügen basierende Lebensweise der Wikinger wird als -wenn auch nicht unbedingt erstrebenswerte- Alternative aufgezeigt, statt das Volk einfach als böse zu klassifizieren.
Auffallend ist der charmante Umgang mit den drei aufeinanderprallenden Glaubensvorstellungen den Nordens – Christentum, Glauben an nordische Gottheiten und Mythen und keltische Vorstellungen. Alle drei Glaubensrichtungen und auch ihr Zusammenspiel werden mit einem Augenzwinkern beschrieben – wie überhaupt ein schalkhafter Humor durch das ganze Buch hindurch immer wieder aufblitzt – ohne, daß sich über Religionen oder Überzeugungen lustig gemacht wird.

Das vollständige Happy End des Buches wirkt auf erfahrene Leser vielleicht ein bißchen zu rund – da wird möglichst alles gerade gebogen, was jemals krumm war; trotzdem gab es vorher so viel zu entdecken, erleben und auch erleiden, daß man das Buch sicherlich befriedigt aus der Hand legen kann.
Drachenmeer ist ein spannendes und kluges Abenteuervergnügen, das nach anfänglichen Längen tatsächlich an Klassiker wie Der Hobbit erinnert und die nordische Kultur und Mythenwelt zu einem bunten, eingängig geschilderten Leben erweckt.

Cover des Buches "Eldest" von Christopher PaoliniNach der zunächst siegreichen Schlacht bei Farthen Dûr, bei der Eragon schwer verletzt wurde, ereilt die Varden ein weiterer Schicksalsschlag: Murthag, Ajihad und die magiebegabten Zwillinge werden von einer versprengten Urgal-Truppe überrascht und getötet. Ajihads Tochter Nasuada wird nach inneren Machtkämpfen die neue Anführerin, doch viel Zeit bleibt nicht: Galbatorix weiß nun von dem Versteck der Varden, sie müssen nach Surda fliehen. Gleichzeitig wird Eragon zu den Elfen nach Ellesméra geschickt um seine Ausbildung als Reiter zu vollenden. Doch nicht nur im fernen Süden, auch in Carvahall spitzt sich die Lage zu, denn Roran, das einzige noch lebende Familienmitglied von Eragon, ist ins Visier von Galbatorix geraten.

-I don’ know what I’ll do. I certainly can’t fight for the Varden like this.
Don’t think about it, she counseled. You can do nothing about your condition, and you’ll only make yourself feel worse. Live in the present, remember the past, and fear not the future, for it doesn’t exist and never shall. There is only now.-
Black Morning Glory

Ein paar Jahre sind seit Eragon ins Land gegangen, der Autor ist dem Teenageralter entwachsen und das zeigt sich auch in seinem Buch. Anders als sein Vorgänger, dem man die Wünsche und Träume eines Fünfzehnjährigen anmerkte, hat dieses Buch an Komplexität und Spannung deutlich zugenommen.

Der größte Pluspunkt für mich war, dass nicht mehr nur die Geschichte von Eragon erzählt wird, während die anderen Personen mehr oder weniger im Hintergrund stehen, sondern dass die Perspektive zwischen Eragon, Roran und Nasuada wechselt. Dadurch erhält das Buch gleich viel mehr Tiefe und Komplexität. Teilweise hat es mich mehr interessiert, was aus den Dorfbewohnern wird, als das, was Eragon gerade bei den Elfen lernt. 😉
Ein weiterer Pluspunkt: Die Handlung gewinnt an Fahrt und wirkt schon aufgrund des Perspektivenwechsels nicht mehr allzu stur gradlinig. Insgesamt ist es auch wesentlich spannender als sein Vorgänger, so dass die Seiten geradezu vorbeifliegen.

Die Personen, allen voran natürlich die genannten drei, erhalten im Laufe der Zeit eine Tiefe, die man bei Eragon vermisste, und runden so den Roman noch ab.
Die Stärken, die sich bei dem ersten Teil bereits andeuteten, konnte Paolini in den vergangenen Jahren also ausbauen und damit einen Roman schaffen, der sich in Sachen Spannung und Komplexität nicht verstecken muss.
Negativ anzumerken gibt es eigentlich kaum was, ab und zu sind ein paar kleine Handlungsschwächen drin, aber nichts, was dem Lesespaß einen Abbruch tun würde. So manch einen wird das offene Ende stören, und das Warten auf den dritten Teil fällt jetzt schon schwer …

Cover von Endymion Spring von Matthew SkeltonMainz zur Zeit Johannes Gutenbergs: Im Dunkel der Winternacht schleift eine abgerissene Gestalt eine schwere Truhe durch den Schnee. Um den Deckel der Truhe winden sich Schlangen aus schwarzem Metall.
Jahrhunderte später streift Blake gelangweilt durch die Bibliothek des ehrwürdigen St. Jerome’s College in Oxford. Er zieht ein Buch aus dem Regal, und plötzlich ist ihm, als hätte ihn etwas in den Finger gestochen. Auf dem Einband des Buches steht, verblichen und kaum noch lesbar Endymion Spring. Er ist auf ein uraltes Geheimnis gestoßen.

-Jetzt erkannte ich das Verhängnisvolle meiner Handlungsweise. Ich hatte die ganze Welt des Wissens geöffnet – das Buch der Bücher, dessen Ende nicht vorstellbar war. Wie konnte ich es wieder schließen?-
(Mainz, Frühjahr 1453)

Das Buch der Bücher – jeder stellt sich darunter etwas anderes vor und es gibt so manche Bücher, die so genannt werden. In dem Debütroman von Matthew Skelton spielt ebenfalls ein solches Buch eine wichtige Rolle. Skelton hat mit Endymion Spring – Die Macht des geheimen Buches ein durchaus spannendes und anspruchsvolles Jugendbuch vorgelegt, das auch mit einer gehörigen Portion historischem Hintergrund aufwarten kann. Auf zwei Zeitebenen, schön voneinander durch eigene Titelblätter getrennt, in zwei Handlungssträngen, wird einem Krimi gleich erzählt, wie das Buch der Bücher entstand und wie es von Mainz nach Oxford gelangte.

Wie im Allgemeinen bei Jugendbüchern üblich, ist die sprachliche Gestaltung eher einfach und dem jugendlichen Leser angepasst. Die Sätze sind nicht zu lang, Begriffe und Ausdrücke aus der untersten Schublade werden vermieden und auf komplizierte Schachtelkonstruktionen wird ebenfalls verzichtet. Die Charaktere der Figuren sind nicht besonders tief sondern eher stereotyp angelegt, so dass die Figuren genaugenommen bestimmte menschliche Eigenschaften verkörpern. “Gut” und “Böse” werden klar definiert, was vor allem bei den Nebenpersonen deutlich wird, die  sich mehr oder weniger auf eine oder zwei Eigenschaften festnageln lassen.

Aus diesem Grund mag das Buch vor allem für den erwachsenen Leser keine besondere Herausforderung darstellen, und doch wäre es schade, würde man aus dieser oberflächlichen Beurteilung heraus auf die Lektüre verzichten bzw. das Buch ungelesen an seine halbwüchsigen Kinder weitergeben. Endymion Spring – die Macht des geheimen Buches ist ein Jugendroman mit einer schönen Idee, die der Autor wunderbar umgesetzt hat. In dem Katz-und-Maus-Spiel rund um das wertvolle Buch finden sich kleine Ausflüge in die Anfänge der Kunst des Buchdrucks und in die Geschichte der Universität Oxford. Dies und die kleinen geschickt eingestreuten Hinweise aus dem Faust sind wahre intellektuelle Leckerbissen für pfiffige junge Leser, aber auch für den Erwachsenen. Wenn man diese gelegten Spuren aufnimmt, stöbert man vielleicht in der nächstgelegenen Bibliothek nach dem Wappen Johannes Gutenbergs … oder nach Endymion Spring selbst … und man hat dann vielleicht ein bisschen das Gefühl, das Buch aus der Haut des geheimnisvollen Blätterdrachen hätte einen auserwählt und sich ein Stückchen weit für einen geöffnet …

-Jetzt erkannte ich das Verhängnisvolle meiner Handlungsweise. Ich hatte die ganze Welt des Wissens geöffnet – das Buch der Bücher, dessen Ende nicht vorstellbar war. Wie konnte ich es wieder schließen?-
(Mainz, Frühjahr 1453)

L'épée maudite von Olivier MerleDer junge Malven wächst in der Bretagne des 5. Jahrhunderts als Enkel eines mächtigen Burgherrn behütet, aber immer etwas im Schatten seines Großvaters Thorwarzec auf, dessen Ruhm als Krieger alles, was die nachfolgenden Generationen der Familie leisten können, weit überstrahlt. Als eines Tages Thorwarzecs Schwert spurlos verschwindet, wird Malven auf die Suche danach geschickt. Zunächst kommt ihm seine Queste sinnlos  vor, doch verstörende Visionen und eigenartige Begegnungen lassen ihn bald erkennen, dass es um mehr geht als um die Rückgewinnung einer alten Waffe …

La pluie tombait si durement et le vent soufflait si fort, que Malven se courbaeit sur l’encolure de son cheval, dont les sabots commençaient à glisser dans la boue. Le chemin était étroit, bordé par deux haies de genêts qui s’agitaient furieusement, se touchaeient et s’écartaient sous les rafales.
1 – Malven

Man darf nicht mit der Erwartung an Olivier Merles L’épée maudite herangehen, darin einen großen Roman nach dem Vorbild seines Vaters Robert Merle zu finden. Während der jüngere Merle mittlerweile auch Bücher für ein erwachsenes Publikum verfasst hat (und dabei mit  L’Avers et le Revers sogar direkt an das Schaffen seines Vaters anknüpft), handelt es sich bei seinem Erstlingswerk um eine kleine, feine Erzählung für junge Leser, die als reines Kinderbuch unterbewertet wäre, da eine durchaus für jedes Alter interessante Thematik ausgelotet wird.

Die augenfälligste Stärke des Buchs ist aber zunächst einmal sein Setting. Von der recht genauen historischen Verortung darf man sich nicht täuschen lassen, denn obwohl der ereignisgeschichtliche Kontext des 5. Jahrhunderts, in dem Inselkelten auf der Flucht vor den Angelsachsen in die Bretagne übersiedeln, durchaus handlungsrelevant wird, fühlt man sich eigentlich nicht in die reale Epoche der Völkerwanderung versetzt, sondern eher in eine zeitlose keltische Zauberwelt, wie sie sonst z.B. in der Artusepik begegnet. Merle beschwört sie in Bildern voll schlichter Schönheit herauf, die wohl gerade aufgrund ihrer im wahrsten Sinne des Wortes sagenhaften Einfachheit so überzeugend sind, wie etwa, wenn ein Apfel als bedeutsames Geschenk dient oder eine ganz klassische „weiße Frau“ erscheint.

Auch die erzählte Geschichte kommt auf den ersten Blick unkompliziert und unprätentiös daher: Mehr als eine lineare Queste auf der Suche nach dem titelgebenden „verfluchten Schwert“, die den Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenleben markiert, wird vordergründig nicht erzählt. Tiefgreifender sind hingegen die Implikationen dessen, was Malven unterwegs herausfindet, denn es erweist sich als zentrale Frage dieses Reifungsprozesses, wie man mit der Vergangenheit der eigenen Familie umgehen will, wenn lebenslange emotionale Bindungen und moralisch richtiges Handeln einander widersprechen. Vielleicht der jugendlichen Zielgruppe des Romans geschuldet sind die Konsequenzen dieser Entscheidung letzten Endes zumindest in Teilen etwas glimpflicher  als zunächst befürchtet, doch erspart bleiben sie Malven nicht.

Diese spezielle Stoßrichtung der Selbstfindung ist dabei weniger aus sich selbst heraus als im Vergleich mit typischen Mustern der Fantasyliteratur interessant, zeigt sie doch, worin bei diesen vielleicht zuweilen der wahre Eskapismus besteht: Malven verliert weder durch äußere Einwirkung seine Familie, noch findet er in der blinden Identifikation mit seiner Abstammung seinen Weg, sondern er muss sich noch auf dem Höhepunkt seines Abenteuers wohl oder übel mit der alles andere als idealen Verwandtschaft, die er nun einmal hat, auseinandersetzen.

So besteht der Wert der Erzählung letztlich nicht allein darin, dass sie eine recht nette (wenn auch für einen Erwachsenen rasch verschlungene) Lektüre bildet, sondern auch und vor allem in der Tatsache, dass sie nachdenklich macht und einen anregt, altvertraute Erzählkonventionen und ihre womöglich nicht immer unproblematischen Untertöne einmal zu hinterfragen.

Cover von Eragon von Christopher PaoliniEragon, ein Junge aus einem kleinen Dorf, ist gerade auf der Jagd, als er plötzlich auf einen schönen blauen Stein stößt. Er nimmt die vermeintliche Kostbarkeit mit nach Hause, aber niemand weiß etwas mit dem Stein anzufangen – bis er sich in der Nacht in Eragons Zimmer plötzlich bewegt!
Ein Drache schlüpft aus dem Ei, und Eragon, der bald Freundschaft schließt und eine tiefe Bindung mit dem Drachen eingeht, versteckt das magische Tier im Wald. Er versucht, so viel wie möglich über die Drachen und den ausgelöschten Orden der Drachenreiter herauszufinden. Doch plötzlich tauchen finstere Gestalten im Dorf auf, und Eragon begreift, daß noch andere Mächte auf der Jagd nach seinem Drachen Saphira sind…

-Der Wind heulte durch die Nacht und trug einen Duft heran, der die Welt verändern sollte.-
Prolog: Schatten der Angst

Das schöne Cover, die Lobeshymnen bedeutender Zeitschriften, die auf den Umschlag gedruckt wurden, sowie auch die guten Rezensionen, die ich zu diesem Buch gelesen hatte, ließen mich auf ein wirklich großartiges Fantasieabenteuer hoffen.
Vorweg gesagt: Ich wurde enttäuscht. Ja, das Buch ist spannend, auch wenn es einige langatmige Stellen enthält. Und die Sprache ist, trotz einzelner “Eigenheiten” auch nicht schlecht. Ein paar gute Ideen und eine recht stimmige, wenn auch nicht perfekte Welt tragen dazu bei, dass man Eragon angenehm lesen kann.

Aber es gibt etliche Sachen, die mich an diesem Buch gestört haben. Da wären einmal die kleinen, aber nervigen Logikfehler, die dem Autor unterlaufen. Zum Beispiel wäre da Saphiras Drachenrüstung, die sie geschenkt bekommt. Klar, keine schlechte Idee, doch in diesem Fall ergibt sie überhaupt keinen Sinn, denn Paolini schreibt, dass Saphiras Drachenhaut undurchdringlicher als ein Diamant ist und dass alle Pfeile von ihr abprallen. Nur die Flügel können verletzt werden, doch genau die werden von der Rüstung nicht geschützt.
Wie es in vielen anderen Rezensionen bereits steht, hat Paolini wirklich einiges von anderen Büchern kopiert. Seine Elfen unterscheiden sich kaum von Tolkiens Elben. Arya z.B. gleicht Arwen wie eine Zwillingsschwester: stolz, unglaublich schön, langes schwarzes Haar, längliches, helles Gesicht, schlank und anmutig, …
Auch die Zwerge sind keineswegs originell: Es ist mir schon klar, dass ein Zwerg klein sein muss, aber mit Streitäxten, langen Bärten und ihren Vorlieben, in Bergen zu graben und zu bauen, entsprechen Paolinis Zwerge perfekt denen aus der Welt Tolkiens. Und auch Brom, der Zauberer, und Saphira, der Drache, sehen so aus, wie man sie sich eben vorstellt. Hier muss noch gesagt sein, dass Saphira dafür einen originellen Charakter hat, der dem Buch etwas Frisches verleiht.
In diesem Roman haben wichtige Personen, z.B. Murtagh und Brom, immer ein Geheimnis. Doch mit etwas Logik findet der aufmerksame Leser schnell heraus, welches Geheimnis dahinter steckt. Es ist auch schon bei der ersten Szene, in der Eragon Arya sieht, klar, dass er sich in sie verliebt hat. Das Buch ist also nicht komplex, sondern im Gegenteil ziemlich vorhersehbar.

Und jetzt zu dem, was mich am meisten genervt hat: Eragons permanente Verletzungen. Natürlich finde ich einen Hauptcharakter, der jede Schlacht ohne eine Wunde verlässt, auch nicht gut, das wäre unlogisch und langweilig. Doch Paolini übertreibt masslos. Nebst jeder Zerrung und jedem blauen Fleck, der hervorgehoben wird, muss der arme Eragon diverse Brüche und Verwundungen überstehen, bis kein Knochen im seinen Leib mehr gerade sein dürfte.
Ich finde nicht, dass man einfach sagen kann, dass das Buch zwar Fehler hat, aber für jüngere Leser durchaus geeignet ist. Denn ich selbst bin noch ein Kind. Ich hoffe ernsthaft, dass der zweite Teil um einiges besser ist, denn sonst werde ich den dritten Teil nicht mehr lesen …

Etiquette & Espionage von Gail CarrigerDie 14-jährige Sophronia Angelina Temminnick ist ein Wildfang, der ihrer Mutter mehr Arbeit und Sorge macht als alle (zahlreichen) Geschwister zusammen. Ihr Knicks ist zum Fürchten, ihr ständig zerrauftes Erscheinungsbild sowieso, und von ihrer freien Meinungsäußerung wachsen Mrs. Temminnick noch graue Haare. Höchste Zeit also, das Kind auf eine anständige Benimmschule für Mädchen zu verfrachten, wo man Sophronia die Flausen austreiben und aus ihr eine wohlerzogene junge Dame machen soll. Doch spätestens auf dem Weg dorthin wird schnell klar, dass hier irgendetwas im Busch ist, als die Kutsche von fliegenden Wegelagerern angegriffen wird.

– Mrs. Barnaclegoose had decided opinions on reforming other woman’s daughters. Sophronia did not want to be reformed. So she had pressed the dumbwaiter into the service of espionage. –
Lesson 1: The Start of Being Finished

Mit Etiquette & Espionage startet Autorin Gail Carriger in ihre neue Buchreihe The Finishing School Series. Die sachlichen Infos vorweg: Dieser Roman spielt in der selben Welt wie auch das Parasol Protectorate, ist aber ca. 20 Jahre früher angesiedelt und erschien als Jugendbuch. Auf pikantere Inhalte wird in dieser neuen Reihe entsprechend verzichtet.

Der Roman startet zunächst als klassische Internatsgeschichte im viktorianischen Stil. Das Konzept ist klar: Mädchen werden auf eine Benimmschule geschickt, schließen dort außergewöhnliche Freundschaften und sie bestehen gemeinsam ein Abenteuer.
Bei Gail Carriger allerdings macht die spezielle Würze den Unterschied aus. Etiquette & Espionage präsentiert, ähnlich wie schon das Parasol Protectorate, eine starke Heldin. Sophronias vorlaute Ehrlichkeit und ihr Entdeckergeist sind wie ein strammer Wind im Teenie-Schmonzetten-Regal. Hier geht es einmal nicht darum, sich möglichst schnell und unheilbar in irgendeinen mysteriösen Jungen zu verlieben, sondern darum, einen wichtigen Prototyp zu finden, dabei Luftpiraten abzuwehren, sich von mechanischen Hausdienern nicht erwischen zu lassen, Maschinenräume widerrechtlich zu betreten, in luftigen Höhen zwischen Zeppelin-Plattformen hin und her zu klettern, Ablenkungsmanöver korrekt einzusetzen, einen Verräter zu überlisten, und und und …
Die Devise heißt nicht »Sei brav!« sondern »Lass dich nicht erwischen!«, denn was Miss Geraldine’s Schule hervorbringt, sind zukünftige Spione, getarnt als wohlerzogene junge Damen. Für diese Aufgabe fühlt sich Sophronia, die an ihrer Grazie wohl noch eine Weile länger arbeiten muss, bestens geeignet und sie freut sich diebisch darüber. Erst recht, wenn sie daran denkt, was ihre Mutter wohl dazu sagen würde, hätte die auch nur den Hauch einer Ahnung von den Vorgängen.

Mit gewohnt humorvollem Erzählstil erweckt Gail Carriger ihre Geschichte mit vielen verspielten Details zum Leben. Viel deutlicher als im Parasol Protectorate kommen hier die Kennzeichen des Steampunks zum Vorschein und erschaffen eine lebendige Welt im technischen Wandel. Rauchende Schornsteine, Luftschiffe und mechanische Erfindungen en masse! Es quietscht, es tropft, es qualmt, wohin man auch blickt.
Schön sind außerdem die vielen Nebenfiguren, die aus dem Parasol Protectorate wieder aufgegriffen wurden. So trifft man u.a. auf Genevieve Lefoux und Lady Kingair in ihren jüngeren Jahren. Vorkenntnisse aus den vorherigen Büchern Carrigers braucht man an dieser Stelle nicht, es sorgt lediglich für Amüsement, die bekannten Figuren soviel jünger zu erleben.
Selbstverständlich trifft man in diesem Buch auch auf ganz neue Charaktere, bei denen nicht nur die Namen für heftiges Schmunzeln sorgen. Ebenso begegnen wir wieder Vampiren und Werwölfen im feinen (und weniger feinen) Zwirn.

Ein paar Abzüge gibt es freilich auch zu nennen. Die Idee einer Spionage-Schule ist durchaus mal etwas neues. Es hat jedoch oft den Anschein, dass das Potential dieser Schule und ihrer Charaktere nicht ausgeschöpft wurde. Manches wirkt etwas zu gut konstruiert und die Charaktere agieren gelegentlich zu clever (insbesondere für ihr Alter), auch mangelt es dem Plot an Substanz, vorhersehbar ist er leider auch recht schnell. So ganz warm geworden scheint die Autorin mit ihrer neuen Reihe noch nicht zu sein. Nichtsdestotrotz ist Etiquette & Espionage eine tolle Abwechslung zu sonstigen Jugendbüchern und liefert vor allem Mädchen ein Vorbild, das mehr kann als sich unsterblich zu verlieben und alle Handlungen um diese Liebe herum aufzubauen. Sophronia ist da deutlich vielseitiger und auch vielseitiger interessiert. Mal sehen, ob es Gail Carriger schafft, mit dem Nachfolger auch wieder zu etwas mehr inhaltlicher Überzeugungskraft zurück zu finden.

The Face in the Frost von John BellairsDie beiden kauzigen Zauberer Prospero und Roger Bacon leben in verschiedenen Königreichen, sind jedoch durch eine langjährige Freundschaft verbunden. Eigentlich genießen die beiden alten Herren viel lieber das Leben statt sich mit der Bedrohung der Welt zu befassen. Doch da sich bereits dunkle Schatten in seiner Gartenidylle breit machen und unheimliche Wesen durch den Keller schleichen, können sie nicht lange warten und müssen all ihre Talente einsetzen um den schaurigen Ereignissen Einhalt zu gebieten.

– Several centuries (or so) ago, in a country whose name doesn’t matter, there was a tall, skinny, straggly-bearded old wizard named Prospero, and not the one you are thinking of, either. –
One

Zeit für klassische Fantasy? – Aber gerne!
The Face in the Frost (Das Gesicht im Eis) bietet all das, was den ursprünglichen Kern der Fantasy ausmacht. Alte Zauberer mit spitzem Hut, eine Kutsche aus Kohlrabi, ein gesprächiger Spiegel, unerhört lebendige Umhänge, die einem im dunklen Keller auflauern, und etliches mehr sind hier ganz normal. Wer nun eine Kindergeschichte wittert, liegt damit aber nicht ganz richtig und täte dem Buch unrecht. The Face in the Frost ist dank seiner schrulligen Protagonisten und einem unverkrampften Worldbuildung sehr humorvoll, bietet darüber hinaus aber auch Themen, die eher Stoff für Erwachsene sind. Intrige, Mord, politische Konflikte und die Folgen begangener Fehler in der Vergangenheit kommen hier in verlässlicher Regelmäßigkeit zum Zuge.

Dieses dünne Büchlein vermag es, seine Leser recht schnell in den Bann zuziehen. Die beiden alten Zauberer sind ein herrliches Duo und die erwähnten Artefakte und Szenen locken mit Leichtigkeit Lacher hervor.
Obwohl die Ideen in The Face in the Frost vielen Lesern vertraut vorkommen werden, ist dieser Roman keineswegs langweilig. Vielmehr sollte man es als den Klassiker betrachten, den es darstellt, mit den damals üblichen Stilmitteln eines Fantasyromans. Die Lektüre lohnt sich allemal, denn John Bellairs’ Erzählkunst schafft es ganz mühelos auf nur knapp 180 Seiten eine farbenprächtige Welt zu erschaffen, deren Atmosphäre sich sehr plastisch und lebendig vor dem geistigen Auge aufbaut.

Für jeden, der sich gerne einmal auf die Wurzeln des Genres zurückbesinnt und märchenhafte Atmosphäre sucht, die nicht gleich Kinderbuch bedeutet, ist dieser Roman daher eine klare Leseempfehlung. Auch Fans von Diana Wynne Jones dürften hier bestens beraten sein. Zu beachten wäre allerdings, dass das Buch sprachlich nichts für Englisch-Anfänger ist.

Illustrationen:
Die Originalausgabe aus den 80er Jahren wurde mit einfachen schwarzweißen Tuschezeichnungen bereichert. Wie es um die Neuauflage aus dem Jahr 2000 steht, ist uns leider nicht bekannt.
In Deutschland ist das Buch bisher nur als Sammlerausgabe bei Edition Phantasia erschienen – mit aufwendiger Aufmachung und farbigen Illustrationen. Eine ausführliche Beschreibung und Bildbeispiele findet ihr im Blog-Artikel zur deutschen Ausgabe (Buch des Monats im April 2011).

Feuerfrost von Alan GarnerSusan und Collin kommen in den Ferien nach Alderley, wo sie bei Bauern Gowther Mossock und seiner Frau Bess leben. Schon am ersten Tag, als sie den von Legenden umrankten Berg Edge erkunden, begegnen sie sehr sonderbaren Gestalten: Einer unangenehmen Frau, welche die beiden ein Stück im Auto mitnehmen will und merkwürdiges Zeug redet, dem garstigen Gezücht von Ymir und dem Zauberer von Alderley, der ihnen erklärt, was an einer Sage dran ist und warum es für die Zukunft der Welt wichtig ist, daß er den magischen Stein Feuerfrost wieder bekommt. Es scheint, als haben die Kinder etwas damit zu schaffen – oder warum erhalten sie sonst so viel Aufmerksamkeit von der Morthsippe?

-Vor langer, langer Zeit ritt früh am Morgen eines stillen Oktobertags ein Bauer aus Mobberley über den Alderley-Berg zum Markt nach Macclesfield.-
Eine Sage aus Alderley

Alderley und der Edge liegen in Cheshire nahe Manchester – in einem sehr ländlichen Gebiet. Weitere Teile sind mit Wäldern bewachsen, es gibt Sumpfland und einen großen See – den Lindow. Der Edge ist ein Berg, in dem viele Kupferminen gegraben wurden. Alle im Buch besuchten Orte sind real, wer mag, kann dort Urlaub machen. Die Geschichte trägt sich in der Gegenwart zu, auch wenn sie mit wenigen Ausnahmen auch im Mittelalter stattfinden könnte.
Die Geschichte quillt vor magischen Elementen geradezu über: mit Ausnahme des ersten Kapitels tauchen in jedem welche auf. Diese sind aus der Mythologie der britischen Inseln geschöpft, vieles stammt aus der Mabinogion-Tradition, einiges aus dem Artus-Kreis. Es gibt in einem Hügel schlafende Ritter, die in der Zeit höchster Not zurückkehren (Artus), einen weisen Zauberer, der sie wecken soll (Merlin), eine verzauberte, schwimmende Insel, Maras (Trolle), die Morthsippe (Hexen und Dämonologen), Zwerge, Lichtelfen und natürlich die Svart-Alfar, widerwärtige, böse menschenartige Wesen von knapp einem Meter Größe mit dünnen, sehnigen Körpern. Alle Elemente aufzuführen oder gar herzuleiten wäre sehr aufwendig – in diesem Interview gibt Garner einen Einblick. Die Legenden, die sich um die besuchten Orte ranken, sind ebenfalls authentisch.

Figuren gibt es viele. Im Laufe der Ereignisse treten immer weitere neue Figuren auf. Susan und Collin sind zwei noch recht kindliche Schüler, die in die Obhut von Gowther und Bess gegeben werden. Susan ist zunächst etwas furchtsamer als Collin, später wandelt sich dies. Rechtschaffenheit und Neugier zeichnet die beiden aus. Gowther ist ein Bauer wie aus dem Bilderbuch – vierschrötig, erdverbunden und pragmatisch – seine Frau eine bloße Randfigur. Die Zwerge Fenodyree und Durathos sind kleine Krieger – Fenodyree ist wissend und vorsichtig, Durathor ist tollkühn und kampfeslustig. Schon diese Figuren werden nur schwach charakterisiert und agieren eher im Rahmen eines Märchens denn der phantastischen Literatur plausibel; die weiteren Figuren kommen über den Status des Funktionsträgers nicht hinaus: Morrigan ist die böse Oberhexe, Grimnir der pervertierte hermetische Magier etc. Ausgefeilte Figuren bietet die Geschichte nicht. Das stört in dieser Geschichte allerdings nicht sonderlich, da die Aufgabe soviel größer ist, als die Figuren es sind.

Die Geschichte dreht sich um den magischen Stein Feuerfrost. Wenn er dem Herren der Morthsippe in die Hände fällt, könnte er ein mächtiges Werkzeug der guten Seite ausschalten. Zunächst geht es darum, den Stein zu finden, denn er wurde vor langer Zeit dem Zauberer gestohlen, und dann muß er zurückgebracht werden – es ist also eine Queste. Die Geschichte steigt schnell in den Plot ein, schon im zweiten Kapitel gibt es die erste Herausforderung. In der ersten Hälfte der Geschichte purzeln die Plotpunkte nur so, die Ereignisse überschlagen sich geradezu. Die zweite Hälfte wird zwar von Action dominiert – man flüchtet, versteckt sich, klettert und kämpft – doch der Plot kommt nur sehr langsam voran, auch verliert die Geschichte an Spannung, da sie zu unvorhersehbar wird.

Verblüffend ist die große Ähnlichkeit der Geschichte zu Tolkiens Hobbit und Herrn der Ringe. Dem Leser werden hier viele Bilder präsentiert, die sich wohl aus denselben Quellen speisen. Ein magischer Gegenstand darf dem Herren der bösen Seite nicht in die Hände fallen, da sonst das Schicksal der Welt bedroht ist. Eine kleine Gruppe von Gefährten macht sich auf, dies zu verhindern. Sie werden von Scharen widerwärtiger, häßlicher nachtaktiver Schergen verfolgt. Sie begegnen Trollen, die bei Nacht mächtig sind und im Sonnenlicht zu Stein erstarren. Eine Elfenherrin gewährt ihnen Schutz vor Verfolgern und langanhaltende Speisung und leichte Mäntel, die wärmen und nahezu unsichtbar machen. Es gibt noch einige weitere Parallelen.

Die Moderne spielt leider fast keine Rolle, man merkt es weder den Kindern noch den Bauern an. Hier wurde eine wunderbare Gelegenheit zur Konfrontation von Magie und Moderne, altmodischer Rückständigkeit und Feenreich verpaßt. Die Kinder wundern sich über fast nichts und scheinen nicht in der Gegenwart verwurzelt zu sein.
Der Stil ist einfach und flüssig, sehr angemessen für junge Leser; die mythischen und realen Orte werden sehr stimmungsvoll geschildert und manche Vorfälle sind unheimlich und bedrohlich erzählt.

Der Feuerthron von Diana WolrathMera lebt mit ihrer Mutter auf der blauen Insel Ilyndhir. Doch als die finsteren Gurrländer von der schwarzen Insel, die unter der Macht eines magischen Artefakts – des Feuerthrons – stehen, immer aggressiver vorgehen und die Inselwelt erobern, findet dieser Friede ein jähes Ende. Meras Ziehbruder Girdhan stammt von einer Insel, die dem schwarzen Reich zugeordnet wird. Als die gurrländische Flotte Ilyndhir angreift, wollen die Fischer und Kaufleute ihren Zorn an Girdhan auslassen, und Mera ist gezwungen, mit ihm zu fliehen. Die beiden fassen schließlich den Plan, den Feuerthron zu zerstören, um dessen dunklen Einfluß auf das Volk der Gurrländer zu brechen. Zum Glück entdeckt Mera ihre magischen Fähigkeiten.

-Hannez sah, wie der Knoten des Taus aufging, mit dem das Segel eben neu aufgezogen worden war, konnte aber nicht mehr tun, als “Vorsicht!” zu schreien.-
1

Was schon bei Tolkien funktioniert hat, kann so falsch nicht sein, und deshalb schicken Autoren allzu gerne kleingeratene (oder in diesem Fall kindliche) Helden auf geheimer Mission mitten hinein ins Feindesland, wo sie in einem aus allen Völkern buntgemischte Trüppchen das finstere Artefakt vernichten sollen. Dunkle Herrscher rechnen nicht mit solchen Kamikaze-Attacken und sind überhaupt schwer damit beschäftigt, ihre Eroberungsfeldzüge voranzutreiben, weswegen gewisse Erfolgschancen für die Eindringlinge existieren. Außerdem stehen den Helden im Fall von Der Feuerthron die ätherisch-unsterblichen Runländer etwas widerstrebend zur Seite und dürfen ein wenig erhaben-elbisches Flair verbreiten.
Nun muss aber unoriginell nicht unbedingt auch uninspiriert heißen, und die Verlegung der Geschichte auf ein im wahrsten Sinne des Wortes kunterbuntes Inselarchipel verspricht zunächst einmal viele Farbtupfer und mit den bodenständigen jungen Helden ein solides (Seefahrt-)Abenteuer mitsamt dem Abbau von Vorurteilen, wenn sich die Mannschaftsmitglieder verschiedenfarbiger Nationen wider Willen zusammenraufen müssen.
Eine Coming-of-Age-Geschichte will man Der Feuerthron, das erste (abgeschlossene) Abenteuer auf der Inselwelt Runia von Diana Wolrath (dem Jugendbuch-Pseudonym von Iny Klocke und Elmar Wohlrath) nicht einmal nennen, denn dazu bleibt der Roman thematisch zu unfokussiert und kommt nicht über die reine vordergründige Handlung hinaus, bei der das Erwachen magischer Kräfte in der Hauptfigur nur einer von vielen Aspekten ist.

Blaue, schwarze, violette, weiße, gelbe und grüne Nationen bevölkern das Archipel, ihre Kultur und ihr Charakter richten sich nach der Farbe des jeweils angebeteten Mondes und der diesem zugeordneten Gottheit. Und das war es dann auch schon mit dem Weltenbau – auf der Insel der Blauen ist vieles blau, Mitglieder aus Völkern, die einer Gegenfarbe angehören, streiten sich zwangsläufig, bestimmte Charaktereigenschaften sind mit Farben verbunden, und auch die Magie hängt direkt mit der Farbzugehörigkeit der Figuren zusammen.
Für eine plastische, lebendige Welt reicht es jedoch nicht aus, den Pinsel einmal tief in den Farbkasten zu tauchen und dann eine Runde Malen, pardon, Schreiben nach Zahlen zu veranstalten. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird man der farbigen Motivationen und Erklärungen für Ereignisse schneller überdrüssig, als man „Gegenfarbe“ lesen kann.

Ähnlich geradlinig wie der Weltenbau wird auch die Handlung abgespult, die schwierigeren Themen wie etwa die Deportation von Flüchtlingen in Lager und die Suche der bedrängten blauen Nation nach einem Sündenbock werden lediglich angerissen, was aber in einem Jugendbuch, das auch mit dem Einsatz von stark stereotypen Figuren und einer sehr einfach gehaltenen Sprache wohl eher unerfahrene Leser ansprechen soll, soweit verständlich ist.
Wäre da nicht, nebst ein paar sprachlichen Schnitzern wie falsch verwendeten Konjunktionen, das Ende. Wer sich wirklich nicht ganz sicher ist, ob die jungen Helden es schaffen werden, den finsteren Herrscher zu vernichten, sollte sich den nächsten Absatz aufgrund von leichter Spoilergefahr sparen – und am besten gleich auf das ganze Buch verzichten, das mit einer moralisch schlicht unvertretbaren Lösung aufwartet:

Da erobert also ein Haufen Kinder das übermächtige, böse Artefakt namens Feuerthron, mit dem man Menschen manipulieren kann (z.B. dazu, gegen die restlichen Nationen einen Eroberungskrieg zu führen). Anders als dem Einen Ring kann man dem Feuerthron aber mit etwas Abrakadabra den “bösen Geist” austreiben; was bleibt, ist ein überaus mächtiges Artefakt. Und im fluffig-perfekten Schlusswort sitzen die Kinder auf dem Feuerthron und machen sich daran, das Insel-Archipel wieder in Ordnung zu bringen – und zwar mittels ‘sanfter’ Beeinflussung der Menschen durch die Macht des Artefakts, damit diese sich friedlich und geordnet dem Wiederaufbau widmen und auch ordentlich anpacken, wenn es was zu tun gibt. Und das alles ohne die leiseste Kritik oder Frage, ob so eine Beeinflussung der Massen im Sinne der Herrscher wirklich eine gute Idee ist.

Da staunt man nicht schlecht, wenn ein Jugendbuch so offen dafür eintritt, andere zu ihrem Glück zu zwingen, und es macht aus einem wenn auch nicht ganz durchschnittlichen, so doch sicher lesbaren Abenteuer ein Unding. Da werfen wir lieber noch einmal den Ring ins Feuer des Schicksalsberges …

Der Fluch des Titanen von Rick RiordanBei dem Auftrag, ein Geschwisterpaar von Halbgöttern sicher ins Camp zu bringen, wird Annabeth von einem uralten Feind entführt, der mit Kronos im Bunde steht. Doch das ist nicht Percys einziges Problem. Neben Annabeth verschwindet auch die Göttin Artemis, die den Olymp als einzige überzeugen kann, sich gegen die drohende Gefahr durch die Titanen zu wappnen. Percy, Halbgöttin Thalia, Satyr Grover und zwei von Artemis’ Jägerinnen machen sich auf den Weg, um Annabeth und Artemis zu finden und zu befreien. Doch die Gefahren sind größer denn je und Verluste scheinen unvermeidlich.

– Am Freitag vor den Winterferien packte meine Mom mir eine Reisetasche und ein paar tödliche Waffen zusammen und fuhr mich zu einem neuen Internat. –
Meine Rettungsoperation schlägt gewaltig fehl

Zu Der Fluch des Titanen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Frostfeuer von Kai MeyerMaus lebt seit ihrer Geburt im Edelhotel Aurora in St. Petersburg, das sie noch nie verlassen hat. Alle anderen Bediensteten nennen sie den “Mädchenjungen”, weil sie sich schon immer als Junge gegeben hat, um im Hotel bleiben zu dürfen. Außer dem Eintänzer Kukuschka gibt es niemanden, an den sich Maus wenden kann. Besondere Angst hat sie vor dem “Rundenmann”, der jeden der Bediensteten kontrolliert. Sie ist als Schuhputzerin angestellt und stößt eines Abends auf ein seltsames Schuhpaar, das zu einer überirdisch schönen Dame gehört. Zur gleichen Zeit findet sich eine weitere ausgefallene Gestalt ein: Tamsin Spellwell, die mit ihrem blauen Haar und ihrem Temperament, das so wild ist wie ihre Kleidung, das Hotel auf den Kopf stellt.

-“Guten Tag, Väterchen Frost.” Der Mann blickte auf. Für einen Augenblick schwand sein Lächeln, weil jemand es wagte, ihn bei der Fütterung der Flocken zu stören. Dann aber erkannte er die Frau, die ihn angesprochen hatte. Sein Lächeln kehrte zurück. “Lady Spellwell?”, fragte er. “Tamsin Spellwell?” Eine Frau war aus dem Schneetreiben getreten wie ein kunterbuntes Gespenst.-
Das Kapitel, in dem die wahre Heldin dieser Erzählung noch gar nicht auftritt

Nach Venedig und der Karibik führt der nächste große Jugendroman von Kai Meyer nun nach St. Petersburg. Aber nicht die Stadt selbst bildet die Kulisse für die phantastische Geschichte, sondern das Hotel Aurora. Und dieses Hotel hat Kai Meyer zu einer eigenen Welt gemacht und bemerkenswerte Figuren darin angesiedelt. Das Russland der Zarenzeit zeigt sich in aller Pracht, die allerdings eine schäbige Rückseite hat: Überall finden sich versteckte Türen in einen toten Flügel des Hotels und in den Kellern gibt es Spalten und Nischen, die Maus ein Zuhause geben. Kukuschka und der Rundenmann sind wie der Gut- und Bösepol in Maus’ Leben – so lebhaft, fröhlich und fürsorglich der eine gestaltet ist, so grobschlächtig, kalt und bedrohlich wirkt der andere. Ihre wahren Identitäten sind von Anfang an fraglich; eine überraschende Klärung wartet am Ende der Geschichte. Die Schneekönigin und Tamsin bleiben in ihrer Persönlichkeit und Herkunft immer etwas unscharf, aber das unterstützt nur ihre wundersamen Erscheinungen. Vor allem Tamsin und ihre zaubertüchtigen Utensilien sind eine skurrile, schillernde Bereicherung der Geschichte. In typischer Meyer-Manier muss natürlich noch eine Passage eingebaut werden, die das Grauen auf die Spitze treibt: Was Maus in Tamsins Zylinder erlebt, ist nur den Hartgesottenen unter den Zwölfjährigen zuzumuten, für die das Buch laut Verlag schon geeignet ist. Im Laufe des Romans wird Maus auch mit ihrer größten Angst konfrontiert: Sie muss sich aus dem Hotel hinaus begeben. Ihre krankhafte Panik vor der Außenwelt wird so eindrucksvoll geschildert, dass man in den entsprechenden Szenen das Buch absolut nicht mehr aus der Hand legt. Und die begründete Angst, in den Himmel zu fallen, sobald man einen sicheren Innenraum verlässt, jagt wohl jedem einen Schauer über den Rücken, der sich das als Kind schon mal ausgemalt hat. Vor solchen Ideen sprudelt der Roman über – und wer immer gelacht hat, wenn Kinder sich unsichtbar zu machen versuchen, indem sie einfach ganz fest die Augen schließen, der sollte ihn dringend lesen!

Cover von Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz von Ralf IsauDer junge und zögerliche Karl Konrad Koreander möchte die Nachfolge des Herren Trutz in dessen Antiquariat antreten. Doch schon beim ersten Gespräch läuft etwas schief: Es fehlt die Unterschrift unter der Generalvollmacht. So macht sich Karl auf, den plötzlich verschwundenen Herrn Trutz zu suchen. Der junge Mann entdeckt, daß es eine geheime Bibliothek im Antiquariat gibt und diese der Zugang zu einer anderen Welt ist – Phantásien. Der Alte hat dort einen wichtigen Posten, er ist Meisterbibliothekar und Karl ist sein designierter Nachfolger! Aber aus der Bibliothek, die zu den Grundpfeilern Phantásiens gehört, verschwinden Bücher und lassen die “Leere” zurück, deren Ausbreitung nicht nur die Bibliothek, sondern ganz Phantásien bedroht…

-Im Zaudern machte ihm so schnell keiner etwas vor. Karl war ein Experte im verschleppen von Entscheidungen. An diesem Abend sollte sein Talent indes auf eine harte Probe gestellt werden…-

Wie schon das Werk Die unendliche Geschichte (DuG), welche zu diesem inspirierte, spielt die Geschichte einerseits in der “Realität” und andererseits in Phantásien. Die wenigen Szenen der “Realität” sind auf das Antiquariat des Herren Trutz und Umgebung zentriert. Da die Stücke in den späten 30ern des letzten Jahrhunderts spielen, wird dem Leser die “Realität” nicht nahe gebracht. In seinem Phantásien versucht der Autor an das von Michael Ende anzuknüpfen. Einige aus DuG bekannten Orte und Personen werden zwar erwähnt, aber nur zwei Figuren begegnet man wieder. Isau schafft statt dessen Neues, allerdings bleibt er in punkto Kreativität hinter Ende zurück. So schafft er nur etwa ein Drittel der Anzahl von Orten, die in DuG bereist werden; aber sie reichen auch, was den Fantasiereichtum angeht, nicht alle an die Originalschauplätze heran. Der Schwarze Elfenbeinturm ist etwa genau das: nämlich ein finsteres Spiegelbild des Elfenbeinturms der Kindlichen Kaiserin. Der Wald des Vergessens ist eine interessante Idee: Wer hier hineingerät, der wird sich unweigerlich verlaufen, denn er vergißt sich selbst. Leider werden der Wald und seine Auswirkungen nicht näher beschrieben, so daß es bei ein paar Worten bleibt. Die Wolkenburg des König Kumulus IL. scheint mir dagegen durchaus gelungen zu sein; sie besteht aus so leichten Materialien, daß ein Funke das Schloß in einer Stichflamme zergehen und allzu lautes Sprechen die bunten Fenster zerbersten lassen kann, denn diese bestehen aus dem Atem von Elfen. Nimmt man etwas wahrhaft gewichtiges mit, so droht die Wolkenburg abzustürzen.

In der bloßen Zahl der neuen Wesen in Phantásien dürfte Isau Ende gleichkommen, doch neigt er zu albernen Wortspielen – so gibt es Bücherwürmer, Brillenschlangen, Leseratten und Luftikusse als Phantasiewesen, die die Menschen zu entsprechenden Wortschöpfungen inspiriert haben. Auch in Sachen Einfallsreichtum bleibt Isau zurück. So ist der Bücherdrill Alphabetagamma eine Art lebender Bleistift, der sich rasch durch Bücher bohrt um deren Inhalt zu erfassen. Der Briefgreif Huschhusch ist einfach nur ein großer Greif – und übrigens das erste phantásische Wesen mit Namen von dem ich lese, das nicht sprechen kann. Als letztes sei der Bücherbold Lector genannt, ein gorillaartiges Wesen mit blauem Fell und wenig Verstand – sträuben sich seine Haare, sieht er aus wie ein blauer Riesenstaubwedel.
Bei der Namenswahl vieler Figuren war der Autor ebenfalls nicht besonders phantasievoll: Baldrian, die Schnecke; Hallúzina, die Herrin des Hauses der Erwartungen; Kumulus IL., der König der Wolkenburg, und Elster, der König der Diebe seien hier als Beispiele genannt.

Die Figuren spielen zumeist größere Rollen als die in DuG, aber nur drei treiben die Geschichte weitestgehend voran: Karl Konrad Koreander, Thaddäus Tillmann Trutz und die Phantásierin Qutopía.
Die komplette Handlung wird von einer Queste umfaßt, Karl will nämlich die Nachfolge im Antiquariat antreten, dazu muß er von Herrn Trutz die Unterschrift für die Generalvollmacht bekommen. Hierzu ist allerdings erst mal Phantásien zu retten und einige Abenteuer zu bestehen, die unterschiedliche Lösungen erfordern. So muß geklärt werden, wie die Bücher verschwinden und wer dahinter steckt – ganz zu Schweigen davon, daß dem ein Riegel vorgeschoben werden muß. Dazu müssen Rätsel gelöst, Leute überzeugt und Feinde bezwungen werden. Es gibt auch eine kleine Liebesgeschichte, diese soll jedoch nur die Wandlung Karls unterstreichen; im Gegensatz zur Wandlung Bastians in DuG geschieht Karls nur beiläufig und hat mit der eigentlichen Geschichte nicht viel zu tun, sondern läßt nur den Helden mit seinen Aufgaben wachsen.
Insgesamt fehlt es der Geschichte an Tiefe; während Phantásien sich um Bastians Wünsche herumformte und der Leser vor die Frage gestellt wurde, ob es schon immer so war oder eben erst geschaffen wurde, erfüllen sich Karls Wünsche beinahe mit einem “Plopp!” Wie erwähnt ist die Wandlung des Helden einfacherer Natur und auch die Bedrohung Phantásiens ist kein tiefgreifendes Strukturproblem, sondern das Werk einiger Bösewichte. Während Bastian sich die Herausforderungen wünschte um sich produzieren zu können, werden sie Karl aufgedrängt, damit er wachsen kann. Schließlich ist auch der Spannungsbogen weniger gelungen; während DuG spätestens ab dem zweiten Kapitel den Leser mitreißt, braucht dieses Werk erheblich länger um Fahrt aufzunehmen, erst ab dem vierten Kapitel beginnt sich langsam Spannung aufzubauen und nach dem Höhepunkt flaut diese auch schnell wieder ab, so das am Ende noch einige Seiten übrig bleiben.
Sprachlich hebt sich das Werk deutlich von DuG ab; die Sprache hier ist lockerer und weniger mystisch, bisweilen gibt es sogar etwas “Technobabble”; auch sind die Sätze schnell lesbar. Insgesamt paßt der Sprachstil gut zum Phantásien Isaus.

Gemmas Visionen von Libba Bray1895 – Gemma Doyle, ein launischer und verwöhnter Teenager, feiert ihren sechzehnten Geburtstag, als sie zum ersten Mal von einer Vision heimgesucht wird, die ihr bisheriges Leben völlig verändert. Gemma sieht, wie ihre Mutter sich selbst tötet, um einem Schattenwesen zu entkommen, das sie zu verschlingen droht. Gemma, die ihr Leben in Indien verbracht hat, wird zu ihrer Familie nach London geschickt, wo sie ein Pensionat für junge Damen besuchen soll. Niemand ahnt etwas von ihren Visionen, die nur der Anfang eines viel größeren Geheimnisses sind.

– Ich starre einer Kobra in die Augen. –
1. Kapitel

Zu Gemmas Visionen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Gesicht im EisDie beiden kauzigen Zauberer Prospero und Roger Bacon leben in verschiedenen Königreichen, sind jedoch durch eine langjährige Freundschaft verbunden. Eigentlich genießen die beiden alten Herren viel lieber das Leben statt sich mit der Bedrohung der Welt zu befassen. Doch da sich bereits dunkle Schatten in seiner Gartenidylle breit machen und unheimliche Wesen durch den Keller schleichen, können sie nicht lange warten und müssen all ihre Talente einsetzen um den schaurigen Ereignissen Einhalt zu gebieten.

– Schon vor mehreren Jahrhunderten (oder so) lebte in einem Land, dessen Name unerheblich ist, ein großer, dürrer alter Zauberer mit struppigem Bart, der Prospero hieß, aber nicht der, an den Sie jetzt denken. –
S. 15

Das Gesicht im Eis wurde als Buch des Monats ausführlich in der Bibliotheka Phantastika besprochen, dazu bitte hier entlang.
Außerdem liegt eine Rezension der Originalausgabe vor: The Face in the Frost.

Cover von Gifts von Ursula K. Le GuinIm Flachland liegen die großen und kleinen Städte des Landes mit ihren Märkten, ihren Häusern und Straßen; im kargen Hügelland leben die Clans auf verstreuten Höfen. Das Leben dort ist schwer, doch die Clans besitzen die Gabe, eine Form der Magie, die in der Familie von Generation zu Generation weitergegeben wird. Denen, die sie besitzen, verleiht sie eine besondere Fähigkeit. Orrec ist der Sohn eines Clanführers und einer Frau aus den Städten, daher ist es ungewiss, ob er die Gabe besitzt, die notwendig ist, um seinem Vater nachfolgen zu können, und zugleich fürchtet er deren potentielle Kraft. Auch das Mädchen Gry hadert mit dem Einsatz ihrer Gabe.

-He was lost when he came to us, and I fear the silver spoons he stole from us didn’t save him when he ran away and went up into the high domains.-
1

Die Geschichte wird aus der Sicht des Jungen erzählt. Der Verlag schreibt in einem kurzen Werbetext auf der Rückseite des Einbandes, dass ein Jugendbuch von Ursula K. Le Guin einen mehr zum Nachdenken bringt als manches Buch für Erwachsene. Für mich ist dieses Buch kein Kinder- oder Jugendbuch, auch wenn es für diese Altersgruppe geeignet ist.
Das Buch ist in seiner Art recht typisch für die Autorin. Die einfache Welt, die nicht weit entfernt von unserer Welt in irgendeinem bergigen Hinterland angesiedelt ist, wird mit einer ungeheuer dichten Atmosphäre beschrieben, die die Autorin aus drei Strängen webt. Aus Landschaft, Menschentyp und dem täglichen Handeln schafft sie eine Einheit von Land und Leuten. Die psychologischen Profile der handelnden Personen sind scharf und die Charaktere deutlich ausgearbeitet. Niemand, der in die bescheidene Handlung eingreift, bleibt unscharf oder klischeehaft. Und letztlich sind die Dialoge kleine Meisterwerke der Unauffälligkeit, was immer recht schwer zu erreichen ist. Jeder gesprochene Satz ist bedeutungsvoll und wird für die Geschichte in der einen oder anderen Art und Weise gebraucht. Um so etwas zu erreichen, bedarf es nicht nur einer stilsicheren, einfachen Sprache, sondern vor allem einer meisterhaften Beobachtungsgabe. Die Handlung wird auch nicht von spektakulären Aktionen getrieben, alles verbleibt im Alltäglichen und findet seine Besonderheiten im Umgang mit der Gabe. Auch wenn Menschen und Tiere sterben, geht es nicht um Grausamkeiten oder Krieg, sondern um Bestimmung, freien Willen und Tradition. Daher ist das Buch für Jugendliche geeignet, aber die Vielschichtigkeit der Geschichte ist eher etwas für Erwachsene.
Wer Fantasy sucht, die durch wilde Aktionen, gewaltige Kämpfe und Furcht erregende magische Explosionen gekennzeichnet ist, wird in diesem stillen Roman kaum auf seine Kosten kommen. Wer hingegen Erzählkraft und Meisterschaft in der Sprache sucht, wird auf ein kleines Kunstwerk stoßen. Nur der Einband ist ein wenig nichts sagend.

Cover von The Golem's Eye von Jonathan StroudNach den Ereignissen um das Amulett von Samarkand sind zwei Jahre vergangen, zwei Jahre, in denen aus Nathaniel immer mehr John Mandrake, ein ehrgeiziger, gewissenloser Zauberer wurde. Er ist nun mit der Aufgabe betraut worden, die Resistance zu zerschlagen, aber Anhaltspunkte hat er wenige: Er war vor zwei Jahren Kitty, Stan und Fred begegnet. Dann aber richtet etwas Mächtiges großen Schaden in London an – die Verantwortlichen entscheiden, daß es in Mandrakes Ressort fällt, dieses aufzuklären. Aber auch die Resistance um Kitty steht vor einem großen Problem, denn die gegenwärtige Strategie ist ausgereizt. Da teilt ihr Anführer mit, er habe einen Plan, nach dessen Erfolg London in den Grundfesten erschüttert werden könnte…

-At dusk, the enemy lit their campfires one by one, in greater profusion than on any night before.-
Prologue. Prague, 1868

Das Geschehen in the Golem’s Eye (Das Auge des Golem) findet hauptsächlich in London statt, aber es gibt auch kurze Ausflüge nach Prag. Die Herrschaft des von einer Clique machtgieriger, arroganter und hartgesottener Zauberer kontrollierten Britischen Empire zeigt erste Risse: Die Yankees der nordamerikanischen Küste streben nach Unabhängigkeit, das vor 150 Jahren zerschmettere Tschechische Kaiserreich beginnt sich wieder zu rühren und daheim in London agiert die Resistance gegen das Diktat der Zauberer.

In vielen Punkten scheint es die Moderne zu sein: Die Zauberer fahren in dunklen Limousinen, lassen Fotokopien machen und fliegen mit Flugzeugen. Doch dann gibt es eigenartige Rückständigkeiten: Die Schiffahrt wird mit Windkraft betrieben, Soldaten tragen bunte, klimpernde Uniformen und benutzen keine vollautomatischen Waffen. Die Geschichte spielt zwar ausschließlich in Städten, aber ein Gefühl der Urbanität wird nicht vermittelt. Die magischen Elemente dominieren die Geschichte. Da sind die Zauberer, die von ihnen kontrollierten Dämonen, beide sprechen Zaubersprüche und die Mitglieder der Resistance, die alle eine gewisse Resistenz gegenüber Magie besitzen, haben häufig noch eine weitere magische Fähigkeit. Echte nicht-magische Leute und Gegenstände treten nur sehr am Rande auf und haben fast keine Bedeutung. Insgesamt bleibt unklar, welche Zaubersprüche nur Dämonen sprechen können und welche auch von Zauberern genutzt werden können. Dann ist nicht klar, was sich mit Zaubersprüchen alles anfangen läßt oder welche Dämonen über welche Fähigkeiten verfügen: Irgendein kleiner Foliot kann sich unsichtbar machen und Bartimaeus nicht – warum? An diesem Kritikpunkt hat sich also seit dem ersten Band nichts verändert.

Figuren treten zwar nur drei zentrale auf, doch daneben gibt es eine ganze Anzahl weiterer: Kittys Eltern, die anderen Mitglieder der Resistance, ein alter Freund, dann zahllose Zauberer aus den unterschiedlichen Ministerien und “Dämonen”. Einige haben allerdings so kurze Auftritte, daß man sich fragt, warum die überhaupt einen Namen erhalten haben. Vielfach neigen die Figuren leider dazu, sehr ähnliche Charaktere zu haben: Alle Zauberer sind machtgierig und gewissenlos, die meisten “Dämonen” neigen zu einer fatalistischen Sklavenhaltung. Interessant und gelungen dagegen sind die Gewöhnlichen (inklusive der Resistance), hier finden sich Kollaborateure, zögerliche Regimegegner und aktive Widerständische mit vielen unterschiedlichen Motivationen. Die drei zentralen Figuren sind Kitty, Nathaniel und Bartimaeus. Kitty ist seit drei Jahren ein Mitglied der Resistance. Zunächst will das Mädchen einfach nur Rache, aber langsam entsteht ein Einsehen, daß diese Haltung zu nicht viel führen wird. Nathaniel, der sich John Mandrake nennt um seinen wahren Namen zu schützen, ist der Assistent von Mr. Tallow, dem Vorsitzenden der Internen Angelegenheiten. Nathaniel will einerseits Rache für die Demütigung, die er vor zwei Jahren von der Resistance erlitten hatte, und andererseits mehr Macht. Auch wenn er mehr und mehr John Mandrake wird, ist da noch ein Rest vom idealistischen Nathaniel. Bartimaeus schließlich ist ein uralter Djinn, der mehr oder minder widerwillig die Befehle seines Meisters – Nathaniel – ausführt. Mit einem sarkastischen Kommentar ist er allerdings schnell bei der Hand.
Die Geschichte besteht aus zwei Plotsträngen, die nach und nach zusammengeführt werden – allerdings nicht so, wie man meinen könnte. In einem Strang geht Nathaniel den sonderbaren Geschehen in London nach und muß sich immer wieder Gedanken über die Resistance  machen. Dieser Strang erinnert an eine hardboiled Detektiv-Geschichte – nur nicht so “hard”. Nathaniel und Bartimaeus ziehen umher, sammeln Hinweise und geraten in gefährliche Situationen. Hinzu kommt noch ein bißchen Intrigengerangel und viel Korruption. Der andere Strang ist auf Kittys Entwicklung fokussiert – quasi eine Entwicklungsgeschichte. Hier werden ihre wichtigsten Erfahrungen geschildert – warum sie schlecht auf Zauberer zu sprechen ist, wie sie zur Resistance kam und wie sie bemerkte, daß es so nicht weitergeht, bis hin zum großen Coup – und was daraus wird. Hätte es nicht eine so starke Anbindung an die Politik und die Moderne, dann wäre diese Abenteuerhandlung klassischer Sword & Sorcery mit dem vielen Verstecken, Schleichen, Stehlen, Kämpfen und Flüchten sehr ähnlich.

Die Geschichte hat Schwächen am Anfang: Einiges wirkt zu gewollt; Bartimaeus kann man bei seinem schnellen Einknicken seine Wut kaum abnehmen, ausgerechnet Nathaniel soll die Resistance zur Strecke bringen, etc. Auch kommt die Geschichte nur langsam in Fahrt, erst nach knapp hundert Seiten geht es im Hauptplot voran, Kittys Vorgeschichte zieht sich sogar noch etwas länger hin. Dann aber wird es spannend und spannender, es gibt einige echte Überraschungen und ein Ende, das auf die Fortsetzung gespannt macht.
Die Geschichte ist der zweite Teil der Bartimaeus-Trilogie. Zwar ist sie im Großen und Ganzen abgeschlossen, doch es gibt auch einige Fäden, die aus dem ersten Teil stammen und einige Fäden, die noch am Ende offen bleiben.
Es werden drei Erzählperspektiven genutzt. Kittys und Nathaniels Kapitel werden jeweils aus der personalen Perspektive erzählt, Bartimaeus tritt dagegen als Ich-Erzähler auf. In Bartimaeus’ Kapiteln wird häufig von Fußnoten Gebrauch gemacht, um die unterschiedlichen Ebenen seines Denkens zu symbolisieren. Leider tendiert der Autor dazu Action-Szenen durch Fußnoten massiv an Geschwindigkeit – und damit an Spannung zu nehmen. Während seine Kapitel vor Ironie und Sarkasmus sprühen, sind die der beiden Anderen deutlich ernster. Die Sätze sind einigermaßen unauffällig und die Wortwahl ist immer treffend.

A Great And Terrible Beauty von Libba Bray1895 – Gemma Doyle, ein launischer und verwöhnter Teenager, feiert ihren sechzehnten Geburtstag, als sie zum ersten Mal von einer Vision heimgesucht wird, die ihr bisheriges Leben völlig verändert. Gemma sieht, wie ihre Mutter sich selbst tötet, um einem Schattenwesen zu entkommen, das sie zu verschlingen droht. Gemma, die ihr Leben in Indien verbracht hat, wird zu ihrer Familie nach London geschickt, wo sie ein Pensionat für junge Damen besuchen soll. Niemand ahnt etwas von ihren Visionen, die nur der Anfang eines viel größeren Geheimnisses sind.

– She walks out towards them, an apparition in white and blue velvet, her head held high as they stare in awe at her, the goddess. I don’t yet know what power feels like. But this is surely what it looks like, and I think I’m beginning to understand why those ancient women had to hide in caves. Why our parents and teachers and suitors want us to behave properly and predictably. It’s not that they want to protect us; it’s that they fear us. –
Kapitel 8, S. 207

A Great And Terrible Beauty (Gemmas Visonen), der erste Roman aus der Trilogie Gemma Doyle (Der geheime Zirkel), entführt in das ausklingende viktorianische Zeitalter und öffnet gleichzeitig die Tür in eine andere Welt, die man vielleicht am ehesten mit einem magischen Garten Eden vergleichen könnte. Der Roman spielt mit historischen Elementen der Hexerei, Mythologie, phantastischen Zwischenwelten, Dämonen und anderen mystischen Einflüssen, bleibt dabei aber bodenständig und relativ realitätsnah. Der Handlungsort wechselt zwischen Indien, England und den magischen Landen, wodurch auch Themen wie Klassengesellschaft und der Umgang mit anderen Völkern angesprochen werden.

Anfangs kommt der Roman nur schwer in Fahrt und konzentriert sich eher auf Ortsbeschreibungen und die Schilderung gesellschaftlicher Zustände als auf die Anstoß gebenden Visionen der Protagonistin. Die magischen Lande werden nur kurz besucht und erkundet, der Aufenthalt dort wiederholt sich ein paar Mal ohne große Änderungen. So wird die eigentliche Handlung erst zur Buchmitte hin wirklich spannend, liefert einem dann aber ein altes Tagebuch mit dunklen Geheimnissen, eine Spur scheuer und verbotener Romantik und heranwachsende Frauen mit einem ausgeprägten Hang zu Abenteuern, Entdeckungstouren und anderen, verbotenen Dingen. Auf folgsame, unterwürfige Frauen, die einen Beschützer suchen, braucht man in diesem Roman nicht zu warten, denn es geht hier recht feministisch zu. Da sich die Autorin insgesamt an die realen Zustände jener Zeit hält und ihre Gesellschaft entsprechend formt, zeichnet A Great And Terrible Beauty ein aus heutiger Sicht bedrückendes Bild viktorianischer Mädchen und Frauen, die zu gerne aus den vorbestimmten Bahnen ausbrechen würden. Dabei wirkt die Handlung nicht überzogen, nicht zu modern feministisch, es bleibt der Zeit angemessen glaubwürdig und verbindet alles mit dieser magischen Welt des Gartens. Die phantastischen Elemente halten sich aber doch stark zurück, so dass der Roman mehr zu einem nostalgischen Mystery-Abenteuer mit viel erzählerischem Ausbau wird.
Tragische Ereignisse und Enttäuschungen bleiben ebenfalls nicht außen vor, denn dieser Roman ist nicht darauf ausgelegt, eine schillernde, softe Heldinnenreise zu beschreiben.

Sich als LeserIn mit den Hauptcharakteren zu identifizieren, gestaltet sich anfangs schwierig. Gemma ist ein launischer, verwöhnter Teenager von sechzehn Jahren. Zickig, ein bisschen hochnäsig und verantwortungslos. Im Laufe des Romans entwickelt sie sich langsam weiter, bleibt aber insgesamt sprunghaft und ignoriert Dinge, die ihr unliebsam sind. Neben ihrem jugendlichen Verhalten denkt sie allerdings recht emanzipiert und ist keine Freundin der herrschenden Geschlechterrollen, was eine erfrischende Abwechslung zu den zahlreichen Jugendbüchern mit sehr klischeehaften Rollenbildern bietet.
Auch Gemmas Freundinnen sind keine großen Symphatiträgerinnen. Die Mädchen begegnen sich mit Hass und intrigantem Verhalten und schließen sich mehr aus der Not heraus zusammen denn aus echter Freundschaft. Keine kann die Andere so richtig leiden und sie trauen einander auch nicht. Nach und nach wird aber deutlich, dass jedes der Mädchen, so unsympathisch sie einem zunächst bleiben, ein ernüchterndes Geheimnis hat, sich alle vor der Zukunft fürchten und sich als Frauen mehr Wertschätzung wünschen. Es sind halbwüchsige Teenager an der Schwelle zum Erwachsensein, mit all den Fehlern, Launen, rebellischen Gedanken und Dummheiten. Sie sind auf der Suche nach sich selbst und einem Sinn für ihr Leben. Erst mit Einbruch einer Katastrophe realisieren sie allmählich, dass ihr oft überstürztes und nicht durchdachtes Handeln sie von ihren Zielen und Wünschen immer weiter entfernt.

Es gibt viele gegensätzliche Impulse in A Great And Terrible Beauty. Neben der vorhandenen emanzipierten Denkweise träumen die Mädchen manchmal auch einfach nur von ihrem Traumprinzen oder vielmehr einem Ideal der wahren Liebe. Sie lernen gerade erst mit der veränderten Wahrnehmung von Männern und Frauen umzugehen und auch mit den damit verbundenen sexuellen Empfindungen – in einer Zeit, in der ein unbedeckter Fußknöchel bereits als skandalös gilt. Verdeutlicht wird dieses Spiel mit den Gegensätzen z.B. anhand einer der wenigen männlichen Figuren des Romans. Kartik, der von seiner Bruderschaft, den Rakshana, damit beauftragt wurde, Gemma zu bewachen und sie von den magischen Landen fern zuhalten, tritt gleichzeitig auch als ihr Beschützer auf. Er ist abwechselnd herrisch und fürsorglich, unsicher, wie er sich richtig verhalten muss. Es führt dazu, dass zwischen Kartik und der selbstbewussten Gemma eine offensichtliche Rivalität und gleichzeitig naive Unsicherheit herrscht. Ähnlich wie es Gemma nicht möglich ist eine klare Entscheidung zu treffen, weiß man als LeserIn ebenfalls lange nicht, ob Kartik Freund oder Feind ist, ob man ihn begehren oder zum Teufel schicken soll. Um die Dinge möglichst kompliziert zu gestalten, ist natürlich auch beides gleichzeitig möglich – es lebe die Pubertät mit ihren verwirrenden Auswirkungen. Libba Bray zeichnet in ihrem Debütroman keine Teenager mit einem unrealistisch erwachsenen Denkmuster oder utopischen Vorstellungen von der ersten und einzig wahren, ewig existierenden Liebe. Sie liefert Jugendliche auf der Suche nach dem eigenen Weg ins Erwachsensein und dem Erkennen des Unterschieds von Wunsch und Realität.

Dieses Buch wird durchaus nicht jedem gefallen, denn man muss sich auf wirklich launische und nicht immer vernünftig handelnde Heranwachsende einlassen können. Was aber klar für diesen Roman spricht, ist ein komplex verflochtenes Netz verschiedener, schwieriger Themen, seine viktorianisch-elitäre Atmosphäre und seine überzeugende Darstellung, die einen an die eigene, manchmal schwierige Jugendzeit erinnert.

Sprachlich ist A Great An Terrible Beauty keine große Herausforderung. Das Buch sollte für halbwegs geübte Leser auch im englischen Original mühelos verständlich sein.

Hollow Earth CoverMatt und Emily warten gelangweilt auf ihre Mutter, die einen Gesprächstermin im Museum hat und die Zwillinge in den Galerieräumen zurücklässt. In glühender Sommerhitze betrachten Matt und Emily Seurats ‘Bathers at Asnières’, und nur einen Moment später baden sie im kühlen Nass und spielen am Flußufer. Doch ihre Gabe, Kunst zum Leben zu erwecken, bringt nicht nur die Geschwister selbst, sondern auch ihre Familie in Gefahr …

THIS book is about the nature of beasts.
Gaze upon these pages at your peril.
– Kapitel 1

Was kann er nicht alles: schauspielern, singen, tanzen, jedwede Spezies verführen – und nun auch noch schreiben? John Barrowman, den meisten bekannt als Captain Jack Harkness aus den britischen Serien Doctor Who und Torchwood, beweist gemeinsam mit seiner Schwester Carole Barrowman, dass nicht nur in ihrem Roman Hollow Earth begabte Geschwisterpaare beeindruckendes leisten können. Während das gemeinsame Schreiben sich vorher auf die Biographie von John konzentrierte, entstand mit Hollow Earth ihr erster gemeinsamer Roman, der auf einer Fahrt von London nach – natürlich – Cardiff Gestalt annahm. Kenner der Torchwood’schen Hauptstadt werden ein Rift in Space and Time vermuten, durch das zu viel Kreativität auf zwei Gehirne verteilt wurde; eine Theorie, die bei der Lektüre des Buches immer wahrscheinlicher wird.
Mit dem Jugendroman Hollow Earth entführen uns die Geschwister Barrowman in eine Welt, in der sich bereits Zwölfjährige für Kunst interessieren: die Geschwister Matt und Emily, die bei ihrer Mutter aufwachsen, sind Zwillinge und teilen eine besondere Gabe, die über das gegenseitige Beenden von Sätzen weit hinausgeht. Sie sind Animare: Mithilfe ihrer Vorstellungskraft erwecken sie Kunst zum Leben und können Ausflüge in ihre Lieblingsgemälde unternehmen. Als Leser ahnt man bereits, dass diese Fähigkeiten nicht nur genutzt werden können, um unter Happy Little Trees zu wandeln; vielmehr befinden sich die Zwillinge durch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten bald in großer Gefahr. Denn vielleicht ist Hollow Earth, das sagenumwobene Reich, wo alle Monster und Dämonen gefangen sind, doch mehr als nur ein Kinderspuk – zumal sich Kinderspuk von begabten Animares wie Emily und Matt nie an die Grenzen der Realität halten.

In diesem spannend Setting reist der Leser mit den Zwillingen nicht nur durch verschiedene Gemälde, sondern erkundet auch die reizvolle Landschaft schottischer Inseln, die, ganz im Sinne des Romans, lebhaft und deutlich vor dem inneren Auge Gestalt annimmt. Ganz zu schweigen von den Fabelwesen, die einem bei diesen Reisen begegnen können. Matt und Emily jedoch hadern mit ihren Fähigkeiten, die nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Familie und engsten Freunde in Gefahr bringt. Matt, gefangen in einer alterstypischen Phase, muss lernen, dass Wut nicht die schönsten Bilder zeichnet, und Emily wird immer wieder aufs Neue mit ihren Ängsten konfrontiert. Um das Rätsel ihrer Herkunft und Hollow Earth zu lösen, bedarf es Mut, Freunde und torchwoodesker Technik – und ein Picknickpaket von Köchin Jeannie, die mit ihrer urschottischen Art die amüsanteste und zugleich furchterregenste Figur des Romans ist.

Und auch wenn sich die Zwillinge zuweilen als erstaunlich lernresistent und erinnerungsschwach erweisen – wir schieben es auf die schottische Seeluft –, so wachsen die Geschwister spürbar an ihren Aufgaben und durchwandern letztlich auch eine Entwicklungsreise, die den erwachsenen Leser aufatmen lässt und ihn in den Buchladen treibt, um den zweiten Band Bone Quill zu bestellen – und zwar nicht nur als Geschenk für die pubertierende Nichte fünften Grades. Wer sich die Wartezeit auf die Lieferung des zweiten Bandes etwas verkürzen möchte, kann sich zudem auf der inhaltlich liebevoll aufgemachten offiziellen Homepage des Romans zu Kunstwerken, schottischen Inseln und zur Gebärdensprache belesen.

Der flotte Schreibstil und das Einfühlungsvermögen der Autoren machen Hollow Earth zu einem kurzweiligen, für Kunstkenner doppelt lohnenden Leseerlebnis, das mit einigen losen Enden und dem höchst kreativen Setting zu einer zweiten Reise einlädt. Der Roman ist im doppelten Sinne eine Feier der Vorstellungskraft, der ganz im Blake’schen Sinne nicht nur über Kreativität schreibt, sondern auch vor ihr sprüht: Imagination, the real and eternal world.

Und so kann ich nur mit John Barrowmans eigenen Worten schließen, die sich augenscheinlich auf alle Familienmitglieder übertragen lassen: he can act and he can sing, he’s really great at everything.

Cover des Buches "The Horse and His Boy" von C. S. LewisShasta lebt mit seinem Ziehvater in einer ärmlichen Fischerhütte im Süden des Landes Calormen. Trotz der Armut ist er zufrieden mit seinem Leben, wenn da nicht die ständige Sehnsucht wäre, nach Norden zu reisen, welche er aufgrund seiner Armut natürlich nicht stillen kann. Eines Tages kommt ein Tarkeen, ein calormenischer Nobelmann, zufällig an der Hütte vorbei und beschließt Shasta als Sklaven zu kaufen. Während der Tarkeen mit seinem Ziehvater verhandelt, entdeckt Shasta jedoch Unglaubliches: Das Kriegspferd des Adligen kann reden! Und es warnt ihn vor seinem Herren, denn dieser ist ein garstiger, böswilliger Mann. Gemeinsam mit Bree, dem Pferd, beschließt er nach Norden zu fliehen, nach Narnia …

-The horse had lifted its head. Shasta stroked its smooth-as-satin nose and said, “I wish you could talk, old fellow.”
And then for a second he thought he was dreaming, for quite distinctly, though in a low voice, the Horse said, “But I can.”.-
Chapter 1: How Shasta Set Out on his Travels

Der dritte Band der Narnia-Chroniken spielt im “Goldenen Zeitalter”, also in den Jahren, in denen Peter, Susan, Edmund und Lucy die Könige von Narnia sind. Und tatsächlich tauchen hier die drei Jüngeren wieder auf, diesmal als Herrscher und Repräsentanten von Narnia in Calormen. Doch hier wird die Geschichte von Shasta erzählt, einem armen Fischerjungen aus dem Süden von Calormen, der fliehen muss, um der Sklaverei zu entgehen. Auf seiner abenteuerlichen Flucht nach Norden begegnet er vielen Gefahren und muss sogar einen Krieg zwischen Archenland und Calormen überstehen.

Natürlich begegnet er dabei vielen fantastischen Wesen, die ihm nicht nur Gutes wollen. Zum Glück erhält er Unterstützung durch seinen Freund Bree, der ebenfalls aus Calormen flieht, von der Stute Hwin und von Aravis, einer jungen Adligen, die ebenfalls fliehen muss, um einer Zwangsheirat zu entkommen. Schon der bunte Mix der Charaktere, die alle ihre eigene Geschichte zu erzählen haben, macht das Buch zu mehr als einer bloßen Fortsetzung der Narnia-Reihe. Zwar tauchen Lucy und die anderen wieder auf, doch um sie geht es gar nicht, sie sind nur Nebenfiguren in Shastas Geschichte. Diese mit viel Liebe zum Detail gestaltete Erzählung wird nicht nur Kinderherzen höher schlagen lassen.

Das Buch lässt sich leicht lesen und ich war überrascht, wie ernst doch die Themen in einem Kinderbuch sein können. Sklaverei und Unterdrückung, Krieg und Tod sind zwar kindgerecht verpackt, aber trotzdem realistisch und glaubwürdig erzählt. So sterben z.B. in einem Kampf sowohl die Guten als auch die Bösen, und der gefangengenommene calormenische Prinz muss eine harte Strafe fürchten. Daher ist das Buch sowohl für Kinder als auch Erwachsene lesenswert.

House of Many Ways von Diana Wynne JonesDie wohlerzogene und behütete Charmain ist zu Tode gelangweilt. Als sie das Haus ihres kranken Onkels hüten soll, packt sie daher die Gelegenheit beim Schopfe. Onkel William allerdings ist Zauberer, sein Haus ist magisch und Charmain versteht nichts von Magie und noch weniger davon, schmutziger Wäsche und dreckigem Geschirr Herr zu werden. Außerdem möchte sie nur eins: sich hinsetzen, ihre Bücher lesen und eines Tages in der königlichen Bibliothek arbeiten. Stattdessen muss sie entdecken, dass die richtige Drehung Badezimmer in Ställe verwandeln oder einen hoffnungslos verlorengehen lassen kann und dass Zauberlehrlinge, wütende Kobolde, missglückte Zaubersprüche und ein benachbarter Lubbock ausgesprochen nervtötend sein können.

– »What I do know is that she never has her nose out of a book, never does a hand’s turn in the house, and is treated like a sacred object by both her parents. It will do her good to do something normal for a change.«
»Oh, dear,« said Great-Uncle William. »Thank you for warning me. I shall take precautions, then.« –
Chapter One, In which Charmain is volunteered to look after a wizard’s house

Mit House of Many Ways ist Diana W. Jones wieder ein liebevoll geschriebenes Buch mit witzigen Ereignissen, Ideen und alten Bekannten gelungen. Es stellt den dritten und letzten Teil der lose verknüpften Reihe um Zauberer Howl dar. Wie auch bei Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) sei aber auch hier davor gewarnt, eine wirkliche Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers) zu erwarten. Erfreulich allerdings: House of Many Ways hat wieder deutlich mehr Schwung als Castle in the Air, auch wenn Sophie und Howl erneut nur als etwas blasse Nebenrollen in Erscheinung treten.
Wie die Vorgänger ist auch dieser dritte Teil wieder ein in sich abgeschlossenes Buch, welches eine völlig neue Geschichte erzählt. Man muss die beiden Vorgänger also nicht gelesen haben, für Neugierige, die gerne alle Details und Hintergründe kennen, ist es jedoch von Vorteil, wenigstens Howl’s Moving Castle vorab zu lesen.

Wie immer beweist die Autorin auch in diesem Roman ihren großen Ideenreichtum und ihre Liebe für kleine Details. Besonders erwähnenswert ist an dieser Stelle das titelgebende House of Many Ways, welches man getrost wörtlich nehmen kann. Die Idee, dass eine Tür in viele verschiedene Dimensionen, Richtungen oder Räume führen kann, kennt der vertraute Leser bereits aus Howl’s Moving Castle. Im vorliegenden Roman wird dieser magischen Tür und ihrem Potential deutlich größere Aufmerksamkeit zuteil. Hinter jeder Drehung wartet ein neuer spannender Raum, unentdeckte Gänge, Bewohner, von denen man noch nichts ahnte, und vieles mehr. Eine zauberhafte Idee mit vielen Wendungen und Entdeckungen.

Leider wird der Großteil dieser sehr schönen Ideen ein wenig von der etwas misslungenen Protagonistin Charmain getrübt, die (aufgewachsen in ihrer behüteten Welt) eine recht egoistische Denkweise entwickelt hat, und leider auch lernresistent und faul scheint. Es ist nicht ganz leicht, mit diesem Charakter warm zu werden und ihre zum Teil doch eher merkwürdigen Reaktionen nachzuvollziehen. Da die Protagonistin außerdem häufig gelangweilt ist, überträgt sich das Gefühl stellenweise auch auf den Leser. Gleichzeitig sorgt Charmains erziehungsbedingte Alltagsuntauglichkeit aber auch für unerwartete Situationskomik. Interessante Abwechslung zu diesem schwierigen Hauptcharakter bieten die Nebenrollen in Form von Peter dem Zauberlehrling, der sehr gegensätzliche Eigenschaften verkörpert, und einem ewig hungrigen Hund namens Waif.

House of many ways hat wie Castle in the Air mit dem Problem zu kämpfen, dass die Geschichte an zu vielen Stellen wie unter Zwang konstruiert und geplant wirkt, was auf Kosten einer stimmigen Atmosphäre und überzeugender Charaktere geht. Obwohl alle drei Bücher aus der Reihe ihre Stärken haben, bleibt Howl’s Moving Castle daher unangefochten der Spitzenreiter, an den auch House of Many Ways leider nicht herankommt.

Cover von Hüterin des Drachen von Carole WilkinsonSeit Generationen halten die Kaiser des Reiches China Drachen. Nach strengen Riten werden die Drachenhüter ausgewählt, die als einzige in Kontakt zu den weisen Tieren treten können und für deren Wohlergehen sorgen dürfen. Doch der Drachenhüter Lan führt stattdessen fernab des kaiserlichen Hofes auf seinem Gut ein dekadentes Leben und wälzt gelangweilt seine heilige Aufgabe auf das Sklavenmädchen Ping ab. Als der Kaiser den erbärmlichen Zustand der Drachen bemerkt, muss Ping – die niemals zuvor das Gut verlassen hat – fliehen. An ihrer Seite ist der entflohene Drache Long Danzi, der den kostbaren Drachenstein ans Meer bringen will. Eine gefahrvolle und abenteuerliche Reise quer durch China beginnt…

-Der Drache betrachtete sie aufmerksam mit schräg geneigtem Kopf. Wie hatte sie je so dumm sein können zu glauben, er sei bloß ein Tier wie andere auch und nicht intelligenter als ein Ochse oder eine Ziege? “Warum habe ich dich vorher nie sprechen hören?” “Ich habe nie etwas gesagt”.-
Flugangst

Die Geschichte eines Kindes, das einen Drachen auf seiner weiten Reise begleitet, mag auf Anhieb an Cornelia Funkes Drachenreiter und das Gespann aus Lung, dem Drachen, und dem Waisenjungen Ben erinnern. Doch die Abenteuer, die hier Ping und Long Danzi erleben, fallen unter völlig andere Kategorien. Im historischen China erlebt Ping das harte Leben einer Sklavin. Ihre Entwicklung vom unmündigen Mädchen, das zunächst nicht einmal einen Namen hat, zur selbstbewussten Drachenhüterin, die den Gefahren, die in ihrer Welt auf sie lauern, zu trotzen vermag, bildet den Leitfaden der Geschichte. Der verläuft übrigens, was sich schnell (angenehm) bemerkbar macht, keineswegs vorhersehbar: Ping trifft Fehlentscheidungen, vertraut den falschen Freunden, sträubt sich oft gegen den richtigen Weg und benötigt viel Zeit, um sich schließlich doch für den richtigen zu entscheiden. Ohne erhobenen Finger wird vermittelt, wie wichtig es ist, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und den eigenen Horizont überwinden zu lernen. Dass gerade das nicht jedem leicht fällt und einen schweren und steinigen Weg darstellt, wird aber betont. Das macht den Verlauf der Geschichte glaubwürdig und Ping zu einer Persönlichkeit.
Die lebendigen Schilderungen Chinas – der Landschaften, der Riten und Gebräuche, der Handelsstädte, des kargen Lebens der Landbevölkerung, des Prunks und strengen Gehabes am Hofe des Kaisers – verleihen der Atmosphäre die nötige Dichte. Auch die anderen Charaktere, von der alten Magd bis hin zum jugendlichen Kaiser, die mit viel Gespür für menschliche Eigenheiten beschrieben werden, kurbeln die Phantasie ordentlich an. Das Rätsel um den Drachenstein werden wohl die meisten Leser lange vor seiner eigentlichen Auflösung entschlüsseln, doch für die Spannung, die durch die vielen Wendungen der Geschichte immer neuen Auftrieb erhält, bleibt das vollkommen unerheblich. Dabei kommt aber der Humor nicht zu kurz: Pings und Long Danzis Dialoge sorgen regelmäßig für sehr lesenswerte Missverständnisse.

Cover des Buches "Im Bann der Göttin" von Tamore PierceAlanna ist mittlerweile vierzehn Jahre alt und Prinz Jonathans Knappe. Im Wald trifft sie auf eine Dame, die ihr auf den Kopf zusagt, sie fürchte sich vor der Ritterprüfung, vor der Liebe und vor Herzog Roger von Conté. Genau diesen Ängsten muss Alanna sich in Im Bann der Göttin stellen. Sie muss in einen Krieg ziehen und zahlreiche andere Gefahren bedrohen ihr Leben.

-Die Reiterin mit dem kupferfarbenen Haar sah zum dunklen Himmel empor und fluchte. Gleich würde das Gewitter losbrechen und dabei gab es weit und breit keinen Unterschlupf.-
1 Die Dame im Wald

Auch im zweiten Band ist Alanna das beherzte, geradlinige und entschlossene Mädchen, das es Leserinnen jeden Alters leicht macht, sich mit ihr zu identifizieren. Jedoch im Gegensatz zu Die Schwarze Stadt geht hier alles etwas glatter vor sich und Tamora Pierce verwendet offensichtlicher die alte “Fantasy-Strategie” Gefahr, Rettung, neue Gefahr, wieder Rettung und so weiter bis zum glücklichen Ende. Je älter der Leser ist, um so weniger hat er das Gefühl, dass Alanna wirklich ernsthaft bedroht ist. Besonders die Episode, die im Krieg spielt, wird zu rasch und zu einfach aufgelöst.
Gleich zu Beginn erfährt man, dass Alannas Vater gestorben ist. Damit fällt ein Handlungsstrang weg, der ein reizvolles Konfliktpotential geboten hätte. Und um der Spannung willen, hätte Tamora Pierce dem Herzog von Conté etwas mehr Erfolg bei seinen Übeltaten gönnen können.
Bedauerlich ist auch, dass Alanna kaum noch von Selbstzweifeln geplagt wird. Gerade, dass sie sich so oft selbst in Frage gestellt hat, hat Alannas Charakter im ersten Band so viel Individualität und Persönlichkeit verliehen. Nun drehen sich ihre Selbstzweifel hauptsächlich darum, ob sie sich der Liebe hingeben soll und wenn ja, mit wem: Mit Prinz Jonathan oder mit Georg, König der Diebe? Glücklicherweise hat Tamora Pierce es vermieden, die Handlung in eine kitschige Liebesgeschichte abdriften zu lassen. Die Emotionen aller Protagonisten sind stimmig und die Autorin verzichtet auf jegliche Gefühlsduselei.
Trotz der kleinen Schönheitsfehler gehört Im Bann der Göttin zu den besten Fantasyromanen im Jugendbereich, auch wenn der Titel wieder einmal nicht glücklich gewählt ist. Es ist ein profunder Unterschied ob man sich im Bann eines Gottes befindet oder ob man -wie es der Originaltitel sagt- in der Hand (eines) Gottes ist, der zweite Begriff impliziert im Gegensatz zum ersten Schutz und Geborgenheit. Und genau das trifft auf diese Geschichte zu. Alanna besteht ihre Abenteuer u.a. so glücklich, weil die Muttergöttin sie schützt und ihr hilft.

Kartiks Schicksal von Libba BrayDie Lage ist ernst. Der Kampf um das magische Reich und die Magie spitzt sich zu, auch das Verhältnis zwischen Gemma und ihren Freundinnen ist angespannt. Jeder möchte die Magie kontrollieren und Gemma notfalls dazu zwingen, sie abzugeben. Die junge Frau muss sich entscheiden, wem sie die Magie überlässt und welchen Pfad sie in ihrem Leben einschlagen will. Doch wird sie lange genug leben, um diese Wahl zu treffen? Und wird sie mit ihrer Entscheidung das drohende Unheil verhindern oder entfesseln?

– Es gibt einen speziellen Kreis der Hölle, der in Dantes berühmtem Buch nicht erwähnt wird. Er heißt Benehmen und er existiert in allen Schulen für junge Damen landauf und landab im ganzen englischen Königreich. –
Kapitel 1

Zu Kartiks Schicksal liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Katurran Odyssey von Terryl Whitlatch und David Michael WiegerAuf der Heimatinsel des Lemur Katook ist es kalt geworden, die Feigenbäume sind kahl, und die Lemuren am Verhungern.  Hohepriester Gamic verlangt Opfergaben, um den Fossah gnädig zu stimmen. Als Katook in die Nähe des Tempels gelangt, sieht er jedoch, wie die Priester sich selbst an den geopferten Früchten gütlich tun. Nachdem er dabei erwischt wurde, das Verbotene zu sehen, wird Katook ins Exil geschickt. Damit beginnt eine lange Reise auf der Suche nach Artgenossen.

-It is said, in some far and distant lands, that speaking the name of a place connects you to its heart and can breathe it into being. Bo-hibba. Within the song of the word is the scent of ripe fruit and vanilla and the fertile musk of a jungle.-
Prologue: Another Time

Lemuren, die charmanten Halbbrüder der Affen, waren schon immer für ein Abenteuer gut – der ältere Leser kennt sie vielleicht aus Douglas Adams’ Die letzten ihrer Art, die jüngeren aus den Madagascar-Filmen.
In The Katurran Odyssey sind sie eine Gesellschaft, die einen Helden braucht, denn auf ihrer abgelegenen Insel stehen die Zeichen auf Untergang. Der junge, unschuldige und unwissende Katook bietet sich ganz in der Tradition des unwahrscheinlichen Helden an – davor, ein Bauernbursche zu sein, bewahrt ihn wohl lediglich die Tatsache, dass die meisten Einwohner der nur von (sprechenden) Tieren bevölkerten Welt Katurrah relativ naturnah leben und sich ihre Früchte einfach vom Baum pflücken. Verschiedene Kulturen, die sich alle auf den Erfindergeist oder die Entdeckerlust der auf Katurrah beheimateten Primatenarten gründen, gibt es dennoch – und Katook kann etliche davon auf seiner langen Questenreise erkunden, die einmal quer über den (auf einer schönen Karte im Vorsatz des Bandes gezeigten) Hauptkontinent führt. Dass Katook auf der Suche nach einem Heilmittel für die Unfruchtbarkeit seiner Heimatinsel Bo-hibba ist, weiß er allerdings selbst nicht – es ergibt sich eher nebenbei, und das ist einer der Stolpersteine von The Katurran Odyssey.

Zunächst überzeugt das großformatige Buch allerdings optisch auf ganzer Linie: Der kreative Kopf hinter The Katurran Odyssey ist Terryl Whitlatch, eine Illustratorin, die u.a. für Lucasfilm die Fauna einiger Star Wars-Welten gestaltet hat. Sie hat die Welt Katurrah mit vielen der faszinierendsten Tiere ausgestattet, die die Erdgeschichte zu bieten hat, ob ausgestorben oder nicht, spielt in diesem Setting keine Rolle. Ob Beutelwolf, Mastodon, Helmkasuar oder Wombat – in The Katurran Odyssey findet man sie alle, und die Tierzeichnungen sind präzise und naturgetreu. Die Kultur, die den Tieren angedichtet wurde, bietet viele feine Details wie den Schmuck, der sich auf Antilopenhörnern oder in Quaggaschwänzen findet, die Verzierungen auf Kultgefäßen, Teppichen und Wandbehängen und vieles mehr.
Die Bilder sind häufig doppelseitig und farbenprächtig, vor allem die opulenten Unterwasserszenen, die von einer surreal wirkenden Menge an Meeresbewohnern bevölkert werden, beeindrucken den Betrachter. Wenn man gerne die Vielfalt der gegenwärtigen und vormaligen Tierwelt bestaunt, ist The Katurran Odyssey allein wegen dieser Bilder einen Blick wert. Es gibt kaum eine Seite ohne Illustration, und wenn man den regenbogenfarbigen Buchschnitt betrachtet, bekommt man einen Eindruck davon, was einen an gelben Wüsten, grünen Dschungeln und pastellfarbenen Gebirgslandschaften erwartet. (Hier gibt es eine Auswahl der zum Buch veröffentlichten Promo-Bilder, über die man sich einen guten Eindruck verschaffen kann.)

Trotz der Illustrationslastigkeit ist The Katurran Odyssey aber auch reich an Text, und die Geschichte macht ziemlich alles falsch, was man bei der Plot-Konstruktion falsch machen kann: Der Held Katook ist nicht nur unglaublich planlos und naiv, er findet auch im Verlauf der Handlung kein rechtes Ziel, so dass die Geschichte allzu schnell als Vehikel entlarvt ist, das dem Leser eine große Tour durch Katurrah verschaffen soll. Entscheidungen sind unlogisch und nicht aus der vorhergehenden Handlung oder den Figuren heraus nachvollziehbar. Und es endet mit einem deus-ex-machina, der The Katurran Odyssey einen stark religiösen Anstrich mit einem allezeit lenkenden Schöpfergott gibt, der dem ziellosen Herumirren im Nachhinein einen Sinn verleiht und hier passenderweise nicht als Löwe, sondern als Fossa (das madagassische “Groß”raubtier) auftritt.
Trotzdem gibt es natürlich auch einige passable Szenen, aber die meisten dieser Ansätze verpuffen in Bedeutungslosigkeit, weil die Figuren und ihre Ziele durchweg nichtssagend bleiben. Traditionelle Werte werden hochgehalten, Freundschaft, Treue zu sich selbst, Familie, das Stellen der inneren Stimme über wissenschaftliche und rationale Befunde. Innerhalb dieser seltsam gleichgültigen Geschichte reißen diese Werte aber weder mit, noch kann man sich darüber aufregen.

Auch für die Zielgruppe des Textes bleibt die Geschichte damit ein wenig hohl und unbefriedigend, auch wenn die Abenteuer Katooks auf jüngere Leser vermutlich aufregender wirken. Die stark religiöse Prägung der letzten Seiten, die ein befriedigendes, selbst-erreichtes Ende ausschließt, führt leider auch zu dem Schluss, dass The Katurran Odyssey nicht unbedingt eine empfehlenswerte Kindergeschichte ist. Richtig verwunderlich ist es nicht, dass es für diesen Band, der zwar abgeschlossen ist, aber durch den Untertitel “Book One: Finding Home” nahelegt, dass noch mehr hätte folgen sollen, bis heute keine Fortsetzung gibt.
Sieht man The Katurran Odyssey vornehmlich als Artbook und kann sich an den Illustrationen freuen, ohne die Geschichte groß zu beachten, ist es durchaus ein Schmuckstück fürs Buchregal. Gelesen haben muss man es allerdings wirklich nicht.

Cover von Katzenwinter von Wolfgang und Heike HohlbeinMit Beginn des Winters breitet sich langsam etwas Bedrohliches, Böses über der Stadt Crailsfelden aus. Es sind uralte, böse Kräfte, die ihren Ursprung in der alten, rußgeschwärzten Ruine des Klosters auf dem Hügel haben. Justin ist jetzt, an Stelle seiner Großmutter, dazu bestimmt, diesen Mächten Einhalt zu gebieten. Dabei stehen ihm die Katzen seiner Großmutter und ein seltsames Mädchen zur Seite. Aber die Tore der Hölle haben sich bereits aufgetan …

-Der Winter kam früh in diesem Jahr und als die erste Schneeflocke fiel, stürzte Justins Großmutter die Treppe hinunter und brach sich das Genick.-

Nun – ich mag Katzen, und deshalb lese ich Geschichten, die von Katzen handeln, oder in denen Katzen eine Rolle spielen, eigentlich ganz gern. So war es auch, als ich mir dachte: “Dieses Buch müsste wohl ganz passabel für mich sein …” Hatte ich mir gedacht …
Es war eine Enttäuschung. Es ist eben wieder ein typischer Hohlbein, gestrickt nach typischem Hohlbein-Konzept: Kleiner-Junge-rettet-die-Welt – und hat erst einmal keine Ahnung, wie und warum er zu dieser Ehre kommt. Da lebt ein kleiner Junge (diesmal heißt er Justin) in einem Städtchen irgendwo in Deutschland und um ihn herum versinkt alles nach und nach in immer mehr brutaler Rohheit, Mordlust und sonstiger sinnloser Gewalt. Ich hatte manchmal schon streckenweise das Gefühl, ins Horror-Genre gerutscht zu sein, und statt eines Fantasy-Romans, einen “Stephen King” zu lesen (in den jüngeren Ausgaben, gerade von Wolfgang Hohlbein, fällt mir eine gewisse Ähnlichkeit immer mehr auf …). Justin stolpert natürlich wieder darum in seine Bestimmung hinein, weil er “familiär vorbelastet” ist (bei Dreizehn und Unterland ist es ähnlich …), und weiß lange nicht wie, was, wer, warum miteinander zusammenhängt und welche Rolle eigentlich die zehn Katzen seiner Großmutter spielen. Die alte Dame hätte über die näheren Zusammenhänge bestens bescheid gewußt, wurde aber zum richtigen Zeitpunkt außer Gefecht gesetzt, so dass sie dem armen unwissenden Knaben fast keine Informationen mehr über seine Aufgabe zukommen lassen kann – und auch dem armen Leser nicht – der, zusammen mit Justin, erstmal von einem abgehackten Hinweis zum nächsten stolpert und schließlich, immer noch genauso unwissend wie unser bedauernswerter Weltenretter, mit (erst) Gemeinheiten, dann (etwas später) Grobheiten und am Ende (da hat man schon die Hälfte des Buches gelesen) mit offener roher Gewalt bis hin zu purer Mordlust konfontriert wird. Hier liegt meiner Ansicht nach eine große Schwäche dieses Buches: man wird viel zu lange im Unklaren gelassen, und deshalb weiß man nicht, warum man sich dieses ganze Szenario 417 Seiten lang antun muss.
Auch die Sprache des Werkes macht es einem nicht gerade leicht. Es nicht trivial, aber der Hochgenuss ist es auch nicht, und natürlich gibt es auch wieder einen Compagnon, (diesmal weiblich) der unserem kleinen Helden zur Seite steht, aber (wie in Drachenfeuer ein gewisser Llewellyen …) bleibt das Mädchen bis zum Schluß undurchsichtig, ist ziemlich mundfaul und auch nicht eben sympatisch. Alles in allem haben wir die bekannte Riege an Figuren, bei denen irgendwie, meines Erachtens, bloß die Namen geändert werden.

In der Mühle im Koselbruch geht es nicht mit rechten Dingen zu. Als der vierzehnjährige Waisenjunge Krabat dort ankommt, fragt ihn der Meister, ob er nur das Müllerhandwerk lernen möchte oder auch “das andere”. “Das andere auch”, sagt Krabat, ohne zu wissen, dass “das andere” die Kunst des Zauberns ist. Und die hat ihren Preis: In jeder Neujahrsnacht muss einer der zwölf Müllerburschen sterben. Gibt es einen Ausweg?

-Es war in der Zeit zwischen Neujahr und dem Dreikönigstag. Krabat, ein Junge von vierzehn Jahren damals, hatte sich mit zwei anderen wendischen Betteljungen zusammengetan, und obgleich Seine allerdurchlauchtigste Gnaden, der Kurfürst von Sachsen, das Betteln und Vagabundieren in Höchstderoselben Landen bei Strafe verboten hatten (aber die Richter und sonstigen Amtspersonen nahmen es glücklicherweise nicht übermäßig genau damit), zogen sie als Dreikönige in der Gegend von Hoyerswerda von Dorf zu Dorf: Strohkränze um die Mützen waren die Königskronen; und einer von ihnen, der lustige kleine Lobosch aus Maukendorf, machte den Mohrenkönig und schmierte sich jeden Morgen mit Ofenruß voll..-
Founding, 1

Bei diesem Buch handelt es sich um keine leere Phrase, wenn man behauptet, dass niemand, der es gelesen hat, es je vergessen wird. Otfried Preußler erzählt die alte Sage um den Müllerburschen Krabat auf eine derart beklemmende Weise, dass auch den erwachsenen Leser die Furcht packt vor dem einäugigen Müller, dem Gevatter mit der Hahnenfeder, der immer in der Neumondnacht ein besonders grausiges Mahlgut anliefert und vor den unheimlichen Dingen, die in der Mühle am Koselbruch vor sich gehen.
Dass die Geschichte nicht zu düster wirkt, liegt an den komischen Szenen, die es ebenfalls gibt, und vor allen Dingen daran, dass die Liebe eine entscheidende Rolle spielt. Krabat ist nicht nur die spannende Geschichte eines Zauberlehrlings, sondern auch eine der schönsten Liebesgeschichten, die je erzählt wurden. Viele Autoren, die für Erwachsene schreiben, sollten sich ein Beispiel daran nehmen, wie Preußler über die Liebe schreibt, über dieses tiefe und wahre Gefühl, das so weit entfernt ist, von dem kitschigen und verlogenen Zerrbild, das dem erwachsenen Leser in schlechten Fantasyromanen oft zugemutet wird.

Faszinierend ist, dass diese Geschichte nicht in einem Fantasieland spielt, in das man in der Realität nicht gelangen kann. Zwar haben die Ereignisse in der Mühle am Koselbruch zur Zeit August des Starken stattgefunden (wenn sie stattgefunden haben 😉 ), aber alle Orte, die Preußler erwähnt, gibt es heute noch, auch den Koselbruch- in dem eine Mühle steht… .

Also, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, fahren Sie nach Sachsen, schauen Sie sich die Originalschauplätze an und seien Sie auf der Hut, wenn Sie einem Einäugigen begegnen.

Cover des Buches "Die Kuppel" von Peadar Ó'GuilìnStolperzunge lebt bei einem Stamm unter schrecklichen Bedingungen in einer von Wildnis überwucherten Ruine: Seine Leute sind darauf angewiesen, Jagd auf die anderen Lebewesen ihrer Umgebung zu machen, oder selbst zur Beute der schrecklichen Monstren zu werden. Außerdem werden immer wieder “Freiwillige” ausgewählt, die bei den anderen Bewohnern der Wildnis gegen deren nutzloses Fleisch eingetauscht werden. Die Lage wird brenzlig, als Stolperzunges intelligenter Bruder ihn auf immer gewagtere Jagdzüge mitnimmt. Dabei entdecken sie, daß ihre Freßfeinde einen gemeinsamen Angriff auf die Menschen planen. Zusätzlich zu dieser Bedrohung fällt eines Tages eine seltsame, wunderschöne Frau vom Himmel, deren Sprache keiner der Menschen versteht.

-Weiterlaufen! Nichts anderes zählte. Nicht aufhören, nicht sterben! Der Stamm brauchte seine stärksten Mitglieder, um zu überleben.-
Brüder

Was bleibt von der Zivilisation unter schlimmsten Umständen?
Mit dieser Frage sieht sich der Leser gleich auf den ersten Seiten von Die Kuppel (The Inferior) konfrontiert, wenn er sich in einer Gesellschaft wiederfindet, in der Blut, Häute, Knochen und vor allem Fleisch die Dreh- und Angelpunkte des Daseins sind, und man auch vor einem aus der Not geborenen Kannibalismus nicht zurückschreckt. In einer feindlichen Umwelt versucht eine menschliche Stammesgemeinschaft zu überleben: Die Jagd auf andere, fremdartige und dennoch intelligente Spezies, die ebenfalls als Jäger agieren, bestimmt einerseits den Alltag, andererseits ist das Aufgeben nutzlos gewordener Stammesmitglieder eine ständige Bedrohung für den Einzelnen, der der Gemeinschaft in diesem Fall noch einen letzten Dienst zu erweisen hat. Eßbares Gemüse existiert nicht in dieser lebensfeindlichen Welt, und somit scheint Die Kuppel erst einmal nichts für Leser mit schwachem Magen zu sein.
Ob sich der junge Autor Peadar Ó’Guilín in seinem Debut-Roman mit diesem Thema einen Gefallen getan hat? Die Kuppel wird dadurch zu weit mehr als einer simplen Geschichte ums Erwachsenwerden, doch unsere Gesellschaft ist eine, die mit dem Schlachten und den weiteren Hintergründen des Fleischkonsums nicht konfrontiert werden will, und das Thema Kannibalismus löst wohl bei vielen eine instinktive Abwehrreaktion aus.
Um so erstaunlicher ist die Feinfühligkeit, mit der Ó’Guilín in eine Gesellschaft einführt, deren Vorbilder irgendwo zwischen realen Stammesgemeinschaften unter unwirtlichen Bedingungen (wie etwa Inuit), Goldings Herr der Fliegen und düsteren Zukunftsvisionen von degenerierten Kulturen liegen.
Wer hier Splatterorgien erwartet, wird enttäuscht werden, denn was einen anfangs vor den Kopf stößt, sind keineswegs ausgewalzte, bluttriefende Szenen, sondern die Normalität von Überlebenskonzepten, die uns völlig fremd erscheinen – und Ó’Guilín nutzt diesen Effekt geschickt aus und spielt mit den Empfindungen des Lesers, die sich später, nachdem man sich an die Welt gewöhnt hat, im Ekel der Figur Indrani spiegeln, die aus einer zivilisierteren Umgebung zu den „Wilden“ stößt.

Das Thema Barbarei contra Zivilisation zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung, denn auch für den stotternden Helden Stolperzunge ist eine so harte Umgebung, in der Männer in den Dreißigern schon Greise sind, kein guter Ort.
Wie sich dieser untypische Held trotz der widrigen Umstände durchschlägt, trägt einen Teil zur immensen Spannung bei, mit der der Roman aufwarten kann: Das Tempo ist fast durchgängig hoch, Konflikte – erst mit dem eigenen Stamm, dann mit dem Bruder, später mit der ganzen Welt – schaukeln sich kontinuierlich auf oder lösen einander ab, und diese Welt voller Gefahren und ohne einen Punkt, an dem man in aller Ruhe Atem holen könnte, wird dadurch greifbar. Die Kuppel ist ein Roman, den man nur schwer aus der Hand legen kann.
Weitere Sogwirkung schafft nebst der vordergründigen Spannung und der treibenden Charaktermotivation auch das Rätsel der Kuppel selbst: Nach und nach läßt sich erahnen, was es mit den Sphären, die am Himmel sichtbar sind, den seltsamen Ruinen, in denen die Menschen leben, und den anderen Spezies auf sich hat – der Leser ist dabei Stolperzunge stets einen Schritt voraus und erkennt Dinge, die sich dem Verständnis des „Wilden“ entziehen.

In einem gewöhnlichen Jugendbuch würden Stolperzunges Abenteuer, wenn er den Stamm verläßt und die Wahrheit über die Welt herausfindet, zu seiner Läuterung führen – er würde sich seiner zivilisierten Gefährtin anpassen, ein „besserer“ Mensch werden. Die Kuppel entzieht sich solchen Plattitüden aber immer wieder elegant und stellt ein differenziertes Bild vom Überlebenskampf und zivilisatorischen Praktiken zur Verfügung, ohne der Versuchung zu erliegen, am Ende durch eine weiterentwickelte, die Barbarei überwunden habende Gesellschaft den Konflikt aufzulösen. Einzig die gesellschaftlichen Strukturen, die als Hintergrund der Handlung dienen, scheinen am Ende allzu einfach aufgebaut – allerdings werden sie auch nicht näher ausgeleuchtet und nur aus Stolperzunges eingeschränkter Sicht geschildert, so daß der einzig wahre Anschein eines reinen Jugendbuches vielleicht aufkommt, wenn einmal -auf sehr charmante Weise- aus einer Liebesszene ausgeblendet wird. All Ages-Literatur also hier nur im besten Sinne, wenn eine vordergründig hoch spannende Geschichte mit nicht speziell für junge Leser heruntergebrochenen Themen kombiniert wird, die auch Erwachsene ansprechen und beschäftigen.

Erfahrene Leser werden – allein schon aufgrund des verräterischen deutschen Titels – natürlich frühzeitig merken, wohin der Hase läuft, und die Anklänge an Filme wie die Truman Show, Running Man oder Die Klapperschlange zu deuten wissen, doch die individuelle Charaktergeschichte, die nicht nur die Emanzipation vom eigenen Stamm und der falschen Fremdwahrnehmung von allen Seiten zum Thema hat, und die Dynamik der Handlung, die mit grusligen und manchmal auch überraschenden Monstren aufwartet, sorgen für gute Unterhaltung.
Sogar sprachlich bietet der Roman Interessantes, denn Sprache und letztlich die Frage, inwieweit sie mit Intelligenz und Zivilisation zusammenhängt, wird ebenfalls in vielen Varianten thematisiert: Vom stotternden Hauptcharakter bis hin zu fehlender Verständigung unter den Spezies und der Unmöglichkeit, sich trotz gleicher Sprachkenntnisse zu unterhalten, wenn einem die Konzepte für die Gedankenwelt des Gegenübers fremd sind.

Als Stolperzunge mit seiner zivilisierten Gefährtin auf der Reise zum Rand der Kuppel schon so gut wie gescheitert ist und er mehr über seine Welt erfahren hat als Generationen von Stammesbrüdern vor ihm, wird die zentrale Frage in Die Kuppel weitergeführt und gewinnt einiges an Relevanz und unbehaglichem Gegenwartsbezug, wenn es darum geht, was eine hochzivilisierte Gesellschaft an anderer Stelle an Barbarei in Kauf nimmt, um ihren angenehmen Status Quo zu erhalten.
Was bleibt von der Zivilisation unter besten Umständen?

Cover von Der Kuss der Russalka von Nina BlazonRussland, 1706: Johannes ist mit seinem Onkel und seiner Tante ins Reich Zar Peters eingewandert, der europäische Handwerker zu Hunderten an die Newa holt. Als ein geheimnisvolles Mädchen tot aus dem Fluss geborgen wird, bringt man die Leiche in die Werkstatt von Johannes’ Onkel. Johannes bemerkt schnell, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, zumal der geistig behinderte Mitja die Tote als Russalka bezeichnet hat. Als die gut bewachte Mädchenleiche verschwindet, gerät die Familie unter Verdacht. Johannes verfolgt die Spur der Russalka weiter, um den Ruf seiner Familie zu retten. Dabei kommen er und sein neuer Freund Jewgenij einer Verschwörung gegen Zar Peter auf die Spur, die ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen wird …

-Hoch türmten sich die Erdwälle der Peter-Paul-Festung vor dem Boot auf, das nun am Newator anlegte. Die Festung war das eigentliche “Sankt Piter Burch”, ein Bollwerk, das Zar Peter nach seinem Namenspatron benannt hatte, dem heiligen Petrus, und das nun der neuen Stadt ihren Namen gab.-

Zunächst entführt die Autorin den Leser ins historische Russland. Durch die Augen des jungen Johannes berichtet sie von dem gewaltigen Unterfangen, eine Zarenstadt aus sumpfigem Nichts zu errichten. Die Arbeiten an diesem Jahrhundertprojekt werden nicht als munteres Treiben beschrieben, statt dessen treten deutlich die Spannungen zwischen europäischen Handwerkern und Architekten, einheimischen Arbeitern, versklavten Kriegsgefangenen und der Militärmacht zu Tage – historisch glaubhaft und atmosphärisch geschildert. Nicht nur im Aufbau seiner Stadt, sondern auch in der Figur Peters des Großen selbst spiegeln sich Widersprüche: Der mal großherzige und mal barbarisch brutale Zar erfährt einerseits Hochachtung und wird als Weltveränderer verehrt, andererseits aber ist er der orthodoxen Schicht im Lande ein Dorn im Auge.
Dass dann in diesem historischen Roman plötzlich ein wahrhaftiges Fabelwesen – eine Russalka ist ein Meerjungfrauen-ähnliches Wesen, das in Flüssen und Seen lebt und Macht über das Wasser hat – auftritt, wirkt zuerst irritierend. Doch gerade die Mischung der märchenhaften Elemente mit dem realen Hintergrund macht die Geschichte besonders fesselnd. Mit dem wissenschaftlich interessierten und fortschrittlichen Zar Peter und den Hütern der Russalka treffen aufklärerische Züge und Naturglaube aufeinander. Von der “kleinen Meerjungfrau” hebt sich das russische Wasserwesen übrigens wohltuend ab, denn es kombiniert betörende Sinnlichkeit mit erschreckender Tierhaftigkeit. Und auch der “Kuss der Russalka” ist keineswegs das romantische Erlebnis, nach dem es sich anhört …

Die unfreiwilligen Helden der Geschichte, Johannes und Jewgenij, überzeugen vor allem dadurch, dass sich ihre Freundschaft erst einen langen Weg durch Feindseligkeit, Prügel und Nörgeleien hindurch bahnen muss. Ihre unterschiedlichen, manchmal schlicht widersprüchlichen Charaktere ergänzen sich wunderbar. Was den beiden auf ihrer Jagd nach dem Geheimnis der Russalkas widerfährt, hinterlässt seine Spuren in ihren Charakteren, bringt sie mal einander näher und mal beinahe auseinander. Eine schöne Anti-Bilderbuchfreundschaft also, wodurch beide besonders lebendig erscheinen.

Die abwechlungsreiche Geschichte ist historischer Roman, Krimi, Märchen, politischer Thriller und sogar Lovestory in einem, wirkt jedoch nie überladen. Leider muss man gelegentlich etwas angestrengt versuchen dem Verlauf zu folgen, wenn zum Beispiel ein paar kryptische Weissagungen des Gottesnarren Mitja einen komplizierten Zusammenhang erklären. Aber das mindert weder die Spannung noch schadet es der dichten, abenteuerlich-schauerlichen Atmosphäre, die die Geschichte durchzieht. Unbedingt abends bis nachts zu lesen!

Labyrinth: The Novelization von Jim Henson und A.C.H. SmithDie 15-jährige Sarah verbringt ihre Tage am liebsten tagträumend damit, Szenen aus ihrem Lieblingsbuch Labyrinth nachzuspielen. Sie ist schrecklich genervt von ihrer Stiefmutter, und das schlimmste von allem, sie muss den Babysitter für ihren kleinen Bruder Toby spielen. Als sie sich leichtisinnigerweise wünscht, der Goblinkönig möge Toby holen und in sein Schloss unter der Goblinstadt bringen, werden Sarahs Tagträume plötzlich zur Realität. Goblingkönig Jareth lässt Sarah 13 Stunden Zeit, um ihren Bruder wiederzubekommen, doch das Labyrinth hält viele Tücken und Tricks bereit.

– Nobody saw the owl, white in the moonlight, black against the stars, nobody heard him as he glided over on silent wings of velvet. The owl saw and heard everything. –
The white owl, S. 11

Wer als Kind in den 80ern aufgewachsen ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann mit dem Film Die Reise ins Labyrinth (OT: Labyrinth) von Jim Henson in Kontakt geraten sein. Ein wirklich lohnenswertes Stück phantastischer Filmgeschichte, mit einer jungen Jennifer Connelly und Pop-Ikone David Bowie in den Hauptrollen. Ein Kunstwerk aus Bühnenbild und Puppentheater, gepaart mit viel Witz und dem musikalischen Pomp der 80er Jahre.
Labyrinth: The Novelization ist, wie der Titel schon sagt, auf Basis dieses Films entstanden und hält sich dabei beinahe Bild- und Wortgenau an die Vorlage. Ab und an finden sich auch ein paar zusätzliche Informationen, die vor allem Sarahs Familienverhältnissen mehr Substanz verleihen und manches nachvollziehbarer erscheinen lassen, als es der Film macht.

Das Labyrinth des Goblinkönigs Jareth ist ein Ort voller Magie und magischer Kreaturen. Kichernde Goblins, Gnome, bissige Feen, riesige Monster, düstere Tunnel und sprechende Türklopfer sind erst der Anfang. An jeder Ecke warten Rätsel, die Unangenehmes zur Folge haben, wenn sie vorschnell beantwortet werden. Mit humorvollen und sehr plastischen Beschreibungen, die beinahe jedes optische Detail des Films perfekt wiedergeben, wurde hier eine atmosphärisch und inhaltlich liebevolle Geschichte erschaffen. Es ist ein Roman mit dem nostalgischen Flair alter Märchen und Mythen, der es dabei schafft ganz zeitlos zu bleiben. Wer gerne in eine magische Welt eintauchen möchte, die sich mehr auf die Wurzeln der phantastischen Literatur besinnt, der darf sich Labyrinth wirklich nicht entgehen lassen.

Sarah, die Hauptfigur, fühlt sich am laufenden Bande unfair behandelt und vom Leben gebeutelt. Babysitten am Wochenende – eine Plage; ein Kuscheltier an das personifizierte Übel von Bruder abtreten müssen – undenkbar. Sie ist egoistisch und grundlos motzig ihrer Stiefmutter gegenüber, sie nimmt nur das Offensichtliche wahr und hinterfragt nichts. Es interessiert sie auch nicht, was hinter dem äußeren Anschein stecken könnte, denn Sarah interessiert sich eigentlich nur für Sarah. Als sie sich in Jareths Labyrinth begeben muss, um ihren Fehler zu korrigieren und Toby wieder sicher nach Hause zu bringen, muss sie schnell viel dazu lernen und ihren selbstzentrierten Horizont erweitern, wenn sie Erfolg haben will.
Man merkt der Figur schnell an, wozu sie geschaffen wurde. Sarah ist ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie benimmt sich in vielen Situationen wie ein naives Kind, muss aber nun lernen, dass die Kindheit für jeden irgendwann endet und es Zeit wird, für das eigene Handeln geradezustehen. Jedes Rätsel, jede Hürde, die Sarah nehmen muss, wird von symbolischen Szenen und Dialogen getragen, die Sarahs Entwicklung voranbringen. Es geht darum, Entscheidungen zu treffen, über mögliche Folgen nachzudenken, Verantwortung zu übernehmen, auf andere Individuen Rücksicht zu nehmen und vieles mehr. So kann man Labyrinth wohl am ehesten als Übergangsreise vom Kind zum Erwachsenen sehen, wobei es kaum realistisch erscheint, dass Kinder oder junge Heranwachsende, die dieses Buch bevorzugt genießen werden, imLabyrinth der Film von Jim Henson Stande sind, all die Lehren schon zu sehen und zu verstehen. Auf der anderen Seite ist es aus Erwachsenensicht eine liebevolle Erfahrung, durch diesen Roman noch einmal in die eigene Jugendzeit versetzt zu werden und zu erkennen, wie sehr man sich selbst verändert hat.

Der Goblinkönig Jareth nimmt in dem Roman eine etwas weniger imposante Rolle ein als seine filmische Vorlage. Es mag auch daran liegen, dass die musikalische Untermalung fehlt und er etwas wenig Raum bekommt. Als männlicher Gegenpart von Sarah versucht er das Mädchen mit Verführung und Blendung von ihrem Ziel abzulenken und verkörpert dabei natürlich einen weiteren Aspekt des Erwachsenwerdens. Sein äußeres Erscheinungsbild wird dabei als attraktiv geschildert, während seine Handlungen meist recht herzlos sind. Er bleibt recht blass und eindimensional, was es schwierig macht, eine nähere Bindung zu diesem Charakter aufzubauen. Mehr Sympathie gewinnen da einige der Nebenfiguren. Etwa der hin und her gerissene Gnom Hoggle oder der völlig überdrehte Sir Dydimus, der sich vor keinem Gegener fürchtet und mit gezücktem Degen in den Kampf galoppiert. Mit liebevollen Details wird diesen Figuren sehr schnell Leben eingehaucht.

Abschließend bleibt nur zu sagen: Labyrinth bietet dem Kenner des Films zwar nicht allzuviel Neues, dennoch gehört diese Neuauflage in jedes Fanregal. Die Aufmachung ist mit viel Hingabe – von der Gestaltung des Hardcovers bis hin zur Typographie – durchdacht worden; im Anhang finden sich außerdem Konzeptskizzen von Brian Froud und als besonderes Schmankerl die Notizen von Jim Henson aus der Entstehungsphase des Films.
Wer die Möglichkeit noch hat, sollte die Chance nutzen und das Buch lesen, bevor die DVD eingelegt wird. Denn wer einmal die tolle Filmvorlage gesehen – und David Bowie als Goblinkönig neben all den schrulligen Puppen erlebt hat –, der wird es schwer haben, das Buch unvoreingenommen genießen zu können.

Cover des Buches "Im Land des Windes" von Licia TroiciObwohl die dreizehnjährige Nihal das einzige Mädchen in ihrer Bande ist, ist sie die Anführerin. Ihr Vater ist der Waffenschmied der Stadt Salazar, und nichts liebt Nihal so sehr wie den spielerischen Schwertkampf. Eines Tages wird sie von einem Jungen zum Duell gefordert, den sie noch nie gesehen hat. Er heißt Sennar und scheint ihr, obwohl älter, körperlich unterlegen zu sein. Aber er ist es, der gewinnt. Sennar ist ein Magier und nun will auch sie das Zaubern erlernen. Nihal beschließt, bei ihrer Tante Soana, einer mächtigen Zauberin, in die Lehre zu gehen. Als die Truppen des Tyrannen in Salazar einfallen und Nihals Vater vor ihren Augen ermorden, will das Mädchen sich dem Orden der Drachenritter anschließen, der gegen den Tyrannen kämpft. Aber in diesen Orden werden nur Männer aufgenommen…

-Die Sonne überflutete die Ebene.-
1 Salazar

Im Land des Windes (Nihal della Terra del Vento) ist ein zum Fantasyroman gewordener Kleinmädchentraum. Nihal meistert fast alle Schwierigkeiten, die sich ihr in den Weg stellen. Natürlich stimmt ihr Vater schließlich zu, als sie die Magie erlernen möchte, obwohl er zunächst dagegen ist. Und wie praktisch, dass er eine Schwester hat, von der Nihal bisher nichts wusste, die eine berühmte Magierin ist. Natürlich besteht das Mädchen den Initiationsritus, den es durchlaufen muss, um eine Zauberin werden zu dürfen. Natürlich ist sie schon als Jugendliche eine hervorragende Kämpferin, die durch das harte Training, das sie selbstverständlich absolvieren muss, nur noch vollkommener wird. Natürlich besitzt sie Durchhaltevermögen, ist sturköpfig, entschlossen und mutig. Natürlich überlebt Nihal, als die Fammin in Salazar einfallen, ein schreckliches Gemetzel anrichten, die Stadt plündern und sie schließlich in Brand setzen. Natürlich ist sie nicht nur aufgrund ihres Aussehens etwas Besonderes – jeder, der schon einmal einen Fantasyroman gelesen hat, kann leicht erraten, zu welchem Volk sie gehört – sondern auch, weil sie die letzte ihrer Art ist. Natürlich wird sie als erste Frau in den Orden der Drachenritter aufgenommen, dazu muss sie auch “nur” die zehn stärksten Schüler der Akademie im Zweikampf besiegen, einen nach dem anderen, ohne eine Pause einlegen zu dürfen.

War die Geschichte bisher eine Aneinanderreihung altbekannter Fantasy-Topoi, wird es nun langsam albern. Man könnte meinen Pippi Langstrumpf, die bekanntlich das stärkste Mädchen der Welt ist, hätte sich in das Buch eingeschlichen, um mal zur Abwechslung ihre Kräfte dazu zu benutzen, Männer mit dem Schwert zu besiegen, von denen einer auch noch mit Peitsche und Eisenkette auf sie losgeht, anstatt immer nur ihr Pferd in die Luft zu stemmen oder Gauner, Polizisten und Piraten außer Gefecht zu setzen. Leider fehlt Troisi Lindgrens Humor. Sie erzählt ohne jedes Augenzwinkern wie Nihal zehn fast fertig ausgebildete Krieger der Reihe nach besiegt und so ist diese Episode trotz der martialischen Schilderung völlig unglaubwürdig.
Und es möge sich jetzt bitte keiner beschweren, hier bei bp würde wohl neuerdings ein Spoiler an den anderen gereiht. Jeder hier aufgeführte Punkt ist vorhersehbar, und sobald ein Handlungsteil beginnt, weiss der Leser, wie er enden wird. Außer den ganz jungen Leserinnen wird niemand je vermuten, dass Nihal irgendeine Aufgabe letztendlich nicht besteht, und wenn sie einmal den Kürzeren zieht, wie bei dem Kampf gegen Sennar, dann offensichtlich nur, um die Handlung voranzutreiben und Nihal, die am Anfang der Geschichte ja erst dreizehn Jahre alt ist, sich entwickeln und reifen zu lassen, so dass ihr aus der vermeintlichen Niederlage doch noch ein persönlicher Sieg erwächst, und schlussendlich Gutes bewirkt wird. Die Geschichte ist durchsichtig wie eine frischgeputzte Fensterscheibe. Selbst wenn Nihal in aussichtslose Situationen gerät oder ernsthaft verletzt wird, weiss jeder, der älter als zwölf ist, dass er um die Heldin des Romans nicht bangen muß.

Natürlich wird Im Land des Windes auch gestorben, natürlich trifft es einen edlen Recken und natürlich bricht sein Tod Nihal fast das Herz, denn auch die Romantik darf bei einer jugendlichen Heldin nicht zu kurz kommen. Natürlich ist sie bezaubernd und auf eine faszinierende Art schön, wenn sie auch laut Autorin angeblich keinem klassischen Schönheitsideal entspricht. Sie hat lange Wimpern, eine gertenschlanke Figur und “sehr weibliche Rundungen”, womit sie trotz ihrer außergewöhnlichen Augen- und Haarfarbe und den Mr.-Spock-mäßigen Ohren -was in einem Land, das auch von Kobolden, Gnomen, Wassernymphen und Drachen bevölkert ist, so ungewöhnlich auch wieder nicht ist – tatsächlich einem “klassischen Schönheitsideal” genauso wenig entspricht wie Heidi Klum. Natürlich ignoriert sie die begehrlichen Blicke der Soldaten und bleibt unnahbar. Natürlich ist sie eine unerbittliche Kämpferin, die jeden feindlichen Krieger niedermäht und natürlich ist es nicht Nihal, die von den Greueln des Krieges überwältigt wird als sie mit anderen jungen Kriegern zum erstenmal in die Schlacht geschickt wird, sondern ein zartbesaiteter Jüngling und natürlich gelingt es auch nur ihr, dass Oarf sie auf seinem Rücken fliegen lässt, ein Drache, der seit dem Tod seines ersten Herren, niemanden an sich heran lässt und wegen seines aggressiven Verhaltens sein Dasein in einem Käfig fristen muss.

Also: Nichts Neues unter der Sonne, aber immerhin ein unterhaltsam geschriebener Fantasyroman mit einer starken, entschlossenen, tapferen Heldin, mit der sich jüngere Mädchen sicher gerne identifizieren, sofern sie sich nicht von den manchmal brutalen Szenen abschrecken lassen, und für alle, die noch nicht allzuviel Leseerfahrung besitzen auch spannend.

The Last Olympian von Rick RiordanDie finale Schlacht ist gekommen und der Krieg um die Herrschaft beginnt. Mit seiner gewaltigen Armee zieht Kronos auf Manhattan zu, um den Olymp und die Götter zu zerstören. Während die olympischen Götter außerhalb gegen Titanen kämpfen müssen, wurde die Stadt in tiefen Schlaf versetzt und von der Außenwelt abgeschottet. Es bleiben nur noch die wenigen Halbgötter des Camp Half-Blood als letzte Verteidigung für den Olymp – vierzig gegen vierhundert. Doch das Camp ist nicht nur in der Unterzahl, die Häuser sind auch gespalten und ein Verräter bewegt sich unerkannt unter ihnen. Nicht zuletzt ist außerdem die Zeit für Percy Jacksons vielleicht letzte Entscheidung gekommen.

– The end of the world started when a pegasus landed on the hood of my car. –
I go cruising with Explosives, S.1

The Last Olympian (Die letzte Göttin) ist der wohl stärkste Teil dieser Reihe. Autor Rick Riordan hat sich mit jedem neuen Buch ein gutes Stück gesteigert, doch in diesem fünften Band holt er noch einmal alles raus und liefert den Lesern ein triumphales Finale.

Der letzte Roman um Percy Jackson startet ohne viel Vorspiel mit einem Kampf und dem plötzlichen Tod eines Freundes. Das gesamte Camp befindet sich im Kriegszustand, die Emotionen sind angespannt, Hoffnung ist kaum noch vorhanden und zu allem Überfluss herrschen auch innerhalb der Gruppe von Halbgöttern Streitereien. Die Kinder des Olymp sind praktisch auf sich allein gestellt, denn ihre göttlichen Eltern kämpfen, mit wenig Erfolg, an anderer Front gegen Titanen, die auf den Olymp zu marschieren. Campleiter Chiron ist ebenfalls fort, um Hilfe zu suchen, doch die Rückmeldungen von beiden Parteien klingen ziemlich aussichtslos. Die Chancen stehen also erbärmlich schlecht und entsprechend schwer sind die Gedanken unserer Helden, denn es geht von Anfang bis Ende um mehr als nur das eigene Überleben.

Wer nun fürchtet, The Last Olympian biete einen deprimierenden Lesegenuss, der irrt. Angesichts der Lage geschehen einige tragische Dinge, die an den Protagonisten durchaus nagen und auch den Leser nicht kalt lassen. Doch mit einem neuen Höchstmaß an Sarkasmus und Galgenhumor sorgen Percy und seine Freunde auch immer wieder für unerwartet humorvolle Einlagen, die zeigen, dass unsere Halbgötter noch lange nicht am Ende sind. Auch Gott Apollo gibt wieder kleine Spezialitäten zum Besten, nahezu preisverdächtig ist seine jüngste Auswahl an Fahrstuhlmusik. Wer bisher noch nicht von diesem Hitzkopf hingerissen war, der wird Apollo nach der Lektüre dieses letzten Bandes lieben.

Wie eingangs erwähnt, hat Rick Riordan in seinem finalen Aufgebot der Percy-Jackson-Reihe Höchstform gezeigt. Mehr beschreibende Details kreieren eine plastische, lebendige Welt, und zusätzlich kommen die Götter und ihre Gegenspieler viel häufiger zum Zuge und sorgen für echte mythologische und antike Stimmung. Unter den vielen Charakteren, die beinahe beiläufig, aber wirkungsvoll weiter ausgebaut werden, fällt vor allem der junge Nico sehr positiv auf. Der Sohn des Hades, der bei seinem ersten Auftritt in The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) noch wie ein naiver, aufgeweckter Junge ohne Sorgen wirkte, hat sich bis in den finalen Band zu einem wirklich interessanten und düsteren Charakter entwickelt. Umso erfreulicher, dass er im fünften Band eine wichtige Rolle einnimmt, in der lange nicht klar ist, für welche Seite der Junge tatsächlich kämpft.

Am Ende von The Last Olympian hat man etliche Verluste erlebt, den Mut und die Hoffnung nicht verloren, ist an den Erlebnissen gewachsen und mit ihnen erwachsen geworden. Man hat auch gelernt, dass junge Frauen im Kriegszustand verflucht Angst einflößend sein können, und man hat unheimlich viel zu lachen und zu bangen gehabt. The Last Olympian macht eigentlich alles richtig und übertrifft die Erwartungen an dieses Finale. Glücklicherweise verzichtet der Autor auf einen kitschigen Epilog, der das Leseerlebnis nachträglich hätte trüben können.

Wer nun noch immer nicht genug bekommen hat von Halbgöttern und olympischen Bewohnern, dem könnte die ähnlich konstruierte, aber mit neuen Charakteren besetzte Folgeserie The Heroes of Olympus gefallen.

Lauf gegen die Dunkelheit von Jeanne DuPrauDie Stadt Ember existiert im dunklen Innern der Erde, erhellt nur durch das elektrisch erzeugte Licht eines einzigen Generators. Doch ausgerechnet der droht nun zu zerfallen und die marode gewordene Stadt in vollkommene und nie enden wollende Dunkelheit zu tauchen.
In dieser Zeit macht die junge Lina Mayfleet eine Entdeckung unter den Erinnerungsstücken ihrer Großmutter – eine Kiste, in der sich die bruchstückhaft erhaltenen Anweisungen der Erbauer Embers befinden. Anweisungen, die die Bewohner retten und in eine neue Stadt führen könnten.

– Es gibt keinen Ort außer Ember. Ember ist das einzige Licht in einer finsteren Welt. –

Zu Lauf gegen die Dunkelheit liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Percy Jackson: Die letzte GöttinDie finale Schlacht ist gekommen und der Krieg um die Herrschaft beginnt. Mit seiner gewaltigen Armee zieht Kronos auf Manhattan zu, um den Olymp und die Götter zu zerstören. Während die olympischen Götter außerhalb gegen Titanen kämpfen müssen, wurde die Stadt in tiefen Schlaf versetzt und von der Außenwelt abgeschottet. Es bleiben nur noch die wenigen Halbgötter des Camp Half-Blood als letzte Verteidigung für den Olymp – vierzig gegen vierhundert. Doch das Camp ist nicht nur in der Unterzahl, die Häuser sind auch gespalten und ein Verräter bewegt sich unerkannt unter ihnen. Nicht zuletzt ist außerdem die Zeit für Percy Jacksons vielleicht letzte Entscheidung gekommen.

– Das Ende der Welt begann damit, dass ein Pegasus auf der Motorhaube meines Wagens landete. –
Ich gehe mit einer Ladung Sprengstoff auf Kreuzfahrt

Zu Die letzte Göttin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Percy Jackson – The Lightning ThiefPercy Jackson ist ein Problemkind wider willen, denn er gerät von einer seltsamen Situation in die nächste. Kein Wunder, dass er schon von sechs Schulen geflogen ist. Was er und der gewöhnliche Mensch aber nicht ahnen: Percy Jackson ist kein Unruhestifter sondern ein Halbgott und damit in höchster Lebensgefahr. Denn die Schergen des Gottes der Unterwelt haben es auf den Jungen abgesehen, nicht nur weil er im Verdacht steht, den berüchtigten Blitz des Zeus gestohlen zu haben. Die Furien sind ihm bereits dicht auf den Fersen, und die einzige Chance zu überleben scheint das Camp Half-Blood zu sein in dem ein mauliger Dionysus die Leitung hat.

– Being a half-blood is dangerous. It’s scary. Most of the time, it gets you killed in painful, nasty ways. –
I Accidentally Vaporize My Math Teacher, S. 1

The Lightning Thief (Diebe im Olymp) ist der erste Roman aus der Jugendbuchreihe Percy Jackson & The Olympians. Wie der Reihentitel schon erahnen lässt, dreht sich die Handlung um Figuren und Sagen aus der griechischen Mythologie. Percy Jackson wird oftmals auch als griechischer Harry Potter bezeichnet. Mit seinem Helden schafft es Autor Rick Riordan, trotz einiger Parallelen dennoch eine eigenständige Geschichte mit einer gänzlich anderen Atmosphäre zu erschaffen. Dementsprechend wäre niemandem damit gedient, sich von Percy Jackson einen zweiten Harry Potter zu erhoffen, aber es gibt natürlich trotzdem jede Menge Magie, gefährliche Monster, schwammige Prophezeiungen eines ganz schön ausgedörrten Orakels und natürlich eine gefährliche Queste für unsere drei jungen Helden.

Percy Jackson, Sohn des Meeresgottes Poseidon und titelgebender Held dieser Reihe, gilt als Legastheniker und chronischer Unruhestifter mit einem diagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom – dabei ist sein Gehirn einfach nur auf antikes Griechisch gepolt, was freilich niemand, nicht einmal er selbst, ahnt. Mit dieser Diagnose erklärt sich der Junge die seltsamen Dinge, die in seiner Umgebung geschehen, und kommentiert sie mit viel zynischem Humor. Entsprechend amüsant gestalten sich nicht nur Dialoge mit anderen Charakteren, sondern auch die Erzählung insgesamt, die aus der Perspektive eines schlagfertigen Percy geschildert wird.
Für weiteren Witz sorgen der Satyr Grover, dem in besonders heiklen Momenten nicht nur Schuhe und Hosen verloren gehen, sondern auch mal ein Blöken entweicht, und die strategisch denkende Annabeth – Tochter der Göttin Athene – die sich gerne mal mit der rivalisierenden Tochter des Ares in den Wettkampf begibt. Überhaupt ist auffällig, dass die größten und gefürchtetsten Raufbolde in diesem Roman Mädchen sind. Es hüte sich, wer auf dem Schulhof an Zöpfen ziehen möchte …

Dass The Lightning Thief aber auch ernsthafte Seiten hat, beweisen u.a. die Opfer, die Percys Mutter bringt, und das schwierige Verhältnis von Percy zu seinem Vater Poseidon, der sich nicht sicher ist, wie er zu seinem Sohn steht. Da ist einerseits Poseidons willentliche Bekenntnis zur Vaterschaft und andererseits seine Schuldgefühle darüber, durch Percys Zeugung eine wichtige Abmachung mit seinen Brüdern Zeus und Hades gebrochen zu haben. Außerdem scheint es allen Halbgöttern bestimmt zu sein, ein tragisches Schicksal bis hin zu brutalen Toden zu erleiden. Auch das nagt an dem Gott der Meere, der nur wenige eigene Auftritte in diesem Roman hat.
Während man als Leser also doch die ganze Zeit auf ein glückliches Zusammenkommen von Vater und Sohn hofft, die sich beide wie unsichere Boote umschiffen, bleibt Riordan realistisch und arbeitet bis zum Schluss konstant mit dem Zwiespalt seiner Figuren. Auch an anderen Fronten scheinen die familiären Beziehungen eine wichtige Rolle für den Autor zu spielen. Sie bereichern diesen phantastischen Roman um allzu real existierende Probleme, die sowohl junge und ältere Leser zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Lebens kennengelernt haben dürften. Darum bleibt es häufig auch nur bei Anspielungen und Anzeichen, die man erst mit einem gewissen Erfahrungswert sofort zu erkennen weiß. Leicht genug für junge Leser zu verstehen und durchs Hintertürchen auch derb genug, um ältere Leser unterhalten zu können. Dieses Spiel mit Andeutung und gezielt ausgelassener Information funktioniert in The Lightning Thief sehr gut und macht den Roman für alle Altersgruppen zu einem interessanten Lesevergnügen.

Atmosphärisch reiht sich der Roman in eine urbane Fantasywelt ein, in der Technologie und Magie unerkannt miteinander verschmolzen nebeneinander existieren. So gelangt man über bekannte Wahrzeichen wie das Empire State Building in den Olymp oder landet beim Betreten eines Casinos in einem modernen und trügerischen Nirvana. Diese Verschmelzung ist in The Lightning Thief leider nur teilweise gelungen, stellt allerdings auch nicht das Hauptaugenmerk des Romans dar. Denn das liegt eher bei Charakterbildung und Handlung. Etwas dürftig gestaltet sich dementsprechend auch die Erklärung dazu, weshalb wir die Götter der griechischen Mythologie neuerdings in den USA finden. Es wäre fast besser gewesen, diese Erklärung und den damit verbundenen Patriotismus auszusparen, stellt aber nur einen kleinen Fleck auf der sonst sauberen Weste dieses Auftaktromans dar.

The Lightning Thief präsentiert sich also als ein gelungenes Buch für jeden, der es gerne zynisch-sarkastisch-humorvoll mag und ein Herz für die alten Götter Griechenlands hat. Große Sprünge und grandiose neue Ideen darf man von dem Roman nicht erwarten, als solider Vertreter klassischer Fantasy-Erzählungen ist The Lightning Thief aber durchaus zu empfehlen.

Verfilmung:
Filmplakat The Lightning ThiefPercy Jackson & The Lightning Thief (Percy Jackson – Diebe im Olymp) wurde 2010 u.a. mit Logan Lerman in der Hauptrolle des Percy Jackson, Sean Bean als Zeus, Uma Thurman als Medusa und Pierce Brosnan als Chiron unter selbigem Titel verfilmt. Trotz der starken Besetzung bietet der Film aber nicht mehr als leichte Kost für zwischendurch. Die Handlung weicht außerdem in einigen Punkten von der des Buchs ab und erzählt eine teilweise andere Geschichte.

Cover des Buches "Das magische Messer" von Phillip PullmanWill, ein Junge, der im Oxford “unserer” Welt lebt, hat es nicht leicht. Sein Vater ist vor zehn Jahren bei einer Expedition verschwunden und seine Mutter leidet anscheinend an einer Geisteskrankheit. Als zwei Männer in sein Zuhause einbrechen und versuchen, eine grüne Mappe zu stehlen, tötet er einen der beiden. Will muß fliehen. Bei seiner Flucht gerät er durch ein Fenster in eine andere Welt. In dieser Welt trifft er Lyra, die dort hingeraten ist, als sie ihrem Vater über die Brücke folgte. Die beiden Kinder schließen sich zusammen und helfen sich gegenseitig, Wills Vater zu finden und das Geheimnis des Staubes zu ergründen.

-Will zog seine Mutter an der Hand und sagte: “Komm weiter, bitte…” Aber seine Mutter zögerte. Sie hatte noch immer Angst.-
Kapitel 1, “Die Katze unter den Bäumen”

Das magische Messer (The Subtle Knife) besticht durch seine Komplexität: Es handelt von Physik, Philosophie, Religion, Schamanismus, von Platons Höhlengleichnis, von der Erschaffung der Welt, von Gott und dem Teufel, von Gut und Böse, von Armageddon, von Engeln und Gespenstern, von Hexen und der Inquisition, von der Kernspaltung, von Freundschaft, Treue, Verrat und Tod und es ermutigt den Leser seinen eigenen Instinkten zu vertrauen und nicht blindlings auf Autoritäten zu hören. Eigentlich müßte die Handlung ein einziges Tohuwabohu sein. Daß der Roman nicht unrettbar im Chaos versinkt, ist der Verdienst von Philip Pullman. Da schreibt jemand, der trotz des umfangreichen Inhaltes klare Handlungsstränge entwickeln kann, und der nie den roten Faden verliert. Dabei wirkt der Roman nicht überfrachtet, sondern alles erscheint völlig natürlich, so daß ein Leser dieses Buches es wahrscheinlich ganz normal finden wird, wenn ihm plötzlich massenhaft Menschen mit außergewöhnlichen Tieren an der Seite begegnen oder wenn demnächst ein Engel durch seinen Computer mit ihm kommuniziert. Außerdem versteht Pullman es, den Leser immer wieder zu verblüffen. Als Lyra Will zum erstenmal trifft, fragt sie das Alethiometer, ob Will ein Freund oder ein Feind ist. Das Gerät antwortet, er sei ein Mörder, worauf Lyra sofort beschließt, Will zu vertrauen.

Trotz einiger Gewaltszenen und trauriger Ereignisse ist das Buch für Kinder ab ca. 12 gut geeignet. Gewalt wird nie unmotiviert ausgeübt, und Kinder, die Grimms Märchen verkraftet haben, in denen Frauen nackt in mit Nägeln gespickten Fässern zu Tode gerollt werden oder in Backöfen verbrannt werden, werden auch hier keinen Schaden nehmen. Allerdings braucht das Buch unbedingt Menschen, die gerne lesen. Kinder oder Erwachsene, die vor Harry Potter noch nie ein Buch in die Hand genommen haben und jetzt auf den Gedanken kommen, sie könnten sich ja mal ein “Zweitbuch” anschaffen, das womöglich auch noch “wie Harry Potter ist” werden an diesem Zyklus keine Freude haben.
Für Erwachsene ist es ein besonderes Vergnügen, sämtliche Anspielungen herauszufinden, die die Literatur und das Weltgeschehen betreffen, aber das ist nur ein besonderer Kick. Für Erwachsene, die sofort zwanghaft zum Lexikon greifen müssen, um nachzuschlagen, ob es dieses anbarische Dingsbums wirklich gibt und was Platon jetzt eigentlich mit seinem Höhlengleichnis genau meinte, ist das Buch ebenfalls nicht geeignet. Dieser Roman braucht Leser, die in eine Geschichte versinken können und ihre Neugier auf das Ende beibehalten, auch wenn ihnen nicht immer klar ist, worauf der Autor hinaus will und wie die Geschichte letztendlich ausgehen wird.

Märchenmonds Erben von Wolfgang & Heike HohlbeinErneut gelangt Kim nach Märchenmond, in die Welt hinter den Träumen. Eine neue Generation ist herangewachsen, die weder an Magie noch an Träume glaubt. Die Alten wollen nicht verstehen, dass ihre Erben ihr eigenes Leben gestalten möchten. Kim gerät zwischen die Fronten der Generationen, die einander erbarmungslos bekämpfen. Mithilfe des alten, weisen Zauberers Themistokles erhofft sich Kim, den Krieg beenden zu können. Doch als er nach einer langen, gefahrvollen Reise endlich nach Gorywynn gelangt, erfährt er, dass Themistokles seine Kräfte in eine Glaskugel gebannt hat. Jene Glaskugel ging jedoch verloren und die Suche nach ihr wird zu einem haarsträubenden Wettlauf mit der Zeit …

-Kim beobachtete eine Gruppe junger Punker, die auf der anderen Straßenseite entlangschlenderte und offensichtlich auf Streit aus war …-

Mit dem dritten Band der Märchenmond-Reihe wollten Wolfgang & Heike Hohlbein wohl einen würdigen Abschluss setzen, was ihnen teilweise auch gelungen ist. Trotz allem kommen auch hier typische Hohlbein-Merkmale zum Vorschein. Die Art, wie Kim diesmal in das Reich der Träume gelangt, ist äußerst unrealistisch und schwer nachvollziehbar. Die Handlung selbst ist meiner Meinung nach etwas abgedroschen, Kims Agieren in Märchenmonds Erben wirkt wie eine Wanderung ins Blaue. Er gerät von einem Abenteuer ins nächste, ohne jegliche Verschnaufpause. Wird er bei einem Abenteuer verletzt, heilen seine Wunden geradezu unheimlich schnell – schwer nachvollziehbar für ältere Leser.
Auch muss der Leser auf altbekannte Charaktere verzichten. Lediglich der Riese Gorg und Themistokles geben sich die Ehre, doch sind beide zu alt, um an Kims haarsträubenden Abenteuer teilzunehmen. Mit den neuen Figuren wollte man wohl ein bisschen Humor in das ganze Geschehen bringen, was nur an manchen Stellen gelungen ist. Viele Szenen, gerade die Streitereien zwischen der Spinne und der Elfe Twix wirken für erfahrenere Leser übertrieben, wobei junge Leser wohl aber durchaus ihre Freude daran finden werden.
Ein Lob hab ich allerdings: Die Veränderung Märchenmonds ist gut gelungen. Am Anfang zwar verwirrend, doch bringt einen diese Verwirrung auch dazu, weiterzulesen, weil man unbedingt wissen möchte, was eigentlich los ist. Schon früh wird der Leser mit dem Hauptthema, der Hohlbein-Moral in dieser Geschichte, konfrontiert – dem Generationskonflikt. Dies zeigt sich auch an Kim, der mittlerweile erwachsen geworden ist und nicht mehr an Märchenmond glaubt. Eine weitere Idee, die mir besonders gut gefallen hat, ist der Friedhof am Ende der Welt Märchenmonds, durchaus eine der besten Szenen des Buches. Trotz dieser kleinen Mängel ist es den Autoren mit Märchenmonds Erben also gelungen, einen überzeugenden Abschluss der Reihe zu setzen, so dass man das Buch nach dem Lesen mit einem traurigen Lächeln zuklappt.

Der ursprünglich auf drei Teile ausgelegten Reihe folgten 2005 und 2006 weitere Fortsetzungen, die zwar in der Welt Märchenmonds spielen, jedoch mit gänzlich neuen Charakteren besetzt sind.

Cover des Buches "Mordred, Sohn des Artus" von Nancy SpringerKauls Fischermutter hat dem Jungen erzählt, der Meergott Llyr hätte ihn zu ihr geschickt, um sie über den Tod ihres Kindes hinwegzutrösten. Der Fischer und seine Frau nahmen sich des Kindes an, zogen es auf und liebten es wie ihr eigenes. Doch eines Tages erfährt der Knabe die Wahrheit über seine Herkunft: Kauls richtiger Name ist Mordred, sein Vater ist König Artus. Merlin hatte einst prophezeit, dass Mordred seinen Vater töten würde und um dem Schicksal zu entgehen, hatte Artus versucht, seinen Sohn zu ermorden. Doch selbst als Mordred davon erfährt, hasst er ihn nicht so sehr, dass er Artus töten wolle. Dann aber wird Mordred zum Spielball der Interessen Nyneves, Morgauses und Merlins und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

-Weil er der König war, durfte er in dieser Sache keine Gefühle zeigen. Der Wind blies kalt vom schwertgrauen Meer heran, über dem gekrönten Haupt des Königs kreisten schreiende Möwen und zu seinen gestiefelten Füßen lagen vierzig nackte Säuglinge auf dem dunklen Sand, die noch lauter schrien.-
Prolog

Ein grobschlächtiger, verschwitzter Mann, mit strähnigen Haaren und hasserfülltem Blick jagt König Artus das Schwert mit solcher Wucht in den Körper, dass es auf der anderen Seite wieder heraustritt. So kennt man es aus diversen Artus-Verfilmungen und auch diejenigen, die die Artus-Sage nur gelesen haben, dürften eine ähnliche Vorstellung von Mordred entwickelt haben.

Nancy Springers Mordred ist völlig anders. Springer erzählt von einem sechsjährigen Knaben, der zum Mann heranreift. Dieser Heranwachsende ist kein hasserfüllter Jugendlicher, der auf Rache sinnt, nach Macht strebt und darauf wartet, dass seine Stunde kommt. Mordred ist ein Kind, das leidet. Mordred leidet unter dem Makel seiner Geburt, er leidet darunter, dass die ganze Hofgesellschaft sich entweder vor ihm fürchtet, ihn verspottet oder ihn verabscheut, denn alle wissen, dass er es sein wird, der den guten und gerechten König Artus töten wird.
Aber Mordred will Artus nicht töten. Obwohl es ihn schmerzt, dass sein eigener Vater ihn umbringen wollte, liebt und achtet er ihn, wie es alle anderen auch tun, denn Artus ist in der Tat ein guter und edler Herrscher. Und so stellt sich Mordred die Frage, ob es keinen Ausweg gibt, der Prophezeiung zu entgehen. Ist das Schicksal wirklich unabänderlich oder ist Schicksal nichts anderes als die Art, wie man sein Leben lebt und somit individuell gestaltbar.
Mordred jedenfalls will nicht daran glauben, dass das Schicksal unentrinnbar vorherbestimmt ist, er ist gewillt, es selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Wille trägt ihm zu allem Überfluss auch noch den Ruf eines Feiglings ein, denn Mordred verhält sich nicht so, wie es unter Artus’ Rittern üblich ist. Er sucht nicht den Kampf und kämpft nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann aber ficht er tapfer und siegreich, er freut sich nicht an vergossenem Blut und wenn er aus einer Höhle das Fauchen eines Drachen hört, reitet er vorüber. Der Mann ist kein Feigling, der Mann ist vernünftig. Doch diese Art von Vernunft steht bei Rittern wie Gawain nicht hoch im Kurs, der seine Mutter und ihren Liebhaber niedermetzelt um der Ehre genüge zu tun.

Manchmal entsteht beim Lesen der Eindruck, Nancy Springer sei es nicht ganz gelungen, sich in die Psyche eines jungen Mannes einzufühlen und deshalb habe Mordreds Charakter teilweise weibliche Züge. Aber das stört nicht, denn Mordreds Charakter ist absolut schlüssig und es sei hier mit Nachdruck betont, dass Mordred vielleicht einige Verhaltensweisen aufweist, die man eher einer Frau zuordnen würde, dass er aber niemals auch nur im entferntesten den Eindruck macht, weibisch zu sein.
Mordred leidet unter seinem von ihm unverschuldeten Schicksal, und unter den Spielchen die Nynyve, Morgause und Merlin mit ihm treiben, er quält sich, er ist empfindsam und je weiter sich der Roman dem Ende zuneigt, um so mehr fragt sich der Leser, wie dieser seelenvolle Mann, je dazu imstande sein soll, seinen Vater auf dem Schlachtfeld zu töten.

Es ist das letzte Drittel der Geschichte, das Nancy Springers Geschichte zu einem Highlight macht. Dieses letzte Drittel bietet eine großartige, schlüssige und bis dahin nicht vorhersehbare Erklärung für das Ende ihres Romans. Wie dieses Ende aussieht wird natürlich nicht verraten. Vielleicht ist es das Ende, wie man es aus der Artus-Sage kennt, vielleicht hat Nancy Springer Mordreds Geschichte aber auch ganz neu geschrieben. Der Rezensent weiß es, er sagt es aber nicht weiter. Nur so viel: Das Ende ist erschreckend und wunderschön, es ist traurig und glücklich und voller Liebe.
Ein Stapel Taschentücher in Reichweite könnte von Nutzen sein.

Die Nebelsängerin von Monika FeltenNur mit viel Glück kann die junge Ajana einigen unglaublichen Unfällen entgehen, dann taucht auch noch ein geheimnisvoller Anwalt auf, der sie als Erbin einer fast vergessenen Urgroßmutter ermittelt hat und ihr ein schönes Amulett übergibt. Es übt eine magische Anziehungskraft auf Ajana aus, und schließlich gelangt sie mittels eines magischen Musikstücks nach Nymath, eine Welt, in der Elben und andere Geschöpfe mit Menschen zusammenleben. Doch in Nymath steht es nicht zum Besten: Die Nebel, die das Land vor Eindringlingen schützten, haben sich gelichtet, und das Volk der Uzoma dringt mordend und brandschatzend ein. Ist Ajana die prophezeite Retterin, die die Nebel erneuern kann?

-Es begab sich zur Zeit, da König Sanforan vom Blute der Onur in zwölfter Linie seine Hand zum Wohle über Andaurien breitete, daß große Plagen und schlimme Nöte das Land anheim suchten.-
Aus der Chronik Nymaths

2004 erschien die neue Trilogie von Monika Felten mit einem für damalige (und eigentlich auch noch heutige) Verhältnisse ungewöhnlichen Marketingaufwand: Merchandising mit Puzzles und Kalender begleitete die Veröffentlichung, der Roman selbst war opulent aufgemacht und brachte seinen eigenen Soundtrack auf CD mit.
In der schicken Verpackung steckt jedoch ein etwas biederer Standard-Fantasy-Roman, der ein bisschen wie aus dem Baukasten wirkt und kaum Überraschungen bereithält. Nymath, die Welt, in die es die günstigerweise passend mit einem Fantasy-tauglichen Namen ausgestattete Heldin alsbald verschlägt, ist tolkienesker Prägung – sogar die Elben von Nymath sprechen Tolkiens Elbisch; Sindarin, um genauer zu sein. Für zwei Nebenfiguren wurden zudem die Namen Feanor und Cirdan aus Tolkiens Kosmos entliehen. Eine Verneigung vor dem Altmeister des Genres? Schade, dass er dann im Nachwort, Impressum oder sonstwo in keiner Weise erwähnt wird.  Man findet lediglich einen weniger aufschlussreichen Hinweis auf die Internet-Seite, von der die Elbensprache übernommen wurde – und das gibt dem Ganzen doch einen recht schalen Beigeschmack.

Die Nebelsängerin bietet eine einfach gestrickte Fantasy-Geschichte, in der ein Mensch ein in diesem Fall musikalisches Portal in eine andere Welt findet und dort zum Retter im Kampf gegen das Böse ausersehen ist. Dadurch, dass die Uzoma (Nymaths Orks, die für die Bedrohung zuständig sind) zwar grausam, aber dennoch auch Vertriebene sind, die sich in gewissem Maße nur wehren, wurde versucht, etwas Tiefe in die Geschichte zu bringen und das Schwarz-Weiß-Schema zu verwischen. Aufgegangen ist diese Taktik allerdings nicht, denn die einzelnen Figuren sind alle beinahe vom ersten Satz an als gut oder böse zu identifizieren, und man merkt sogleich, dass der wirkliche Bösewicht der Geschichte kein Opfer widriger Umstände ist.
Aber subtil ist ohnehin nicht Monika Feltens Stärke. Da kann es schon mal passieren, dass man zwei Hauptcharaktere schon bei ihrem ersten Treffen als zukünftiges Liebespaar ausmachen kann, weil sie sich so gerne in die Augen schauen, oder dass sich nach einer halben Seite, auf der ein absolut verwüstetes Dorf beschrieben wird, bei der Heldin Ajana die unheilvolle Erkenntnis einschleicht, dass hier etwas furchtbares geschehen war. Bei diesen Holzhammer-Hinweisen gewinnt man den Eindruck, dass die Autorin ihren Lesern keine eigenen Schlüsse zutraut.

Feltens flüssiger Stil, der dafür sorgt, dass man den Roman in Windeseile durchlesen kann, macht die gemeuchelte Spannung auch nicht wett. Letztendlich werden in der ganzen Handlung nur Vermutungen bestätigt, die man von Anfang an anstellen konnte.
Es gibt seit jeher ein großes Angebot einfach gestrickter Metzel-Fantasy, die mit heldenhaften Abenteuern, Schlachten und muskelbepackten Helden hauptsächlich die Träume von (jungen) männlichen Lesern zu befriedigen versucht. Monika Felten wirkt, als hätte sie sich mit ihren Pferden, Falken, zauberhafter Musik und sensiblen Heldinnen, die ihre Bestimmung und ihre große Liebe finden, eher auf die Träume von kleinen Mädchen spezialisiert. Aber letzendlich ist es eine Frage der Erwartungen, die man an einen Roman stellt: Wenn man sich geradlinige, romantisch angehauchte Geschichten mit einem Schuss Vorhersehbarkeit und hohem Wiedererkennungsfaktor wünscht, ist Die Nebelsängerin so gut oder schlecht wie viele andere maßgeschneiderte Romane.
Die Lektüre lohnt sich langfristig ungefähr genauso sehr wie die begleitende Soundtrack-CD, die mystisch-belanglos vor sich hinhaucht und schnell wieder vergessen ist.

Cover zum Buch "Nur Du hast den Schlüssel" von Terry PratchettJohnny und seine Freunde finden die obdachlose und geistig verwirrte Mrs. Tachyon unter ihrem umgestürzten Einkaufswagen liegen. Sie sorgen dafür, daß sie ins Krankenhaus kommt. Als Johnny sich um den verwaisten Einkaufswagen kümmert, wird ihm bald klar, welches Geheimnis dieser birgt: Mit dem Wagen kann man durch die Zeit reisen.
Da Johnny in der Schule gerade an einem Projekt arbeitet, das sich mit der einzigen, versehentlichen Bombardierung seiner Heimatstadt Blackbury im Jahre 1941 beschäftigt, gerät er unbeabsichtigt in diese Zeit.

-Neun Uhr abends. Es war dunkel, nur hin und wieder lugte der Vollmond hinter den verwaschenen Wolken hervor. Der Wind kam aus Südwest. Nach dem Gewitter war die Luft frisch und das Kopfsteinpflaster rutschig.-
Nach den Bomben

Terry Pratchett schreibt humorvoll, hintergründig und bringt die Dinge auf den Punkt. So benötigt er nur einen einzigen Satz, um dem Leser klarzumachen, wie sinnvoll es seiner Meinung nach ist, straffällig gewordene Jugendliche zu einem Abenteuerurlaub ins Ausland zu schicken. So sagt Mrs. Partridge über Bigmac, der mit Vorliebe Autos stiehlt: Er wollte wissen, wie viele Autos man stehlen muß, um kostenlos Urlaub in Afrika zu bekommen. Schaut man sich hingegen eine Stunde lang an, wie vier Politiker und drei Sozialarbeiter sich bei Sabine Christiansen zum selben Thema ständig ins Wort fallen, ist man hinterher genauso schlau wie vorher.
Mit demselben trockenen Humor handelt Pratchett in diesem Roman für Jugendliche Themen ab wie Vorurteile (besonders Rassismus) oder den Schrecken des Krieges. Auf diese Weise vermittelt er Werte, ohne auch nur eine Sekunde oberlehrerhaft zu wirken.

Die Übersetzung hat einen kleinen Schönheitsfehler: Offensichtlich hat Pratchett in dieser Geschichte oft das Wort technically benutzt, das die Übersetzerin wörtlich übersetzt hat: Er war schwarz. Technisch gesehen. Oder: Das war technisch gesehen ein Verbrechen…. Abgesehen davon, daß man dies im Deutschen so nicht sagt, bedeutet technically in solchen Zusammenhängen so viel wie genau genommen.

Das Buch ist für Jugendliche ab ca. zwölf Jahren geeignet. Jüngere werden wahrscheinlich Pratchetts Humor nicht in jedem Fall verstehen und sich vielleicht auch noch nicht für die Thematik interessieren.
Erwachsene, die sich nicht davon abschrecken lassen, daß die Protagonisten Jugendliche sind und die nicht den plakativeren Scheibenwelthumor erwarten, werden bei der Lektüre ebenfalls auf ihre Kosten kommen.

Cover zum Buch "Nur Du kannst sie verstehen" von Terry Pratchett1993. Die Ex-Senioren von Blackbury City sind ziemlich aufgebracht. Die Stadtverwaltung hat ihren Wohnbezirk für 5 Pence an die Vereinigte Holding GmbH verkauft, und die möchte die alten Bauten abreißen und auf dem Grundstück einen Bürokomplex errichten. Der zwölfjährige Johnny Maxwell beschließt, den Ex-Senioren bei ihrem Kampf um die Erhaltung ihres Wohngebietes zu helfen.

-Johnny wusste selbst nie so recht, wieso er angefangen hatte, die Toten zu sehen.-
Kapitel

Was hat ein Buch über den Kampf einer Gruppe Senioren gegen Bauspekulanten auf einer Webseite zu suchen, die sich mit Fantasy beschäftigt? Nun, es handelt sich hierbei eben nicht um Senioren, sondern um Ex-Senioren, …”Atembehinderte” …”vertikal Benachteiligte”…diese Menschen sind einfach seit geraumer Zeit…tot.
Benutzen Sie um Himmels willen nicht das Wort, das mit den Buchstaben “G-e-s-p-” anfängt! Das mögen die Herrschaften gar nicht und sie könnten gerade jetzt in unserer Nähe sein, auch wenn wir sie nicht sehen. Sie sehen und mit ihnen reden kann nur einer: Johnny Maxwell. Und als die Atembehinderten Johnny bitten, er möge etwas dagegen tun, dass der alte Friedhof platt gemacht wird, ergreift der Junge zusammen mit seinen Freunden die Initiative.
Terry Pratchett vermittelt hier auf witzige Weise – jedoch feinsinniger und nachdenklicher als in seinen “Scheibenwelt-Romanen” – zeitlos gültige Werte. Er wendet sich gegen Krieg und wirbt für ein gesundes Geschichtsbewußtsein, für Zivilcourage, für eine Demokratie, die den Namen “Volksherrschaft” wirklich verdient und vor allen Dingen dafür, daß man die Möglichkeiten des Lebens voll ausschöpfen soll. Es ist nicht einzusehen, warum diese Lebensweisheiten nur jüngeren Leser zugänglich gemacht werden sollten. Für Erwachsene, die nicht dem Schubladendenken verfallen und daher nicht der Meinung sind, Pratchett dürfe nur noch Romane mit abgefahrenem Scheibenwelt-Humor schreiben, ist auch dieses Buch ein Lesevergnügen.
Also noch einmal ganz deutlich: Nur Du kannst sie verstehen (Johnny and the Dead) hat nichts mit den Scheibenweltromanen zu tun und sollte auch nicht mit ihnen verglichen werden!
Ich frage mich nur die ganze Zeit, warum plötzlich jemand auftaucht, der in GROSSBUCHSTABEN spricht :-).

The People of Sparks von Jeanne DuPrauNachdem die Emberaner dank Lina und Doon den Weg an die Oberfläche gefunden haben, treffen sie nach Tagen des Wanderns auf die ländliche Stadt Sparks, wo sie sich Hilfe in dieser fremden Welt erhoffen. Anfangs sind beide Parteien überrascht und aufgeregt über die gegenseitige Entdeckung, die Bewohner von Sparks nehmen die Emberaner bei sich auf, versorgen sie mit Nahrung und Unterkunft. Doch die Ressourcen sind knapp, die Emberaner unwissend, wie sie sich selbst versorgen können, und so dauert es nicht lange, bis Streit, Neid und Vorurteile entstehen, die dazu führen könnten die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

– The people were coming down. Over the crest of the hill they came and kept coming, dozens of them, more and more, like a mudslide. –
What Torren saw, Part 1 – The Arrival, S. 7

The People of Sparks (Ankunft im Licht) beginnt dort, wo The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) den Leser verließ. Lina und Doon haben es geschafft, die Bewohner ihrer zerfallenden Stadt an die Oberfläche zu lotsen, doch aus der Stadt herauszukommen war nur der Anfang der eigentlichen Herausforderung. In The People of Sparks lernen die Emberaner nun eine völlig fremde Welt kennen, die dem Leser dafür umso bekannter erscheinen wird. Als Nachfahren der Überlebenden einer nicht näher definierten Katastrophe, bei der die Zivilisation, wie wir sie kennen, zerstört wurde, lebt Sparks von der eigenen Landwirtschaft und dem Handel mit den Überresten der alten Zivilisation. Ausgeschlachtete Autos, die als Viehkutschen umfunktioniert werden, sind aber schon beinahe alles, was dazu dienen soll, dieses Endzeitszenario charakterisieren. Etwa 300 Jahre nach der Zerstörung gibt es nur noch Legenden von der einst hoch entwickelten Menschheit, in der man immerhin einmal das überwucherte Gerippe einer längst zerfallenen Großstadt sieht. Wie diese einstige Zerstörung genau aussah, zustande kam oder wie weit sie reicht (vermutlich weltweit), erfährt man als Leser jedoch nicht. Leider ist damit nämlich schon alles gesagt, was das Buch an Informationen mitzuteilen hat, denn eine Ausarbeitung von Hintergründen findet nicht statt, auch die Legenden selber lernt man nur in kurzen Einsprengseln kennen. Greifbares hält der Roman kaum bereit.

Im Zentrum steht nun auch vor allem das Thema des Umgangs mit Hilfsbedürftigen, Flüchtlingen, Menschen, die Asyl brauchen und ohne Unterstützung und Anleitung in einer fremdartigen Welt nicht überleben können. Ein Umkehren ist für die Emberaner nicht möglich, alleine weitermachen ebensowenig, da die Emberaner nicht wissen, wie sie ihre eigene Nahrung gewinnen oder sich gegen Witterungsverhältnisse schützen können. Als reine Nutzgesellschaft haben sie nie gelernt, selbst etwas zu bauen oder herzustellen, und so ist es nun an den Bewohnern Sparks, ihnen alles Nötige beizubringen. Doch die Anzahl der Emberaner übersteigt die Anzahl der Bewohner von Sparks, und so stellt sich bald die Frage: wo sollen die Neuankömmlinge leben? Wie sollen so viele zusätzliche Mäuler gestopft werden, wenn die Ressourcen schon für die eigene Bevölkerung oft kaum reichen?
Jeanne DuPrau verlagert hier ganz alltägliche Konflikte und Problemsteigerungen in eine postapokalyptische Welt irgendwo im Nirgendwo, die nachvollziehbar und mit Wiedererkennungswert daher kommen, allerdings ohne großen Unterhaltungswert oder Überraschungen.

Was die Charaktere angeht, treffen wir einerseits wieder auf die bereits bekannten Figuren Lina und Doon. Hinzu kommt der junge Tick, der mit seinen knapp elf Jahren eine eher unglaubwürdige Rolle als aufrührerischer Anführer der Emberaner übernimmt, massenhaft Ideen für Projekte beginnt und dafür die halbe Stadt begeistern kann. Während Lina und Doon in The City of Ember trotz ihres junges Alters eine passende Rolle ausfüllten und stimmig in das Gesamtbild passten, ist es bei Tick schwer zu glauben, dass ein so typisch junges Kind Erwachsene dazu bringen soll, ausgesprochen naive Dinge zu tun, und diese ihm auch noch eine derart starke Führungsrolle zugestehen.
Im Vergleich zu The City of Ember, das auch für Erwachsene sehr gut funktionierte, kann The People of Sparks in vielen Punkten nicht überzeugen und erweist sich deutlich als Jugendbuch. Sehr schade ist auch der kaum vorhandene Bezug zu den Hintergründen, die Ember entstehen ließen, oder wie Menschen an der Oberfläche überleben konnten. Das verschenkte Potential, was daraus alles hätte werden können, ist nur mit etwas Wehmut zu verdauen.

Schlussendlich ist The People of Sparks eine nette Geschichte für Zwischendurch, der aber trotz Andeutungen von übernatürlichen Visionen und Postapokalypse das Phantastische und Steampunkige fehlt und die daher nicht an die lebendige Atmosphäre von The City of Ember anknüpfen kann. Zu offensichtlich ist der Versuch, hier eine Unterrichtslektion an den Leser weiterzugeben, die nur zu Unterhaltungszwecken eines junges Publikums in eine Geschichte verpackt wurde. Kann man lesen, muss man aber nicht, jedenfalls nicht, wenn man eine Fortsetzung zu The City of Ember möchte, denn im Grunde erhält man hier nur fertige Tatsachen ohne Herleitung, einen Baum ohne Wurzeln.

The Pirate's Wish von Cassandra Rose ClarkeAnanna und Naji sitzen noch immer auf der geheimnisvollen Insel fest und sind durch den Fluch aneinander gebunden. Mit Hilfe einer unerwarteten Verbündeten gelingt es ihnen, die Insel schließlich zu verlassen und sich auf die Suche nach Wegen zu machen, die drei unmöglichen Aufgaben zu erfüllen. Die Lage zwischen den beiden ist angespannt und wird nicht leichter, denn beide werden von alten Feinden verfolgt.

– When it comes to dealing with people who think of themselves as important, it’s usually best to keep your mouth shut. –

The Pirate’s Wish setzt The Assassin’s Curse erfolgreich fort und macht vieles noch besser als im Vorgänger. Es gibt noch mehr Piratenatmosphäre, Abenteuer auf See und darunter, Wüstenstädte, Verfolger aus allen Richtungen, unterhaltsame Dialoge und außergewöhnliche Bündnisse. Besonders hervorzuheben neben einer interessant gezeichneten, exotischen Welt, sind die Charaktere.

Ananna ist, mehr noch als Naji, die Hauptfigur dieses Romans und mit ihr kann man den Charakter der jungen, selbstständigen Frau in einem Jugendbuch endlich einmal ernst nehmen. Mit ihren siebzehn Jahren ist sie nicht immer auf der Spur der vernünftigsten Entscheidung, aber wer ist das schon? Die Autorin zeichnet Ananna als selbstbewusste junge Frau, die ihren Zielen treu ist, ungeachtet der Ablenkungen, die ihr auf ihrem Weg begegnen.
Durch den Fluch gebunden, ist die Piratin widerwillig in der Rolle der Damsel in Distress gerutscht, was sie nur hinnimmt, um Naji körperliche Schmerzen zu ersparen, die er jedesmal erfährt, wenn sie sich in Gefahr befindet. Es hält sie jedoch nicht immer davon ab, auch einmal selbst zum Schwert zu greifen oder auf dem Rücken eines Mantikor wie eine wilde Furie in die Schlacht zu reiten. Eine der positiven Eigenschaften von The Pirate’s Wish ist die, dass sich Ananna und Naji ähnlich oft regelmäßig gegenseitig retten und beschützen und beide Stärke beweisen. Naji ist dabei weder ein übertrieben unfehlbar gezeichneter Traumprinz, noch ein mit Muskeln bepackter Schönling, bei dem Frau sofort in die Knie gehen möchte und sich bereitwillig retten lässt. Er hat Schattenseiten, Makel, Gelüste und gegensätzliche Emotionen die er, man mag es “typisch Mann nennen”, eher selten nach außen hin zeigt.
Was die Genderfrage angeht, schafft es Cassandra R. Clarke sehr authentisch wirkende Personen zu schreiben, die weder völlig utopisch erscheinen, noch in die Formen gängiger Klischees gepresst werden. Ananna und Naji wirken wie zwei Menschen von nebenan. Normal. Durchwachsen.
Die wenigen Nebenfiguren bleiben teilweise etwas blass hinter den beiden Hauptfiguren, sind aber solide aufgebaut und verstehen den Leser an den richtigen Stellen zu packen. Sie sorgen für Überraschungen, wenn man es nicht erwartet, und verhindern oft, dass der Roman eine reine Romanze wird.

Womit die Autorin ganz klar einen weiteren Sack voller Sympathiepunkte gewinnt, ist ihr offener Umgang mit der Sexualität ihrer Figuren. Ohne wirklich in Details zu gehen, werden hier Themen angesprochen, die in fast allen anderen Jugendbüchern dieser Tage zugunsten einer altbackenen Prüderie und unerfüllbaren romantischen Vorstellung von Beziehungen vermieden werden. Sex vor der Ehe, Sex mit verschiedenen Partnern im Leben, ja gar die Möglichkeit sexueller Selbstbefriedigung werden ohne falsche Scham angesprochen. Es ist schlicht erfrischend, mal zu lesen, dass beinahe volljährige (oder bereits eindeutig volljährige) Charaktere auch menschliche Eigenschaften, Bedürfnisse und Phantasien haben dürfen, die in der heutigen Zeit ein ganz normaler und gesunder Teil des Erwachsenwerdens sein sollten.
Frau Clarke überschreitet dabei nie die Grenze zum Abstoßenden oder nicht Jugendfreien. Sie erwähnt Möglichkeiten, deutet manches mal mehr, mal weniger an, überlässt die Details jedoch der Phantasie des Lesers und bricht ihre Schilderungen an der entsprechenden Stelle ab. Wer es leid ist, sich andauernd mit den Boyfriend-Issues einer flachen Protagonistin in Nöten und unwirklichen Männerfiguren, die zur Rettung angeeilt kommen, konfrontiert zu sehen, sobald man ein Jugendbuch aufschlägt, der wird von The Pirate’s Wish positiv überrascht. Wenn man Vorbildfiguren suchen sollte, dann lieber Ananna & Naji als Bella & Edward und andere weinerliche Pseudo-Paare.
In The Pirate’s Wish ist die Liebe eine Möglichkeit und eine Entscheidung, aber nicht die einzige Option, für die alles andere unwichtig wird. Wenn einen dieser Roman etwas lehrt, dann, dass alles möglich ist, wenn man bereit ist, Kompromisse einzugehen, um Liebe und persönliche Lebensziele unter ein Dach zu bringen.

The Pirate’s Wish macht von Anfang bis Ende Spaß. Es gibt vielleicht eine Stelle, die etwas mehr Kritik ertragen muss, doch die tut dem Lesegenuss keinen Abbruch. Die Magie bleibt wie in The Assassin’s Curse eher subtil im Hintergrund und das Ende kommt bittersüß, aber sehr passend daher. Entsprechend gibt es für diese Duologie eine klare Leseempfehlung.

Prinz Kaspian von Narnia von C.S. LewisEin Jahr ist vergangen, seit Peter, Susan, Edmund und Lucy im magischen Land Narnia waren. Fast hätten sie ihre aufregenden Abenteuer wieder vergessen, doch eines Tages, während einer Zugreise, gelangen sie von einem Bahnhof aus zurück nach Narnia. Dort wird ihre Hilfe dringend gebraucht. Hunderte Jahre sind dort seit ihrem letzten Abenteuer vergangen und inzwischen haben die Telmaren das Land erobert, die magischen Wesen verjagt und die Tiere geknechtet. Und Prinz Caspian, der rechtmäßig Herrscher über Narnia, wird von seinem Onkel gejagt, weil dieser den Thron für sich beansprucht …

»Oh Peter!«, rief Lucy aus. »Was meinst du? Sind wir vielleicht wieder in Narnia?«
Die Insel

Zu Prinz Kaspian von Narnia liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Prophet of Yonwood von Jeanne DuPrauDie elfjährige Nickie und ihre Tante fahren in das kleine Städtchen Yonwood, wo sie sich um den Nachlass des verstorbenen Urgroßvaters kümmern wollen. Während Nickies Tante die alte Villa verkaufen möchte, plant Nickie sich dort ihr neues Zuhause einzurichten, fern des drohenden Krieges, der seine Schatten über die Großstädte wirft.
Doch Yonwood ist nicht so idyllisch, wie sich das Mädchen den Ort vorgestellt hat. Eine Einwohnerin Yonwoods hatte eine schreckliche Zukunftsvision, in der die Welt im Feuer untergeht. Eine eingeschworene Gruppe versucht fortan die kryptischen Worte der Prophetin zu interpretieren um die drohende Zerstörung zu verhindern.

– She felt herself flung high into the sky, and from there she looked down on a dreadful scene. The whole earth boiled – a howling and crashing and crackling – and finally, when the firestorm subsided, there came a silence that was more terrible still.-
The Vision, S. 1

The Prophet of Yonwood ist der dritte Teil in der Reihe The Books of Ember. Hierbei gilt es allerdings gleich zu beachten, dass es sich dabei um ein Prequel handelt und die Geschichte völlig losgelöst ist von den Abenteuern die Lina und Doon in The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) oder The People of Sparks (Ankunft im Licht) erleben.

Der Roman setzt ca. 50 Jahre vor dem Bezug Embers ein und zeigt eine Zeit, die unserer Gegenwart sehr nahe sein muss. Wer nun aber hofft, den Bau der unterirdischen Stadt zu erleben und zu erfahren wie alles begann, der wird dieses Buch recht enttäuschend finden. Die Verknüpfung mit Ember findet erst im Epilog statt, und obwohl diese Verknüpfung ganz charmant ist, tröstet sie nur wenig über die Enttäuschung hinweg, die man als Leser bei diesem Buch empfindet.
The Prophet of Yonwood
erzählt stattdessen von Nickie, die in die alte Villa ihres Urgroßvaters in Yonwood kommt. In dieser Stadt wiederum gibt es eine Frau, die als Prophetin betrachtet wird, deren Worte von einer anderen Frau interpretiert werden, und eine Stadt, die diesen Interpretationen und entstehenden Anweisungen folgt. Im Prinzip spielt sich hier ein klassisches Kleinstadtdrama mit religiösem Hintergrund ab. Eine ganze Stadt fängt an im Namen Gottes Opfer zu bringen, in dem Glauben, ihre Stadt sei auserwählt zu überleben, wenn ihre Einwohner nur gut und rechtschaffen handeln. Unter dieser Prämisse geschehen in dem kleinen Städtchen schnell ungerechte Dinge bei dem Versuch, alles richtig zu machen. Menschen, die sich dem Glauben an die Prophetin versperren und sich in irgendeiner Form falsch verhalten, werden als Unruhestifter verschrien, verurteilt und bestraft. Der Roman zeigt in einer leider eher langatmigen Schilderung, wie die Furcht Menschen dazu bringt, absurde Entscheidungen zu treffen und ebenso absurde Ideen zu haben. Findet sich dann noch ein Besserwisser mit selbstbewusstem Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit, ist das Chaos perfekt.
Autorin Jeanne DuPrau thematisiert in ihrem dritten Roman hauptsächlich die Furcht vor dem drohenden Krieg und die Auswirkungen von blindem Glauben und fehlgeleiteten guten Absichten, was theoretisch kein schlechter Ansatz ist, hier aber nur kläglich umgesetzt wurde.

Nickie, deren Vater irgendwo in der Welt einen geheimen Auftrag ausführt, erhält derweil per Postkarte achso seltsame P.S.-Nachrichten, die schnell als versteckte Hinweise und geheimes Rätsel vorgestellt werden, ohne dabei im Verlauf der Handlung ein Miträtseln zu ermöglichen. Stattdessen wird einem die Lösung schließlich in einem beiläufigen Nebensatz auf dem Silbertablett serviert und man fragt sich: wozu? Denn der Inhalt der Nachrichten ist belanglos und das Rätsel selbst aufgrund des mangelhaften Aufbaus nicht im Mindesten spannend. Während The City of Ember wie eine große Abenteuerreise daherkommt, in der es allerhand Geheimnisse aus der Vergangenheit zu entdecken gab, scheitert The Prophet of Yonwood darin, sich das selbe Prinzip zunutze zu machen.
Weiterhin bewegt sich Nickie auf Spurensuche durch das viktorianische Haus ihrer Vorfahren, findet dort alte Briefe, Fotografien und das Tagebuch ihres Urgroßvaters, in dem er allerlei seltsame Beobachtungen aufgezeichnet hat. Unter anderem erwähnt er hierin die Begegnung mit einem Geist und die String-Theorie. An diesem Punkt läuft man Gefahr neugierig zu werden und neue Hoffnung für das Buch zu schöpfen, nur um dann mit anzusehen, wie diese interessanten Ideen im Keim erstickt werden. Welchem Zweck die Aufnahmen dienten oder was genau Nickies Urgroßvater mit seinen Notizen beabsichtigt hat, kann man nur erahnen. Man fragt sich, worin der Sinn besteht, diese Dinge zu erwähnen, wenn sie nirgendwo hinführen. Mehr als einen gewissen nostalgischen Charme für die Villa erzeugen sie nicht und so kann man nur hoffen, dass zumindest die Notizen des Urgroßvaters für den letzten Teil dieser Buchreihe noch genutzt werden.
Übrigens: Auszüge von Nickies Fundstücken wurden auch als Bildmaterial in den Roman eingefügt, vielleicht ist das für den ein oder anderen von Interesse.

Wer nun also auf die eingangs erwähnten wenigen charmanten Verknüpfungen zu The City of Ember verzichten kann – Handlungsrelevantes erfährt man hier nicht – der darf The Prophet of Yonwood getrost ignorieren und ungelesen lassen, denn dieses Buch endet dort, wo es hätte beginnen sollen und liefert einem nichts als Entschädigung.

Rattenfänger von Jane Yolen und Adan StempleCalcephony, genannt Callie, ehrgeizige Reporterin der Schülerzeitung, darf über ein Konzert der Rockgruppe “Messingratte” berichten, das kurz vor Halloween stattfindet. Dumm nur, daß auch ihre Eltern und sogar ihr jüngerer Bruder auf das Konzert gehen. Und seltsam, daß auch Callies Eltern schon lange Fans von Messingratte sind, wo doch der Sänger Gringras und die restlichen Mitglieder jung und frisch aussehen und der Menge einheizen wie eh und je. Als Callie dann zum Interview mit der Band antritt und die Dinge genauer recherchieren will, wird sie Zeugin eines Streits – und erfährt von dem Fluch, der auf den Musikern liegt …

-Der Rattenfänger sah den Fluß, lange bevor er das Rauschen des Wassers hörte oder der salzige Geruch von Blut ihm in die Nase stieg.-
1 Fluß voll Blut

Halloween hat sich – ob man es nun mag oder nicht – inzwischen als fester Punkt auch im europäischen Jahresrhythmus festgesetzt, und mit gestiegenem Bekanntheitsgrad des Festes bieten sich nun zahlreiche fiktionale Werke zur deutschen Veröffentlichung an, die der gruslig-phantastischen Atmosphäre von Halloween Leben einhauchen.
In Rattenfänger (Pay the Piper), dem ersten ‘Rock’n Roll Märchen’ von Jane Yolen und ihrem auch als Musiker tätigen Sohn Adam Stemple, ist um Halloween der Rattenfänger von Hameln aktiv, dem hier gleich doppelt ein neues Gewand verliehen wurde: Einerseits tritt er als charismatischer Sänger einer angesagten Rockband auf, dessen Charme sich keiner entziehen kann, andererseits wird die Figur zum verbannten Prinzen des Feenreichs erklärt, der sich in der Menschenwelt durchschlagen und seinem Vater auch noch einen grausamen Zehnten bezahlen muß. Entsprechend ist auch die Erzählung zweigeteilt in die moderne, den größeren Raum einnehmende Geschichte über Callie, die ein Fan der Band “Messingratte” ist und aufdeckt, was den Kindern ihres Ortes an Halloween bevorstehen könnte, und die Hintergrundgeschichte über Prinz Gringras und seine Verbannung aus dem Feenland, die in lyrischem, märchenhaftem Duktus erzählt wird und tatsächlich ein wenig in die Feenwelt führt.

Die Hintergrundgeschichte mag also vielleicht die poetischeren Kapitel bieten, aber Callies Perspektive macht das Buch vor allem für jugendliche Leser attraktiv: Sie ist durch und durch schwärmender Teenager, verguckt sich sogar in eines der Bandmitglieder, ist dabei aber ehrgeizig und ein bißchen selbstsüchtig, so daß sie auch Fehler macht. Nicht ganz treffgenau sitzt womöglich die Jugendsprache, die Callie und ihre Freundinnen verwenden – da fühlt man sich teilweise eher an die 80er als an moderne Musikfans erinnert und schaut dann verwundert aus der Wäsche, wenn Callie für ihre Schülerzeitungsartikel im Internet recherchiert.
Eine nette Idee sind die eingestreuten und am Ende auch komplett abgedruckten Songtexte von Messingratte, die einige Lücken und Fragen in der Hintergrundgeschichte auffüllen und der tragischen Figur des vertriebenen Feenprinzen zusätzlich Fleisch geben. Am Ende laufen beide Fäden zusammen und werden simpel, aber sehr treffend aufgelöst; vor allem auch für Callies Schwärmerei gibt es ein sehr gelungenes Ende.

Höhepunkte der Handlung sind viel weniger im Spannungsbogen zu finden – denn der verläuft sehr geradelinig – sondern vielmehr in den eingestreuten Geschichten aus dem Hintergrund der Band und in den atmosphärisch dichten Beschreibungen ihres Auftritts, der Erinnerungen an eigene Konzertbesuche wachzurufen vermag.
Trotzdem ist Rattenfänger ganz klar ein Jugendbuch, wenig komplex und deutlich durch seine jugendliche, altkluge Protagonistin bestimmt. Für eine Dreizehnjährige ein perfektes Geschenk – und wenn man zufällig ein Halloweenmuffel ist, kann man sich beim nächsten Mal vielleicht mit diesem Buch zu Hause verkrümeln, denn die kleine Geschichte läßt sich locker an einem Abend durchlesen – und die Feenland-Einschübe haben auch für Erwachsene ihren Charme.

Rebel Angels von Libba BrayGemma versucht weiterhin ihr Schicksal zu verfolgen und die Magie des magischen Reichs wieder an den Orden zu binden. Sie und ihre Freundinnen sind plötzlich in der Lage, die Magie dieser anderen Welt mit in ihr viktorianisches London zu holen, wo sie die Weihnachtsferien bei ihren Familien verbringen. So gerne Gemma das Chaos der magischen Welt für eine Weile vergessen würde, so akut ist jedoch die Bedrohung durch Circe, und die Mädchen begeben sich auf die Suche nach dem verlorenen Tempel, dem Schlüssel zur Kontrolle der Magie. Unterdessen ist Gemma hin und her gerissen zwischen dem exotischen Rakshana Kartik und dem attraktiven, aber nicht sehr tiefgründigen Lord Denby, der ihr den Hof macht.

– »Do not tell her your aim. Gain her trust.« There was a pause . »Woo her, if necessary.«
I thought of the strong, powerful, stubborn girl I’d left behind. »She is not so easily wooed.«
»Any girl can be wooed. It is merely a question of finding the right tool. (…)« –
Kapitel 1, S. 10

Rebel Angels (Circes Rückkehr), der zweite Teil aus der Trilogie Gemma Doyle (Der geheime Zirkel), kommt ähnlich schleppend wie der Auftaktroman in die Gänge. Diesmal verschlägt es den Leser in die High Society Londons, wo so viel Oberflächlichkeit und falsche Loyalität herrschen wie sonst nirgendwo. Freunde viktorianischer Gepflogenheiten werden freilich ihre Freude an dem höflichen Geplänkel bei Tee und Kuchen haben, jedes dezente Kichern hinter vorgehaltener Hand begrüßen und die sauber gepflegten Intrigen der Damen genießen.
Außerhalb der Londoner Gesellschaft trifft der Leser dafür aber auch auf Sagengestalten aus keltischer, griechischer, orientalischer und anderer Mythologie. Rebel Angels, angelehnt an John Miltons Paradise Lost, ist ein wilder Mix durch alle Kulturen, der beinahe beiläufig die Problematik von Rassen- und Geschlechterkonflikten aufgreift. Es ist sehr realistisch geschildert, auf welch subtilen Ebenen diese Dinge existieren und oft ungeplant und unbewusst Einzug in das alltägliche Leben halten. Gorgonen, Nixen, Zentauren … all das und noch viel mehr sind nur schmückende Begleiterscheinung einer allzu vertrauten Welt.

Die Charaktere in Rebel Angels werden weiter ausgebaut, bleiben größtenteils aber so unvorhersehbar, wie sie es schon im ersten Teil waren. Gemma beweist einmal mehr ihre Ignoranz gegenüber Warnungen, vertraut sich leichtsinnig allen möglichen Personen an, geht eindeutigen Hinweisen häufig nicht nach und zu allem Überfluss scheint sie unschöne Wahrheiten auch oft nicht sehen zu wollen. Gemma jagt verschiedenen Ideen hinterher und verfolgt auch mal die ein oder andere Spur, insgesamt sind ihre Entscheidungen aber oft so fahrlässig oder unverständlich, dass man sie für ihre Naivität ohrfeigen möchte. Auf der anderen Seite versucht sie ihre Gabe dann auch mal zu nutzen, um anderen zu helfen, muss allerdings bald lernen, dass gute Absichten nicht immer zu guten, manchmal sogar zu noch schlechteren Ergebnissen führen.
Zwischen Felicity, Ann, Pippa und Gemma herrscht außerdem weiterhin ein eher befremdliches Verhältnis, das wenig mit Freundschaft zu tun hat. Trotz illusorischer Momente echter Freundschaft gibt es auch immer wieder Situationen, in denen man sich als LeserIn fassungslos an die Stirn greifen muss und nicht recht nachvollziehen kann, weshalb die Mädchen einander nicht schon längst den Rücken gekehrt haben. Dem entgegen gesetzt werden Entwicklungen, die das scheinbar inakzeptable Verhalten der Mädchen ein wenig erklären. Manch enthülltes Geheimnis kommt dabei so unerwartet und mit solcher Wucht, dass es einem zunächst die Sprache verschlägt und die beinahe unglaubliche innere Stärke dieser Mädchen erst wirklich zeigt. Einmal mehr verschleiert und verschönert Libba Bray die Härte der Realität nicht und deckt auf, dass hinter noch so edlen Türen schreckliche Dinge geschehen können.

Die Männerwelt muss in diesem Zusammenhang in Rebel Angels einiges an Federn lassen und sich mit ein paar der schlechtesten Aspekte ihres Daseins auseinandersetzen. Etwas relativiert wird dies durch Kartik, der schon im ersten Teil der Trilogie eine zwiespältige Rolle einnahm, hier jedoch zum Lanzenbrecher für seine männlichen Kollegen wird. Als einer der wenigen Charaktere schlüpft er nicht in das sexistische Rollenbild der geschilderten Gesellschaft und erhält den Hauch von Hoffnung auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Mann und Frau aufrecht. Auch Gemmas Vater beweist, dass Männer nicht ausschließlich die starken Machthaber sind, sondern ebenfalls unter der Last ihres Schicksals zerbrechen können und verwundbar sind. Es sind realistische Bilder, die Libba Bray von Mann und Frau zeichnet, beide kommen dabei mal besser, mal schlechter weg. Dennoch bleiben Frauen die heimlichen Herrscherinnen von Brays Welt. Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau. Sie fühlen sich freilich zu Männern hingezogen, lassen ihre Gedanken um ihn kreisen und genießen es auch begehrt zu werden, jedoch erlauben sie sich nicht, ihr Leben allein davon bestimmen zu lassen. Wieder sind es die Charaktere und ihr ambivalentes Verhalten, welche Libba Brays Roman so spannend und lesenswert machen. Fernab magischer Welten gibt es viel Menschliches zu entdecken, zu erfahren und zu erkennen.

Der Roman kommt leider nicht ganz so rebellisch daher wie man es dem Titel nach erwarten würde. Die Jagd nach Circe und die Suche nach dem Tempel stellt ein großes Thema dar und führt durch beide Welten, doch die Autorin legt mehrfach falsche Fährten, die leicht und früh durchschaut werden können. Dennoch liefert auch Rebel Angels wieder eine Geschichte, die den Leser auf schwer erklärbare Weise an das Buch fesselt und dabei neugierig auf die weitere Entwicklung macht. Wem also A Great And Terrible Beauty (Gemmas Visionen) stilistisch gefallen hat, der kann mit Rebel Angels nicht viel verkehrt machen.

Cover des Buches "Die Rebellin" von Trudi CanavanZwar wird das Land Kyralia von einem König regiert, doch verfügt die Gilde der Magier über große Machtbefugnisse. Das Mädchen Sonea lebt als Straßenkind in der Stadt Imardin. Jedes Jahr ziehen die Magier durch die Straßen der Stadt, um die Bettler, Obdachlosen, Straßenkinder und sonstiges Gesindel aus der Stadt zu jagen. Die Mitglieder der Gilde sind dabei durch ihre Zauberkräfte geschützt, doch als Sonea einen Stein auf einen der Magier schleudert, bricht der getroffen zusammen. Das kann nur bedeuten, dass das Straßenkind  über magische Kräfte verfügt. Wenn es der Gilde nicht gelingt, Sonea zu fangen, und sie auszubilden oder ihre Zauberkräfte unschädlich zu machen, dann wird sie zu einer Gefahr für sich selbst und für Imardin.

-In Imardin, so heißt es, habe der Wind eine Seele und pfeife heulend durch die schmalen Straßen der Stadt, weil das, was er dort finde, ihn mit Trauer erfülle.-
1.Teil 1. Die Säuberung

Die Rebellin (The Magician’s Guild) ist keine Sekunde langweilig, und das ist in diesem Fall wirklich bemerkenswert, da der Leser nach wenigen Seiten im Großen und Ganzen weiß, wie der erste Band der Trilogie enden wird.

Im ersten Teil des Romans, der sich über 290 Seiten erstreckt, bemühen sich die Magier, Soneas habhaft zu werden, und es ist völlig klar, ob ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden oder nicht. Die Spannung hält sich also in Grenzen. Trotzdem ist man keinen Augenblick versucht, das Buch aus der Hand zu legen, da noch genug Interessantes geboten wird. Soneas magische Fähigkeiten werden im Verlauf der Handlung immer größer, gleichzeitig unkontrollierbarer und damit gefährlicher. Das Mädchen wird von einer Bande von Dieben vor den Magiern versteckt, die eine Art krimineller Gegenentwurf zum königlichen Hofstaat ist. Der junge Leser kann sich nie sicher sein, ob nicht einer der Diebe die Belohnung für die Auslieferung Soneas kassieren will und zum Verräter wird.
Auch bei den Magiern gibt es Gute und Böse, von denen so mancher sein eigenes Süppchen kocht. Während einige es gut mit Sonea meinen, schmieden andere finstere Pläne.

Im zweiten Teil der Geschichte, der 242 Seiten lang ist, muss Sonea sich entscheiden, ob sie bei den Magiern bleiben und lernen möchte, ihre Zauberkräfte zu beherrschen, oder ob sie ihre Magie verlieren und als Straßenkind weiterleben will. Auch dieser Konflikt trägt nicht über 242 Seiten, da von Anfang an klar ist, wie Soneas Entscheidung ausfallen wird. Trotzdem gilt auch hier das gleiche wie für den ersten Teil. Langweilig wird es nicht, denn der böse Magier verfolgt seine Ränke auf so intrigante Weise, das man nicht nur wissen möchte, wie dieser Roman endet, sondern auch noch neugierig auf den zweiten Teil der Trilogie ist.

Schattenzauber von Patricia C. WredeDie Menschen von Alkyra werden immer wieder von den Lithmern aus dem Nachbarreich bedroht. Als Maurin, ein angehender Händler bei einer Karawane, sich mit dem Sohn des Fürsten Bracor anfreundet, gelangt er mitten in ein Abenteuer: Alethia, die Tochter des Fürsten, wird von den Lithmern entführt, und zusammen mit ihrem Bruder macht sich Maurin an die Verfolgung.
Alethia wird unterdessen Zeugin von düsterer Magie, die ihre Feinde beherrschen – und als sie bei einem der im verborgenen lebenden nicht-menschlichen Völker Alkyras landet, wird klar, daß die Lithmer aus Machtgier ein altes Übel erweckt haben. Alkyra kann sich nur verteidigen, wenn alle Völker zusammenarbeiten – doch dazu müssen Vorurteile und Mißtrauen überwunden werden.

-Die Karawane schlängelte sich langsam dem Flußufer entlang durch die Wälder und tauchte schließlich auf den Feldern auf, die die Stadt umgaben.-
I

Die Geschichte, die Patricia C. Wrede in Schattenzauber (Shadow Magic) erzählt, ist der Stoff, aus dem Fantasy-Träume gewebt sind – zumindest die Träume von jüngeren Lesern: Eine Prinzessin, mehr an Messerwurf als an Hofetikette interessiert, wird entführt und weiß sich durch die plötzlich in ihr aufwallenden magischen Kräfte bestens selbst zu helfen. Nicht nur wird sie durch ihr Erbe zum Vermittler zwischen den sich mißtrauenden Völkern Alkyras, weil sie bei allen gleichermaßen verehrt wird, sondern das in ihr schlummernde magische Potential ist sogar entscheidend in der letzten Schlacht. Ein paar nett anzusehende Artefakte liegen auch noch herum und harren ihrer Entdeckung durch die wackere Heldin, der leider die Mutmacher-Funktion für kleine Mädchen, die aus Rollenklischees ausbrechen wollen, doch etwas zu deutlich auf den Leib geschrieben ist.

Nun könnte man Schattenzauber gleich komplett abschreiben – als eine von -zig Bearbeitungen des selben ausgelutschten Stoffes. Aber die Autorin hat durchaus Schreibtalent: Die Dialoge sprühen manchmal vor Witz, auch poetische Töne klingen an, und das bißchen von der Welt, das Wrede ausgearbeitet hat, ist vergleichsweise phantasievoll, zumindest was die Namensgebung und die fremden Völker der magiebegabten Schieg und der waldbewohnenden Wyrd angeht. Leider ist das alles etwas spärlich, wie man es eben von einem Buch für jüngere Leser erwarten würde.
Hier wurde Schattenzauber einfach kolossal falsch aufbereitet – bei dem nüchternen Cover in der Reihe “Bibliothek der phantastischen Abenteuer” erwartet man eher ein lyrisches Märchen oder ein ausgefeiltes Kleinod, aber kaum ein waschechtes Jugendbuch, das für junge Leser gewiß eine Alternative zu so manchem Schema-F-Abenteuer wäre, denn Schattenzauber ist insgesamt sehr liebevoll umgesetzt und trifft durchaus subtilere Noten als erfolgreichere Jugendromane. Erfahrene Leser werden aber ob der formelhaften Geschichte kaum ins Schwärmen geraten.

Schattenzauber stellt eigentlich den ersten Band einer Reihe mit Abenteuern auf der phantastischen Welt Lyra dar, aber da die einzelnen Teile in sich geschlossen sind, ist es in diesem Fall zu verschmerzen, daß die insgesamt vier Fortsetzungen nicht mehr in deutscher Übersetzung erschienen sind.
Ein interessantes Detail am Rande: Wie andere Bücher der Reihe ist der Roman nicht wie üblich schwarz auf weiß gedruckt, sondern in tief dunkelblauer Farbe – und hat man die ersten Zweifel an der eigenen Sehkraft einmal überwunden, macht sich das auch ganz nett zur Abwechslung.

Schiffsdiebe von Paolo BacigalupiNailer verdingt sich an einem der neu entstandenen Strände als Schiffsbrecher, das heißt, er schlachtet Öltanker nach wiederverwertbaren Materialien aus. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind hart, Freunde hat er wenige, sein brutaler, drogensüchtiger Vater macht Nailers Leben zusätzlich zur Hölle. Hoffnung auf Besserung hat er keine, bis er nach einem schweren Sturm auf einen gestrandeten Klipper stößt – ein Schiff, das ebenso zu einer anderen (reicheren) Welt gehört wie das Mädchen, das er darin findet. Doch der Luxus, den sich Nailer nun erhofft, hat einen Preis, denn das reiche Mädchen hat nicht weniger mächtige Feinde …

-Es herrschte ein Treiben wie auf einem Ameisenhaufen, mit einem einzigen Ziel: die Knochen dieses gestrandeten Riesen aller wiederverwertbaren Teile zu entkleiden und damit eine neue Welt aufzubauen.- S. 11

Schöne, neue Welt! Schiffe fahren mit Segeln über die See, die hoch in die Atmosphäre geschossen werden, Motoren laufen mit Biodiesel – der Klimawandel scheint der Vergangenheit anzugehören. Wäre Paolo Bacigalupis Schiffsdiebe aus einer anderen Perspektive erzählt, könnte man es für eine Utopie halten. Doch durch die Augen Nailers, der an einem Strand mit Blick auf die Spitzen vom Meer verschluckter Hochhäuser lebt, erhält man einen Eindruck nicht nur von den ökologischen Schattenseiten der neuen Welt, sondern gerade auch von den sozialen. Hierin liegt auch das wirklich Bemerkenswerte des Romans, denn für Nailers Welt müsste man nicht in eine (nicht allzu ferne) Zukunft blicken – seine Lebensumstände ließen sich auch an heutigen Küsten der Dritten Welt finden – Bacigalupi fügt dem Setting nur noch einige Science-Fiction-Facetten hinzu, etwa die als Leibwächter herangezüchteten Tiermenschen.

Auch ansonsten bleibt Schiffsdiebe ein gelungenes Jugendbuch. Nailer ist keineswegs ein strahlender Held, äußerst belastende Familienverhältnisse plagen ihn, sein Umfeld hat ihn geprägt und zu den „richtigen“ Entscheidungen muss er sich erst mühsam durchringen. Leider ist er damit auch die einzige Figur mit etwas Tiefe, die übrigen Pro- wie Antagonisten bleiben großteils Vehikel für die Handlung. Immerhin wirbelt Bacigalupi auch ein paar Geschlechterrollen durcheinander und verpasst Nailer mit Pima ein Mädchen als knallharten Kumpel.
Von derselben Zweckmäßigkeit wie bei den Figuren kann man auch bei der Handlung sprechen, die einen mit Leichtigkeit durch das Buch trägt. Leider fehlen ihr echte Höhepunkte und auch die weiteren Schauplätze, an die sie führt, bleiben etwas farblos. Im letzten Drittel entfaltet der Roman aber nochmals eine Portion Abenteurerflair. Dank dem etwas rasch abgehandelten, aber runden Ende kann man Schiffsdiebe getrost als Einzelroman lesen, es gibt aber einige Anknüpfungspunkte für den bereits erschienenen Folgeband.

Als Jugendbuch ist Schiffsdiebe sehr gelungen und bietet jugendlichem Publikum eine spannende Geschichte mit teilweise drastischen Szenen sowie interessanten Parallelen zu aktuellen Verhältnissen in der Dritten Welt. Erfahrenere LeserInnen könnten von Figuren und Handlungsverlauf allerdings enttäuscht werden, die sollten es vielleicht eher mit The Windup Girl (auf Deutsch als Biokrieg erschienen) versuchen.

Die Schlacht um das Labyrinth von Rick RiordanDie Lage spitzt sich zu. Percy, Annabeth, Grover und Tyson bleibt keine große Verschnaufpause, denn ihr Erzfeind Luke hat einen neuen Plan, um das Camp Half-Blood zu vernichten und so den Weg zur Eroberung des Olymp freizumachen. Mit seiner Armee aus Monstern und Halbgöttern plant Luke durch das unterirdische Labyrinth in das Camp einzufallen. Doch unsere Helden scheuen natürlich wieder keine Gefahren, um Freunde und Götter zu verteidigen, stürzen sich mutig in das sagenumwobene Labyrinth des Minotauren und treffen auf Gegner, die stärker sind als alles bisher da gewesene.

– Nichts kann einen perfekten Morgen so abrunden wie eine lange Taxifahrt mit einem wütenden Mädchen. –
Anruf aus der Unterwelt, S. 28

Zu Die Schlacht um das Labyrinth liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Die schwarze Stadt von Tamora PierceDie zehnjährige Alanna von Trebond soll in einem Kloster lernen, eine Dame zu werden. Ihr Zwillingsbruder Thom wird an den Hof gehen, um eine Ausbildung als Ritter zu erhalten – so hat es ihr Vater beschlossen. Dabei will Thom viel lieber Zauberer und Alanna Ritter werden, um gefährliche Abenteuer zu bestehen. Die Kinder fälschen die Briefe, die der Vater ihnen mitgegeben hat. Alanna verkleidet sich als Junge und geht an den Hof, um Page zu werden, und Thom reitet zum Kloster und läßt sich zum Zauberer ausbilden. Für Alanna beginnen schwere Zeiten. Die Ausbildung ist hart, aber sie findet Freunde. Doch nicht jeder ist ihr wohlgesonnen. Früher als es ihr lieb ist, muß sie gefährliche Abenteuer bestehen und sie fürchtet, jemand könnte herausfinden, daß sie ein Mädchen ist…

– “Ich habe meine Entscheidung getroffen. Keine Diskussion mehr”, sagte der Mann am Schreibtisch. Er schaute schon wieder in ein Buch. Seine beiden Kinder verließen den Raum und machten die Tür hinter sich zu.-
Die Zwillinge

Eigentlich ist Die Schwarze Stadt (Alanna: The First Adventure) nichts anderes als die gute alte phantastische Internatsgeschichte, die in eine mittelalterliche Szenerie verlegt wurde, aber diese alte Idee wurde von Tamora Pierce sehr gut umgesetzt. Alanna kommt an den Hof und muß lernen, lernen, lernen: Mathematik, Geschichte, Gedichte und natürlich den Umgang mit dem Schwert, mit Lanzen und alle Kampfkünste, die ein Ritter so braucht. Außerdem muß sie am Tisch bedienen und Botengänge für die Adligen erledigen. Abends fällt sie todmüde ins Bett. Sie schließt Freundschaften, aber sie muß sich auch gegen den “Schulhofrüpel” zur Wehr setzen. Kurzum, Alanna ist die ideale Identifikationsfigur für Mädchen, die schon immer davon geträumt haben, Abenteuer als Pirat, Räuber, Indianer oder eben Ritter zu erleben. Sie wirkt so authentisch, weil sie gerade kein “Supermädchen” ist, dem alles leicht fällt. Als Alanna in die Pubertät kommt, fällt es ihr schwer zu akzeptieren, daß sich ihr Körper verändert. Sie wird von Selbstzweifeln geplagt, nie ist sie sich sicher, ob sie all die Aufgaben bewältigen kann, die ihr gestellt werden und sie muß erst lernen, daß sie ihre Freunde nicht nachahmen muß, um von ihnen gemocht zu werden. Sie darf sein, wie sie ist.
Alanna ist beherzt, tapfer und geradeheraus, sie besitzt Durchhaltevermögen und einen starken Willen. Diese Charaktereigenschaften braucht sie auch, denn sonst hätte sie nicht die geringste Chance gegen den Tod, der ihr immer wieder in verschiedenen Formen begegnet. Auch alle anderen Protagonisten sind individuell gezeichnet. Natürlich gibt es “die Guten”, “die Bösen” und “den Zwielichtigen”, aber Tamora Pierce gelingt es ganz ausgezeichnet, lebendige Menschen darzustellen und bedient sich nicht flacher Stereotypen, die einem so oft das Lesen von Fantasyromanen verleiden. Die Handlung ist logisch und schlüssig motiviert. Der Einsatz von Magie scheint vollkommen natürlich zu sein und wirkt nicht aufgesetzt. Nie hat man bei diesem Roman das Gefühl, Tamora Pierce bediene sich der Zauberei, weil sie sonst nicht wüßte, wie sie ihre Helden aus einer gefährlichen Situation befreien oder in ein Abenteuer stürzen sollte.
Gedacht für Leser ab zwölf Jahren.

Cover von Das Schwert in der Stille von Lian HearnAls die Truppen des Lord des Tohan-Clans, Iida Sadamu, Tomasus Dorf verwüsten und alle Bewohner töten, wird der sechzehnjährige Junge von dem Lord des Otori-Clans, Shigeru, gerettet. Da Tomasu Ähnlichkeiten mit dem ermordeten Bruder des Lords aufweist, nimmt Shigeru ihn bei sich auf, nennt ihn fortan Takeo, läßt ihn ausbilden und adoptiert ihn schließlich. Zur gleichen Zeit lebt das ebenfalls sechzehnjährige Mädchen Kaede seit acht Jahren als Geisel auf Schloß Noguchi, bei einem Verbündeten von Iida Sadamu. Aufgrund von politischen Intrigen soll Kaede Lord Shigeru heiraten. Shigeru liebt aber seit langem Lady Maruyama, die Sadamu für sich beansprucht. Als alle diese Personen in Inuyama, der Hauptstadt des Tohan-Reiches zusammentreffen, entscheidet sich ihr Schicksal.

– Meine Mutter drohte oft, mich in acht Stücke zu reißen, wenn ich den Wassereimer umstieß oder vorgab, ihren Ruf nicht zu hören, während die Dämmerung dichter wurde und die Zikaden lauter schrillten.-
Kapitel 1

Wer Liebesgeschichten mag, die in einem exotischen Ambiente angesiedelt und mit politischen Intrigen gewürzt sind, hat mit Das Schwert in der Stille (Across the Nightingale Floor) die richtige Lektüre gefunden. Lian Hearn ist eine sehr gute Erzählerin, die es versteht, eine Handlung zu entwickeln, und die genügend Kenntnisse der japanischen Kultur besitzt, um eine an das mittelalterliche, feudale Japan angelehnte Welt, die von verfeindeten Kriegerkasten beherrscht wird, glaubwürdig darzustellen.
Allerdings hat entweder die Autorin oder die Übersetzerin an einigen Stellen zu moderne Ausdrücke gewählt, die die fast perfekte Illusion zerstören und den Leser aus der Geschichte in die Gegenwart katapultieren. So beschimpft Takeo Wachleute als nutzlose Idioten. In der Stadt wird eine Bar besucht. Die Autorin teilt an einer Stelle mit, das Zimmer sei gut geschnitten, was den Leser eher an seinen letzten Wohnungsbesichtigungstermin mit einem Makler denken läßt, als an ein einfaches mittelalterliches japanisches Haus und als Krönung der Ausrutscher in die Moderne sagt Lord Shigeru: “Kenji leitet selbst ein sehr erfolgreiches Unternehmen für Sojaprodukte…
Dieses Buch ist in erster Linie ein pseudohistorischer Roman, in dem Magie eine untergeordnete Rolle spielt, und von daher für Fantasy-Puristen weniger geeignet. Takeo gehört zum “Stamm” und besitzt besondere Fähigkeiten. So kann er sich unsichtbar machen oder an zwei Orten gleichzeitig sein und er hat ein außerordentlich feines Gehör.
Am deutschen Titel Das Schwert in der Stille ist nichts auszusetzen. Er ist nicht, wie ich zuerst argwöhnte, ein Titel, der einfach nur poetisch ist und mit dem Roman nichts zu tun hat und der wahrscheinlich gewählt wurde, weil der Originaltitel, der in Bezug auf die Geschichte einleuchtender ist, nur holprig klingend ins Deutsche übersetzt werden kann. Allerdings muß man das Buch sehr genau lesen, damit man die Stelle, auf die sich der Titel bezieht, nicht überliest.

The Sea of Monsters von Rick RiordanEin Jahr ist vergangen, seit Percy Jackson das letzte Mal im Camp Half-Blood war, und nur noch ein einziger Tag trennt ihn davon, ein ganzes Jahr lang nicht von einer Schule geflogen zu sein. Doch selbstverständlich kommt die Freude zu früh und die Monster zerlegen pünktlich zum letzten Schultag mit Feuerbällen die Turnhalle und lassen Percy zusammen mit dem Straßenjungen Tyson zum Camp Half-Blood flüchten. Dort angelangt offenbart sich Percy nicht nur das Sterben von Thalias Baum und ein nunmehr ungeschütztes Camp, sondern auch ein Ersatz für Chiron und ein Halbbruder …

– Last day of school. My mom was right, I should have been excited. For the first time in my life, I’d almost made it an entire year without getting expelled. No weird accidents. No fights in the classroom. No teachers turning into monsters and trying to kill me with poisoned cafeteria food or exploding homework. Tomorrow, I’d be on my way to my favorite place in the world – Camp Half-Blood.
Only one more day to go. Surely even I couldn’t mess that up.
As usual, I didn’t have a clue how wrong I was. –
My best friend shops for a wedding dress, S. 4

Percy Jackson meldet sich nach einem Jahr in der realen Welt wieder zurück und bringt im zweiten Band, The Sea of Monsters (Im Bann des Zyklopen), noch mehr Humor, größere Monster, überraschende Wendungen und eine Jagd nach dem goldenen Vlies mit. Mit dabei sind natürlich auch alte wie neue Freunde und Feinde. Manch einer der Neuen sorgt dabei für mächtig Erstaunen.

The Sea of Monsters lässt auch wirklich kein Auge trocken. Aus jedem Satz sprüht einem der Humor des Autors entgegen, zusammen mit ein paar abenteuerlichen Erklärungen z.B. dafür, weshalb Franchiseketten sich so schnell verbreiten, was die wahre Gefahr eines Muffins ist oder wie man aus Männern Meerschweinchen macht. Die Sagen des alten Griechentums werden dabei, besser als im Vorgänger, mit modernen Legenden verwoben und verlangen dem Leser viele Lachfalten ab. Wie schon in The Lightning Thief (Diebe im Olymp) kommt aber auch der Ernst nicht zu kurz, und so muss sich Percy der Tatsache stellen, dass sein Vater Poseidon nicht nur Percys Mutter schöne Augen gemacht hat, als unerwartet ein Halbbruder von sehr spezieller Natur auftaucht. Obwohl er seinen Halbbruder mag, fühlt sich Percy plötzlich gewöhnlich und von seinem Vater hintergangen, ist eifersüchtig, enttäuscht und einmal mehr im Zwiespalt, was seine Gefühle für Vater und nun auch Bruder angeht.

Die Charakterzeichnung funktioniert wie schon im letzten Band sehr gut, und wer den nörgelnden Campleiter Mr. D. (alias Gott Dionysus) schon mochte, der wird den neuen Trainingsleiter, Tantalus (dt. auch Tantalos), lieben. Ihm verdanken wir allerlei absurd komische Szenen, in denen das Abendessen auf bestmögliche Weise die Flucht ergreift und einen Marshmallow gar kurzerhand in den Selbstmord treibt. Tantalus, der eigentlich auf dem Asphodeliengrund des Tartaros sitzen müsste, hat überhaupt kein Herz für irgendjemanden außer für sich selbst und sollte dadurch zur Hassfigur des Lesers mutieren – könnte man meinen, ist aber nicht so. Tatsächlich stellt er eine der unterhaltsamsten Figuren dieses Romans dar und wird durch die immer gegenwärtige Art seiner Strafe und seiner Versuche, etwas Ess- oder Trinkbares zu erreichen, zum Running Gag.

Mit Aufbruch zur eigentlichen Quest beginnt das Buch dann leider etwas zu schwächeln. Das liegt einerseits an dem abnehmenden Humor angesichts des Ernstes der Lage und andererseits an der Art, wie Rick Riordan diese Questen angeht. Statt etwas Neues aus den alten Sagenfiguren zu machen, spielen die Halbgötter und Monster sehr oft, auf stark vereinfachte Weise, nur das nach, was bereits schon einmal geschehen ist. Wenig glaubwürdig ist es dadurch, dass die einst von Herkules, Perseus, Odysseus und Co. getöteten Monster laut Riordan freilich nicht wirklich sterben, sondern nach einer Weile wieder re-materialisieren. Da stellt sich nicht nur einmal die Frage, weshalb sie dann auf dieselben Tricks hereinfallen, denen sie schon einmal erlegen sind. Derart lernunfähig kann eigentlich auch das dümmste Monster nicht sein. Wem übrigens häufiger mal der Sinn verloren geht oder wer den Ereignissen nicht ganz folgen kann, der sollte sich anhand der Namen ein bisschen mehr zur griechischen Mythologie durchlesen. Dadurch gewinnt man als Leser jene Erklärungen und Beweggründe, die Riordan hier oft auslässt oder nur am Rande streift.
Diese erzählerische Schwäche gutmütig außenvorgelassen, bietet The Sea of Monsters aber ein noch gelungeneres Leseerlebnis, als es The Lightning Thief zu tun vermochte, und weckt Appetit auf mehr. Die Geheimnisse werden langsam größer und ihre Auswirkungen bergen Gefahren, die auf spannende Ereignisse hoffen lassen.

Verfilmung:
Eine Verfilmung von The Sea of Monsters ist derzeit in Arbeit und wird von den bekannten Hauptdarstellern begleitet. Das Erscheinen ist in den USA für März 2013 geplant.

Seide und Schwert von Kai MeyerNiccolo lebt auf den Wolken, zusammen mit einer kleinen Schar von Auswanderern, die dank einer Erfindung von Leonardo da Vinci dort ihre Wohnstatt errichtet haben. Doch plötzlich funktionieren die Äthermaschinen nicht mehr, und die Wolkensiedlung strandet auf den hohen Gipfeln über China. Nach langem Hin und Her wird Niccolo ausgesandt, auf der Welt unten nach Hilfe zu suchen, bevor sich die Wolken ganz auflösen und die Stadt dem Untergang geweiht ist. Doch die Länder auf der Erde sind voller Gefahren …
In China lebt Nugua, ein Mädchen, das von Drachen aufgezogen wurde. Seit die Drachen verschwunden sind, ist sie auf der Suche nach ihnen.

-Sie war als Menschenmädchen unter Drachen aufgewachsen. Aber erst an dem Tag, als die Drachen aus der Welt verschwanden, wurde Nugua bewusst, wie sehr sie sich von ihnen unterschied.-

Kai Meyer, der in seinen Jugendbüchern schon mehrfach internationale Überlieferungen und Sagen herangezogen und diese Elemente zu etwas Neuem verbunden hat, als wäre er der deutsche Neil Gaiman, hat für seine Trilogie Das Wolkenvolk vor allem die chinesische Kultur als Inspiration genutzt. Und weil ein Themenkreis für Meyers aufwendige Gebilde nicht ausreicht, ist das namensgebende Wolkenvolk selbst ein über China gestrandeter Haufen von Italienern unter Führung der Medici, die dank einer Erfindung Leonardo da Vincis zweihundert Jahre lang auf verfestigten Wolken mit den Luftströmen um die Erde gereist sind.
Abwechselnd erzählt Meyer von den Fährnissen der nun sinkenden Wolkenstadt, zu deren Rettung der junge, schüchterne Freigeist Niccolo ausgesandt wird, und von China, wo das eigensinnige Mädchen Nugua die verschwundenen Drachen sucht – unschwer zu erraten, daß sich die Helden treffen und ihre Questen zusammenzuhängen scheinen.

Die Abenteuer führen quer durchs Land und erfordern allerlei Gefährten, wobei hier Rätselhaftigkeit bei allen Nebenfiguren Programm ist – keiner stellt sich als das heraus, was er anfangs zu sein scheint. Vom unsterblichen Streiter und der überirdischen Schönheit bis hin zum komischen Feigling und der spröden Kämpferin ist alles vertreten. Trotz dieser Fülle sind viele Charakterbeziehungen vorhersehbar und stereotyp. Ein Jugendbuch ist vielleicht nicht der Ort für hochdifferenzierte Motivationen und uneindeutige Charaktere, doch so starr hätten die Rollen nicht von Anfang an festgelegt sein müssen. Es mag auch daran liegen, daß in diesem Auftakt-Band zu viele Figuren eingeführt werden, so daß sogar der bemitleidenswerte Tolpatsch Feiqing kaum genügend Zeit hat, wirklich die Sympathie des Lesers zu erwerben, obwohl er sich redlich bemüht und durch seine Eigenwilligkeit eine der liebenwürdigsten Figuren des Romans ist.

So wird auch Mythos um Mythos bemüht und sämtlichen Vorstellungen genügt, die man gemeinhin mit dem fernen Osten verbindet, und phantastische Schauplätze rauschen am Leser vorbei. Dementsprechend huscht alles nur kurz durch’s Bild, und die Helden müssen um die Lösungen ihrer Probleme meistens nicht kämpfen (obwohl spektakuläre Actionszenen, die an den asiatischen Film erinnern, durchaus ihren Platz haben), denn ein spektakuläres Problem wird einfach vom nächsten (ab)gelöst. Der ganze Roman ist randvoll gepackt mit mysteriösen Figuren, großartigen Schauplätzen und überraschenden Abenteuern, so daß einige feinere Nuancen zwangsläufig auf der Strecke bleiben.

Die Achterbahnfahrt durchs mythische China liest sich aber trotz allem äußerst angenehm, denn Kai Meyer erzählt stilvoll und, bis auf einige Patzer (schade zum Beispiel, daß man jungen Lesern realisieren als “wahrnehmen” statt “wahr machen” vorsetzt), sehr flüssig.
Der Versuch, möglichst viel vom Zauber Chinas einzufangen, ist leider nur in einzelnen Szenen gelungen – und wenn man dort einen Hauch davon erfährt, merkt man, daß das Konzept eigentlich aufgehen hätte können. Nach einem offenem Ende und nun, da alle Figuren bereit und mitten in der Handlung stehen, vielleicht im zweiten Band ohne die Hektik von Seide und Schwert.

Cover von Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung von T.A. BarronIm Jahr der Dunkelheit werden alle Sterne Avalons für ein ganzes Jahr erlöschen. In diesem Jahr wird ein Kind geboren werden, das dazu bestimmt ist, Avalons Ende zu bringen. Rettung kann allein Merlins wahrer Erbe bringen. So lautet die Prophezeiung der Herrin vom See. 17 Jahre sind seit dem Jahr der Dunkelheit vergangen und Avalons Ende scheint nahe. Hohepriesterin Coerria schickt die junge Priesterin Llynia aus, den wahren Erben Merlins zu finden. Elli soll sie begleiten, obwohl die beiden Mädchen sich nicht leiden können. Unterwegs treffen sie auf Tamwyn und später auf dessen Bruder Scree. Es scheint, daß einer der Brüder das Kind der dunklen Prophezeiung ist und der andere der wahre Erbe Merlins. Aber welcher ist welcher?

– Aus den Klippen brach ein Feuerstoß und schoß in die Dunkelheit wie ein zorniger Drache.-
Prolog: In einer dunklen Nacht

Man braucht nicht lange, um die Geschichte zu durchschauen: Tamwyn ist der Enkel Merlins, folglich ist er der wahre Erbe Merlins, der die Rettung bringt. – So simpel ist es zum Glück dann doch nicht. Ebenso rasch, wie man zu dieser Schlußfolgerung gekommen ist, beginnt man auch wieder an ihr zu zweifeln. Zwar winkt T.A. Barron mit Zaunpfählen, die locker das Ausmaß von Mammutbäumen erreichen, andererseits bemüht er sich fleißig, dem Leser andere Protagonisten als Merlins wahren Erben schmackhaft zu machen. Ein heißer Kandidat ist Scree, der auf den ersten Blick, das unglückbringende Kind der dunklen Prophezeiung zu sein scheint. Aber Scree hütet und beschützt Merlins Stab, von dem in der Prophezeiung gesagt wird: Drum findet Merlins Zauberstab, dann ist der Erbe da. Merlin würde seinen Stab doch nicht dem Todfeind Avalons anvertrauen, oder doch? Falls Scree tatsächlich der Gegenspieler des Erben sein sollte, hat der Leser ein neues Problem. Scree ist ein netter Kerl, der seinen Bruder Tamwyn liebt. Niemand würde Genugtuung empfinden oder sich gar freuen, wenn er getötet würde. Denn das ist es, was das dunkle Kind erwartet: der Tod. Die Hohepriesterin Coerria hat Elli das Versprechen abgenommen, das dunkle Kind der Prophezeiung zu töten, sobald sie es gefunden hat. Aber auch Elli ist eine sympathische Figur, von der man nicht möchte, daß sie zur Mörderin wird – auch nicht für eine gute Sache.

Die Geschichte lebt von ihren Protagonisten. Tamwyn ist ein Tolpatsch, der häufig anderen unbeabsichtigt Schaden zufügt. Für den Leser ist seine Tapsigkeit witzig, seine Opfer finden seine Unbeholfenheit weniger komisch. Elli ist wütend auf Tamwyn, weil er ihre Harfe zerstört hat, das letzte Geschenk ihres Vaters, bevor er starb. Das sorgt für Zündstoff in der Gruppe. Der Hoolah lacht auch darüber, wie er über alles lacht und bringt damit seine Kameraden gegen sich auf. Selbst als er mit Tamwyn in eine Todesfalle gerät, findet er das höchst amüsant und er grinst auch noch, als der erboste Tamwyn droht, ihn zu töten: Gut, uuhuu iihii. Sterben ist etwas, das ich noch nicht probiert habe. Hoolahs besitzen ein ausgesprochen sonniges Gemüt. Elli und Llynia können sich auch nicht leiden. Llynia ist die einzige zwielichtige Person unter den Gefährten. Sie ist eine arrogante Ziege, die zuviel Ehrgeiz besitzt, aber man kann sich nicht sicher sein, wie sie sich entwickeln wird. Vielleicht bewährt sie sich auf der Reise und wird durch die bestandenen Abenteuer reifer und verantwortungsbewußter, ebenso ist es möglich, daß sie sich aus übertriebenem Ehrgeiz auf die Seite der Bösen schlägt. Sie könnte sogar das Kind der dunklen Prophezeiung sein, denn nirgends wird gesagt, daß es sich dabei um einen Jungen handelt.
Wer ist das Kind der dunklen Prophezeiung? Wer ist der wahre Erbe Merlins? Werden sich die Gefährten schließlich zusammenraufen und gemeinsam das Ende Avalons verhindern? Die tapfere Truppe muß auch Kämpfe und Gefahren bestehen, aber der Roman ist nicht actionlastig und bezieht seine Spannung hauptsächlich aus diesen Fragen. Es gibt auch noch den bösen und grausamen Hexer Kulwych, der sich für den größten Zauberer aller Zeiten hält, und der hinter Merlins Stab her ist. Jedesmal, wenn er auftaucht, verbreitet er Angst und Schrecken und Tod.
Barrons Erzählstil ist ausladend, er nimmt sich Zeit, seine Geschichte zu erzählen, trotzdem wird es nie langweilig. Auch die Natur Avalons und ihre Zerstörung beschreibt er ausführlich. Man merkt Barron an, daß ihm nicht nur Avalons Umwelt, sondern auch unsere sehr am Herzen liegt.

Sisters Red von Jackson PearceScarlett und Rosie March sind seit dem Angriff eines Fenris-Wolfs in ihrer Kindheit gezeichnet. Ihre Großmutter, die Einzige, die sich je um sie gekümmert hat, wurde bei dem Angriff getötet, während Scarlett bei der Verteidigung ihrer kleinen Schwester schwer verwundet wurde und ihr rechtes Auge verlor. Seit jenem Tag ist sie besessen davon, jeden Fenris-Wolf zu töten. Zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Partner Silas macht sie des Nachts Jagd auf die Monster. Doch dann wird ihre Routine von einem besonderen Ereignis unterbrochen: Die Fenris-Wölfe haben einen Potentiellen gewittert, der zu einem von ihnen gewandelt werden kann. Die drei Jäger setzen alles daran, dies zu verhindern und den Potientellen vor den Wölfen zu finden.

– He’s following me. About time. … I give a fake shiver as a breeze whips through my glossy hair. That’s right … come along, now. Think about how badly you want to devour me. Think of how good my heart will taste. –
Chapter One: Scarlett March

Sisters Red greift lose das Märchen von Rotkäppchen der Brüder Grimm auf (mit einer Prise des Films The Company of Wolfes/Zeit der Wölfe) und verlagert es in eine moderne Zeit. Man darf nun keine direkte Nacherzählung von Rotkäppchen erwarten, denn es wurden nur kleine Details daraus übernommen: eine Großmutter, die in einer abgelegenen Gegend wohnt, Wölfe, die junge Frauen und Mädchen verspeisen und ein – nein, zwei – rote Umhänge. Das sind schon die ganzen Gemeinsamkeiten von Rotkäppchen und Sisters Red. Hier und da tauchen aufgrund der Herkunft der Großmutter noch deutsche Worte und Sätze auf, was man als Indiz auf die Brüder Grimm sehen könnte. Besonders charmant sind viele kleine Details, die einem während des Lesens selbst zunächst vielleicht gar nicht auffallen, mit etwas Abstand dann aber umso deutlicher hervorstechen. Sie sollen an dieser Stelle jedoch nicht verraten werden, denn sie selbst zu entdecken macht diesen Roman sofort vertraut.
Lässt man nun also das Märchen von Rotkäppchen größtenteils hinter sich, erhält man sehr schnell einen recht blutigen, spannenden, actiongeladenen und ernsten Jugendroman, der nicht versucht, das Thema Sexualität möglichst unschuldig zu verkleiden oder gar zu verbergen. Dadurch ist Sisters Red zwar trotzdem noch ein jugendgerechter Roman ohne zu offensichtliche Details, wird dankenswerterweise aber auch für erwachsene Leser nicht zur Nervenprobe.

Die Charaktere kämpfen in Sisters Red nicht nur mit scharfen Waffen wie Messer, Axt und Beil, sondern auch mit ihren Selbstzweifeln und ihrem Wunsch, das Richtige zu tun. Sie sind hin- und hergerissen zwischen dem, was sie sein könnten, und dem, was sie als ihre Pflicht empfinden: ihrer Verantwortung gegenüber den glücklichen Unwissenden. Diese Problemstellung hat die Autorin sehr ansprechend und glaubwürdig umsetzen können. Das zeigt sich auch in den gegensätzlichen Eigenschaften der Protagonisten. Besonders Scarlett wird durch ihre unerschütterliche Zielstrebigkeit und ihren Kampfgeist zu einer starken Figur des Romans, die erwachsener wirkt, als man es bei ihren 18 Jahren unter normalen Umständen erwarten würde. Angesichts der Vergangenheit der beiden jungen Frauen, die sie zu früh mit der Härte des Lebens vertraut gemacht hat, jedoch nicht verwunderlich. Auch die zwei Jahre jüngere Rosie benimmt sich nicht wie ein naiver Teenager, gleichzeitig wirkt sie aber auch noch nicht so erwachsen, dass ihre Figur unrealistisch erscheint. Sie ist gelegentlich leichter abzulenken als ihre Schwester, findet aber mit Hürden immer wieder den Fokus für ihre Aufgabe. Anders als ihre Schwester Scarlett wünscht sich Rosie jedoch mehr von ihrem Leben als nur die Jagd auf Fenris-Wölfe, wodurch die Handlung von Sisters Red vor allem durch die unterschiedlichen Gefühle der Charaktere bestimmt wird. Gefühle gibt es hier ganz große: einmal zwischen Scarlett und Rosie und dann zwischen Rosie und dem Jäger Silas, der dritten Hauptfigur dieses Romans, die wir jedoch nur aus der Sicht von Scarlett und Rosie kennenlernen. Dieser Roman ist zwar keine stereotype Romantikschmonzette, die vor Kitsch nur so trieft, aber wer generell mit Romantik in Büchern nichts anfangen kann, für den ist Sisters Red vielleicht weniger spannend zu lesen. Denn die sich entwickelnde Beziehung zwischen Rosie und Silas spielt von Anfang an mit und wird mit dem Voranschreiten der Handlung zu einem wichtigen Wendepunkt in Rosies Entwicklung.

Sisters Red wird abwechselnd aus der Sicht von Scarlett und Rosie erzählt. Man erhält jedoch nicht dasselbe Ereignis aus zwei Sichtweisen, nein, jede Schwester knüpft auf ihre eigene Weise dort an, wo das vorherige Kapitel endete. Dadurch lernt man die Blickwinkel beider Schwestern kennen, ohne sich mit Wiederholungen aufhalten zu müssen. Rosie mit ihrer liebevollen und etwas unsicheren Art ist da zwar etwas zugänglicher und schafft es, mehr Sympathie zu erzeugen, Scarlett dagegen wirkt durch ihre stark fokussierte Sicht etwas fremd und kühl, punktet aber mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Liebe zu Rosie.

Was man zum Schluss als negativen Punkt anführen könnte, ist eine gewisse Vorhersehbarkeit der Handlung. Mit wenig Leseerfahrung im Fantasybereich sind viele Anhaltspunkte vermutlich weniger offensichtlich, als geübter Leser wird man jedoch einige wohl bekannte Fingerzeige sofort erkennen. Trotz dieser Vorahnungen bereitet einem Sisters Red aber eine große Lesefreude. Es besticht dadurch, das bereits Erahnte gerne bestätigt zu sehen, und man freut sich auf den Moment, in dem die Ahnung schließlich zur Tatsache wird.

Cover des Buches "Das Skorpionenhaus" von Nancy FarmerDer fünfjährige Matt lebt bei seiner Ziehmutter Celia in einer Hütte inmitten von Mohnfeldern. Er darf das Haus nicht verlassen, Türen und Fenster sind fest verschlossen. Abwechslung bieten ihm nur ein wenig Spielzeug, ein paar Bücher und das Fernsehen. Eines Tages, als Celia zur Arbeit gegangen ist, machen sich Kinder an der verschlossenen Hütte zu schaffen und als sie am nächsten Tag wiederkommen, schlägt Matt das Fenster ein und springt ins Freie. Dabei verletzt er sich an den herumliegenden Glassplittern. Die Kinder bringen den blutenden Matt zum nahegelegenen Herrenhaus. Dort versorgt zwar ein Arzt seine Wunden, doch die Erwachsenen behandeln ihn mit unverhohlener Abscheu, denn sie wissen, was Matt bisher nicht wusste: er ist ein Klon.

– Am Anfang waren es 36 Tröpfchen Leben – so winzig, dass Eduardo sie nur unter einem Mikroskop erkennen konnte. Er betrachtete sie besorgt in dem verdunkelten Raum. –
Am Anfang

Zwar weiß man von Anfang an, dass Matt ein Klon ist, doch löst dieses Wissen beim Leser keine Abneigung gegenüber dem Kind aus.
Nancy Farmer gelingt es, die Einsamkeit und Sehnsucht des Kleinen spürbar zu machen, ohne in Rührseligkeit zu verfallen. Sie vermittelt dem Leser das Gefühl, dass irgend etwas nicht stimmt, dass etwas Bedrohliches in der Luft liegt, doch gleichzeitig schildert sie Matt als so kindlich und menschlich, dass man sich fragt, was an ihm denn so anders sein soll und warum die Erwachsenen und die anderen Kinder sich ihm gegenüber so abscheulich benehmen. Sie bezeichnen ihn als Biest, man trennt ihn von Celia und eine Zeit lang wird er unter entwürdigenden Umständen wie ein Tier gehalten, wodurch seine Psyche fast zerbricht. Erst nach und nach enthüllt sich dem Leser, was diese Welt so bedrohlich erscheinen lässt.

Die Wahrheit ist, dass Matt, der Klon, gar nicht so anders ist, im Gegenteil, er benimmt sich oft humaner als die, die ihn verachten. Zu den Problemen, die Nancy Farmer in diesem Roman thematisiert gehören auch Diskriminierung und Vorurteile, hauptsächlich geht es aber um die Frage, was den Menschen zum Menschen macht und um Machtmissbrauch. El Patrón, das Oberhaupt des Familienclans, ist so reich und mächtig, dass er Gesetze brechen kann, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, seine Familie muss nach seiner Pfeife tanzen, was Matt wenigstens einen gewissen Schutz gibt und er beutet gnadenlos Menschen aus, die er als willenlose Arbeiter auf seinen Feldern bis zum Umfallen schuften lässt. Und auch die Klone haben seinen Zwecken zu dienen, denn Matt ist nicht der einzige, doch er ist dennoch etwas Besonderes.

Obwohl Das Skorpionenhaus (The house of the scorpion) in der Zukunft spielt, in einem fiktiven Land mit futuristischen Fortbewegungsmitteln, ist die Gesellschaft der unseren so ähnlich, dass man sich fragt, wie weit wir im Zeitalter von Klonschaf Dolly davon noch entfernt sind. El Patrón macht Menschen zu willenlosen Sklaven, indem er ihren Körper manipuliert, in einem anderen Land, sollen Menschen zu willenlosen Sklaven gemacht werden, indem man ihre Psyche manipuliert und diese Methode, Individuen gleichzuschalten und zu Erfüllungsgehilfen der Obrigkeit zu erziehen ist beängstigend nah an unserer Realität und unserer Geschichte.
Zum Glück gibt es in Matts Welt auch Freundschaft und Mut und deshalb gibt es auch die Chance, Diktaturen zu stürzen. Matts Leibwächter Tam-Lin weiß das, er schreibt Matt eine Nachricht auf einen Zettel: Du kanst es schaffen.

Sophie im Schloss des Zauberers von Diana W. JonesSophie ist gefangen in ihrem Leben als älteste von drei Töchtern. Als solche ist es ihr bestimmt, verantwortungsbewusst zu sein und außerdem den Familienbetrieb, ein Hutmachergeschäft, zu übernehmen. Diesem Schicksal hat die junge Sophie sich längst ergeben, als die teuflische Hexe der Wüste eines Abends ihren Hutladen betritt und das Mädchen ohne eine Erklärung in eine alte Frau verwandelt.
Jetzt, da Sophie sich nicht nur alt fühlt, sondern auch alt aussieht, flieht sie aus der Stadt und findet sich des nachts alleine in der Wildnis wieder. Dabei stolpert sie über das wandelnde Schloss des Zauberers Howl, von dem es heißt, er stehle die Seelen junger Mädchen und verspeise ihre Herzen.

-Im Lande Ingari, wo Dinge wie Siebenmeilenstiefel und Tarnkappen wirklich existieren, gilt es als ziemliches Pech, als ältestes von drei Geschwistern geboren zu werden. Alle wissen, dass das älteste Kind am schnellsten und am schlimmsten versagen wird, wenn die drei sich aufmachen, um ihr Glück zu suchen.-
1. Kapitel in dem Sophie mit Hüten spricht

Frau Jones hat hier eine zauberhafte Welt geschaffen, in der man selbst gerne ein paar Streifzüge machen würde. Das Ganze wird auf eine so humorvolle Weise verpackt, dass es schwer fällt, Sophie im Schloss des Zauberers (im Original: Howl’s Moving Castle) aus der Hand zu legen. Es ist wohl eines der wenigen Bücher, die  nachhaltig in Erinnerung bleiben und auch nach dem dritten, vierten und fünften Lesen noch immer Freude bereiten.

Zu verdanken ist dies wunderbar gezeichneten Charakteren, die von schrullig bis überdimensional wehleidig und wahrhaft seltsam alles abdecken. Wir haben hier eine grantige alte Dame mit Putzfimmel, einen Feuerdämon mit Existenzängsten, einen wahnsinnig mächtigen Zauberer mit einem ausgeprägten Eitelkeitsproblem, eine anhängliche Vogelscheuche, Hunde, die keine sind, und Zauber, über die man nicht sprechen kann. Mit einem außerordentlichen Gespür für Sprache haucht die Autorin der Welt Ingari und ihren verschiedenen kleinen Städten buntes Leben ein. Es bedarf tatsächlich nicht vieler Worte, um sich alles im Detail vorstellen zu können.
Die eigentliche Quest, den mysteriösen Vertrag zwischen Howl und dessen Feuerdämon Calcifer zu brechen, damit letzterer im Gegenzug Sophies Fluch aufhebt, wird dabei beinahe zur Nebensache, und doch wird das Buch nie langweilig oder sinnlos. Man erlebt die Handlungen und Entwicklungen der Charaktere so gerne und selbstverständlich mit, dass es einen mit Empörung zurück lässt, dass auch dieses Buch irgendwann enden muss.

Diana W. Jones gilt zwar als Kinderbuchautorin, und auch Sophie im Schloss des Zauberers wird offiziell als Kinderbuch gehandelt, dennoch wirken die vielen versteckten Anspielungen und Kniffe oft zu komplex für Kinder. Manches dürfte sich erst im Jugend- oder Erwachsenenalter tatsächlich erschließen, da es ein gewisses Maß an Allgemeinbildung oder auch emotionaler Entwicklung benötigt, um Anspielungen auf Hamlet, König Artus, Alice im Wunderland und Der Herr der Ringe zu erkennen oder auch Dinge wie die ersten Anzeichen von Verliebtheit  und Ironie. Denn der Humor springt einem hier nur selten mitten ins Gesicht.  Er zeichnet sich vor allem durch Wortwahl und teils hitzige Dialoge aus.
Vermutlich dürfte auch nicht einmal vielen Erwachsene auffallen, dass in dem Roman ein Gedicht von John Donne zu einem wichtigen Bestandteil der Handlung wurde.
Natürlich kann man Sophie im Schloss des Zauberers auch ohne das alles genießen, doch gerade diese Kleinigkeiten verleihen ihm seinen ganz eigentümlichen Charme. Die Verwendung bestimmter Begriffe, Namen oder bekannter Zitate unserer realen Welt geben dem Buch teilweise selbsterklärende Eigenschaften oder auch ein Gefühl von vertrautem Wiedererkennen.

Ungewöhnlich ist auch die Herangehensweise der Autorin an ihre Figuren. Anders als man es gewohnt ist, wird Sophie nach dem Tod ihrer Eltern nicht zum Spielball ihrer Stiefmutter. Nein, besagte Stiefmutter liebt sie sogar genauso sehr wie  ihre eigene Tochter, auch wenn die Autorin versucht, den Leser diesbezüglich auf eine falsche Fährte zu locken. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie Diana W. Jones sich den typischen Klischees der Fantasy in diesem Roman widersetzt und alles ein wenig anders macht.
Ein einziges Mal wurde die Autorin schwach und verlieh dem Roman ein so umfangreiches Happy-End, dass einem glatt schwindelig werden könnte. Alles andere hätte Sophie im Schloss des Zauberers allerdings seinen märchenhaften und ohnehin vor seltsamen Ereignissen strotzenden Charakter genommen. Man kann also getrost sagen, Frau Jones ist ihrer Linie vom ersten bis zum letzten Satz treu geblieben.

Obwohl die Übersetzerin der deutschen Ausgabe, Gabriele Haefs, hier eine sehr gute Arbeit abgeliefert hat, geht natürlich doch der ein oder andere Wortwitz verloren und die Sprache wirkt manchmal etwas zu betont einfach. Wer gerne auch mal auf Englisch liest, sollte daher zur Originalausgabe greifen. Einen empfehlenswerten Lesegenuss bieten aber durchaus beide Sprachen.
Ignorieren sollte man allerdings den Klappentext der deutschen Ausgabe, denn der hat nur bedingt etwas mit dem Buch zu tun.

Für diejenigen, die nicht genug kriegen können von Sophie, Howl und Calcifer, gibt es noch zwei weitere Bücher, die in Ingari angesiedelt sind: Ziemlich viele Prinzessinnen (Castle in the Air) und House of many ways (noch nicht ins Deutsche übersetzt). Es handelt sich dabei nur indirekt um Fortsetzungen, da die bekannten Personen lediglich kleinere Nebenrollen einnehmen. Für Fans von Sophie und Howl dennoch zu empfehlen.

Verfilmung:
Das Buch wurde 2004 von den Ghibli Studios in einer wunderbaren Umsetzung verfilmt. Hier gibt es auch eine ausführliche Besprechung dazu.

Cover zu "Der Sturm der schwarzen Pferde" von Marcus SedgwickVor langer, langer Zeit in einem fernen Land im Norden lebt der Stamm der Storn. Sie führen ein ruhiges Leben als Bauern und Fischer, fernab der großen Handelswege. Eines Tages brechen einige von ihnen zur Wolfsjagd auf; unter ihnen auch der junge Sigurd. Und er ist es, der ein kleines, zartes Mädchen aus der Wolfshöhle rettet.
Ganz offensichtlich lebte sie lange Zeit mit ihnen, denn sie ist mehr Wolfsjunges als Mensch. Die Storn nehmen das Mädchen in ihren Stamm auf und nennen es Maus. Aber wer ist sie wirklich? Woher kommt sie? Jahre später findet es Sigurd heraus. Die Entdeckung ihrer wahren Identität ist fürchterlich und lässt eine schreckliche Legende für die Storn wahr werden, die für den ganzen Stamm den sicheren Untergang bedeuten könnte.

-Es war Maus, die das Kästchen fand.-
Das Kästchen, Teil 1

Sedgwick weiß genau, wie man Spannung erzeugt. Schon nach dem ersten, knapp zwei Seiten langen Kapitel ist klar, dass unheimliche Dinge vor sich gehen und das Dorf in großer Gefahr schwebt. Dieses schlichte und dennoch schöne Kästchen wird Unheil bringen wie die Büchse der Pandora, soviel ist sicher, doch welche Gefahren genau von ihm ausgehen, bleibt vorläufig im Dunkeln. Erst nach und nach enthüllt Sedgwick, welches Drama sich bei den Storn abgespielt hat. Dazu bedient er sich zweier Erzählperspektiven. Abwechselnd berichten ein allwissender Erzähler, und Sigurd als Ich-Erzähler, was sich damals ereignet hat. Auf diese Weise kann der Leser an Sigurds Gedanken und Gefühlen teilhaben, aber dank des allwissenden Erzählers besitzt er ihm gegenüber auch einen Wissensvorsprung. Er weiß, was in Maus vorgeht, die aufgrund ihrer übersinnlichen Fähigkeiten von dunklen Ahnungen gequält wird und sich auch aus anderen Gründen im Dorf zunehmend unwohl fühlt. Sigurd erfährt darüber nur das, was Maus ihm mitteilt. Der Sturm der schwarzen Pferde (The Dark Horse) erzählt von Machtkämpfen, Verrat, Loyalität, Mut, Magie, Liebe und enttäuschten Gefühlen. Mehr zu verraten wäre schade, denn auch, wenn man zu ahnen beginnt, wodurch das Dorf bedroht wird, ist das Ende kaum vorhersehbar.

Ein, zwei kleinere Schönheitsfehler stören manchmal die Atmosphäre des Buches. Die Storn sind entweder Germanen oder sesshaft gewordene Wikinger, Sedgwick legt sich da nicht so genau fest, jedenfalls handelt es sich um einen nordischen Stamm aus grauer Vorzeit. Wenn Maus ihren Ziehbruder aber, anstatt ihn Sigurd zu nennen, wiederholt mit “Siggi” anredet, dann wähnt man sich eher bei einer feuchtfröhlichen Betriebsfeier, bei der die Sekretärin mit ihrem Chef gerade Brüderschaft getrunken hat, und nicht in einer alten nordischen Sagenwelt. Auch benutzt der Autor moderne Maßeinheiten. Der Erzähler berichtet, dass Sigurd zwei oder drei Kilometer läuft oder dass in etwa sechs Sekunden alles vorbei (war). Zwar ist er “allwissend”, aber dennoch stören diese anachronistischen Angaben. Kein Germane oder Wikinger hatte eine Vorstellung davon, wie lange etwa sechs Sekunden dauern.

The Sweet Far Thing von Libba BrayDie Lage ist ernst. Der Kampf um das magische Reich und die Magie spitzt sich zu, auch das Verhältnis zwischen Gemma und ihren Freundinnen ist angespannt. Jeder möchte die Magie kontrollieren und Gemma notfalls dazu zwingen, sie abzugeben. Die junge Frau muss sich entscheiden, wem sie die Magie überlässt und welchen Pfad sie in ihrem Leben einschlagen will. Doch wird sie lange genug leben, um diese Wahl zu treffen? Und wird sie mit ihrer Entscheidung das drohende Unheil verhindern oder entfesseln?

– There is a particular circle of hell not mentioned in Dante’s famous book. (…) But I can say with all certainty that walking the length of a ballroom with a book upon one’s head and a backboard strapped to one’s back while imprisoned in a tight corset, layers of petticoats, and shoes that pinch is a form of torture even Mr Alighieri would find too hideous to document in his Inferno. –
Kapitel 1, S. 7

Willkommen zum Finale von Gemma Doyle!
Entschuldigung, sagte ich Finale? Willkommen am nervtötenden Ende einer Trilogie, die gut begann, trifft es wohl leider besser. Doch fangen wir vorne an.

Das dritte Abenteuer  der Gemma Doyle-Trilogie The Sweet Far Thing (Kartiks Schicksal) beginnt einmal mehr schleppend langsam, und auch nach 350 Seiten ist noch nichts Nennenswertes passiert, was die Handlung irgendwie vorantreiben würde. Gemma glänzt deutlicher denn je durch blindes Vertrauen, dumme Entscheidungen, nahezu hirnloses Verhalten, ist planlos, sprunghaft und hat sich seit Band 1 kein bisschen weiter entwickelt. Mit beharrlicher Konsequenz ignoriert sie weiterhin sämtliche Warnsignale und vergangenen Ereignisse. Auch die immer wieder betonte drängende Zeit bewegt unsere Heldin nicht dazu, notwendige Entscheidungen zu treffen. Stattdessen ergeht sie sich in sinnlosen Abenteuern und Streifzügen durch die Londoner Society oder das inzwischen stark gefährdete magische Reich, mit einer Gruppe von Freundinnen, bei der noch immer keine der anderen traut (man bedenke noch einmal: wir sind schon im finalen Band drei …) und auch alle sich benehmen wie verzogene, egoistische Gören. Jawohl, Gören. Man möchte sie regelmäßig ohrfeigen und schütteln und einfach nur hassen.

Nach rund 350 Seiten ist dann ein Hauch von Freude beim Leser angesagt. Es tauchen tatsächlich ein paar bekannte Puzzleteile auf, die sich plötzlich zusammenfügen. Spurensuche, Abenteuer und gelüftete Geheimnisse machen einem Hoffnung auf ein ansteigendes Lesevergnügen, doch man muss weiterhin Geduld beweisen und darf nicht zuviel verlangen.
Hat man es dann mit Mühe und Not bis auf Seite 429 geschafft, gut die Hälfte dieses Wälzers, trifft man auf eine Stelle, an der man sich tatsächlich fragt, ob einen die Autorin verhöhnen möchte. Gemma, die gerade selbst ein eher langweiliges Buch konsumieren muss, kommentiert ihr Leseerlebnis folgendermaßen (und drückt damit wunderbar aus, wie es einem bei der Lektüre gerade selbst ergeht):

With a sigh, I resign myself to combing through it page by page, though 502 pages is so many to wade through, and I curse authors who write such lengthy books when a few neat pages of prose would do.

Für diesen tiefschwarzen Sinn für Humor muss man die Autorin fast schon wieder loben.

The Sweet Far Thing spielt sich innerhalb weniger Monate ab, doch durch die extrem langatmige Erzählweise gewinnt man den Eindruck, es zögen Jahre ins Land, in denen wirklich nichts Interessantes passiert. Als Ausgleich ist dafür alles recht vorhersehbar.

Die letzten Kapitel ziehen dann aber doch ordentlich mit der Action an und alles, was man schon die ganze Zeit erwartet oder erhofft hat, kommt endlich in Gang. Wenig überraschend kommt dann aber auch das Ende daher, das einen vor allem frustriert zurück lässt. Nichts von diesem Buch bleibt so deutlich hängen wie das Gefühl, allein zu sein und nirgendwo hinein zu passen, begleitet von dem Schmerz des Verlustes, der Hoffnungslosigkeit, und irgendwie klingt die Botschaft stark nach: “du kannst dich noch so abrackern, am Ende bringt es dir ja doch nichts als Enttäuschung”.
Auch wenn die Mädchen es immerhin schaffen, letztlich ihren eigenen Weg einzuschlagen, und die Möglichkeiten der anbrechenden Zukunft erst einmal positiv klingen, wird das alles von der trägen Erzählweise und dem wenig motivierenden Ausgang dieser Trilogie überschattet.

Um ein ganz eindeutiges Fazit zu ziehen: lasst die Finger davon. Diese Buchreihe, die im ersten Band mit recht vielversprechenden Ideen begann, ist letztlich eine große, Zeit verschwendende Enttäuschung und wird mit jedem Band schlechter. Zu empfehlen sind die Fortsetzungen vermutlich nur jenen, die nach A Great and Terrible Beauty (Gemmas Visionen) schon völlig begeistert von Schreibstil, Charakteren oder was auch immer waren, alle anderen investieren ihre Zeit lieber in Bücher mit der Aussicht auf Unterhaltungswert.

Sweetly von Jackson PearceVor zwölf Jahren sind Ansel und seine Schwester Gretchen im Wald verfolgt und knapp einem Monster, einer bösen Hexe, entkommen. Gretchens Zwillingsschwester hatte weniger Glück und ist seitdem verschollen. Niemand glaubt den beiden die Geschichte von der Hexe, und über die Jahre hinweg ist die restliche Familie zerbrochen, die Eltern im Kummer verstorben. Nun, da beide volljährig sind, setzt die Stiefmutter die beiden kurzerhand vor die Türe und die beiden Geschwister machen sich auf in den Süden, um ein neues Leben zu beginnen. Doch eine Autopanne zwingt sie einen Zwischenstopp einzulegen der sie näher denn je an die Hexe heranbringt …

– They burst from the woods onto their cool lawn. Get inside, get inside. Ansel flung the back door open and they stumbled in, slamming the door shut. Their father and mother ran down the stairs, saw their childen sweaty and panting and quivering, and asked in panicky, perfect unison:
»Where’s your sister?« –
Prologue, S. 6

Sweetly ist der zweite Roman von Jackson Pearce mit einer Märchenneuinterpretation. Der geübte Leser wird natürlich schon erkannt haben, dass die Autorin sich diesmal dem Märchen um Hänsel & Gretel gewidmet hat, und das Ergebnis ist ganz ansehnlich.
Wie schon bei Sisters Red wurden die Kernelemente des Märchens übernommen und zu einer erwachsenen, düsteren Version der Geschichte verarbeitet. An dieser Stelle muss auch wieder das sehr treffende und stimmungsvolle Buchcover gelobt werden, welches die Atmosphäre und Handlung des Romans perfekt einfängt.

Die Charaktere in Sweetly sind beinahe alle von Verlusten und Schmerz geprägt. Ein großes Thema des Romans ist daher, wie dieser durch Ursache und Wirkung mit den Beweggründen und Charakterzügen der Figuren verflochten ist. Anders als in Sisters Red tritt die Action da etwas mehr in den Hintergrund, auch taucht die Hexe selbst nur selten auf. Vielmehr spielt das Buch mit dem Nervenkitzel, wann sie in Erscheinung treten wird, und wenn sie es tut, dann wird es blutig und tragisch.
Gretchen und Ansel haben ein enges Verhältnis zueinander, der Verlust ihrer Schwester in jungen Jahren hat sie zusammengeschweißt. Jackson Pearce schafft ein sehr einfühlsames und realistisches Gefühl dafür, wie es sein muss, im Schatten einer verschwundenen – und vermutlich toten – Schwester aufzuwachsen, einer Tochter, einer Freundin; das ganze bisherige Leben um sich herum zerbrechen zu sehen und mit den psychischen Folgen klarkommen zu müssen. Verständlich, dass dieser Handlungsstrang nicht ohne eine gewisse Melancholie auskommt. Obwohl beide Geschwister sehr für den anderen sorgen und kaum andere Kontakte in ihrem Leben haben, freunden sie sich schnell mit Sophia an, einer Süßwarenbäckerin, die mitten im Wald lebt, als sie mit dem Auto in dem kleinen Städtchen Live Oak liegen bleiben. Beide blühen auf und gewinnen mehr individuellen Spielraum. Vor allem Gretchen, deren Leben sich beinahe nur um die Furcht vor dem Wald und die Frage drehte, warum sie überlebt hat und ihre Zwillingsschwester nicht, durchläuft einen großen Änderungsprozess. Sophia verbirgt jedoch selbst ein dunkles Geheimnis unter ihrem lieblichen Lächeln und macht deutlich, dass die Dinge nicht immer klar schwarz und weiß sind.

Etwas schade ist, dass die Handlung schnell durchschaut ist, während die Protagonisten länger dafür brauchen, zu denselben Erkenntnissen zu gelangen. Das nimmt dem Roman ein wenig den Antrieb. Auf der anderen Seite ist es schön, der Neuinterpretation zu folgen und zu entdecken, was die Autorin aus dem Märchen noch machen wird.

Sweetly ist wie Sisters Red ein in sich geschlossener Roman und kann völlig unabhängig von den weiteren Titeln in dieser Nacherzählungsreihe gelesen werden. Im Verlaufe von Sweetly zeigt sich aber, dass die Bücher zumindest einen gemeinsamen Nenner haben, der sie möglicherweise alle verbindet und ein Gesamtbild zeichnen könnte. Ob dem so ist und wie stark die Verbindung sein wird, dürfte sich sicherlich mit dem dritten Roman Fathomless zeigen.

Cover des Buches "Through the looking glass" von Lewis CarollIm Spiel mit ihrem kleinen schwarzen Kätzchen vertieft, überlegt das Mädchen Alice sich, wie lustig es auf der anderen Seite des Spiegels wohl sein mag, und so geht sie durch diesen ins Spiegelhaus. Sich dort umschauend sieht sie, wie die Figuren des Schachspiels lebendig werden. Auch sonst ist einiges sonderbar, und Alice beschließt sich den Garten anzusehen, was ihr zunächst sehr schwer fällt, da die Wege vom Haus weg zum Haus hinführen. Erst nach einigen Anstrengungen kann sie dem Haus entkommen. Im Garten trifft sie auf die Schwarze Königin, die dem Mädchen erklärt, wie es vom Bauern zur Königin werden kann. Alice nimmt die Herausforderung an und beginnt eine höchst bizarre Reise…

-One thing was certain, that the white kitten had had nothing to do with it: – it was the black kitten’s fault entirely.-
Chapter 1 Looking-Glass House

Die Welt hinter dem Spiegel ist eine höchst eigenartige, verzerrte und verdrehte Variante des “realen” Englands des späten 19. Jh., auch wenn es nirgends explizit erwähnt wird, so schimmert doch das Britische überall durch.
Um ihr Ziel zu erreichen, muss Alice zur anderen Seite des Landes reisen, welches in schachbrettartige Felder unterteilt ist. Wobei es beim Überqueren der Feldergrenzen zu drastischen Veränderungen kommen kann – während sie im ersten Feld noch auf einer Wiese geht, sitzt sie nach dem Übergang plötzlich in einem fahrenden Zug und wird von einem Schaffner angeschnauzt.

Unterwegs trifft Alice auf äußerst bizarre Figuren; so unterhält sie sich mit sprechenden Blumen – einige sind hilfsbereit, andere sind besserwisserisch; sie lernt die Weiße Königin, eine etwas hilflos wirkende Dame, die in der Zeit rückwärts lebt, und die Schwarze Königin, die sich Alice gegenüber sehr ambivalent verhält, kennen; sie muss sich mit den aufgeblasenen Brüdern Tweedledum und Tweedledee auseinandersetzen, die Höflichkeit einfordern, aber selbst unhöflich sind; sie lässt sich vom eiförmigen Humpty Dumpty das Gedicht vom Jabberwocky erklären und vom tolpatschigen Weißen Ritter, der viele fragwürdige Erfindungen macht, gegen den Schwarzen Ritter, der die Kleine gefangen nehmen will, verteidigen.
Daneben trifft sie ein Schaf, das einen Kaufmannsladen führt, den Weißen König und seine Boten, den Löwen und das Einhorn und zahllose andere groteske Gestalten.

Das die Figuren irgendwie plausibel seien, wird niemand behaupten, denn sie verhalten sich dermaßen absurd, dass selbst die einfachsten Gespräche zur Herausforderung werden – die anderen akzeptieren kaum die alltäglichen Deutungen. Besonders deutlich wird dieses bei Redewendungen: Als Humpty Dumpty erklärt, dass er lieber Un-Geburtstagsgeschenke möge, bittet Alice mit “Beg your pardon?” um eine Erläuterung, doch ihr Gesprächspartner nimmt es wörtlich: “I’m not offended.” Dennoch sind die Figuren alle einzigartig, keine ist ein bloßes Klischee oder unausgereift.

Alice selbst ist genau sieben Jahre und sechs Monate alt, sie hat viel Phantasie und Abenteuerlust. Während sie in der “Realität” die Unvernünftige ist, wird sie in der Spiegelwelt scheinbar zur Vernünftigsten, gemessen an den normalen Maßstäben; gemessen an denen der anderen Welt ist sie auch hier unvernünftig. In der ganzen Geschichte ist sie die einzige plausible Figur, Carroll trifft die Eigenarten eines Kindes wieder sehr gut.

Der Plot an sich ist relativ nebensächlich: Um eine Königin zu werden muss Alice, die als Weißer Bauer startet, ins achte Feld und so macht sie sich auf die Reise. Der Schwerpunkt der Story liegt ganz deutlich auf den grotesken Begegnungen, die mal komisch sind (oder furchterregend, wenn man sie ernst nimmt) und mal zum Nachdenken über Sinn und Unsinn von Sprache und Gebräuchen anregen.
Dieses erreicht Carroll einerseits durch seine Wortspiele und andererseits durch die (alp-)traumhaften Wandlungssequenzen. Im Vergleich zum ersten Buch ist Through the Looking Glass (Alice hinter den Spiegeln) düsterer geraten; es fehlt zwar an einer Bedrohung, aber durch die schnellen Verwandlungen und abrupten Wechsel wird das gewohnte Kausalitätsgefüge noch stärker aufgebrochen.

Außerdem werden viele Gedichte und Lieder zum Besten gegeben, die durchaus gelungen und nicht bloßer Selbstzweck sind. Der geneigte Leser sollte einmal das Jabberwocky-Gedicht mit getragener Stimme vortragen; gerade die erste Strophe klingt sehr bedeutsam und bedeutet doch nichts. Das Lied vom Walross und Tischler, welche die Austern zum Picknick überreden und diese dann verspeisen, dient dazu, ein moralisches Dilemma aufzuwerfen: Wer ist schlimmer, das Walross, welches mehr Austern aß, aber den Tod der Austern betrauert, oder der Tischler, der weniger aß, aber soviel, wie er bekam? Das Gedicht regte Terry Gilliam (Monty Python) zum Film Jabberwocky an und auf das Lied bezieht sich Matt Damon als Loki in dem Film Dogma, als er der Nonne erklärt, warum er seinen Glauben verlor. Man sieht, auch der zweite Teil ist nicht ohne Wirkungsgeschichte.

Zum ersten Teil, Alice’s Adventures in Wonderland (Alice im Wunderland), gibt es allerdings nahezu keine Beziehung – Alice ist dieselbe, allerdings etwas selbstsicherer, und es gibt ein paar Andeutungen, so ist wohl Haigha der Hase und Hatta der Hutmacher der verrückten Teeparty.

Die Sprache ist wiederum unglaublich elegant und flüssig, allerdings nicht ganz so kunstvoll wie im Vorgänger. Außerdem wird es etwas schwieriger, da Carroll ungebräuchlichere Worte wählt. Dennoch sollte man sich nicht von der englischen Ausgabe abschrecken lassen.

Cover des Buches "Tintenblut" von Cornelia Funke Ein Jahr nach den Ereignissen in Tintenherz ist wieder Ruhe und Glück in Meggies Leben eingekehrt. Sie lebt mit ihren Eltern bei ihrer Tante Elinor und die Schrecken des vergangenen Jahres verblassen allmählich. Doch das Glück währt nicht lange. Immer noch versucht Staubfinger zusammen mit Farid zurück in seine Welt zu kommen und endlich scheint es so, als ob sie Erfolg hätten. Denn Orpheus, eine zwielichtige Gestalt, verfügt über ähnliche Kräfte wie Meggies Vater und erklärt sich bereit, Staubfinger in seine Welt zu lesen. Doch auch Basta und Mortola haben die Ereignisse in Capricorns Dorf überlebt und sind ebenfalls auf Orpheus aufmerksam geworden …

-Am längsten hatte sie drüber nachgedacht, welches Buch sie mitnehmen sollte. Ohne eins fortzugehen, wäre ihr vorgekommen, als würde sie ohne Kleider aufbrechen, aber es durfte nicht zu schwer sein, also kam nur ein Taschenbuch in Frage. »Bücher in Badekleidern«, nannte Mo sie, »schlecht gekleidet für die meisten Anlässe, aber im Urlaub eine praktische Sache.«-
Meggie liest

Endlich! Der neue Roman aus der Tintenwelt hat ein bisschen auf sich warten lassen, dafür wird der Leser aber umso mehr für seine Geduld belohnt.
Bereits beim Durchblättern fällt die liebevolle Gestaltung des Buches auf. Vor jedem Kapitel findet sich ein passendes Zitat und Zeichnungen (von der Autorin selbst erstellt) am Ende der Kapitel runden das Ganze noch ab. Außerdem gibt es eine Karte der Tintenwelt und ein Personenverzeichnis, die passenden Extras machen Lust, den Roman endlich zu lesen.

Schon nach den ersten Seiten ist man gefesselt von Cornelia Funkes Stil. Satz für Satz fügt sich die Geschichte stimmungsvoll zusammen und man taucht sofort wieder ein in Meggies Welt. Scheinbar mühelos erschafft die Autorin Bilder vor dem geistigen Auge des Lesers und fast scheint es, als gäbe es die Tintenwelt mit all ihren Bewohnern wirklich und man könnte sie durch das Buch ebenso leicht erreichen, wie Meggie oder Mo es können.

Zu den liebgewonnen Charakteren aus Tintenherz kommen weitere interessante Personen, die die Tintenwelt erst richtig lebendig werden lassen. Fast möchte man der Tintenwelt selbst mal einen Besuch abstatten, um all den Charakteren wirklich gegenüberzustehen.

Die Handlung weist mehr Komplexität auf als in Tintenherz und ist ein wenig blutiger, dennoch ist es vorbehaltlos auch für jüngere Leser zu empfehlen. Einziger Wermutstropfen: Das Ende des Buches ist nicht das Ende der Geschichte. Das offene Ende ist wirklich nicht leicht zu verkraften, wenn man so abrupt wieder aus der Tintenwelt in die Realität geschubst wird. Bleibt einem nur zu hoffen, dass der nächste Teil nicht so lange auf sich warten lässt …

Cover von Tintenherz von Cornelia FunkeDie zwölfjährige Meggie wohnt mit ihrem Vater Mo, einem Buchbinder, auf einem alten Bauernhof. Beide sind wahre Leseratten und die Bücher stapeln sich im ganzen Haus. In einer regnerischen Nacht sieht Meggie eine dunkle Gestalt im Garten stehen. Doch bald stellt es sich heraus, dass der Fremde Mo’s alter Freund Staubfinger ist, der gekommen ist, um ihn vor Capricorns Männern zu warnen. Diese ebenso bösartigen wie gnadenlosen Schurken sind hinter einem Buch her, das Mo gehört. Meggie versteht das nicht. Wer ist Capricorn? Was ist an diesem Buch so besonders? Und warum nennt Staubfinger ihren Vater “Zauberzunge”? Am nächsten Tag bringt Mo Meggie und das geheimnisvolle Buch zu Tante Elinor, die in ihrem Haus Tausende Bücher hortet, aber es nützt nichts: Capricorns Männer spüren sie auf…

– Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen. Noch viele Jahre später mußte Meggie bloß die Augen schließen und schon hörte sie ihn wie winzige Finger, die gegen die Scheibe klopften. Irgendwo in der Dunkelheit bellte ein Hund, und Meggie konnte nicht schlafen, so oft sie sich auch von einer Seite auf die andere drehte.-
Ein Fremder in der Nacht

Es ist einfach ein rundum gelungenes Buch. Lesen Sie’s und Sie werden es schon merken. Aber wenn ich mich so kurz fasse, bekomme ich Ärger mit der Redaktion ;-), deshalb also ein bißchen ausführlicher: Am Anfang fand ich Tintenherz ganz nett und als Mo und Meggie bei Tante Elinor wohnen, dachte ich, jetzt könnte die Geschichte mal bitte ein bißchen an Fahrt gewinnen. Genau in diesem Moment wurde der Roman so spannend, daß ich ihn nicht mehr aus der Hand gelegt habe, bis ich ihn ausgelesen hatte und bei der Lektüre habe ich dreimal eine Gänsehaut bekommen. Ich lese durchschnittlich drei Bücher in der Woche, eine Gänsehaut bekomme ich dabei höchst selten und für gewöhnlich nicht bei Kinderbüchern. Dieser Roman ist eine Hommage ans Lesen. Er macht deutlich, welchen Zauber Bücher auf Menschen ausüben und welche Macht gute Schriftsteller besitzen.

Die Charaktere sind voller Leben und es gibt für jeden Leser eine Figur mit der er sich identifizieren kann. Da ist Mo, ein Vater, wie ihn sich jedes Kind nur wünschen kann; Meggie, die beherzt und tapfer ist, auch und gerade, wenn sie Angst hat und in gefährlichen Situationen steckt; die dicke, resolute Tante Elinor, die glaubt, dass man Gangstern am besten die Polizei auf den Hals hetzt und die von den Ordnungshütern ständig enttäuscht wird; Staubfinger, ein Gaukler, der sich nach seiner Heimat sehnt; Farid, ein ungefähr fünfzehnjähriger Junge, der einer Räuberbande entkommen ist; Fenoglio, ein Großvater mit Schreibtalent; und falls Sie ein Haustier besitzen, das lesen kann, dann wird es sich wahrscheinlich mit Gwin, einem kleinen Marder identifizieren. Sie alle nehmen den Kampf gegen Capricorn und seine finsteren Gesellen auf und jeder von ihnen wird gebraucht, um ihn zu gewinnen.

Mehr kann ich über den Inhalt des Romans nicht schreiben, sonst müsste ich einen Spoiler an den anderen hängen. Stattdessen möchte ich noch etwas über die Aufmachung des Buches sagen: Jedem Kapitel ist ein Zitat aus einem anderen Buch vorangestellt, das einen Hinweis darauf gibt, worum es in diesem Kapitel geht. Auch in der Geschichte werden andere Bücher erwähnt. Für Vielleser sind diese Bezüge sehr reizvoll, Kinder, die noch nicht so viel gelesen haben, verstehen den Roman aber auch, wenn sie z.B. mit der Erwähnung von “Indianer Joe” nichts anfangen können. Das, was man aus anderen Kinderbüchern wissen muss, um die Geschichte zu verstehen, wird in den Roman eingeflochten. Am Ende jeden Kapitels gibt es eine kleine Illustration. Außerdem ist das Cover sehr schön gestaltet. Das Buch hat ein Lesebändchen, denn wie Tante Elinor Meggie erklärt, darf man Bücher nicht aufgeschlagen liegen lassen, weil man ihnen sonst den Rücken bricht, und es hat ein dunkelrotes Vorsatzblatt. Es müssen dunkle Vorsatzblätter sein, meint Mo, und am besten dunkelrote, wenn man ein solches Buch aufschlägt, dann ist es als ob im Theater der Vorhang aufgeht. Und damit hat er vollkommen Recht…

The Titan's Curse von Rick RiordanBei dem Auftrag, ein Geschwisterpaar von Halbgöttern sicher ins Camp zu bringen, wird Annabeth von einem uralten Feind entführt, der mit Kronos im Bunde steht. Doch das ist nicht Percys einziges Problem. Neben Annabeth verschwindet auch die Göttin Artemis, die den Olymp als einzige überzeugen kann, sich gegen die drohende Gefahr durch die Titanen zu wappnen. Percy, Halbgöttin Thalia, Satyr Grover und zwei von Artemis’ Jägerinnen machen sich auf den Weg, um Annabeth und Artemis zu finden und zu befreien. Doch die Gefahren sind größer denn je und Verluste scheinen unvermeidlich.

– Annabeth was kneeling under the weight of a dark mass that looked like a pile of boulders. She was too tired even to cry out. Her legs trembled. Any second, I knew she would run out of strength and the cavern ceiling would collapse on top of her. –
Everybody hates me but the horse, S. 106

Im dritten Band von Percy Jackson wird es allmählich ernst. The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) startet düsterer als seine beiden Vorgänger The Lightning Thief (Diebe im Olymp) und The Sea of Monsters (Im Bann des Zyklopen), denn die Bedrohung durch die Monster und den Titan Kronos rückt immer näher. Längst vergessene Kreaturen erwachen aus ihrem Schlaf und bedrohen die Herrschaft der olympischen Götter. Die Stimmung ist sowohl unter den Göttern, als auch unter den Halbgöttern angespannt. Obwohl sich die Handlung in erster Linie um die Rettung von Annabeth und Artemis dreht, baut Riordan im vorliegenden Roman den roten Faden der Buchreihe deutlich weiter aus, wirft gleich mehrere Geheimnisse in den Raum, die auch zum Teil zunächst ungelöst bleiben. All das trägt dazu bei, dass der dritte Band an Spannung gewinnt.

Wie auch die beiden Vorgänger kommt The Titan’s Curse aber zunächst nur langsam in Fahrt und auch die ersten Verluste vermögen keine großen Emotionen auszulösen. Doch gerade als man davon überzeugt ist, das Buch präsentiere sich ähnlich distanziert wie seine Vorgänger, wird man eines besseren belehrt.
Die Götter, die zunächst weiterhin unnahbar wirken und sich bisher nicht gerade als Eltern des Jahres gezeigt haben, treten zum Ende hin endlich einmal stärker in Erscheinung. Sie gewinnen merklich an Substanz und Persönlichkeit und man merkt zum ersten Mal, dass sie tatsächlich die Eltern unserer Helden sind. War es anfangs noch schwierig, emotionale Brücken herzustellen oder gar Sympathien für eine der Gottheiten zu entwickeln, werden einem im Verlauf von The Titan’s Curse gleich mehrere zur Auswahl geboten.

Einen besonders charmanten Auftritt geben sich die Göttin der Jagd, Artemis, und ihre ewig Kind bleibenden Jägerinnen, die mit Frauenpower – oder in diesem Fall Mädchenpower – nicht nur den Monstern das Fürchten lehren. Das selbstbewusste Auftreten der Jägerinnen, deren Gruppe ausschließlich und absichtlich nur aus Mädchen besteht, sorgt auch immer wieder für Momente zum Schmunzeln. Als Jägerinnen im Dienste von Artemis haben sie alle der romantischen Liebe abgeschworen und tragen ihre emanzipierte Denkweise gerne und ausgiebig zur Schau. Das sorgt für unterhaltsame Gefechte zwischen ihnen und der männlichen Belegschaft, aber auch mit den Töchtern der Aphrodite lassen sie gerne einmal die Fetzen fliegen. Es ist einfach amüsant, Percys sarkastischen Gedanken zu folgen, wenn die Jägerinnen ihm einmal mehr unter die Nase reiben, dass er als Junge nun wirklich nicht das große Los gezogen hat. Trotzdem artet es nie in ein Frauen-vs.-Männer-Bashing aus, sondern wird zu einem gut ausbalancierten Geflecht weiblicher und männlicher Stärke, die gleichberechtigt miteinander funktionieren.
In diesem Zusammenhang lernt der Leser auch Artemis’ Zwillingsbruder, den Gott Apollo, kennen. Apollo ist das ganze Gegenteil seiner Schwester: großspurig mit einem Ego so groß wie die Welt, ein Charmeur, der die gewählte Enthaltsamkeit seiner Schwester so gar nicht teilt und auch gerne mal einen Flirt mit einer der Jägerinnen versucht. Daneben gibt er mittelmäßige Gedichte zum Besten, fährt einen buchstäblich heißen Wagen und wirkt wie ein Teenager mit zuviel Energie.
The Titan’s Curse lebt daher vor allem durch die gegensätzlichen Charaktere, die sich hier gegenübertreten und für viel Wirbel sorgen. Mit diesen und anderen neu eingeführten Figuren bringt Riordan außerdem gänzlich neue Möglichkeiten und Zweifel beim Leser auf den Plan. Keiner ist so schlicht, wie er im ersten Moment wirkt.

Ein ganz großes Plus des Buches ist die Weiterentwicklung der Mythologie. Wurde in den vorigen Bänden hauptsächlich bereits Bekanntes neu nacherzählt und im Prinzip auf gleiche Weise erlebt, so bewegt sich Riordan diesmal erfreulicherweise aus den Schablonen der Geschichte heraus und erzählt etwas neues mit alten Bekannten. Vorbei das Zähneknirschen, wenn man sich als Leser fragte, ob so ein Monster nicht aus seiner Vergangenheit gelernt haben müsste.

Zusammengefasst lässt sich sagen, The Titan’s Curse stellt den bisher stärksten Band dieser Buchreihe dar. Es lässt nichts an Humor fehlen, gewinnt aber zusätzlich an Spannung, Innovation und Charakterzeichnung – obwohl die Handlung insgesamt ernster ist als in den Vorgängern. Wer sich also von The Lightning Thief und The Sea of Monsters schon gut unterhalten gefühlt hat, der wird mit The Titan’s Curse noch zufriedener sein.

Cover von Unterland von Wolfgang und Heike HohlbeinAls Michael auf einem Fest des Schriftstellers Herny Wolf eingeladen ist, fühlt er sich unwohl, fürchtet sich vor den Dekorationen, und schließlich ereignet sich dort eine schreckliche Katastrophe. Und Michael erinnert sich an das, was er zusammen mit Wolf erlebt hat: Als er sich während eines Schulausflugs in die Katakomben der Stadt davonstiehlt und auf den Schriftsteller trifft, brechen sie durch eine Kammer und gelangen in ein Labyrinth voll von endlosen Gängen und unheimlichen Monstern. Und tief unter der Erde entdecken sie eine Stadt und Menschen, die ein Leben wie in vergangenen Zeiten führen. Doch Böses bedroht diese Stadt, und auf ihr, Michael und Wolf lastet ein schreckliches Geheimnis …

-Es war ein Gesicht wie aus einem Alptraum; einem jener Alpträume von der ganz besonders unangenehmen, hartnäckigen Sorte, die normalerweise von Schüttelfrost und Krämpfen begleitet kommen und im Grunde schon ins Reich der Fieberphantasien gehören …-
Das Fest

Hätte ich das Buch nicht geschenkt bekommen und mich irgendwie verpflichtet gefühlt, es zu lesen, hätte ich es wohl irgendwann abgebrochen. Aber so hab ich mich überwunden und irgendwoher die Geduld aufgebracht, es zu Ende zu lesen.
Über 700 Seiten lang verfolgt man das Umherirren von Michael in der oberen und unteren Welt. Die Handlung ist dabei genauso hanebüchen wie langweilig. Allein die glücklichen Zufälle treiben einen fast zum Wahnsinn, denn egal welche Gefahr auch immer auftaucht, stets entkommt der Held in letzter Sekunde oder wird gerettet. Klar, dass da keine Spannung aufkommen kann. Ein paar durchaus lustige Stellen (wenn z.B. ein Irrlicht seinen “Bruder” aus einem Fernseher befreien will) können hier aber auch nicht viel retten. Das große Finale am Ende kommt dann ebenso lasch und fade daher wie der Rest des Buches. Die “große Offenbarung”, mit der die Handlung aufgelöst wird, wird vom Leser nach den endlosen Seiten klaglos hingenommen, egal wie seltsam sie auch ist. Bei einem Fantasyroman ist ja man durchaus gewillt, sich “fantastischen” Möglichkeiten zu öffnen, das ist aber noch lange kein Freibrief, alles Mögliche (und Unmögliche) irgendwie zu verarbeiten und dabei mangelnde Logik mit Magie auszugleichen.
Die Figuren bleiben ebenso blass wie die Handlung, selbst an Michael geht die Handlung fast spurlos vorüber. Die Aktionen Henry Wolfs sind bar jeder Logik, zwar wird am Ende einigermaßen deutlich, worum es geht, dennoch würde kein normal denkender Mensch sich so verhalten.
Hohlbeins Stil ist der jugendlichen Zielgruppe angepasst, einige Stellen und Ausdrücke erscheinen recht eigenwillig und das allgegenwärtige “weißt du?” am Ende eines Satzes nervt auf Dauer. Selbst die Unterweltler hängen es an ihre Sätze. Nebenbei fragt man sich, wie eine seit fünfhundert Jahren unter der Erde lebenden Kulur, die äußerlich im Mittelalter stehen geblieben zu sein scheint, auf moderne Begriffe wie terrorisieren kommt.
Alles in allem ein “unterirdischer” Roman, den man nicht kennen muss.

Vampireology - The true History of the FallenVampireology ist ein weiterer fiktiver Erfahrungsbericht aus der ‘ology-Reihe. Diesmal entführen uns die ebenso fiktiven Autoren Archibald Brooks (verschollen) und Joshua T. Kraik (Brooks auserwählter Nachfolger) in die düster-schaurige Welt der Vampire.

– Moloch is smitten with a shaft of divine lighting and crumbles to ashes. The cowering Belial is lifted by his ankle; his Throat is slit and his Body drained in Bloode. –

In den letzten Jahren, spätestens seit Romane wie Twilight (Bis(s) zum Morgengrauen) das Licht der Buchwelt erblickten, hat das Image des Vampirs eine denkwürdige Wendung vollzogen. Einst als nach Blut dürstende, hungrige Bestie gefürchtet, glitzert er heute im strahlenden Sonnenlicht, verliebt sich in die Menschen, die seine Beute sein sollten und ist allzu keusch, ehrenhaft und sanftmütig geworden. Man möchte diese neuen, höchst anmutigen Vampire beinahe für ihr unverstandenes Wesen und ihren nie enden wollenden und scheinbar hoffnungslosen Kampf gegen ihre ach so grausame Natur bemitleiden. Vampireolgy – The true History of the Fallen besinnt sich nun auf die Ursprünge des Vampirismus, erinnert an die dämonische Seite dieses untoten Raubtiers und schafft damit einen Gegentrend zu den romantischen Schmachtvampiren von heute. Die Stärken und Schwächen dieser “Fallen Ones”, wie sie im Buch genannt werden, werden schamlos beleuchtet und von den handschriftlichen Notizen Joshua Kraiks kommentiert.

Man ahnt es nun vielleicht schon, Vampireology ist, ähnlich wie z.B. Dragonology (Drachologie) aus der selben Reihe, kein klassisches Artbook wie man sie sich üblicherweise vorstellt. Viele Illustrationen werden hier geboten, jedoch auch eine durchgehende Handlung und, das dürfte die große Besonderheit sein, eine haptische Reise für die Hände.
Die gewohnt aufwendige Aufmachung beginnt auch schon mit dem Hardcover-Einband in schwarz-roter Lederoptik, die das Buch zunächst wie ein edles altes Notizbuch wirken lässt, mit einer changierenden Struktur im Hintergrund. Darauf befinden sich, in symbolisch clever gewählter silberfarbener Prägung, Titel und Rahmen nebst einer ersten düsteren Illustration. Diese wird durch zwei rote Glassteine verziert, die thematisch passend an Blutstropfen erinnern.

Schon auf der ersten Doppelseite geht es dann richtig los. Eine Fülle an Informationen sowie die Beweggründe und schließlich auch das Verschwinden des Verfassers (Archibald Brooks) erwarten den Leser auf scheinbar vergilbten, faserigen Seiten, auf denen zahlreiche Notizen zusätzlich eingeklebt wurden. Letztere kann und muss man tatsächlich aufklappen, umklappen und herausziehen, wenn man alle Details kennen will. Die Gestaltung ist ein wahrer Hochgenuss für jeden, der gerne stöbert und erforscht. So viel zusätzliches Material zum Haupteintrag des Verfassers tummelt sich auf jeder Seite, dass allein die Sichtung der ersten Doppelseite schon gute zwanzig Minuten in Anspruch nahm. Dazu sollte man sagen, es ist eine im Vergleich zum späteren Verlauf noch spärlich bestückte Doppelseite.
Das vielfältige Zusatzmaterial besteht hierbei aus schwarzweißen Fotos, wissenschaftlichen Illustrationen verschiedener brauchbarer Pflanzen im Kampf gegen den Vampir (allen voran natürlich der wilde Knoblauch), erklärenden Skizzen, alt wirkenden und wie aus einem Märchenbuch anmutenden, fein ausgearbeiteten Zeichnungen, düsteren Aquarellen im Stil des Covers, eingeklebten Tütchen mit Perlen oder Drachenhaut darin (es gibt Vampire, die das Gestaltwandeln beherrschen) … es sind unzählige Kleinigkeiten, die das Buch so spannend und langlebig machen. Auf einer Seite wurde dem Blatt beispielsweise ein ausgeschnittener Zeitungsartikel hinzugefügt, klappt man ihn um, erkennt man die abgeschnittenen Teile von Suchanzeigen. Der Charme liegt bei Vampireology ganz klar in den unzähligen kleinen Details. So vieles gäbe es über diesen Band noch zu berichten, doch das würde den Rahmen einer Rezension bei weitem sprengen.

Vampireology Innenseite
Quelle: www.ologyworld.com

Trotz der schicken Aufmachung und der großzügigen Anzahl an Spielereien sollte man nicht anfangen zu glauben, es handle sich hier um ein Buch, das eher etwas für die Kleinen ist. Stellenweise geht es in Vampireology wenig beschönigend zur Sache. Da gibt es mythologische Hintergründe zum Ursprung des Vampirs und seinen verschiedenen Erscheinungsformen, ja sogar eine Weltkarte mit dem räumlichen und zeitlichen Verlauf seiner Ausbreitung. Vieles davon dürfte für Kinder noch ein wenig zu anspruchsvoll sein, manches auch nicht kindgerecht.

Insgesamt hat dieses Buch nur 30 Seiten, und man wird im ersten Moment denken, das könne das Geld kaum wert sein, doch diese Seiten sind randvoll mit Informationen. Durch die vielen eingeklebten Schnipsel etc. wächst das Buch gewissermaßen in Ebenen gelagert in die Höhe. Sie machen das Buch nicht nur interaktiv und zu einem fühlbaren Vergnügen, sie dehnen die Lesedauer auch gewaltig aus. Ohne Pausen betrachtet, beschäftigt dieses Buch seine Leser gut und gerne einen ganz Tag lang, wenn nicht noch länger. Dabei lädt es zum wiederholten Stöbern ein, denn man erfasst oft erst bei erneuter Betrachtung, dass man zuvor doch noch einiges übersehen hatte.

Was kann man als Schlussatz nun also zu Vampireology sagen? – Es ist eine rundum gelungene, wunderschöne und faszinierende Gesamtkomposition aus Gestaltung, fiktiven Erlebnissen, aber auch real existierenden Sagen und Legenden aus verschiedenen Kulturen, die einen überraschend lange unterhält.

Cover des Buches "Die Vögel der Finsternis" von Victoria HanleyDie siebzehnjährige Maeve arbeitet als Sklavin im Badehaus von Lord Indol. Als der sie an den grausamen Lord Morlen verkauft, flieht Maeve. Ungefähr zur gleichen Zeit treffen auf der Burg der Heiler drei Jugendliche ein, die dort entsprechend ihrer Gaben ausgebildet werden sollen. Die sechzehnjährige Saravelda ist die Tochter von Königin Torina und möchte gerne eine heilende Tänzerin, ein Trianer, werden. Dorjan, ein Ausländer, fühlt sich zum Genovener berufen, das sind die Heiler der Träume und dann gibt es noch Bern. Bern besitzt keine heilende Gabe, sondern er möchte wie seine Tante ein Drade werden. Draden kümmern sich um alle organisatorischen und profanen Dinge in der Burg und wachen außerdem über die Einhaltung der Gesetze. Doch die letzte Entscheidung über die Ausbildung der Neuankömmlinge trifft die Mystikerin, die als Einzige erkennen kann, wozu jeder der Drei bestimmt ist. Noch bevor die Kandidaten ihre Ausbildung beginnen können müssen sie erfahren, dass ungewöhnliche Dinge auf der Burg vorgehen. Es stellt sich heraus, dass Maeve, Saravelda und Dorjan durch die Vergangenheit miteinander verbunden sind. Gemeinsam kämpfen sie gegen den Schattenkönig, der sich König Landens Reich untertan machen will.

– Maeve ließ sich auf eine schmale Bank sinken. Die harten Bretter boten ihren schmerzenden Gliedern kaum Erleichterung, aber wenigstens konnte sie hier, im Hinterzimmer des Badehauses, ein wenig ausruhen.-
Teil 1 Sliviia, Kapitel 1

Die Vögel der Finsternis (The Healer’s Keep) ist die Fortsetzung von Das Auge der Seherin und reicht leider nicht ganz an seinen Vorgänger heran. War der erste Band originell und hochspannend, weil Torinas magisches Hilfsmittel, die Kristallkugel, ihr oft eigensinnig den Dienst verweigerte und der böse Gegenspieler bis zum Schluss eine reelle Chance hatte zu siegen, so läuft in diesem Roman alles ziemlich glatt. Natürlich gibt es Gefahren, die überwunden werden und Finsterlinge, die besiegt werden müssen, aber man hat nie das Gefühl, dass die Helden in eine aussichtslose Situation geraten.
Träume bringen Unheil, aber in Form von Traumreisen auch Hilfe. Relativ spät erfährt der Leser, dass nur zehn Traumreisen zur Verfügung stehen, aber dann ist auch schnell klar, dass mehr als zehn nicht benötigt werden. Als ein magisches Messer gebraucht wird, ist auch das rettend zur Stelle und Torinas Kristallkugel funktioniert mittlerweile immer dann, wenn sie sie braucht und ist den Kristallkugeln der anderen Seher des Landes somit überlegen. Außerdem wiederholt sich Hanley, wie schon in Das Auge der Seherin gibt es auch hier einen falschen Freund.

Natürlich hat Victoria Hanley nicht plötzlich das Schreiben verlernt. Die Geschichte ist immer noch spannend und gut erzählt, aber leider ist Hanley in die ausgetretenen Pfade der Fantasy hineingeraten und kann so nicht die Erwartungen erfüllen, die sie mit Das Auge der Seherin geweckt hat.

Cover von Die Wellenläufer von Kai MeyerAls ein magisches Beben die Küsten der Karibik erschüttert, werden in den Piratenhäfen Kinder geboren, die ungewöhnliches Talent besitzen. Sie können über das Wasser gehen.
Nach vierzehn Jahren, glaubt Jolly, dass sie die einzige Wellenläuferin ist.
Doch als sie Munk begegnet – der ebenfalls auf dem Wasser geht und aus Muscheln einen alten Zauber erwecken kann – belehrt das Schicksal sie eines besseren. Den beiden Wellenläufern steht ein schweres Schicksal bevor: Im Atlantik dreht sich ein riesiger Mahlstrom, den nur die beiden Freunde wieder verschließen können.

– Mit weiten Schritten lief Jolly über den Ozean.-
Die Quappe

Nach knapp zweitausend Jahren schreibt ein Autor zum erstenmal wieder eine Geschichte über jemanden, der auf dem Wasser gehen kann. Und das Warten hat sich gelohnt, auch wenn Ähnlichkeiten mit lebenden, verstorbenen oder fiktiven Personen nicht rein zufällig sein dürften. Als Quellen, aus denen Kai Meyer seine Inspiration geschöpft haben könnte, bieten sich an: Das Neue Testament, Das Alte Testament, wahlweise Hauffs Geschichte vom Gespensterschiff oder Der fliegende Holländer, und Poe’s A Descent into the Maelstrom. Die mythologische Unterwelt Acheron stand als Namensgeber Pate für das furchterregende Ungeheuer Acherus, dem Jolly und Munk mit knapper Not entrinnen und wie man bei Seneca nachlesen kann, bezeichneten schon die alten Römer den Atlantik als das mare tenebrosum und Festus Avienus behauptete, dies sei der Ozean, auf dem noch nie ein Schiff gefahren sei. Der Name des Schiffes Natividad stammt aus C.S. Foresters Hornblower-Romanen. Und natürlich kennt man die Welt, die Meyer zeichnet, aus sämtlichen Hollywood-Piratenfilmen seit Captain Blood. Die Piratenprinzessin Soledad gleicht bis aufs Haar der Korsarin Feuerkopf Stevens, die Maureen O’Hara in dem Film Gegen alle Flaggen so hervorragend gespielt hat.
Aber alle diese Déjà vus mindern die Qualität des Romans kein bißchen. Erstens werden die jungen Leser, für die der Roman eigentlich gedacht ist, all diese Parallelen nicht wahrnehmen und zweitens hat Meyer keineswegs von diesen Werken und Mythen einfach abgekupfert und Versatzstücke in seinen Roman eingebaut, wie das schlechte Autoren so gerne tun. Meyer ist es gelungen mit Die Wellenläufer einen ganz eigenen Roman zu schaffen, der immer wieder mit neuen Überraschungen aufwartet und dessen Ende nicht vorhersehbar ist. Aufregende und komische Passagen wechseln sich ab. Man darf gespannt sein auf die Entwicklung einer der Hauptpersonen, von der man am Schluß des Buches nicht weiß, ob sie den Weg des Guten oder des Bösen einschlagen wird. Mit dem eigenwilligen Orakel, das abwechselnd dichtet oder rülpst (wobei beide Äußerungen ungefähr die gleiche künstlerische Qualität haben) ist Meyer eine besonders originelle Figur gelungen, die dafür sorgt, daß der Schrecken in dieser Geschichte nicht die Überhand gewinnt. Denn es steht zu befürchten, daß der Tod und Verwüstung bringende Acherus nicht das letzte Ungeheuer ist, das dem unheimlichen Mahlstrom entsteigt.

Die wilde Gabe von Ursula K. Le GuinIm Flachland liegen die großen und kleinen Städte des Landes mit ihren Märkten, ihren Häusern und Straßen; im kargen Hügelland leben die Clans auf verstreuten Höfen. Das Leben dort ist schwer, doch die Clans besitzen die Gabe, eine Form der Magie, die in der Familie von Generation zu Generation weitergegeben wird. Denen, die sie besitzen, verleiht sie eine besondere Fähigkeit. Orrec ist der Sohn eines Clanführers und einer Frau aus den Städten, daher ist es ungewiss, ob er die Gabe besitzt, die notwendig ist, um seinem Vater nachfolgen zu können, und zugleich fürchtet er deren potentielle Kraft. Auch das Mädchen Gry hadert mit dem Einsatz ihrer Gabe.

Zu Die wilde Gabe liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Wirrun zwischen Eis und Feuer von Patricia WrightsonWirrun, ein junger Mann aus dem Volk – den Ureinwohnern Australiens – reist durch das Land seiner Vorfahren und macht dabei eine erstaunliche Entdeckung: Mitten im Sommer findet er Eis, und einen Augenblick lang steht die Welt regelrecht auf dem Kopf.
Wieder zurück in der Großstadt verfolgt er Berichte über mehrere Eisfunde, denen außer ihm niemand Beachtung schenkt. Er stellt fest, daß das Eis nach Süden wandert, und daß es keine natürliche Ursache haben kann. Als er mehr über die Legenden der Ureinwohner erfährt, wird ihm klar, daß die Ninya, uralte Geister des Eises, hinter der Sache stecken. Da niemand sonst darauf aufmerksam geworden ist, liegt es an Wirrun, die Nachricht vom drohenden Eis zu verbreiten und ein Gegenmittel zu finden.

-Das alte Land liegt im Süden der Erde wie eine quer über den Globus gelegte, sanft gewölbte offene Hand.-
Ein junger Mann aus dem Volk: 1. Kapitel

Dieser – eigentlich als Jugendbuch erschienene – Roman ist genau die richtige Kost für Fantasy-Leser, die gerne über den Tellerrand gucken und einmal Fantasy mit anderen als den altbekannten Hintergründen, aber auch mit einer ganz und gar nicht standardmäßigen Heransgehensweise lesen wollen. Dabei klingt die Geschichte im Grunde ganz konventionell – ein junger, unbedarfter Helden-Anwärter muß ausziehen, um das Land vor einer uralten, unterschätzten Bedrohung zu retten, und erhält dabei Hilfe von allerlei phantastischen Gestalten.
Nun ist aber die Kulisse das andere Ende der Welt – Australien – und man begegnet weder erwarteten Funktionsweisen (Held erschlägt Drache, und die Sache ist gegessen), noch irgendwelchen Wesen, die man gleich einordnen kann. Der Bunyip ist da noch das bekannteste Fabelwesen, das den Weg des jungen Wirrun kreuzt, und selbst dieser mutet fremd an und bekommt erst durch die bei seinem Auftreten vermittelte Atmosphäre ein Gesicht. Es gibt also einiges zu entdecken zwischen diesen Buchdeckeln, und das Abenteuer wartet mit unvorhersehbaren Überraschungen auf, weil es nicht nach dem üblichen Schema erzählt ist – Wirruns widerwillige Begleiterin etwa, ein scheuer Felsengeist, wird ihm wortwörtlich mit dem Wind vor die Füße geweht, und bleibt auch fortan ein ‘windiger’, aber hochinteressanter Sidekick.

Wirrun selbst ist eine liebenswerte Hauptfigur, mit der man gemeinsam und etwas unabsichtlich in die Geschichte schlittert, und ganz ohne Heldenpathos wird er zum Kämpfer für das Land, der durchaus seine Fehler macht, und gerade weil er in der Großstadt lebt, nicht besonders versiert in den Bräuchen seiner Vorfahren ist. So steht er oft wie der Ochse vor dem Berg und ist (zum Glück) ähnlich befremdet wie der Leser durch die Dinge, die ihm im Laufe seines Abenteuers begegnen. Auch seine Begleiterin, die Mimi, ist mitnichten ohne Fehl – bis zum Ende bleibt sie widerwillig, kratzbürstig und vor allem sehr fremd: Wie allen Erdgeistern, mit denen man es im Laufe der Geschichte zu tun bekommt, haftet ihr nur wenig Menschliches an. Dabei gibt es aber durchaus witzige Gesellen unter den ganzen seltsamen Gestalten, und die Reise durch das  fermdartige und von allerlei Geisterwesen bewohnte Land ist alles andere als langweilig.

Der charmante Humor der Autorin tritt auch zu Tage, wenn sie das Verhältnis von Weißen und Aborigines beleuchtet. Die Großtstadtmenschen, von den Ureinwohnern ganz treffend als Glückssucher bezeichnet, geben alles in allem ein eher lächerliches Bild ab – dennoch geht Wrightson mit dem Thema sehr sensibel um und vermittelt ohne anzuklagen Stimmungen.
Letzteres gelingt ihr in jeder Hinsicht, denn die wunderschöne, bildreiche Sprache verleiht der phantastischen Seite Australiens erst richtiges Leben. Ein actiongeladenes Spektakel sollte man allerdings von Wirrun zwischen Eis und Feuer (The Ice Is Coming) nicht erwarten, die Geschichte plätschert eher ruhig durch die traumartige Landschaft und bezieht ihre Spannung aus Kleinigkeiten und der Entdeckerlust in der erfrischenden Fantasywelt des fünften Kontinents.

Das Zauberhaus von Peter S. BeagleAls die Mutter der 13jährigen Jenny erneut heiratet, steht ein Umzug ins ländliche England an. Jenny ist außer sich vor Wut, denn das ohnehin mit sich und der Welt  unzufriedene Mädchen muß New York verlassen, ihre geliebte Katze Herr Kater muß für Monate in Quarantäne und sie hat überhaupt keine Lust auf ein Leben auf dem Bauernhof mit einem Stiefvater und zwei neuen Stiefbrüdern.
Doch kein Wutanfall hilft – Jenny findet sich bald auf dem alten, halb verfallenen Gut wieder. Und obwohl sie gewillt ist, den Rest ihrer Tage zu schmollen, kann sie sich der unheimlichen Magie des alten Anwesens nicht entziehen: Seltsame Dinge geschehen, und alte Sagen von Boggarts, Pookas und Geistern scheinen wahr zu werden…

-Als ich ganz klein war, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als unsichtbar zu sein. Ich saß im Klassenzimmer und träumte mit offenen Augen davon, so wie andere Kinder davon träumten, Filmstar oder ein berühmter Basketballspieler zu sein.-
Eins

Peter S. Beagle glänzt nach wie vor mit einer der schönsten Erzählstimmen des Fantasy-Genres. Er war allerdings nie ein Vielschreiber, und thematisch hat er sich in den letzten Jahren eher in unserer Welt eingefunden, deren magische Aspekte er wie kein zweiter herausstellen kann, als in anderen Fantasy-Welten. In Das Zauberhaus (Tamsin) ist er wieder auf der Höhe dieser Kunst, und mit seiner jugendlichen Protagonistin wirkt der Roman vielmehr wie eine Anknüpfung an He! Rebeck!, die auch für jüngere Leser von Interesse sein könnte, als daß es Parallelen zu Beagles anderem großen Erfolg Das letzte Einhorn gäbe.
Dennoch kann man wortwörtlich vom ersten bis zum letzten Satz in einer anderen Welt aufgehen – der Welt von Jenny Glücksstein. Mit der Stimme der Protagonistin berichtet Beagle die Ereignisse auf der Stourhead Farm, und mit einer geradezu sensationellen Einfühlungsgabe bringt er dem Leser die Ängste, Leidenschaften, Fehler und Heldentaten einer Dreizehnjährigen nahe, die man schon nach wenigen Seiten persönlich zu kennen glaubt. Das macht vielleicht sogar sehr viel mehr Spaß, wenn man mit einem Augenzwinkern auf die Zeit des Dreizehn-Seins zurückblicken kann. Durch ihren meistens gegen sich selbst gerichteten Humor und vor allem ihre verschämte Ehrlichkeit wächst Jenny dem Leser recht schnell ans Herz.

Die Stourhead-Farm ist ein erstaunlich mystischer Erzählort, der dennoch ganz fest im ländlichen England und seiner Geschichte verwurzelt ist. Ohne Bruch und ganz natürlich tut sich die Welt der Geister auf und zieht Jenny und den Leser in ihren Bann, und die netten (und weniger netten) englischen Fabelwesen sind liebevoll in die Geschichte eingefügt. Wichtige Rollen in diesem Roman sind Themen zugedacht, die auch in Beagles früheren Werken eine Rolle spielen – Katzen, Musik und natürlich Geistern. Eine gute Recherche in der englischen Geschichte und viele Anspielungen auf das Werk Thomas Hardys (die aber keine Voraussetzung zum Verständnis der Handlung sind – über die englische Sagenwelt sollte man dagegen schon das ein oder andere gehört haben) komplettieren die Geschichte um einen Geist, der wegen eines alten Greuels noch an diese Welt gebunden ist. Die Auflösung dieses Fluchs erfolgt Puzzelstück um Puzzlestück.

Daß Beagle seine poetische Sprachkunst auch in den Worten eines jungen Mädchens ausspielen kann, ohne unglaubwürdig zu wirken, ist beeindruckend, dabei springen gerade auch in der deutschen Übersetzung an einigen Stellen geschickte Lösungen regelrecht ins Auge (auch wenn man nach dem Drachen auf dem Cover der deutschen Ausgabe im Text vergeblichen Ausschau halten wird).
Das Ende des Romans sticht noch einmal besonders hervor – es ist sozusagen ein Geschenk an alle Liebhaber erfundener Geschichten und des Märchenhaften im Alltag.

Ziemlich viele Prinzessinnen von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

Zu Ziemlich viele Prinzessinnen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.