Ananna von den Tanarau ist eine Piratin und Tochter eines hochgestellten Kapitäns. Ihr Leben lang träumte sie davon, eines Tages selbst Kapitänin eines Schiffes zu sein. Als ihre Eltern jedoch entscheiden, sie mit dem Sohn eines anderen Piratenkapitäns zu verheiraten, brennt die junge Frau an ihrem Hochzeitstag kurzerhand auf einem gestohlenen Kamel durch. Im Stolz verletzt schickt die Familie ihres Verlobten einen Assassinen aus, um Ananna zu töten. Doch es kommt alles ganz anders, als sie dem Auftragsmörder versehentlich das Leben rettet und damit einen alten Fluch auslöst, der Ananna und den Assassinen aneinander bindet.
– I ain’t never been one to trust beautiful people, and Tarrin of the Hariri was the most beautiful man I ever saw. (…) Golden skin and huge black eyes and this smile that probably worked on every girl from here to the ice-islands. I hated him on sight. –
Kapitel 1
The Assassin’s Curse ist der Debütroman der Autorin Cassandra Rose Clarke, die gleich in ein ungewöhnliches Setting eintaucht. Piraten auf hoher See treffen auf die Wüste des historischen Orients, wo man wiederum auf Ninja-mäßige Assassinen treffen kann, wenn man Pech hat. Ein wilder Mix von Inhalten und Persönlichkeiten, der jedoch gut funktioniert und sich von den üblichen Handlungsorten klassischer Fantasy positiv abhebt. Dieses Buch mutet an wie ein Crossover von Fluch der Karibik, Prince of Persia und Assassin’s Creed.
Man darf sich dabei über ein subtiles Magiesystem freuen, über Erdmagie, Wassermagie und vor allem die dunkle Blutmagie der Assassinen. Subtil deswegen, weil sich nicht alle Probleme durch Magie lösen lassen und sie eher ein Hilfsmittel im Hintergrund darstellt. Perfekt ausgereift ist das Ganze noch nicht, und bisher steht vor allem die Blutmagie im Vordergrund, doch das Potential ist da und lässt darauf hoffen, dass Band 2 dieser Reihe, The Pirate’s Wish, hier noch mehr ins Detail gehen und die restlichen Magiearten weiter ausarbeiten wird.
Was die Charaktere angeht, so sind diese im doppelten Sinne nicht perfekt. Ananna ist eine starke Frauenfigur, die man im heutigen Jargon mit “kickass” beschreiben würde. Sie weiß, was sie will, sie weiß nicht genau, wie sie es kriegt, aber wie sie es nicht erreichen kann, ist ihr stets klar, und entsprechend praktisch handelt sie. Sie ist bewaffnet mit Dolch, Schwert, schlagfertigem Mundwerk und kann sich mit Fäusten wehren. Auf der anderen Seite ist Ananna aber keine unverwundbare, perfekt gezeichnete Superheldin, die nicht gelegentlich auch mal schwache Momente hätte. Ihre Entscheidungen sind nicht völlig makellos, sie macht ihre Fehler, manchmal wirkt sie dabei etwas zu egoistisch und gedankenlos, andererseits … sie ist Piratin. Taktgefühl und Höflichkeit sind vermutlich nichts, was man auf einem Piratenschiff beigebracht bekommt.
Naji, der Assassine, ist Anannas Gegenteil. Er kommt einem wie ein magisch bewanderter Ninja vor, der sich unsichtbar durch Schatten bewegen kann und der nicht so eiskalt mordet, wie man von einem Assassinen erst einmal erwarten würde. Tatsächlich erinnern er und sein Orden ein wenig an Assassin’s Creed (s.o.), dessen Auftragskiller auch nicht so richtig blutrünstig sind und eher als Instrumente politischer Geplänkel benutzt werden, während sie darüber hinaus auch eine menschliche Seite haben und von eigenen Beweggründen getrieben werden. Naji ist der klassische Eigenbrödler mit einem gut gehüteten Geheimnis (vielleicht auch zwei oder drei …) , der von einer dunklen Aura umgeben wird und die gefürchtete Blutmagie beherrscht. Irgendwo in ihm aber versteckt sich auch noch ein Hauch kindlicher Verwundbarkeit, die ab und an aufblitzt und Naji Menschlichkeit verleiht.
Zusammengenommen sind Clarkes Charaktere durchaus sympathisch, vor allem weil sie nicht vollkommen sind und gerne mal aus stereotypen Rollen ausbrechen. Sie sind aber auch noch nicht völlig ausgereift und bieten genügend Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln.
Wenn es nun einen männlichen und einen weiblich Protagonisten gibt, die unfreiwillig zusammengewürfelt werden, ist natürlich zunächst auch schnell klar, wo das vermutlich mal enden wird. Auf der Pro-Seite steht dabei immerhin, dass das Abenteuer, die Aufgabe den Fluch zu brechen, im Vordergrund steht und die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Ananna und Naji sich mehr nebenbei und nur sehr langsam einschleicht. Es wird zwischen den beiden nie zum Thema, was und ob überhaupt sie füreinander empfinden, man kann lediglich erahnen, was sich höchst wahrscheinlich entwickeln wird. Die Schmachtalarm-Glocke braucht man für dieses Buch erst einmal nicht, und so kann man sich in Ruhe an dem ungewöhnlichen Setting erfreuen.
Um die größten Mängel dieses Romans aufzuzählen: die Sprache hinkt oft ein wenig und kann sich nicht ganz entscheiden zwischen modern und historisch. Oft fallen Begriffe wie “bullshit”, “fuck off” und dergleichen, was in diesem Zeitkontinuum leider völlig fehlplatziert wirkt. Des weiteren war der Verlag bei der Korrektur nicht sehr ordentlich und hat etliche Rechtschreib- und Satzfehler übersehen bis hin zu einem Buchstabendreher im Namen. Gerade im letzten Drittel des Buches fällt das verstärkt auf, als wäre den Korrektoren die Lust ausgegangen.
Trotz einiger typischer Anfängerschwächen in The Assassin’s Curse überwiegen letzten Endes die positiven Eigenschaften. Wer mal wieder mit Piraten reisen oder Wüsten durchqueren will und einem Jugendbuch nicht gänzlich abgeneigt ist, der kann nicht viel verkehrt machen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Fortsetzung an die starken Elemente anzuknüpfen weiß und diese weiter ausbauen wird.