Das Auge der Seherin

Cover des Buches "Das Auge der Seherin" von Victoria HanleyVon den Kindern Königin Dreeas hat nur eine Tochter, Prinzessin Torina, überlebt.  Ihr Mann, König Kareed, hat soeben Bellandra erobert und dessen König getötet. Landen, den Prinzen, hat er mitgebracht und schenkt ihn Torina als Sklaven, die ihn frei lässt. Torina erhält außerdem eine Kristallkugel, mit der sie in die Zukunft sehen kann. Die Kinder freunden sich an, doch als sie heranwachsen, wird die Beziehung kühler. Die Prinzessin verliebt sich in Vesputo, einen Hauptmann ihres Vaters, der geeignet scheint, Thronfolger zu werden. Die Hochzeit steht kurz bevor, als König Kareed ermordet wird. Landen flieht und Vesputo schickt ihm Häscher hinterher. Torina ist erschüttert, sie hat die Tat in ihrer Kugel gesehen, ohne es verhindern zu können. Nun ist auch sie in Gefahr.

-Auf Archeld, dem Schloss des Königs, saß Dreea, die Königin, und webte. Im ganzen Königreich pries man die ausdrucksvollen Muster ihrer Teppiche. Sie zeugten von einer verhaltenen Leidenschaft, die sich jedoch nie in Mimik oder Stimme der Königin verriet.-
1. Kapitel

Das Auge der Seherin (The Seer ans the Sword) ist ein packender Abenteuerroman, den nur Torinas Kristallkugel und ein besonderes Schwert zu einem Fantasyroman machen und genau das ist auch der Grund, warum diese Geschichte so gut und so spannend ist. Es gibt keine Helden, die mit Zauberkräften begnadet sind, die sie bei jeder passenden Gelegenheit siegreich einsetzen können und deshalb gibt es auch nicht diese unsäglich einfallslosen Episoden, in denen irgendeine gar schreckliche Gefahr plötzlich aus dem Busch springt, die der Held umgehend ohne viel Federlesens beseitigt, worauf die nächste Gefahr um die Ecke prescht und so weiter, bis das Böse vernichtet ist.

Torina sieht nur, was die Kristallkugel ihr gestattet zu sehen. So ist es ihr unmöglich, ihr eigenes Schicksal vorauszusehen. Die Kristallkugel zeigt ihr auch nicht, was Torina selbst erkennen könnte, wenn sie ihre Umwelt nur genau beobachten und richtig beurteilen würde und wenn die Prinzessin dann tatsächlich drohendes Unheil voraussieht, dann ist es keineswegs sicher, dass sie es auch verhindern kann, manchmal gelingt es ihr und manchmal nicht, dies macht die Geschichte so außerordentlich spannend. Außerdem trägt zur Spannung bei, dass Frauen und Männer, die Helden und die Schurken einander ebenbürtig sind. Torina ist genauso mutig und intelligent wie die Männer, so dass man hoffen darf, dass sie sich auch aus aussichtslos erscheinenden Situationen retten kann und man muss immer fürchten, dass der gerissene und skrupellose Bösewicht die Oberhand behält.

Es gibt Tote in diesem Buch und eine Szene ist durchaus fragwürdig, aber die Gewalt sprengt nicht den Rahmen dessen, was zu einem zünftigen Abenteuerroman nun einmal dazugehört, im Gegenteil: Das von Kaared zerstörte Königreich und dessen König werden als vorbildlich dargestellt, denn Bellandra war ein friedliches Land, in dem die Kampfkünste nur als Sport geübt wurden, in dem die Menschen glücklich lebten und wo es keine Kriege gab.
Es gibt kein Schlachtgemetzel in diesem Buch und ein bevorstehender Krieg wird durch eine List abgewendet, die nur wenige Menschenleben kostet.
Die Romantiker unter den jungen Lesern dürfen sich auf eine kleine Liebesgeschichte freuen, die glücklicherweise nicht vor Kitsch trieft. Ein- oder zweimal hat man das Gefühl in einen Robin-Hood-Film geraten zu sein, z.B. beim furiosen Showdown, aber auch diese Szenen steigern die Spannung und sind keine platten, ärgerlichen Plagiate.

Stand: 09. September 2012
Originaltitel: The Seer and the Sword
Erscheinungsjahr: 2000, dt. 2002
Verlag: Beltz & Gelberg
Übersetzung: Cornelia Stoll
ISBN: 978-3407786579
Seitenzahl: 476