Labyrinth: The Novelization

Labyrinth: The Novelization von Jim Henson und A.C.H. SmithDie 15-jährige Sarah verbringt ihre Tage am liebsten tagträumend damit, Szenen aus ihrem Lieblingsbuch Labyrinth nachzuspielen. Sie ist schrecklich genervt von ihrer Stiefmutter, und das schlimmste von allem, sie muss den Babysitter für ihren kleinen Bruder Toby spielen. Als sie sich leichtisinnigerweise wünscht, der Goblinkönig möge Toby holen und in sein Schloss unter der Goblinstadt bringen, werden Sarahs Tagträume plötzlich zur Realität. Goblingkönig Jareth lässt Sarah 13 Stunden Zeit, um ihren Bruder wiederzubekommen, doch das Labyrinth hält viele Tücken und Tricks bereit.

– Nobody saw the owl, white in the moonlight, black against the stars, nobody heard him as he glided over on silent wings of velvet. The owl saw and heard everything. –
The white owl, S. 11

Wer als Kind in den 80ern aufgewachsen ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann mit dem Film Die Reise ins Labyrinth (OT: Labyrinth) von Jim Henson in Kontakt geraten sein. Ein wirklich lohnenswertes Stück phantastischer Filmgeschichte, mit einer jungen Jennifer Connelly und Pop-Ikone David Bowie in den Hauptrollen. Ein Kunstwerk aus Bühnenbild und Puppentheater, gepaart mit viel Witz und dem musikalischen Pomp der 80er Jahre.
Labyrinth: The Novelization ist, wie der Titel schon sagt, auf Basis dieses Films entstanden und hält sich dabei beinahe Bild- und Wortgenau an die Vorlage. Ab und an finden sich auch ein paar zusätzliche Informationen, die vor allem Sarahs Familienverhältnissen mehr Substanz verleihen und manches nachvollziehbarer erscheinen lassen, als es der Film macht.

Das Labyrinth des Goblinkönigs Jareth ist ein Ort voller Magie und magischer Kreaturen. Kichernde Goblins, Gnome, bissige Feen, riesige Monster, düstere Tunnel und sprechende Türklopfer sind erst der Anfang. An jeder Ecke warten Rätsel, die Unangenehmes zur Folge haben, wenn sie vorschnell beantwortet werden. Mit humorvollen und sehr plastischen Beschreibungen, die beinahe jedes optische Detail des Films perfekt wiedergeben, wurde hier eine atmosphärisch und inhaltlich liebevolle Geschichte erschaffen. Es ist ein Roman mit dem nostalgischen Flair alter Märchen und Mythen, der es dabei schafft ganz zeitlos zu bleiben. Wer gerne in eine magische Welt eintauchen möchte, die sich mehr auf die Wurzeln der phantastischen Literatur besinnt, der darf sich Labyrinth wirklich nicht entgehen lassen.

Sarah, die Hauptfigur, fühlt sich am laufenden Bande unfair behandelt und vom Leben gebeutelt. Babysitten am Wochenende – eine Plage; ein Kuscheltier an das personifizierte Übel von Bruder abtreten müssen – undenkbar. Sie ist egoistisch und grundlos motzig ihrer Stiefmutter gegenüber, sie nimmt nur das Offensichtliche wahr und hinterfragt nichts. Es interessiert sie auch nicht, was hinter dem äußeren Anschein stecken könnte, denn Sarah interessiert sich eigentlich nur für Sarah. Als sie sich in Jareths Labyrinth begeben muss, um ihren Fehler zu korrigieren und Toby wieder sicher nach Hause zu bringen, muss sie schnell viel dazu lernen und ihren selbstzentrierten Horizont erweitern, wenn sie Erfolg haben will.
Man merkt der Figur schnell an, wozu sie geschaffen wurde. Sarah ist ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie benimmt sich in vielen Situationen wie ein naives Kind, muss aber nun lernen, dass die Kindheit für jeden irgendwann endet und es Zeit wird, für das eigene Handeln geradezustehen. Jedes Rätsel, jede Hürde, die Sarah nehmen muss, wird von symbolischen Szenen und Dialogen getragen, die Sarahs Entwicklung voranbringen. Es geht darum, Entscheidungen zu treffen, über mögliche Folgen nachzudenken, Verantwortung zu übernehmen, auf andere Individuen Rücksicht zu nehmen und vieles mehr. So kann man Labyrinth wohl am ehesten als Übergangsreise vom Kind zum Erwachsenen sehen, wobei es kaum realistisch erscheint, dass Kinder oder junge Heranwachsende, die dieses Buch bevorzugt genießen werden, imLabyrinth der Film von Jim Henson Stande sind, all die Lehren schon zu sehen und zu verstehen. Auf der anderen Seite ist es aus Erwachsenensicht eine liebevolle Erfahrung, durch diesen Roman noch einmal in die eigene Jugendzeit versetzt zu werden und zu erkennen, wie sehr man sich selbst verändert hat.

Der Goblinkönig Jareth nimmt in dem Roman eine etwas weniger imposante Rolle ein als seine filmische Vorlage. Es mag auch daran liegen, dass die musikalische Untermalung fehlt und er etwas wenig Raum bekommt. Als männlicher Gegenpart von Sarah versucht er das Mädchen mit Verführung und Blendung von ihrem Ziel abzulenken und verkörpert dabei natürlich einen weiteren Aspekt des Erwachsenwerdens. Sein äußeres Erscheinungsbild wird dabei als attraktiv geschildert, während seine Handlungen meist recht herzlos sind. Er bleibt recht blass und eindimensional, was es schwierig macht, eine nähere Bindung zu diesem Charakter aufzubauen. Mehr Sympathie gewinnen da einige der Nebenfiguren. Etwa der hin und her gerissene Gnom Hoggle oder der völlig überdrehte Sir Dydimus, der sich vor keinem Gegener fürchtet und mit gezücktem Degen in den Kampf galoppiert. Mit liebevollen Details wird diesen Figuren sehr schnell Leben eingehaucht.

Abschließend bleibt nur zu sagen: Labyrinth bietet dem Kenner des Films zwar nicht allzuviel Neues, dennoch gehört diese Neuauflage in jedes Fanregal. Die Aufmachung ist mit viel Hingabe – von der Gestaltung des Hardcovers bis hin zur Typographie – durchdacht worden; im Anhang finden sich außerdem Konzeptskizzen von Brian Froud und als besonderes Schmankerl die Notizen von Jim Henson aus der Entstehungsphase des Films.
Wer die Möglichkeit noch hat, sollte die Chance nutzen und das Buch lesen, bevor die DVD eingelegt wird. Denn wer einmal die tolle Filmvorlage gesehen – und David Bowie als Goblinkönig neben all den schrulligen Puppen erlebt hat –, der wird es schwer haben, das Buch unvoreingenommen genießen zu können.

Stand: 15. September 2014
Erscheinungsjahr: USA 2014
Verlag: Archaia
ISBN: 978-1-60886-416-4
Seitenzahl: 203