Feuerfrost

Feuerfrost von Alan GarnerSusan und Collin kommen in den Ferien nach Alderley, wo sie bei Bauern Gowther Mossock und seiner Frau Bess leben. Schon am ersten Tag, als sie den von Legenden umrankten Berg Edge erkunden, begegnen sie sehr sonderbaren Gestalten: Einer unangenehmen Frau, welche die beiden ein Stück im Auto mitnehmen will und merkwürdiges Zeug redet, dem garstigen Gezücht von Ymir und dem Zauberer von Alderley, der ihnen erklärt, was an einer Sage dran ist und warum es für die Zukunft der Welt wichtig ist, daß er den magischen Stein Feuerfrost wieder bekommt. Es scheint, als haben die Kinder etwas damit zu schaffen – oder warum erhalten sie sonst so viel Aufmerksamkeit von der Morthsippe?

-Vor langer, langer Zeit ritt früh am Morgen eines stillen Oktobertags ein Bauer aus Mobberley über den Alderley-Berg zum Markt nach Macclesfield.-
Eine Sage aus Alderley

Alderley und der Edge liegen in Cheshire nahe Manchester – in einem sehr ländlichen Gebiet. Weitere Teile sind mit Wäldern bewachsen, es gibt Sumpfland und einen großen See – den Lindow. Der Edge ist ein Berg, in dem viele Kupferminen gegraben wurden. Alle im Buch besuchten Orte sind real, wer mag, kann dort Urlaub machen. Die Geschichte trägt sich in der Gegenwart zu, auch wenn sie mit wenigen Ausnahmen auch im Mittelalter stattfinden könnte.
Die Geschichte quillt vor magischen Elementen geradezu über: mit Ausnahme des ersten Kapitels tauchen in jedem welche auf. Diese sind aus der Mythologie der britischen Inseln geschöpft, vieles stammt aus der Mabinogion-Tradition, einiges aus dem Artus-Kreis. Es gibt in einem Hügel schlafende Ritter, die in der Zeit höchster Not zurückkehren (Artus), einen weisen Zauberer, der sie wecken soll (Merlin), eine verzauberte, schwimmende Insel, Maras (Trolle), die Morthsippe (Hexen und Dämonologen), Zwerge, Lichtelfen und natürlich die Svart-Alfar, widerwärtige, böse menschenartige Wesen von knapp einem Meter Größe mit dünnen, sehnigen Körpern. Alle Elemente aufzuführen oder gar herzuleiten wäre sehr aufwendig – in diesem Interview gibt Garner einen Einblick. Die Legenden, die sich um die besuchten Orte ranken, sind ebenfalls authentisch.

Figuren gibt es viele. Im Laufe der Ereignisse treten immer weitere neue Figuren auf. Susan und Collin sind zwei noch recht kindliche Schüler, die in die Obhut von Gowther und Bess gegeben werden. Susan ist zunächst etwas furchtsamer als Collin, später wandelt sich dies. Rechtschaffenheit und Neugier zeichnet die beiden aus. Gowther ist ein Bauer wie aus dem Bilderbuch – vierschrötig, erdverbunden und pragmatisch – seine Frau eine bloße Randfigur. Die Zwerge Fenodyree und Durathos sind kleine Krieger – Fenodyree ist wissend und vorsichtig, Durathor ist tollkühn und kampfeslustig. Schon diese Figuren werden nur schwach charakterisiert und agieren eher im Rahmen eines Märchens denn der phantastischen Literatur plausibel; die weiteren Figuren kommen über den Status des Funktionsträgers nicht hinaus: Morrigan ist die böse Oberhexe, Grimnir der pervertierte hermetische Magier etc. Ausgefeilte Figuren bietet die Geschichte nicht. Das stört in dieser Geschichte allerdings nicht sonderlich, da die Aufgabe soviel größer ist, als die Figuren es sind.

Die Geschichte dreht sich um den magischen Stein Feuerfrost. Wenn er dem Herren der Morthsippe in die Hände fällt, könnte er ein mächtiges Werkzeug der guten Seite ausschalten. Zunächst geht es darum, den Stein zu finden, denn er wurde vor langer Zeit dem Zauberer gestohlen, und dann muß er zurückgebracht werden – es ist also eine Queste. Die Geschichte steigt schnell in den Plot ein, schon im zweiten Kapitel gibt es die erste Herausforderung. In der ersten Hälfte der Geschichte purzeln die Plotpunkte nur so, die Ereignisse überschlagen sich geradezu. Die zweite Hälfte wird zwar von Action dominiert – man flüchtet, versteckt sich, klettert und kämpft – doch der Plot kommt nur sehr langsam voran, auch verliert die Geschichte an Spannung, da sie zu unvorhersehbar wird.

Verblüffend ist die große Ähnlichkeit der Geschichte zu Tolkiens Hobbit und Herrn der Ringe. Dem Leser werden hier viele Bilder präsentiert, die sich wohl aus denselben Quellen speisen. Ein magischer Gegenstand darf dem Herren der bösen Seite nicht in die Hände fallen, da sonst das Schicksal der Welt bedroht ist. Eine kleine Gruppe von Gefährten macht sich auf, dies zu verhindern. Sie werden von Scharen widerwärtiger, häßlicher nachtaktiver Schergen verfolgt. Sie begegnen Trollen, die bei Nacht mächtig sind und im Sonnenlicht zu Stein erstarren. Eine Elfenherrin gewährt ihnen Schutz vor Verfolgern und langanhaltende Speisung und leichte Mäntel, die wärmen und nahezu unsichtbar machen. Es gibt noch einige weitere Parallelen.

Die Moderne spielt leider fast keine Rolle, man merkt es weder den Kindern noch den Bauern an. Hier wurde eine wunderbare Gelegenheit zur Konfrontation von Magie und Moderne, altmodischer Rückständigkeit und Feenreich verpaßt. Die Kinder wundern sich über fast nichts und scheinen nicht in der Gegenwart verwurzelt zu sein.
Der Stil ist einfach und flüssig, sehr angemessen für junge Leser; die mythischen und realen Orte werden sehr stimmungsvoll geschildert und manche Vorfälle sind unheimlich und bedrohlich erzählt.

Stand: 06. Juni 2012
Originaltitel: The Weirdstone of Brisingamen
Erscheinungsjahr: UK 1960, D 1984
Verlag: Diederichs
Übersetzung: Werner Schmitz
ISBN: 3-424-00779-X
Seitenzahl: 255