Artemis Vater hat der russischen Mafia ins Handwerk gepfuscht und gilt seitdem als verschollen. Durch diese Unternehmung ist das Fowlsche Familienvermögen erheblich geschrumpft. Arm kann man Artemis und seine Mutter nun nicht gerade nennen – aber Milliardäre sind sie nicht mehr. Also beschließt Artemis die Einkünfte wieder aufzustocken. Der hochbegabte Junge faßt einen ebenso genialen wie verbrecherischen Plan: Er will eine Elfe kidnappen, um an das sagenhafte Elfengold zu gelangen.
-Ho Chi Minh City im Sommer. Unerträglich heiß und drückend. Artemis Fowl hätte selbstverständlich solche Unannehmlichkeiten niemals auf sich genommen, wenn nicht etwas ungeheuer Wichtiges auf dem Spiel gestanden hätte.-
Kapitel 1: Das Buch
Artemis Fowl ist ein Antiheld, aber nur fast: Ein blasses zwölfjähriges Kerlchen, das zuviel Zeit vor dem Computer verbringt, skrupellos seinen genialen Plan verfolgt und von einem gewalttätigen, ihm treu ergebenen, Leibwächter beschützt wird. Bei näherem Hinsehen ist Artemis aber keineswegs so skrupellos, wie es auf den ersten Blick scheint und wie er es gerne von sich selbst glauben möchte. Der Junge leidet unter dem Verlust seines Vaters und unter der psychischen Krankheit seiner Mutter und erkennt daher folgerichtig am Ende der Geschichte, daß Geld nicht alles im Leben ist. Aber vorher muß er sich noch mit den Unterirdischen herumschlagen, wobei das “Herumschlagen” hauptsächlich von seinem Leibwächter namens Butler übernommen wird. Artemis hat zwar einen scharfen Verstand, aber anscheinend hat er sein Körpertraining sträflich vernachlässigt, so daß ihn sogar eine kaum ein Meter große Elfe mit einem gezielten Schlag auf die Nase zu Boden schicken kann. Peinlich, peinlich. Die Elfe heißt Holly, ist der erste weibliche Officer bei der ZUP, der Polizei der Unterirdischen, und hat meistens Ärger mit ihrem Vorgesetzten, Commander Root, da sie des öfteren die Vorschriften außer acht läßt. Jetzt gerade hat sie es schon seit längerem versäumt, ihre Magie aufzuladen, was dazu führt, daß sie von Artemis gekidnappt wird und Commander Root höchstpersönlich in Aktion treten muß, um Holly zu retten. Es entspinnt sich ein Kampf zwischen Artemis und den Unterirdischen, der stellenweise recht gewalttätig geführt wird, aber bei dem letztendlich niemand wirklich zu Schaden kommt und bei dem ein pupsender Mulch eine zentrale Rolle spielt. Spätestens an dieser Stelle sollte man als Leser erkennen, daß die ganze Geschichte mit Augenzwinkern und Ironie erzählt wird. Ansonsten könnte man Artemis Fowl anstatt für einen humorvollen James-Bond/Star-Trek/Krimi-Verschnitt für die Verherrlichung jugendlichen, gewalttätigen Verbrechertums halten und würde damit dem Buch bitter Unrecht tun.
Um dieses Buch zu mögen, darf man nicht ironieresistent sein (bzw. man muß alt genug sein, um Ironie zu verstehen) und man darf sich nicht an Welten stören, die von Technik bestimmt sind, denn die Welt der Unterirdischen, wozu Elfen, Zentauren, Mulche und Trolle gehören, hat hier nichts Romantisches. Die Technik ist weiter fortgeschritten als in der Menschenwelt und in der ZUP herrscht ein militärischer Kommandoton, jedenfalls dann, wenn alle sich an die Dienstvorschriften halten. Der Ablauf des Einsatzes erinnert an die Star-Trek-Abenteuer. Es wird zwar niemand von einem Raumschiff auf einen Planeten hinuntergebeamt, aber die Unterirdischen werden aus dem Erdinneren auf die Erde hinaufbefördert. Als etwas schiefgeht, wird eine Bergungseinheit hinterhergeschickt, die nicht wirklich erfolgreich ist (und deren Mitglieder hauptsächlich daran interessiert sind, daß ihre Mama stolz auf sie ist) und schließlich müssen die verantwortlichen Offiziere die Sache selbst in die Hand nehmen.
Wenn Sie sich mit einem verletzlichen, aber arrogant wirkenden, hochbegabten, alles und jeden herumkommandierenden, reichen, halbwüchsigen Kriminellen anfreunden können und Sie keine Abneigung gegen Technik hegen, dann bietet Ihnen Artemis Fowl eine unterhaltsame Lektüre.