Rezensent: moyashi

The Adventures of the Princess and Mr. Whiffle: The Thing Beneath the BedIn einem abgeschiedenen Schloss aus Marzipan lebt eine kleine Prinzessin. Sie ist dort ganz alleine, erledigt die täglichen Arbeiten ganz alleine und ihr einziger Freund ist der Teddybär Mr. Whiffles. Mit ihm bestreitet sie Kämpfe und Abenteuer, erlebt riskante Rettungsmissionen und noch ganz andere Dinge.
Doch nicht nur unter dem Bett lauern unheimliche Wahrheiten …

– It looks like a children’s book. It has pictures. It has a saccharine-sweet title. The main characters are a little girl and her teddy bear. But all of that is just protective coloration. The truth is, this is a book for adults with a dark sense of humor and an appreciation of old-school faerie tales. –
Vorwort

The Adventures of the Princess and Mr. Whiffle ist ein Bilderbuch, welches stark betont, nicht für Kinder gemacht zu sein. Obwohl hier auch tatsächlich bewusst mit der erfahrungsreichen Phantasie erwachsener Leser gespielt wird, bleibt das Büchlein aber auch für junge Leser recht ungefährlich und kann beiden Altersgruppen kurzweilige bis gruselige Unterhaltung bieten.

Autor Patrick Rothfuss, bekannt für seine Buchreihe The Kingkiller Chronicles (Die Königsmörder Chroniken), beschreitet mit The Thing Beneath the Bed einen völlig anderen Pfad und taucht in die Märchenwelt ein. Sprachlich erwartet den Leser hier keine Offenbarung, nichts das mit dem bekannt poetischen Stil Rothfuss’ zu vergleichen wäre, die wenigen Textzeilen (es sind insgesamt ca. 150 Worte), sind sehr schlicht gehalten und verteilen sich auf 69 ganzseitig s/w illustrierte Seiten. Allerdings darf man sich auf versteckten Humor freuen, der zuweilen bitterböse wird.
Illustrator Nate Taylor ist dagegen der eigentliche Held dieses Werks, denn das Büchlein lebt eindeutig mehr durch Bilder als durch Texte. Seine wirkungsvollen Illustrationen transportieren den humorvollen Unterton der Geschichte auf wirklich charmante und sehenswerte Weise. Sie tragen die Erzählung stärker als die Worte selbst und erzählen all das, was zwischen den Zeilen verborgen liegt. Man sollte daher dringend die Details im Hintergrund beachten und sich lieber ein paar Minuten mehr Zeit lassen, um sich auf die Suche nach versteckten Informationen zu machen. Hier zeigen sich nämlich schon erste Anzeichen für ein verdrehtes Bild von Gut & Böse.

Für ein wenig Verwirrung sorgt eventuell die Aufteilung der drei möglichen Enden. Je nachdem, wie man es mag, gibt es ein süßes, märchenhaftes Ende, wie man es gewohnt ist, ein blutig-schauriges und zuletzt ein wirklich schauriges, wahres Ende. Man kann an beliebiger Stelle aufhören zu lesen, doch es lohnt sich, bis zum Schluss dran zu bleiben.
Konfusionspotential hat dabei die Kennzeichnung der unterschiedlichen Enden. Jedes Ende erhält eine extra Seite, auf der entsprechend “First Ending”, “Second Ending”, “Third Ending” geschrieben steht. Beachtenswert hierbei: Die Enden werden damit nicht eingeleitet, sondern beendet. Wenn man das nicht weiß, steht man möglicherweise zuletzt vor “Third Ending” und fragt sich, was einem die folgenden leeren Seiten sagen wollen – bis man erkennt, dass man einen Denkfehler gemacht hat.

The Thing Beneath the Bed bietet also insgesamt nur ein sehr kurzes Lesevergnügen, lädt aber durch die wirklich ansprechenden Illustrationen zum mehrfachen Stöbern und Entdecken ein. Die Erwartungen, die man zunächst an einen Autor wie Patrick Rothfuss stellt, kann es dabei zwar nicht erfüllen, ist man jedoch bereit, sich auf etwas völlig anderes einzulassen und das Buch als eigenständiges Werk zu betrachten, statt eines “typischen Rothfuss”, dann kann man herrlich böse Momente damit verbringen.
Als kleines zusätzliches Schmankerl des Verlags gibt es außerdem eine schicke Aufmachung im gebundenen Hardcover, mit leicht getönten Seiten, märchenhaft anmutender Typografie und einem Autogramm des Autors.

Anno Dracula von Kim NewmanEs ist 1888 und Königin Victoria von England hat sich einen neuen Gemahl gewählt: den Grafen Dracula. Täglich wächst die Gemeinde der Vampire, mal mehr, mal weniger freiwillig und so spalten sich bald die Gruppen derer, die den Vampirismus begrüßen, und derer, die sich auf eine Rebellion vorbereiten. In diese sensiblen Situation einer Gesellschaft, die mit der Veränderung noch nicht ganz zurecht kommt, mischt sich nun auch ein Serienkiller ein, der es mit seinem Silbermesser auf Vampirhuren abgesehen hat.

– Last nights delivery was easier than the others. Much easier than last week’s. Perhaps, with practice and patience, everything becomes easier. If never easy. Never … easy. –
In the Fog, Dr Seward’s Diary, S. 11

Mit Anno Dracula entführt uns Autor Kim Newman in eine alternative Realität des 19. Jahrhunderts – drei Jahre nach Bram Stokers Dracula – und stellt die Frage: Was wäre, wenn es Van Helsing seinerzeit nicht gelungen wäre Graf Dracula zu vernichten? Was, wenn der Vampir stattdessen quicklebendig, oder besser gesagt quickuntot, ins britische Königshaus eingezogen und die Queen zu einer seiner Frauen gemacht hätte?
Im vorliegenden Roman ist genau dieses Szenario real geworden. Dracula hat aber nicht nur überlebt, er hat seine Widersacher auch ausgeschaltet und badet in Blut und in seiner neuen Machtposition als britischer Thronhalter. In drei Jahren Herrschaft des Grafen hat sich die Gesellschaft Englands daher stark verändert. Auf der einen Seite ist der Vampirismus gesellschaftsfähig geworden und gehört inzwischen sogar zum guten Ton. Neugeborene Vampire leben hier mit britisch höflicher Erziehung ihr gewohntes Leben nahezu unverändert weiter und stillen ihren Blutdurst an freiwillig spendenden “Warmen”. Auf der anderen Seite wird diese scheinbar friedliche Koexistenz von den mittelalterlichen Vorgehensweisen Draculas und dessen persönlicher karpatischer Leibgarde immer wieder durchbrochen, da sie ein eng gesponnenes Netz aus Angst und Kontrolle über die Stadt gelegt haben. Blutbäder, Menschenjagd, Konzentrationslager, Blut-Prostitution und gewaltsames Blutsaugen sorgen für die Bildung rebellischer Gruppen unter den Warmen. Doch auch unter den Vampiren herrscht keine vollkommene Einigkeit, stellt uns Kim Newman hier doch die Idee verschiedener Blutlinien vor, von denen Dracula keinesfalls die Älteste, ja nicht einmal eine angesehene besitzt. In dieses wackelige Gefüge einer Gesellschaft, die mit der drastischen Veränderung noch nicht ganz zurecht kommt, gesellt sich nun noch die Jagd nach dem grausamen Serienkiller Jack the Ripper dazu, der des nachts durch die von Gaslicht spärlich erhellten Straßen Whitechapels schleicht und untoten Prostituierten mit seinem Silbermesser zum endgültigen Tod verhilft.

Die Handlung von Anno Dracula ist ein aufwendig konzipiertes Intrigenspiel, in dem es um Politik und Serienmord geht, und doch ist es schwer die wahre Stärke des Romans richtig zu beschreiben. Spannungsgeladene Handlungsbögen liefert dieser Roman nicht, denn der Leser lernt den Mörder bereits auf den ersten Seiten kennen. Wovon er nicht sofort etwas ahnt, das sind die Fäden, die im Hintergrund gezogen werden und auf ein gemeinsames Ziel zusteuern. Im Gesamtkonzept präsentiert sich Anno Dracula daher weniger wie ein Roman mit stringenter Queste, vielmehr gewinnt man den Eindruck eines klassischen Spionageromans mit verschiedenen involvierten Parteien und vielen kleinen Einzelgeschichten, die zu einem homogenen Ganzen verbunden werden. Das Spannende besteht letztlich darin zuzusehen, wie Kim Newman das Bekannte mit dem Neuen verbindet, um damit eine wirklich gut ausgearbeitete Atmosphäre und Erzählung zu schaffen, in der der Leser auf viele bekannte Namen und Orte aus Film und Literatur trifft. Sherlock Holmes, Bram Stoker, Jeanne D’Arc, der Diogenes Club, Oscar Wilde, Jack the Ripper, Professor Moriarty, Inspector Lestrade, Dr. Jekyll … die Beispiele sind manigfaltig in die Geschichte verwoben und liefern ein interessantes Crossover quer durch alle Genres, die das viktorianische Zeitalter, real und fiktiv, zu bieten hat.
Anno Dracula ist unterhaltsam, bildgewaltig und beklemmend zugleich. Wer echte Vampire sucht, der findet sie in diesem Roman garantiert.

Was die Sprache angeht, ist Anno Dracula nur denen im Original zu empfehlen, die in der englischen Sprache geübt sind. Zahlreiche eher selten gesehene Vokabeln tummeln sich hier neben weniger verbreiteten Redewendungen oder Zitaten. Wer also nur gelegentlich mal in englischsprachigen Büchern schmökert, der sollte auf die (leider deutlich weniger schöne) deutsche Ausgabe Die Vampire aus dem Heyne Verlag zurückgreifen, welche die drei bisher veröffentlichten Romane des Zyklus in gesammelter Form enthält.

Zusatzmaterial:
Die hier besprochene Neuauflage von Anno Dracula enthält einiges an Zusatzmaterial. Von einer über Jahre hinweg zusammengetragenen Sammlung der verwendeten Namen, Autoren, Filme, Titel usw., über ein alternatives Ende des Romans bis hin zu einer Kurzgeschichte des Autors. Fast 100 Seiten bieten noch mehr Einblick in Newmans blutig neue Welt und verschiedene Hintergründe zu seinem Roman.

The Art of Discworld von Paul Kidby und Terry PratchettThe Art of Discworld (dt. Die Kunst der Scheibenwelt) ist eine atemberaubend schöne Sammlung von Bildern zu Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen, geschaffen von Paul Kidby. Die beiden Künstler arbeiten seit Jahren zusammen und präsentieren uns mit dem vorliegenden Artbook ihre gemeinsame Sicht der Scheibenwelt. Mit einem enormen Vorstellungsvermögen verleiht Paul Kidby in diesem Werk den beschriebenen Figuren, Orten und Gegenständen fesselnde Substanz, humorvoll kommentiert von deren Schöpfer Terry Pratchett.

-Paul sees things my way about seventy-five percent of the time, which suggests either mind-reading is happening or that my vision of my characters is really rather vague until I see his drawings.-
(Terry Pratchett, The Art of Discworld)

Mal in Farbe, mal mit simplen Bleistiftskizzen entführt das Buch mit erschreckend detaillierten Arbeiten zu den Charakteren und in die Welt, in der sie leben. Seite für Seite begrüßen uns in The Art of Discworld erste Skizzen, fertig ausgearbeitete Vorzeichnungen und schließlich die kolorierten Endergebnisse der Gesichter von TOD, Rincewind, Nac Mac Feegle und etlichen mehr. Ob es das Portrait eines Protagonisten ist oder die Ansicht eines Stadtteils, der Illustrator widmet in diesem Buch jeder seiner Zeichnungen größte Aufmerksamkeit, angefangen beim Coverbild – ein Portrait von Mona Ogg. Kidby stattet seine Illustrationen mit derart vielen kleinen und manchmal unscheinbaren Details aus der Scheibenwelt aus, dass es zuweilen etwas länger dauert, ein Bild wirklich vollständig zu betrachten. Sei es eine winzige Inschrift auf einem Ladenschild weit hinten im letzten Eck des Bildes, seien es die vielen mürrischen Falten und Bartstoppeln in Sam Vimes’ Gesicht, die liebevollen Stickereien auf einem Kleidungsstück, oder auch eine Ratte, die durch eine Seitengasse huscht … nichts wird hier ohne tiefere Ausarbeitung belassen. Gerade dieser pingeligen Liebe zum Detail ist die große Faszination der gezeigten Arbeiten zu verdanken. Das sind nicht bloß Bilder, das sind lebendige Bilder! Immer wieder faszinierend sind auch die Gegenüberstellung von Vorzeichnung und Endergebnis. Es dürfte kaum möglich sein, die Scheibenwelt noch gekonnter zum Leben zu erwecken.

Das Buch ist außerdem gut strukturiert. So bewegt man sich größtenteils geographisch voran, von Ankh-Morpork bis hin zu Uberwald, vom prominentesten bis hin zum wenig bekannten Detail. Lediglich auf ein Inhaltsverzeichnis hat man verzichtet, was angesichts der überschaubaren Seitenzahl jedoch nicht zwingend nötig ist.

The Art of Discworld ist ein must-have für jeden Scheibenwelt Fan, aber auch für jeden, der sich als Fan wirklich guter Illustrationskunst betrachtet und mit der Scheibenwelt bisher nichts anfangen konnte. Dieses Buch gehört in jedes anspruchsvolle Regal und kann nur wärmstens empfohlen werden.
Einziger Wermutstropfen für eingefleischte Kenner der Romane: Das Artbook erwähnt gelegentlich Charaktere, die in den Zeichnungen selbst gar nicht oder nur mal versteckt auftauchen, und greift ein paar Illustrationen auf, die auch schon andernorts (z.B. in Kalendern) Verwendung fanden.
Es sollte auch eine Warnung an alle ausgesprochen werden, die gerade erst im Begriff sind, die Scheibenwelt zu entdecken: The Art of Discworld ist erst 2004 erschienen (die deutsche Übersetzung 2006) und wartet entsprechend mit viel Hintergrundwissen auf. Es kann daher passieren, dass einige der Bilder und auch die verfassten Kommentare von Terry Pratchett zu Spoilern für alle bis dahin erschienenen Bücher werden.

Ash

Ash von Malinda LoAisling, genannt Ash, wächst wohlbehütet in dem Landhaus ihrer Eltern auf, bis ihre Mutter eines Tages sehr plötzlich erkrankt und stirbt. Der Vater bringt wenig später eine neue Ehefrau samt zweier Stiefschwestern nach Hause. Als kurz darauf auch Ashs Vater stirbt, bleibt das Mädchen mit ihrer Stiefmutter und den Stiefschwestern alleine zurück und wird zur Dienstmagd erklärt, die die angeblichen Schulden ihres Vaters abarbeiten soll. Den einzigen Trost in diesem traurigen Leben bietet ihr die Welt der Feen und Geister.

– Aisling’s mother died at midsummer. She had fallen sick so suddenly that some of the villagers wondered if the fairies had come and taken her, for she was still young and beautiful. She was buried three days later beneath the hawthorn tree behind the house, just as twilight was darkening the sky. –
Part One, The Fairy, S. 1

Ash ist der Versuch, das allseits bekannte Märchen von Aschenputtel neu aufzugreifen und mit alten Mythen und Legenden zu verknüpfen. Im ersten Moment erwartet man daher eine neuartige Aschenputtel-Geschichte und es gibt sie tatsächlich, die Parallelen, doch die Ausarbeitung enttäuscht und vermag letzten Endes leider nicht zu überzeugen. Während der Sprachstil dieses Romans eigentlich recht flüssig und malerisch daherkommt, wird die Story durch langweilige Nebenerzählungen zu einem zähen Gemisch von Mythen, dem Dahinvegetieren eines depressiven Teenagers und immer wieder eingeworfenen Anekdoten aus der Feenwelt, die so gar nichts Magisches oder Märchenhaftes an sich haben.

Wie schon in anderen Büchern, die versucht haben, eine Brücke zwischen Feenland und unserer Welt zu schlagen, wird die Melancholie der Protagonisten zu einem Stolperstein und so zieht sich in diesem kurzen Roman die Handlung unendlich langsam und belanglos dahin. Malinda Lo schafft es trotz ihrer Bemühungen nicht, diesem alten Märchen neues Leben einzuhauchen, trauriger noch, sie schafft es nicht einmal das Märchen zu bewahren und erzählt schlicht in leicht abgewandelter Form nach, ohne den Zauber transportieren zu können. Obwohl das Buch kaum 300 Seiten zu bieten hat, kommt es bis zum Schluss nicht in Fahrt und dümpelt entsprechend träge vor sich hin.

Auch die Charaktere vermögen den Leser nicht zu fesseln. Sie sind blass und oberflächlich gezeichnet, ihre Motivationen und Reaktionen wirken oft unglaubwürdig oder einfach nur unüberlegt, manchmal geradezu nervtötend dumm. Was ihnen fehlt, ist ein wenig Tiefgang und Dynamik. Ash wirft einmal mehr die Frage auf, weshalb Feen in solchen Büchern derart bewundert werden, wie sie als fröhliches, feierndes Volk bezeichnet werden können und gleichzeitig so entsetzlich motivations- und freudlos dargestellt werden. Es spricht ja nun nichts gegen einen ruhigen Erzählstil, doch in diesem Fall hat es die Autorin mit der Ruhe etwas zu gut gemeint.

Einen Versuch, Innovation zu zeigen, unternimmt die Autorin, indem sie das typische Aschenputtel-trifft-Prinz in ein Aschenputtel-trifft-Prinzessin umwandelt. Für einen Jugendroman zumindest mal ein etwas ungewöhnlicherer Ansatz und sicherlich auch positiv zu bewerten, wenn es darum geht, dadurch die Aufgeschlossenheit junger Leser gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe zu fördern. Aber auch dieser Aspekt bleibt wieder ohne atmosphärische Ausarbeitung und reiht sich unauffällig in die allgemein blasse Erzählung ein.
Sehr schade, denn die Idee klingt beim Lesen des Klappentextes erst einmal verlockend und auch die wirklich schöne Aufmachung des Buches ließ Großes hoffen, so jedoch eignet sich Ash lediglich als optisches Schmankerl im Buchregal.

The Assassin's Curse von Cassadra Rose ClarkeAnanna von den Tanarau ist eine Piratin und Tochter eines hochgestellten Kapitäns. Ihr Leben lang träumte sie davon, eines Tages selbst Kapitänin eines Schiffes zu sein. Als ihre Eltern jedoch entscheiden, sie mit dem Sohn eines anderen Piratenkapitäns zu verheiraten, brennt die junge Frau an ihrem Hochzeitstag kurzerhand auf einem gestohlenen Kamel durch. Im Stolz verletzt schickt die Familie ihres Verlobten einen Assassinen aus, um Ananna zu töten. Doch es kommt alles ganz anders, als sie dem Auftragsmörder versehentlich das Leben rettet und damit einen alten Fluch auslöst, der Ananna und den Assassinen aneinander bindet.

– I ain’t never been one to trust beautiful people, and Tarrin of the Hariri was the most beautiful man I ever saw. (…) Golden skin and huge black eyes and this smile that probably worked on every girl from here to the ice-islands. I hated him on sight. –
Kapitel 1

The Assassin’s Curse ist der Debütroman der Autorin Cassandra Rose Clarke, die gleich in ein ungewöhnliches Setting eintaucht. Piraten auf hoher See treffen auf die Wüste des historischen Orients, wo man wiederum auf Ninja-mäßige Assassinen treffen kann, wenn man Pech hat. Ein wilder Mix von Inhalten und Persönlichkeiten, der jedoch gut funktioniert und sich von den üblichen Handlungsorten klassischer Fantasy positiv abhebt. Dieses Buch mutet an wie ein Crossover von Fluch der Karibik, Prince of Persia und Assassin’s Creed.

Man darf sich dabei über ein subtiles Magiesystem freuen, über Erdmagie, Wassermagie und vor allem die dunkle Blutmagie der Assassinen. Subtil deswegen, weil sich nicht alle Probleme durch Magie lösen lassen und sie eher ein Hilfsmittel im Hintergrund darstellt. Perfekt ausgereift ist das Ganze noch nicht, und bisher steht vor allem die Blutmagie im Vordergrund, doch das Potential ist da und lässt darauf hoffen, dass Band 2 dieser Reihe, The Pirate’s Wish, hier noch mehr ins Detail gehen und die restlichen Magiearten weiter ausarbeiten wird.

Was die Charaktere angeht, so sind diese im doppelten Sinne nicht perfekt. Ananna ist eine starke Frauenfigur, die man im heutigen Jargon mit “kickass” beschreiben würde. Sie weiß, was sie will, sie weiß nicht genau, wie sie es kriegt, aber wie sie es nicht erreichen kann, ist ihr stets klar, und entsprechend praktisch handelt sie. Sie ist bewaffnet mit Dolch, Schwert, schlagfertigem Mundwerk und kann sich mit Fäusten wehren. Auf der anderen Seite ist Ananna aber keine unverwundbare, perfekt gezeichnete Superheldin, die nicht gelegentlich auch mal schwache Momente hätte. Ihre Entscheidungen sind nicht völlig makellos, sie macht ihre Fehler, manchmal wirkt sie dabei etwas zu egoistisch und gedankenlos, andererseits … sie ist Piratin. Taktgefühl und Höflichkeit sind vermutlich nichts, was man auf einem Piratenschiff beigebracht bekommt.
Naji, der Assassine, ist Anannas Gegenteil. Er kommt einem wie ein magisch bewanderter Ninja vor, der sich unsichtbar durch Schatten bewegen kann und der nicht so eiskalt mordet, wie man von einem Assassinen erst einmal erwarten würde. Tatsächlich erinnern er und sein Orden ein wenig an Assassin’s Creed (s.o.), dessen Auftragskiller auch nicht so richtig blutrünstig sind und eher als Instrumente politischer Geplänkel benutzt werden, während sie darüber hinaus auch eine menschliche Seite haben und von eigenen Beweggründen getrieben werden. Naji ist der klassische Eigenbrödler mit einem gut gehüteten Geheimnis (vielleicht auch zwei oder drei …) , der von einer dunklen Aura umgeben wird und die gefürchtete Blutmagie beherrscht. Irgendwo in ihm aber versteckt sich auch noch ein Hauch kindlicher Verwundbarkeit, die ab und an aufblitzt und Naji Menschlichkeit verleiht.
Zusammengenommen sind Clarkes Charaktere durchaus sympathisch, vor allem weil sie nicht vollkommen sind und gerne mal aus stereotypen Rollen ausbrechen. Sie sind aber auch noch nicht völlig ausgereift und bieten genügend Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln.

Wenn es nun einen männlichen und einen weiblich Protagonisten gibt, die unfreiwillig zusammengewürfelt werden, ist natürlich zunächst auch schnell klar, wo das vermutlich mal enden wird. Auf der Pro-Seite steht dabei immerhin, dass das Abenteuer, die Aufgabe den Fluch zu brechen, im Vordergrund steht und die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Ananna und Naji sich mehr nebenbei und nur sehr langsam einschleicht. Es wird zwischen den beiden nie zum Thema, was und ob überhaupt sie füreinander empfinden, man kann lediglich erahnen, was sich höchst wahrscheinlich entwickeln wird. Die Schmachtalarm-Glocke braucht man für dieses Buch erst einmal nicht, und so kann man sich in Ruhe an dem ungewöhnlichen Setting erfreuen.

Um die größten Mängel dieses Romans aufzuzählen: die Sprache hinkt oft ein wenig und kann sich nicht ganz entscheiden zwischen modern und historisch. Oft fallen Begriffe wie “bullshit”, “fuck off” und dergleichen, was in diesem Zeitkontinuum leider völlig fehlplatziert wirkt. Des weiteren war der Verlag bei der Korrektur nicht sehr ordentlich und hat etliche Rechtschreib- und Satzfehler übersehen bis hin zu einem Buchstabendreher im Namen. Gerade im letzten Drittel des Buches fällt das verstärkt auf, als wäre den Korrektoren die Lust ausgegangen.

Trotz einiger typischer Anfängerschwächen in The Assassin’s Curse überwiegen letzten Endes die positiven Eigenschaften. Wer mal wieder mit Piraten reisen oder Wüsten durchqueren will und einem Jugendbuch nicht gänzlich abgeneigt ist, der kann nicht viel verkehrt machen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Fortsetzung an die starken Elemente anzuknüpfen weiß und diese weiter ausbauen wird.

Drachologie: Aufspüren und zähmen von Ernest DrakeIn Ein Kurs für Drachenforscher: Aufspüren und zähmen (Tracking and taming dragons) aus der Reihe Drachologie (Dragonology), erfährt der Leser, wie der Titel schon verrät, wie man einen Drachen aufspüren und zähmen kann. Geschildert und bebildert von dem fiktiven Autor und Drachenforscher Ernest Drake, erfährt man alles über die verschiedenen Erkennungsmerkmale, Spuren und den korrekten Umgang mit Drachen.

– Die Fertigkeit, sich so gut zu tarnen, dass man praktisch unsichtbar ist, rettete schon vielen Drachenforschern das Leben. –
Drachologie: Aufspüren und Zähmen, S. 7

Mit diesem Titel bringt der Verlag Ars Edition einmal mehr ein fantastisches Bucherlebnis auf den Markt. Nicht nur, weil es den Eindruck vermittelt, dass es tatsächlich Drachen gibt, sondern auch weil es so eindrucksvoll aufgemacht wurde. Während das Cover noch relativ unspektakulär wirkt, geht es im Buchinnern überaus Nostalgie erweckend zur Sache.
Klappt man das Buch auf, so findet man zunächst eine Mappe statt eines Buches. Links steckt das eigentliche Büchlein in einer Seitenlasche, die rechte Seite wird von einer Art Kuriertasche eingenommen, in der sich das Modell eines europäischen Drachen zum Zusammenstecken befindet.

Das Büchlein selbst bietet zwar nur magere 24 Seiten und ist in kurzer Zeit gelesen, doch die liebevollen Illustrationen halten einen mit ihren humorvollen Details auf jeder Seite fest, angefangen bei den Seiten selbst, die wie vom Alter gezeichnet wirken und zum Teil mit einem Foto alter Buchecken hinterlegt wurden, sodass sie wie ein altes, zerknittertes Tagebuch erscheinen. Das Papier der Seiten wirkt auch optisch wie das ungestrichene Papier eines vergilbten Skizzenbuchs.

Die Illustrationen sind, schlicht gesagt, herzallerliebst, strotzen nur so vor kleinen Details, die sich oft im Hintergrund abspielen, und sie sind zum Brüllen komisch. Neben den passenden satirischen Kommentaren sind es vor allem diese Illustrationen, die den Leser regelmäßig schmunzeln lassen. In schwarzbrauner Tusche mit Aquarell gehalten, liegt die eigentliche Wirkung der Zeichnungen dabei eindeutig auf den herrlich amüsanten Gesichtsausdrücken oder Gesten der Drachen. Hin und wieder werden kleine Besonderheiten auch mal farbig koloriert. Diese gesamte Farbgebung sorgt ebenfalls dafür, dass man während der Lektüre den Eindruck hat, ein händisch angefertigtes Forschungsbuch vor sich zu haben.

Zum Schluss steht es einem nun frei sich seinen persönlichen Drachen zusammen zu setzen und an die Zimmerdecke zu hängen. Das beigefügte Modell erwies sich als überraschend gut verarbeitet und aus stabilem Karton, wodurch es auch optisch aufgewertet wird und mit seinem Gewicht nicht labberig in der Gegend herum flattert. Auch hier wieder wunderbar gezeichnet und ausgearbeitet, besitzt es mit den gesetzten Highlights in goldener Farbe sogar ein wenig schuppigen Glanz (der leider auf den Fotos verloren geht).

Drachologie: Aufspüren und zähmen (Modell)
© moyashi

Interessierte Drachenforscher wird es vielleicht erfreuen zu hören, dass weitere Bücher in dieser Reihe erschienen sind. Neben einem großen Sammelband, der gleich mehrere Drachenmodelle enthält, wurde auch dem Frostdrachen ein eigener Band gewidmet.

The Battle of the Labyrinth von Rick RiordanDie Lage spitzt sich zu. Percy, Annabeth, Grover und Tyson bleibt keine große Verschnaufpause, denn ihr Erzfeind Luke hat einen neuen Plan, um das Camp Half-Blood zu vernichten und so den Weg zur Eroberung des Olymp freizumachen. Mit seiner Armee aus Monstern und Halbgöttern plant Luke durch das unterirdische Labyrinth in das Camp einzufallen. Doch unsere Helden scheuen natürlich wieder keine Gefahren, um Freunde und Götter zu verteidigen, stürzen sich mutig in das sagenumwobene Labyrinth des Minotauren und treffen auf Gegner, die stärker sind als alles bisher da gewesene.

– Nothing caps off the perfect morning like a long taxi ride with an angry girl. –
The underworld sends me a prank call, S.18

The Battle of the Labyrinth (Die Schlacht um das Labyrinth) beginnt geheimnisvoll mit vielen Andeutungen und zunächst nur halb verständlichen Wahrheiten. Allmählich zeichnet sich ab, dass ein Krieg zwischen Olymp und Titanen nicht zu vermeiden ist, und mittendrin stehen die Halbgötter und müssen sich für eine Seite entscheiden. Entsprechend düster ist auch die Grundstimmung des vierten Abenteuers von Percy Jackson & The Olympians, denn die Verluste in den eigenen Reihen mehren sich und hinterlassen einen bitteren Beigeschmack. Das wird vor allem in der zweiten Hälfte des Buches immer stärker deutlich. Doch Percy Jackson wäre nicht Percy Jackson, wenn er nicht auch noch im Angesicht des Todes einen kessen Spruch auf den Lippen hätte. So tritt der bisher lockere Humor zwar etwas weiter in den Hintergrund, auch dies fällt wieder besonders in der zweiten Hälfte auf, wird aber durch noch mehr zynischen und schwarzen Humor ersetzt. Für den Leser bleibt es also weiterhin zum Brüllen komisch, egal wie ernst die Lage ist.
Einzelne Inhalte von The Battle of the Labyrinth transportieren dementsprechend aber auch einiges an Tragik und genügend Gründe für einen Moment des Bedauerns. Nicht nur die Protagonisten werden älter und plagen sich neben der Monsterjagd auch noch mit ganz alltäglichen Problemen eines Teenagers, auch die Themen werden erwachsener und ein wenig herausfordernder.

Anders als im Vorgänger The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) tauchen weniger neue Charaktere auf, das kommt den bereits bekannten Figuren zugute, deren Persönlichkeiten weiter ausgebaut werden oder eine größere Rolle als bisher einnehmen dürfen. Einen neuen Charakter gibt es aber, der sowohl tragend für diesen vierten Band ist, als auch interessante neue Entdeckungen offenbart. So laufen in The Battle of the Labyrinth verdächtig viele rote Fäden zusammen und sorgen für Aha!-Effekte.

Inhaltlich treten ebenfalls wieder verstärkt mythische Gestalten auf und man darf mit Freude feststellen, dass die Monster nun endgültig dazu gelernt haben. Sie fallen nicht nur nicht mehr auf die alten Tricks herein, nein – sie machen sich auch mit ironischer Selbstverständlichkeit darüber lustig, wenn man das Thema anspricht. Wenn man der Sphinx beispielsweise vorwirft, die gestellte Aufgabe sei aber nicht das Rätsel aus Ödipus’ Begegnung mit ihr, so antwortet sie hochnäsig, das sei eben der Grund, weshalb sie sich etwas neues einfallen lassen musste. Dieses neu Eingefallene sorgt dabei beim Leser für Lachtränen, doch die Details sollte jeder für sich selbst entdecken und werden hier nicht verraten.

Rick Riordan hat mit The Battle of the Labyrinth eine rundum stimmige Erzählung geschaffen und konnte wieder einige Schwächen aus den Vorgängern weiter verbessern. Auch verlagert er die Handlung aus der gewohnten Welt in ein unterirdisches Labyrinth, welches überall und nirgends mit der eigentlichen Welt verbunden ist. Die Dimensionen verschwimmen und Tunnelgänge funktionieren wie Wurmlöcher. Das Einzige, was The Battle of the Labyrinth fehlt, ist der obligatorische Minotaur, auf den man nach den Ereignissen in The Lightning Thief (Diebe im Olymp) trotz Labyrinth verzichten muss.

Unter dem Strich ist der vierte Band dieser Buchreihe etwas ruhiger und manchmal trauriger, dann aber doch wieder sehr humorvoll und auf jeden Fall eine Fortsetzung mit inhaltlich gestiegener Qualität. Das Buch spielt fast ausschließlich im Labyrinth und lässt ein wenig Abwechslung vermissen, bringt die einzelnen Handlungsstränge der Vorgänger dafür aber erstmals deutlich zusammen und lässt auf ein spannendes Finale hoffen.

Bearing An HourglassNorton verbringt einen Großteil seines Lebens außerhalb der Städte in Parks und geht den Menschen lieber aus dem Weg. Eines Tages erscheint ihm jedoch ein Geist, der ihm ein ungewöhnliches Angebot macht: Die frisch angetraute Braut des Geistes – Orlene – soll einen Nachkommen in die Welt setzen und Norton die Befruchtung übernehmen. Norton, zunächst wenig interessiert, stimmt jedoch zu, als er Orlene kennen lernt und sich in sie verliebt. Was zunächst mit einer glücklichen Zeit für die beiden beginnt, endet auf die schlimmstmögliche Weise und führt Norton direkt in seine Rolle als neuer Chronos, der sich rückwärts durch die Zeit bewegt.

– »Look at it this way: I have no physical body and I need an heir. I’m asking you to substitude for me in this one respect. After that you can go your way, with no further commitment. It’s like repairing my house for me, and I’ll pay you for the service–«
»Some service!« –
Kapitel 1: Ghost Marriage

Bearing an Hourglass (Der Sand der Zeit) ist der zweite Teil der Incarnations of Immortality mit Chronos, dem Vater der Zeit, als Hauptperson. Während der erste Band On A Pale Horse eher skurril und humorvoll daherkam, ist der vorliegende Band deutlich schwerfälliger, was sicher auch der tragischen Umstände zu verdanken ist, die Norton zum neuen Chronos werden lassen.
Selbstverständlich ist auch Satan wieder mit von der Partie und versucht den noch unerfahrenen Norton für sich zu gewinnen, dessen Fähigkeiten als Vater Zeit für sich zu nutzen und die Vergangenheit zu seinen Gunsten zu verändern. Im Verlaufe dieses Handlungsstrangs treffen wir wieder auf Zane als Gevatter Tod und dessen Gefährtin Luna, der es erneut an den Kragen gehen soll. Bis Chronos merkt, was er unwissentlich getan hat, ist es beinahe schon zu spät, und der Leser taucht in ein rasantes Endspiel ein.

Die Charaktere selbst sind wieder wunderbar gezeichnet, man erfährt viele Details aus dem Leben Nortons, der Funktion Chronos’, seinem Verhältnis zu den anderen Inkarnationen, aber auch einiges über diese selbst. Besonders interessant hierbei ist, dass Bearing An Hourglass keine typische Fortsetzung zu On A Pale Horse (Reiter auf dem schwarzen Pferd) darstellt, sondern sich eher wie ein Crossover liest. Die bekannten Figuren, die natürlich in beiden Romanen auftauchen, stellen zwar eine Gemeinsamkeit dar, daneben befasst sich jedoch jedes Buch der Incarnations of Immortality (Die Inkarnation der Unsterblichkeit) mit der jeweiligen Inkarnation und lässt geschehene Ereignisse aus dem Vorgängerband auf unterhaltsame Weise zu einem spät auftauchenden Nebenstrang werden. Dadurch lassen sich die einzelnen Bände dieser Reihe auch sehr gut außerhalb der Reihenfolge lesen, obwohl es für nette kleine Aha-Erlebnisse sorgt, wenn man sie beibehält.

Trotz dieser guten Ansätze kommt das Buch aber nicht so recht in die Gänge. Es ist keine leichte Unterhaltungslektüre, bei der die Seiten vor Spannung dahinfliegen, denn der deprimierende Beweggrund für Chronos, seine Position als Inkarnation einzunehmen, ist stets gegenwärtig, was ein lockeres Dahintreiben der Story recht schwierig macht. Da sich dieser Roman zusätzlich in verschiedenen Zeitlinien abspielt und das manchmal wichtige Realitätsveränderungen nach sich zieht, sollte man Bearing an Ourglass in aufmerksamem Zustand lesen, sonst verpasst man schnell einen für den logischen Ablauf wichtigen Punkt.

Das Einzige, was man Bearing An Hourglass neben einer leicht depressiven Grundstimmung negativ ankreiden muss, ist die stellenweise sehr träge Entwicklung der Handlung und ein paar störende, irgendwie unsinnig erscheinende Sequenzen, in denen Norton von Satan in eine Art Parallelwelt geschickt wird. Obwohl Piers Anthony hierfür viele nette Einfälle hatte und eindeutig Klischees des Genres durch den Kakao zieht, wirken diese Stellen manchmal etwas zu albern und letztlich auch überflüssig in ihren ausführlichen Schilderungen. Sie fügen sich nur mühsam in den Rest der Handlung ein, scheinen eher Seitenfüller als relevante Ereignisse zu sein und verhindern ein rundes Gesamtbild des Romans.
Fans etwas ungewöhnlicher Urban Fantasy mit Hang zur Science Fiction werden aber sicherlich weiterhin auf ihre Kosten kommen. Denn der Weltenbau ist, wie im Roman zuvor, interessant durchdacht, birgt ungewöhnliche Ideen, viel Fantasie, und hin und wieder kommt auch ein Spritzer Humor dazu. An die unterhaltende Qualität seines Vorgängers kommt Bearing An Hourglass aber nicht ganz heran.

Blackbirds von Chuck WendigMiriam Black hat eine dunkle Gabe: sie kann Zeit und Art des Todes eines Menschen sehen, sobald sie dessen Haut berührt. Verhindern konnte sie einen Tod nie. Meist sieht Miriam sie im hohen Alter sterben, manche verunglücken bei einem Unfall, selten beobachtet Miriam einen Mord. Als sie den hilfsbereiten Trucker Louis trifft, sieht sie jedoch genau das – Louis’ brutale Ermordung in wenigen Wochen. Was sie jedoch am meisten schockiert, ist, dass sie dabei sein wird, wenn es passiert. Was hat das zu bedeuten und hinter wem sind die Killer wirklich her? Kann Miriam seinen Tod verhindern, wenn sie sich von ihm, so weit es geht, fernhält? Oder steht das Schicksal fest geschrieben und jeder Versuch, es zu ändern, muss scheitern?

»Es ist dein Schicksal, an deines eigenen Mundes Fleisch zu ersticken, hier in diesem gottverfickten Motel am Arsch der Welt. Ich würde ja etwas tun, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. Würde ich dir die Brieftasche unter die Zunge schieben, würde ich die Zunge wahrscheinlich nur tiefer reindrücken. Weißt du, meine Mutter hat immer gesagt: ›Miriam, es ist, wie es ist.‹ Und so, Del Amico, ist es.«
– Der Tod von Del Amico

Blackbirds ist der Auftakt einer Reihe, die allen Roadmovie-Fans das Herz höher schlagen lassen wird. Meist in der Perspektive der abgebrühten Miriam wird der Leser in eine Achterbahn von Ereignissen geworfen. Ehe man es sich versieht, jagen Drogendealer und Killer sie quer durchs Land und metzeln alles nieder, was ihnen in den Weg kommt. Es wird mit Wonne gefoltert und zwar auch gerne mal mit Ausführungen des Täters. Es wird zwar nicht zum Splatter-Roman, doch man sollte nicht zu zart besaitet sein, wenn man Blackbirds lesen möchte.

Der Roman beginnt mit Miriam, die in einem schäbigen Hotel dem bevorstehenden Tod eines wirklich unsympathischen Scheißkerls beiwohnen möchte – nunja, „möchte“. Vielmehr fühlt sie sich verpflichtet, schließlich hat sie seinen Tod bereits gesehen, außerdem hilft ihr das Bargeld in seinen Taschen dabei, ein paar Tage über die Runden zu kommen. Sie ist knallhart, hat ein ausgesprochen derbes Vokabular, säuft, was das Zeug hält, und bevorzugt den gelegentlichen, aber auf jeden Fall unverbindlichen Sex mit Fremden. Ihre unheimliche Fähigkeit hat sie sichtlich gezeichnet und sie meidet enge Bindungen zu anderen Menschen wie der Teufel das Weihwasser. Als Straßenvagabundin macht sie also keine Gefangenen und kann ebenso heftig austeilen, wie sie einstecken kann, und sie geht keinerlei Verpflichtungen ein. Sie denkt praktisch, egoistisch und überaus zynisch. Kurz gesagt: Miriam ist selbstzerstörerisch. Umso überraschender ist es, dass sie dem vereinsamten Louis ein wenig das Herz öffnet und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit so etwas wie Zuneigung für einen Menschen zulässt. Es ist eine wackelige Beziehung, die Miriam aber etwas mehr Menschlichkeit verleiht und den Bogen an einer Stelle schlägt, wo man als Leser beinahe zu genervt ist von der schlecht gelaunten Protagonistin, um noch lange am Ball bleiben zu wollen. Denn im Grunde ist der Ansatz dieser rohen Figur nicht schlecht, nur leider übertreibt es der Autor gerne mal. Es dauert recht lange, bis man mit der Figur wirklich warm wird. Viel zu lange bleibt sie zu oberflächlich, als dass man das Verhalten glaubhaft nachvollziehen oder sich in Miriam hineinversetzen könnte.
Nach und nach erfährt man schließlich aber doch mehr über die holprige Vergangenheit von Miriam und endlich wird ihr Tiefe zuteil. Das macht den anfänglich schwachen Start zwar auch nicht wieder gut, doch mit diesem Wandel wird plötzlich die Neugier des Lesers geweckt und auch dessen Verständnis.
Den übrigen Charakteren schadet die Oberflächlichkeit nicht, da es sich dabei hauptsächlich um regelrechten Abschaum handelt, der sowieso keine Sympathien wecken soll und stattdessen für Entsetzen zuständig ist. Das betrifft vor allem die Auftragskillerin Harriet, für die zu foltern Kunst und Glücksgefühle bedeuten; und ihren Chef, den seltsamen Glatzkopf, der in seinem Beutel Menschenknochen sammelt.

Die Erzählung wird in mehreren Teilen immer wieder unterbrochen und fortgesetzt, so dass sich die Details wie ein Puzzle langsam zusammenfügen und spannende Stellen mit einem „Zwischenspiel“ zum Cliffhanger werden. Im Falle von Blackbirds ist das recht interessant und wertet die Erzählung auf, auch sind die Sprünge nicht so groß, dass man den Faden verlieren würde.

Blackbirds liefert eine spannende Idee und ein actionreiches Abenteuer mit ordentlich Blut. Einzig die vulgäre Sprache der Protagonisten ist auf Dauer etwas anstrengend, da hier wirklich, wirklich viele davon sich die Klinke in die Hand geben, zu jeder Gelegenheit. Vielleicht musste der Autor, der sonst Drehbücher schreibt, in seinem Debütroman etwas kompensieren, was ihm bei den Filmstudios aufgrund von Zensuren verwehrt bleibt. Man weiß es nicht. Einen Blick wert ist der Roman aber durchaus. Chuck Wending hat die Verbindung von Urban Fantasy, Thriller und Roadmovie gut hinbekommen, und wer es gerne rau, teils brutal, auf jedenfall schonungslos mag, der kommt ganz auf seine bzw. ihre Kosten. Man sollte sich allerdings bewusst sein, dass dieser Auftaktroman ganz klar auf die Fortsetzung baut und viel mehr Fragen aufwirft, als welche zu beantworten. So bleibt auch ungeklärt, wie Miriam zu ihrer Fähigkeit gekommen ist und was genau in ihrer Jugend mit ihr passierte. Blackbirds schließt zwar die Haupthandlung letztlich ab, liest sich aber insgesamt doch mehr wie eine Einleitung für das eigentliche Spektakel.

Noch ein Wort zum Buchcover, denn hier sind mit viel Liebe zum Detail jede Menge Hinweise auf die Story eingeflochten worden. Und wie oft kommt es bei einem Cover schon vor, dass es ernsthaft durchdacht wurde? Schöne Sache!

Blameless von Gail CarrigerVon ihrem Ehemann verschmäht, ihres Postens als Mujah enthoben und von Vampirattentätern verfolgt, begibt sich Lady Maccon auf die Suche nach Antworten in Bezug auf ihren seelenlosen und ausgesprochen schwangeren Zustand. Zusammen mit Madame Lefoux und ihrem Diener Floote reist sie nach Italien, wo vermutlich die größten aller Schrecken auf sie warten: Kaffee und Pesto!

– An image of her husband’s face momentarily broke her resolve. That look in his eyes the last time they saw each other – so betrayed. But what he believed of her, the fact that he doubted her in such a way, was inexcusable. How dare he leave her remembering some lost-puppy look simply to toy with her sympathies! –
Kapitel 1, S. 6

In Blameless (Entflammte Nacht) rückt der bisher vorhandene romantische Aspekt der Buchreihe deutlich in den Hintergrund. Wer sich die letzten Ereignisse aus Changeless (Brennende Finsternis) in Erinnerung ruft, wird darüber nicht allzu verwundert sein. Mit gewohnt bissigem Wortwitz und schrulligen wissenschaftlichen Erfindungen wie mechanischen und ausgesprochen mörderischen Marienkäfern, hebt sich Gail Carriger mit Blameless einmal mehr von der Romantasy-Welle ab und präsentiert ihren Lesern eine turbulente Abenteuergeschichte. Die Autorin greift außerdem einen Handlungsstrang auf, der in den ersten Bänden nur angedeutet bzw. als vollendete Tatsache präsentiert wurde.

Sehr sympathisch ist es, wie Gail Carriger ihre alternative Realität mit vertrauten Dingen bestückt und diese gleichzeitig in ein neues Licht setzt. So wird Pesto beispielsweise vollkommen zu Unrecht für eine leckere Speise gehalten, denn eigentlich handelt es sich hierbei, aufgrund der strategisch gut gewählten Zutaten, um eine effektive Waffe, sowohl gegen Werwölfe als auch gegen Vampire. Nicht verwunderlich also, dass Pesto sich trotz seiner zusätzlich schmackhaften Eigenschaften im von Vampiren und Werwölfen bevölkerten England keiner besonders großen Beliebtheit erfreut.
Man merkt Blameless zudem deutlicher an als den Vorgängern, dass die Autorin Archäologin ist und gerne in der Geschichte gräbt. So werden auch verschiedene bekannte Artefakte und geschichtliche Entdeckungen einer neuen Bedeutung zugeführt, die sich wunderbar in das Bild dieser multikulturellen Gesellschaft einfügt.

Wer sich auf Lord Maccon freut, wird in Blameless auf die Folter gespannt. Der grantige Werwolf hat leider nur wenige Auftritte, dafür sind diese aber kaum zu überbieten und sorgen für Lachanfälle vom Feinsten.
Fans der schrägen Hutmode dagegen wird es freuen zu hören, dass Miss Ivy Hisselpenny eine besonders delikate Aufgabe zuteil wird, die einen zunächst die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und das Armageddon für die Modewelt befürchten lässt.

Alles in allem verliert der dritte Band aus der Reihe The Parasol Protectorate nichts von seinem Witz oder Charme und ist genauso lesenswert wie seine Vorgänger. Durch die neue Rahmenhandlung, die erst zum Schluss hin deutlich wird, gewinnt der Roman jedoch zusätzlich an Spannung. Während Soulless (Glühende Dunkelheit) in sich abgeschlossen ist und durchaus für sich allein stehen bleiben kann und auch Changeless lediglich ein weiterer Roman innerhalb der selben Welt mit den selben Protagonisten ist, lässt Blameless nun klar werden, dass es um eine größere Hintergrundgeschichte geht, welche den Ursprung aller Außer- und Übernatürlichen aufzudecken beginnt und in Heartless (Feurige Schatten) eine Fortsetzung findet. Der Leser begibt sich also nun auf Spurensuche und fühlt sich dabei ein wenig wie Indiana Jones auf der Jagd. Das Buch schließt diesmal ohne großen Cliffhanger ab, lässt aber viel Raum, um neugierig auf den vierten Band zu machen.

Blood Rites von Jim ButcherWenn man gerade einer Horde wütender Affendämonen und ihrer fäkalen Wurfgeschosse entkommen ist, gibt es sicher Schöneres, als kurz darauf einem Vampir in die Arme zu laufen. Glück im Unglück, trifft Harry auf einen vergleichsweise harmlose Ausgabe, als Thomas vom Weißen Hof Harry bittet, einen Auftrag zu übernehmen. Der Regisseur eines kleinen Filmstudios glaubt sich verflucht, da seine weiblichen Darstellerinnen der Reihe nach auf merkwürdige Weise sterben. Harry übernimmt den Fall nur als Gefallen für Thomas, dessen Succubi-Clan er nicht mehr schätzt als fliegende Affenkacke. Dabei stolpert er jedoch über Geheimnisse, die ihm die Schuhe ausziehen.

– The building was on fire, and it wasn’t my fault. –
Chapter One

Wenn bei der Rettung von Hundewelpen mit Kot werfende Affendämonen zu einem gigantischen geflügelten King Kong in lila Farbe verschmelzen, dann führt das unweigerlich zu bizarrem Kopfkino. Doch genauso startet Blood Rites (Bluthunger) in das sechste Abenteuer von Harry Dresden, und es wird noch besser. Als »Mädchen für alles« (das darf man nun nicht falsch verstehen) landet Harry am Set eines Erotikfilms, wo tatsächlich ein Fluch die Darstellerinnen umbringt. Wer dahinter steckt, bleibt lange unklar, sicher ist nur, dass es einen Hexenzirkel geben muss, der sich seine Opfer gezielt aussucht. Doch was könnte der Grund sein? Steckt eine der zahlreichen Ex-Frauen des Regisseurs dahinter? Oder vielleicht ein konkurrierendes Filmstudio, das sich von den innovativen Ansätzen des neuen Mitbewerbers bedroht sieht? Oder ist es vielleicht auch etwas ganz anderes? Harry unternimmt selbstverständlich alles, um die Damen in Nöten vor der unsichtbaren Gefahr zu schützen, tritt dabei aber nicht selten in Stolperfallen, die ihn selbst zum Hauptverdächtigen machen. Richtig spannend wird es, als er am Set einen Vampir des Weißen Hofs entdeckt, der so schön wie gefährlich ist und sich als Schwester von Thomas entpuppt. Damit werden Verwicklungen aufgedeckt, die sich bis in Harrys dubiose Vergangenheit erstrecken. Erfreulich hierbei insgesamt ist, dass einmal nicht jedes Kapitel mit Harrys potentiellem Nahtod endet, sondern mit Neugier weckenden Mini-Cliffhangern zum Handlungsstrang.

Blood Rites liefert viele Einblicke in die Charaktere, allen voran in die von Harry und Thomas. Die Beschaffenheit des Weißen Hofs der Vampire wird näher beleuchtet, ebenso die Bürde, die er für manche Zugehörige bedeutet. Bisher ist diese Vampirfamilie nur als eine Art weniger gefährlicher und weniger ernst zu nehmender Sex-Vampire in Erscheinung getreten. Nun aber erfährt man mehr darüber, wie diese Familie sich ernährt, funktioniert und lebt. Die Dinge sind dabei nicht so schwarzweiß, wie es bisher den Anschein hatte.
Trotz des zunächst eindeutigen thematischen Schwerpunktes wird die Lektüre nie platt oder besonders erotisch (weniger sogar noch als in Death Masks), sondern die entsprechenden Elemente werden eher funktional beleuchtet – sicherlich bleibt da dennoch genug Platz für den ein oder anderen kessen Spruch.
Die Entdeckungen, die Harry macht, reichen von abstoßend bis unerwartet zu ganz klassisch überraschend oder erfreulich. Im sechsten Band lernt der Leser im Wesentlichen größere Charakterhintergründe kennen, die immer mal wieder zum Teil in den vorigen Bänden angedeutet wurden, und das sorgt für Spannung.

Wie schon in Death Masks (Silberlinge) wirkt Harry mit vorlauter Arroganz auch in Blood Rites insgesamt etwas spröder und muss deswegen ein paar Sympathiepunkte abgeben. Trotzdem ist dieser Band wieder sehr stark, deckt er doch vieles aus Harrys verschleierter Vergangenheit auf und verleiht seinem Charakter mehr Substanz. Ebenso kommt der Humor wieder stärker heraus, doch das ist angesichts der Entwicklungen fast schon zu vernachlässigen. Blood Rites wird von Seite zu Seite besser, da man hier neugierig verfolgen kann, welches Geheimnis sich als nächstes lüften wird. Am Ende ist nicht nur Harry verblüfft, wohl aber treffen ihn die Veränderungen am deutlichsten.

The Spiderwick Chronicles: Care and Feeding of Sprites von Tony DiTerlizzi & Holly BlackSimon Grace wendet sich in einem persönlichen Brief an die beiden Chronisten der Spiderwick Chronicles. Darin schildert er seinen Beitritt in eine Organisation namens International Sprite League, die sich mit der artgerechten Aufzucht und Pflege von Elfen befasst. Auf seine Bitte, ein Handbuch für die Mitglieder dieser Organisation zu erstellen, legen die beiden Autoren DiTerlizzi und Black nun ebenjenes vor.

– A sprite is a constant reminder of all that is magical. Magnificent creatures with vast variation in color and form, these tiny faeris, some smaller than a toothpick, may make flowers bloom yet can deliver surprisingly fierce bites when threatend. –
The Magnificent Sprite, S. 1

Wer Arthur Spiderwick’s Field Guide to the Fantastical World Around You (Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum) bereits gelesen hat, dem wird nicht entgangen sein, dass darin Waldgeister erwähnt werden, auf die das große Handbuch jedoch nicht allzu genau eingeht. Care and Feeding of Sprites (Über Haltung und Pflege von Elfen) schließt diese Lücke und widmet den kleinen Geschöpfen einen eigenen, liebevoll aufgemachten Leitfaden für den interessierten Laien. Hierin erfährt er alles über Verhalten, Krankheiten, Eigenschaften und nicht zuletzt auch Anatomie von Elfen.

Das Handbuch nimmt die Funktion eines Ratgebers ein, aufgebaut wie gängige Fachliteratur zur Tierhaltung, zeigt die erste Seite zunächst eine erklärende Schautafel. Anhand eines Beispiels werden die verwendeten Symbole und Angaben vorgestellt. Neben einer ganzseitigen, naturgetreuen Illustration der jeweiligen Elfe in ihrer wahren Form werden charakteristische Merkmale ihres Körpers offenbart, eine scheinbar lateinische Fachbezeichnung ihres Namens genannt, sowie ihre Größe in Millimeterangaben. Auch Abweichungen zwischen den Geschlechtsformen werden, wo nötig, durch vergleichende Detailskizzen – etwa von Fühlern oder auch Krallen etc. – aufgeführt. Anhand charmant entwickelter Symbole wird auf den Schautafeln außerdem auch Auskunft über den bevorzugten Lebensraum, Fähigkeit oder Fortbewegungsart der besprochenen Elfe gegeben. Hier finden sich Eigenschaften wie: schelmisch, kann singen, glaubt singen zu können, erziehbar oder: bringt Blumen zum Blühen.
Zu den einzelnen Schautafeln gehört auch jeweils ein Begleittext und ein in Rot gerahmter Warnhinweis (mit einem eigenen amüsanten Symbol) zu verschiedenen Themen.

Als besonderes Schmankerl dieser speziellen Ausgabe lässt sich der Einband zu einem ca. A2 großen Poster im Querformat ausbreiten, welches die Zeichnungen und Namen der im Buch vorgestellten Elfen zeigt. Löscht man dann am Abend das Licht entdeckt man eine weitere Überraschung: Teile der Elfen leuchten im Dunkeln!

Für Freunde detailreicher Illustrationen oder Elfen im Allgemeinen ist dieses kleine Büchlein trotz seiner überschaubaren Seitenanzahl zu empfehlen. Auch Fans von Brian Froud werden bei Care and Feeding of Sprites auf ihre Kosten kommen. Vor allem die realistisch wirkende Aufmachung des Buches und der durchdachte Aufbau lassen es zu einer zauberhaften und überzeugenden Lektüre für jedes Alter werden. Mehrfaches Schmökern garantiert!

Carniepunk von Rachel Caine, Delilah S. Dawson, Jennifer Estep, Kelly Gay, Kevin Hearne, Mark Henry, Hillary Jacques, Jackie Kessler, Seanen McGuire, Kelly Meding, Allison Pang, Nicole D. Peeler, Rob Thurman, Jaye WellsVierzehn Kurzgeschichten ziehen in dieser Anthologie LeserInnen in die oft schaurige, pervertierte oder einfach nur surreale Welt des Zirkus.
Vierzehn Geschichten, vierzehn AutorInnen – und alle betreten den Zirkus auf ganz unterschiedliche Weise. Was alle gemein haben, ist die Verbindung zum Grauen oder zu Dämonen, die auf der Jagd nach Seelen sind …
Kommt zahlreich, mutige Abenteurer, die Manege ruft!

– It took me two days to die. On the first night, I met Madame Laida, and on the second night, I met the Cold Girl.
And this is how it happened. –
The Cold Girl, Rachel Caine, S. 153

Kurzgeschichten haben es in der Verlagswelt schwer, wahrgenommen zu werden, dabei bieten sie eine hervorragende Möglichkeit, Leser auf neue Autoren oder Serien aufmerksam zu machen, die ihrem Radar bisher womöglich entgangen sind. In Carniepunk haben sich vierzehn verschiedene Autoren zusammengefunden und unter dem Oberthema “Zirkus” ihre Geschichten beigesteuert. Manche stehen für sich alleine, andere ergänzen bestehende Buchreihen der einzelnen AutorInnen.
Die meisten dieser Geschichten sind nichts für junge Leser. Mal abgesehen von fließendem Blut und dem leise mitschwingenden Horror, der alle Geschichten vereint, finden hier teils sehr deutliche sexuelle Handlungen statt, die von Nekrophilie über die Erinnerungen eines Vergewaltigers bis zu den detaillierten Aktivitäten eines Sukkubus reichen. Meistens schaffen es die AutorInnen dabei, nicht ins Fremdschämen abzudriften – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die Qualität der Geschichten schwankt. Manche AutorInnen beherrschen ihr Handwerk besser als andere oder haben vielleicht auch einfach nur ein mal besseres, mal schlechteres Händchen für die Kunst, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Manches lässt einen als LeserIn einfach nur verwirrt zurück, anderes wirkt, als habe der/die AutorIn sich schwer getan, seine Ideen in Zaum zu halten, und macht viele Sprünge, um all die Ansätze irgendwie in Kurzform zu bringen.

Hier eine Übersicht und ggf. Eindrücke der einzelnen Geschichten:

Painted Love – Rob Thurman
Der Weltreisende Doodle schließt sich für eine Weile dem Zirkusangestellten Bartholemew an und beobachtet dessen Alltag. Bartholemew ist ein waschechter Psychopath und hat sich gerade sein nächstes Opfer ausgesucht, was Doodle in eine schwierige Lage bringt. Einerseits sieht er sich selbst als reinen Beobachter, andererseits empfindet er eine gewisse Zuneigung für das nächste Opfer.
Die Geschichte funktioniert nur bedingt, da Doodles Figur wenig Zugangsmöglichkeiten bietet. Die Idee dahinter ist durchaus nicht schlecht, die Ausführung teils aber zu blass.

The Three Lives of Lydia – Delilah S. Dawson
Diese Geschichte gehört zu einer Buchreihe (Blud Series) und greift das Setting eines im viktorianischen Zeitalter angesiedelten Universums auf. Die Atmosphäre ist düster und steampunkig und die Wendungen überraschend. Lydia erwacht nackt auf einem leeren Feld, das von Zirkuswagen umkreist ist, trifft später auf Vampire und Werwölfe, die im Zirkus angestellt sind und nicht alle gute Absichten für sie hegen.
Eine stimmungsvolle Geschichte mit überraschendem Ende, die auch ohne Kenntnis der eigentlichen Buchreihe gut funktioniert.

The Demon Barker of Wheat Street – Kevin Hearne
Teil der Buchreihe The Iron Druid Chronicles. Die Geschichte findet zeitlich nach dem 4. Band statt (und nach der Kurzgeschichte Two Ravens and One Crow), kann aber gut für sich gelesen werden.
Druide Atticus und Lehrling Granuaile besuchen einen Zirkus und geraten dabei in die Fänge eines Dämons, der seine Attraktion zur Ernte ahnungsloser Seelen benutzt und sie geradewegs auf einen Trip in die Hölle schickt.
Witzig und im wahrsten Sinne höllisch gefährlich.

The Sweeter the Juice – Mark Henry
Post-Apokalyptisches Szenario, in dem Zombies allgegenwärtig und ihre Angriffe an der Tagesordnung sind. Die transsexuelle Jade Reynolds geht einen Handel ein, um sich ihre/seine Geschlechtsumwandlung leisten zu können, und soll für die behandelnde Ärztin eine neu zirkulierende Droge finden.
Diese Geschichte ist mehr im Horrorbereich zuhause, stopft aber so viele (teils eklige) Ausführungen in einen Sack, dass es für mich schwierig war, am Ball zu bleiben, und wurde dementsprechend abgebrochen.

Werewife – Jaye Wells
Nach dem Besuch einer Zirkusvorstellung verwandelt sich die Ehefrau in einen Werwolf, was sich als recht unkomfortabel für den Ehemann erweist. Als der selbe Zirkus nach einem Jahr in die Stadt zurückkehrt, überredet der Gatte seine Frau, erneut dorthin zu gehe,n um den Fluch aufzuheben, doch was sie dort erwartet, ist mehr als eine unschöne Erkenntnis.
Diese Geschichte ist aus Sicht des Ehemanns erzählt und bis auf das etwas überstürzte und nicht ganz überzeugende Ende sehr unterhaltsam.

The Cold Girl – Rachel Caine
Die sechzehnjährige Kiley besucht mit ihrem Freund einen Zirkus und vertauscht dabei versehentlich ihre Telefone. Als sie die Inhalte auf dem Telefon ihres Freundes sieht muss sie erkennen, dass der Junge, den sie liebt, eine schockierende Seite verbirgt, für die sie bisher blind war – obwohl andere die Anzeichen längst bemerkt haben.
Spannend, ergreifend und verstörend, ist dies eine der sehr gut gelungenen Geschichten der Anthologie.

A Duet With Darkness – Allison Pang
Teil der Abby Sinclair Series. Mel kann Noten und Melodien farblich wahrnehmen. Sie ist ein musikalisches Ausnahmetalent und hält sich für die beste in ihrer Band. Sie kann offenbar die Wilde Magie anzapfen, was bei einem geplanten Auftritt der Band die Aufmerksamkeit von jemandem erweckt, dem sie nicht gewachsen ist. Ihr Freund, ein gefallener Engel, versucht sie vor den Folgen ihres Stolzes zu bewahren, doch einer muss den Preis bezahlen.
Liest sich etwas wie ein Jugendbuch, ist nur inhaltlich nicht ganz jugendfrei. Die Welt und die Figuren sind aber gut beschrieben und durchaus interessant.

Recession of the Divine – Hillary Jacques
Die Versicherungsermittlerin Olivia untersucht den Brand in einem Zirkus, und es ist schnell klar, dass hier etwas nicht stimmt. Als die Angestellten merken, dass Olivia in die Erinnerungen anderer eintauchen kann, wird sie entführt und mit einem Bann ihrer eigenen Erinnerung beraubt, um sie angekettet als Wahrsagerin arbeiten zu lassen. Der Leser erfährt früh, dass sie eine Göttin in Menschengestalt ist, ihre Entführer lernen es auf die harte Tour.
Diese Geschichte war verwirrend, da die Autorin zahlreiche Zeitsprünge macht und eine eher weitreichende Handlung in einen so kurzen Text zu pressen versucht. Zeitsprünge erschweren das Ganze ebenso wie die Tatsache, dass nicht immer klar ist, was wessen Erinnerung ist oder was gerade doch real.

Parlor Tricks – Jennifer Estep
Teil der Serie Elemental Assassin Series. Detective Bria Coolidge bittet ihre Schwester, die Assassinin Spider, um Hilfe bei der Suche eines verschwundenen Mädchens, das zuletzt gesehen wurde, als es einen Zirkus besuchte. Als die beiden Frauen die Hintergründe ihres Verschwindens aufdecken, braucht es alles an Elementarmagie, was Spider zu bieten hat.
Die Figur der Spider, aus deren Perspektive erzählt wird, ist nur schwer zugänglich und so springt der Funke bei dieser Geschichte nicht recht auf die Leserschaft über. Ist vielleicht anders, wenn man die Buchreihe dazu kennt.

Freak House – Kelly Meding
Teil der noch im Entstehungsprozess befindlichen Buchreihe Strays Series, die recht viel Potential haben dürfte, wenn man diese Kurzgeschichte als Indikator nehmen darf.
Shiloh ist halb Djinn und hat jüngst erfahren, dass ihr Vater von einem Schwarz-Magier gefangen gehalten und als Zirkusattraktion ausgestellt wird. Zusammen mit zwei unerwarteten Verbündeten, von denen einer ein Werwolf ist, der andere ein pensionierter Soldat, und ausgestattet mit ihrem eigenen magischen Erbe, schleicht sie sich in die geschlossene Veranstaltung ein und findet weitere Gefangene vor. Für Shilo und ein paar andere zeichnet sich ein neues Ziel ab.
Interessantes Konzept, das neugierig auf mehr macht.

The Inside Man – Nicole Peeler
Teil der Jane True Series. Die drei Inhaberinnen der Triptych Agentur bekommen Besuch vom größten Gangsterboss der magischen Szene und werden “gebeten” herauszufinden, weshalb seine Schwester und alle anderen Bewohner ihrer Stadt ihre Erinnerungen und ihre Ambitionen verloren haben. Ihre Ermittlungen führen sie in die Fänge eines dämonischen Clowns, der ganze Städte heimsucht und nichts alle leere menschliche Hüllen zurücklässt.
Spannende Charaktere mit interessanten Hintergründen und ordentlich Frauenpower. Hier wird nicht lange gefackelt und gleich kurzer Prozess mit Dämonen wie menschlichen Bestien gemacht … Da lohnt sich wohl ein Blick in die Buchreihe.

A Chance in Hell – Jackie Kessler
Teil der Buchreihe A Hell on Earth. Die frühere Sukkubi Jezebel ist inzwischen menschlich und auf der Flucht vor dem Höllenfürst, um die Apokalypse zu verhindern. Ihre Mitbewohnerin soll Jez beibringen, was Menschlichkeit bedeutet, und nimmt den unmotivierten Ex-Dämon mit zu einem Zirkus. Der Tag verschlechtert sich deutlich, als Jez dort einem hochrangigen Dämon der Gier begegnet, der nichts lieber täte als Jezebels blitzblanke neue Seele in seine Finger zu kriegen.
Teilweise humorvoll, mit viel Erotik garniert.

Hells’s Menagerie – Kelly Gay
Teil der Buchreihe Charlie Madigan. Die zwölfjährige Emma, Tochter von Charlie Madigan, marschiert in Charbydon (Hölle) ein, um die entführten Welpen und das Weibchen ihres Höllenhundes Brim zu retten. Dabei riskiert sie lebenslangen Hausarrest, den Rauswurf aus der Schule und selbstverständlich ihr eigenes Leben, wie auch das ihres Begleiters, dem Djinn, der im Körper ihres dahingeschiedenen Vaters steckt.
Obwohl die Ansätze gut waren, habe ich diese Geschichte letztlich nur quer gelesen. Die Protagonistin war mir zu jung und die Rettung von Hundewelpen hat meinen Toleranzbereich für Niedlichkeiten gesprengt.

Daughter of the Midway, the Mermaid, and the Open, Lonely Sea – Seanan McGuire
Ada ist im Zirkus der Miller Familie geboren und aufgewachsen. Ihre Mutter ist die Hauptattraktion: eine echte Meerjungfrau, die als junge Frau schwanger Zuflucht im Zirkus gesucht hat. Nach beinahe zwanzig Jahren kommt der Zirkus an den Ort zurück, von dem Adas Mutter einst geflohen ist, und prompt wird das Mädchen von ein paar der Stadtbewohner entführt und gefangen gehalten. Ada entdeckt, dass es ein düsteres Geheimnis im Leben ihrer Mutter gab, die sich freiwillig entschieden hat, alles zu vergessen, indem sie sich dem Wasser hingab und ihre unvermeidliche Verwandlung in eine Meerjungfrau vollzog. Der Zirkus mag die Freakshow haben, doch die Monster leben außerhalb.
Eine Geschichte, die mit etwas mehr Tragik gefüllt ist und leider viele Aspekte der Charaktere nur andeutet, von denen mehr zu wissen spannend gewesen wäre.

Castle in the Air von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

– In his daydreams, he was really the long-lost son of a great prince, which meant, of course, that his father was not really his father. It was a complete castle in the air, and Abdullah knew it was. –

Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) ist die indirekte Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers). Hierin wird es allerdings märchenhaft wie in einer Geschichte aus Tausendundeinernacht und der geneigte Leser muss sich recht lange gedulden, ehe die bekannten Protagonisten aus dem ersten Buch dieser locker verknüpften Reihe wieder in Erscheinung treten. Castle in the Air sollte man daher auch als einen eigenständigen Roman betrachten – in dem nur zufällig ein paar bekannte Charaktere wieder auftauchen – und keine richtige Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle erwarten.

Ganz so brillant wie sein Vorgänger ist Castle in the Air nicht, dennoch ist es wieder eine sehr phantasievolle und lebendige Geschichte, die Diana Wynne Jones hier erschafft und mit gewohntem Humor garniert. Letzterer kommt diesmal besonders bei Namensgebung und Wortwahl zum Tragen, denn die Autorin spielt wieder gerne mit Klischees und bedient sich hier bei den Vorstellungen vom Orient, wo Namen nicht nur Namen sind, sondern Bedeutungen haben. Dabei darf natürlich auch nicht die blumige Ausdrucksweise fehlen, die die Autorin jedoch in unseren Sprachgebrauch überträgt, was für viel Schmunzeln sorgt. So kommt es, dass eine Prinzessin den Namen Blume-in-der-Nacht/Flower-in-the-Night trägt oder Teppichhändler geradezu lyrische Verkaufsgespräche führen.
Darauf lässt die Autorin es freilich nicht beruhen und schickt zusätzlich wieder herrlich überzogene, schrullige, spießige oder hochnäsige Charaktere ins Rennen, die alle ein bisschen mehr sind, als man glaubt über sie zu wissen. So überzeugend sympathisch und lebendig wie Howl und Sophie in Howl’s Moving Castle werden Abdullah und Flower-in-the-Night aber leider nicht, und auch die beiden erstgenannten kommen in Castle in the Air nicht so richtig zu ihrem alten Glanz.

Kleinere Abzüge muss man ebenfalls bei der erzählerischen Dynamik machen, die sich mit Einschüben, die nicht zwingend nötig gewesen wären, leider immer mal wieder als etwas langatmig erweist. Es ist daher dringend ratsam, eine längere Pause zwischen Howl’s Moving Castle und Castle in the Air verstreichen zu lassen und die beiden Bücher nicht gleich nacheinander zu lesen. Auch sollte man davon absehen, die Bücher als normale Buchreihe zu betrachten, denn im direkten Vergleich haben sie wenig miteinander zu tun und gerade Castle in the Air wirkt dabei doch ein wenig enttäuschend. Für sich betrachtet und davon ausgehend, dass die wiederkehrenden Charaktere ein zusätzlicher Bonus, aber kein tragendes Element dieses Romans sind, ist Castle in the Air durchaus unterhaltsam und amüsant. Man muss sich lediglich klar machen, dass dies die Geschichte von Abdullah und Flower-in-the-Night ist und nicht die von Sophie und Howl.

Changeless von Gail CarrigerIn Changeless, dem 2. Teil des Parasol Protectorates, findet Lady Alexia Maccon das heimatliche Anwesen unerfreulicherweise ohne Ehemann vor. Während dieser sich ebenso ohne Vorankündigung nach Schottland begeben hat, haust im Vorgarten ein ansehnliches Rudel Werwölfe, das auf Alexias Gartengestaltung wenig Rücksicht nimmt. Als sich eine Art Krankheit, die aus den Übernatürlichen wieder Sterbliche macht,  in Conell Maccons Richtung bewegt, begibt sich Alexia kurzentschlossen selbst auf den Weg nach Schottland. Gewisse Ereignisse verlangen jedoch, dass sie dabei von der Erfinderin Madame Lefou, ihrer Freundin Ivy Hisselpenny und sogar ihrer Schwester begleitet wird – ein chaotisches Gespann mit Lachgarantie.

– Werewolf, was he? Well, Alexia Maccon’s parasol was tipped with silver for a reason. She walloped him again, this time making certain the tip touched his skin. At the same time, she rediscovered her powers of speech.
“How dare you! You impudent” – whack – “arrogant” – whack – “overbearing” – whack – “unobservant dog!” Whack, whack. –
Kapitel 1, S.18

Schon die ersten Seiten von Changeless (Brennende Finsternis) lassen erkennen, hier wird es wieder genauso absurd komisch wie im ersten Teil Soulless (Glühende Dunkelheit). Angereichert mit der gewohnt charmanten Prise Steampunk kommt der spitze Humor in Form britischer Trockenheit wieder frühzeitig in Fahrt und treibt die Mundwinkel in die Höhe. Skandalöse Kleidungsstile sowie der obligatorische  Sonnenschirm, in dem sich ein ganzes Arsenal an tödlichen Waffen verbirgt und der ein bisschen an James Bonds Kollegen Q denken lässt, lassen darüber hinaus keine Wünsche offen.

Während die Handlung dieses Mal etwas löchrig geraten ist, wurden die Figuren deutlich besser ausgearbeitet als im Vorgänger. Sie haben mehr Tiefe, mehr Persönlichkeit und wirken kurzum solide. Diese Nähe zu den Charakteren macht es einem leicht, sich von der Geschichte und ihren urkomischen Wendungen mitreißen zu lassen. Manch nervtötender Persönlichkeit möchte man da trotz ihrer Zierlichkeit gerne auch mal den Damenschuh in das fein zurechtgemachte Hinterteil treten.

Auch sprachlich ist Changeless wieder ein Highlight. Im Gegensatz zur deutschen Ausgabe kommt im Original natürlich auch der schottische Akzent in voller Pracht zum Vorschein und strapaziert gemeinsam mit den hitzigen Wortgefechten die Lachmuskeln zusätzlich. Schon allein deswegen macht das Original noch mal eine ganze Ecke mehr Spaß. Daneben fällt auch immer wieder auf, wie intensiv sich Gail Carriger mit den Details zu ihren Romanen befasst, seien es nun die Verhaltensregeln und Manieren, wissenschaftliche und technische Erfindungen oder die Beschaffenheit viktorianischer Mode. Mit einer sichtbaren Liebe für all diese Details schafft es die Autorin, wieder ein lebendiges Bild ihrer Welt zu zeichnen, ohne sich dabei in ermüdend langen Beschreibungen zu ergehen.

Mit Changeless liefert Gail Carriger erneut eine paranormale romantische Komödie ab, in der Geister, Mumien, zeterndes Weibsvolk und schottische Werwölfe in Kilts ihren großen Auftritt haben.
Besonders fies ist jedoch die letzte Wendung und der damit verbundene Cliffhänger zum Schluss. Da sollte man sich unbedingt den 3. Band, Blameless (Entflammte Nacht), frühzeitig zulegen und bereithalten.

City of Bones von Cassandra ClareClary dachte, sie und ihr bester Freund Simon würden einen ganz normalen Abend im Club Pandemonium verbringen. Ein wenig tanzen, feiern und das normale jugendliche Leben genießen. Doch dann sieht sie wie ein Teenager von drei anderen ermordet wird und sich anschließend vor ihren Augen in Rauch auflöst. An diesem Abend ändert sich für Clary alles, denn nun muss sie erkennen, dass neben ihrer bekannten Welt eine ganz andere, düstere Welt voller übernatürlicher Kreaturen existiert, und dass sie irgendwie mit ihr in Verbindung steht. Doch die einzige Person, die Klarheit schaffen könnte, Clarys Mutter, wird entführt, bevor Clary die Chance hat, Antworten zu bekommen.

– »Are there any more with you?«
The blue-haired boy could feel blood welling up under the too-tight metal, making his wrist slippery. »Any other what?«
»Come on now.« The tawny-eyed boy held up his hands, and his dark sleeves slipped down, showing the runes inked all over his wrists, the backs of his hands, his palms. »You know what I am.«
Far back inside his skull, the shackled boy’s second set of teeth began to grind.
»Shadowhunter,« he hissed.
The other boy grinned all over his face. »Got you,« he said. –

City of Bones ist der Auftakt der populären Jugendbuchreihe The Mortal Instruments (Die Chroniken der Unterwelt) und Debütroman der Autorin Cassandra Clare. Um die Problematik dieses Romans (und auch der restlichen Reihe) gleich zu Anfang zu nennen: City of Bones begann als Fanfiction basierend auf J.K. Rowlings Figur Draco Malfoy aus der Harry Potter-Reihe, und so sehr Frau Clare auch versucht hat, die Geschichte zu überarbeiten und ihr ihren eigenen Stempel aufzudrücken, so unübersehbar sind doch gewisse Ähnlichkeiten. Leider ist es dadurch sehr schwierig zu entscheiden, wie viel eigene Kreativität die Autorin in dieses Buch eingebracht hat und ob der Roman nun Spaß macht oder ärgert. Die Magie in Clares urbaner Fantasywelt funktioniert gut und ist stimmungsvoll, man sieht nur immer wieder vertrautes aus Harry Potter, Star Wars, Angel Sanctuary … Da fragt man sich unweigerlich, ob die Autorin sich auch irgendetwas von diesem Roman selbst ausgedacht hat. Die subtile Runenmagie, Vampire, Warlocks, Werwölfe, Halbengel, Menschen, Feen und andere Kreaturen in City of Bones haben es schwer, sich über das offensichtlich Kopierte zu erheben. Somit ist die Frage, wie gut einem das Buch gefallen wird, vor allem eine Frage danach, wie gut man einen Neuaufguss anderer Geschichten findet.

Um aber auch einmal auf das Positive zu sprechen zu kommen, gehen wir doch weiter zu den Charakteren. Hier liefert die Autorin zunächst einmal eine breite Vielfalt an Figuren, was sowohl deren Charakter als auch deren ethnische Herkunft oder sexuelle Orientierung angeht. Es ist von allem etwas dabei, so dass sich wirklich jeder mit wenigstens einer der Figuren identifizieren kann. Entsprechend werden auch bestehende Vorurteile unserer Gesellschaft auf unterschiedliche Weise kritisch thematisiert.
Die Charaktere wirken auch sonst recht solide und sind unterhaltsam, ab und an verleiten sie einen zu einem Schmunzeln, ein anderes Mal möchte man sie herzhaft schütteln vor Unverständnis. Fast alle haben emotionale Narben (manche auch körperliche). Das verschafft ihnen eine glaubhafte Lebendigkeit und hält den Leser bei Laune. Nur der Bösewicht ist flacher als ein Blatt Papier. Einzig ärgerlich ist dabei aber die in Jugendbüchern inzwischen obligatorische Dreiecksbeziehung der Hauptfiguren, die, neben anderen Teilen der Handlung, von Anfang an durchschaubar ist. Was dagegen sicherlich noch nicht viele Jugendbuchautoren gemacht haben, ist, eine derart frustrierende Auflösung an den Schluss des Romans zu setzen, dass man das Buch entweder mehr als schlecht gelaunt in die Ecke wirft (immerhin hat man eigentlich nur wegen der einen Sache solange durchgehalten) oder man zerfließt vor Sehnsucht angesichts der dramatischen und schier hoffnungslosen Ereignisse … Für letzteres muss man vermutlich noch zur jüngeren Lesergruppe zählen oder deutlich weniger Jugendbucherfahrung haben.

Wenn man nichts Innovatives erwartet und sich mit den zahlreichen »Inspirationen« in City of Bones arrangieren kann, ist der Roman flüssiges und schnelles Lesefutter mit einer guten Atmosphäre im modernen New York und sympathischen Charakteren. Überraschungen hat der Roman allerdings keine zu bieten, vielleicht bessert sich das noch im Nachfolger: City of Ashes

Verfilmung:
City of Bones wurde 2013 mit Lilly Collins und Jamie Campbell Bower in den Hauptrollen verfilmt.

The City of Ember von Jeanne DuPrauDie Stadt Ember existiert im dunklen Innern der Erde, erhellt nur durch das elektrisch erzeugte Licht eines einzigen Generators. Doch ausgerechnet der droht nun zu zerfallen und die marode gewordene Stadt in vollkommene und nie enden wollende Dunkelheit zu tauchen.
In dieser Zeit macht die junge Lina Mayfleet eine Entdeckung unter den Erinnerungsstücken ihrer Großmutter – eine Kiste, in der sich die bruchstückhaft erhaltenen Anweisungen der Erbauer Embers befinden. Anweisungen, die die Bewohner retten und in eine neue Stadt führen könnten.

»They must not leave the city for at least two hundred years«, said the chief builder. »Or perhaps two hundred and twenty.«
»Is that long enough?« asked his assistant.
»It should be. We can’t know for sure.«
»And when the time comes«, said the assistant, »how will they know what to do?«
»We’ll provide them with instructions, of course«, the chief builder replied.
– The Instructions, S. 1

Es wird abenteuerlich und schmutzig! Das wird nicht nur schon beim Betrachten des Buches selber klar, wo eine altmodisch gezeichnete Stadtkarte für den nötigen Überblick sorgt und vergilbtes Papier den Hauch von Alter vermittelt.
The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) ist das Debüt der Autorin Jeanne DuPrau, die eine Welt unterhalb der Erdoberfläche erschaffen hat, als letzte Hoffnung für das Überleben der Menschheit. Den Emberanern ist die Bedeutung ihrer Heimat dabei nicht bewusst. Für sie ist die Stadt die einzige Form der Existenz, die sie kennen, sozusagen das ganze Universum. So wie man einst glaubte, das Meer fließe am Ende der Welt über den Rand der Erdscheibe hinaus, so glauben die Bewohner Embers, hinter dem Licht der Stadt läge nur ein weites Nichts.

In gigantischen Lagerräumen haben die Erbauer den Emberanern einst Unmengen von allem hinterlassen, was man zum Überleben braucht: Lebensmittelkonserven, Medizin, Vitamin-Präparate, Kleidung, Glühbirnen … doch nach beinahe 250 Jahren ist von diesen einstigen Reichtümern nicht mehr viel geblieben. Der Leser bewegt sich durch eine rostige Welt des Zerfalls, durch eine reine Nutzgesellschaft, die keine Herstellungsprozesse kennt. Embers Bewohner wissen nicht einmal mehr, wie man Elektrizität oder Feuer erzeugt und somit auch nicht, wie man den Generator reparieren, transportable Lichtquellen oder neue Energiequellen schaffen könnte. Sie sind gerade noch in der Lage, die Dinge am Laufen zu halten. Dabei ist es unheimlich spannend zu erleben, wie der eigene Kosmos und das wenige Wissen um unser Universum in Ember zu einer Art Mikrokosmos wird. Für die Emberaner existieren weder Sonne noch Mond, doch elektrisches Licht und Dunkelheit treten hier als stellvertretende Pendants auf. Die Dunkelheit wird zur Weite des Universums, die Erbauer zur Schöpfungskraft … alles, was man als Leser erkennt, entdeckt man gleichzeitig völlig neu, weil es in Ember eine ganz andere Bedeutungsschwere bekommt. Unweigerlich schleicht sich da der Gedanke ein, ob nicht auch unsere Erde eine Art Ember sein könnte. Doch genug der Meta-Ebene und des Philosophierens!

Man schreibt vermutlich das Jahr 241 – “vermutlich” weil das regelmäßige Aufziehen der großen Uhr oder die Einhaltung der Tages- und Nachtzeiten gelegentlich auch mal vergessen wurde –, als die Schüler Lina und Doon ihren Abschluss machen. Wie alle Emberaner beenden auch sie ihre Schulzeit im Alter von zwölf Jahren und treten sofort in das Berufsleben ein. Wer nun denkt, ein Kinderbuch präsentiert zu bekommen, darf gleich wieder aufatmen. Die beiden Helden dieser Geschichte sind für ihr Alter überraschend erwachsen, verantwortungsbewusst und clever, nur in seltenen Momenten erhält man einen Hinweis darauf, dass es tatsächlich noch Kinder sind. Dadurch fällt es auch erwachsenen Lesern nicht schwer sich mit Lina und Doon, den beiden Hauptfiguren, zu identifizieren und ihrem Abenteuer zu folgen.

Doon, ein rebellischer und hitziger Junge, der manchmal mit unbedachtem Eifer nach der rettenden Lösung für Embers Probleme sucht, und Lina, ein Mädchen voller Energie und Tatendrang, kommen durch den Fund eines alten Dokuments der Erbauer möglicherweise zu genau dieser Lösung. Angespornt von ihrem gemeinsamen Ziel, Embers Bewohner zu retten, entziffern Lina und Doon nach und nach die Überreste der Anweisungen.
Mit diesen beiden lebendig gezeichneten Charakteren bewegt sich der Leser nun durch eine klassische Queste mit Hinweisen und Entdeckungen, zwischen tropfenden Rohren, verborgenen Türen, neu entdeckten und gleichzeitig unbekannten Gebrauchsgegenständen, die Lina und Doon zunächst Rätsel aufgeben. Es beginnt ein Reise, die an Jules Vernes Abenteuer erinnert, mit vielen Fragen im Hinterkopf. Wie lange noch kann Ember überleben? Wird das Licht der Stadt eines Tages für immer erlöschen? Gibt es eine Stadt außerhalb Embers und damit eine Hoffnung für das Überleben der Bewohner?

Die Suche nach Antworten wird von einem stimmigen Weltenbau begleitet und vielen sozialkritischen Aspekten, die man in einem Jugendbuch nicht unbedingt erwarten würde. Vertraute Details sorgen außerdem dafür, dass der Roman ein heimeliges Gefühl vermittelt. Da sind z.B. Konserven mit den Etiketten unserer vergangenen Gesellschaft oder Redewendungen, von Generation zu Generation weitergetragen, die in Ember weiter benutzt werden, deren Worte aber oft sinnlos erscheinen. So wird “im selben Boot sitzen” zwar sinngemäß verstanden als “in der selben Situation sein”, doch was ein “Boot” ist und was es bedeutet, das kann niemand mehr sagen. Dieses Zusammenspiel von Alt und Neu, Wissen und Unwissen, Gewohnt und Ungewohnt, macht The City of Ember zu einem nahezu romantischen Lesegenuss für Jung und Alt. Nichts ist so spannend wie die Suche nach unseren Wurzeln, und das findet man in diesem Roman, während man sich mit Lina und Doon auf die Spuren der Erbauer begibt.

Viele dystopische Romane schildern so ein Szenario auf wenig erfreuliche, schon gar nicht wünschenswerte Weise. Doch Ember ist anders. Trotz ihres inzwischen kläglichen Zustands ist sie voller Leben und erfüllt von dem Geist eines Neuanfangs. Die Stadt wurde erbaut, um die Menschheit zu retten und dieser Plan geht auf. The City of Ember begleitet unsere glückliche Rückkehr in die Welt und bietet ein nostalgisches Leseerlebnis mit einem wehmütigen Blick zurück auf das Verlorene. Die Konstruktion der Stadt wirkt dabei solide durchdacht. Nur selten fragt man sich, ob dieses oder jenes in der Realität wirklich funktionieren kann oder ob es sich die Autorin nicht gerade doch zu einfach macht.

Das halboffene Ende des Romans klärt nicht alle Fragen, es kann aber getrost so stehen gelassen werden und wer auf den Geschmack gekommen ist, darf sich über zwei Fortsetzungen und ein Prequel freuen.
(Sprachlich ist The City of Ember übrigens leicht verständlich gehalten und damit auch für Englisch-Einsteiger im Original zu empfehlen.)

Verfilmung:
Das Buch wurde 2008 stimmungsvoll verfilmt. Neben der aufstrebenden Schauspielerin Saoirse Ronan in der weiblichen Hauptrolle treten u.a. Bill Murray, Tim Robbins, Martin Landau und Marianne Jean-Baptiste auf.
Einen ausführlichen Bericht zum Film gibt es im Blog.

Clan Rathskeller von Kevin HearneOh du fröhliche … Druidenzeit! Während die Bürger von Tempe sich im milden Winter auf das Weihnachtsfest vorbereiten, befinden sich waschechte Geschöpfe der keltischen Mythologie unerkannt unter ihnen. Getarnt als Weihnachtselfen in einer Shopping Mall, trachten die letzten Gnome des Clans Rathskeller einem diebischen Kobold nach dem Leben. Atticus und sein irischer Wolfshund Oberon stolpern unfreiwillig nicht nur in konsumwütige Shopper, sondern auch in eine Verfolgungsjagd, die das Chaos perfekt macht.

Oberon stopped and cocked his head to one side. <You’re telling me those are gnomes pretending to be dwarfs pretending to be elves? Are you trying to play Six Degrees of Bilbo Baggins again?>

Oh, Atticus, es geht doch nichts über eine charmante kleine Geschichte, um daran zu erinnern, warum du so umwerfend (witzig) bist.

Clan Rathskeller ist wie A Test of Mettle eine Kurzgeschichte von Kevin Hearne, die zu der Buchreihe The Iron Druid Chronicles gehört und kostenlos zum Download angeboten wird. Die Geschichte spielt chronologisch betrachtet zehn Monate vor Band 1 (Hounded/Die Hetzjagd) und ist zwar nicht handlungsrelevant für die Reihe, dafür aber ein köstlicher Happen Humor für zwischendurch, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Da die Charaktere hier nicht näher vorgestellt bzw. ausgearbeitet werden, ist es für Neueinsteiger vielleicht trotzdem ganz ratsam, nicht gleich mit Clan Rathskeller in die Iron Druid Chronicles einzusteigen. Es könnten sonst doch einige Dinge Fragen aufwerfen, die erst durch die Bücher erklärt werden und dem Leser das nötige Grundwissen vermitteln.

Wer nun schon die Freude hatte, mindestens Hounded gelesen zu haben, der wird Clan Rathskeller als sehr unterhaltsamen Zusatzstoff empfinden, mit einem typischen Atticus, bei dem es viel zu lachen gibt. Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte könnte man es auch nennen, schließlich wird hier ein böser Kobold von Santas Elfen verfolgt. Allein die Vorstellung lässt einen schon albern kichern.
So richtig witzig wird es aber natürlich erst, wenn man tatsächlich die Geschichte selbst liest und sich die teils urkomisch gezeichneten Bilder vor dem geistigen Auge ausmalt. Oberon kann auch im Angesicht einer ernsten Lage nur an mit Schinken umwickelte Steaks denken, Atticus muss mal wieder blank ziehen (ja hier darf gesabbert werden, liebe LeserInnen), eine Emo-Fee macht außerdem Bekanntschaft mit einem Kühlergrill und wer dachte, Gnome und Stöckelschuhe passen nicht so richtig zusammen … der hatte recht.

Kurz gesagt: Clan Rathskeller, ein Titel, der einen leicht auf eine falsche Spur führen kann, ist eine schrecklich amüsante Ergänzung zu den Büchern, mit liebenswert schrulligen Figuren und mindestens einem Beweis mehr, dass Autor Kevin Hearne für jede Lage passende Querverweise zu Musik, Film und Literatur auf Lager hat. Überhaupt ist es erfrischend, wie dieser Autor es schafft, einen alle zwei Minuten lachen oder grinsen zu lassen, ohne dabei platt oder Slap-Stick-artig zu werden. Bitte mehr davon!

Darkness on the Edge of Town von Brian KeeneEines Morgens geht über dem kleinen Städtchen Walden die Sonne nicht mehr auf. Sämtliche Verbindung mit der Außenwelt ist abgebrochen, die Elektrizität versagt, Telefonleitungen und auch der Mobilfunk sind tot. Sonne, Mond und Sterne… das gibt es nicht mehr. Die Stadt ist lückenlos eingehüllt von alles verzehrender Dunkelheit und wer immer Walden verlässt, kommt nicht mehr zurück.
Robbie, seine Freundin Christy und ihr Nachbar Russ finden heraus, dass sich etwas in der Dunkelheit befindet, etwas Tödliches. Doch auch innerhalb der Stadtgrenzen treibt das Übel der Menschen in rasantem Tempo an die Oberfläche.

– According to the Bible, here’s how it all went down. You’ve got the word and the darkness and not much else. The two of them are just sort of hanging out together. The word and the darkness, chilling together in the void. And then the word says, “Let there be Light” and there was. And things continued just fine after that, for the most part.
Then, millennia later, some asshole comes along and fucks it all up.” –
One, S. 7

Darkness on the Edge of Town (Am Ende der Straße) ist das hinterlassene Notizbuch des Protagonisten Robbie Higgins. In Form rückblendender Aufzeichnungen schildert er dem Leser die Ereignisse, die mit der Ankunft der Dunkelheit begonnen haben. Die Art dieser Notizen und die gelegentlich direkte Ansprache des Lesers zielen einerseits auf ein unmittelbares Nacherleben ab, als würden die Aufzeichnungen just in diesem Moment gemacht, und andererseits erwecken sie den Eindruck, man habe als Leser Robbies Tagebuch gefunden.

Es gibt verschiedene kleine und große Ansätze philosophischer, religiöser und heidnischer Erklärungsversuche bis hin zu einem kritischen Blick auf die moderne Gesellschaft, in der keiner mehr seinen Nachbarn kennt und sich jeder nur noch für sich selbst interessiert. Verstärkt und beschleunigt durch den Einfluss der Dunkelheit, die im Weiteren nicht näher beschrieben wird, brechen daher in Walden die letzten verbliebenen moralischen Werte innerhalb von Stunden zusammen, Folter, Mord und Vergewaltigung werden zu einer alltäglichen, kaum beachteten Tagesordnung. Daneben sind die üblichen Ladenplünderungen schon zu vernachlässigen.

Was nun zunächst einmal gar nicht so schlecht beginnt und eine mysteriöse Endzeit-Geschichte mit Gruselfaktor versprechen mag, entpuppt sich als langweiliger Klon hundertfach erzählter Geschichten, ein bisschen Stephen King, ein bisschen Nebel des Grauens etc. – wäre es wenigstens eine gut durchdachte, spannende Erzählung, so könnte man den Roman sicher trotzdem genießen, so jedoch ist Darkness on the Edge of Town eine große Enttäuschung und leider auch eine Beleidigung für das Horror-Genre.
Der sprachliche Stil ist sehr einfach, man könnte auch sagen: zum Erbrechen simpel und stellt eine Ansammlung von Slang, Schimpfworten und gerauchten Joints dar. Die Handlung wirkt stark konstruiert und in sich nicht konsequent, es geschehen immer wieder die gleichen Dinge, dieselben Formulierungen tauchen regelmäßig auf, bestimmte Tatsachen werden zur Genüge wiederholt, auf dass der Leser sie auch wirklich zwischendurch nicht vergesse. Ein Widerspruch jagt den nächsten und weitere zahlreiche Ungereimtheiten tummeln sich unter dem Mantel des Mystery-Horrors.
In jedem Satz spürt man die Bemühung des Autors, etwas von der Furcht und dem Horror zu vermitteln, von dem der Ich-Erzähler in allzu gelangweilter, emotionsloser Manier berichtet, er scheitert dabei entsprechend auf ganzer Linie, trotz der eingangs erwähnten guten Ansätze. Auch der Versuch, einen Running-Gag einzubauen, muss vor der erzwungenen Komik der Sache kapitulieren.

Von den Charakteren kann man leider ebensowenig erwarten wie vom Rest dieses schmalen Romans. Sie bleiben bis zum Schluss blass und vermögen es nicht, den Leser in irgendeiner Form zu beeindrucken. Falls sie etwas anderes als uninteressant sind, dann kann man wohl nur sagen dumm und unglaubwürdig, zumindest verhalten sie sich häufig so, wenn sie nicht gerade wieder eine Bong mit Mariuhana rauchen.
Es mag eine Frage des persönlichen Geschmacks sein, doch es gab schon deutlich besser funktionierende Anti-Helden oder auch völlig normale Alltagsmenschen, die sich im Mittelpunkt einer hoffnungslosen Situation wiederfinden.

Was bleibt abschließend über diesen Roman zu sagen? Nachdem man sich schließlich fast 190 Seiten lang durch diese trockene Erzählung gekämpft hat, in der Hoffnung, die letzten Seiten würden einen für das Durchhalten entschädigen, schließt Darkness on the Edge of Town mit einem offenen Ende ab, welches noch einmal einen letzten kläglichen Versuch unternimmt, ein “Ende-der-Welt” Gefühl aufkommen zu lassen.
Eine insgesamt gute Idee, die leider völlig laienhaft umgesetzt wirkt und wohl eher als notdürftiger Lückenfüller taugt. Schade.

Death Masks von Jim ButcherDas Grabtuch von Turin wurde aus dem Vatikan gestohlen, und Harry soll es finden. Was anfangs nach einer einfachen Aufgabe klingt, wird schnell brenzlig, als Harry es mit Auftragskillern, gefallenen Engeln, einer kopflosen Leiche mit zahllosen Krankheiten und dem Champion des Roten Hofes der Vampire zu tun bekommt. Als wären das noch nicht ausreichend Herausforderungen, taucht auch Susan plötzlich vor Harrys Türe auf und hat einen anderen Mann dabei.

– Some things just aren’t meant to go together. Things like oil and water. Orange juice and toothpaste.
Wizards and television. –
Kapitel 1, S. 1

Ein Vampir, ein Priester und ein Magier gehen in eine Talkshow …
Klingt wie der Anfang eines Witzes? Ist es aber nicht. Zumindest nicht für Harry Dresden, denn wie der geneigte Leser inzwischen gelernt haben dürfte, ist Harry ein Magnet für schwergewichtige Probleme, und davon am besten gleich mehrere an verschiedenen Fronten. In Death Masks (Silberlinge) treffen wir daher auf zwei große Handlungsstränge. Einmal wird der Krieg zwischen den Vampiren und den Magiern wieder aufgegriffen: Harry wird vom Champion der Vampire des Roten Hofs zu einem Duell herausgefordert, dessen Ausgang über den gesamten Krieg entscheiden soll. Um es für Harry auch ganz persönlich schwierig werden zu lassen, taucht Susan plötzlich vor seiner Türe auf, noch immer mit dem Vampirgift infiziert und in Begleitung eines anderen Mannes. Damit ist der Tag für Harry freilich bereits gelaufen, doch Harry wäre nicht Harry, wenn ein solcher Tag nicht noch wesentlich schlechter werden könnte. Damit sind wir auch schon beim zweiten großen Handlungsstrang, der buchstäblich biblische Ausmaße annimmt. Gefallene Engel haben es nicht nur auf das Turiner Grabtuch abgesehen, sondern auch auf Harry selbst. Ein Glück für den Magier, dass Michael und zwei weitere Kreuzritter zur Stelle sind, um ihm den Allerwertesten zu retten.

Die Qualität der Dresden-Bücher schwankt leider immer wieder von “einfach genial” zu “so lala” und diesmal sind wir näher an lala als an genial. Nach dem sehr starken vierten Band Summer Knight (Feenzorn) war zu erwarten, dass Death Masks einen schwierigen Stand haben würde. Schade, denn die Ideen sind durchaus gut, doch es gibt verschiedene Altlasten, die allmählich lästig werden. So wird die Geschichte nunmehr zum fünften Mal damit eingeleitet zu erklären, wer Harry ist und was er macht, wie er lebt, wer Bob und Mister etc. sind … Danke, Herr Butcher, doch nach fünf Bänden weiß die Leserschaft, was sie hier zu lesen gedenkt, und muss es nicht immer wieder gesagt bekommen. Ähnlich ist es mit Harrys altmodischem chevaleresken Gebaren in Gegenwart von Frauen, seien sie gerade auch noch so unfreundlich. Wo bleibt da bloß der gesunde Menschenverstand? Eine Frau mit Waffe muss wahrlich nicht beschützt werden, schon gar nicht, wenn sie damit auf einen zielt. Wirklich störend fällt es vermutlich nur deswegen auf, weil so oft wörtlich betont wird, dass Harry altmodisch und galant ist. Vielleicht fürchtet Butcher, seine Leser hätten die Aufmerksamkeitsspanne einer Eintagsfliege, dass er bestimmte Dinge bis zum Erbrechen wiederholen muss, statt einfach Harrys Taten für sich sprechen zu lassen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Harry in Death Masks extrem schlecht gelaunt wirkt und der Humor nur schwer durchklingt. Das schwächt den Unterhaltungsfaktor merklich ab und lässt einen verschärft den Blick auf Schwachstellen werfen, wie etwa die etwas seltsame sexuelle Begegnung zwischen Harry und Susan, die eher Bondage-Freunde begeistern dürfte, die eingangs genannten Wiederholungen und auch mal die ein oder andere dumme Entscheidung.

Gut gelungen dagegen sind wie immer der Weltenbau und die Entwicklung der Charaktere, von denen wir auf zahlreiche alte, aber auch etliche neue treffen. Der Leser erhält neue Einblicke in das Leben von Susan, Harry selbst und auch von Michael mit seinen Kreuzrittern. Vor allem mit dem neuen Charakter Archive alias Ivy und dem Auftragskiller Kincaid präsentiert Butcher ein ungleiches Paar, das für all den sonst zu kurz kommenden Humor und die schlechte Laune des Protagonisten entschädigt. Auch werden bereits vorhandene Handlungsstränge aus den vorigen Bänden konsequent fortgesetzt, so dass man auch hier neue Erkenntnisse erlangt. Bloß auf Hausgeist Bob und Ermittlerin Murphy muss man diesmal nahezu verzichten.
Death Masks weist einmal mehr darauf hin, dass es dunkle Geheimnisse in Harrys Familie gibt und er aus einem noch unbekannten Grund deswegen besonders reizvoll für die Denarier – die gefallenen Engel – und deren Anführer Nicodemus ist. Genaues erfährt der Leser leider nicht, die Dinge bleiben rätselhaft und sorgen für genug Neugierde, um auch den Folgeband zur Hand nehmen zu wollen.

Obwohl Death Masks wieder deutlich spröder und weniger unterhaltsam daherkommt als Summer Knight, lohnt es sich, am Ball zu bleiben. Vielleicht ist es auch nur eine Frage des thematischen Fokus. Während sich Summer Knight in der keltischen Sagenwelt bewegte, konzentriert sich Death Masks auf die christliche Mythologie. Doch egal, welche Themenrichtung einem nun mehr zusagt, die Handlungsstränge werden gewohnt temporeich erzählt, und wenn man es mit der Glaubhaftigkeit nicht allzu genau nimmt, dann kann man nach einem Augenrollen auch diesen fünften Roman in der Reihe noch gut genießen.

Degrees of Wrong von Anna Scarlett2053: Nach dem Tod ihrer Eltern lebt Dr. Elyse Morgan ein bescheidenes Leben auf einer kleinen Insel, wo sie die Menschen ihres Dorfes behandelt und recht abgeschottet von den politischen Machtspielen der Außenwelt lebt. Alles ändert sich, als eines Tages die beiden großen gegnerischen Parteien auf der kleinen Insel einfallen um dort ihren Disput auszutragen. Bis klar wird, dass sie beide nur ein Ziel haben: Elyse.
Ehe sich die junge Ärztin versieht, wird sie von den Soldaten der UOC gerettet (gekidnappt) und auf ein Unterwasserschiff gebracht, wo sie die Heilung für den tödlichen Virus findet soll, der auch ihre Eltern getötet hat.

– I was too tired for his charm to be charming. In fact, since I’d already bludgeoned the medical code of ethics today, overdosing him to shut him up seemed an acceptable degree of wrong. –

Degrees of Wrong startet mitten im Geschehen und ohne lange Eingewöhnungsphase mit Dr. Elyse Morgan, die gerade einen vorlauten Soldaten zusammenflickt. Es ist ein mildes Science-Fiction Abenteuer, das einen in die Tiefen der Ozeane entführt und dabei mindestens einmal pro Seite dazu verführt, laut aufzulachen. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die TV-Serie SeaQuest, die in den 90ern lief? Degrees of Wrong erinnert sehr stark an diese Serie und weckt vielleicht auch deshalb nostalgische Gefühle in mir, war ich doch ein bekennender Fan der SeaQuest und wollte fast nichts lieber, als auf diesem Unterwasserschiff durch die Ozeane streifen.

In Degrees of Wrong nun befinden wir uns im Jahre 2053 n.Chr. und die politische Situation hat sich recht umfangreich verändert. Die Nationen haben sich zusammengeschlossen in der Organisation UOC (United Ocean Corps) und den unabhängigen Nationen, die nicht näher benannt werden, aber als Rebellen gelten und terroristische Bio-Angriffe auf die Nationen der UOC verüben. Die schlimmste Erfindung dieser Terroristen ist das Virus HTN 4 – eine der Pest ähnliche Krankheit, die innerhalb von 48 Stunden zum unweigerlichen Tod führt und für die es noch keine Heilung gibt.
Dr. Elyse Morgan ist aufgrund einer ihrer Studien zu diesem Virus auf den Radar der Rebellen gelangt und die UOC greift ein, um Elyse vor der Entführung zu bewahren. Dummerweise müssen die eigentlich helfend gesinnten Soldaten dafür ebenfalls zu Entführern werden, denn unsere Ärztin reagiert auf beide Parteien recht allergisch. Im Nu wird Elyse mit einem Elektroschocker in die Bewusstlosigkeit geschickt und zu ihrer eigenen Sicherheit auf die »Bellator« gebracht, ein Unterwasser-Militärschiff, auf dem nicht nur ein modernes Labor wartet, mit allem, was sie sich nur wünschen kann, sondern auch ein Kapitän, der es sich schon bald zur Aufgabe macht, Elyse für sich zu gewinnen.
An dieser Stelle kommt jene Thematik ins Spiel, die die Hälfte der Leser nun vermutlich in die Flucht schlagen wird: Romantik!

So peinlich es mir vielleicht sein sollte, ich komme nicht umhin zu sagen, dass Degrees of Wrong gerade wegen dieser sich entwickelnden Beziehung zwischen Elyse und Nicoli Marek zu einem Pageturner wurde. Der Handlungsstrang nimmt recht viel Platz ein, man muss also wirklich dafür aufgeschlossen sein, sich einem romantischen Katz-und-Maus-Spiel zu stellen, das seinesgleichen sucht. Es ist einfach zu komisch, wie sich Elyse und Nicoli mit bissigem Witz ebenbürtig begegnen, denn ganz so einfach ist die Lage nicht. Elyses Weigerung, sich trotz ihrer Zuneigung nicht mit dem Kapitän einzulassen, erhält eine verständliche Begründung. Während man als Leser nun mitfiebern darf, ob sie sich am Ende kriegen oder es doch besser sein lassen, wird man mit viel Humor und neckischen Streitereien belohnt, während Elyses mütterliche Freundin zusätzlich regelmäßig Sabotage an deren Standhaftigkeit verübt.

Hiervon einmal abgesehen bietet Degrees of Wrong eine Heldin mit Verstand und messerscharfer Zunge in jeder Lebenslage. Egal ob sie gerade entführt, verhört, becirct, vergiftet oder zurechtgewiesen wird, Elyse kann einfach nicht aus ihrer Haut und kontert alles mit einem frechen Mundwerk – auch wenn sie genau weiß, dass sie dafür noch mehr Ärger bekommen wird. Sie ist selbstbewusst und lässt sich nicht gerne Vorschriften machen. Zum Glück befinden sich gut 40 Kilo Schokolade an Bord, mit denen sich die Nerven beruhigen lassen. Unfehlbar ist sie dabei wahrlich nicht, und das macht sie umso sympathischer.
Nebenrollen gibt es bei diesem Roman nur wenige, die wirken dafür größtenteils recht familiär und bringen ihre eigene Prise Witz mit in die Geschichte ein. Die Wendungen sind oft überraschend und unerwartet und kündigen sich nicht schon 50 Seiten vorher an. Sicherlich, ein zwei Dinge muss man davon ausnehmen.

Der Weltenbau in Degrees of Wrong kommt subtil daher. Man gewinnt ein gutes Gefühl für das Schiff und seine Besatzung und auch für den Grund der Meere, so dass man als Leser den dringenden Wunsch entwickelt, sich in einen der Pods (kleine Transport-U-Boote, um sich zwischen dem Festland und der Bellator zu bewegen) zu setzen und selbst auf Unterwasserabenteuer zu gehen. Unnötig lange Umschreibungen sucht man hier vergeblich, die bestehenden Gegebenheiten werden eher beiläufig und selbstverständlich erklärt. Positiv aufgefallen ist auch die selbstverständliche Vermischung aller möglichen ethnischen Gruppen.

Was man negativ ankreiden könnte, ist, dass die Suche nach der Heilung ein wenig ins Abseits gerät und die Lösung letztlich etwas zu einfach scheint. Denn Degrees of Wrong ist vordergründig eine locker-leichte Romanze für Erwachsene mit Science-Fiction-Hintergrund. Wem also einmal der Sinn nach dieser Kombination steht, der wird mit Degrees of Wrong viele amüsierte Stunden verbringen können.

The Diamond of Darkhold von Jeanne DuPrauNeun Monate nach ihrer Flucht aus Ember haben sich die ehemaligen Bewohner in der kleinen Stadt Sparks eingerichtet und die Differenzen mit den dortigen Einwohnern überwunden.
Doch das Leben ist nicht unbedingt leicht in Sparks. Der Winter ist angebrochen und die Lebensmittelversorgung der Stadt sieht nicht gut aus. Lina und Doon beschließen, noch ein letztes Mal nach Ember zurückzukehren, um dort nach brauchbaren Dingen zu suchen, die das Überleben in Sparks vereinfachen könnten. Doch was mag in der Dunkelheit ihrer einstigen Heimat inzwischen lauern?

-„When the people emerge from the city,“ he said, „they will find themselves in a devastated world.“
„Unfortunately true,“ said his assistant.-
The Vault, S. 1

The Diamond of Darkhold stellt den Abschluss der Books of Ember dar und man ist beinahe geneigt, sich erlöst zu fühlen von der Qual, zu der die schöne Stadt Ember geworden ist. Obwohl der vierte Teil ein klein wenig unterhaltsamer ist als die beiden Vorgänger, fällt es doch insgesamt schwer zu glauben, dass The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) von derselben Autorin geschrieben worden sein soll wie die drei Nachfolger. Die Unterschiede sind leider beträchtlich, daher gleich vorweg der Rat: Spart euch die Bände 2-4 und belasst es bei The City of Ember als Einzelbuch.

The Diamond of Darkhold leidet wie die beiden Vorgänger unter dem Fehlen einer mitreißenden Atmosphäre und Geschichte. Alles wirkt zwanghaft um den Kern – in Form einer moralischen Botschaft – herum konstruiert. Die Charaktere haben viel von ihrer anfänglichen Cleverness eingebüßt, was natürlich vor allem an Lina und Doon deutlich wird, die inzwischen wesentlich jünger und naiver wirken als sie es im ersten Teil waren. Erwachsene Figuren scheinen generell nur pro Forma vorhanden zu sein, wirklichen Nutzen oder gar Führungsqualitäten bieten sie nicht. Genaugenommen befindet sich der Intellekt der Erwachsenen irgendwo im Bereich Sechs- bis Zehnjähriger, was dann doch arg unglaubwürdig wirkt.

Nachdem Lina und Doon nun ein altes, zerfleddertes Buch finden, das eindeutig von den Erbauern stammt, liefert Jeanne DuPrau nach bereits bewährter Taktik ein neues Rätsel um Ember und einen geheimnisvollen Diamanten. Leider gelingt es der Autorin nicht mehr, etwas Neues und Unerwartetes zu präsentieren. Der Roman folgt Punkt für Punkt dem bereits bekannten Schema der Vorgänger, abzüglich nachvollziehbarer Erklärungen. Des Rätsels Lösungen sind plötzlich da und man weiß nicht recht, woher sie kamen und wie sie sich ergeben haben. Keine Spur mehr von Abenteuer und Spurensuche, ja nicht einmal die vermeintlichen Gefahren wecken beim Leser noch Interesse. Geschichte und Figuren treiben so voran, ganz gemächlich, bis man am Ende angelangt ist, wo eine letzte Lektion für den Leser wartet.

Einzig positiv an diesem Abschlussband ist die kurze Rückkehr nach Ember, wo man als Leser gleich wieder in die eigenartige Sogwirkung der unterirdischen Stadt gerät. Man kann die Gerüche beinahe wahrnehmen und den metallischen Geschmack der Stadt kosten. Phantasien erwachen vor dem geistigen Auge zum Leben.
Schade, dass es nur ein kurzer Aufenthalt ist, der in einer Art weichgespültem Hollywood-Ende gipfelt, ohne je die unbeantworteten Fragen zu klären, die einen als Leser wirklich interessiert hätten. So muss man letztlich doch recht enttäuscht Abschied nehmen von dieser vielversprechenden Stadt unter der Erde.

The City of Ember vermochte viele Eindrücke zu vermitteln und Neugierde zu wecken – auch bei einem erwachsenen Publikum. Ab The People of Sparks aber muss man ganz klar sagen, dass es reine Kinder-/Jugendbücher sind, die man besser auch dieser Altersgruppe überlässt, denn es wird, trotz aller Hoffnungen, nicht mehr besser.

Etiquette & Espionage von Gail CarrigerDie 14-jährige Sophronia Angelina Temminnick ist ein Wildfang, der ihrer Mutter mehr Arbeit und Sorge macht als alle (zahlreichen) Geschwister zusammen. Ihr Knicks ist zum Fürchten, ihr ständig zerrauftes Erscheinungsbild sowieso, und von ihrer freien Meinungsäußerung wachsen Mrs. Temminnick noch graue Haare. Höchste Zeit also, das Kind auf eine anständige Benimmschule für Mädchen zu verfrachten, wo man Sophronia die Flausen austreiben und aus ihr eine wohlerzogene junge Dame machen soll. Doch spätestens auf dem Weg dorthin wird schnell klar, dass hier irgendetwas im Busch ist, als die Kutsche von fliegenden Wegelagerern angegriffen wird.

– Mrs. Barnaclegoose had decided opinions on reforming other woman’s daughters. Sophronia did not want to be reformed. So she had pressed the dumbwaiter into the service of espionage. –
Lesson 1: The Start of Being Finished

Mit Etiquette & Espionage startet Autorin Gail Carriger in ihre neue Buchreihe The Finishing School Series. Die sachlichen Infos vorweg: Dieser Roman spielt in der selben Welt wie auch das Parasol Protectorate, ist aber ca. 20 Jahre früher angesiedelt und erschien als Jugendbuch. Auf pikantere Inhalte wird in dieser neuen Reihe entsprechend verzichtet.

Der Roman startet zunächst als klassische Internatsgeschichte im viktorianischen Stil. Das Konzept ist klar: Mädchen werden auf eine Benimmschule geschickt, schließen dort außergewöhnliche Freundschaften und sie bestehen gemeinsam ein Abenteuer.
Bei Gail Carriger allerdings macht die spezielle Würze den Unterschied aus. Etiquette & Espionage präsentiert, ähnlich wie schon das Parasol Protectorate, eine starke Heldin. Sophronias vorlaute Ehrlichkeit und ihr Entdeckergeist sind wie ein strammer Wind im Teenie-Schmonzetten-Regal. Hier geht es einmal nicht darum, sich möglichst schnell und unheilbar in irgendeinen mysteriösen Jungen zu verlieben, sondern darum, einen wichtigen Prototyp zu finden, dabei Luftpiraten abzuwehren, sich von mechanischen Hausdienern nicht erwischen zu lassen, Maschinenräume widerrechtlich zu betreten, in luftigen Höhen zwischen Zeppelin-Plattformen hin und her zu klettern, Ablenkungsmanöver korrekt einzusetzen, einen Verräter zu überlisten, und und und …
Die Devise heißt nicht »Sei brav!« sondern »Lass dich nicht erwischen!«, denn was Miss Geraldine’s Schule hervorbringt, sind zukünftige Spione, getarnt als wohlerzogene junge Damen. Für diese Aufgabe fühlt sich Sophronia, die an ihrer Grazie wohl noch eine Weile länger arbeiten muss, bestens geeignet und sie freut sich diebisch darüber. Erst recht, wenn sie daran denkt, was ihre Mutter wohl dazu sagen würde, hätte die auch nur den Hauch einer Ahnung von den Vorgängen.

Mit gewohnt humorvollem Erzählstil erweckt Gail Carriger ihre Geschichte mit vielen verspielten Details zum Leben. Viel deutlicher als im Parasol Protectorate kommen hier die Kennzeichen des Steampunks zum Vorschein und erschaffen eine lebendige Welt im technischen Wandel. Rauchende Schornsteine, Luftschiffe und mechanische Erfindungen en masse! Es quietscht, es tropft, es qualmt, wohin man auch blickt.
Schön sind außerdem die vielen Nebenfiguren, die aus dem Parasol Protectorate wieder aufgegriffen wurden. So trifft man u.a. auf Genevieve Lefoux und Lady Kingair in ihren jüngeren Jahren. Vorkenntnisse aus den vorherigen Büchern Carrigers braucht man an dieser Stelle nicht, es sorgt lediglich für Amüsement, die bekannten Figuren soviel jünger zu erleben.
Selbstverständlich trifft man in diesem Buch auch auf ganz neue Charaktere, bei denen nicht nur die Namen für heftiges Schmunzeln sorgen. Ebenso begegnen wir wieder Vampiren und Werwölfen im feinen (und weniger feinen) Zwirn.

Ein paar Abzüge gibt es freilich auch zu nennen. Die Idee einer Spionage-Schule ist durchaus mal etwas neues. Es hat jedoch oft den Anschein, dass das Potential dieser Schule und ihrer Charaktere nicht ausgeschöpft wurde. Manches wirkt etwas zu gut konstruiert und die Charaktere agieren gelegentlich zu clever (insbesondere für ihr Alter), auch mangelt es dem Plot an Substanz, vorhersehbar ist er leider auch recht schnell. So ganz warm geworden scheint die Autorin mit ihrer neuen Reihe noch nicht zu sein. Nichtsdestotrotz ist Etiquette & Espionage eine tolle Abwechslung zu sonstigen Jugendbüchern und liefert vor allem Mädchen ein Vorbild, das mehr kann als sich unsterblich zu verlieben und alle Handlungen um diese Liebe herum aufzubauen. Sophronia ist da deutlich vielseitiger und auch vielseitiger interessiert. Mal sehen, ob es Gail Carriger schafft, mit dem Nachfolger auch wieder zu etwas mehr inhaltlicher Überzeugungskraft zurück zu finden.

The Face in the Frost von John BellairsDie beiden kauzigen Zauberer Prospero und Roger Bacon leben in verschiedenen Königreichen, sind jedoch durch eine langjährige Freundschaft verbunden. Eigentlich genießen die beiden alten Herren viel lieber das Leben statt sich mit der Bedrohung der Welt zu befassen. Doch da sich bereits dunkle Schatten in seiner Gartenidylle breit machen und unheimliche Wesen durch den Keller schleichen, können sie nicht lange warten und müssen all ihre Talente einsetzen um den schaurigen Ereignissen Einhalt zu gebieten.

– Several centuries (or so) ago, in a country whose name doesn’t matter, there was a tall, skinny, straggly-bearded old wizard named Prospero, and not the one you are thinking of, either. –
One

Zeit für klassische Fantasy? – Aber gerne!
The Face in the Frost (Das Gesicht im Eis) bietet all das, was den ursprünglichen Kern der Fantasy ausmacht. Alte Zauberer mit spitzem Hut, eine Kutsche aus Kohlrabi, ein gesprächiger Spiegel, unerhört lebendige Umhänge, die einem im dunklen Keller auflauern, und etliches mehr sind hier ganz normal. Wer nun eine Kindergeschichte wittert, liegt damit aber nicht ganz richtig und täte dem Buch unrecht. The Face in the Frost ist dank seiner schrulligen Protagonisten und einem unverkrampften Worldbuildung sehr humorvoll, bietet darüber hinaus aber auch Themen, die eher Stoff für Erwachsene sind. Intrige, Mord, politische Konflikte und die Folgen begangener Fehler in der Vergangenheit kommen hier in verlässlicher Regelmäßigkeit zum Zuge.

Dieses dünne Büchlein vermag es, seine Leser recht schnell in den Bann zuziehen. Die beiden alten Zauberer sind ein herrliches Duo und die erwähnten Artefakte und Szenen locken mit Leichtigkeit Lacher hervor.
Obwohl die Ideen in The Face in the Frost vielen Lesern vertraut vorkommen werden, ist dieser Roman keineswegs langweilig. Vielmehr sollte man es als den Klassiker betrachten, den es darstellt, mit den damals üblichen Stilmitteln eines Fantasyromans. Die Lektüre lohnt sich allemal, denn John Bellairs’ Erzählkunst schafft es ganz mühelos auf nur knapp 180 Seiten eine farbenprächtige Welt zu erschaffen, deren Atmosphäre sich sehr plastisch und lebendig vor dem geistigen Auge aufbaut.

Für jeden, der sich gerne einmal auf die Wurzeln des Genres zurückbesinnt und märchenhafte Atmosphäre sucht, die nicht gleich Kinderbuch bedeutet, ist dieser Roman daher eine klare Leseempfehlung. Auch Fans von Diana Wynne Jones dürften hier bestens beraten sein. Zu beachten wäre allerdings, dass das Buch sprachlich nichts für Englisch-Anfänger ist.

Illustrationen:
Die Originalausgabe aus den 80er Jahren wurde mit einfachen schwarzweißen Tuschezeichnungen bereichert. Wie es um die Neuauflage aus dem Jahr 2000 steht, ist uns leider nicht bekannt.
In Deutschland ist das Buch bisher nur als Sammlerausgabe bei Edition Phantasia erschienen – mit aufwendiger Aufmachung und farbigen Illustrationen. Eine ausführliche Beschreibung und Bildbeispiele findet ihr im Blog-Artikel zur deutschen Ausgabe (Buch des Monats im April 2011).

Fool Moon von Jim ButcherHarry Dresden, Magier und Privatermittler in Chicago, bekommt es mal wieder mit übernatürlichen Morden zu tun – noch bevor die Nachwirkungen seines letzten Falls gänzlich verklingen konnten. Nach Monaten ohne jeden Kontakt meldet sich Lieutenant Karin Murphy bei dem Magier und hält eine bizarre Mordserie bereit: jeden Monat zur Vollmondszeit sterben Menschen auf bestialisch entstellte Weise und die Spuren deuten auf eines ganz besonders hin: Werwölfe

– I looked up through the window at the rounded silver shape of the almost-full moon.
»Oh, hell,« I breathed. »Oh, hell.« –
Kapitel 2, S. 18

Fool Moon (Wolfsjagd) ist nicht nur ein herrliches Wortspiel, sondern auch ein Titel, der dem zweiten Band der Dresden Files alle Ehre macht. Autor Jim Butcher beweist hiermit in gewohnt sarkastisch-humorvoller Weise, dass sein Debütroman Storm Front (Sturmnacht) kein einmaliges Kunststück war. Im Gegenteil, Fool Moon übertrifft seinen Vorgänger in vielen kleinen Aspekten von der Charakterzeichnung, über die interessantere Story bis zu der Anzahl an Lachern und Spannungsmomenten. Wer außerdem denkt alles über Werwölfe zu wissen, wird feststellen, dass es da noch mehr gibt als Silberkugeln und Vollmondrausch.

Zu Beginn wirkt die zweite Story um den altmodischen Detektiv Harry Dresden noch recht wenig beeindruckend und braucht eine Weile bis sie an Fahrt gewinnt. Dann entpuppt sich Fool Moon aber doch als wahrer Pageturner. Das ist zum Einen den wieder einmal wunderbar gezeichneten Charakteren zu verdanken, die in diesem Roman noch stärker auf ihre Kosten kommen und deutlich lebendiger wirken. Zum Anderen strotzt dieser Roman nur so vor Witz und spannenden Entwicklungen. Es gibt auch in der ausweglosesten Situation noch sarkastische Sprüche von Harry oder Murphy und eine ganze Reihe von Kapiteln, die mit einer Nahtod-Situation enden. Letzteres verhindert erfolgreich, dass man als Leser pünktlich ins Bett kommt, denn an einer derart spannenden Stelle muss man mindestens noch eine Seite mehr lesen als geplant. Ehe man sich versieht, ist man schon wieder am Ende des nächsten Kapitels und hat die nächste spannungsgeladene Situation vor Augen – und wieder denkt man “nur noch diese eine Seite…”.
Zugegeben, bei dem dritten Kapitel in Folge, das mit einem Cliffhanger und so-gut-wie-Tod Status endet, fragt man sich schon, ob das jetzt nicht langsam albern wird. Doch der Erfolg dieser Taktik lässt sich nicht leugnen und so verschlingt man das letzte Drittel des Buches praktisch ohne Pause und verflucht jeden Umstand, der einen zu einer Unterbrechung der Lektüre zwingt.

Kurzum: Fool Moon setzt die Reihe wunderbar fort, greift alle guten Eigenschaften seines Vorgängers auf und macht alles richtig, was man sich von einem Folgeband erhoffen kann. Hut ab, für solch einen spannenden wie witzigen Lesegenuss, der – das ist besonders erfreulich – ein erwachsenes Publikum zum Ziel hat.

Das Geheimnis der schönen Fremden von Cecilia Dart-ThorntonImrhien, das einst namenlose Findelkind im Turm der Sturmreiter, ist weiterhin auf der Suche nach ihrer Herkunft und ihren Erinnerungen. Nun, da sie mit Hilfe der Carlin ihre Stimme und ihr Gesicht wieder hat, möchte sie auch dieses letzte Geheimnis endlich lüften und begibt sich in die Residenzstadt des Hochkönigs nach Caermelor. Um unentdeckt zu bleiben, nimmt sie einen falschen Namen an und begibt sich unter das Adelsvolk, wo sie hofft Antworten und einen Hinweis auf den Dainnin Dorn zu finden, der ihr Herz gestohlen hat. Doch was sie zunächst findet, sind Intrigen und eine Spur, die in ein längst vergangenes Zeitalter führt.

– Die junge Frau, die bei der Carlin in White Down Rory Unterschlupf gefunden hatte, fühlte sich wie neu geboren. Sie mußte sich unentwegt in Erinnerung rufen, daß die wunderbare Heilung ihrer Stimme und ihres entstellten Gesichts tatsächlich stattgefunden hatte. Ständig starrte sie in den Spiegel, berührte die makellosen Züge und die zarte Haut und murmelte mit rauher Kehle: »Ich kann reden! Ich kann reden!« –
Kapitel 1, White down Rory

Das Geheimnis der schönen Fremden (The Lady of the Sorrows) beginnt so zauberhaft und lyrisch, wie man es schon aus dem ersten Band der Feenland-Chroniken gewohnt ist. Die Sprache vermag auf Anhieb erneut zu fesseln und besitzt auch wieder die Fähigkeit, eine wahrhaft märchenhafte Welt zu erschaffen, die man sofort vor dem geistigen Auge sieht. Kleinigkeiten in der Aufmachung des Buches wie kleine Gedichte, Liedtexte und Zeichnungen zieren wie schon im ersten Teil die Kapitelüberschriften und unterstützen die märchenhafte Atmosphäre. Zum Einstieg findet der Leser außerdem eine kurze Zusammenfassung des ersten Bands, die es erleichtert, sich auch nach längerer Pause wieder problemlos in die Geschichte einzufinden.

Die eigentliche Handlung ist nicht gerade spannend. Wer Spannung sucht, der wird sie am Anfang und dann erst wieder im letzten Teil des Buches finden. Der Teil dazwischen ist im Grunde genommen nur ein langes Warten darauf, dass es endlich losgeht. In epischer Länge und Breite werden da immer wieder Sagen und Mythen keltischen und angelsächsischen Ursprungs nacherzählt, die viele Leser z.B. schon aus irischen Volksmärchen kennen dürften. Wer sie in diesem Buch das erste Mal erwähnt findet, hat Glück und kann sich der allgemein durchaus schönen Geschichten erfreuen, für den geübten Fantasy-Fan dagegen ist hier nichts Neues zu entdecken, und so harrt man der Dinge, die da hoffentlich bald folgen mögen. Erschwerend kommt hinzu, dass all diese eingeschobenen Erzählungen die Handlung weder vorantreiben, noch einen ernst zu nehmenden Einfluss auf sie haben. Erst gegen Ende des Buches werden diese Geschichten abseits der eigentlichen Haupthandlung noch einmal kurz aufgegriffen und sorgen für kleinere Aha-Effekte, die über den langatmigen Mittelteil ein wenig hinwegtrösten. Dennoch, ganz so ausufernd hätten die Erzählungen, seien sie sprachlich auch noch so schön umgesetzt, nicht sein müssen.
Während der erste Band, Im Bann der Sturmreiter (The Ill-Made Mute), wirklich zu begeistern wusste und nicht viele Wünsche offen ließ, scheint die Autorin diesmal häufig etwas ziellos an den Roman herangegangen zu sein. Das zeigt sich sowohl an den Figuren, deren Persönlichkeiten manchmal seltsame Bocksprünge machen, als auch an den vielen sinnlosen Reisen zwischen denselben zwei Orten. Derweil hat die Protagonistin schon den dritten neuen Namen angenommen, und am Ende folgt gar noch ein vierter.

Auch wenn es nach diesen Schilderungen kaum den Anschein erwecken mag, bleibt dieses Buch trotz seiner Schwächen dennoch interessant zu lesen und macht – zumindest, wenn man eine romantische Ader hat – Lust auf den dritten Band. Denn hat man den lahmenden Mittelteil samt seiner übrigen Schwächen erst einmal überstanden, nimmt das letzte Drittel noch einmal große Fahrt auf. Einige Geheimnisse werden endlich gelüftet und lang erwartete Erkenntnisse tun sich auf. Nachdem man so lange mitgefiebert und ausgeharrt hat, wird die Neugier gestillt, und man kann Imrhiens Entwicklung mit Erleichterung und Freude verfolgen. Doch gerade wenn man denkt, die gewonnene Erleichterung könne sich ausbreiten, endet auch dieses Buch mit einem bösen Cliffhanger, und man will – nun endlich von der Spannung erneut gepackt – sofort zum letzten Band der Reihe greifen.

Ghost Planet von Sharon Lynn FisherDie Therapeutin Elizabeth Cole möchte ein neues Leben beginnen und verlässt daher die Erde, um auf Ardagh 1 zu arbeiten. Ardagh 1 ist ein besonderer Planet, denn dort erhält jeder menschliche Kolonist aus unerklärbaren Gründen einen “Geist” aus seiner Vergangenheit – eine eigentlich verstorbene Person, die ihrem Menschen überall hin folgt. Elizabeth kennt die Protokolle auf Ardagh 1, wonach eine Interaktion mit diesen Aliens streng untersagt ist. Doch es dauert nicht lange, bis Elizabeth feststellen muss, dass sie eine unerwartet enge Verbindung zu den Geistern hat, die ihr eigenes Leben und das ihrer Sympathisanten in Gefahr bringt.

The tarmac was deserted. Foggy and disoriented, I wondered how long I’d been standing there, listening to the evergreens groan in the wind and dreading my first encounter on this new world. Would it be human or alien?
– Murphy’s Ghost

Ein wichtiger Tipp vorweg: wer Interesse entwickelt, Ghost Planet auf den Leseplan zu setzen, der sollte es in jedem Fall vermeiden die offizielle Buchbeschreibung/ den Klappentext zu lesen. Er verrät leider zu viel. Über das Cover sprechen wir besser auch nicht, das hätte mich beinahe vom Kauf abgehalten …

Aber nun zum Buch!

Ghost Planet spielt in einer nicht genau definierten Zukunft, in der die Erde schon sehr verunreinigt ist und Lungenkrankheiten zum normalen Leben zählen – ebenso die hohe Anzahl ausgestorbener Pflanzen- und Tierarten. Es existiert offensichtlich ein recht schnelles Transportmedium um von der Erde zu anderen Planeten zu gelangen, darüber hinaus gibt es aber nur sehr wenige Science-Fiction Elemente in Ghost Planet. Der Roman ist eher als Kolonialisierungsroman zu betrachten, der ohne viel Technologie auskommt und sich dafür sehr viel stärker auf Kolonisten und Geister konzentriert. Auf Ardagh 1 nun entdecken die Kolonisten, dass der Planet vermutlich auf die Bedürfnisse der Besucher reagiert, und so findet sich dort bald Flora und Faune, die auf der Erde längst ausgestorben ist. Mit den Vorteilen kommen aber leider auch die Nachteile, und das sind die eingangs genannten “Geister”.

Wer die Jugendromane His Dark Materials (Der Goldene Kompass) gelesen hat, der erinnert sich sicherlich an die kleinen Begleiter der Menschen, die Daemonen, die an ihre Menschen gebunden sind. Schlägt man Ghost Planet auf, hat man irgendwie sofort das Gefühl, das hier ist der Daemon-Level für Erwachsene ohne sprechende Tiere.
Auf Ardagh 1 werden Menschen lebendig, die verstorben waren. Sie sind an ihre Menschen gebunden und verspüren körperliche Schmerzen (bis hin zum erneuten, wenn auch nur kurz andauernden Tod), wenn sie sich zu weit von ihnen entfernen. Für die Kolonisten auf Ardagh 1 ist das ein psychologisches Problem, denn die Geister, die einen soliden und lebendigen Körper haben, reißen durch ihr plötzliches Auftauchen alte Wunden auf. Wem würde es nicht schwer fallen, plötzlich dem verstorbenen Ehepartner, Kind, Verwandten oder engstem Freund gegenüber zu stehen? Oder gar jemandem, der einem Gewalt angetan hat? Da die Geister nicht verschwinden und nicht beseitigt werden können, wurde das Geist-Protokoll geschaffen. Jede Interaktion mit ihnen ist verboten, um das Leben der Kolonisten so wenig wie möglich zu erschweren, und das scheint eine ganze Weile zu funktionieren. Die Geister werden zu stummen Schatten und fristen ein trostloses, unbeachtetes Dasein.

Die Idee dieser Mensch-Geist-Bindung ist einfach faszinierend, eindringlich, manchmal erdrückend, und die Autorin schildert wunderbar die Problematik dieser beiden Spezies, die zwangsweise in einer unausgeglichenen Symbiose miteinander auskommen, ohne miteinander zu agieren. An diesem Punkt ist vor allem die Protagonistin Dr. Elizabeth Cole die tragende Handlungsgeberin, die mit ihrem Widerstand zum Geist-Protokoll und ihrem starken Willen die Machthaber auf Ardagh 1 verärgert. Elizabeth ist als Charakter recht solide und leicht zugänglich, auch ihre Hintergrundgeschichte lässt sie realistisch und sympathisch wirken.
Ihr gegenüber gesetzt ist Dr. Grayson Murphy, der als Mitbegründer des Geist-Protokolls einer der größten Widersacher für Elizabeths Ideen ist. Da sie allerdings miteinander arbeiten müssen, entsteht hier schnell eine angespannte Dynamik, bei der ein Kompromiss unausweichlich ist. Für den Leser sind die sehr unterschiedlichen Standpunkte durchaus nachvollziehbar und die Entwicklungen hinterlassen teilweise einen bitteren Geschmack. Manchmal scheinen die Fortschritte und Entdeckungen der beiden etwas zu einfach, das stört letztlich aber nicht.

Ghost Planet ist eigentlich ein Roman, den man nur schwer aus der Hand legen kann. Er hält die Neugier konstant aufrecht, hält einen zuweilen in Atem und wartet mit überraschenden Wendungen auf. Das einzige Problem ist, etwa ab der Mitte des Buches packt die Autorin die Hormone aus und packt sie danach nicht wieder ein. Es gibt ein paar deutliche Sexszenen, was eigentlich nicht so dramatisch wäre, wenn sie nicht so aufgesetzt wirken würden und in den unpassendsten Situationen stattfänden. So richtig Stimmung kommt in diesen Momenten daher nicht auf, da es oft einfach nur falsch bis albern wirkt und man sich eher an die Stirn fassen möchte … nunja, man muss da einfach ein bis zwei Augen zudrücken, es wäre schade um den Rest!
Da die eigentliche Thematik und Handlung des Romans viel zu bieten hat und sich stetig weiter entwickelt, gibt es eine klare Leseempfehlung, wenn man Wert auf eine spannende Idee legt. Angereichert wird das alles mit einer Prise sarkastischem Humor und etwas Charme.

Glühende Dunkelheit von Gail CarrigerMiss Alexia Tarabotti hat ein Problem. Sie ist nicht nur eine Außernatürliche, d.h. vollkommen seelenlos, und die Tochter eines (toten) Italieners, nein, sie hat auch gerade einen Vampir mit ihrem Sonnenschirm ermordet. Selbstverständlich blieb ihr nichts anderes übrig, denn der wenig elegante Gentleman war so unhöflich, sie beim Tee zu stören und zu allem Überfluss auch noch beißen zu wollen! Damit tritt sie eine Welle von Ereignissen los, die ihr Leben als alte Jungfer gründlich umkrempelt und ungebremst über den Werwolf-Alpha, Lord Maccon, hinweg rollt.

-Alexias Bücher nannten dieses Ende des Lebenszyklus eines Vampirs Deanimation. Alexia, die der Meinung war, dass der Vorgang erstaunlich dem In-sich-Zusammenfallen eines Soufflés ähnelte, beschloss in diesem Augenblick, es den Großen Kollaps zu nennen.-

Soulless von Gail Carriger
Im Vergleich: Das Cover der Originalausgabe

Vorweg ein Wort zur Optik. Es kommt außerordentlich selten vor, dass man dies über ein bei uns übersetztes Buch sagen kann, doch in diesem Fall fällt es wirklich nicht schwer: Die deutschen Cover lassen das Original weit hinter sich. Das Model der deutschen Ausgabe ist zwar eindeutig zu jung und etwas zu perfekt geraten für eine Protagonistin, die durch ihre Ecken und Kanten trumpft, doch die Gesamtgestaltung transportiert das Steampunk-Setting ausgesprochen gut, wirkt liebevoll gemacht und schafft sofort die richtige Atmosphäre. Eine wirklich gute Arbeit! Endlich mal ein Buch im Vampirregal, um das man weder optisch noch inhaltlich einen Bogen machen muss.

Wer es gerne very british mag, der sollte sich Glühende Dunkelheit (Soulless) von Gail Carriger zu Gemüte führen. Zugegeben, so richtig blutrünstig sind Carrigers Werwölfe und Vampire auch nicht, aber immerhin glitzern sie nicht in der Sonne, gehen nicht seit 400 Jahren auf die High-School und scheuen nicht einmal vor erotischen Gratwanderungen zurück. Angesichts des vielen Tees, bestickter Handschuhe und anderer dekorativer Eigenschaften bleibt das Buch aber wohl dennoch ein Werk, welches hauptsächlich für die Damenwelt interessant sein dürfte.

Wir befinden uns im viktorianischen London. Die Industrie bringt immer mehr erstaunliche Erfindungen hervor, wie etwa die von Miss Tarabotti bewunderten Luftschiffe. Die Gesellschaft hat einige Jahrzehnte zuvor eine weitreichende Veränderung erlebt, als Werwölfe und Vampire zu akzeptierten und anerkannten Bügern und Bürgerinnen wurden. Seitdem bekleiden sie hochrangige Ämter und sind gern gesehene Gäste auf Dinnerpartys der feinen Gesellschaft. Menschen schließen sich ihnen als Drohnen oder Claviger an und gebissen wird nur, wenn alles seine bürokratische Korrektheit hat.
Dass die Gesetze zwischen Übernatürlichen und Normalen auch gewahrt und kontrolliert werden, sichert das BUR (Bureau of Unnatural Registry). Dessen Leiter, Lord Conall Maccon, 4. Earl of Woolsey und Alpha des Londoner Werwolfrudels ist ein großer, grober schottischer Kerl, der für gewöhnlich bestimmt, wo es lang geht, und keine Widerworte hört – bis er auf die überaus schlagfertige Miss Tarabotti trifft.

Man ahnt es schon auf den ersten Seiten, dass das nur in einer schockierenden Liaison enden kann. Da sprühen die Funken zwischen dem ruppigen Werwolf und der widerspenstigen Jungfer, es wird sich gezankt, was die Regeln der Höflichkeit zulassen, und beim Leser bleibt angesichts witziger Wortgefechte kein Auge trocken. Es ist erstaunlich, wie Frau Carriger es schafft, in einem Atemzug eine pedantisch affektierte “Britishness” mit so viel Humor zwischen Tee und Hühnchengerippen zu füllen, während im Hintergrund Entführungen stattfinden und geheime Organisationen wissenschaftliche und höchst illegale Experimente durchführen. Sprachlich muss man das Buch wirklich noch einmal extra loben, das wirkt bis ins kleinste Detail viktorianisch altmodisch und entsprechend blumig, mit einer sehr schönen und stark am Original gehaltenen Übersetzung. Einzig der herrliche schottische Akzent von Lord Conall Maccon, der umso stärker durchbricht, je mehr sich der Alpha aufregt, geht aufgrund des Sprachwechsels zwangsweise verloren.

Ebenso gelungen wie die Sprache selbst sind auch die verschiedenen Charaktere, die allesamt ihre verrückten kleinen Eigenarten haben und gerade durch ihre Fehler zu Sympathieträgern werden. Etwa Miss Ivy Hisselpenny und ihr Hang zu absolut grauenhaften Hüten oder Lord Akeldama, dessen modische Verirrungen ihn derart in Streit mit seinem Vampir-Stock brachten, dass er selbigen kurzerhand verließ.

Wer angesichts des eher Liebes-fixierten Klappentextes eine weitere Teenie-Schmonzette à la Bis(s) und Konsorten erwartet, wird hier nur bedingt fündig. Die Liebelei zwischen Miss Tarabotti und Lord Maccon spielt durchaus keine unwichtige Rolle in dem Roman, kitschig oder gar prüde geht es hier aber nicht zu. Ausnahmsweise finden sich in Glühende Dunkelheit erwachsene Liebende und ebenso erwachsene Liebesszenen, bei denen man nicht peinlich berührt die Hand vor die Augen schlagen muss oder da sitzt und sich fragt, weshalb man sich bei einem simplen Kuss derart panisch anstellt. Natürlich hat unsere Protagonistin auch einige Probleme damit, sich den für sie völlig neuen erotischen Gepflogenheiten anzupassen, angesichts des Zeitalters ist das aber weder verwunderlich, noch nervtötend, wie es in anderen Büchern der Fall ist. Die Autorin hat sich hier gut an den gesellschaftlichen Regeln orientiert und dem, was einem in dieser Zeit an Informationen zur Verfügung gestanden hat.
Man darf also mit ein wenig Romantik rechnen, allerdings auch mit einer Prise Erotik, verpackt in ein äußerst ulkiges Gefüge, welches zum pausenlosen Grinsen und albernen Kichern einlädt.

Das einzige, was an diesem Buch zu bemängeln bleibt, ist die Titelgebung. Schwer zu sagen, woher dieser deutsche Drang stammt, Titel möglichst absurd und beschämend zu übersetzen. Wie man bei Soulless = Seelenlos auf Glühende Dunkelheit kommt, sollte dringend mal untersucht werden und bleibt für die Leser wohl doch ein Rätsel.

Grave Peril von Jim ButcherIm dritten Fall von Privatdetektiv Harry Dresden spukt es heftig. In ganz Chicago tauchen randalierende Geister auf, die das Leben der Menschen bedrohen. Harry Dresden und sein befreundeter Kollege Michael machen sich daran, die Ursache für die plötzlich aggressiven Verhaltensmuster der Geister herauszufinden. Die Antwort führt sie allerdings weit weg von der Welt der Geister und treibt sie unweigerlich in die Arme nach Rache dürstender Vampire.

– I heard singing. A woman’s voice. Gentle. Lovely.
Hush little baby, don’t say a word. Mama’s gonna buy you a mockingbird.
I glanced back at Michael, and then slipped inside the door, into total darkness. –
Kapitel 2, S. 10

Die Handlung von Grave Peril (Grabesruh) beginnt zunächst vielversprechend. Geister erheben sich aus ihren Gräbern, treiben in der Stadt ihr Unwesen, gefährden das Leben der Menschen und keiner kann sich ihr ungewöhnliches Auftauchen und ihr bedrohliches Verhalten erklären. Harry Dresden findet schließlich heraus, dass die Geister wie Marionetten von jemandem kontrolliert werden, und damit beginnt der Abstieg dieses interessanten Auftakts. Denn gerade als man denkt, es wird nun richtig geisterhaft, vielleicht ein bisschen gruselig, aber auf jeden Fall spannend, flaut die Story merklich ab und die Erzählung tropft eine Zeit lang zäh vor sich hin. Die Handlung selbst entwickelt sich außerdem plötzlich in eine gänzlich andere und nicht recht nachvollziehbare Richtung.

Inhaltlich ist es ab und an schwer, den vielen verschiedenen Ansätzen des Autors zu folgen. Er hat sich in Grave Peril viel vorgenommen – zu viel. Besonders Verweise auf vergangene Ereignisse, die für den Leser nicht stattgefunden haben und lediglich im vorliegenden Band als Tatsachen präsentiert werden, lassen einen immer wieder im Lesefluss stolpern. Man fragt sich unweigerlich, ob einem in den beiden Vorgängerbänden etwas entgangen ist oder ob man sich gar vergriffen hat und statt Band drei vielleicht Band vier oder fünf in Händen hält. Vieles, was in Grave Peril als gegeben angesehen wird, kommt für den Leser völlig unvorhersehbar und ohne erklärende Herleitung. Es gibt unzählige verschiedene Handlungsstränge, die in diesem Roman aufgebaut werden und zwar einiges an Material für kommende Bücher liefern und einem den Mund wässrig machen, in ihrem geballten Auftreten aber zu viel für die Möglichkeiten eines einzigen Bandes sind. Bis zur Buchhälfte bleibt dementsprechend vieles sprunghaft; die Fülle an neuen Informationen verhindert eine Entwicklung der Handlung und erschwert es, das Buch genießen zu können.
Die zweite Buchhälfte dagegen nimmt schließlich doch noch Fahrt auf und konzentriert sich etwas mehr auf den eigentlichen Plot von Grave Peril, auch wenn die Story nicht mehr ganz so ansprechend ist, wie sie eingangs zu werden versprach.

Die Charaktere sind solide und gut gezeichnet wie auch in den beiden Vorgängern schon, vermögen aber in der Interaktion gelegentlich ebenfalls zu verwirren. Es werden außerdem verschiedene neue Charaktere eingeführt die bisher unerwähnt geblieben sind und sich nun etwas zu schnell in das bisher bekannte Bild einfügen, während Murphys Charakter in Grave Peril kaum auftaucht und eher zu Randfigur degradiert wird.

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass Grave Peril im Vergleich zu seinen Vorgängern einige Schwächen aufweist und die Handlung stellenweise stark konstruiert und erzwungen wirkt. Trotzdem macht das Buch unter dem Strich Lust auf weitere Bände, in denen die vielen nebensächlich angedeuteten Handlungsstränge hoffentlich weiter ausgebaut werden und das etwas tragische Ende vielleicht nur der Anfang von etwas Größerem ist.

A Great And Terrible Beauty von Libba Bray1895 – Gemma Doyle, ein launischer und verwöhnter Teenager, feiert ihren sechzehnten Geburtstag, als sie zum ersten Mal von einer Vision heimgesucht wird, die ihr bisheriges Leben völlig verändert. Gemma sieht, wie ihre Mutter sich selbst tötet, um einem Schattenwesen zu entkommen, das sie zu verschlingen droht. Gemma, die ihr Leben in Indien verbracht hat, wird zu ihrer Familie nach London geschickt, wo sie ein Pensionat für junge Damen besuchen soll. Niemand ahnt etwas von ihren Visionen, die nur der Anfang eines viel größeren Geheimnisses sind.

– She walks out towards them, an apparition in white and blue velvet, her head held high as they stare in awe at her, the goddess. I don’t yet know what power feels like. But this is surely what it looks like, and I think I’m beginning to understand why those ancient women had to hide in caves. Why our parents and teachers and suitors want us to behave properly and predictably. It’s not that they want to protect us; it’s that they fear us. –
Kapitel 8, S. 207

A Great And Terrible Beauty (Gemmas Visonen), der erste Roman aus der Trilogie Gemma Doyle (Der geheime Zirkel), entführt in das ausklingende viktorianische Zeitalter und öffnet gleichzeitig die Tür in eine andere Welt, die man vielleicht am ehesten mit einem magischen Garten Eden vergleichen könnte. Der Roman spielt mit historischen Elementen der Hexerei, Mythologie, phantastischen Zwischenwelten, Dämonen und anderen mystischen Einflüssen, bleibt dabei aber bodenständig und relativ realitätsnah. Der Handlungsort wechselt zwischen Indien, England und den magischen Landen, wodurch auch Themen wie Klassengesellschaft und der Umgang mit anderen Völkern angesprochen werden.

Anfangs kommt der Roman nur schwer in Fahrt und konzentriert sich eher auf Ortsbeschreibungen und die Schilderung gesellschaftlicher Zustände als auf die Anstoß gebenden Visionen der Protagonistin. Die magischen Lande werden nur kurz besucht und erkundet, der Aufenthalt dort wiederholt sich ein paar Mal ohne große Änderungen. So wird die eigentliche Handlung erst zur Buchmitte hin wirklich spannend, liefert einem dann aber ein altes Tagebuch mit dunklen Geheimnissen, eine Spur scheuer und verbotener Romantik und heranwachsende Frauen mit einem ausgeprägten Hang zu Abenteuern, Entdeckungstouren und anderen, verbotenen Dingen. Auf folgsame, unterwürfige Frauen, die einen Beschützer suchen, braucht man in diesem Roman nicht zu warten, denn es geht hier recht feministisch zu. Da sich die Autorin insgesamt an die realen Zustände jener Zeit hält und ihre Gesellschaft entsprechend formt, zeichnet A Great And Terrible Beauty ein aus heutiger Sicht bedrückendes Bild viktorianischer Mädchen und Frauen, die zu gerne aus den vorbestimmten Bahnen ausbrechen würden. Dabei wirkt die Handlung nicht überzogen, nicht zu modern feministisch, es bleibt der Zeit angemessen glaubwürdig und verbindet alles mit dieser magischen Welt des Gartens. Die phantastischen Elemente halten sich aber doch stark zurück, so dass der Roman mehr zu einem nostalgischen Mystery-Abenteuer mit viel erzählerischem Ausbau wird.
Tragische Ereignisse und Enttäuschungen bleiben ebenfalls nicht außen vor, denn dieser Roman ist nicht darauf ausgelegt, eine schillernde, softe Heldinnenreise zu beschreiben.

Sich als LeserIn mit den Hauptcharakteren zu identifizieren, gestaltet sich anfangs schwierig. Gemma ist ein launischer, verwöhnter Teenager von sechzehn Jahren. Zickig, ein bisschen hochnäsig und verantwortungslos. Im Laufe des Romans entwickelt sie sich langsam weiter, bleibt aber insgesamt sprunghaft und ignoriert Dinge, die ihr unliebsam sind. Neben ihrem jugendlichen Verhalten denkt sie allerdings recht emanzipiert und ist keine Freundin der herrschenden Geschlechterrollen, was eine erfrischende Abwechslung zu den zahlreichen Jugendbüchern mit sehr klischeehaften Rollenbildern bietet.
Auch Gemmas Freundinnen sind keine großen Symphatiträgerinnen. Die Mädchen begegnen sich mit Hass und intrigantem Verhalten und schließen sich mehr aus der Not heraus zusammen denn aus echter Freundschaft. Keine kann die Andere so richtig leiden und sie trauen einander auch nicht. Nach und nach wird aber deutlich, dass jedes der Mädchen, so unsympathisch sie einem zunächst bleiben, ein ernüchterndes Geheimnis hat, sich alle vor der Zukunft fürchten und sich als Frauen mehr Wertschätzung wünschen. Es sind halbwüchsige Teenager an der Schwelle zum Erwachsensein, mit all den Fehlern, Launen, rebellischen Gedanken und Dummheiten. Sie sind auf der Suche nach sich selbst und einem Sinn für ihr Leben. Erst mit Einbruch einer Katastrophe realisieren sie allmählich, dass ihr oft überstürztes und nicht durchdachtes Handeln sie von ihren Zielen und Wünschen immer weiter entfernt.

Es gibt viele gegensätzliche Impulse in A Great And Terrible Beauty. Neben der vorhandenen emanzipierten Denkweise träumen die Mädchen manchmal auch einfach nur von ihrem Traumprinzen oder vielmehr einem Ideal der wahren Liebe. Sie lernen gerade erst mit der veränderten Wahrnehmung von Männern und Frauen umzugehen und auch mit den damit verbundenen sexuellen Empfindungen – in einer Zeit, in der ein unbedeckter Fußknöchel bereits als skandalös gilt. Verdeutlicht wird dieses Spiel mit den Gegensätzen z.B. anhand einer der wenigen männlichen Figuren des Romans. Kartik, der von seiner Bruderschaft, den Rakshana, damit beauftragt wurde, Gemma zu bewachen und sie von den magischen Landen fern zuhalten, tritt gleichzeitig auch als ihr Beschützer auf. Er ist abwechselnd herrisch und fürsorglich, unsicher, wie er sich richtig verhalten muss. Es führt dazu, dass zwischen Kartik und der selbstbewussten Gemma eine offensichtliche Rivalität und gleichzeitig naive Unsicherheit herrscht. Ähnlich wie es Gemma nicht möglich ist eine klare Entscheidung zu treffen, weiß man als LeserIn ebenfalls lange nicht, ob Kartik Freund oder Feind ist, ob man ihn begehren oder zum Teufel schicken soll. Um die Dinge möglichst kompliziert zu gestalten, ist natürlich auch beides gleichzeitig möglich – es lebe die Pubertät mit ihren verwirrenden Auswirkungen. Libba Bray zeichnet in ihrem Debütroman keine Teenager mit einem unrealistisch erwachsenen Denkmuster oder utopischen Vorstellungen von der ersten und einzig wahren, ewig existierenden Liebe. Sie liefert Jugendliche auf der Suche nach dem eigenen Weg ins Erwachsensein und dem Erkennen des Unterschieds von Wunsch und Realität.

Dieses Buch wird durchaus nicht jedem gefallen, denn man muss sich auf wirklich launische und nicht immer vernünftig handelnde Heranwachsende einlassen können. Was aber klar für diesen Roman spricht, ist ein komplex verflochtenes Netz verschiedener, schwieriger Themen, seine viktorianisch-elitäre Atmosphäre und seine überzeugende Darstellung, die einen an die eigene, manchmal schwierige Jugendzeit erinnert.

Sprachlich ist A Great An Terrible Beauty keine große Herausforderung. Das Buch sollte für halbwegs geübte Leser auch im englischen Original mühelos verständlich sein.

The Grimoire of the Lamb von Kevin HearneAls ein ägyptischer Hobbykoch den weiten Weg nach Arizona unternimmt, nur um ein uraltes Rezeptbuch aus Atticus Sammlung zu erwerben, ahnt der Druide bereits, dass hier etwas im Argen liegt, und lehnt den Verkauf ab. Sein Besucher erweist sich prompt auch als Hobbydieb und klaut Atticus das Buch vor der Nase weg. Grund genug, die Verfolgung aufzunehmen und eine Reise ins Land der Pharaonen zu anzutreten.

– People today think ancient Egypt was ineffably cool. I blame this misconception on hieroglyphics and (to a lesser extent) on the Bangles. –

Grimoire of the Lamb (IDC #0.4) ist ein Buch über ein Buch! Jawohl, liebe Leseratten, eine doppelte Versuchung! Einziger Wermutstropfen ist, dass diese neuerliche Kurzgeschichte nur als eBook erhältlich ist und nicht auf raschelndem Papier erscheint. Das tut dem genussvollen Inhalt aber keinen Abbruch, also auf in das nächste Abenteuer von Druide Atticus!

Wir sind zurück in Tempe, Arizona (pre-Hounded, dem ersten Band der Iron Druid Chronicles) und gleich vorweg: es ist nicht empfehlenswert, schon hier mit der Buchreihe einzusteigen, auch wenn es die chronologisch korrekte Abfolge wäre. Wie schon bei Hearnes anderen Kurzgeschichten fehlt es, ohne die Buchreihe nicht wenigstens teilweise schon zu kennen, an Hintergrundwissen beim Leser. Der Autor schreibt hier ganz klar für die Kenner seiner Bücher, nicht für Neueinsteiger.
Kenner der Iron Druid Chronicles werden schnell wieder in die neue Handlung hineingezogen. Das »Grimoire of the Lamb« enthält angeblich bloß ein paar harmlose Rezepte zur Zubereitung von Lamm, und als Atticus es seinerzeit selbst aus der Bibliothek in Alexandria stahl, geschah das doch nur aus Versehen. Komisch bloß, dass ca. zweitausend Jahre nach Atticus’ unrechtmäßigem Erwerb plötzlich ein wenig freundlicher Anhänger des ägyptischen Krokodilgottes derart großes Interesse dafür zeigt und sich das Buch zurück klaut. Schnell ist daher klar, dass es sich bei dem angeblichen Kochbuch in Wahrheit um eine der gefährlichsten Sammlungen blutiger Rituale handelt und Atticus die Verfolgung nach Ägypten aufnehmen muss.
Wie gewohnt geizt Autor Kevin Hearne nicht mit humorvollen Ideen, popkulturellen Zitaten, Anspielungen auf Film und Fernsehen und taucht in den Mythos der Pharaonen und alten ägyptischen Götter ein. Man fühlt sich ein wenig wie im Jäger des verlorenen Schatzes zu Gast, kreuzt die Klingen mit der Mumie, entdeckt Sarkophage, schleicht durch unterirdische Opferkammern und findet blutige Wahrheiten. Außerdem erfahren wir, wie sich eine Horde stalkender Katzen auf lautlosen Pfoten auf die Gesundheit auswirkt. Bücher stehlen zahlt sich ganz offensichtlich nicht aus, vor allem nicht, wenn die einstige Besitzerin Katzengöttin Bast ist und nur zu froh darüber scheint, den diebischen Druiden wieder auf ihrem Jagdgrund zu wissen.
In Grimoire of the Lamb sind eine Menge hin und her gestohlener Bücher im Umlauf, und das sorgt für die ein oder andere zusätzliche Ironie.

Fans der Buchreihe um Atticus O´Sullivan werden Grimoire of the Lamb wieder in vollen Zügen genießen können, obwohl einem die später eingeführten Figuren doch deutlich fehlen. Außerdem scheint Hearne in seinen Kurzgeschichten etwas mehr Freiheiten zu haben als bei den Romanen, vielleicht ist es aber auch nur Zufall, dass Grimoire of the Lamb blutiger, böser und insgesamt weniger »entschärft« wirkt. Wartet man gerade ungeduldig auf die Veröffentlichung des nächsten Bandes, so kommt einem die Kurzgeschichte mehr als recht und sollte nicht auf dem Leseplan ausgespart bleiben.

Hammered von Kevin HearnePackt die Wintermäntel aus, es wird kalt im neuen Abenteuer von Druide Atticus! Thor, der nordische Donnergott, hat sein Spiel zu weit getrieben und nun sind ein Vampir, ein Werwolf, ein alter Zauberer und eine Horde Frostriesen hinter ihm her. Druide Atticus hat allerhand zu tun, um am Leben zu bleiben. Denn egal wie er sich entscheidet, eine echte Wahl bleibt ihm in diesem Kampf nicht …

– Once you’re facing a giant bloody squirrel the size of a cement truck, they lose the majority of their charm. –
Chapter 1

Long story short: in Hammered gibt es nicht viel zu Lachen. Das ist nicht nur Oberons Abwesenheit, sondern auch einigen ernsten und tragischen Entwicklungen zu verdanken. Die Handlung lastet schwerer auf den Protagonisten als bisher, vor allem auf Atticus, der sich in einer schwierigen Situation ohne echten Ausweg befindet.
Das Buch kommt dabei allerdings auch langsamer in die Gänge. Atticus ist zunächst ohne Begleitung unterwegs, und seine Monologe sind nur halb so unterhaltsam wie seine Dialoge mit anderen. Außerdem hat er sich diesmal wohl ein Beispiel an Kollege Harry Dresden genommen, dessen zweite Natur es zu sein scheint, permanent mehr tot als lebendig zu sein. Hat man sich aber erst einmal eingewöhnt, entdeckt man in Hammered andere Qualitäten, die vor allem den Figuren zugute kommen. Neben der Einführung neuer Charaktere erfahren wir endlich, weshalb Vampir Leif Helgarson einen solchen Groll gegen Thor hegt, wie Werwolf Gunnar da rein passt und im Zuge der Männerfreundschaft gibt es auch noch ein paar unterhaltsame Geschichten anderer Thor-Geschädigter.

Der nordische Donnergott, der derzeit als sympathischer Held und Beschützer der Menschen durch die Kinos zieht, zeigt sich in Hammered dabei von einer ganz anderen Seite. Als wahres Ar… äh … als verantwortungsloser und grausamer Gott, dem seine Macht zu Kopf gestiegen ist, hat er sich einiges zuschulden kommen lassen und den Rachewunsch wirklich alter Individuen auf sich gelenkt – vom chinesischen Zauberer bis zum russischen Donnergott (der wohl versucht, sein Gewicht in Vodka zu vertilgen), marschieren die Geplagten mit Atticus’ Hilfe in Asgard ein und stellen Ragnarok in den Schatten.
Nicht verwunderlich, dass es in Hammered daher vor allem blutig und schonungslos wird. Gerade erst hat man den ein oder anderen Charakter näher kennengelernt, vielleicht sogar ins Herz geschlossen, da muss man sich auch schon von ihm verabschieden.

Gänzlich auf Humor verzichten muss man dabei zum Glück nicht, doch geeignete Momente für Lacher und nerdige Sprüche sind limitiert. Hammered ist daher insgesamt etwas schwächer, was den Unterhaltungswert angeht, baut dafür aber stärker an Handlung auf und endet nun, im Gegensatz zu den beiden Vorgängern, auch mit offenen Fragen. Nach den Ereignissen dieses Romans dürften da im Nachfolger Tricked einige Veränderungen auf Druide und Leser zukommen.
Auch wenn Hammered nicht so humorvoll ist wie Hounded und Hexed, lohnt es sich doch am Ball zu bleiben.

Bonus:
Zeitgleich zu den Ereignissen in Hammered erlebt Granuaile ein eigenes ungeplantes Abenteuer. Nachzulesen in der Kurzgeschichte A Test of Mettle, die vom Autor kostenlos auf seiner Website zum Download angeboten wird.

Heartless von Gail CarrigerLady Alexia Maccon kann es wieder einmal nicht lassen. Obwohl sie bereits im achten Monat schwanger ist und den gefühlten Umfang eines Walfisches angenommen hat, lässt sie sich von ihren Pflichten als Mujah in eine abenteuerliche, kriminologische Suche verwickeln. Nachdem sie ein reichlich verwirrter Geist gewarnt hat, die Königin solle ermordet werden, macht sich Alexia sofort auf die Suche nach der Bedrohung, wenig beeindruckt von ihrem unerhört großen Bauch oder dem Westminster Hive, welches die werdende Mutter weiterhin nur in einer Form sehen möchte: tot und das möglichst schnell.

– “Oh, blast it, I’m positively starving.”
Instantly, all three men proffered up comestibles extracted from inner waistcoat pockets. (…) Months of training had seen the entire werewolf household running attendance on an increasingly grumpy Alexia and learning, to a man, that if food was not provided promptly, fur might fly, or worse, Lady Maccon would start to weep. As a result, several of the pack now crinkled as they moved, having desperately stashed snacks all about their personage. –
Kapitel 1, S. 12

Erheben wir die Teetassen für ein weiteres Abenteuer des Parasol Protectorate! Man darf sich wieder auf viel Witz und unvorhersehbare Wendungen freuen, Verbindungen die man so sicher nicht erwartet hat, und die ein oder andere äußerst pikante Erfindung. In Heartless (Feurige Schatten) werden bekannte Probleme zum Teil neu aufgegriffen und andere weiter verfolgt. Nur eines bleibt ungeklärt: die Vorgeschichte der Preter- und Supernaturals, welche nach Blameless (Entflammte Nacht) auf eine Ausarbeitung hoffen ließ. Wer sich also nach dem Ende von Blameless auf Heartless gefreut hat, weil er erfahren wollte, wie es mit diesem Faden der Geschichte weitergeht, der wird sich leider vorerst mit Warten begnügen und auf Timeless hoffen müssen. Die Handlung im vorliegenden Band ist nämlich wieder eine gänzlich andere, diesmal in Manier eines klassischen Detektivromans nach dem Vorbild eines Sherlock Holmes etwa. Gegner der Romantik dagegen dürfen sich freuen, denn es geht in Heartless recht nüchtern zur Sache.

Ganz ohne Kritik kommt der aktuelle Band diesmal jedoch nicht davon, auch wenn die Kritikpunkte in ihrer Gewichtung eher als kleine Flecken auf einer ansonsten schneeweißen Weste betrachtet werden sollten. Im Ganzen gesehen, ist Heartless einfach nur ein wenig anders als seine Vorgänger. Es sind die bekannten Personen, die gewohnten wunderbaren Wortgefechte, selten komische Modeaccessoires, zweckentfremdete Wandschränke und eine außerordentlich auffällige Erfindung.
Technisch betrachtet wirkt die Story diesmal allerdings ein wenig zu konstruiert mit zu vielen scheinbar zufälligen Vernetzungen, die nicht  ganz so überraschend einschlagen, wie es wohl der Plan war. Das Geschehen kann so auch nicht wirklich überzeugen. Heartless ist durchaus noch witzig und erfinderisch, individuell betrachtet aber der bisher schwächste und weniger amüsanteste Teil dieser Reihe. Es scheint, als bereite Heartless ein alles verbindendes Finale für Timeless vor und wirkt dadurch weniger in sich geschlossen. Man darf gespannt sein, ob es dann letztlich auch so kommen wird oder ob Teile der bisherigen Ereignisse im Sande verlaufen werden.

Anders sind vor allem auch die Protagonisten. Eine hochschwangere Heldin, die noch dazu keine Sentimentalitäten für ihr “infant inconvenient” aufkommen lässt, ist sicherlich eine Besonderheit und sorgt nicht selten für eine ganz spezielle Komik. Alexia dürfte in diesem Roman eine ihrer besten Shows abgeliefert haben, so überzeugend und plastisch wie sie sind die übrigen Charaktere in Heartless aber nicht. Man gewinnt den Eindruck, jede bis hierher erwähnte Figur sollte noch einmal zum Zuge kommen und die Rolle eines wichtigen Puzzleteils im Gesamtbild übernehmen. Das hat unweigerlich zur Folge, dass man das Gefühl hat, keinen so richtig anzutreffen. Es ist wie ein flüchtiges Zusammenstoßen zwischen Tür und Angel. Das mag natürlich ein persönlicher Eindruck sein, doch vor allem Professor Lyall wirkt in diesem Teil des Parasol Protectorates wie eine völlig neue Person: weniger gewitzt, weniger organisiert, mehr wie ein unbesungener und vor allem tragischer und verzweifelter Held eines ebenso tragischen Bühnenstücks. Man erfährt zwar deutlich mehr über seine Vergangenheit, im Gegenzug verliert er aber leider viel von seiner bisherigen Ausstrahlung. Was ein beklagenswerter Verlust für diesen sonst so souveränen Charakter ist.

Sprachlich ist an dem Roman dafür weiterhin nichts zu kritisieren. Im Gegenteil. Schon Kapitelüberschriften wie The Octopus Stalks at Midnight oder Death by Teapot zeigen einmal mehr die humorvollen Qualitäten der Autorin. Manche Szene wirkt dank der sprachlichen Finesse derart real, dass einem unweigerlich die absurdesten Bilder lebhaft vor dem Auge herumtanzen und herzhaftes Gelächter auslösen. Freunde der bekannten Erzählstruktur, sprachlichen Eleganz und der vielfältigen Ideen werden also auch in Heartless wieder voll auf ihre Kosten kommen.

Hexed von Kevin HearneKaum hat sich Atticus von seiner letzten Auseinandersetzung erholt, wird er von einem tödlichen Fluch getroffen, als er sich gerade einen ruhigen Abend mit Vampir Leif auf der Veranda eingerichtet hat. Nur Atticus’ magischem Amulett ist es zu verdanken, dass der letzte Druide nicht sofort in Rauch aufgeht. Doch nicht nur dieser Angriff eines neuen Hexenzirkels hält Atticus auf Trab, es treibt sich auch ein gefallener Engel in Tempe herum, der gerne auf Teenagern herumkaut, und eine Horde lüsterner Töchter des Bacchus ist auf dem Weg, um die Stadt ins Chaos zu stürzen und die Macht an sich zu reißen.
So bleibt dem Druiden nichts anderes übrig, als eine schwierige Allianz zu knüpfen und ein paar mächtigen Gegnern kräftig in den Hintern zu treten.

– Turns out that when you kill a god, people want to talk to you. Paranormal insurance salesmen with special “godslayer” term life policies. Charlatans with “god-proof” armor and extraplanar safe houses for rent. But, most notably, other gods, who want to first congratulate you on your achievement, second warn you not to try such shenanigans on them, and finally suggest that you try to slay one of their rivals – purely as a shenanigan, of course. –
Kapitel 1, S.1

In Hexed, dem zweiten Teil der Iron Druid Chronicles, geht es im wahrsten Sinne des Wortes verhext zu. Atticus muss sich nicht nur mit dem örtlichen Hexenzirkel gut stellen, er muss sich auch gegen ein paar schlecht gelaunte und schlecht gekleidete deutsche Hexen verteidigen, die ihm so mir nichts dir nichts einen Fluch an den Hals jagen. Mehrfach. Genauer betrachtet hat es unser Schwerenöter insgesamt nicht leicht mit den Frauen. Nicht nur, dass die Versuchung überall lauert, ohne konkret zu werden, Hexen, Bacchantinnen und keltische Göttinnen scheinen es sich außerdem zum Ziel gesetzt zu haben, dem letzten Druiden möglichst viel Feuer unter dem Hintern zu machen, teilweise darf man das sogar wörtlich nehmen. Doch Atticus wäre nicht Atticus, wenn er dass nicht mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und druidischer Schlagkraft beantworten würde; und so wird die Fortsetzung dieser Buchreihe nicht nur konsequent und stimmig weitergeführt, sondern auch um noch mehr Lacher bereichert, als es schon in Hounded der Fall gewesen ist.

Sprecherziehung für altmodische Vampire, ein Wolfshund, der sich den Hippie Wavy Gravy zum Vorbild genommen hat, absolut nerdige Anspielungen auf eine Vielzahl bekannter Kult-Filme und -Bücher, richtig fiese Hexen, eine alte Witwe, die gerne mal einen Blick auf den entblößten Hintern unseres knackigen Druiden wirft, und wenn die Morrigan in ihrer Leidenschaft über Atticus herfällt, kann er einem fast schon Leid tun …
Die Charaktere in Hexed sorgen für ein turbulentes Lesevergnügen voller Sympathieträger, und auch Figuren, denen man gerne selbst mal einen beherzten Tritt verpassen würde.

Es gibt eigentlich fast nichts, was man an Hexed nicht mögen kann. Lediglich zwei kleinere Abzüge gibt es für wieder vorhandene Wiederholungen und die etwas gewöhnungsbedürftige Sache mit den deutschen Sätzen. Wobei letzteres natürlich nur deswegen so stark auffällt, weil man als deutschsprachiger Leser wohl ein extra scharfes Auge auf die betreffenden Sätze wirft. Meistens funktioniert es sogar fehlerfrei, doch wenn im Text z.B. immerzu von den “hexen” die Rede ist, dann kommt man nicht umhin sich eine Shift-Taste für Gedrucktes zu wünschen.
Ansonsten gibt es aber nichts zu bemängeln. Autor Kevin Hearne bleibt sich und seiner Buchreihe treu.

Wer sich mal wieder so richtig schön in Dialog- und Situations-Komik ergehen will und Gefallen am ersten Band gefunden hatte, der sollte auch bei Hexed beherzt zugreifen. Es ist wieder eine kurzweilige und unterhaltsame Geschichte mit Lachgarantie, die man schon allein wegen Oberons unschlagbar komischen Dialogen dringend weiterverfolgen muss.

Hounded von Kevin HearneAtticus O’Sullivan, vermutlich der letzte echte Druide, hat die letzten 2000 Jahre damit zugebracht vor einem recht aufgebrachten keltischen Gott zu flüchten, dem er das magische Schwert Fragaragh – The Answerer entwendet hat. Nachdem sich der Druide in der Wüste Arizonas niedergelassen und einen okkulten Buchladen eröffnet hat, dauert es nicht lange, bis ebenjener Gott ihn aufspürt und dem Druiden das Leben schwer macht. Atticus wäre jedoch nicht Atticus, wenn er neben seinem Charme und seinem Sinn für Humor nicht auch ein paar ordentliche Kräfte zur Verteidigung hätte.

– I have been around long enough to discount most superstitions for what they are: I was around when many of them began to take root, after all. But one superstition to which I happen to subscribe is that bad juju comes in threes. –
Kapitel 3, S. 24

2011 erschien mit Hounded (Die Hetzjagd) der erste Teil der Iron Druid Chronicles von Debütautor Kevin Hearne – und was für ein gelungenes und unterhaltsames Debüt er hier abgeliefert hat! Mit seinem Beitrag zur Urban Fantasy kommt frischer und gleichzeitig uralter Wind in das Genre, denn wir bewegen uns mit Druide Atticus O’Sullivan auf den Pfaden keltischer Mythologie. Die Gottheiten anderer Religionen und Kulturen werden am Rande ebenfalls erwähnt, einige davon kommen auch zu einem kurzen Auftritt. Ebenso dabei sind Menschen unterschiedlichster Herkunft. Polen, Russen, Iren, Inder, Dänen, Isländer, Indianer, Norweger, Mexikaner … und zur Freude aller ohne rassistische Vorurteile. Ähnlich erfreulich zeigen sich auch die Geschlechterrollen in Hounded, vornehmlich dadurch, dass es keine nennenswerten Unterschiede gibt. Im Fantasy-Genre heißt es gerne “Damals war das halt so”, womit ein überdominantes Rollenbild des Mannes und eine chronische Opferrolle der Frau in modernen Romanen und TV-Produktionen gerechtfertigt wird. Kevin Hearne scheint da andere Ansichten zu haben. Denn wie Atticus gleich zu Anfang betont, stammt er aus der Eisenzeit, wo man, anders als heute, auch als Mann besser kleine Brötchen backte und einer Frau mit ebensoviel Respekt begegnete wie einem Mann. Sonst konnte es passieren, dass man(n) ruckzuck durch weibliche Hand das Zeitliche segnete, denn die klischeehaften Rollenbilder von starkem und schwachem Geschlecht gab es zu seiner Zeit noch nicht (Gesetze gegen Selbstjustiz auch nicht). Auf diese Weise wird aus “Damals war das halt so” mal ein positives Argument statt einer billigen Ausrede und der Roman zu einer wirklich angenehmen Abwechslung.

Hounded ist auch sonst ein wunderbar gelungener Roman mit seinem Mix aus Moderne, Mythologie und Humor. Druide Atticus versteht es, gleichzeitig aus Star Wars und Shakespeare zu zitieren. Anders als in der ähnlich aufgebauten Buchreihe um den Magier Harry Dresden stellt die Technik für Atticus auch kein Problem dar – im Gegenteil. Er hat sich die Errungenschaften der Moderne zunutze gemacht, besitzt ein Mobiltelefon, führt einen Online-Shop, und in seinem okkulten Buchladen, wo er Heilkräuter mischt und magische Utensilien verkauft, ist eine Video-Überwachung angebracht. Kevin Hearne schafft es insgesamt sehr gut, unsere moderne Welt mit der alten, mythologischen Welt zu kombinieren ohne merkwürdige Ausflüchte finden zu müssen, um die Mystik zu bewahren. Hounded wirkt in sich rund, gegenwärtig und überzeugend. Man hat zu keiner Zeit das Gefühl, dass sich der Autor bemüht haben muss um bestimmte Details zusammen zu bringen.

In dieser sehr lebendig gezeichneten Welt existieren alle von Menschen erdachten Götter gleichzeitig. So kommt es, dass nicht nur eine Gottheit des Todes oder nur eine Gottheit der Liebe etc. herum streifen, sondern so viele davon, wie es verschiedene Religionen gibt. Hast du als charmanter Druide einen vorteilhaften Deal mit der keltischen Göttin des Todes abschließen können, schützt dich das noch lange nicht vor dem christlichen Tod … Erfreulicherweise ziehen es die meisten Götter vor, ihre Sphäre nicht zu verlassen – was zu herrlich absurden Momenten führt, wenn sie es doch einmal tun und feststellen müssen, dass sie nicht ganz auf dem aktuellen Stand der herrschenden Gepflogenheiten und Erfindungen sind. Die Gefahr, in einen Gott hineinzurennen, ist allerdings eher gering, zumindest solange, bis einer dieser Götter beschließt, sich ein Schwert zurückzuholen, das ihm vor verdammt langer Zeit abhanden gekommen ist – und damit plötzlich eine ganze Schar Gottheiten sich veranlasst sieht, dem letzten Druiden einen Besuch abzustatten.
Zu der Schar Götter gesellen sich außerdem auch noch Hexen, Ghoule, Vampire, Werwölfe, Riesen und ein paar Höllendämonen.

Die Gottheiten in Hounded sind besser mit Vorsicht zu genießen. Sie haben durchweg interessante Persönlichkeiten, die von undurchschaubar über listig bis hin zu soziopathisch reichen. Völlig egal wie menschlich die Götter einem ab und an dabei erscheinen, sie brauchen nur Sekunden, um zu beweisen, dass sie tickende Zeitbomben für den normalsterblichen Bürger sein können und eigentlich nur sich selbst im Kopf haben. Sie sind allerdings so naiv gleichgültig, dass man sie trotz einer harschen Urteilsweise als Leser ins Herz schließen muss.
Atticus dagegen, der einem mit seinen 2100 Jahren eigentlich auch schon göttlich vorkommen müsste, ist fest in der irdischen Welt verwurzelt, achtet als Druide die Natur, hat ein liebenswertes Wesen und kennt die Götter gut genug, um sie mit Respekt zu behandeln, ihnen aber auch auf recht lockere, freundschaftliche Art zu begegnen. Noch dazu ist er ein sexy Schwerenöter, lässt sich gerne mal von den keltischen Göttinnen sagen, wo der Hase lang läuft, und flirtet sich mit all seiner jugendlichen Ausstrahlung in die Herzen der Protagonistinnen und die der Leser, ohne dabei zum oberflächlichen Macho zu werden. Um seine Figur noch sympathischer zu machen, gesellt sich auch sein Sinn für Humor dazu, der am besten in Verbindung mit seinem liebsten Gesprächspartner, dem irischen Wolfshund Oberon, funktioniert. Oberon, dessen Instinkte sich im wesentlichen auf sein Fressen und französische Pudeldamen konzentrieren, ist einer der amüsantesten Charaktere dieses Buches. Im Team sind er und Atticus unschlagbar unterhaltsam.

Den einzigen Punktabzug, den man geben kann, gibt es dafür, dass sich der Autor gelegentlich wiederholt und seine Scherze manchmal ein wenig zu konstruiert wirken. Vermutlich ein Anfängerfehler, der jedoch nicht weiter ins Gewicht fällt bei der sonst so überzeugenden Arbeit, die er mit Hounded abgeliefert hat. Als abschließendes Urteil gilt daher: höchst empfehlenswert für jeden, der Urban Fantasy lesen möchte und ein Herz für keltische Mythologie hat.

Sprachlich ist Hounded eher den etwas geübteren Englisch-Lesern zu empfehlen. Das Vokabular besticht öfter durch weniger gängige Begriffe und die nicht wenigen Einsprengsel irischer Namen, Sprichwörter und Bezeichnungen könnten ungeübte Leser durchaus aus dem Lesefluss bringen. Mit verschriftlichtem Akzent ist ebenfalls zu rechnen. Im Vorwort gibt es allerdings auch ein paar Tips, wie die irischen Namen und Orte betont werden (wenn einen das interessiert) und eine kurze Erläuterung ihrer Bedeutung.

House of Many Ways von Diana Wynne JonesDie wohlerzogene und behütete Charmain ist zu Tode gelangweilt. Als sie das Haus ihres kranken Onkels hüten soll, packt sie daher die Gelegenheit beim Schopfe. Onkel William allerdings ist Zauberer, sein Haus ist magisch und Charmain versteht nichts von Magie und noch weniger davon, schmutziger Wäsche und dreckigem Geschirr Herr zu werden. Außerdem möchte sie nur eins: sich hinsetzen, ihre Bücher lesen und eines Tages in der königlichen Bibliothek arbeiten. Stattdessen muss sie entdecken, dass die richtige Drehung Badezimmer in Ställe verwandeln oder einen hoffnungslos verlorengehen lassen kann und dass Zauberlehrlinge, wütende Kobolde, missglückte Zaubersprüche und ein benachbarter Lubbock ausgesprochen nervtötend sein können.

– »What I do know is that she never has her nose out of a book, never does a hand’s turn in the house, and is treated like a sacred object by both her parents. It will do her good to do something normal for a change.«
»Oh, dear,« said Great-Uncle William. »Thank you for warning me. I shall take precautions, then.« –
Chapter One, In which Charmain is volunteered to look after a wizard’s house

Mit House of Many Ways ist Diana W. Jones wieder ein liebevoll geschriebenes Buch mit witzigen Ereignissen, Ideen und alten Bekannten gelungen. Es stellt den dritten und letzten Teil der lose verknüpften Reihe um Zauberer Howl dar. Wie auch bei Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) sei aber auch hier davor gewarnt, eine wirkliche Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers) zu erwarten. Erfreulich allerdings: House of Many Ways hat wieder deutlich mehr Schwung als Castle in the Air, auch wenn Sophie und Howl erneut nur als etwas blasse Nebenrollen in Erscheinung treten.
Wie die Vorgänger ist auch dieser dritte Teil wieder ein in sich abgeschlossenes Buch, welches eine völlig neue Geschichte erzählt. Man muss die beiden Vorgänger also nicht gelesen haben, für Neugierige, die gerne alle Details und Hintergründe kennen, ist es jedoch von Vorteil, wenigstens Howl’s Moving Castle vorab zu lesen.

Wie immer beweist die Autorin auch in diesem Roman ihren großen Ideenreichtum und ihre Liebe für kleine Details. Besonders erwähnenswert ist an dieser Stelle das titelgebende House of Many Ways, welches man getrost wörtlich nehmen kann. Die Idee, dass eine Tür in viele verschiedene Dimensionen, Richtungen oder Räume führen kann, kennt der vertraute Leser bereits aus Howl’s Moving Castle. Im vorliegenden Roman wird dieser magischen Tür und ihrem Potential deutlich größere Aufmerksamkeit zuteil. Hinter jeder Drehung wartet ein neuer spannender Raum, unentdeckte Gänge, Bewohner, von denen man noch nichts ahnte, und vieles mehr. Eine zauberhafte Idee mit vielen Wendungen und Entdeckungen.

Leider wird der Großteil dieser sehr schönen Ideen ein wenig von der etwas misslungenen Protagonistin Charmain getrübt, die (aufgewachsen in ihrer behüteten Welt) eine recht egoistische Denkweise entwickelt hat, und leider auch lernresistent und faul scheint. Es ist nicht ganz leicht, mit diesem Charakter warm zu werden und ihre zum Teil doch eher merkwürdigen Reaktionen nachzuvollziehen. Da die Protagonistin außerdem häufig gelangweilt ist, überträgt sich das Gefühl stellenweise auch auf den Leser. Gleichzeitig sorgt Charmains erziehungsbedingte Alltagsuntauglichkeit aber auch für unerwartete Situationskomik. Interessante Abwechslung zu diesem schwierigen Hauptcharakter bieten die Nebenrollen in Form von Peter dem Zauberlehrling, der sehr gegensätzliche Eigenschaften verkörpert, und einem ewig hungrigen Hund namens Waif.

House of many ways hat wie Castle in the Air mit dem Problem zu kämpfen, dass die Geschichte an zu vielen Stellen wie unter Zwang konstruiert und geplant wirkt, was auf Kosten einer stimmigen Atmosphäre und überzeugender Charaktere geht. Obwohl alle drei Bücher aus der Reihe ihre Stärken haben, bleibt Howl’s Moving Castle daher unangefochten der Spitzenreiter, an den auch House of Many Ways leider nicht herankommt.

Hunted von Kevin HearneWer es sich mit den richtigen Göttern verscherzt, nimmt besser die Beine in die Hand! Gerade erst sind Atticus und Granuaile den lästigen Bacchus los geworden, da schicken sich die nächsten Götter an, die beiden Druiden quer durch das moderne Europa zu jagen. Artemis und Diana, die Göttinnen der Jagd, sind wenig begeistert von der Gefangennahme Bacchus’ und nur zu gewillt, die beiden Druiden endlich ins Jenseits zu befördern.

– When the blurred shape of Atticus fell in front of me, at first I thought he’d simply tripped and I almost laughed, because pratfalls have been amusing since the Stone Age. Then I heard the belated crack of a rifle to the south and Oberon’s startled cry: »Atticus!« –

Hunted schließt nahtlos an das Ende von Trapped an und man wird als Leser direkt in die Jagd bzw. Flucht hinein geworfen. Wenn man zwei Göttinnen der Jagd auf den Fersen hat, bleibt nicht viel Zeit für Verschnaufpausen oder entspanntes Geplänkel. Besonders dann nicht, wenn man es mit wirklich unsterblichen Göttern des Olymp zu tun hat. Da muss man auch als Druide tief in die Trickkiste greifen, um sich aus der Affaire zu ziehen. Leicht ist das nicht, denn man weiß nicht, wem zu trauen ist. Noch immer treibt sich ein Verräter in Tír na nÓg herum, die Dunkelelfen liegen ebenfalls auf der Lauer, Loki ist unterwegs um neues Unheil zu stiften, Scharfschützen kontern mit modernen Waffen, Seemonster haben Entscheidungsprobleme bei der Fütterung und die Vampire sind auch nicht fern.

Die Dialoginhalte wirken diesmal an machen Stellen etwas erzwungen und vor allem mit dem Humor tut sich der Autor da schwerer als sonst. Vielleicht liegt es aber auch an der eher ungünstigen Kombination von Humor und Überlebenskampf, dass die Witze diesmal nicht so richtig zünden. An der Situationskomik ändert das wenig, die beschriebenen Szenen wirken weiterhin, nur in den Dialogen passen die scherzhaften Kommentare nicht unbedingt zum Geschehen. Hunted bleibt unterhaltsam und steuert einiges zur Charakterentwicklung bei, das lustigste Buch der Reihe ist es aber nicht, da es thematisch eben doch etwas ernster zur Sache geht.

Eine kleine Besonderheit gibt es diesmal noch oben drauf: wechselnde Erzähler. Teile des Buches werden aus der Sicht von Granuaile erzählt, und erfreulicherweise verleiht ihr der Autor auch eine eigene Stimme, die nicht wie eine Modifikation von Atticus wirkt. Granuailes Gedanken wirken etwas ernster, sortierter und sie bilden einen angenehmen Kontrast zu der sonst üblichen Erzählperspektive von Atticus. Es ist auch interessant zu sehen, wie unterschiedlich die beiden Charaktere ihre Bindung an die Erde zelebrieren. Während Atticus natürlich schon vieles akzeptiert hat, ist Granuaile noch voller Erstaunen und Ehrfurcht für ihre neuen Gaben und Fähigkeiten, was sich in ihren Gedanken immer wieder ausdrückt. Dadurch erhält der Leser jenes Maß an druidischem Flair, das in der sehr modernen Umgebung bisher recht kurz kam. Auch Oberon überrascht stellenweise mit ungewohnt tiefgängigen Gedanken.

Der einzig wirklich bittere Beigeschmack bei Hunted ist wohl, dass es auf Dauer doch etwas ermüdend wird, den Protagonisten immer und immer wieder auf der Flucht beizuwohnen. Während die übergeordnete Handlung um Loki und Ragnarök eher spärlich dahintröpfelt, passiert auch sonst nicht viel mehr. Es bahnen sich weiterhin an allen Ecken potentielle Konflikte an, leider kommt bisher nichts davon in Gang, und die ständigen beinahe-tot-Momente verlieren, genau wie bei Kollege Harry Dresden, irgendwann ihren Reiz. Bleibt abzuwarten ob Kevin Hearne mit Shattered wieder etwas mehr zielgerichtete Bewegung in die Geschichte bringen wird, statt sich um möglichst viele Dramen zu bemühen.

I am Legend von Richard MathesonRobert Neville ist der letzte Mensch auf Erden, doch alleine ist er nicht. Nach dem Ausbruch einer ansteckenden Krankheit, deren Ursprung und Verbreitungsart zunächst unklar sind, hat sich der Rest der Menschheit in Vampire verwandelt und dürstet nach Roberts Blut. Bei Tag, wenn die Kreaturen nahezu komatös sind, tötet er so viele Vampire im Schlaf, wie er in ihren Verstecken finden kann, bei Nacht verschanzt er sich hinter Knoblauch und dicken Schlössern in seinem Haus und hofft auf den nächsten Sonnenaufgang. Zwischen Depression und Hoffnungslosigkeit entwickelt Robert schließlich eine Idee, die zum neuen Lebenssinn wird. Er will die Ursache der Krankheit finden und mit diesem Wissen ein Heilmittel entwickeln.

– Then he stood in the dark kitchen, eyes tightly shut, teeth clenched, hands clamped over his ears. Leave me alone, leave me alone, leave me alone! –
Kapitel 1, S. 14

Richard Mathesons Erstlingsroman aus dem Jahr 1954 ist zu recht ein Klassiker der Literatur. Man stelle sich vor, man wacht eines Morgens auf und die Welt hat sich endgültig in eine Art Vorhölle verwandelt, in der nur noch blutdurstige Kreaturen leben. Im ersten Moment denkt man da gar nicht groß darüber nach, was das im Detail eigentlich bedeutet.

Matheson dagegen macht es auf Furcht einflößende Weise.

In seinem Szenario sind es nicht die Angst vor den überall lauernden Kreaturen, die kaum mehr als Tiere sind und rein nach Instinkt handeln, oder die Existenznöte, die Robert zusetzen, sondern die Einsamkeit und das Wissen, dass er der letzte Mensch auf Erden ist und mit ihm die Menschheit aussterben wird. Hilflos musste er zunächst zusehen, wie Freunde, Nachbarn und Familie nacheinander sterben und als Vampire wiederkehren, während Robert alleine und gejagt in dieser Welt zurück bleibt, ohne Halt, Unterstützung oder jemanden, der ihm Nähe in irgendeiner Form entgegenbringen kann. Der Leser erfährt erst im Verlaufe Buches, was zu dieser Tragödie geführt hat und weshalb Neville nicht von der Krankheit betroffen ist, die man ihm beinahe schon als Erlösung von seinem Schicksal wünscht. Denn die Normalität hat sich gegen ihn gewendet, die Vampire sind die beherrschenden Geschöpfe auf diesem Planeten geworden und er, Robert, die wirklich fremde Kreatur. Die ganze Wahrheit dahinter, der Robert bei seiner Suche nach dem Heilmittel bald näher kommt, ist dabei fast noch Grauen erregender als alles bisher überstandene und kommt für den Leser sowohl überraschend als auch bedrückend.

Matheson schafft es mit seinem dichten, atmosphärischen Schreibstil, die Einsamkeit, Angst und wachsende Hoffnungslosigkeit seines Protagonisten auf nur 160 Seiten derart präzise und eindringlich zu schildern, dass einen beim Lesen ein nachhaltiges Gefühl der Beklemmung packt. Man erlebt das Geschehen aus Roberts Perspektive, was es noch einfacher macht, sich in ihn hineinzuversetzen. Dabei kommen manche Ereignisse so schlagartig und endgültig, so vernichtend und gnadenlos, dass es einem die Kehle zuschnürt. Ein einziger schlichter Satz vermag es dadurch, jeden keimenden Funken von Hoffnung so gründlich zu zerschmettern, dass dem ein oder anderen schließlich Tränen in die Augen steigen werden. I am Legend ist also eher aus psychologischer Sicht ein Horror-Buch, welches völlig auf spritzendes Blut und sonstige Splatter-Einlagen verzichtet, nicht einmal die Vampire selbst werden besonders reißerisch oder Angst einflößend beschrieben, und doch traut man sich abends kaum das Licht auszuschalten.
Bücher wie I am Legend gibt es wirklich nur selten, und es verfolgt den Leser noch lange, nachdem das Buch längst seinen Platz im Regal wieder eingenommen hat.

Einen winzigen Abzug könnte man für das etwas überstürzte Ende geben. Es stellt jedoch nur einen kleinen Schönheitsfehler in diesem Werk dar und schmälert das Leseerlebnis nicht.

Für Fans von Endzeit-Szenarien, Science-Fiction und Vampiren im klassischen Stil ist I am Legend unbedingt zu empfehlen.

Verfilmung:
Der recht kurze Roman wurde mehrfach (eher missraten) verfilmt, 1964 unter dem Titel The Last Man on Earth, 1971 mit Charlton Heston in der Hauptrolle von The Omega Man, 2007 mit Marc Dacascos in I am Omega und zuletzt ebenfalls 2007, nur einen Monat später und weitaus populärer, mit Will Smith unter dem Titel I am Legend. Die Filme bieten auf ihre Art und mit ihren verschiedenen Ansätzen vielleicht dem ein oder anderen nette bis trashige Unterhaltung, doch die eindringliche Atmosphäre, das realistische Bild der Vorlage und die tragische Eigenart des Romans vermögen sie nicht zu transportieren. Der filmische Handlungsablauf oder Roberts dargestellte Ängste schaffen es nicht einmal ansatzweise an die Qualität des Buches heranzukommen. Zusätzliches Manko bei dem vermutlich bekanntesten der Filme, I am Legend, ist das typisch hoffnungsvolle bzw. pathetische Hollywood-Ende (es gibt verschiedene Endsequenzen), welches so gar nichts mehr mit der Buchvorlage zu tun hat und damit einen Großteil dieser wirkungsvollen Geschichte zerstört. Wer also bisher nur die Filme kennt, der sollte dringend zum Buch greifen. Ihr werdet euch gruseln, ihr werdet hoffen, bangen und das Buch mehrfach aus der Hand legen müssen, um euch zu erholen. Kurz gesagt: ihr werdet es nicht bereuen!

I Am Not A Serial Killer von Dan WellsJohn Wayne Cleaver ist fünfzehn Jahre alt und studiert mit Vorliebe das Verhalten von Serienmördern, denn John ist ein Soziopath, der gegen seine Neigungen ankämpft, um nicht selbst zum Killer zu werden. Dazu hat er zahlreiche Regeln für sich selbst aufgestellt. Doch als ein echter, praktizierender  Serienkiller in seiner Stadt Einzug hält, beginnen Johns mühsam errichtete Regeln zu zerfallen und der Killer in ihm drängt immer weiter an die Oberfläche. Als John erkennt, dass der Serienkiller kein Mensch ist, sieht er seine Chance gekommen, seiner mordlüsternen Phantasie nachzugeben unter dem Deckmantel dabei etwas Gutes zu tun.

– In coming here, I was digging at the foundations of something larger and deeper, scratching tiny lines in a wall I dare not breach. There was a monster behind that wall, and I had built it strong to keep the monster at bay; now it stirred and stretched, restless in its dreaming. There was a new monster in town, it seemed – would its presence awaken the one I kept hidden? –
Kapitel 2, S. 30

I Am Not A Serial Killer (Ich bin kein Serienmörder) ist ein Buch, das unter die Haut geht und dort langsam und unheimlich unter der Oberfläche herum kriecht. Es laufen einem mitunter eiskalte Schauer über den Rücken, der Roman ist also nicht unbedingt etwas für Zartbesaitete. Im klassischen Sinne handelt es sich bei dieser dreiteiligen Buchreihe auch nicht gerade um waschechte Fantasy, vielmehr ist es ein Psychothriller mit einem Dämon in der Nebenrolle. Soviel vorweg gesagt, auf ans Eingemachte!

Der Debütroman des Autors Dan Wells schlägt eine sehr ungewöhnliche Richtung ein, indem er seine Geschichte aus der Sicht eines potentiellen Serienmörders erzählt. John Cleaver hat es bisher geschafft, seine dunklen Gelüste zu kontrollieren, doch der Leser bemerkt schon von den ersten Sätzen an, dass der Junge eine tickende Zeitbombe ist, die jeden Moment explodieren könnte. In seiner Freizeit hilft er leidenschaftlich gerne im Bestattungshaus seiner Mutter aus, seine Schulreferate drehen sich immer um Serienmörder. Nach außen hin wirkt John trotzdem fast wie ein normaler Teenager, doch in seinem Inneren herrscht ein unerbittlicher Kampf zwischen Gut und Böse. Es ist insbesondere dieser immer gegenwärtige Kampf mit sich selbst und der ungewöhnliche Einblick in den Geist eines Menschen, der davon träumt, jemanden zu töten, was I Am Not A Serial Killer so eindringlich macht. Man erlebt düstere Gedanken darüber, wie John im Geiste mit einer erschreckend analytischen und gut informierten Routine die Funktionen und Schwachpunkte des menschlichen Körpers durchgeht, wie er lauernd auf den richtigen Moment wartet und seine Anspannung aufspart. Der Junge weiß, wie er morden kann, aber auch, dass er nicht morden darf. Hin- und hergerissen zwischen Wunsch und Rechtsbewusstsein, fesselt der Protagonist den Leser auf diese Weise an das Buch, seien seine Schilderungen auch noch so “alltäglich”. Was für John zum normalen Tagesablauf gehört, wirkt auf den normalen Leser meist doch ziemlich erschreckend.

Als Antiheld tritt John nun einem Dämon gegenüber, der in vielen Belangen wesentlich menschlicher erscheint in seinem Handeln und seinen Beweggründen als der Junge. Trotzdem ist John ein Charakter, den man nicht hassen kann und dem man wünscht, dass er irgendwann einfach “gesund” werden kann. Der Dämon selbst wird dabei fast zur Nebensache, denn der Hauptgegner bleibt immer Johns eigene unterdrückte Seite. Nichtsdestotrotz bekleidet der Dämon eine wichtige Position in diesem Roman, denn er ist es, der Johns Tätigkeiten und Gedanken beflügelt. Alles wird von einem sarkastisch-zynischen Unterton des Protagonisten begleitet, der Galgenhumor als eine Option sieht, mit seinem inneren Ich zurechtzukommen. Das macht dieses Buch nicht nur extrem spannend, sondern auch sehr unterhaltsam, und stellenweise lockt es dem Leser ein böses Lachen über die Lippen.

I Am Not A Serial Killer ist ein Pageturner von der unheimlichsten Sorte, da er soviel realistische Möglichkeiten beleuchtet. Die Erzählung wirkt sehr glaubhaft konstruiert und nachvollziehbar. Zumindest für Leser, die weder Soziopathen noch Therapeuten sind, dürfte es sehr überzeugend erzählt sein und eine buchstäblich unheimliche Wirkung entfalten.
Wer sich neben Fantasy auch gerne mal in die Welt der Krimis und Thriller begibt und mit wenig phantastischen Elementen zufrieden ist, der wird John Cleaver garantiert lieben. Für eher schwache Nerven und Freunde klassischer Phantastik ist das Buch dagegen nicht zu empfehlen.

Ich und die anderen von Matt RuffAndrew Gage ist zwei Jahre alt und arbeitet als Hausmeister in einer Firma für Virtual Reality Projekte. Für einen Zweijährigen eine ungewöhnliche Beschäftigung und es wäre sicher aufgefallen, wenn sein Körper nicht bereits achtundzwanzig Jahre alt gewesen wäre.
Dennoch könnte man sagen, Andy führt ein normales und relativ ereignisloses Leben mit seiner Familie. Doch Andys Familie ist eine Besonderheit, denn sie alle wohnen in einem imaginären Haus in seinem Kopf.

-Mein Vater rief mich heraus.
Ich war sechsundzwanzig, als ich aus dem See kam, was manche Leute wundert, die sich fragen, wie ich ein Alter haben konnte, ohne eine Vergangenheit zu haben. Aber auch ich wundere mich: Die meisten Leute, die ich kenne, können sich an ihre Geburt nicht erinnern, und – das ist das erstaunlichste – es stört sie gar nicht, dass sie sich nicht erinnern.-
Seite 9

Obwohl das Buch nicht mit Matt Ruffs Erstlingswerk Fool on the Hill zu vergleichen ist, schreibt Ruff hier wieder eine fantastische Geschichte auf realem Boden mit realen Problemen. Mit diesem Buch beweist er einmal mehr, dass seine Werke in keine Genre-Schublade passen. Sie sind ein wenig fantastisch, aber zu real um gänzlich Fantasy zu sein. Vielleicht zeigt das auch nur, wie viel Phantastik in unserer Welt verborgen liegt.

Dennoch: Dieses Buch ist schwere Kost. Nicht im sprachlichen Sinne und auch nicht was seine Verständlichkeit angeht. Nein, Ich und die anderen (Set This House In Order) bleibt hängen und windet sich für eine ganze Zeit fest um die Seele, melancholisch, traurig, ein wenig hoffnungsvoll, auf jeden Fall ernüchternd. Wer aber glaubt, ein Buch um das Thema multiple Persönlichkeit müsse zwangsläufig ausschließlich ernst und trocken aufgezogen sein, um dem Thema respektvoll zu begegnen und Humor habe darin keinen Platz, der täuscht sich. Neben den durchaus ernsten und bedrückenden Schicksalen der Hauptpersonen kommt der Humor keinesfalls zu kurz. Dieser Roman steckt nämlich voller Überraschungen und ist so wandlungsfähig, dass es einen so unvorbereitet trifft, wie ein Schlag mitten ins Gesicht.

Gerade die erste Hälfte des Buches animiert zum Schmunzeln und auch mal zum lauthals Auflachen. Bis zum Schluss ahnt man so nicht im Geringsten, wohin dieser Roman seinen Leser führt. Manchmal ist das Buch so spannend, fantastisch und komisch, dass man es kaum zur Seite legen kann und dann wieder so bedrückend, dass man es eine Weile zur Seite legen muss, um die geschilderten grausamen Ereignisse erst einmal verdauen zu können. Eben jene Ereignisse, von denen an dieser Stelle nichts verraten wird, haben zur Spaltung von Andy Gages Psyche geführt und damit wiederum eine ganz andere, für den Leser charmante Situation erschaffen, die auch für einen fantastischen Roman ungewöhnlich ist.
Ich und die anderen beginnt mit einer absurden Komik und wunderbar gezeichneten, starken, teilweise imaginären, Charakteren, nur um in einer vollkommen unerwarteten Ernsthaftigkeit zu gipfeln, die dem Buch zu seinem wahren Erinnerungswert verhilft, den Leser aber auch ausgesprochen unsanft in die Realität zurück holt. Es lässt die Krankheit dabei weniger als Krankheit erscheinen sondern vielmehr wie eine alternative Lebenseinstellung.

Dieses Buch spielt mit Gegensätzen, die auch Wochen später immer noch beschäftigen. Es fällt selten so schwer ein Buch angemessen zu beschreiben, da man Ich und die anderen viel mehr erfühlt als begreift und nur schwer in Worte fassen kann. Die nachhaltige Wirkung dieses Romans geht über das normale Begreifen des Verstandes hinaus und zwingt den Leser zu einer emotional erfühlten Bewertung des Gelesenen und der letztendlichen Frage, ob man im realen Leben einen an MP erkrankten Menschen mit derselben liebevollen Sympathie begrüßen würde, wie man es bei der Lektüre über Andy und seine Hausgemeinschaft beinahe selbstverständlich macht.

Empfehlenswert für alle, die nicht zu zartbesaitet sind und nicht nur seichte Unterhaltung oder Fantasy nach Schema F suchen.

Der Kampf des Rabenprinzen von Cecilia Dart-ThorntonTahquil ist die Einzige, die den Schlüssel zu den geheimen Toren zwischen dem Reich der Menschen und dem der Feen besitzt. Der Rabenprinz, dessen Plan einst scheiterte und ihn selbst in die Welt der Menschen verbannte, ist nun auf der Jagd nach Taqhuil, um vor seinem Zwillingsbruder, dem Hochkönig Angavar, zurückzukehren, die Herrschaft an sich zu reißen und seinen Bruder zu töten. Doch der Rabenprinz ahnt noch nichts von dem Geheimnis, welches Taqhuil und Angavar teilen, und davon, dass dieses Geheimnis seinen Sieg endgültig vereiteln könnte.

– Die Qual der Langothe wuchs Tag für Tag. Sie raubte Tahquil zunehmend den Appetit und den Schlaf, die Kraft und die Lebensfreude – und würde ihr letzten Endes das Leben selbst rauben. Dazu kam eine weitere unstillbare Sehnsucht, die sie unerbittlich dem Wahnsinn entgegentrieb, ein aus verzweifelter Liebe geborener Schmerz. Die Gedanken an den einen, der sie verzaubert und in seinen Bann geschlagen hatte, ließen sie Tag und Nacht nicht los, und die Ungewissheit, ob er noch unter den Lebenden weilte, wurde unerträglich. –
Kapitel 3 – Lallillir, Seite 153

Mit Der Kampf des Rabenprinzen (The Battle of Evernight) befördert die Autorin ihre Buchreihe leider endgültig völlig ins Aus. Alles, was den ersten Band sprachlich und storytechnisch so lesenswert und bezaubernd machte, ließ bereits im zweiten Band häufig zu wünschen übrig, aufgrund einer vermehrt dahinschleichenden Handlung und einem leicht erhöhten Schnulzenfaktor. Dieser finale Roman übertrifft darin nun leider nicht nur seinen Vorgänger, sondern auch so manchen Groschenroman – um Längen.

Wer sich noch an die scheinbar endlosen Wanderungen aus Das Geheimnis der schönen Fremden erinnert, der wird in Der Kampf des Rabenprinzen doppelt viel Freude damit haben. Es ist schwer, etwas über die Handlung dieses Romans zu sagen, denn es dauert extrem lange, bis überhaupt irgendetwas Nennenswertes passiert. Das geht los mit einer völlig sinnlosen Wanderung, die mal eben 200-250 Seiten schluckt, nur um dann darin zu gipfeln, dass man die Suche abbricht, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Zäh und nahezu ohne Spannungsmomente wirkt auch die Hauptfigur mit ihren ständig wechselnden Namen die inzwischen so gut wie keine Eigeninitiative, keine Entschlossenheit und auch keine Willenskraft mehr zeigt, und von der ersten bis zur letzten Seite an der herzzerreißenden Langothe leidet – der schrecklichen Krankheit, die den Menschen befällt und unweigerlich zum Tod führt – oder ihrer noch schrecklicheren Sehnsucht nach ihrem Geliebten Dorn. Es ist fast schon wieder amüsant, wie die eine leidvollere Sehnsucht unsere Protagonistin davor bewahrt, an der anderen zu sterben. Schlimmer ist, dass dabei so wenig Stimmung aufkommt, dass einen dieses schier unmenschliche Leiden eigentlich nicht berührt. Die Sätze zeigen keine Wirkung, außer der, dass man auf die Uhr schaut, um die persönliche Langothe mit diesem Buch zu beenden. Unser männlicher Held Dorn legt derweil auch eine zweite Identität an den Tag, und schon wieder hat man jemanden mit drei Namen/Identitäten mehr im Buch. Welche Wonne!

Sicher, die Autorin beherrscht ihr Handwerk und vermag es noch immer, wunderschöne, lebendige Bilder mit ihrer Sprache zu erschaffen, doch das Gesamtergebnis wirkt in diesem Roman wie ein missglückter und bruchstückhafter Textbausatz. Häufig kommt das Gefühl auf, hier wurden Szenen eingesetzt, die in sich wunderschön geschrieben sind, aber auch nur deswegen noch irgendwie in die Handlung hinein gequetscht wurden. Die Charaktere sind stupide geworden, haben völlig überzeichnete Eigenschaften angenommen oder legen restlos unglaubwürdige Reaktionen an den Tag. Die Figur Dorn wird außerdem zu einer zusätzlichen Probe für die eigenen Nerven. Es lässt sich kaum zählen, wie oft erwähnt wird, wie das makellose Gesicht Dorns von den glänzenden Locken seiner schwarzen Haare eingerahmt wird, wie das Haar ihm in sanften Wasserfällen locker über die perfekte Schulter fällt, wie Imrhien/Taqhuil/Rohain/Ashalind vor Begierde zu zittern beginnt und seiner Anziehungskraft nicht widerstehen kann. Das Ganze wiederholt sich wirklich unerträglich oft!
Auch anfängliche Ideen wie das Metall Sildron z.B., welches eine faszinierende Basis für viele interessante technische Entwicklungen hätte sein können, gerät in diesem letzten Band schließlich völlig in Vergessenheit, und man fragt sich, wozu es ursprünglich in die Handlung eingeführt wurde.
Gegen so viele schwere Mängel kommt letztlich auch die lyrische Sprache der Buchreihe nicht mehr an.

Wer noch nicht gänzlich davon überzeugt ist, die Finger von diesem bedauernswerten Buch zu lassen, dem sei noch ein wenig zum längst erwarteten Endkampf gesagt (keine Spoiler): Es gibt selten Momente, in denen ein finales Aufeinandertreffen zweier Kontrahenten derart sanft verpufft wie in diesem Fall. Nach all den langen Schilderungen und dem Aufbau eines bösen Gegenspielers erwartet man natürlich wenigstens einen fulminanten Schluss, sofern man bis hierher überhaupt durchgehalten hat. Von den ca. zwei Seiten, die dieser Kampf in Anspruch nimmt, muss man locker nochmal eine halbe Seite für die fallende Haarpracht und entsetzliche Sehnsüchte abziehen. Nichts mit heroischem Endkampf, statt dessen kindische Rangelei gefolgt von 100 Seiten höfischem Geplänkel, Händchen halten, Liebesbekundungen, noch ein Dinner, nochmal Händchen halten, nochmal Liebesbekundung. Wer meint, damit aber müsse nun endlich das Ende von Der Kampf des Rabenprinzen erreicht sein, der irrt schon wieder.
Nachdem doch noch alles höchst dramatisch im letzten Moment gescheitert ist, um dann auf fünf weiteren Seiten alles aus den drei Büchern der Feenland-Chroniken noch einmal schnell passieren zu lassen, endet das Ganze in einem krönenden Epilog, der ein dermaßen unbefriedigendes Leseerlebnis zurück lässt, dass man das Buch auf der Stelle zerreißen und in einen offenen Kamin werfen möchte.

Dieses Buch ist von A bis Z gähnend langweilig und bietet einem nichts als Entschädigung. Ein trauriges Ende für einen so vielversprechenden Anfang, wie es Im Bann der Sturmreiter war.

Krishna - A Journey Within von Abhishek SinghUnter einem Baum umgeben von Wasser, inmitten einer Idylle aus Stille und unberührter Natur sitzt ein Mann. Er beobachtet das Leben vom kleinsten Tierchen an. Er trägt eine Pfauenfeder im Haar und seine Haut hat die Farbe frischer Gewitterwolken. So heißt es in hinduistischen Erzählungen, die von dem Gott Krishna bekannt sind, und so beginnt auch diese Geschichte voller Verluste, philosophisch abschweifender Gedanken und nicht zuletzt Hoffnung.

– When the wind whispered the lament of the sky with the flowers I sang. When unremembered dreams stood still in silence I, like a swan, carried them on my wings. It’s been more than a century and I finally await an end to my journey. Why do we exist? What do we desire? Life and its many questions. At times their weight felt heavy but I glided through the world of man on the wings of their answers. My story is the way of life because it’s not a story about me. It’s a story about hope. –
Krishna

Willkommen zu einem visuellen 5-Sterne-Festmahl! Krishna – A Journey Within ist ein farbgewaltiger und detailreich gezeichneter Comic, der mit seiner Optik überwältigt. In jedem Panel stecken derart viele liebevolle Kleinigkeiten, dass man sich Ewigkeiten darin verlieren könnte, ehe man alles entdeckt hat. Bei all dem herrschenden Gewimmel wirkt dennoch nichts daran überladen, sondern brodelnd lebendig und voller Herzblut angefertigt.
Zeichner Abhishek Singh verzaubert mit feinsten Linien, organisch wirkenden, fließenden Formen, leuchtenden Farben und stimmungsvollen Licht- und Schattenspielen. Auch die ausdrucksstarke Darstellung von Mimik und Gestik trägt zu der magischen Atmosphäre bei.

Krishna - A Journey Within von Abhishek Singh

Inhaltlich startet der Comic mit einer älteren Version Krishnas, die mit melancholischer Erzählstimme auf verschiedene Abschnitte seines Lebens zurückblickt und im Ganzen den Verlust der Unschuld des Menschen schildert. Es beginnt mit einem Blatt, das auf die Wasseroberfläche trifft, und den Folgen, die diese winzige Begebenheit auf den nächststehenden Organismus hat. Unweigerlich fällt einem bereits hier, am Anfang der Geschichte von A Journey Within,  der Schmetterlingseffekt ein. Alles ist verbunden und selbst die kleinste Begebenheit hat eine ganze Kette von Reaktionen zur Folge. Manches wirkt so unscheinbar auf uns, dass es unbemerkt vorüber zieht, anderes schlägt so große Wellen, dass es Geschichte schreibt.
Gott Krishna führt uns durch sein Leben als Mensch, als Kind, als erwachsener Mann, als Schlichter, als Ehemann und vor allem als Inkarnation der Hoffnung. Dieser Comic ist seltsam faszinierend in seiner nicht linearen Erzählweise. Manchmal ist er entzückend humorvoll, wenn wir als LeserInnen auf den kleinen Kind-Gott Krishna blicken, der zusammen mit seinen Freunden eine Räuberleiter bildet, um der Mutter leckere Köstlichkeiten stibitzen zu können. Die Unbekümmertheit des Kindes hält freilich nicht lange an, denn das Leben bietet nicht nur verlockende Naschereien, sondern auch Verluste, Kämpfe und Gewalt, doch ebenso auch Liebe, Freundschaften und Mut. All diese emotionalen Erfahrungen ändern Krishna auf seiner Reise des Lebens, motivieren seine Handlungen und prägen sein Herz. Die großen Themen in Krishna – A Journey Within sind daher, wenig verwunderlich, die von Leben und Tod, Gut und Böse, Licht und Schatten, Hass und Liebe. Für Krishna gehören diese Gegensätze zusammen und er selbst ist Teil davon, so wie jeder und alles Teil von etwas ist.
Krishna - A Journey Within von Abhishek SinghEs ist wirklich keine Geschichte, in der es besonders spannend oder abenteuerlich zuginge, das ist wohl auch nicht das Ziel dieses Comics. Zeichner Singh verarbeitet hier vielmehr philosophische und spirituelle Gedanken und Fragen in Bezug auf den Kreislauf des Lebens und die große Verbundenheit von allem, was existiert. Wie so oft bei derart grüblerischen Ansätzen, ist es nicht immer leicht, den Gedanken des Erschaffers zu folgen. Vielleicht spielt auch die sprunghafte Erzählweise eine Rolle oder das möglicherweise fehlende Detailwissen über die hinduistische Religion – wie es von der einen Episode zur nächsten kommt, ist jedenfalls nicht immer wirklich klar. Immerhin werden Eigennamen und andere aus dem Hinduismus stammende Begriffe im hinteren Teil erläutert, so dass man zumindest die wichtigsten Bausteine der Handlung zu verstehen lernt.

Es geht hier schwer nachdenklich zur Sache. So versucht uns Singh auch manch »bösen« Charakter als Mensch mit leidvollen Erfahrungen nahezubringen. Angesichts mancher Ereignisse und Taten fällt es einem als LeserIn allerdings alles andere als leicht, tatsächlich das Mitgefühl zu empfinden, das hier aufkommen soll. Doch unabhängig davon, ob man die Erzählung zugänglich findet oder nicht, sind es letztlich ohnehin die beeindruckenden Bilder, die diesen Comic so einzigartig machen und zum wiederholten Verweilen anregen. Wirklich schade ist nur, dass die Druckqualität des Comics eher bescheiden ausgefallen ist. Das Papier ist recht dünn und bringt die Bilder nicht so gut zur Geltung, wie sie es verdient hätten. Auch die Bindung und Positionierung der Zeichnungen scheinen hier und da nicht richtig durchdacht worden zu sein, so dass oft Trennungen an ungünstigen Stellen entstehen und diese Teile wichtiger Szenen verdecken. Gerade bei dunkleren Bildern verwaschen auch schnell mal die vielen Details auf dem minderwertigen Papier. Dennoch, wer die Gelegenheit findet, sollte sich Krishna – A Journey Within unbedingt einmal ansehen (oder zweimal, oder dreimal …).

Labyrinth: The Novelization von Jim Henson und A.C.H. SmithDie 15-jährige Sarah verbringt ihre Tage am liebsten tagträumend damit, Szenen aus ihrem Lieblingsbuch Labyrinth nachzuspielen. Sie ist schrecklich genervt von ihrer Stiefmutter, und das schlimmste von allem, sie muss den Babysitter für ihren kleinen Bruder Toby spielen. Als sie sich leichtisinnigerweise wünscht, der Goblinkönig möge Toby holen und in sein Schloss unter der Goblinstadt bringen, werden Sarahs Tagträume plötzlich zur Realität. Goblingkönig Jareth lässt Sarah 13 Stunden Zeit, um ihren Bruder wiederzubekommen, doch das Labyrinth hält viele Tücken und Tricks bereit.

– Nobody saw the owl, white in the moonlight, black against the stars, nobody heard him as he glided over on silent wings of velvet. The owl saw and heard everything. –
The white owl, S. 11

Wer als Kind in den 80ern aufgewachsen ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann mit dem Film Die Reise ins Labyrinth (OT: Labyrinth) von Jim Henson in Kontakt geraten sein. Ein wirklich lohnenswertes Stück phantastischer Filmgeschichte, mit einer jungen Jennifer Connelly und Pop-Ikone David Bowie in den Hauptrollen. Ein Kunstwerk aus Bühnenbild und Puppentheater, gepaart mit viel Witz und dem musikalischen Pomp der 80er Jahre.
Labyrinth: The Novelization ist, wie der Titel schon sagt, auf Basis dieses Films entstanden und hält sich dabei beinahe Bild- und Wortgenau an die Vorlage. Ab und an finden sich auch ein paar zusätzliche Informationen, die vor allem Sarahs Familienverhältnissen mehr Substanz verleihen und manches nachvollziehbarer erscheinen lassen, als es der Film macht.

Das Labyrinth des Goblinkönigs Jareth ist ein Ort voller Magie und magischer Kreaturen. Kichernde Goblins, Gnome, bissige Feen, riesige Monster, düstere Tunnel und sprechende Türklopfer sind erst der Anfang. An jeder Ecke warten Rätsel, die Unangenehmes zur Folge haben, wenn sie vorschnell beantwortet werden. Mit humorvollen und sehr plastischen Beschreibungen, die beinahe jedes optische Detail des Films perfekt wiedergeben, wurde hier eine atmosphärisch und inhaltlich liebevolle Geschichte erschaffen. Es ist ein Roman mit dem nostalgischen Flair alter Märchen und Mythen, der es dabei schafft ganz zeitlos zu bleiben. Wer gerne in eine magische Welt eintauchen möchte, die sich mehr auf die Wurzeln der phantastischen Literatur besinnt, der darf sich Labyrinth wirklich nicht entgehen lassen.

Sarah, die Hauptfigur, fühlt sich am laufenden Bande unfair behandelt und vom Leben gebeutelt. Babysitten am Wochenende – eine Plage; ein Kuscheltier an das personifizierte Übel von Bruder abtreten müssen – undenkbar. Sie ist egoistisch und grundlos motzig ihrer Stiefmutter gegenüber, sie nimmt nur das Offensichtliche wahr und hinterfragt nichts. Es interessiert sie auch nicht, was hinter dem äußeren Anschein stecken könnte, denn Sarah interessiert sich eigentlich nur für Sarah. Als sie sich in Jareths Labyrinth begeben muss, um ihren Fehler zu korrigieren und Toby wieder sicher nach Hause zu bringen, muss sie schnell viel dazu lernen und ihren selbstzentrierten Horizont erweitern, wenn sie Erfolg haben will.
Man merkt der Figur schnell an, wozu sie geschaffen wurde. Sarah ist ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie benimmt sich in vielen Situationen wie ein naives Kind, muss aber nun lernen, dass die Kindheit für jeden irgendwann endet und es Zeit wird, für das eigene Handeln geradezustehen. Jedes Rätsel, jede Hürde, die Sarah nehmen muss, wird von symbolischen Szenen und Dialogen getragen, die Sarahs Entwicklung voranbringen. Es geht darum, Entscheidungen zu treffen, über mögliche Folgen nachzudenken, Verantwortung zu übernehmen, auf andere Individuen Rücksicht zu nehmen und vieles mehr. So kann man Labyrinth wohl am ehesten als Übergangsreise vom Kind zum Erwachsenen sehen, wobei es kaum realistisch erscheint, dass Kinder oder junge Heranwachsende, die dieses Buch bevorzugt genießen werden, imLabyrinth der Film von Jim Henson Stande sind, all die Lehren schon zu sehen und zu verstehen. Auf der anderen Seite ist es aus Erwachsenensicht eine liebevolle Erfahrung, durch diesen Roman noch einmal in die eigene Jugendzeit versetzt zu werden und zu erkennen, wie sehr man sich selbst verändert hat.

Der Goblinkönig Jareth nimmt in dem Roman eine etwas weniger imposante Rolle ein als seine filmische Vorlage. Es mag auch daran liegen, dass die musikalische Untermalung fehlt und er etwas wenig Raum bekommt. Als männlicher Gegenpart von Sarah versucht er das Mädchen mit Verführung und Blendung von ihrem Ziel abzulenken und verkörpert dabei natürlich einen weiteren Aspekt des Erwachsenwerdens. Sein äußeres Erscheinungsbild wird dabei als attraktiv geschildert, während seine Handlungen meist recht herzlos sind. Er bleibt recht blass und eindimensional, was es schwierig macht, eine nähere Bindung zu diesem Charakter aufzubauen. Mehr Sympathie gewinnen da einige der Nebenfiguren. Etwa der hin und her gerissene Gnom Hoggle oder der völlig überdrehte Sir Dydimus, der sich vor keinem Gegener fürchtet und mit gezücktem Degen in den Kampf galoppiert. Mit liebevollen Details wird diesen Figuren sehr schnell Leben eingehaucht.

Abschließend bleibt nur zu sagen: Labyrinth bietet dem Kenner des Films zwar nicht allzuviel Neues, dennoch gehört diese Neuauflage in jedes Fanregal. Die Aufmachung ist mit viel Hingabe – von der Gestaltung des Hardcovers bis hin zur Typographie – durchdacht worden; im Anhang finden sich außerdem Konzeptskizzen von Brian Froud und als besonderes Schmankerl die Notizen von Jim Henson aus der Entstehungsphase des Films.
Wer die Möglichkeit noch hat, sollte die Chance nutzen und das Buch lesen, bevor die DVD eingelegt wird. Denn wer einmal die tolle Filmvorlage gesehen – und David Bowie als Goblinkönig neben all den schrulligen Puppen erlebt hat –, der wird es schwer haben, das Buch unvoreingenommen genießen zu können.

Die Landkarte der Zeit von Félix J. PalmaSie planen eine Zeitreise? Besser, Sie packen eine passende Landkarte ein! Zeitparadoxa sind in diesem Roman vorprogrammiert und laden den Leser dazu ein, sich irgendwo in der Zeit zu verlieren.
In drei Episoden folgt man einem jungen Mann, der seine Geliebte an Jack the Ripper verloren hat und in die Vergangenheit reist, um das Verbrechen zu verhindern; dann trifft man auf Claire, die sich in ihrer Gegenwart des 19. Jh. fehl am Platz fühlt und sich ins Jahr 2000 flüchtet, wo sie sich unerwartet verliebt; zuletzt begleitet man Inspektor Garrett bei der Jagd nach einem Mörder, dessen Waffe noch gar nicht erfunden wurde – und alles läuft zusammen bei H.G. Wells höchstpersönlich …

– Andrew Harrington wäre gern mehrere Tode gestorben, wenn er sich unter all den Pistolen, die sein Vater in den Vitrinen des Salons aufbewahrte, nicht für eine einzige hätte entscheiden müssen. Entscheidungen waren nicht seine Stärke. Genau besehen erwies sich sein Dasein als eine Kette von Fehlentscheidungen, deren letzte ihren langen Schatten bis in die Zukunft zu werfen drohte. Doch mit diesem wenig beispielhaften Leben voller Fehlgriffe war jetzt Schluss. –
1

Die Landkarte der Zeit (El mapa del tiempo) ist kein leicht zu rezensierendes Buch, denn es steckt voller Gegensätze. Autor Félix J. Palma spielt mit den Erwartungen seiner Leser, führt sie bewusst hinters Licht, nur um sie dann mit der nächsten Wendung zu überraschen. Manchmal macht er das sehr geschickt, dann wieder sehr bemüht, manches ist entweder ein schlauer Kniff oder eine bittere Enttäuschung. Das Buch ist außerdem Liebesroman, Science Fiction, Krimi, Historischer Roman und Drama in einem. Der ein oder andere wird jetzt vielleicht schon ahnen, dass Die Landkarte der Zeit die ausgeprägte Fähigkeit besitzt, Meinungen zu spalten.

Der Roman besteht aus drei Teilen. Jeder davon hat andere Hauptfiguren und erzählt eine eigene Geschichte, die in sich abgeschlossen ist. Es gibt dabei aber Charaktere, die in allen Teilen auftauchen und eine interessante Verstrickung der Geschichten offenbaren. Nebenfiguren werden zu Hauptfiguren und umgekehrt, je nachdem, wessen Geschichte man gerade folgt. Dabei ist dieser Roman recht intelligent aufgebaut und ab und an blitzt auch der köstliche Humor des allwissenden Erzählers durch, der an den (Film-)Erzähler von Per Anhalter durch die Galaxis erinnert.

Weltenbau und Charaktere sind ebenfalls allesamt sehr lebendig gezeichnet mit einer deutlichen Liebe fürs Detail. Es ist ein Leichtes, sich das viktorianische Setting der Erzählungen vorzustellen – die schmutzigen Gassen Whitechapels, die prachtvollen Herrenhäuser Londons, die feinen Teesalons, die massiven Heldenstatuen, die Zeitmaschine von H.G. Wells … Gerüche und Figuren werden lebendig, hier erweist sich auch der spielerische Umgang mit der Sprache als großer Vorteil.

Auf der anderen Seite gibt es oft Längen und Monologe, in denen man das Gefühl hat, der Autor hört sich einfach gerne selbst reden. Jene Monologe sind besonders deswegen so störend, weil sie in der Regel nur 1:1 nacherzählen, was kurz vorher erst geschehen ist oder geschichtliche Ereignisse werden unnötig genau zusammengefasst – als rechnete man mit plötzlicher Amnesie oder eklatanten Bildungslücken beim Leser. Manches ist dabei auch zu leicht vorhersehbar, was die Stärken des Romans leider ab und an in den Schatten stellt. Durch diese starken Gegensätze von intelligenter Unterhaltung und langweiligen Seitenfüllern schwankt der Lesegenuss öfter mal vom einen ins andere Extrem und am Ende weiß man nicht, ob man dieses Buch mag oder nicht.

Die Landkarte der Zeit ist auch ohne die erwähnten Längen kein spannungsgeladenes Buch. Es ist eine ruhige Geschichte mit kniffligen Verknüpfungen und teils abenteuerlichen Entwicklungen. Wer Zeitreisen sucht, muss sich vor allem ihren theoretischen Möglichkeiten stellen und sich darüber im klaren sein, dass es kein Zukunftsroman ist und die Haupthandlung 1896 stattfindet. Vielmehr ist Die Landkarte der Zeit daher ein Buch für Nostalgiker, die gerne durch die Vergangenheit schlendern und hier und da ein paar Schlenker durch die Zeit schlagen wollen.

Wer gefallen an der Erzählung findet, kann sich mit Die Landkarte des Himmels außerdem über eine Fortsetzung freuen. Dieser erste Band ist aber in sich abgeschlossen und besteht auch problemlos als Einzelband.

The Last Olympian von Rick RiordanDie finale Schlacht ist gekommen und der Krieg um die Herrschaft beginnt. Mit seiner gewaltigen Armee zieht Kronos auf Manhattan zu, um den Olymp und die Götter zu zerstören. Während die olympischen Götter außerhalb gegen Titanen kämpfen müssen, wurde die Stadt in tiefen Schlaf versetzt und von der Außenwelt abgeschottet. Es bleiben nur noch die wenigen Halbgötter des Camp Half-Blood als letzte Verteidigung für den Olymp – vierzig gegen vierhundert. Doch das Camp ist nicht nur in der Unterzahl, die Häuser sind auch gespalten und ein Verräter bewegt sich unerkannt unter ihnen. Nicht zuletzt ist außerdem die Zeit für Percy Jacksons vielleicht letzte Entscheidung gekommen.

– The end of the world started when a pegasus landed on the hood of my car. –
I go cruising with Explosives, S.1

The Last Olympian (Die letzte Göttin) ist der wohl stärkste Teil dieser Reihe. Autor Rick Riordan hat sich mit jedem neuen Buch ein gutes Stück gesteigert, doch in diesem fünften Band holt er noch einmal alles raus und liefert den Lesern ein triumphales Finale.

Der letzte Roman um Percy Jackson startet ohne viel Vorspiel mit einem Kampf und dem plötzlichen Tod eines Freundes. Das gesamte Camp befindet sich im Kriegszustand, die Emotionen sind angespannt, Hoffnung ist kaum noch vorhanden und zu allem Überfluss herrschen auch innerhalb der Gruppe von Halbgöttern Streitereien. Die Kinder des Olymp sind praktisch auf sich allein gestellt, denn ihre göttlichen Eltern kämpfen, mit wenig Erfolg, an anderer Front gegen Titanen, die auf den Olymp zu marschieren. Campleiter Chiron ist ebenfalls fort, um Hilfe zu suchen, doch die Rückmeldungen von beiden Parteien klingen ziemlich aussichtslos. Die Chancen stehen also erbärmlich schlecht und entsprechend schwer sind die Gedanken unserer Helden, denn es geht von Anfang bis Ende um mehr als nur das eigene Überleben.

Wer nun fürchtet, The Last Olympian biete einen deprimierenden Lesegenuss, der irrt. Angesichts der Lage geschehen einige tragische Dinge, die an den Protagonisten durchaus nagen und auch den Leser nicht kalt lassen. Doch mit einem neuen Höchstmaß an Sarkasmus und Galgenhumor sorgen Percy und seine Freunde auch immer wieder für unerwartet humorvolle Einlagen, die zeigen, dass unsere Halbgötter noch lange nicht am Ende sind. Auch Gott Apollo gibt wieder kleine Spezialitäten zum Besten, nahezu preisverdächtig ist seine jüngste Auswahl an Fahrstuhlmusik. Wer bisher noch nicht von diesem Hitzkopf hingerissen war, der wird Apollo nach der Lektüre dieses letzten Bandes lieben.

Wie eingangs erwähnt, hat Rick Riordan in seinem finalen Aufgebot der Percy-Jackson-Reihe Höchstform gezeigt. Mehr beschreibende Details kreieren eine plastische, lebendige Welt, und zusätzlich kommen die Götter und ihre Gegenspieler viel häufiger zum Zuge und sorgen für echte mythologische und antike Stimmung. Unter den vielen Charakteren, die beinahe beiläufig, aber wirkungsvoll weiter ausgebaut werden, fällt vor allem der junge Nico sehr positiv auf. Der Sohn des Hades, der bei seinem ersten Auftritt in The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) noch wie ein naiver, aufgeweckter Junge ohne Sorgen wirkte, hat sich bis in den finalen Band zu einem wirklich interessanten und düsteren Charakter entwickelt. Umso erfreulicher, dass er im fünften Band eine wichtige Rolle einnimmt, in der lange nicht klar ist, für welche Seite der Junge tatsächlich kämpft.

Am Ende von The Last Olympian hat man etliche Verluste erlebt, den Mut und die Hoffnung nicht verloren, ist an den Erlebnissen gewachsen und mit ihnen erwachsen geworden. Man hat auch gelernt, dass junge Frauen im Kriegszustand verflucht Angst einflößend sein können, und man hat unheimlich viel zu lachen und zu bangen gehabt. The Last Olympian macht eigentlich alles richtig und übertrifft die Erwartungen an dieses Finale. Glücklicherweise verzichtet der Autor auf einen kitschigen Epilog, der das Leseerlebnis nachträglich hätte trüben können.

Wer nun noch immer nicht genug bekommen hat von Halbgöttern und olympischen Bewohnern, dem könnte die ähnlich konstruierte, aber mit neuen Charakteren besetzte Folgeserie The Heroes of Olympus gefallen.

The Legend of Sleepy Hollow von Washington Irving und Gris GrimlyIchabod Crane ist ein armer Schlucker von Dorflehrer, der sich ausgerechnet in die hübsche Tochter eines reichen Mannes verliebt. Während er mit seiner stillen und etwas unbedarften Art versucht, seiner Angebeteten höflich den Hof zu machen, hat er gegen die auftauchende Konkurrenz, einen grobschlächtigen Muskelprotz, keine Chance. Als er eines Nachts später als geplant von einem Kaffekränzchen mit älteren Damen aufbricht, wird er schließlich auch noch von der alten Legende des kopflosen Reiters heimgesucht.

– In the bosom of one of those spacious coves which indent the eastern shore of the Hudson lies a small market town, or rural port, which is known by the name of Tarry Town. –

The Legend of Sleepy Hollow gehört im englischsprachigen Raum wohl zu einer der Geschichten, die alle Kinder irgendwann als Gruselmärchen erzählt bekommen. Hierzulande dürfte den meisten wohl eher die Verfilmung von Tim Burton mit Johnny Depp als etwas schrulligem Ermittler bekannt sein.

Wenn man sich nun die Vorlage von Washington Irving ansieht, dann wird schnell klar, dass es sich hier um eine völlig andere Geschichte handelt und die Enttäuschung folgt bei manch einem Leser auf dem Fuße. Es gibt einen kopflosen Reiter und auch einige Namen stimmen überein, aber das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Keine Hexen, keine böse Stiefmutter, keine Albträume von verstorbenen Eltern, keine okkulten oder magischen Symbole unter dem Bett, keine Autopsien und keine Liebesgeschichte.
The Legend of Sleepy Hollow ist leider alles andere als spannend oder gar unheimlich. Es ist die Erzählung über einen schlecht verdienenden Lehrer von schmächtiger Statur und unattraktivem Äußeren, der sich in eine schöne reiche Tochter verguckt und mit einem ebenso reichen starken Kerl  konkurrieren muss. Unnötig zu erwähnen, wer da wohl das Rennen macht, zumal die Rollenbilder der damaligen Zeit natürlich heute deutlich antiquiert wirken und andere Botschaften transportierten, als man es als moderner Leser gewohnt sein sollte. Der kopflose Reiter? Nur eine Geschichte in einer Geschichte, die Schreckphantasie eines ohnehin schon wunderlichen Mannes.

The Legend of Sleepy Hollow illustriert von Gris GrimlyAuch die herrliche Illustrationskunst von Gris Grimley, der sich gerne an solch alten Texten austobt, vermag die Wirkung der Geschichte daher leider nicht zu heben. Möglich ist natürlich, dass The Legend of Sleepy Hollow, wie viele Klasiker der Literatur, einfach nicht mit dem modernen Verständnis von Grusel und Horror mithalten kann. Im 19. Jhrd. sah das vielleicht völlig anders aus – schließlich galt da auch Dracula als höchst unheimliche Lektüre – während sie heute mehr aus rumsitzen und Tee trinken zu bestehen scheint und man von dem “Bösen” nicht wirklich viel bemerkt. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob Washington Irving überhaupt so stark auf handfesten Grusel aus war oder ob er nicht eher darauf abzielte, die schaurigen Geschichten, die im Zuge der Gothic Novel und der Romantik populär waren, zu ironisieren. Dies würde auch die irdisch-profane Deutung des “Spuks” in der Geschichte erklären. So oder so, Kinder, die noch nicht so abgeklärt sind wie Erwachsene, dürften die Geschichte um den kopflosen Reiter sicher anders wahrnehmen als ein Erwachsener mit größerer Leseerfahrung.

Diese kleine Lektüre ist letztlich durchaus gut geschrieben und die altmodische Sprache bleibt dabei nicht nur recht gut verständlich, sie besitzt auch einen gewissen Charme. Bloß vermag sie es nicht, eine Atmosphäre jedweder Form aufzubauen. Allein wegen der Illustrationen lohnt es sich für Freunde der Optik aber dennoch, dieses Büchlein zur Hand zu nehmen und die vielen kleinen Details und die ganz eigene Art des Künstlers zu erkunden. Die tollen Ergebnisse, die Gris Grimly mit einer begrenzten Farbpalette, klassischer Tusche- und Aquarelltechnik erzielt und wie er die stark überzeichneten Charaktere mit Sympathie und Leben füllt, sind für sich betrachtet unterhaltsam genug.

Der letzte Steinmagier von James A. SullivanVor vielen Jahren wurde die Kaiserin des Reiches von einem abtrünnigen Steinmagier in Stein verwandelt. Seither herrscht Krieg im Land. Die anderen Steinmagier sind untereinander zerstritten und haben sich den Machtkämpfen der Fürsten angeschlossen, statt die Kaiserin aus ihrem endlosen Schlaf zu befreien. Als sich die Steinmagier in der gewaltigen und finalen Schlacht von Wuchao begegnen, bleibt nur der junge Wurishi Yu lebend zurück. Um den letzten Wunsch seines Meisters zu ehren, macht sich Yu auf den Weg, das Unrecht wieder gut zu machen und die Kaiserin zu erwecken. Doch der Fürst Dayku Quan ist ihm bereits auf den Fersen und trachtet dem Wurishi nach dem Leben.

– Wurishi Yu legte seine Hand auf das glatte Bronzesiegel und sprach im Stillen die Worte des geheimen Zaubers. Aus den Wänden links und rechts ertönte ein lautes Beben, und schon bewegten sich die beiden steinernen Torflügel. –
Die Schlacht von Wuchao, Seite 14

Aufgrund seiner abweichenden Genre-Standards hebt sich Der letzte Steinmagier positiv von dem generischen Einheitsbrei um Elfen, Zwerge und Orks ab und schlägt mit seinem ostasiatischen Setting einen gänzlich anderen Weg ein. Die Grundzutaten für den Roman sind dabei teils durchaus wohlbekannt: eine Gruppe von Fremden schließt sich zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, macht sich auf eine gefährliche und abenteuerliche Reise und wird dabei von einem nach Macht gierenden Gegenpart verfolgt und bedroht. Es gibt natürlich auch eine Prinzessin bzw. hier eine Kaiserin in Nöten, einen nahezu makellosen Helden, der zu ihrer Rettung naht, und ein zerrissenes Reich, in dem Machtkämpfe toben. Diese klassischen Stilmittel werden mit einer guten Portion Humor gewürzt und bieten durch das selten genutzte Setting Asiens eine angenehme Abwechslung. Hervorzuheben ist auch das ungewöhnliche Magiesystem, welches der deutsch-amerikanische Autor James Sullivan in seinem Solo-Debütroman beschreibt.

Die Charaktere in Der letzte Steinmagier sind gut gezeichnet und kommen überzeugend daher, auch wenn sie ihr ganzes Entwicklungspotential nicht ausnutzen können und oft etwas zu schnell an ihren Erfahrungen reifen. Ihr größtes Manko ist eine klare schwarz-weiß Rollenverteilung ohne Abweichungen davon. Was ihnen an dieser Stelle an realistischer Substanz fehlt, machen ihre zumeist humorvollen Eigenarten jedoch wieder wett. Zusätzlich gewinnen sie im Verlauf der Handlung immer mehr an Struktur und verstehen den Leser durch eine interessante Herkunftsgeschichte bei Laune zu halten. Besonders der Charakter des Diebes Sankou Yan sorgt von Beginn an für Sympathie und ist der heimliche Held dieser bunt gemischten Gefährtengruppe. (Ein kleiner Bonus für Fans von Sankou Yan ist auf der Website des Autors in Form einer Kurzgeschichte zu finden).

Der letzte Steinmagier ist ein solides Fantasywerk, das vor allem jüngeren Lesern, Genre-Einsteigen und Eastern-Fans gefallen dürfte. Es finden sich hier einige gute und interessante Ideen ein, die sich vor allem in der ungewöhnlichen Anwendung und Auswirkung des Magiesystems zeigen. Sprachlich kommt der Roman schlicht daher, lässt sich dafür flott und flüssig lesen. Die Atmosphäre ist bei der stringenten Erzählweise und wenig beschreibenden Details etwas schwerer zu fassen, und viele Überraschungen in der Handlung darf man ebensowenig erwarten. Einen Meilenstein der Fantasy stellt Der letzte Steinmagier daher nicht dar, doch wer sich von einem Hauch Ostasiens verzaubern lassen möchte, humorvolle Abenteuergeschichten mag und auch mal einen Einzelroman zur Hand nimmt, der ohne große Überraschungen oder in epischer Länge ausgebreitete Dramen auskommt, wird seine Freude an diesem Buch haben.

Percy Jackson – The Lightning ThiefPercy Jackson ist ein Problemkind wider willen, denn er gerät von einer seltsamen Situation in die nächste. Kein Wunder, dass er schon von sechs Schulen geflogen ist. Was er und der gewöhnliche Mensch aber nicht ahnen: Percy Jackson ist kein Unruhestifter sondern ein Halbgott und damit in höchster Lebensgefahr. Denn die Schergen des Gottes der Unterwelt haben es auf den Jungen abgesehen, nicht nur weil er im Verdacht steht, den berüchtigten Blitz des Zeus gestohlen zu haben. Die Furien sind ihm bereits dicht auf den Fersen, und die einzige Chance zu überleben scheint das Camp Half-Blood zu sein in dem ein mauliger Dionysus die Leitung hat.

– Being a half-blood is dangerous. It’s scary. Most of the time, it gets you killed in painful, nasty ways. –
I Accidentally Vaporize My Math Teacher, S. 1

The Lightning Thief (Diebe im Olymp) ist der erste Roman aus der Jugendbuchreihe Percy Jackson & The Olympians. Wie der Reihentitel schon erahnen lässt, dreht sich die Handlung um Figuren und Sagen aus der griechischen Mythologie. Percy Jackson wird oftmals auch als griechischer Harry Potter bezeichnet. Mit seinem Helden schafft es Autor Rick Riordan, trotz einiger Parallelen dennoch eine eigenständige Geschichte mit einer gänzlich anderen Atmosphäre zu erschaffen. Dementsprechend wäre niemandem damit gedient, sich von Percy Jackson einen zweiten Harry Potter zu erhoffen, aber es gibt natürlich trotzdem jede Menge Magie, gefährliche Monster, schwammige Prophezeiungen eines ganz schön ausgedörrten Orakels und natürlich eine gefährliche Queste für unsere drei jungen Helden.

Percy Jackson, Sohn des Meeresgottes Poseidon und titelgebender Held dieser Reihe, gilt als Legastheniker und chronischer Unruhestifter mit einem diagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom – dabei ist sein Gehirn einfach nur auf antikes Griechisch gepolt, was freilich niemand, nicht einmal er selbst, ahnt. Mit dieser Diagnose erklärt sich der Junge die seltsamen Dinge, die in seiner Umgebung geschehen, und kommentiert sie mit viel zynischem Humor. Entsprechend amüsant gestalten sich nicht nur Dialoge mit anderen Charakteren, sondern auch die Erzählung insgesamt, die aus der Perspektive eines schlagfertigen Percy geschildert wird.
Für weiteren Witz sorgen der Satyr Grover, dem in besonders heiklen Momenten nicht nur Schuhe und Hosen verloren gehen, sondern auch mal ein Blöken entweicht, und die strategisch denkende Annabeth – Tochter der Göttin Athene – die sich gerne mal mit der rivalisierenden Tochter des Ares in den Wettkampf begibt. Überhaupt ist auffällig, dass die größten und gefürchtetsten Raufbolde in diesem Roman Mädchen sind. Es hüte sich, wer auf dem Schulhof an Zöpfen ziehen möchte …

Dass The Lightning Thief aber auch ernsthafte Seiten hat, beweisen u.a. die Opfer, die Percys Mutter bringt, und das schwierige Verhältnis von Percy zu seinem Vater Poseidon, der sich nicht sicher ist, wie er zu seinem Sohn steht. Da ist einerseits Poseidons willentliche Bekenntnis zur Vaterschaft und andererseits seine Schuldgefühle darüber, durch Percys Zeugung eine wichtige Abmachung mit seinen Brüdern Zeus und Hades gebrochen zu haben. Außerdem scheint es allen Halbgöttern bestimmt zu sein, ein tragisches Schicksal bis hin zu brutalen Toden zu erleiden. Auch das nagt an dem Gott der Meere, der nur wenige eigene Auftritte in diesem Roman hat.
Während man als Leser also doch die ganze Zeit auf ein glückliches Zusammenkommen von Vater und Sohn hofft, die sich beide wie unsichere Boote umschiffen, bleibt Riordan realistisch und arbeitet bis zum Schluss konstant mit dem Zwiespalt seiner Figuren. Auch an anderen Fronten scheinen die familiären Beziehungen eine wichtige Rolle für den Autor zu spielen. Sie bereichern diesen phantastischen Roman um allzu real existierende Probleme, die sowohl junge und ältere Leser zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Lebens kennengelernt haben dürften. Darum bleibt es häufig auch nur bei Anspielungen und Anzeichen, die man erst mit einem gewissen Erfahrungswert sofort zu erkennen weiß. Leicht genug für junge Leser zu verstehen und durchs Hintertürchen auch derb genug, um ältere Leser unterhalten zu können. Dieses Spiel mit Andeutung und gezielt ausgelassener Information funktioniert in The Lightning Thief sehr gut und macht den Roman für alle Altersgruppen zu einem interessanten Lesevergnügen.

Atmosphärisch reiht sich der Roman in eine urbane Fantasywelt ein, in der Technologie und Magie unerkannt miteinander verschmolzen nebeneinander existieren. So gelangt man über bekannte Wahrzeichen wie das Empire State Building in den Olymp oder landet beim Betreten eines Casinos in einem modernen und trügerischen Nirvana. Diese Verschmelzung ist in The Lightning Thief leider nur teilweise gelungen, stellt allerdings auch nicht das Hauptaugenmerk des Romans dar. Denn das liegt eher bei Charakterbildung und Handlung. Etwas dürftig gestaltet sich dementsprechend auch die Erklärung dazu, weshalb wir die Götter der griechischen Mythologie neuerdings in den USA finden. Es wäre fast besser gewesen, diese Erklärung und den damit verbundenen Patriotismus auszusparen, stellt aber nur einen kleinen Fleck auf der sonst sauberen Weste dieses Auftaktromans dar.

The Lightning Thief präsentiert sich also als ein gelungenes Buch für jeden, der es gerne zynisch-sarkastisch-humorvoll mag und ein Herz für die alten Götter Griechenlands hat. Große Sprünge und grandiose neue Ideen darf man von dem Roman nicht erwarten, als solider Vertreter klassischer Fantasy-Erzählungen ist The Lightning Thief aber durchaus zu empfehlen.

Verfilmung:
Filmplakat The Lightning ThiefPercy Jackson & The Lightning Thief (Percy Jackson – Diebe im Olymp) wurde 2010 u.a. mit Logan Lerman in der Hauptrolle des Percy Jackson, Sean Bean als Zeus, Uma Thurman als Medusa und Pierce Brosnan als Chiron unter selbigem Titel verfilmt. Trotz der starken Besetzung bietet der Film aber nicht mehr als leichte Kost für zwischendurch. Die Handlung weicht außerdem in einigen Punkten von der des Buchs ab und erzählt eine teilweise andere Geschichte.

The Lord of the Rings Sketchbook von Alan LeeIn The Lord of the Rings Sketchbook zeigt Illustrator Alan Lee sein einmaliges zeichnerisches Talent und seine Idee von der Herr der Ringe-Trilogie, wie sie die Filmkulissen schlussendlich maßgeblich geprägt haben.

– But here there is still more – an insight into an artist’s mind and a close-up of his pen, pencil and brushes at work. Wonderful. –
Ian McKellen, Foreword, S.9

Dieser Hardcover Bildband kommt in einem für ein Artbook relativ kleinen Format daher. Was im ersten Moment wie ein Manko klingt, wurde jedoch gänzlich positiv umgesetzt. Zunächst einmal liegt The Lord of the Rings Sketchbook gerade wegen des kleineren Formats bequem in der Hand und lässt sich entsprechend angenehm durchblättern. Überwiegend ganzseitige Abbildungen in einer sehr ordentlichen Qualität zeigen jedes kleine Detail der Skizzen und beweisen, dass die geringere Größe des Buchs keine Nachteile mit sich bringt. Aufgeteilt in übersichtliche Kapitel, fällt es auch thematisch leicht, sich in diesem Buch zurechtzufinden, Stellen schnell aufzuspüren und gezielt zu stöbern. Für letzteres sollte man etwas mehr Zeit einplanen, denn es gibt viel zu entdecken!

Tom Bombadil von Alan Lee
© Alan Lee - Scan: The Lord of the Rings Sketchbook

The Lord of the Rings Sketchbook ist, wie der Titel schon verrät, gefüllt mit Bleistift-Skizzen. Es grenzt jedoch beinahe schon an Hohn, diese Arbeiten eines Meisters seines Fachs lediglich als Skizzen zu bezeichnen, denn ihre Ausarbeitung, Detailgenauigkeit und Ideenvielfalt sind an vorbildlichem Können kaum zu überbieten und stellen viel mehr als bloß ein Entwurfsstadium dar. Es haben auch einige der fertig kolorierten Bilder ihren Weg hinein gefunden, sie wirken neben den lebendigen Skizzen geradezu zweitklassig und vernachlässigbar.

Inhaltlich befasst sich das vorliegende Werk – wer hätte es gedacht? – mit den Entwurfsarbeiten zum Filmkonzept der Herr der Ringe Trilogie. Es steuert dabei jedoch noch einige neue Zeichnungen bei, welche erstmalig in The Lord of the Rings Sketchbook gezeigt und teilweise sogar speziell für dieses Buch angefertigt wurden. Dazu gehören u.a. Portrait-Illustrationen von Ian McKellen als Gandalf oder Cate Blanchett als Galadriel. Besonders sympathisch wirkt das Buch aber durch einen gewissermaßen unzensierten Einblick in Alan Lees Arbeitsweise, seine Zeichenübungen und seine schrullig liebenswerte Methode, To-Do-Listen in Form winziger Thumbnails zu führen. Außerdem reflektiert der Künstler den Entstehungsprozess seiner Werke bis hin zum fertigen Ergebnis. In seinen Kommentaren zu den einzelnen Skizzen spricht Alan Lee nicht nur von den obligatorischen Filmanekdoten, sondern auch über seine Inspirationsquellen. Der Künstler scheut dabei nicht davor zurück, selbstkritisch über die Bilder zu urteilen und eigene Fehler, Vertuschungsversuche und Schwächen aufzuzeigen. Der Betrachter freilich wird es auch mit einem noch so kritischen Blick unfassbar finden, wie Alan Lee an dieser Stelle von Fehlern sprechen kann, da sich die Arbeiten auf einem ausgesprochen hohen Niveau bewegen. Vermutlich sind nur echte Meister der Materie in der Lage, hier noch über Mängel diskutieren zu wollen und vor allem zu können. Es zeigt jedenfalls, mit welch hohen Ansprüchen Alan Lee an seine Illustrationen herangeht und wie selten heutige Künstler die klassische Illustration noch (in Perfektion) beherrschen.

Dieses Buch ist nicht nur ein Muss für den bekennenden Herr der Ringe-Fan, sondern auch für jeden (angehenden) Illustrator. Gerade letzterer wird die hilfreichen Tipps des Meisters begrüßen und zu schätzen wissen, denn es dürfte nicht zu viel versprochen sein, wenn einmal gesagt wird, dass man sich auch als talentierter Zeichner getrost noch eine Scheibe von Alan Lee abschneiden kann. Dieses Buch zeigt, dass Lees Skizzen mit ihrer Perfektion gleichermaßen zu begeistern und einzuschüchtern vermögen.

Mayhem von Sarah PinboroughEs ist 1888 und zerstückelte Frauenkörper pflastern die Straßen in Whitechapel, London. Dr. Bond untersucht die gefundenen Überreste und kommt schon bald zu der Erkenntnis, dass Jack the Ripper nicht der einzige Serienmörder ist. Ein zweiter Killer treibt sich in den Armenvierteln herum und erlegt seine Opfer auf weit grausamere Weise. Was ist seine Motivation? Weshalb finden sich so viele Körperteile in der Themse wieder und andere bleiben verschollen? Bald schon macht Dr. Bond eine dämonische Entdeckung, die sein rationaler Verstand nicht zu begreifen bereit ist.

– »You cannot see it,« he whispered, eventually. »You cannot.« He smiled at her, and she found that she was sobbing. »But I will tell you a secret,« he whispered into her ear. There was a moment’s pause, and in it she held her terrified breath.
»It can see you.« –
Part One

»The Carnival of blood« – so nennen die Zeitungen den Sommer der ersten Morde. Mayhem zeichnet eine alternative Realität der Ripper-Morde und fügt den Fakten ein paar neue, übernatürliche Elemente hinzu, sowie einen weiteren Killer. Das zeitgleiche Agieren der beiden Mörder ist allerdings ein wenig irritierend, da der Roman nicht klar machen kann, weshalb er diese Figuren beide braucht. Zwar gibt es eine früh genannte Erklärung, die Notwendigkeit ist jedoch zweifelhaft, da Jack-the-Ripper stets nur beiläufig genannt wird und keine rechte Funktion erfüllt. Wenn man sich davon nicht zu sehr beeindrucken lässt, ist Mayhem aber ein interessantes und blutiges Leseerlebnis mit unter die Haut kriechendem Horror. Interessant daran ist, dass es nicht die Morde selbst sind, die schocken, sondern vielmehr die langsame Entdeckung des verantwortlichen Dämons und seine … Beschaffenheit.

Aufgebaut ist der Roman in drei Teilen. Im ersten Teil werden die Morde und die Nachwehen beschrieben, die die Bestie hinterlässt. Man startet also mitten im Geschehen, während den jüngsten Mordermittlungen.
Der zweite Teil ist der wirklich unheimliche Teil von Mayhem und wirkt noch besser bei stiller Umgebung und nächtlichen Lesestunden. Hierin lernen die LeserInnen die Bestie kennen, begegnen dem Menschen, von der sie Besitz ergriffen hat, und man verfolgt die schleichende Übernahme, der der Wirt wehrlos ausgeliefert ist.
Im dritten Teil schließlich folgt das Erkennen und Aufspüren der Bestie durch die Ermittler.
Entsprechend wechselt auch die Erzählperspektive. Der Hauptteil wird aus der Sicht von Dr. Bond erzählt, ein anderer Teil aus der Sicht des allwissenden Erzählers und wieder anderes durch Zeitungsschnippsel, die entsprechend optisch aufgemacht wurden. Die Erzählung verläuft nicht in chronologischer Linie, sondern mit Sprüngen in die Vergangenheit, um zur rechten Zeit ein wichtiges Detail zu verraten. Wer Rückblenden in Büchern verwirrend findet, sollte sich Mayhem vielleicht nicht unbedingt zulegen.

Die Charaktere in Mayhem sind ein wenig blass. Dr. Bond, der Arzt mittleren Alters, bietet da noch das beste Profil mit seiner Opiumsucht, seiner Schlaflosigkeit und den Alpträumen. Begleitet wird er von einem verkrüppelten Jesuitenpriester und einem tscheschichen Einwanderer, der von Visionen geplagt wird und dank einer ausgeprägten Furcht vor dem Wasser zum Himmel stinkt. Gemeinsam versuchen sie den Dämon aufzuspüren, scheinen aber immer einen Schritt hinterher zu hinken und müssen noch dazu im Schatten der offiziellen Polizeiermittlungen agieren. Denn wer würde dem seltsamen Trio schon die Geschichte von einem Dämon in Menschengestalt abkaufen? Helfen würde es Dr. Bonds Reputation freilich nicht.

Mayhem ist ein schwierig zu beurteilendes Buch. Einerseits sind die Ideen gut, doch der Ausarbeitung mangelt es zu oft an Herz, so dass alles ein wenig oberflächlich bleibt und es schwerfällt, von der Handlung mitgerissen zu werden. Wer sich aber gerne mit einer alternativen Erzählung der Rippermorde unterhalten möchte und ein wenig Gänsehaut hier und da sucht, findet in Mayhem eine solide Story mit Potential.
Ein weiteres Abenteuer von Dr. Bond ist bereits geplant, Mayhem schließt allerdings mit einem runden Ende ab und kann für sich stehend als Einzelband gelesen werden.

The Night Circus von Erin MorgensternDer Zirkus erscheint plötzlich. Er ist nur bei Nacht geöffnet und seine Zelte, seine Akteure, alles ist ganz und gar schwarz und weiß. Hellseher, Illusionisten, Zelte, die in die Wolken oder in weiße Gärten aus Eis führen. In seinem Zentrum brennt ein weißes Feuer, das niemals erlischt. Der Nachtzirkus ist anders als jeder normale Zirkus, er ist der Inbegriff der Mystik.
Doch was niemand weiß: er ist das neue Spielbrett zweier sehr alter Magier, die ihre eigenen Schüler gegeneinander antreten lassen – in einem Wettstreit um Leben und Tod. Es gab schon viele Schüler, und nun gibt es zwei Neue: Celia und Marco wachsen getrennt voneinander auf, werden verschieden ausgebildet, gefangen in einem lebenslangen Spiel, dessen Regeln sie nie erfahren.

– The Circus arrives without warning.
No announcements precede it, no paper notices on downtown posts and billboards, no mentions or advertisements in local newspapers. It is simply there, when yesterday it was not.
The towering tents are striped in white and black, no golds and crimsons to be seen. No color at all … –
Anticipation, S. 3

Erin Morgenstern liefert mit ihrem Debütroman The Night Circus (Der Nachtzirkus) ein ungewöhnliches und nachhallendes Lesevergnügen ab. Zunächst erscheint einem die Entscheidung, im Präsens zu erzählen, sehr gewöhnungsbedürftig, doch nach einer Weile stellt sich dadurch verstärkt der Eindruck ein, das Ganze direkt mitzuerleben. Durch die episodenhafte Aufteilung der Kapitel und einer nicht chronologischen Erzählstruktur, die in der Zeit vor und zurück springt, erfährt man zunächst auch nur die grobe Rahmenhandlung und ist darüber hinaus als Leser ebenso ahnungslos wie die beiden Spielfiguren Celia und Marco. Die Autorin schildert die Welt dabei sehr plastisch und schafft es trotz einer wenig ausgefallenen Sprache, Leben in jedes Zelt und jeden Charakter zu hauchen. Als Freund bildhafter Beschreibungen ist man mit The Night Circus daher gut beraten. Doch auch die Ideen selbst verstehen zu faszinieren, es ist beinahe enttäuschend, dass man als Leser nicht die Chance hat, den Zirkus leibhaftig zu besuchen.

Anfangs bleibt lange unklar, was die eigentliche Handlung dieses Romans ist und was der Zirkus damit zu tun hat. Man entdeckt gerne jedes einzelne Zelt und kann sich als Leser an den wunderbaren Ideen und Beschreibung ergötzen, doch was der Zweck des Ganzen ist, wird nur vage angedeutet. Erst nach und nach setzen sich ab Buchmitte alle Episoden zu einem großen Puzzle zusammen. Die Handlung erstreckt sich über ca. 30 Jahre und wird durch die Sprünge in der Erzählung bereits komplex, doch auch die Beweggründe und das Verhalten der Protagonisten werden erst dann nachvollziehbar, wenn man sich immer mal wieder einen Moment Zeit nimmt, um sich in die Figuren hineinzuversetzen und über ihr Handeln und ihre Reaktionen nachzudenken. Das Buch macht einen traurig und glücklich zur selben Zeit, wenn man versteht, was das alles für die betroffenen Charaktere und ihr Leben bedeutet. Dieses Gefühl spiegelt auch perfekt wider, wie der Nachtzirkus – The Circus of Dreams – auf seine Besucher wirkt, und erklärt, weshalb ihm eine Schar von Menschen rund um den Globus folgt. Er berührt Sehnsüchte nach Geheimnissen, Magie und Mystik in der Welt.
Es erwarten einen hier keine großen Spannungsmomente, keine epischen Schlachten, nicht einmal aufgebauschte Dramatik oder ein fulminantes Finale. The Night Circus schafft es auf ganz alltägliche, sanfte Weise ergreifend und faszinierend zu sein, angereichert mit einem Hauch von Magie, die sich nicht in bombastischen Effekten zeigt, sondern im Erschaffen von Attraktionen. Für den Romantiker wird auch bald ersichtlich, dass … nein, das wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: das Verhältnis zwischen Celia und Marco entwickelt sich auf erwachsene und beiläufige Weise, vermag es aber trotz hintergründigem Ablauf, die Pläne der beiden Wettväter gründlich zu stören und den Wettstreit zu einem noch grausameren Akt zu machen, als er es ohnehin schon ist.

Neben stark gezeichneten Charakteren, die mit jedem Kapitel mehr Persönlichkeit bekommen und einen dazu bewegen, Interesse an ihrem Leben zu entwickeln, ist vor allem die Idee interessant, wahre Magie hinter technischen Konstrukten zu verstecken um sie glaubhaft zu machen. Der Roman spielt in unserer realen Welt um 1870 bis ca. 1900, später wird auch ein noch deutlich neueres Datum angedeutet – das einen von Schmunzeln begleiteten Aha-Effekt auslöst – und so bleiben die Magier selbstbestimmt unerkannt und verbergen ihre Talente hinter dem Scheinbild des Zirkus. Bei allem hat man stets eine gewaltige Welt aus feinen, detaillierten Scherenschnitten vor Augen, sobald man den Zirkus betritt, was sicherlich der reduzierten Farbgebung und künstlerischen Beschreibung zu verdanken ist.

The Night Circus ist keine schnell zu verschlingende Lektüre. Daher die Warnung: wer leichte Kost für zwischendurch sucht, wird mit diesem Roman sicher nicht glücklich werden. Allen, die Bücher vor allem emotional erleben und erfühlen wollen, ist dieser faszinierende, ruhige Roman dagegen dringend zu empfehlen. Ansonsten verhält es sich mit The Night Circus wie mit der Farbgebung der Zelte in schwarz oder weiß: Entweder man liebt es oder man hasst es, dazwischen dürfte es kaum Graustufen geben.

On a pale Horse von Piers AnthonyZane ist ein echter Pechvogel. Er ist weder besonders attraktiv, noch hat er ein nützliches Talent, und erfolgreich ist er schon gar nicht. Als ihn ein Händler für magische Steine auch noch über den Tisch zieht und ihm nicht nur die Chance auf Reichtum nimmt, sondern auch die Liebe seines Lebens, beschließt Zane seinem Elend ein Ende zu setzen. Er begibt sich in seine heruntergekommene Bleibe, zieht eine Waffe und schießt … dummerweise passiert ihm auch hierbei ein Missgeschick und Zane erschießt nicht wie geplant sich selbst, sondern den Tod höchstpersönlich. Wie es die Gesetze verlangen, muss Zane nun die Nachfolge antreten und die Sense in die Hand nehmen. Als wäre das alles noch nicht genug, stellt er bald fest, dass Satan ganz eigene Pläne für den frischgebackenen Tod hat.

– The door opened again. This time a woman of middle age entered. Zane had never seen her before. She glanced approvingly at the fallen figure. “Excellent,” she murmured.
Zane wrenched his horrified gaze to her. “I killed Death!” he exclaimed.
“Indeed you did. You shall now assume his office.” –
Kapitel 2, S. 28

Piers Anthony hat hier eine interessante Geschichte verfasst, die einfach mal etwas anderes ist und sich vom klassischen Schema der Fantasy abhebt. On A Pale Horse (Reiter auf dem schwarzen Pferd) ist der erste Band aus der achtteiligen Reihe Incarnations of Immortality, veröffentlicht im Jahre 1983. In der hier beschriebenen Welt existieren Magie und Technologie gleichberechtigt nebeneinander, ein Gesellschaftsentwurf, der heute, so scheint es, nur noch selten genutzt wird.

Was diesen Roman so lesenswert macht, ist die Grundidee der Incarnations of Immortality: Ein jeder wird schon von den zentralen Aspekten des menschlichen Seins gehört haben: Zeit, Tod, Schicksal, Krieg, Natur, Gut und Böse. Hier ist es nun so, dass diese Aspekte als leibhaftige Inkarnationen existieren, also von gewöhnlichen Menschen personifiziert werden. In On A Pale Horse erfährt der Leser, wie sich solch ein einfacher Mensch in die Rolle als Inkarnation des Todes einfügt.

Die Figuren in diesem Buch sind allesamt sympathisch. Egal wie böse, geheimnisvoll, kompliziert oder verschroben sie sind, man liest sie gerne und sie wirken lebendig und überzeugend. Selbst Satan mit seiner süffisanten Art und seinen Intrigen bringt einen zum Schmunzeln. Nicht zuletzt ist das natürlich auch Anthonys Schreibstil zu verdanken, der das Ganze mit einer Prise Ironie würzt und viele ungewöhnliche, humorvolle Ideen einbaut. So haben Reisende beispielsweise die Wahl zwischen Flugzeug oder fliegendem Teppich, und die Abteilung “Fegefeuer” hat ihre eigenen Nachrichtensprecher samt dazu gehörendem privaten Fernsehkanal und Videokonferenz.

Ein weiteres Plus dieses Romans ist seine gesellschaftskritische Herangehensweise. Der Autor wendet sich heiklen Themen wie Sterbehilfe, künstlicher Lebenserhaltung und damit der Gerätemedizin zu. Der gesellschaftliche Umgang mit dem Tod wird in Frage gestellt. Der Protagonist Zane/Thanatos muss in seiner Rolle als Inkarnation des Todes lernen, dass der Tod seine Berechtigung hat, dass er nicht um jeden Preis verhindert werden muss, dass es auch ein würdeloses Sterben gibt und der Tod zur Erlösung für den Sterbenden wird. Zane/Thanatos sieht sich sehr oft mit den Fragen um Moral und Mitgefühl konfrontiert, und obwohl Piers Anthony dies meist humorvoll verpackt, wirkt es weder respektlos noch geschmacklos, sondern er würdigt die Ernsthaftigkeit des Themas, ohne belehrend zu wirken. Dadurch bringt Anthony den Leser zum Nachdenken.

On A Pale Horse ist ein zum Ende hin immer spannender werdendes, in sich abgeschlossenes Buch und kann daher problemlos auch ohne die folgenden Bände gelesen werden. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass hier bereits einige Grundsteine für die Serie gelegt werden. Wer sich aber unsicher ist und zunächst nur in die Buchreihe hineinschnuppern möchte, kann das mit On A Pale Horse getrost tun, ohne mit großen Fragen zurückgelassen zu werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Roman mehr zu bieten hat, als man zunächst annimmt, und es sich durchaus lohnt, einen Blick zu riskieren.

The People of Sparks von Jeanne DuPrauNachdem die Emberaner dank Lina und Doon den Weg an die Oberfläche gefunden haben, treffen sie nach Tagen des Wanderns auf die ländliche Stadt Sparks, wo sie sich Hilfe in dieser fremden Welt erhoffen. Anfangs sind beide Parteien überrascht und aufgeregt über die gegenseitige Entdeckung, die Bewohner von Sparks nehmen die Emberaner bei sich auf, versorgen sie mit Nahrung und Unterkunft. Doch die Ressourcen sind knapp, die Emberaner unwissend, wie sie sich selbst versorgen können, und so dauert es nicht lange, bis Streit, Neid und Vorurteile entstehen, die dazu führen könnten die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

– The people were coming down. Over the crest of the hill they came and kept coming, dozens of them, more and more, like a mudslide. –
What Torren saw, Part 1 – The Arrival, S. 7

The People of Sparks (Ankunft im Licht) beginnt dort, wo The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) den Leser verließ. Lina und Doon haben es geschafft, die Bewohner ihrer zerfallenden Stadt an die Oberfläche zu lotsen, doch aus der Stadt herauszukommen war nur der Anfang der eigentlichen Herausforderung. In The People of Sparks lernen die Emberaner nun eine völlig fremde Welt kennen, die dem Leser dafür umso bekannter erscheinen wird. Als Nachfahren der Überlebenden einer nicht näher definierten Katastrophe, bei der die Zivilisation, wie wir sie kennen, zerstört wurde, lebt Sparks von der eigenen Landwirtschaft und dem Handel mit den Überresten der alten Zivilisation. Ausgeschlachtete Autos, die als Viehkutschen umfunktioniert werden, sind aber schon beinahe alles, was dazu dienen soll, dieses Endzeitszenario charakterisieren. Etwa 300 Jahre nach der Zerstörung gibt es nur noch Legenden von der einst hoch entwickelten Menschheit, in der man immerhin einmal das überwucherte Gerippe einer längst zerfallenen Großstadt sieht. Wie diese einstige Zerstörung genau aussah, zustande kam oder wie weit sie reicht (vermutlich weltweit), erfährt man als Leser jedoch nicht. Leider ist damit nämlich schon alles gesagt, was das Buch an Informationen mitzuteilen hat, denn eine Ausarbeitung von Hintergründen findet nicht statt, auch die Legenden selber lernt man nur in kurzen Einsprengseln kennen. Greifbares hält der Roman kaum bereit.

Im Zentrum steht nun auch vor allem das Thema des Umgangs mit Hilfsbedürftigen, Flüchtlingen, Menschen, die Asyl brauchen und ohne Unterstützung und Anleitung in einer fremdartigen Welt nicht überleben können. Ein Umkehren ist für die Emberaner nicht möglich, alleine weitermachen ebensowenig, da die Emberaner nicht wissen, wie sie ihre eigene Nahrung gewinnen oder sich gegen Witterungsverhältnisse schützen können. Als reine Nutzgesellschaft haben sie nie gelernt, selbst etwas zu bauen oder herzustellen, und so ist es nun an den Bewohnern Sparks, ihnen alles Nötige beizubringen. Doch die Anzahl der Emberaner übersteigt die Anzahl der Bewohner von Sparks, und so stellt sich bald die Frage: wo sollen die Neuankömmlinge leben? Wie sollen so viele zusätzliche Mäuler gestopft werden, wenn die Ressourcen schon für die eigene Bevölkerung oft kaum reichen?
Jeanne DuPrau verlagert hier ganz alltägliche Konflikte und Problemsteigerungen in eine postapokalyptische Welt irgendwo im Nirgendwo, die nachvollziehbar und mit Wiedererkennungswert daher kommen, allerdings ohne großen Unterhaltungswert oder Überraschungen.

Was die Charaktere angeht, treffen wir einerseits wieder auf die bereits bekannten Figuren Lina und Doon. Hinzu kommt der junge Tick, der mit seinen knapp elf Jahren eine eher unglaubwürdige Rolle als aufrührerischer Anführer der Emberaner übernimmt, massenhaft Ideen für Projekte beginnt und dafür die halbe Stadt begeistern kann. Während Lina und Doon in The City of Ember trotz ihres junges Alters eine passende Rolle ausfüllten und stimmig in das Gesamtbild passten, ist es bei Tick schwer zu glauben, dass ein so typisch junges Kind Erwachsene dazu bringen soll, ausgesprochen naive Dinge zu tun, und diese ihm auch noch eine derart starke Führungsrolle zugestehen.
Im Vergleich zu The City of Ember, das auch für Erwachsene sehr gut funktionierte, kann The People of Sparks in vielen Punkten nicht überzeugen und erweist sich deutlich als Jugendbuch. Sehr schade ist auch der kaum vorhandene Bezug zu den Hintergründen, die Ember entstehen ließen, oder wie Menschen an der Oberfläche überleben konnten. Das verschenkte Potential, was daraus alles hätte werden können, ist nur mit etwas Wehmut zu verdauen.

Schlussendlich ist The People of Sparks eine nette Geschichte für Zwischendurch, der aber trotz Andeutungen von übernatürlichen Visionen und Postapokalypse das Phantastische und Steampunkige fehlt und die daher nicht an die lebendige Atmosphäre von The City of Ember anknüpfen kann. Zu offensichtlich ist der Versuch, hier eine Unterrichtslektion an den Leser weiterzugeben, die nur zu Unterhaltungszwecken eines junges Publikums in eine Geschichte verpackt wurde. Kann man lesen, muss man aber nicht, jedenfalls nicht, wenn man eine Fortsetzung zu The City of Ember möchte, denn im Grunde erhält man hier nur fertige Tatsachen ohne Herleitung, einen Baum ohne Wurzeln.

The Pirate's Wish von Cassandra Rose ClarkeAnanna und Naji sitzen noch immer auf der geheimnisvollen Insel fest und sind durch den Fluch aneinander gebunden. Mit Hilfe einer unerwarteten Verbündeten gelingt es ihnen, die Insel schließlich zu verlassen und sich auf die Suche nach Wegen zu machen, die drei unmöglichen Aufgaben zu erfüllen. Die Lage zwischen den beiden ist angespannt und wird nicht leichter, denn beide werden von alten Feinden verfolgt.

– When it comes to dealing with people who think of themselves as important, it’s usually best to keep your mouth shut. –

The Pirate’s Wish setzt The Assassin’s Curse erfolgreich fort und macht vieles noch besser als im Vorgänger. Es gibt noch mehr Piratenatmosphäre, Abenteuer auf See und darunter, Wüstenstädte, Verfolger aus allen Richtungen, unterhaltsame Dialoge und außergewöhnliche Bündnisse. Besonders hervorzuheben neben einer interessant gezeichneten, exotischen Welt, sind die Charaktere.

Ananna ist, mehr noch als Naji, die Hauptfigur dieses Romans und mit ihr kann man den Charakter der jungen, selbstständigen Frau in einem Jugendbuch endlich einmal ernst nehmen. Mit ihren siebzehn Jahren ist sie nicht immer auf der Spur der vernünftigsten Entscheidung, aber wer ist das schon? Die Autorin zeichnet Ananna als selbstbewusste junge Frau, die ihren Zielen treu ist, ungeachtet der Ablenkungen, die ihr auf ihrem Weg begegnen.
Durch den Fluch gebunden, ist die Piratin widerwillig in der Rolle der Damsel in Distress gerutscht, was sie nur hinnimmt, um Naji körperliche Schmerzen zu ersparen, die er jedesmal erfährt, wenn sie sich in Gefahr befindet. Es hält sie jedoch nicht immer davon ab, auch einmal selbst zum Schwert zu greifen oder auf dem Rücken eines Mantikor wie eine wilde Furie in die Schlacht zu reiten. Eine der positiven Eigenschaften von The Pirate’s Wish ist die, dass sich Ananna und Naji ähnlich oft regelmäßig gegenseitig retten und beschützen und beide Stärke beweisen. Naji ist dabei weder ein übertrieben unfehlbar gezeichneter Traumprinz, noch ein mit Muskeln bepackter Schönling, bei dem Frau sofort in die Knie gehen möchte und sich bereitwillig retten lässt. Er hat Schattenseiten, Makel, Gelüste und gegensätzliche Emotionen die er, man mag es “typisch Mann nennen”, eher selten nach außen hin zeigt.
Was die Genderfrage angeht, schafft es Cassandra R. Clarke sehr authentisch wirkende Personen zu schreiben, die weder völlig utopisch erscheinen, noch in die Formen gängiger Klischees gepresst werden. Ananna und Naji wirken wie zwei Menschen von nebenan. Normal. Durchwachsen.
Die wenigen Nebenfiguren bleiben teilweise etwas blass hinter den beiden Hauptfiguren, sind aber solide aufgebaut und verstehen den Leser an den richtigen Stellen zu packen. Sie sorgen für Überraschungen, wenn man es nicht erwartet, und verhindern oft, dass der Roman eine reine Romanze wird.

Womit die Autorin ganz klar einen weiteren Sack voller Sympathiepunkte gewinnt, ist ihr offener Umgang mit der Sexualität ihrer Figuren. Ohne wirklich in Details zu gehen, werden hier Themen angesprochen, die in fast allen anderen Jugendbüchern dieser Tage zugunsten einer altbackenen Prüderie und unerfüllbaren romantischen Vorstellung von Beziehungen vermieden werden. Sex vor der Ehe, Sex mit verschiedenen Partnern im Leben, ja gar die Möglichkeit sexueller Selbstbefriedigung werden ohne falsche Scham angesprochen. Es ist schlicht erfrischend, mal zu lesen, dass beinahe volljährige (oder bereits eindeutig volljährige) Charaktere auch menschliche Eigenschaften, Bedürfnisse und Phantasien haben dürfen, die in der heutigen Zeit ein ganz normaler und gesunder Teil des Erwachsenwerdens sein sollten.
Frau Clarke überschreitet dabei nie die Grenze zum Abstoßenden oder nicht Jugendfreien. Sie erwähnt Möglichkeiten, deutet manches mal mehr, mal weniger an, überlässt die Details jedoch der Phantasie des Lesers und bricht ihre Schilderungen an der entsprechenden Stelle ab. Wer es leid ist, sich andauernd mit den Boyfriend-Issues einer flachen Protagonistin in Nöten und unwirklichen Männerfiguren, die zur Rettung angeeilt kommen, konfrontiert zu sehen, sobald man ein Jugendbuch aufschlägt, der wird von The Pirate’s Wish positiv überrascht. Wenn man Vorbildfiguren suchen sollte, dann lieber Ananna & Naji als Bella & Edward und andere weinerliche Pseudo-Paare.
In The Pirate’s Wish ist die Liebe eine Möglichkeit und eine Entscheidung, aber nicht die einzige Option, für die alles andere unwichtig wird. Wenn einen dieser Roman etwas lehrt, dann, dass alles möglich ist, wenn man bereit ist, Kompromisse einzugehen, um Liebe und persönliche Lebensziele unter ein Dach zu bringen.

The Pirate’s Wish macht von Anfang bis Ende Spaß. Es gibt vielleicht eine Stelle, die etwas mehr Kritik ertragen muss, doch die tut dem Lesegenuss keinen Abbruch. Die Magie bleibt wie in The Assassin’s Curse eher subtil im Hintergrund und das Ende kommt bittersüß, aber sehr passend daher. Entsprechend gibt es für diese Duologie eine klare Leseempfehlung.

Poison von Sarah PinboroughErst vor kurzem hat der König seine neue blutjunge Königin geheiratet, da ruft ihn der Krieg auch schon wieder auf das Schlachtfeld. Während er im Kampf für sein Königreich steckt, zeigt sich, dass seine Angetraute einen unerklärlichen Hass auf die kaum jüngere Tochter Snow hat. Je mehr Zeit vergeht, desto düsterer werden die Gedanken der Königin …

– She’s too old for that nickname, the queen said. She was standing at the window of the royal bedchamber and looking down at the courtyard below. Morning sun beat on the ground, but the air was still chilly. She shivered. »She needs to start behaving like a lady. A princess.« –
1, Air and Earth, Light and Dark

Man braucht wohl eine spezielle Art Buchgeschmack, um ein Buch wie Poison mögen zu können, denn in diesem Roman ist nichts so, wie man es aus den zahlreich eingeflochtenen Märchen kennt. Das ist doch gut, denkt ihr? Nö.
So eine Märchennacherzählung kann man richtig oder falsch machen. Sarah Pinborough ist letzteres mit absoluter Bravour gelungen – das könnte man freilich auch als Leistung betrachten. Auf der einen Seite jedenfalls ist dieser kurze Roman natürlich tatsächlich völlig anders, als man es erwartet, und es stecken gute Ansätze drin, auf der anderen Seite ist die Geschichte auf nur 200 Seiten derart pervertiert und gestört (und damit meine ich nicht einmal die negativ behafteten Sexszenen), dass man das dringende Bedürfnis verspürt, der Autorin eine Therapie zu spendieren. Harsche Worte, ich weiß, aber harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen, nicht wahr? Angesichts dessen, was dieser Roman für Charaktere zeichnet, ist das leider nur einer der vielen unfeinen Gedanken, die einem in den Sinn kommen.

Hat jemand Charaktere gesagt? Gut, dann auf zum wichtigsten, verkorksten Akt dieses Dramas.

Die Charaktere sind eine Katastrophe. Von Anfang bis Ende hat man nie das Gefühl, sie wenigstens halbwegs zu kennen, und sie alle erfüllen mindestens ein nicht tot zu kriegendes Klischee, besser noch mehrere auf einmal. Klar, es ist eine Märchennacherzählung, von der wir hier reden, da ist kein Platz für lange Charakterentwicklung, aber es gibt Kurzgeschichten, die kriegen auf einem Zehntel der Seiten mehr zustande als Poison im ganzen Roman. Es kann also kein Seitenlimit schuld sein, dass Pinboroughs Figuren dermaßen hohl geraten sind wie das Innere einer von Termiten zerfressenen Wand. Wenn sie gerade mal etwas aktiver werden, sind sie gleich ziemlich abstoßend oder verhalten sich völlig anders als noch in der Szene davor, als hätten sie eine gespaltene Persönlichkeit. Die böse Königin ist mal die Inkarnation des Bösen und plötzlich doch wieder nur unglücklich, weil sie so schrecklich missverstanden wird. Schneewittchen ist einerseits das perfekte, brave Prinzesschen und dann doch wieder die wilde, ungezähmte Kraft der Mutter Erde. Prince Charming ist erst der klassische naive junge Mann und schlägt dann plötzlich eine Richtung ein, bei der man nur noch zusehen kann, wie alles weiter den Bach hinuntergleitet. Man weiß einfach nie, woran man bei den Figuren ist. Es gibt keine klare Linie bei der Charakterzeichnung. Die Autorin versucht ihnen teils schwierige Vergangenheiten zu geben, damit sie mehr Tiefgang bekommen, leider bleibt es auch da bei dem kläglichen Versuch.

Eigentlich handelt es sich bei Poison explizit nicht um ein Jugendbuch. Die angekündigten Sexszenen machen das deutlich klar. Komischerweise ist der Rest des Buches dann aber doch eher jugendbuchig. Angefangen bei der märchenhaften Covergestaltung und den verspielten Illustrationen im Innenteil, die man sonst nur in Kinderbüchern antrifft. Inhaltlich hat sich die Autorin mehr an der Disneyvorlage orientiert als am ursprünglichen Märchen (Stichwort: Zwerge mit Namen wie Dreamy und Grumpy). Auch sprachlich ist Poison nicht gerade der weite Wurf, eher auf dem Niveau eines Lesers ab ca. 10-12 Jahren, und das trägt im Gesamtbild dazu bei, dass die Autorin den Eindruck vermittelt, nicht gewusst zu haben, was dieses Buch am Ende eigentlich werden sollte.

Poison ist als Titel vermutlich die einzig gelungene Idee an diesem Machwerk, denn das Buch verstärkt so ziemlich alle negativen Vorurteile, die man gegen das jeweils andere Geschlecht haben kann. Man spürt den Hass praktisch wie Gift durch die eigenen Adern fließen, aber ob das mal so gesund für das Zusammenleben mit anderen ist? Männer jedenfalls sind alle Schweine oder Psychopathen oder Killer oder Vergewaltiger oder alles auf einmal, Frauen sind alle geld-/machtgeil oder Schlampen oder launenhaft oder naiv (oder alles auf einmal …). Noch Fragen? Und entschuldigt die plumpe Wortwahl, es gibt leider Momente, da sollte man es einfach nicht höflich umschreiben.
Wer hier also schon etwas sensibilisiert ist für das Thema, sollte tunlichst die Finger von dem Buch lassen. Schlechte Laune und Abscheu für das andere, aber auch für das eigene Geschlecht, sind garantierte Folgeerscheinungen. Um es kurz zu sagen, Poison liefert ein Happily ever after für die schlechten Menschen ab und lässt alles andere offen, um auch hier noch ein letztes Mal Frustration zu schaffen. Damit ist Poison nicht nur als Märchennacherzählung eine Enttäuschung, es lässt einen auch bereuen, Geld dafür zum Fenster hinaus geworfen zu haben.

The Prophet of Yonwood von Jeanne DuPrauDie elfjährige Nickie und ihre Tante fahren in das kleine Städtchen Yonwood, wo sie sich um den Nachlass des verstorbenen Urgroßvaters kümmern wollen. Während Nickies Tante die alte Villa verkaufen möchte, plant Nickie sich dort ihr neues Zuhause einzurichten, fern des drohenden Krieges, der seine Schatten über die Großstädte wirft.
Doch Yonwood ist nicht so idyllisch, wie sich das Mädchen den Ort vorgestellt hat. Eine Einwohnerin Yonwoods hatte eine schreckliche Zukunftsvision, in der die Welt im Feuer untergeht. Eine eingeschworene Gruppe versucht fortan die kryptischen Worte der Prophetin zu interpretieren um die drohende Zerstörung zu verhindern.

– She felt herself flung high into the sky, and from there she looked down on a dreadful scene. The whole earth boiled – a howling and crashing and crackling – and finally, when the firestorm subsided, there came a silence that was more terrible still.-
The Vision, S. 1

The Prophet of Yonwood ist der dritte Teil in der Reihe The Books of Ember. Hierbei gilt es allerdings gleich zu beachten, dass es sich dabei um ein Prequel handelt und die Geschichte völlig losgelöst ist von den Abenteuern die Lina und Doon in The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) oder The People of Sparks (Ankunft im Licht) erleben.

Der Roman setzt ca. 50 Jahre vor dem Bezug Embers ein und zeigt eine Zeit, die unserer Gegenwart sehr nahe sein muss. Wer nun aber hofft, den Bau der unterirdischen Stadt zu erleben und zu erfahren wie alles begann, der wird dieses Buch recht enttäuschend finden. Die Verknüpfung mit Ember findet erst im Epilog statt, und obwohl diese Verknüpfung ganz charmant ist, tröstet sie nur wenig über die Enttäuschung hinweg, die man als Leser bei diesem Buch empfindet.
The Prophet of Yonwood
erzählt stattdessen von Nickie, die in die alte Villa ihres Urgroßvaters in Yonwood kommt. In dieser Stadt wiederum gibt es eine Frau, die als Prophetin betrachtet wird, deren Worte von einer anderen Frau interpretiert werden, und eine Stadt, die diesen Interpretationen und entstehenden Anweisungen folgt. Im Prinzip spielt sich hier ein klassisches Kleinstadtdrama mit religiösem Hintergrund ab. Eine ganze Stadt fängt an im Namen Gottes Opfer zu bringen, in dem Glauben, ihre Stadt sei auserwählt zu überleben, wenn ihre Einwohner nur gut und rechtschaffen handeln. Unter dieser Prämisse geschehen in dem kleinen Städtchen schnell ungerechte Dinge bei dem Versuch, alles richtig zu machen. Menschen, die sich dem Glauben an die Prophetin versperren und sich in irgendeiner Form falsch verhalten, werden als Unruhestifter verschrien, verurteilt und bestraft. Der Roman zeigt in einer leider eher langatmigen Schilderung, wie die Furcht Menschen dazu bringt, absurde Entscheidungen zu treffen und ebenso absurde Ideen zu haben. Findet sich dann noch ein Besserwisser mit selbstbewusstem Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit, ist das Chaos perfekt.
Autorin Jeanne DuPrau thematisiert in ihrem dritten Roman hauptsächlich die Furcht vor dem drohenden Krieg und die Auswirkungen von blindem Glauben und fehlgeleiteten guten Absichten, was theoretisch kein schlechter Ansatz ist, hier aber nur kläglich umgesetzt wurde.

Nickie, deren Vater irgendwo in der Welt einen geheimen Auftrag ausführt, erhält derweil per Postkarte achso seltsame P.S.-Nachrichten, die schnell als versteckte Hinweise und geheimes Rätsel vorgestellt werden, ohne dabei im Verlauf der Handlung ein Miträtseln zu ermöglichen. Stattdessen wird einem die Lösung schließlich in einem beiläufigen Nebensatz auf dem Silbertablett serviert und man fragt sich: wozu? Denn der Inhalt der Nachrichten ist belanglos und das Rätsel selbst aufgrund des mangelhaften Aufbaus nicht im Mindesten spannend. Während The City of Ember wie eine große Abenteuerreise daherkommt, in der es allerhand Geheimnisse aus der Vergangenheit zu entdecken gab, scheitert The Prophet of Yonwood darin, sich das selbe Prinzip zunutze zu machen.
Weiterhin bewegt sich Nickie auf Spurensuche durch das viktorianische Haus ihrer Vorfahren, findet dort alte Briefe, Fotografien und das Tagebuch ihres Urgroßvaters, in dem er allerlei seltsame Beobachtungen aufgezeichnet hat. Unter anderem erwähnt er hierin die Begegnung mit einem Geist und die String-Theorie. An diesem Punkt läuft man Gefahr neugierig zu werden und neue Hoffnung für das Buch zu schöpfen, nur um dann mit anzusehen, wie diese interessanten Ideen im Keim erstickt werden. Welchem Zweck die Aufnahmen dienten oder was genau Nickies Urgroßvater mit seinen Notizen beabsichtigt hat, kann man nur erahnen. Man fragt sich, worin der Sinn besteht, diese Dinge zu erwähnen, wenn sie nirgendwo hinführen. Mehr als einen gewissen nostalgischen Charme für die Villa erzeugen sie nicht und so kann man nur hoffen, dass zumindest die Notizen des Urgroßvaters für den letzten Teil dieser Buchreihe noch genutzt werden.
Übrigens: Auszüge von Nickies Fundstücken wurden auch als Bildmaterial in den Roman eingefügt, vielleicht ist das für den ein oder anderen von Interesse.

Wer nun also auf die eingangs erwähnten wenigen charmanten Verknüpfungen zu The City of Ember verzichten kann – Handlungsrelevantes erfährt man hier nicht – der darf The Prophet of Yonwood getrost ignorieren und ungelesen lassen, denn dieses Buch endet dort, wo es hätte beginnen sollen und liefert einem nichts als Entschädigung.

The Radleys von Matt HaigIm Norden Englands leben sie, die Radleys. Auf den ersten Blick sind sie eine ganz normale Familie, mit ganz alltäglichen Problemen wie Allergien, Migräne, Ehezwistigkeiten und einem banalen Job. Sie sind so spießig und kränklich, dass sie fast schon langweilig sind. Doch diese Familie hat ein gefährliches Geheimnis, das selbst die Kinder noch nicht kennen: Die Radleys sind waschechte Vampire.

– Your instincts are wrong. Animals rely on instincts for their daily survival, but we are not beasts. We are not lions or sharks or vultures. We are civilised and civilisation only works if instincts are suppressed. So, do your bit for society and ignore those dark desires inside you.
The Abstainer’s Handbook (second edition), p.54 –
The Radleys, S.5

Dieser Einzelroman  beginnt auf zunächst humorvolle Weise und man ist geneigt zu denken, dass man eine Komödie vor sich hat. Das Bild wandelt sich jedoch schnell und es wird zunehmend ernster. The Radleys (Die Radleys: Ein Vampirroman) ist auch keine glitzernde Vampir-Klischee-Romanze, wie sie derzeit zuhauf in den Regalen zu finden sind. Matt Haig setzt statt dessen auf eine zerrüttete Ehe, die nach beinahe zwanzig Jahren kurz vor dem Scheitern steht, als Tochter Claire eines nachts in Notwehr zubeißt und einen aufdringlichen Mitschüler instinktiv zu Tode saugt. Da nun auch noch der Blut schlürfende Vampironkel Will auf den Plan tritt und immer mehr schmutzige, blutige Geheimnisse ans Tageslicht kommen, prallen Kleinstadt-Drama und dekadentes Vampirvolk aufeinander und sorgen für ordentlich Unruhe im streng organisierten, bisher blutlosen Leben der Radleys. Dieses Buch ist ein kleiner Stadtkrimi, der interessant und durchaus spannend zu lesen ist. Man ist fast schon bereit die Vampire zu bemitleiden, in einer Zeit, in der es so entsetzlich viele Möglichkeiten der Spurensicherung gibt.

Die Charaktere wirken sehr überzeugend und glaubhaft und es fällt leicht, sich in sie hinein zu versetzen. Ihre Probleme und die Art wie sie versuchen damit umzugehen, sind allzu menschlich. Die relativ simple Handlung kommt ohne Umschweife daher, was die tragischen und teils deprimierenden Zustände dieser Familie noch deutlicher auf den Punkt bringt. Vor allem am Beispiel von Vater Peter wird sehr schnell klar, dass The Radleys mehr eine Geschichte über selbst auferlegte Zwänge und Regeln ist, die dazu dienen, Teil der gewöhnlichen Gesellschaft zu werden, als über hungrige Bestien, die nach dem Blut eines Menschen dürsten. Noch ein wenig realistischer wird das Ganze durch die immer wieder eingefügten “Zitate” aus dem Handbuch des abstinenten Vampirs, nach dessen Anleitung das Ehepaar Radley ihr unblutiges Leben und das ihrer ahnungslosen Kinder errichtet hat.
Wie wenig lebenswert dieses erstrebte Ziel jedoch ist, wird den Protagonisten nach und nach klarer, als die Kinder ihr wahres Ich zu entdecken beginnen und die Lebensweise der Eltern in Frage stellen. Pubertät für Vampire – letzten Endes sind die Radleys tatsächlich eine ganz normale Familie, nur dass sie eben auch zufällig noch Vampire sind und etwas andere Essgewohnheiten bevorzugen.

Leider kommt das Ende von The Radleys ein wenig zu perfekt daher und mit einer Lösung, bei der man sich als Leser schon früh im Buch fragt, warum das als Option gar nicht erst zur Debatte steht. Dennoch lohnt sich die Lektüre als leichte Kost zwischendurch und bietet ein wenig positive Abwechslung im schmachtenden Vampirregal.

Raven die Schwertmeisterin von Richard KirkDie junge Sklavin Su’uan schafft es eines Nachts, aus der Sklaverei des Kriegsherrn Karl Ir Donwayne zu fliehen, der sie vergewaltigt hat und für den abscheulichen Tod ihrer Mutter verantwortlich ist. Auf ihrer Flucht wird sie von blutrünstigen Sklavenhunden verfolgt und der Tod scheint ihr sicher, als ihr plötzlich ein riesiger schwarzer Vogel zu Hilfe kommt, der die Hunde in die Flucht schlägt. Der Gefahr entronnen, gerät sie jedoch schon wenige Stunden später erneut in Gefangenschaft, bis sie schließlich in die Hände einer Horde von Kriegern und Dieben fällt, unter denen sich der Magier Spellbinder befindet. Dieser eröffnet Su’uan, dass sie Raven ist, die auserwählte Kriegerin, die das Chaos bringen und die Welt verändern wird.

– Das Mädchen duckte sich auf die mondbeschienene Sandfläche und lauschte dem Kläffen der Sklavenhunde. Das unterirdische Heulen schien sich dem angestrengten Heben und Senken ihrer Brüste anzupassen, die sich gegen den fadenscheinigen Stoff ihres Gewandes wölbten. –
Kapitel 1, S.12

Nun, um es auf den Punkt zu bringen: dieser Klassiker wird seinem Cover gerecht. Man stelle sich eine junge Frau vor, um nicht zu sagen ein Mädchen, das gerade vergewaltigt wurde, deren Mutter regelrecht zu Tode ge… ja… wie drückt man das jetzt jugendfrei aus? Sie wurde von derart vielen Soldaten nacheinander genommen, wie es in dem Buch alle Nase lang heißt, bis sie dabei, vermutlich vor Erschöpfung, gestorben ist.
Selbiges Mädchen flüchtet also nun in die Wüste, wo sie von einem neuen Sklavenhändler gefunden wird, der, welch Überraschung, ihr gerne an die Wäsche will. Glück im Unglück, wird sie vorher von einer Karawane Gesetzloser gefunden, deren Anführer, nochmal Überraschung, ihr an die Wäsche will. Bevor dieser soweit kommt, eilt der Held herbei und erklärt, dieses Mädchen sei nicht dazu bestimmt (jetzt kommt es wieder) genommen zu werden. Na, wenn das mal vorher einer gesagt hätte!
Besagter Held ist seines Zeichens Magier und belegt die junge Dame mit einem Zauber, der sie die vergangenen Erlebnisse zunächst vergessen lässt, damit sie sich voll auf ihre Ausbildung zur Schwertmeisterin konzentrieren kann. Daraufhin verschwindet er. Ein Jahr später taucht er wieder auf und mit ihm auch die Erinnerungen unserer Heldin. Man halte nun mal kurz fest: Ihre Erinnerungen sind gerade derart frisch, als wäre ihre Schändung erst wenige Tage zuvor passiert, trotzdem entdeckt sie plötzlich ihre unstillbare Libido, springt in des Helden Bett und hat auch gleich (Zitat:) die Leidenschaft von zehn Frauen, die sie im Verlaufe des Buches immer wieder einbringt. Es geht hier um 180 Seiten, auf denen es zu zwei Drittel nur um ihre oder die Wollust anderer geht.

Im großen und ganzen kann man sich über Raven die Schwertmeisterin (Raven Swordsmistress of Chaos) herrlich kaputt lachen und amüsieren. Spätestens, als sie auch noch ihre Lust auf das eigene Geschlecht entdeckt, ist so ziemlich alles an erotischen Klischees bedient, was man sich vorstellen kann. Von dem eher intelligent-mächtigen Zauberer, über den nicht ganz so intelligenten, aber dafür sehr muskulösen und tatkräftigen Piraten, bis hin zur sinnlichen Königin, die sich vor Begierde nach unserer Heldin kaum gerade auf den Beinen halten kann.
Hin und wieder wird das romantische Treiben unterbrochen von einer Reise, einer Suche oder auch mal einem Schwertkampf. Am Ende darf die Heldin sogar ihrem ursprünglichen Peiniger Karl Ir Donwayne mit dem Schwert gegenüber treten. Wie das ausgeht, sei an dieser Stelle natürlich nicht verraten, nur so viel: es fallen eine Menge Kleider.

Sprachlich ist der Roman solide geschrieben, der Weltenbau ist zwar bei den wenigen Seiten nicht umfangreich, jedoch gut genug auf den Punkt gebracht, so dass man sich alles bildlich vorstellen kann, die Charaktere wirken zwar teilweise stark konstruiert, dabei aber wenigstens geradlinig. Inhaltlich ist es eine einfache Queste nach bekannten Schemata. Heldin wird geboren, Bösewicht taucht auf, ein magischer Gegenstand muss zu seiner Bekämpfung gefunden werden, Showdown. Einzig der Sinn der Handlung wollte sich nicht ganz erschließen lassen. Da hatte es den Eindruck, man brauchte noch etwas Fantasy um das erotische Geplänkel herum. Letzteres stellt dann auch das große Manko des Romans dar. Das zeigt allzu deutlich, dass Raven von einem Mann konzipiert wurde. Eigentlich waren das in diesem ersten Band sogar zwei Männer (Robert Holdstock und Angus Wells), die in den Folgebänden abwechselnd unter dem gemeinsamen Pseudonym Richard Kirk an den Raven-Romanen geschrieben haben. Das ganze ist auch eher ein feuchter Männertraum als die Geschichte einer starken Heldin.  Selbstbewusst und emanzipiert wie Raven sein soll, ist sie eigentlich keines von beidem, denn am Ende verhält sie sich genauso, wie es sich für eine stereotype weibliche Heldin gehört.
Leider ist Raven die Schwertmeisterin damit auch ein deutliches Beispiel dafür, weshalb dieses Genre dauernd als Schmuddelgenre beschimpft wird.

Wer also gerne einen klassischen Roman lesen möchte, bei dem es auch immer wieder um das Eine geht, der wird an Raven sicher seine Freude haben. Wem es gefällt, der kann sich auf vier weitere, in sich abgeschlossenen Bände mit entsprechend spannenden Coverbildern freuen. Ein Sammelband aller fünf Geschichten ist ebenfalls erschienen.

Rebel Angels von Libba BrayGemma versucht weiterhin ihr Schicksal zu verfolgen und die Magie des magischen Reichs wieder an den Orden zu binden. Sie und ihre Freundinnen sind plötzlich in der Lage, die Magie dieser anderen Welt mit in ihr viktorianisches London zu holen, wo sie die Weihnachtsferien bei ihren Familien verbringen. So gerne Gemma das Chaos der magischen Welt für eine Weile vergessen würde, so akut ist jedoch die Bedrohung durch Circe, und die Mädchen begeben sich auf die Suche nach dem verlorenen Tempel, dem Schlüssel zur Kontrolle der Magie. Unterdessen ist Gemma hin und her gerissen zwischen dem exotischen Rakshana Kartik und dem attraktiven, aber nicht sehr tiefgründigen Lord Denby, der ihr den Hof macht.

– »Do not tell her your aim. Gain her trust.« There was a pause . »Woo her, if necessary.«
I thought of the strong, powerful, stubborn girl I’d left behind. »She is not so easily wooed.«
»Any girl can be wooed. It is merely a question of finding the right tool. (…)« –
Kapitel 1, S. 10

Rebel Angels (Circes Rückkehr), der zweite Teil aus der Trilogie Gemma Doyle (Der geheime Zirkel), kommt ähnlich schleppend wie der Auftaktroman in die Gänge. Diesmal verschlägt es den Leser in die High Society Londons, wo so viel Oberflächlichkeit und falsche Loyalität herrschen wie sonst nirgendwo. Freunde viktorianischer Gepflogenheiten werden freilich ihre Freude an dem höflichen Geplänkel bei Tee und Kuchen haben, jedes dezente Kichern hinter vorgehaltener Hand begrüßen und die sauber gepflegten Intrigen der Damen genießen.
Außerhalb der Londoner Gesellschaft trifft der Leser dafür aber auch auf Sagengestalten aus keltischer, griechischer, orientalischer und anderer Mythologie. Rebel Angels, angelehnt an John Miltons Paradise Lost, ist ein wilder Mix durch alle Kulturen, der beinahe beiläufig die Problematik von Rassen- und Geschlechterkonflikten aufgreift. Es ist sehr realistisch geschildert, auf welch subtilen Ebenen diese Dinge existieren und oft ungeplant und unbewusst Einzug in das alltägliche Leben halten. Gorgonen, Nixen, Zentauren … all das und noch viel mehr sind nur schmückende Begleiterscheinung einer allzu vertrauten Welt.

Die Charaktere in Rebel Angels werden weiter ausgebaut, bleiben größtenteils aber so unvorhersehbar, wie sie es schon im ersten Teil waren. Gemma beweist einmal mehr ihre Ignoranz gegenüber Warnungen, vertraut sich leichtsinnig allen möglichen Personen an, geht eindeutigen Hinweisen häufig nicht nach und zu allem Überfluss scheint sie unschöne Wahrheiten auch oft nicht sehen zu wollen. Gemma jagt verschiedenen Ideen hinterher und verfolgt auch mal die ein oder andere Spur, insgesamt sind ihre Entscheidungen aber oft so fahrlässig oder unverständlich, dass man sie für ihre Naivität ohrfeigen möchte. Auf der anderen Seite versucht sie ihre Gabe dann auch mal zu nutzen, um anderen zu helfen, muss allerdings bald lernen, dass gute Absichten nicht immer zu guten, manchmal sogar zu noch schlechteren Ergebnissen führen.
Zwischen Felicity, Ann, Pippa und Gemma herrscht außerdem weiterhin ein eher befremdliches Verhältnis, das wenig mit Freundschaft zu tun hat. Trotz illusorischer Momente echter Freundschaft gibt es auch immer wieder Situationen, in denen man sich als LeserIn fassungslos an die Stirn greifen muss und nicht recht nachvollziehen kann, weshalb die Mädchen einander nicht schon längst den Rücken gekehrt haben. Dem entgegen gesetzt werden Entwicklungen, die das scheinbar inakzeptable Verhalten der Mädchen ein wenig erklären. Manch enthülltes Geheimnis kommt dabei so unerwartet und mit solcher Wucht, dass es einem zunächst die Sprache verschlägt und die beinahe unglaubliche innere Stärke dieser Mädchen erst wirklich zeigt. Einmal mehr verschleiert und verschönert Libba Bray die Härte der Realität nicht und deckt auf, dass hinter noch so edlen Türen schreckliche Dinge geschehen können.

Die Männerwelt muss in diesem Zusammenhang in Rebel Angels einiges an Federn lassen und sich mit ein paar der schlechtesten Aspekte ihres Daseins auseinandersetzen. Etwas relativiert wird dies durch Kartik, der schon im ersten Teil der Trilogie eine zwiespältige Rolle einnahm, hier jedoch zum Lanzenbrecher für seine männlichen Kollegen wird. Als einer der wenigen Charaktere schlüpft er nicht in das sexistische Rollenbild der geschilderten Gesellschaft und erhält den Hauch von Hoffnung auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Mann und Frau aufrecht. Auch Gemmas Vater beweist, dass Männer nicht ausschließlich die starken Machthaber sind, sondern ebenfalls unter der Last ihres Schicksals zerbrechen können und verwundbar sind. Es sind realistische Bilder, die Libba Bray von Mann und Frau zeichnet, beide kommen dabei mal besser, mal schlechter weg. Dennoch bleiben Frauen die heimlichen Herrscherinnen von Brays Welt. Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau. Sie fühlen sich freilich zu Männern hingezogen, lassen ihre Gedanken um ihn kreisen und genießen es auch begehrt zu werden, jedoch erlauben sie sich nicht, ihr Leben allein davon bestimmen zu lassen. Wieder sind es die Charaktere und ihr ambivalentes Verhalten, welche Libba Brays Roman so spannend und lesenswert machen. Fernab magischer Welten gibt es viel Menschliches zu entdecken, zu erfahren und zu erkennen.

Der Roman kommt leider nicht ganz so rebellisch daher wie man es dem Titel nach erwarten würde. Die Jagd nach Circe und die Suche nach dem Tempel stellt ein großes Thema dar und führt durch beide Welten, doch die Autorin legt mehrfach falsche Fährten, die leicht und früh durchschaut werden können. Dennoch liefert auch Rebel Angels wieder eine Geschichte, die den Leser auf schwer erklärbare Weise an das Buch fesselt und dabei neugierig auf die weitere Entwicklung macht. Wem also A Great And Terrible Beauty (Gemmas Visionen) stilistisch gefallen hat, der kann mit Rebel Angels nicht viel verkehrt machen.

The Rest Falls Away von Colleen GleasonMiss Victoria Gardella Grantworth ist die letzte der Gardella-Blutlinie und damit auch die letzte vom Schicksal bestimmte Vampirjägerin. Sie ahnt von ihrer Bestimmung nichts, bis sie immer wieder von dem gleichen Traum heimgesucht wird, in dem Vampire sie verfolgen. Unsicher, was dies bedeutet, fragt sie ihre Tante Eustacia um Rat. Als sich das Geheimnis offenbart, muss Victoria eine Entscheidung treffen, die ihr Leben für immer verändern wird.

– His footsteps were soundless, but Victoria felt him moving. –
In Which Our Story Commences, S. 1

Auf den ersten Blick lässt das Zitat ja doch hoffen. Hoffen auf ein Buch mit Spannung, mit dunklen Ecken, in denen düstere Gestalten lauern, mit einer packenden Atmosphäre und einer starken Heldin, die eine Vorfahrin von Buffy sein könnte.
Könnte.
Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt …

The Rest Falls Away (Bleicher Morgen) verspricht erst einmal einen interessanten Ansatz. Nicht unbedingt eine neue Geschichte, aber es hätte, wenn es gut erzählt worden wäre, durchaus solide werden können. Leider mangelt es der Autorin an mehreren Dingen. Zum einen scheinen sich viele Gedankengänge zur Handlung ausschließlich in ihrem Kopf abgespielt zu haben, denn die Story holpert doch gewaltig von einer Aktion über eine plötzliche Schlussfolgerung bis hin zu einer längst überfälligen Erkenntnis der Protagonisten, stolpert zurück zum Anfang und springt wieder ans Ende der Charakterentwicklung. Es liest sich daher etwas sehr launisch. Die erzählerische Wirkung tendiert gegen Null, das häufige Problem ist eine in sich unschlüssige Handlung.

Sieht man darüber dennoch hinweg, wird man gleich von blassen Charakteren in Empfang genommen, die einem allesamt so gar nicht ans Herz wachsen wollen. Sie wollen einem auch sonst keine Regung abgewinnen, denn sie bleiben alle vollkommen oberflächlich gezeichnet, ohne die Möglichkeit irgendeinen wie auch immer gearteten Zugang zu ihnen zu finden. Es gibt bestimmte Attribute, welche die Autorin ihnen zuschreiben wollte: die schlagfertige und aufopfernde weibliche Heldin, der liebevolle, witzige, charmante, aber völlig ahnungslose Marquis, der die Heldin aufrichtig liebt, der arrogante, unnahbare und absolut unausstehliche Kollege unserer Heldin, der natürlich heimlich ein Auge auf sie geworfen hat, die mütterliche und weise Tante als Lehrmeisterin und diverse andere Stereotypen, die man in der Regel ohne weiteres erkennt und dennoch alle irgendwie mag, weil sie einem aufgrund dieser Merkmale sofort vertraut erscheinen. In diesem Fall jedoch lernt man die Personen nicht kennen, sie entwickeln sich nicht, stattdessen bekommt man von der Autorin gesagt, was man von ihnen halten soll.
Mit den Gegnern verhält es sich auch nicht besser. Sie stellen nie eine echte Gefahr dar und wirken daher auch nicht bedrohlich, infolge dessen erscheinen die Protagonisten wiederum nicht kompetent. Kurzes Beispiel gefällig? Aber gerne:
Gardist der Obervampirin Lilith und absolut ernst zu nehmender Vampir greift an! – (Achtung Zitat:) Poof! Asche. Drei der obersten, ältesten und mächtigsten Vampire, genannt Imperials, greifen gleichzeitig an! – Poof! Poof! Poof! Asche hoch drei! Wir kämpfen gegen mehrere Gardisten und Imperials auf einmal! – So oft kann man innerhalb weniger Sekunden gar nicht Poof! sagen …
Das geht so locker flockig vom Pfahl, da fragt man sich doch, wozu es noch ein Expertenteam zur Jagd von Vampiren braucht.

Auch der Weltenbau ist so uninteressant und detaillos wie die Charaktere. Angesiedelt in einer vermeintlich viktorianischen Epoche, liest man eigentlich nur von Korsetts, hin und wieder einem Tee, verschiedenen Bällen und ausgefallenen Kleidern, und damit ist nicht etwa eine Beschreibung der Kleider gemeint. Nein, es sind einfach nur ausgefallene Kleider, mit dem Rest verhält es sich genauso. Aha! Na dann ist doch schon alles klar, da formen sich fantastische Bilder vor dem geistigen Auge, da kommt Atmosphäre auf, die Haare sträuben sich vor Spannung, nicht wahr?
Die Handlung wiederholt sich im Übrigen mehrfach, mit den selben Personen, dem selben Ablauf, den gleichen wässrigen Ausreden, weshalb die Heldin mal wieder eben verschwinden muss … Zusammenfassend passiert also eigentlich fast nichts, man entdeckt nichts und die Story kommt nur schleppend voran. Dies in Kombination mit der inkonsequenten Charakterentwicklung und den unlogisch späten Erkenntnissen, macht die Lektüre zu einem äußerst zähen Stück blutlosem Schinken.

The Rest Falls Away gehört der Gattung Paranormal Romance an, aber aufgrund des Schreibstils mag kaum Romantik aufkommen. Auf den letzten Seiten soll es dann plötzlich erotisch werden, wovon man leider auch nicht viel mitbekommt, denn es fallen bloß ein paar eindeutige Wörter, die nicht zum bisherigen Stil passen wollen. Das ist nur der letzte einer Vielzahl von sprunghaften Richtungswechseln, die aus dem Nichts auftauchen, sich nicht fließend in die Handlung einfügen wollen und auch eigentlich keinen Sinn ergeben, ganz zu schweigen davon, dass es den Roman noch irgendwie retten könnte.

Beim Lesen dieser Lektüre gewinnt man vor allem einen Eindruck: Die Autorin ist eine Anhängerin der Gothic-Szene und sie hat eine Vorliebe für Korsetts und Piercings. Was sie leider nicht hat, ist das Talent, eine flüssige und überzeugende Geschichte zu schreiben. Wer nun denkt “Hey super! Ich gehöre auch zur Szene!”, der vergesse es besser gleich wieder. Dieser Roman bietet viele Ansätze und Versuche, die offen stehen bleiben wie eine unfertige Skizze, die man nun gerne ausarbeiten würde. Es gibt in diesem Buch neben sehr vielen Kopf-schüttel-Situationen lediglich zwei (unbeabsichtigte) Lacher, die mit den erwähnten Piercings zusammenhängen und die einzige Entschädigung für die investierte Lesezeit darstellen.
Wie es schon im Titel heißt: The Rest Falls Away.

The Runes of Elfland von Ari Berk und Brian FroudThe Runes of Elfland ist eine Entdeckungsreise in die Welt keltischer/nordischer Runen, ihre Bedeutung und ihren Ursprung. Das Buch bietet einen erzählerischen und künstlerischen Einblick in die alte Welt, mit Texten von Autor Ari Berk und Illustrationen des bekannten Künstlers Brian Froud.

– How to begin? Not hard to answer. Choose a rune, chant the charm, tell the tale, and step across. –
How to begin, Seite 15

Heutzutage bestimmen Klatschnachrichten den Großteil unserer Unterhaltungen. In einer Zeit, in der es weder Boulevardpresse noch Fernsehen gab, erzählten sich die Menschen Geschichten. Geschichten, die sie über Generationen hinweg von den Alten an die Kleinsten weiter gaben. Mit der Zeit gerieten diese Erzählungen immer mehr in Vergessenheit, bis sie schließlich nur noch in vereinzelten Büchern auftauchten und aus dem Alttag der Menschen verschwanden. Vorbei sind die Zeiten von Gedichten, Fabeln und Limericks.
The Runes of Elfland greift einen Bereich dieser alten Erzählkunst auf und befasst sich mit einem Aspekt von vielen, dem Hintergrund von Runen. Das Buch startet mit verschiedenen kurzen Texten über Runen im Allgemeinen, verfasst vom englischen Literaturwissenschaftler Ari Berk.

Anders, als man es sonst gewohnt ist, sind die Runen nicht alphabetisch nach ihrem Namen sortiert, sondern nach ihrer Bedeutung. So beginnt der eigentliche Inhalt mit Berkanaz – der Rune, die stellvertretend für den Neubeginn steht. Wenn man die Runen jedoch nicht nur als Buchstaben betrachtet, stört dieser Umstand nur wenig.
Jedes der 24 Symbole wird auf den folgenden Seiten in The Runes of Elfland mit einer ganzseitigen farbigen Illustration einzeln vorgestellt, begleitet von einem einleitenden Text zur Charakterisierung der Rune und einem kleinen Zauberspruch zu Beginn, gefolgt von einer Erzählung, die auf alten Sagen und Überlieferungen fußt. Einige der erzählten Geschichten werden vielen Lesern zumindest entfernt bekannt vorkommen, andere dagegen sind bis heute so selten von modernen Medien aufgegriffen worden, dass sie beinahe völlig unbekannt geblieben sind.
Insgesamt widmet das Buch jeder Rune vier Seiten. Brian Froud streut dabei auf allen Seiten charmante Hintergrundillustrationen von Elfen oder Goblins ein, die den Text optisch noch ein wenig aufwerten.

Frouds Pinselduktus ist in diesem Buchband weniger fein, als man es vielleicht aus anderen Büchern von ihm kennt. Die Figuren sind etwas schrulliger, die Farben etwas intensiver und alles wirkt insgesamt kantiger und grober. Angesichts der Thematik passt das jedoch auf harmonische Weise sehr gut zusammen.

Wer des Runenalphabets nicht mächtig ist und noch Hilfe bei der Entzifferung benötigt, dem wird auf den letzten Seiten geholfen. Dort findet sich das Runenalphabet samt seiner lateinischen Entsprechung. Da verschiedene Überschriften und Beschriftungen in den Bildern in Runen gehalten sind, empfiehlt es sich daher auch, dem Runenalphabet gleich zu Beginn ein wenig Aufmerksamkeit zu widmen.

Kleiner Abzug: Wer gerne die Namen der einzelnen Runen erfahren hätte, wird in diesem Buch leider nicht fündig. Angesichts der sonst großen Fülle an Informationen, wäre es schön gewesen, auch für dieses nicht unwichtige Detail, einen kleinen Platz zu finden.

The Sea of Monsters von Rick RiordanEin Jahr ist vergangen, seit Percy Jackson das letzte Mal im Camp Half-Blood war, und nur noch ein einziger Tag trennt ihn davon, ein ganzes Jahr lang nicht von einer Schule geflogen zu sein. Doch selbstverständlich kommt die Freude zu früh und die Monster zerlegen pünktlich zum letzten Schultag mit Feuerbällen die Turnhalle und lassen Percy zusammen mit dem Straßenjungen Tyson zum Camp Half-Blood flüchten. Dort angelangt offenbart sich Percy nicht nur das Sterben von Thalias Baum und ein nunmehr ungeschütztes Camp, sondern auch ein Ersatz für Chiron und ein Halbbruder …

– Last day of school. My mom was right, I should have been excited. For the first time in my life, I’d almost made it an entire year without getting expelled. No weird accidents. No fights in the classroom. No teachers turning into monsters and trying to kill me with poisoned cafeteria food or exploding homework. Tomorrow, I’d be on my way to my favorite place in the world – Camp Half-Blood.
Only one more day to go. Surely even I couldn’t mess that up.
As usual, I didn’t have a clue how wrong I was. –
My best friend shops for a wedding dress, S. 4

Percy Jackson meldet sich nach einem Jahr in der realen Welt wieder zurück und bringt im zweiten Band, The Sea of Monsters (Im Bann des Zyklopen), noch mehr Humor, größere Monster, überraschende Wendungen und eine Jagd nach dem goldenen Vlies mit. Mit dabei sind natürlich auch alte wie neue Freunde und Feinde. Manch einer der Neuen sorgt dabei für mächtig Erstaunen.

The Sea of Monsters lässt auch wirklich kein Auge trocken. Aus jedem Satz sprüht einem der Humor des Autors entgegen, zusammen mit ein paar abenteuerlichen Erklärungen z.B. dafür, weshalb Franchiseketten sich so schnell verbreiten, was die wahre Gefahr eines Muffins ist oder wie man aus Männern Meerschweinchen macht. Die Sagen des alten Griechentums werden dabei, besser als im Vorgänger, mit modernen Legenden verwoben und verlangen dem Leser viele Lachfalten ab. Wie schon in The Lightning Thief (Diebe im Olymp) kommt aber auch der Ernst nicht zu kurz, und so muss sich Percy der Tatsache stellen, dass sein Vater Poseidon nicht nur Percys Mutter schöne Augen gemacht hat, als unerwartet ein Halbbruder von sehr spezieller Natur auftaucht. Obwohl er seinen Halbbruder mag, fühlt sich Percy plötzlich gewöhnlich und von seinem Vater hintergangen, ist eifersüchtig, enttäuscht und einmal mehr im Zwiespalt, was seine Gefühle für Vater und nun auch Bruder angeht.

Die Charakterzeichnung funktioniert wie schon im letzten Band sehr gut, und wer den nörgelnden Campleiter Mr. D. (alias Gott Dionysus) schon mochte, der wird den neuen Trainingsleiter, Tantalus (dt. auch Tantalos), lieben. Ihm verdanken wir allerlei absurd komische Szenen, in denen das Abendessen auf bestmögliche Weise die Flucht ergreift und einen Marshmallow gar kurzerhand in den Selbstmord treibt. Tantalus, der eigentlich auf dem Asphodeliengrund des Tartaros sitzen müsste, hat überhaupt kein Herz für irgendjemanden außer für sich selbst und sollte dadurch zur Hassfigur des Lesers mutieren – könnte man meinen, ist aber nicht so. Tatsächlich stellt er eine der unterhaltsamsten Figuren dieses Romans dar und wird durch die immer gegenwärtige Art seiner Strafe und seiner Versuche, etwas Ess- oder Trinkbares zu erreichen, zum Running Gag.

Mit Aufbruch zur eigentlichen Quest beginnt das Buch dann leider etwas zu schwächeln. Das liegt einerseits an dem abnehmenden Humor angesichts des Ernstes der Lage und andererseits an der Art, wie Rick Riordan diese Questen angeht. Statt etwas Neues aus den alten Sagenfiguren zu machen, spielen die Halbgötter und Monster sehr oft, auf stark vereinfachte Weise, nur das nach, was bereits schon einmal geschehen ist. Wenig glaubwürdig ist es dadurch, dass die einst von Herkules, Perseus, Odysseus und Co. getöteten Monster laut Riordan freilich nicht wirklich sterben, sondern nach einer Weile wieder re-materialisieren. Da stellt sich nicht nur einmal die Frage, weshalb sie dann auf dieselben Tricks hereinfallen, denen sie schon einmal erlegen sind. Derart lernunfähig kann eigentlich auch das dümmste Monster nicht sein. Wem übrigens häufiger mal der Sinn verloren geht oder wer den Ereignissen nicht ganz folgen kann, der sollte sich anhand der Namen ein bisschen mehr zur griechischen Mythologie durchlesen. Dadurch gewinnt man als Leser jene Erklärungen und Beweggründe, die Riordan hier oft auslässt oder nur am Rande streift.
Diese erzählerische Schwäche gutmütig außenvorgelassen, bietet The Sea of Monsters aber ein noch gelungeneres Leseerlebnis, als es The Lightning Thief zu tun vermochte, und weckt Appetit auf mehr. Die Geheimnisse werden langsam größer und ihre Auswirkungen bergen Gefahren, die auf spannende Ereignisse hoffen lassen.

Verfilmung:
Eine Verfilmung von The Sea of Monsters ist derzeit in Arbeit und wird von den bekannten Hauptdarstellern begleitet. Das Erscheinen ist in den USA für März 2013 geplant.

Als der Seelenmeister starb von Octavia ButlerTeray, frisch aus der Schule entlassen und mit überdurchschnittlichem telepathischen Talent gesegnet, macht sich mit seiner Frau Iray und seinem zukünftigen Ausbilder Joachim auf den Weg zu dessen Haus, wo Teray die nächsten Jahre verbringen soll, um zu einem vollwertigen Musternisten ausgebildet zu werden. Auf ihrem Weg werden sie von Coransee eingeladen, einem mächtigen Hausbesitzer und Musternisten. Die Einladung entpuppt sich schnell als Falle für Teray, denn Coransee wittert in dem jungen Mann eine zu große Konkurrenz auf seinem Weg zum mächtigsten Telepathen und Herrscher über das alle verbindende Muster.

– »Nun habe ich mehrere tausend Musternisten aufgeweckt, und ich habe dafür nicht mehr Anstrengung aufgebracht, als wenn jemand mit den Fingern schnippt. Schwester – Frau, das ist die Macht, wofür es sich lohnt zu töten.« –
Prolog, S. 9

Als der Seelenmeister starb (Patternmaster) ist das erste Buch der 2006 verstorbenen Autorin Octavia E. Butler. Sie begann mit dem Schreiben dieses Romans im Alter von zehn Jahren, und auch wenn sie im Laufe der Jahre einiges daran überarbeitet haben dürfte, ehe er veröffentlicht wurde, merkt man dem Buch deutliche Schwächen eines Erstlingswerks an.

Die Autorin hat sich in ihrem Roman einer Menge schwieriger Themen und moralischer Fragen genähert. Darunter die Privatsphäre des Menschen, die Frage des freien Willens, Menschenrechte, Inzest, Sklaverei, Rassenkonflikte, Feminismus und der Umgang mit (Homo-)Sexualität. Viele große Themen, zu groß, um in einem derart knappen Büchlein, von gerade einmal um die 200 Seiten, wirkliche Beachtung finden zu können. Das Resultat ist eine Geschichte, die viel Unterdrückung, Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Machtgier beschreibt, in der auch unterschwellig Kritik an einzelnen Dingen auftaucht oder eben auch eine (leider noch) utopische Akzeptanz der Homosexualität; letztendlich bleibt es aber nicht mehr als eine Zustandsbeschreibung ohne Herleitung oder Entwicklung. Mit der richtigen Handlung hätte sich sicherlich trotzdem eine spannende Darstellung einer futuristischen Welt darum herum aufbauen lassen können, in diesem Fall ist das wenig geglückt. Denn die Protagonisten ergeben sich wehrlos ihrem Schicksal, emanzipierte Frauen fügen sich ganz natürlich und selbstverständlich in die klassische Rolle der Maitresse, der vermeintliche Herausforderer gibt sich allzu kämpferisch, nur um im nächsten Moment die am wenigsten konsequente, unterwürfigste Handlung zu begehen usw. Unter diesen Unstimmigkeiten von Wille und Handlung leidet die Glaubhaftigkeit der Protagonisten enorm und untergräbt die ansatzweise vorhandene Kritik an den herrschenden Zuständen.

Von den Verlagen als Science Fiction angepriesen, weckt auch der Klappentext entsprechende Erwartungen und dürfte die Leser damit zusätzlich enttäuschen, denn in der Praxis ist es schwer, die typischen Merkmale der Science Fiction in diesem Roman zu finden. Es wird zwar ab und an von einer Reise ins Weltall berichtet, die lange zurück liegt und nur noch in der Erinnerung weniger Menschen präsent ist, man erhält Informationen darüber, dass wir uns in einer entfernten Zukunft befinden und unsere alte Zivilisation zugrunde gegangen ist, doch der Rest, und damit ist im Prinzip das gesamte Buch gemeint, erweckt den Eindruck einer eher primitiven, rückständigen Klassengesellschaft mit einer telephatisch begabten, dominanten Menschenrasse ohne technologische Errungenschaften, die sich im Krieg mit einer der Sphinx-ähnlichen Rasse, den Clayarks, befindet. Warum, weshalb, wie lange schon … man weiß es nicht.

Neben den ideologisch sehr guten Ansätzen, denen es deutlich an Ausarbeitung mangelt, werden auch die Hintergründe zur Entstehung dieser streng hierarchischen Gesellschaftsform nur am Rande angekratzt. Die durchaus interessanten Informationsschnipsel, die im Laufe der Handlung nebenher immer mal wieder eingestreut werden, werfen viele spannende Fragen auf, bleiben jedoch bis zum Schluss gänzlich unbehandelt und unbeantwortet. Als der Seelenmeister starb konzentriert sich alleine auf die Haupthandlung, den Kampf zwischen Coransee und dem jüngeren Bruder Teray, und vergisst darüber hinaus ein stimmiges Gesamtbild der sie umgebenden Welt zu erzeugen. Neben alldem mag man sich über die Übersetzungsfehler der deutschen Ausgabe schon gar nicht mehr ärgern und ignoriert die zahlreichen Rechtschreibfehler, sperrigen Formulierungen und die Buchstabendreher bei den Namen.

Die Kürze dieses Romans wird schlussendlich sowohl zum Segen als auch zum Fluch für das Buch. Zum Fluch, weil hier ein großes Potential verschenkt wird, zum Segen, weil man ein Buch in diesem Stil nicht zuende lesen würde, wenn es mehr Seiten hätte. Man kann nicht sagen, dass Als der Seelenmeister starb wirklich schlecht wäre oder gar keinen Unterhaltungswert besäße, das Buch lässt einen eher aufgrund inkonsequenter Verhaltensmuster der Protagonisten und zu vieler nicht behandelter Fragen frustriert und gelangweilt zurück. Als Einstieg zu dieser Autorin eignet sich ihr Erstlingswerk daher weniger.
(rezensiert von: moyashi)

Sisters Red von Jackson PearceScarlett und Rosie March sind seit dem Angriff eines Fenris-Wolfs in ihrer Kindheit gezeichnet. Ihre Großmutter, die Einzige, die sich je um sie gekümmert hat, wurde bei dem Angriff getötet, während Scarlett bei der Verteidigung ihrer kleinen Schwester schwer verwundet wurde und ihr rechtes Auge verlor. Seit jenem Tag ist sie besessen davon, jeden Fenris-Wolf zu töten. Zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Partner Silas macht sie des Nachts Jagd auf die Monster. Doch dann wird ihre Routine von einem besonderen Ereignis unterbrochen: Die Fenris-Wölfe haben einen Potentiellen gewittert, der zu einem von ihnen gewandelt werden kann. Die drei Jäger setzen alles daran, dies zu verhindern und den Potientellen vor den Wölfen zu finden.

– He’s following me. About time. … I give a fake shiver as a breeze whips through my glossy hair. That’s right … come along, now. Think about how badly you want to devour me. Think of how good my heart will taste. –
Chapter One: Scarlett March

Sisters Red greift lose das Märchen von Rotkäppchen der Brüder Grimm auf (mit einer Prise des Films The Company of Wolfes/Zeit der Wölfe) und verlagert es in eine moderne Zeit. Man darf nun keine direkte Nacherzählung von Rotkäppchen erwarten, denn es wurden nur kleine Details daraus übernommen: eine Großmutter, die in einer abgelegenen Gegend wohnt, Wölfe, die junge Frauen und Mädchen verspeisen und ein – nein, zwei – rote Umhänge. Das sind schon die ganzen Gemeinsamkeiten von Rotkäppchen und Sisters Red. Hier und da tauchen aufgrund der Herkunft der Großmutter noch deutsche Worte und Sätze auf, was man als Indiz auf die Brüder Grimm sehen könnte. Besonders charmant sind viele kleine Details, die einem während des Lesens selbst zunächst vielleicht gar nicht auffallen, mit etwas Abstand dann aber umso deutlicher hervorstechen. Sie sollen an dieser Stelle jedoch nicht verraten werden, denn sie selbst zu entdecken macht diesen Roman sofort vertraut.
Lässt man nun also das Märchen von Rotkäppchen größtenteils hinter sich, erhält man sehr schnell einen recht blutigen, spannenden, actiongeladenen und ernsten Jugendroman, der nicht versucht, das Thema Sexualität möglichst unschuldig zu verkleiden oder gar zu verbergen. Dadurch ist Sisters Red zwar trotzdem noch ein jugendgerechter Roman ohne zu offensichtliche Details, wird dankenswerterweise aber auch für erwachsene Leser nicht zur Nervenprobe.

Die Charaktere kämpfen in Sisters Red nicht nur mit scharfen Waffen wie Messer, Axt und Beil, sondern auch mit ihren Selbstzweifeln und ihrem Wunsch, das Richtige zu tun. Sie sind hin- und hergerissen zwischen dem, was sie sein könnten, und dem, was sie als ihre Pflicht empfinden: ihrer Verantwortung gegenüber den glücklichen Unwissenden. Diese Problemstellung hat die Autorin sehr ansprechend und glaubwürdig umsetzen können. Das zeigt sich auch in den gegensätzlichen Eigenschaften der Protagonisten. Besonders Scarlett wird durch ihre unerschütterliche Zielstrebigkeit und ihren Kampfgeist zu einer starken Figur des Romans, die erwachsener wirkt, als man es bei ihren 18 Jahren unter normalen Umständen erwarten würde. Angesichts der Vergangenheit der beiden jungen Frauen, die sie zu früh mit der Härte des Lebens vertraut gemacht hat, jedoch nicht verwunderlich. Auch die zwei Jahre jüngere Rosie benimmt sich nicht wie ein naiver Teenager, gleichzeitig wirkt sie aber auch noch nicht so erwachsen, dass ihre Figur unrealistisch erscheint. Sie ist gelegentlich leichter abzulenken als ihre Schwester, findet aber mit Hürden immer wieder den Fokus für ihre Aufgabe. Anders als ihre Schwester Scarlett wünscht sich Rosie jedoch mehr von ihrem Leben als nur die Jagd auf Fenris-Wölfe, wodurch die Handlung von Sisters Red vor allem durch die unterschiedlichen Gefühle der Charaktere bestimmt wird. Gefühle gibt es hier ganz große: einmal zwischen Scarlett und Rosie und dann zwischen Rosie und dem Jäger Silas, der dritten Hauptfigur dieses Romans, die wir jedoch nur aus der Sicht von Scarlett und Rosie kennenlernen. Dieser Roman ist zwar keine stereotype Romantikschmonzette, die vor Kitsch nur so trieft, aber wer generell mit Romantik in Büchern nichts anfangen kann, für den ist Sisters Red vielleicht weniger spannend zu lesen. Denn die sich entwickelnde Beziehung zwischen Rosie und Silas spielt von Anfang an mit und wird mit dem Voranschreiten der Handlung zu einem wichtigen Wendepunkt in Rosies Entwicklung.

Sisters Red wird abwechselnd aus der Sicht von Scarlett und Rosie erzählt. Man erhält jedoch nicht dasselbe Ereignis aus zwei Sichtweisen, nein, jede Schwester knüpft auf ihre eigene Weise dort an, wo das vorherige Kapitel endete. Dadurch lernt man die Blickwinkel beider Schwestern kennen, ohne sich mit Wiederholungen aufhalten zu müssen. Rosie mit ihrer liebevollen und etwas unsicheren Art ist da zwar etwas zugänglicher und schafft es, mehr Sympathie zu erzeugen, Scarlett dagegen wirkt durch ihre stark fokussierte Sicht etwas fremd und kühl, punktet aber mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Liebe zu Rosie.

Was man zum Schluss als negativen Punkt anführen könnte, ist eine gewisse Vorhersehbarkeit der Handlung. Mit wenig Leseerfahrung im Fantasybereich sind viele Anhaltspunkte vermutlich weniger offensichtlich, als geübter Leser wird man jedoch einige wohl bekannte Fingerzeige sofort erkennen. Trotz dieser Vorahnungen bereitet einem Sisters Red aber eine große Lesefreude. Es besticht dadurch, das bereits Erahnte gerne bestätigt zu sehen, und man freut sich auf den Moment, in dem die Ahnung schließlich zur Tatsache wird.

Sophie im Schloss des Zauberers von Diana W. JonesSophie ist gefangen in ihrem Leben als älteste von drei Töchtern. Als solche ist es ihr bestimmt, verantwortungsbewusst zu sein und außerdem den Familienbetrieb, ein Hutmachergeschäft, zu übernehmen. Diesem Schicksal hat die junge Sophie sich längst ergeben, als die teuflische Hexe der Wüste eines Abends ihren Hutladen betritt und das Mädchen ohne eine Erklärung in eine alte Frau verwandelt.
Jetzt, da Sophie sich nicht nur alt fühlt, sondern auch alt aussieht, flieht sie aus der Stadt und findet sich des nachts alleine in der Wildnis wieder. Dabei stolpert sie über das wandelnde Schloss des Zauberers Howl, von dem es heißt, er stehle die Seelen junger Mädchen und verspeise ihre Herzen.

-Im Lande Ingari, wo Dinge wie Siebenmeilenstiefel und Tarnkappen wirklich existieren, gilt es als ziemliches Pech, als ältestes von drei Geschwistern geboren zu werden. Alle wissen, dass das älteste Kind am schnellsten und am schlimmsten versagen wird, wenn die drei sich aufmachen, um ihr Glück zu suchen.-
1. Kapitel in dem Sophie mit Hüten spricht

Frau Jones hat hier eine zauberhafte Welt geschaffen, in der man selbst gerne ein paar Streifzüge machen würde. Das Ganze wird auf eine so humorvolle Weise verpackt, dass es schwer fällt, Sophie im Schloss des Zauberers (im Original: Howl’s Moving Castle) aus der Hand zu legen. Es ist wohl eines der wenigen Bücher, die  nachhaltig in Erinnerung bleiben und auch nach dem dritten, vierten und fünften Lesen noch immer Freude bereiten.

Zu verdanken ist dies wunderbar gezeichneten Charakteren, die von schrullig bis überdimensional wehleidig und wahrhaft seltsam alles abdecken. Wir haben hier eine grantige alte Dame mit Putzfimmel, einen Feuerdämon mit Existenzängsten, einen wahnsinnig mächtigen Zauberer mit einem ausgeprägten Eitelkeitsproblem, eine anhängliche Vogelscheuche, Hunde, die keine sind, und Zauber, über die man nicht sprechen kann. Mit einem außerordentlichen Gespür für Sprache haucht die Autorin der Welt Ingari und ihren verschiedenen kleinen Städten buntes Leben ein. Es bedarf tatsächlich nicht vieler Worte, um sich alles im Detail vorstellen zu können.
Die eigentliche Quest, den mysteriösen Vertrag zwischen Howl und dessen Feuerdämon Calcifer zu brechen, damit letzterer im Gegenzug Sophies Fluch aufhebt, wird dabei beinahe zur Nebensache, und doch wird das Buch nie langweilig oder sinnlos. Man erlebt die Handlungen und Entwicklungen der Charaktere so gerne und selbstverständlich mit, dass es einen mit Empörung zurück lässt, dass auch dieses Buch irgendwann enden muss.

Diana W. Jones gilt zwar als Kinderbuchautorin, und auch Sophie im Schloss des Zauberers wird offiziell als Kinderbuch gehandelt, dennoch wirken die vielen versteckten Anspielungen und Kniffe oft zu komplex für Kinder. Manches dürfte sich erst im Jugend- oder Erwachsenenalter tatsächlich erschließen, da es ein gewisses Maß an Allgemeinbildung oder auch emotionaler Entwicklung benötigt, um Anspielungen auf Hamlet, König Artus, Alice im Wunderland und Der Herr der Ringe zu erkennen oder auch Dinge wie die ersten Anzeichen von Verliebtheit  und Ironie. Denn der Humor springt einem hier nur selten mitten ins Gesicht.  Er zeichnet sich vor allem durch Wortwahl und teils hitzige Dialoge aus.
Vermutlich dürfte auch nicht einmal vielen Erwachsene auffallen, dass in dem Roman ein Gedicht von John Donne zu einem wichtigen Bestandteil der Handlung wurde.
Natürlich kann man Sophie im Schloss des Zauberers auch ohne das alles genießen, doch gerade diese Kleinigkeiten verleihen ihm seinen ganz eigentümlichen Charme. Die Verwendung bestimmter Begriffe, Namen oder bekannter Zitate unserer realen Welt geben dem Buch teilweise selbsterklärende Eigenschaften oder auch ein Gefühl von vertrautem Wiedererkennen.

Ungewöhnlich ist auch die Herangehensweise der Autorin an ihre Figuren. Anders als man es gewohnt ist, wird Sophie nach dem Tod ihrer Eltern nicht zum Spielball ihrer Stiefmutter. Nein, besagte Stiefmutter liebt sie sogar genauso sehr wie  ihre eigene Tochter, auch wenn die Autorin versucht, den Leser diesbezüglich auf eine falsche Fährte zu locken. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie Diana W. Jones sich den typischen Klischees der Fantasy in diesem Roman widersetzt und alles ein wenig anders macht.
Ein einziges Mal wurde die Autorin schwach und verlieh dem Roman ein so umfangreiches Happy-End, dass einem glatt schwindelig werden könnte. Alles andere hätte Sophie im Schloss des Zauberers allerdings seinen märchenhaften und ohnehin vor seltsamen Ereignissen strotzenden Charakter genommen. Man kann also getrost sagen, Frau Jones ist ihrer Linie vom ersten bis zum letzten Satz treu geblieben.

Obwohl die Übersetzerin der deutschen Ausgabe, Gabriele Haefs, hier eine sehr gute Arbeit abgeliefert hat, geht natürlich doch der ein oder andere Wortwitz verloren und die Sprache wirkt manchmal etwas zu betont einfach. Wer gerne auch mal auf Englisch liest, sollte daher zur Originalausgabe greifen. Einen empfehlenswerten Lesegenuss bieten aber durchaus beide Sprachen.
Ignorieren sollte man allerdings den Klappentext der deutschen Ausgabe, denn der hat nur bedingt etwas mit dem Buch zu tun.

Für diejenigen, die nicht genug kriegen können von Sophie, Howl und Calcifer, gibt es noch zwei weitere Bücher, die in Ingari angesiedelt sind: Ziemlich viele Prinzessinnen (Castle in the Air) und House of many ways (noch nicht ins Deutsche übersetzt). Es handelt sich dabei nur indirekt um Fortsetzungen, da die bekannten Personen lediglich kleinere Nebenrollen einnehmen. Für Fans von Sophie und Howl dennoch zu empfehlen.

Verfilmung:
Das Buch wurde 2004 von den Ghibli Studios in einer wunderbaren Umsetzung verfilmt. Hier gibt es auch eine ausführliche Besprechung dazu.

The Soul Consortium von Simon West-BulfordSalem Ben, der letzte Mensch im Universum, lebt alleine auf einem künstlichen Mond, wo jedes gelebte Leben als digitale Kopie archiviert liegt. Der Rest der Menschheit hat nach Millionen von Jahren eines sinnlos gewordenen Lebens den Freitod gewählt – der natürliche Tod wurde durch enorm fortschrittliche Technologien im Bereich des Klonens und synaptischer Übertragung besiegt -, nur Salem Ben fürchtet auch nach all der Langen Zeit das Ende und sucht eine Antwort auf die letzte aller Fragen, bevor er sich dem Tod stellen kann: gibt es ein Leben danach?
Um die Antwort zu finden, schlüpft er in verschiedene archivierte Leben. Doch was er statt der Antwort findet, ist eine bösartige Entität, die die Entstehung des Lebens zu redigieren gedenkt – Salem Ben ist das Einzige, was ihr dabei im Weg steht.

When I was a boy my smiling schoolteacher asked my class a very simple question:
»What is the one thing in this world that we can all know as an undeniable certainty?«
The students looked at each other, smirking as they whispered their sarcastic remarks, but the grins soon fell when she spoke again. Not because she had brought her palm down hard on her desk when she revealed the answer. It was tears in her eyes.
»One day every last one of you will die.«

Simon West-Bulfords Debütroman The Soul Consortium ist ein Roman, der unscheinbar beginnt und sich zu einem unerwartet spannenden Werk aufbaut, das einen, noch lange nachdem man das Buch beiseite gelegt hat, verfolgt. Nicht nur, dass es die am besten versteckten Knöpfe in einem drückt, es ist auch die Art von Science Fiction, die man oft hofft zu finden und doch selten bekommt.

The Soul Consortium erzählt vom Beginn der Zeit, vom Ende der Zeit, von Menschlichkeit, Liebe, Zerstörung, Wissenschaft und Philosophie, von der Entstehung des Lebens bis zum Ende des Universums … So vieles wird in diesem Roman thematisiert, dass man glauben könnte, es müsse erzählerisch etwas auf der Strecke bleiben. Doch der Autor hat ein perfektes Netz erschaffen, in dem jeder Faden sitzt, wo er hingehört. Um das Fazit also gleich vorweg zu nehmen: The Soul Consortium gehört dringend auf den Leseplan.

Schon zu Anfang werden Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit miteinander verknüpft. Der Leser bewegt sich in diesem Roman durch verschiedene Epochen der Menschheitsgeschichte. Von einer jungen Frau im Frankreich des 16.-17. Jahrhunderts über einen Serienkiller des 20. Jahrhunderts hin zur Herrscherin über das bekannte Universum in einer Zukunft soweit voraus, dass man es gar nicht mehr in Zahlen fassen kann. Alles wird durch die Augen von Salem Ben erlebt, der wiederum durch die Augen verstorbender Menschen sieht, in deren archivierte Dateien er auf seiner Suche immer wieder schlüpft. Das ganze Konzept des Soul Consortiums ist schon beinahe eine Liebeserklärung an die Metaebene und unheimlich schwer in Worte zu fassen, will man nicht die besten Entwicklungen vorab verraten.
Die Technologie ist entsprechend enorm weit fortgeschritten und gibt ihre Funktionsweise erst nach und nach Preis – so bleibt die Neugier bis zum Schluss erhalten, ohne ins Unerträgliche abzugleiten. Sie wird bereichert durch Dinge, die den Menschen von jeher antreiben. Vieles von dem, was in diesem Roman geschieht, krallt sich direkt in die eigene Seele, erschüttert einen, berührt einen, macht einen abwechselnd glücklich und traurig, wirft Fragen auf und spendet Hoffnung in der Ungewissheit. Gute Absichten erschaffen manchmal böse Dinge und umgekehrt muss man sich fragen, ist das Böse tatsächlich böse?

Die Charaktere in diesem Roman sind allesamt erfrischend glaubhaft und abwechslungsreich. Selbst die stoische KI vermag es noch, den Leser zu überraschen. Man fühlt mit den Figuren mit und lässt sich federleicht von ihnen durch die Episoden dieser Reise tragen. Neben Salem Ben, der ein besonnener Suchender ist, spielt die Entität Keitus Vita die zweite wichtige Rolle in The Soul Consortium. Sie bringt einen Hauch Fantasy in den Roman und jagt einem ab einem gewissen Punkt eine Form von Furcht ein, wie es nur diese ganz alten Horrorfilme beherrschen, die mit dem arbeiteten, was sich im Schatten abspielt. Man weiß, da schleicht etwas hinter einem her, doch jedes Mal, wenn man sich umdreht, entschlüpft es der Wahrnehmung. So ungefähr fühlt es sich an, Keitus Vita zu begegnen. Er kriecht zwischen den Zeilen herum und beobachtet dich. Das Lesen im Bett, kurz bevor man das Licht löschen wollte, wird plötzlich sehr unangenehm …

Bei all den tiefgreifenden und spannenden Ideen oder den physikalischen bis mathematischen Zusammenhängen schafft es der Autor außerdem, seine Worte so klar und mit bedacht zu wählen, dass jeder die Vorgänge problemlos versteht und doch nie die Intelligenz erwachsener Leser beleidigt wird. Chronologie und Setting sind ebenfalls sehr gut ausgearbeitet und enthalten pfiffige Kniffe. Man erlebt die Weite und Stille des Universums, die Größe all dessen, was uns umgibt, und wird sich der eigenen Winzigkeit in diesem kolossalen Getriebe bewusst.
Es ist schlicht beeindruckend, was der Autor hier in einem kleinen Verlag als Erstlingswerk abgeliefert hat und es bleibt an dieser Stelle nur zu sagen: jeder der dieses Buch verschmäht verpasst ein großartiges Leseerlebnis und einen frischen Blick auf das, wozu Science Fiction fernab von Laserschwertern, Warpantrieb und Co. fähig ist.

Storm Front von Jim ButcherIn einem Hotel in Chicago wird ein Liebespaar ermordet aufgefunden. Im Bett. Noch immer im Akt vereint und mit explodierten Herzen. Eine nach Ansicht der Polizei eher ungewöhnliche und vor allem nicht zu erklärende Todesart. Doch klar ist, es handelt sich um Mord. Einen durch Magie herbeigeführten Mord. Da bleibt den Ermittlern nur eines zu tun: Sie ziehen den einzigen öffentlich praktizierenden Magier der Stadt zu Rate, den Privatdetektiv Harry Dresden, und ehe man sich versieht, steckt man knietief in magischen Formeln und wird von krötenähnlichen Dämonen verfolgt.

– People who know diddly about wizards don’t like to give us their names. They’re convinced that if they give a wizard their name from their own lips it could be used against them. To be fair, they’re right. –
Kapitel 1, S.5

Harry Dresden bedient viele Klischees des abgetakelten Privatdetektivs eines Film Noir. Das kann, je nach Natur des Lesers, entweder ein Plus- oder ein Minuspunkt sein. Für Fans dieses Filmgenres mag das entsprechende Setting in The Dresden Files nicht ganz authentisch wirken oder zu oberflächlich behandelt werden, doch glücklicherweise bietet Storm Front (Sturmnacht) einiges mehr als nur einen weiteren Detektivroman nach Schema F.

Die Hauptmerkmale des Buchs sind schnell erklärt: ein notorisch abgebrannter Magier-Detektiv in einer Welt wie der unseren, mit dem Unterschied, dass Magie real ist und Feen, Trolle, Vampire und andere Gestalten Seite an Seite mit den Menschen leben. Oft gehört, oft versucht, hat mancher Autor ein passables Ergebnis erreicht. Doch Harry Dresden dürfte der Vater aller ermittelnden Magier sein. Der Autor, Jim Butcher, schafft es, aus diesen nicht unbekannten Zutaten ein erstaunlich gut funktionierendes und stimmiges Gefüge zu machen. Zu verdanken ist dies u.a. einer Kombination aus interessanten Charakteren, einem dichten Plot und einem flotten, erfrischend unterhaltsamen Schreibstil. Die übernatürlichen Aspekte des Romans werden zwar mit Liebe zum Detail, aber nicht ausufernd langweilig geschildert. Kurz gesagt: Dieses Buch ist dreckig, blutig, absurd komisch, einfach gestrickt und macht schlichtweg süchtig.

Die Seiten von Storm Front fliegen also nur so dahin, mit viel trockenem Humor, rasanter Action und einem unglaublich sympathischen, fesselnden Hauptcharakter. Harry Dresden möchte eigentlich nur eins: sein Leben leben, seine Rechnungen bezahlen können und seine magischen Kräfte auf legale Weise benutzen. Mit seinen magischen Eskapaden und einer nicht ganz sauberen Vorgeschichte jedoch ist er, trotz seiner gelegentlichen Feigheit, ein Unikat in der Masse der Detektive. Harry ist der altmodische Typ Mann, der die Jungfrau in Nöten vor dem Drachen rettet, der die Unschuldigen vor dem Unheil beschützt, weil er das für seine Pflicht hält, auch wenn er ahnt, dass er dafür keinen angemessenen Dank bekommen wird. Altmodisch sind auch seine Ausrüstungsgegenstände, denn mit der modernen Technik steht er gezwungenermaßen auf Kriegsfuß. Magie und Elektronik, nein, das harmoniert ganz und gar nicht, da brennt auch der beste CD-Player durch.
Was diese Figur so richtig sympathisch macht, ist die Tatsache, dass sie viele gegensätzliche, aber sehr authentische Eigenschaften in sich vereint. Auf der einen Seite ist Harry der absolut selbstbewusste, stolze und gelehrte Magier und auf der anderen Seite ist er in mehrfacher Hinsicht menschlich und fehlbar, ungeschickt, tollpatschig und manchmal einfach nur dumm (und er weiß es in diesen Momenten selbst). Harry Dresden ist als Protagonist komplex genug, um eine ganze Serie an ihm aufzuhängen, mit einem ironischen bis selbstironischen Humor, der dafür sorgt, dass das Buch nicht zu ernsthaft wird. So kommt es auch vor, dass er seine teils durchaus ernsten Konflikte mit köstlichem Galgenhumor kommentiert.
Die Art, wie Dresden seine Welt dabei als Ich-Erzähler beschreibt, erlebt und mit ihr interagiert, ist so selbstverständlich und die Beschreibungen wirken derart gewöhnlich, dass man als Leser keine andere Wahl hat, als ihm zu glauben. Das wirkt trotz der magischen Schwerpunkte echt, lebendig und geradezu natürlich.

Storm Front ist nur der erste Teil einer umfangreichen Serie, das Buch schließt die Haupthandlung aber ohne Beanstandungen ab. Wer nun ein Kribbeln in den Fingern verspürt, sich den ersten Band anzueignen, aber kein Fan von Cliffhangern ist, darf also getrost aufatmen. Storm Front lässt dennoch genügend Geheimnisse offen, um neugierig auf den nächsten Band zu machen. Es mag kein besonders tiefgründiger Roman sein, aber er ist ein großes Lesevergnügen mit Spannung und vielen Lachern.

Summer Knight von Jim ButcherIn Harrys neuem Abenteuer trifft der Leser auf einen ausgebrannten und niedergeschlagenen Mann ohne Hoffnung. Die Körperhygiene des Detektivs hat merklich gelitten, seine Wohnung ist ein heruntergekommener Saustall, er hat seine Arbeit vernachlässigt, die unbezahlbaren Rechnungen stapeln sich. Doch am schlimmsten steht es um Harrys seelischen Zustand. Am Tiefpunkt seines Daseins angekommen tun sich nun nicht etwa Silberstreifen am Horizont auf, im Gegenteil. Es beginnt Kröten zu regnen, und um die Probleme noch zu verdoppeln, wollen nicht nur die Vampire des Roten Hofs Harry weiterhin tot sehen, sondern auch seine eigenen Leute vom Weißen Rat. Doch es kommt noch härter, in seinem Büro wartet jemand auf ihn, der tödlicher ist als jeder Vampir: die Winterkönigin der Sidhe.

– I was working for the queen of wicked faeries – well, Queen of Winter, of the Unseelie faeries, at any rate –
Kapitel 4, S. 38

Summer Knight (Feenzorn) setzt neun Monate nach den Ereignissen aus Grave Peril (Grabesruhe) an und bringt einen neuen Plot mit, der gleichzeitig an einen der vielen losen Fäden aus Harrys Vergangenheit anknüpft. Auch der Krieg zwischen dem Weißem Rat und dem Rotem Hof ist ein Thema, wird als nun übergeordneter Handlungsstrang jedoch eher beiläufig zu einem Stein, der die aktuelle Handlung ins Rollen bringt. Das zentrale Thema aber ist ein bevorstehender Krieg zwischen den Fae-Königinnen von Sommerhof und Winterhof. Mit der Einführung dieses keltisch verwurzelten Sagenlandes kommen viele märchenhafte und phantastische Figuren und Elemente zum Einsatz: Hochelfen, Feen, Oger, Trolle, Wechselbalge, Einhörner, Satyrn und etliche andere Fabelwesen haben ihren Auftritt in einem gelungen Mix aus Sagenwelt und moderner Realität. Man streift durch Faerie oder dunkle Gassen unterhalb Chicagos und findet verborgene Eingänge in fremde Reiche. In einer wunderbar stimmigen Atmosphäre kommt der Fan von Urban Fantasy mit Summer Knight voll auf seine Kosten.

Neben neu eingeführten Charakteren, die sich neben einigen Mitgliedern des Weißen Rats vor allem aus dem Feenreich der Sidhe rekrutieren, treffen wir auch auf alte Bekannte. Billy und seine Werwolfgang, die Alphas,  aus Fool Moon (Wolfsjagd) beteiligen sich aktiv an Harrys Fall. Dafür muss der Leser auf Michael, der in Grave Peril eine prominente Rolle einnahm, gänzlich verzichten. Was unseren Protagonisten Harry Dresden angeht, so erfährt der Leser einiges mehr aus dessen Vergangenheit und lernt sowohl den Weißen Rat als auch Personen aus seiner Zeit als Lehrling kennen.
Insgesamt ist es sehr schön, wie Summer Knight die oft angedeuteten Begebenheiten aus der Vergangenheit des Magiers aufgreift und weiter ausbaut. Hierdurch gewinnt der Charakter ebenso an Substanz wie auch die Geschichte an Überzeugungskraft. Die Handlung wirkt insgesamt deutlich homogener als der Vorgänger, was nicht zuletzt einem souverän konstruierten Plot zu verdanken ist, der sich auf eine Haupthandlung konzentriert.

Auch der Humor des Autors und seiner Protagonisten ist wieder erfreulich stark präsent und sorgt für zusätzliche Leseanreize. Ein bisschen trocken, ein bisschen schwarz und auch reichlich selbstironisch kommt Summer Knight mit flotten Sprüchen daher. Ein paar Figuren neben Harry verstehen durch bloße Anwesenheit zu amüsieren. Hier sei vor allem der kleine Toot Toot, der zum ersten und letzten Mal in Storm Front (Sturmnacht) einen kurzen Auftritt hatte, hervorgehoben. Was beinahe von der ersten Seite an zu herzhaftem Lachen verführt, steigert sich im Laufe des Buches proportional zu Harrys langsam beginnender seelischer Heilung. Während Grave Peril da insgesamt weniger Gefahren bot, sollte man Summer Knight daher möglichst nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln lesen. Schiefe Blicke, verursacht durch spontanes Auflachen, sind bei diesem Roman vorprogrammiert.

Bei all dem Lob sei darauf hingewiesen, dass auch Summer Knight gelegentlich noch an der ein oder anderen Kinderkrankheit leidet und stellenweise etwas bemüht wirkt. Doch der Roman hat viel zu bieten, was diese kleinen Mängel unwichtig erscheinen lässt. Magie, keltischer Mythos, ein Harry, der sich von ganz unten langsam wieder hocharbeitet, auch seine oftmals überspitzten Leiden kommen ein wenig realistischer daher – so wie Harry Dresden seinen Fokus in diesem Roman wiederfindet, so scheint sich nun auch Jim Butcher in seine Serie eingefunden und eine stabile Linie angepeilt zu haben. Sofern es in diesem Stil weiter geht, darf man von dem Folgeband, Death Masks, nur Gutes erwarten.

The Sweet Far Thing von Libba BrayDie Lage ist ernst. Der Kampf um das magische Reich und die Magie spitzt sich zu, auch das Verhältnis zwischen Gemma und ihren Freundinnen ist angespannt. Jeder möchte die Magie kontrollieren und Gemma notfalls dazu zwingen, sie abzugeben. Die junge Frau muss sich entscheiden, wem sie die Magie überlässt und welchen Pfad sie in ihrem Leben einschlagen will. Doch wird sie lange genug leben, um diese Wahl zu treffen? Und wird sie mit ihrer Entscheidung das drohende Unheil verhindern oder entfesseln?

– There is a particular circle of hell not mentioned in Dante’s famous book. (…) But I can say with all certainty that walking the length of a ballroom with a book upon one’s head and a backboard strapped to one’s back while imprisoned in a tight corset, layers of petticoats, and shoes that pinch is a form of torture even Mr Alighieri would find too hideous to document in his Inferno. –
Kapitel 1, S. 7

Willkommen zum Finale von Gemma Doyle!
Entschuldigung, sagte ich Finale? Willkommen am nervtötenden Ende einer Trilogie, die gut begann, trifft es wohl leider besser. Doch fangen wir vorne an.

Das dritte Abenteuer  der Gemma Doyle-Trilogie The Sweet Far Thing (Kartiks Schicksal) beginnt einmal mehr schleppend langsam, und auch nach 350 Seiten ist noch nichts Nennenswertes passiert, was die Handlung irgendwie vorantreiben würde. Gemma glänzt deutlicher denn je durch blindes Vertrauen, dumme Entscheidungen, nahezu hirnloses Verhalten, ist planlos, sprunghaft und hat sich seit Band 1 kein bisschen weiter entwickelt. Mit beharrlicher Konsequenz ignoriert sie weiterhin sämtliche Warnsignale und vergangenen Ereignisse. Auch die immer wieder betonte drängende Zeit bewegt unsere Heldin nicht dazu, notwendige Entscheidungen zu treffen. Stattdessen ergeht sie sich in sinnlosen Abenteuern und Streifzügen durch die Londoner Society oder das inzwischen stark gefährdete magische Reich, mit einer Gruppe von Freundinnen, bei der noch immer keine der anderen traut (man bedenke noch einmal: wir sind schon im finalen Band drei …) und auch alle sich benehmen wie verzogene, egoistische Gören. Jawohl, Gören. Man möchte sie regelmäßig ohrfeigen und schütteln und einfach nur hassen.

Nach rund 350 Seiten ist dann ein Hauch von Freude beim Leser angesagt. Es tauchen tatsächlich ein paar bekannte Puzzleteile auf, die sich plötzlich zusammenfügen. Spurensuche, Abenteuer und gelüftete Geheimnisse machen einem Hoffnung auf ein ansteigendes Lesevergnügen, doch man muss weiterhin Geduld beweisen und darf nicht zuviel verlangen.
Hat man es dann mit Mühe und Not bis auf Seite 429 geschafft, gut die Hälfte dieses Wälzers, trifft man auf eine Stelle, an der man sich tatsächlich fragt, ob einen die Autorin verhöhnen möchte. Gemma, die gerade selbst ein eher langweiliges Buch konsumieren muss, kommentiert ihr Leseerlebnis folgendermaßen (und drückt damit wunderbar aus, wie es einem bei der Lektüre gerade selbst ergeht):

With a sigh, I resign myself to combing through it page by page, though 502 pages is so many to wade through, and I curse authors who write such lengthy books when a few neat pages of prose would do.

Für diesen tiefschwarzen Sinn für Humor muss man die Autorin fast schon wieder loben.

The Sweet Far Thing spielt sich innerhalb weniger Monate ab, doch durch die extrem langatmige Erzählweise gewinnt man den Eindruck, es zögen Jahre ins Land, in denen wirklich nichts Interessantes passiert. Als Ausgleich ist dafür alles recht vorhersehbar.

Die letzten Kapitel ziehen dann aber doch ordentlich mit der Action an und alles, was man schon die ganze Zeit erwartet oder erhofft hat, kommt endlich in Gang. Wenig überraschend kommt dann aber auch das Ende daher, das einen vor allem frustriert zurück lässt. Nichts von diesem Buch bleibt so deutlich hängen wie das Gefühl, allein zu sein und nirgendwo hinein zu passen, begleitet von dem Schmerz des Verlustes, der Hoffnungslosigkeit, und irgendwie klingt die Botschaft stark nach: “du kannst dich noch so abrackern, am Ende bringt es dir ja doch nichts als Enttäuschung”.
Auch wenn die Mädchen es immerhin schaffen, letztlich ihren eigenen Weg einzuschlagen, und die Möglichkeiten der anbrechenden Zukunft erst einmal positiv klingen, wird das alles von der trägen Erzählweise und dem wenig motivierenden Ausgang dieser Trilogie überschattet.

Um ein ganz eindeutiges Fazit zu ziehen: lasst die Finger davon. Diese Buchreihe, die im ersten Band mit recht vielversprechenden Ideen begann, ist letztlich eine große, Zeit verschwendende Enttäuschung und wird mit jedem Band schlechter. Zu empfehlen sind die Fortsetzungen vermutlich nur jenen, die nach A Great and Terrible Beauty (Gemmas Visionen) schon völlig begeistert von Schreibstil, Charakteren oder was auch immer waren, alle anderen investieren ihre Zeit lieber in Bücher mit der Aussicht auf Unterhaltungswert.

Sweetly von Jackson PearceVor zwölf Jahren sind Ansel und seine Schwester Gretchen im Wald verfolgt und knapp einem Monster, einer bösen Hexe, entkommen. Gretchens Zwillingsschwester hatte weniger Glück und ist seitdem verschollen. Niemand glaubt den beiden die Geschichte von der Hexe, und über die Jahre hinweg ist die restliche Familie zerbrochen, die Eltern im Kummer verstorben. Nun, da beide volljährig sind, setzt die Stiefmutter die beiden kurzerhand vor die Türe und die beiden Geschwister machen sich auf in den Süden, um ein neues Leben zu beginnen. Doch eine Autopanne zwingt sie einen Zwischenstopp einzulegen der sie näher denn je an die Hexe heranbringt …

– They burst from the woods onto their cool lawn. Get inside, get inside. Ansel flung the back door open and they stumbled in, slamming the door shut. Their father and mother ran down the stairs, saw their childen sweaty and panting and quivering, and asked in panicky, perfect unison:
»Where’s your sister?« –
Prologue, S. 6

Sweetly ist der zweite Roman von Jackson Pearce mit einer Märchenneuinterpretation. Der geübte Leser wird natürlich schon erkannt haben, dass die Autorin sich diesmal dem Märchen um Hänsel & Gretel gewidmet hat, und das Ergebnis ist ganz ansehnlich.
Wie schon bei Sisters Red wurden die Kernelemente des Märchens übernommen und zu einer erwachsenen, düsteren Version der Geschichte verarbeitet. An dieser Stelle muss auch wieder das sehr treffende und stimmungsvolle Buchcover gelobt werden, welches die Atmosphäre und Handlung des Romans perfekt einfängt.

Die Charaktere in Sweetly sind beinahe alle von Verlusten und Schmerz geprägt. Ein großes Thema des Romans ist daher, wie dieser durch Ursache und Wirkung mit den Beweggründen und Charakterzügen der Figuren verflochten ist. Anders als in Sisters Red tritt die Action da etwas mehr in den Hintergrund, auch taucht die Hexe selbst nur selten auf. Vielmehr spielt das Buch mit dem Nervenkitzel, wann sie in Erscheinung treten wird, und wenn sie es tut, dann wird es blutig und tragisch.
Gretchen und Ansel haben ein enges Verhältnis zueinander, der Verlust ihrer Schwester in jungen Jahren hat sie zusammengeschweißt. Jackson Pearce schafft ein sehr einfühlsames und realistisches Gefühl dafür, wie es sein muss, im Schatten einer verschwundenen – und vermutlich toten – Schwester aufzuwachsen, einer Tochter, einer Freundin; das ganze bisherige Leben um sich herum zerbrechen zu sehen und mit den psychischen Folgen klarkommen zu müssen. Verständlich, dass dieser Handlungsstrang nicht ohne eine gewisse Melancholie auskommt. Obwohl beide Geschwister sehr für den anderen sorgen und kaum andere Kontakte in ihrem Leben haben, freunden sie sich schnell mit Sophia an, einer Süßwarenbäckerin, die mitten im Wald lebt, als sie mit dem Auto in dem kleinen Städtchen Live Oak liegen bleiben. Beide blühen auf und gewinnen mehr individuellen Spielraum. Vor allem Gretchen, deren Leben sich beinahe nur um die Furcht vor dem Wald und die Frage drehte, warum sie überlebt hat und ihre Zwillingsschwester nicht, durchläuft einen großen Änderungsprozess. Sophia verbirgt jedoch selbst ein dunkles Geheimnis unter ihrem lieblichen Lächeln und macht deutlich, dass die Dinge nicht immer klar schwarz und weiß sind.

Etwas schade ist, dass die Handlung schnell durchschaut ist, während die Protagonisten länger dafür brauchen, zu denselben Erkenntnissen zu gelangen. Das nimmt dem Roman ein wenig den Antrieb. Auf der anderen Seite ist es schön, der Neuinterpretation zu folgen und zu entdecken, was die Autorin aus dem Märchen noch machen wird.

Sweetly ist wie Sisters Red ein in sich geschlossener Roman und kann völlig unabhängig von den weiteren Titeln in dieser Nacherzählungsreihe gelesen werden. Im Verlaufe von Sweetly zeigt sich aber, dass die Bücher zumindest einen gemeinsamen Nenner haben, der sie möglicherweise alle verbindet und ein Gesamtbild zeichnen könnte. Ob dem so ist und wie stark die Verbindung sein wird, dürfte sich sicherlich mit dem dritten Roman Fathomless zeigen.

The Tales of Beedle the Bard von J.K. RowlingMärchen gibt es schon seit Urzeiten in jeder Kultur. Auch die Zauberer und Hexen aus dem Harry-Potter-Universum haben ihre eigenen Märchen, die uns Muggles nun ebenfalls vorgestellt werden. Von springenden Zauberkesseln, über spitzfindige Hexen bis hin zum Zauberbrunnen begegnet der Leser allem, was das junge Herz begehrt.

– There was once a kindly old wizard who used his magic generously and wisely for the benefit of his neighbours. Rather than reveal the true source of his power, he pretended that his potions, charms and antidotes sprang ready-made from the little cauldron he called his lucky cooking pot. From miles around people came to him with their troubles, and the wizard was pleased to give his pot a stir and put things right. –
The Wizard and the Hopping Pot

LeserInnen der Harry Potter-Buchreihe wird The Tales of Beedle the Bard (Die Märchen von Beedle dem Barden) ein Begriff sein. Im siebten und letzten Band von Harry Potter, The Deathly Hallows (Die Heiligtümer des Todes), spielt eines der Märchen von Beedle dem Barden eine wichtige Rolle bei der Lüftung eines Geheimnisses rund um Schuldirektor Albus Dumbledore und ein paar sehr mächtiger, verschollener Gegenstände. Für sich betrachtet ist diese kleine Märchensammlung für heranwachsende Zauberer und Hexen aber gänzlich unabhängig von Harry Potter und seinen Abenteuern.

Man könnte The Tales of Beedle the Bard als magische Übersetzung der Märchen der Gebrüder Grimm und anderer betrachten. Was für uns das Rotkäppchen ist, ist für einen Ron Weasley vielleicht Babbity Rabbity.
Zwar werden hier insgesamt keine uns bekannten Märchen neu erzählt, doch sie erinnern gelegentlich daran und sorgen dadurch für ein vertrautes Leseempfinden. Da gibt es kurze Momente, in denen schießen einem bei Märchen wie The Hairy Heart Namen wie Dorian Gray (zugegeben, das ist kein klassisches Märchen) durch den Kopf, woanders fühlt man sich subtil an den Struwwelpeter oder Der süße Brei erinnert. Obwohl es oft nur wenige Kleinigkeiten sind, die diese Assoziationen auslösen, vermittelt das einen Bezug zu unserer vertrauten Welt und lässt die Märchen von Beedle greifbarer werden.

Wie es für Märchen üblich ist, sind The Tales of Beedle the Bard sprachlich sehr schlicht gehalten, auch für Leser mit wenig englischsprachiger Leseerfahrung kein Problem.  Es handelt sich natürlich auch um kurze Geschichten, die mit einer moralischen Botschaft aufwarten, ganz so, wie wir es von Märchen kennen. Autorin J.K. Rowling kopiert dabei das Wesen traditioneller Märchen sehr gut und baut auch solche Szenen ein, die man heute oft als nicht kindgerecht, brutal und gewaltverherrlichend bezeichnet. Sicherlich ist dies auch als Seitenhieb auf Kritiker alter Märchen gedacht, die der Meinung sind, abgeschnittene Daumen hätten in solchen Geschichten, seien sie auch Teil unseres literarischen Erbes, nichts zu suchen. Deutlich belegt wird dieser Standpunkt in einem Auszug über eine fiktive Autorin, welche die Märchen von Beedle neu erzählt hat – harmlos, zuckersüß, flauschig, kitschig rosa bis babyblau … und unerträglich zu lesen.

Da wir Muggles als nicht-Zauberer und nicht-Hexen aber auch viele erwähnte Namen und Hintergründe nicht ohne weiteres verstehen und die Moral der Geschichte dadurch verloren zu gehen droht, liefert diese Märchensammlung im Anschluss an die jeweilige Geschichte auch gleich eine Interpretation mit, die in Form von Albus Dumbledores persönlichen Notizen dazu daherkommt.
Die Autorin J.K. Rowling tritt in diesem Buch als eine Art Herausgeberin oder Muggle-Korrespondentin auf, die sich nur in Fußnoten zur weiteren Erläuterung einzelner Begriffe zu Wort meldet. So erzeugt sie den Eindruck, diese Sammlung sei von drei Personen zusammengetragen worden. Beedle der Barde, als eigentlicher Erzähler, Albus Dumbledore, als Analyst der Märchen und Rowling selbst, als Vermittlerin zwischen Zauberern & Hexen und uns den Muggle-Lesern.

Wer sich also gerne noch einmal als Kind fühlen und in die Welt der Märchen eintauchen möchte, dem bietet The Tales of Beedle the Bard die Gelegenheit dazu. Ob man solche Märchen nun seinen Kindern ebenfalls vorlesen möchte oder nicht, sei dabei jedem selbst überlassen, genug Anreiz bietet diese Märchensammlung für beide Gruppen, und Alpträume dürften sie keinem bescheren.

Ein Wort zur Aufmachung:
Bei der hier besprochenen Ausgabe handelt es sich um eine limitierte Sonderausgabe, die sehr aufwendig mit Ledereinband, Leseband, Samtbeschichtung und Buchschatulle in Goldschnitt-Manier erstellt wurde. Innenliegend findet sich nicht nur das eigentliche Märchenbuch, mit aus Metall gefertigten Fresken, die Elemente aus den Märchen zeigen, sondern auch eine Sammlung von ca. DIN A4 großen Skizzen der Illustrationen zum Buch. Der Text selbst spielt, dunkelblau auf weiß, mit verschiedenen Typografien, je nachdem, welcher der “drei” Autoren gerade das Wort hat. Die einfachen von Hand gezeichneten Illustrationen von J.K. Rowling zieren zusätzlich die Geschichten und runden das Gesamtbild eines Märchenbuches ab.
Die unten stehenden Angaben und das eingangs abgebildete Cover dagegen beziehen sich auf die handelsübliche Ausgabe, denn die limitierte Edition ist nur noch schwer und teuer zu bekommen. Da es sich aber eindeutig lohnt, die Sonderedition wenigstens einmal gesehen zu haben, hier ein paar bildhafte Eindrücke dazu:
The Tales of Beedle the Bard: Collector's Edition (1)

The Tales of Beedle the Bard: Collector's Edition (2)

A Test of Mettle von Kevin HearneWährend Atticus in Asgard das Gefüge der nordischen Götter ins Wanken bringt, bleibt sein Lehrling Granuaile in Arizona zurück, wo sie der Erdelementaren Sonora helfen will, ein ökologisches Ungleichgewicht wieder ins Lot zu bringen. Unvorhergesehen tauchen jedoch die Tuatha Dé Danann auf und unterziehen Granuaile einem Test, der leicht tödlich ausgehen könnte.

– Already I am made wholly new. Though I probably do not look any different, I feel as if the world must see me in a new way now that I can see the world as it truly is. –

A Test of Mettle ist eine Kurzgeschichte aus dem Zyklus The Iron Druid Chronicles (Die Chroniken des eisernen Druiden). Den Text kann man sich kostenlos auf der Website des Autors herunterladen. Zu beachten wäre hierbei lediglich, dass die Ereignisse zeitgleich zu Hammered (dem dritten Band der Buchreihe) stattfinden, auch wenn sich die enthaltenen Spoiler in Grenzen halten. Um die kleinen Details von A Test of Mettle wirklich genießen zu können, sollte man die Reihenfolge aber beibehalten und dies als Band 3.1 betrachten.

Die Kurzgeschichte kommt anders daher als die Romane. Nicht nur erleben wir diesmal die Ereignisse aus Sicht der Lehrlings-Druidin Granuaile, Kevin Hearne schafft es auch, dieser bisher sporadisch auftauchenden Figur einen eigenen Charakter einzuhauchen. Auf den Humor muss der Leser dabei leider erst einmal verzichten, denn obwohl Oberon mit von der Partie ist, erlebt man von seinen sonst so unterhaltsamen Gedanken nichts. Es gibt hier auch keine flotten Actionszenen oder schlagfertigen Sprüche. Die Geschichte ist anders als Atticus’ Abenteuer, aber nicht schlechter.
A Test of Mettle punktet mit Einsichten in Granuailes Vergangenheit, ihre Reaktionen auf ihre neuen Aufgaben als angehende Druidin und auch einen möglichen Grund für ihren Entschluss, dem Weg des Druiden zu folgen. Was dem Leser hier präsentiert wird, ist eine zunächst unscheinbare Erzählung, die eine tiefgreifende Facette von Granuaile offenbart, die sonst neben Atticus bisher immer eher ein blasser Sidekick war. Was der Autor ihr in diesen wenigen Seiten an Persönlichkeit verleiht, könnte den Grundstein für eine spannende Nebenhandlung kommender Bücher der Reihe darstellen, und man darf gespannt sein, welche Konsequenzen dieser Einblick in Granuailes Leben haben wird.

Three Parts Dead von Max GladstoneVierzig Jahre nach dem Krieg zwischen den alten Göttern und den gleichmächtigen Magiern gibt es nur noch wenige Städte, die von einer der alten Gottheiten regiert werden. Kos Everburning ist die Gottheit von Alt Coulumb und gerade dahingeschieden, als der Novize Abelard sein Gebet abhält. Mit dem unerwarteten Ableben des Gottes droht das von Götterkraft angetriebene Alt Coulumb nun beim nächsten Vollmond in sich zusammen zu fallen. Wen ruft man in so einem Fall? Die Thaumaturgen von Kelethres, Albrecht & Ao natürlich – um mit etwas Glück ein Fragment des Gottes wiederauferstehen zu lassen und die Stadt so vor dem sicheren Untergang zu bewahren.

– When the Hidden Schools threw Tara Abernathy out, she fell a thousand feet through wisps of cloud and woke to find herself alive, broken and bleeding, beside the Crack in the World. –
1

Willkommen zu Three Parts Dead, der vermutlich besten Neuentdeckung des gesamten Jahres! Selten ist mir ein solch gelungenes Konzept untergekommen wie in diesem Roman von Autor Max Gladstone. Es beginnt mit einem schlüssigen Magiesystem: Menschen beten zu ihrer Gottheit, die Gottheit erhält dadurch Macht, die Gottheit nutzt die Macht, um das Leben der Menschen zu verbessern, indem z.B. für warme Häuser gesorgt wird oder für ein Verteidigungssystem der Stadt. Auf dieser Basis ist eine ganze Wirtschaft entstanden. Nicht-Anbeter können gegen eine Gebühr Verträge mit den Göttern abschließen. Sie gewinnen dadurch temporär etwas Macht von der Gottheit und zahlen sie gewinnbringend zurück. Das Ganze führt zu einem fantastisch ausgearbeiteten Weltenbau mit facettenreichen Charakteren. Als nun Kos Everburning stirbt, ist es die Aufgabe von Miss Kevarian und ihrer Auszubildenden Tara Abernathy, herauszufinden, wie es zum Tod von Kos kommen konnte, dessen Verträge auf den ersten Blick ausgeglichen aussehen – und doch führte irgendetwas zu einem Machtverlust, der schlagartig so groß war, dass es ihn das Leben gekostet hat. Die Basis dieses durchdachten Romans bildet die daraus resultierende Kriminalermittlung.

Der Roman spielt sich irgendwo in einer Parallelwelt ab in der die Menschen gelernt haben sich einer Magie zu bedienen, die den Göttern ebenbürtig ist. Zeitlich oder örtlich lässt sich die Welt nicht eindeutig zuordnen. Es gibt Elemente von Frühindustrie, epischer Fantasy, Gaslichtatmosphäre und ein teils vertrautes Rechtssystem wie vertraute Gottheiten. Das Stadtbild von Alt Coulumb kommt eindrucksvoll, lebendig und voller Gegensätze daher: ein moderner Club, im Aufbau Dantes sieben Stufen der Hölle nachempfunden, wird monolithischen Steinbauten gegenübergesetzt, die an die goldenen 20er Jahre oder Gotham City erinnern, fahrerlose Pferdekutschen fungieren als Taxis und verströmen einen Hauch von 19. Jhrd. und dann ist da noch das vermutlich coolste Polizeisystem seit Erfindung der Fantasy.
Seril, einst Göttin der Gerechtigkeit und Geliebte des Feuergottes Kos, starb vierzig Jahre zuvor im Krieg zwischen Göttern und Magiern. Ihre Macht wurde von einem Thaumaturgen gewandelt und so entstand »Justice« – ein transformiertes und wiederbelebtes Fragment der einstigen Göttin, das nun für Gesetz und Ordnung in Alt Coulumb sorgt. Justice wird von vielen freiwilligen Menschen verkörpert, die für die Dauer ihrer Arbeitsschicht zu sogenannten »Blacksuits« – einem Teil von Justice selbst – werden. In dieser Zeit werden die Blacksuits von dem kollektiven Geist geleitet, die persönlichen Emotionen verstummen, der Verstand wird ausschließlich auf das bestehende Recht ausgerichtet. Die Blacksuits gewinnen übermenschliche Kraft, sind nahezu unverwundbar und ihr äußeres Erscheinungsbild verändert sich zu einer monochromen Maske in der Masse nachtschwarzer Gestalten. Nachteile hat das System für die Blacksuits allerdings auch, denn die Zeit als Teil von Justice wirkt wie eine Droge auf die Freiwilligen und führt bei manchen zu Entzugserscheinungen. Wenn nichts anderes an diesem Roman interessant genug wäre, ihn zu lesen, so würde diese Personifizierung der Gerechtigkeit schon ausreichen, um das Ruder noch herumzureißen. Doch glücklicherweise gibt es mehr!

All das erfährt man als LeserIn schon auf den ersten Seiten, und doch stecken hierin ungleich viele Informationen, die es erst einmal zu verarbeiten gilt. Dies wird im Verlauf der Handlung durchaus nicht viel einfacher. Autor Max Gladstone fackelt in seinem Roman nicht lange mit Vorgeschichte und Aufbau von Hintergrundwissen. Er wirft seine Leserschaft einfach mitten ins Geschehen und lässt sie nach und nach das Puzzle dieser Welt zusammentragen. Für Schnellleser und jene, die einfach nur seichte Unterhaltung möchten, dürfte sich Three Parts Dead daher als Stolperfalle erweisen, denn hier ist ein eingeschaltetes Hirn und aufmerksames Lesen Pflicht, will man den Zusammenhängen folgen können. Das ist jedoch alles andere als negativ zu sehen. Dieses Buch ist tatsächlich erfrischend anders und sein Autor widersetzt sich mit Bravour dem Trend, das Denken für die Leserschaft zu übernehmen.

Auch die Charaktere lassen nichts zu wünschen übrig. Von der kleinsten Nebenfigur bis zur tragenden Hauptrolle böten alle Figuren dieses Romans genug Stoff für eine eigene Geschichte. Da gibt es den kettenrauchenden jungen Novizen Abelard, der gerade eine berechtigte Glaubenskrise durchmacht und dazu verdonnert wird, Tara Abernathy zur Hand zu gehen. Tara ist gerade erst von den Hidden Schools als Magierin graduiert und anschließend unsanft aus den Wolken gestoßen worden. Abelard ist eher der ruhige, etwas sensible und schüchterne Typ, Tara dagegen hat sich bereits ihre Narben verdient und ist sowohl schlagfertig als auch unkompliziert im Umgang mit anderen. Sie scheut sich nicht davor, jemandem das Gesicht zu stehlen, was durchaus blutig und wörtlich zu nehmen ist. Das Besondere an Tara ist außerdem, dass sie sich ihr Leben ausgesucht hat. Gerade bei weiblichen Charakteren ist es oft so, dass sie in ihre Rolle gedrängt wurden, Tara dagegen ist eine starke Persönlichkeit, die eine bestimmte Karriere anstrebt.
Neben diesen beiden Hauptfiguren gesellen sich noch eine ganze Menge weiterer hinzu, die mal prominenter, mal seltener in Erscheinung treten. Shale, der Gargoyle, Cat, die Vampirbiss-Abhängige, Raz, der Vampir-Pirat … Es ist gesellig und lebendig in Three Parts Dead.

Was die Lektüre zusätzlich zu etwas Besonderem macht, ist, dass hier auf ganz außergewöhnlich leichte Art und Weise sämtliche Klischees und Vorurteile umschifft werden. Sei es nun das Thema Rasse oder die allseits (un-)beliebten Genderrollen, in Max Gladstones Welt sind alle gleich. Hautfarben spielen in der Gesellschaft überhaupt keine Rolle und werden nur beiläufig als körperliches Merkmal genannt. Genderprobleme gibt es nicht. Männer denken im maskulinen Wortschatz, Frauen im femininen. Gibt es z.B. einen unbekannten Täter mit unbekanntem Geschlecht, so denkt Tara »die Täterin war vermutlich…« während ein männlicher Kollege mit »der Täter war vermutlich…« beginnt. Wer nun glaubt das müsse verwirrend sein, der täuscht. Es funktioniert völlig unproblematisch und ist wunderbar zu lesen.

Three Parts Dead ist ein absolut gelungener Roman. Er bietet eine große Vielfalt und komplexe Inhalte, die so nahtlos ineinandergreifen, dass der Roman auf eine fiktive Art realistisch wird. Er versucht nicht »historisch korrekt« zu sein, sondern logisch durchdacht, um in einem eindeutig als Alternativwelt erkennbaren Setting überzeugend zu werden.

Es gibt eine Fortsetzung (Two Serpents Rising), die im kommenden August erscheinen soll. Bisher scheint es aber nur eine Geschichte in der selben Welt mit anderen Charakteren zu sein. Ob dort auch bekannte Figuren auftauchen oder Aspekte der Handlung aus Three Parts Dead wieder aufgegriffen werden ist noch nicht bekannt. Three Parts Dead ist daher zunächst einmal als Einzelroman zu betrachten.

Timeless von Gail CarrigerZwei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Töchterchens Prudence leben Alexia und Conall Maccon weiterhin im Ex-Kleiderzimmer des exzentrischen Vampirs Akeldama, als eine Einladung der Vampirkönigin Alexandrias die gefürchtete Badenacht unterbricht und die Familie zu einer Reise nach Ägypten nötigt. Da bei den Maccons nichts ohne fliegende Fetzen von Statten geht, wird die Reise selbst zum Auftakt abenteuerlichen Chaos, bei dem die anwesende Theatergruppe der Familie Tunstell selbstverständlich nicht zu einer Verbesserung der Ordnung beiträgt.

– »I believe that it is bath night, madam.«
Lady Maccon paled in horror. »Oh, goodness. We had best escape quickly, then, Conall, or I’ll never be able to get away in time for–«
Clearly summoned by her fear of just such a delay, a knock sounded at Lord Akeldama’s third closet door. –
Kapitel 1, S. 3

Willkommen zum Finale des Parasol Protectorates!
Um es gleich vorweg zu nehmen: Timeless (Sengendes Zwielicht) ist ein solider Abschluss, durchaus, jedoch kommt das Buch nicht mehr an die Genialität des Auftaktromans Soulless (Glühende Dunkelheit) heran und verliert, wie schon bei Heartless geschehen, noch einmal etwas von dem ursprünglichen Charme und Witz dieser Reihe, da es zu viele Baustellen bei gleichbleibender Seitenzahl gibt.
Doch sie tauchen zwischendurch immer mal wieder auf, die urkomischen Momente, in denen sich der geneigten Leserschaft herrliche Bilder absurdester Komik präsentieren. Das zeigt sich besonders in Tochter Prudence’ kindlichen Aktionen, sowie in ihren Auftritten als Mini-Vampir oder Mini-Werwolf, in Ivy Tunstell, die nicht nur eine Vorliebe für peinlich geschmückte Hüte hat, sondern auch für peinliche Namen, in miteinander flirtenden Werwölfen, luftkranken Alphas und lispelnden Jung-Vampiren.
Da hier aber sehr viele Charaktere ihr ganz persönliches (Happy-)End bekommen, treffen in Timeless viele, wenn auch zusammenhängende, Handlungsstränge aufeinander, bei denen die weitere Entwicklung der einzelnen Figuren zwangsläufig etwas auf der Strecke bleibt und so an Tiefe vermissen lässt. Deutlich wird dies insbesondere bei Conall Maccon und Alexia selbst, deren Entwicklung zum Stillstand gekommen ist, vielleicht auch, weil sie, zumindest in emotionaler Hinsicht, keine neuen Wege beschreiten können. Die Ereignisse zwischen ihnen sind so oder so ähnlich schon da gewesen und man ahnt als LeserIn sofort, dass da schon eine Lösung für das gerade entstanden Problem hinter der nächsten Ecke wartet. Ein Mitfiebern mit den Charakteren gestaltet sich daher eher schwierig.

Während sich jeder Charakter auf seinen persönlichen Abschluss zubewegt, bleiben viele Fragen der übergeordneten Handlung und Vergangenheit um Alexias Vater und der gemeinsamen Vergangenheit von Werwölfen, Vampiren und Seelenlosen ungeklärt. Somit liefert auch Timeless keine wirkliche Auflösung zu dem Gesamtthema, was sehr schade und leider auch enttäuschend ist, da man sich als LeserIn von dem Aufbruch nach Ägypten doch ein bisschen mehr Hintergrundgeschichte dieser Parteien und ein wenig archäologische Graberei verspricht.
Natürlich hält diese Auslassung für die Autorin aber auch die Option offen, beizeiten noch einmal zu dieser Serie zurückzukehren oder das Thema vielleicht in dem geplanten Sequel um Tochter Prudence fortzusetzen.

Ein großes Plus gewinnt Timeless dafür durch seinen ästhetischen und liebevollen Umgang mit der Homosexualität zwischen zwei männlichen Hauptfiguren des Parasol-Protectorate-Universums. Selten so selbstverständlich und alltäglich in das Gesellschaftsbild eingearbeitet, schafft Timeless es ganz problemlos, die gedankliche Hürde zu nehmen, die einen solche Entwicklungen häufig als ungewohnt und persönlich unzugänglich empfinden lassen. Die nunmehr deutlich vorhandenen Andeutungen homosexueller Interaktionen wirken jedoch zu keiner Zeit befremdlich. Im Gegenteil, man freut sich für das frische Paar und lächelt mit ihm.
Auch die Idee eines Nomadenvolks der Lüfte, mechanische Reitkäfer, die optische Rettung eines scheinbar hoffnungslos verunstalteten Sonnenschirms sowie die lebenserhaltende Apparatur einer Vampirkönigin mit Todeswunsch sorgen für Steampunk-Atmosphäre und wecken Erfinderlaune.

Am Ende von Timeless und damit auch am Ende des Parasol Protectorate angelangt, hat man gelacht, geweint, sich manchmal etwas mehr Spannung und mehr Antworten gewünscht, doch man wird die Serie vermissen und sich auf jeden Fall fragen, ob es in Prudence und Imprudence, welches im selben Universum spielen wird, ein Wiedersehen mit alten Bekannten in neuen Positionen geben wird. Verstärkt wird diese Frage durch verschiedene überraschende Entwicklungen, die die Londoner Gesellschaftsverhältnisse ordentlich aufmischen und sowohl große Veränderungen für das Werwolfsrudel, als auch für die örtliche Vampir- und Modeszene bedeuten. Mit möglicherweise fatalen Folgen für letztgenannte …
Im Zuge dieser Entwicklungen jedenfalls fällt die Angabe eines Zeitraums “in 15-20 Jahren vielleicht”, was sich mit dem Alter der Protagonistin deckt, das sie, ersten Angaben der Autorin zufolge, in Prudence und Imprudence haben wird.

Timeless ist vielleicht nicht das beste Buch in dieser Reihe und bietet auch keinen Abschied mit fulminantem Abgang, doch es schließt die Reihe würdig und rechtzeitig ab und lässt darüber hinaus Raum für Spekulationen.

Praise the ruffled parasol!

The Titan's Curse von Rick RiordanBei dem Auftrag, ein Geschwisterpaar von Halbgöttern sicher ins Camp zu bringen, wird Annabeth von einem uralten Feind entführt, der mit Kronos im Bunde steht. Doch das ist nicht Percys einziges Problem. Neben Annabeth verschwindet auch die Göttin Artemis, die den Olymp als einzige überzeugen kann, sich gegen die drohende Gefahr durch die Titanen zu wappnen. Percy, Halbgöttin Thalia, Satyr Grover und zwei von Artemis’ Jägerinnen machen sich auf den Weg, um Annabeth und Artemis zu finden und zu befreien. Doch die Gefahren sind größer denn je und Verluste scheinen unvermeidlich.

– Annabeth was kneeling under the weight of a dark mass that looked like a pile of boulders. She was too tired even to cry out. Her legs trembled. Any second, I knew she would run out of strength and the cavern ceiling would collapse on top of her. –
Everybody hates me but the horse, S. 106

Im dritten Band von Percy Jackson wird es allmählich ernst. The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) startet düsterer als seine beiden Vorgänger The Lightning Thief (Diebe im Olymp) und The Sea of Monsters (Im Bann des Zyklopen), denn die Bedrohung durch die Monster und den Titan Kronos rückt immer näher. Längst vergessene Kreaturen erwachen aus ihrem Schlaf und bedrohen die Herrschaft der olympischen Götter. Die Stimmung ist sowohl unter den Göttern, als auch unter den Halbgöttern angespannt. Obwohl sich die Handlung in erster Linie um die Rettung von Annabeth und Artemis dreht, baut Riordan im vorliegenden Roman den roten Faden der Buchreihe deutlich weiter aus, wirft gleich mehrere Geheimnisse in den Raum, die auch zum Teil zunächst ungelöst bleiben. All das trägt dazu bei, dass der dritte Band an Spannung gewinnt.

Wie auch die beiden Vorgänger kommt The Titan’s Curse aber zunächst nur langsam in Fahrt und auch die ersten Verluste vermögen keine großen Emotionen auszulösen. Doch gerade als man davon überzeugt ist, das Buch präsentiere sich ähnlich distanziert wie seine Vorgänger, wird man eines besseren belehrt.
Die Götter, die zunächst weiterhin unnahbar wirken und sich bisher nicht gerade als Eltern des Jahres gezeigt haben, treten zum Ende hin endlich einmal stärker in Erscheinung. Sie gewinnen merklich an Substanz und Persönlichkeit und man merkt zum ersten Mal, dass sie tatsächlich die Eltern unserer Helden sind. War es anfangs noch schwierig, emotionale Brücken herzustellen oder gar Sympathien für eine der Gottheiten zu entwickeln, werden einem im Verlauf von The Titan’s Curse gleich mehrere zur Auswahl geboten.

Einen besonders charmanten Auftritt geben sich die Göttin der Jagd, Artemis, und ihre ewig Kind bleibenden Jägerinnen, die mit Frauenpower – oder in diesem Fall Mädchenpower – nicht nur den Monstern das Fürchten lehren. Das selbstbewusste Auftreten der Jägerinnen, deren Gruppe ausschließlich und absichtlich nur aus Mädchen besteht, sorgt auch immer wieder für Momente zum Schmunzeln. Als Jägerinnen im Dienste von Artemis haben sie alle der romantischen Liebe abgeschworen und tragen ihre emanzipierte Denkweise gerne und ausgiebig zur Schau. Das sorgt für unterhaltsame Gefechte zwischen ihnen und der männlichen Belegschaft, aber auch mit den Töchtern der Aphrodite lassen sie gerne einmal die Fetzen fliegen. Es ist einfach amüsant, Percys sarkastischen Gedanken zu folgen, wenn die Jägerinnen ihm einmal mehr unter die Nase reiben, dass er als Junge nun wirklich nicht das große Los gezogen hat. Trotzdem artet es nie in ein Frauen-vs.-Männer-Bashing aus, sondern wird zu einem gut ausbalancierten Geflecht weiblicher und männlicher Stärke, die gleichberechtigt miteinander funktionieren.
In diesem Zusammenhang lernt der Leser auch Artemis’ Zwillingsbruder, den Gott Apollo, kennen. Apollo ist das ganze Gegenteil seiner Schwester: großspurig mit einem Ego so groß wie die Welt, ein Charmeur, der die gewählte Enthaltsamkeit seiner Schwester so gar nicht teilt und auch gerne mal einen Flirt mit einer der Jägerinnen versucht. Daneben gibt er mittelmäßige Gedichte zum Besten, fährt einen buchstäblich heißen Wagen und wirkt wie ein Teenager mit zuviel Energie.
The Titan’s Curse lebt daher vor allem durch die gegensätzlichen Charaktere, die sich hier gegenübertreten und für viel Wirbel sorgen. Mit diesen und anderen neu eingeführten Figuren bringt Riordan außerdem gänzlich neue Möglichkeiten und Zweifel beim Leser auf den Plan. Keiner ist so schlicht, wie er im ersten Moment wirkt.

Ein ganz großes Plus des Buches ist die Weiterentwicklung der Mythologie. Wurde in den vorigen Bänden hauptsächlich bereits Bekanntes neu nacherzählt und im Prinzip auf gleiche Weise erlebt, so bewegt sich Riordan diesmal erfreulicherweise aus den Schablonen der Geschichte heraus und erzählt etwas neues mit alten Bekannten. Vorbei das Zähneknirschen, wenn man sich als Leser fragte, ob so ein Monster nicht aus seiner Vergangenheit gelernt haben müsste.

Zusammengefasst lässt sich sagen, The Titan’s Curse stellt den bisher stärksten Band dieser Buchreihe dar. Es lässt nichts an Humor fehlen, gewinnt aber zusätzlich an Spannung, Innovation und Charakterzeichnung – obwohl die Handlung insgesamt ernster ist als in den Vorgängern. Wer sich also von The Lightning Thief und The Sea of Monsters schon gut unterhalten gefühlt hat, der wird mit The Titan’s Curse noch zufriedener sein.

Trapped von Kevin HearneEigentlich sind Atticus’ Ansprüche recht niedrig, möchte er doch nichts weiter als Granuailes Training beenden und ihre Tattoos auftragen, die sie zu einem vollwertigen Druiden machen und ihr die Fähigkeiten verleihen, die sie zum Überleben braucht. Doch bevor Atticus sie an die Erde binden kann, platzt Donnergott Perun in die Szene, dicht gefolgt von Loki. Das russische Götterreich wurde völlig niedergebrannt von dem nordischen Gott der Lügen, der sich zu früh aus seinem Gefängnis befreit hat. Steht Ragnarök nun ein ganzes Jahr früher bevor als gedacht? Und wird es Atticus gelingen, seine Schülerin an die Erde zu binden, bevor er, sie oder beide getötet werden?

– When in doubt, blame the dark elves. –

Im nunmehr fünften Teil der Iron Druid Chronicles wird Atticus von dem Chaos eingeholt, welches er zwölf Jahre zuvor in Asgard verursacht hat. Loki wurde zu früh befreit, Donnergott Perun, seiner Heimat beraubt, sucht Unterschlupf im Reich der keltischen Götter, wo er nichts anbrennen und seinen rustikalen Charme spielen lässt. Irgendwo dort befindet sich vermutlich auch ein Verräter, der oder die gleich mal Attentäter in Form von u.a. Dunkelelfen auf Atticus und Granuaile ansetzt. Dunkelelfen sind nicht nur grundsätzlich zu beschuldigen, sondern auch ernst zu nehmende Gegner, wie Atticus wenig begeistert feststellen muss. Zwerge rasieren sich nebenbei auch noch die Bärte ab und die Vampire sind ebenfalls nicht fern. Wurden die Mörder-Clowns schon erwähnt?

Eines kann man über Trapped gleich sagen: es passiert verdammt viel!

Nicht nur, dass sich nordische, keltische, griechische und römische Mythologie und ihre verschiedenen Götter die Klinke in die Hand geben, es tut sich auch einiges im Bereich Charakterentwicklung. Es gibt tiefe Einblicke in Atticus früheres Leben, Granuaile tritt zum ersten Mal als Druidin auf (und was für eine!) und das keltische Reich Tír na nÓg wird deutlicher in den Mittelpunkt gerückt. Sehr gefallen dürfte auch, dass in Trapped verschiedene lose Handlungsstränge aus den vorherigen Bänden eine würdige Zusammenführung finden. Trotz der vielen Ereignisse in diesem Band hat man dabei erfreulicherweise nie das Gefühl, der Autor überstürze etwas oder arbeite eine Art Einkaufsliste ab. Die Geschichte ist wieder sehr gut gelungen und die gewohnte Portion Humor ist freilich auch mit dabei.

Trapped bietet letztlich alles, was sich der eingefleischte Fan dieser Serie nur wünschen kann. Die Handlung ist stimmungsvoll, glaubhaft, zum Brüllen komisch, ein bisschen sexy, ein bisschen romantisch und außerdem spannend bis zum letzten Moment. Wie der Appetit auf Popcorn außerdem brenzlige Situationen auflösen kann, erfährt man ebenfalls in diesem Band.
Für einen kurzen Moment Panik bei der Leserschaft sorgt eventuell das unerwartet offene Ende, welches unseren Druiden in einer Situation verlässt, die man nur als haarsträubend bezeichnen kann. Manchmal fragt man sich schon, wie viel Steigerung geht da eigentlich noch?
Die Empfehlung zum Schluss lautet also: Legt euch Hunted rechtzeitig als Reserve auf den Bücherstapel!

Sonstiges:
Es ist nicht unbedingt nötig, aber es lohnt sich doch, vor Trapped die Kurzgeschichte Two Ravens and One Crow gelesen zu haben. Trapped nimmt häufiger Bezug auf die dortigen Ereignisse und fasst sie im Roman nur sehr kurz angebunden zusammen.

Tricked von Kevin HearneAtticus’ Auftritt in Asgaard hat dem Druiden mehr als genug Feinde gemacht und ihm und Granuaile bleibt nichts anderes übrig, als unter neuer Identität ein anderes Leben anzufangen. Im Navajo Reservat scheint die nötige Ruhe gegeben, bis Coyote, trickreicher Gott der Navajos, einen Gefallen bei Atticus einfordert. Kaum angekommen sehen sich Atticus, Granuaile und Wolfshund Oberon einer weiteren schlecht gelaunten Gottheit sowie einem Duo von Gestaltwandlern gegenüber, und ein neuer Vampirchef gibt sich ebenfalls die Ehre. Da bleibt nicht viel Zeit für Ruhe und Glückseligkeit.

– The best trick I ever pulled off was watching myself die. –
Chapter 1

Man muss diese Buchreihe aus vielen verschiedenen Gründen einfach lieben. Der Humor, die ungezwungene Leichtigkeit, die rasante Action und selbstverständlich die unvergleichlichen Lacher. Oberons Obsession mit Speck erreicht einen neuen Höhenpunkt, als ihm die Geschichte von Francis Bacon (BACON!) erzählt wird, und die Morrigan lässt keine Gelegenheit ungenutzt, um die Leserschaft beschämt den Kopf schütteln zu lassen.
Positiv hervorzuheben ist an der Stelle auch, dass wir mehr über Atticus’ Vergangenheit erfahren, wie er nach Amerika kam, wie er mit dem Mythos von Big Foot in Verbindung steht und vor allem gibt es nun eine erste nicht abwegige Erklärung dafür, weshalb Atticus selten in Erinnerungen schwelgt oder generell nur wenig in der Vergangenheit lebt und sich lieber dem Zeitgeist anpasst. Hat man 2.000 Jahre erlebt und hinter sich, was Atticus bereits an Erfahrungen gesammelt hat, so ist es vermutlich nicht unrealistisch ein Meister der bewussten Verdrängung zu sein, um sich selbst zu schützen. Man stelle sich all die Verluste im Verlaufe eines so langen Lebens vor!

Doch zurück zum Kern! In Tricked dreht sich die Haupthandlung diesmal hauptsächlich um die indianische Mythologie, die mit interessanten Motiven aufwartet, ein paar neue Charaktere einführt und Gott Coyote in Bestform zeigt.
Nach den verheerenden Zuständen, die Druide Atticus mit seinem Eindringen in Asgaard in Hammered hinterlassen hat, schlängelt er sich nun zunächst etwas zu geschmeidig aus der Misere, indem er mit Hilfe des trickreichen Coyote seinen Tod vortäuscht, und niemand stellt das infrage. Während einem an dieser Stelle erste Zweifel an der Vorgehensweise des Autors kommen, lauert hinter der nächsten Ecke aber schon wieder der Preis für die viel zu leichte Lösung. Denn Coyotes Hilfe kommt den Druiden teurer zu stehen, als dieser erwartet hatte. Im Reservat, wo Atticus lediglich eine Goldader verschieben sollte, tummeln sich Gestaltwandler, mit denen Coyote sich lieber nicht selbst befassen will, und die blutige Drecksarbeit daher Atticus aufzwingt. Angefacht durch Hel, nordische Göttin der Unterwelt, die es sich im gestohlenen Körper einer toten alten Lady bequem gemacht hat, landet da schonmal der ein oder andere knackige Druidenhappen schnell im Magen einer dieser dämonischen Kreaturen. Damit noch nicht genug hat Atticus’ alter Vampirfreund Leif nach seiner annähernden Zerstörung durch Thors Hammer ganz eigene Probleme, die er ebenfalls mit Atticus’ erzwungener Hilfe zu lösen gedenkt und dabei auch zu Mitteln greift, die alles andere als freundschaftlich sind. Die Opfer sind vorprogrammiert und Atticus’ Zorn damit sicher.
Tricked ist, wie der Titel schon sagt, voller Versteckspiele, Verrat, hinterlistigen und eigennützigen Entscheidungen und alle gehen sie auf Kosten von Atticus und derer, die ihm nahe stehen.

Hier und da gibt es sicherlich ein paar Knackpunkte, die bei längerer Betrachtung nicht ganz überzeugend rüberkommen. Die kleinen Mankos werden allerdings von so vielen positiven Faktoren überlagert, dass man gerne weiter darüber hinweg sieht.
Auch die wenigen offenen Enden dienen wohl der Fortsetzung in kommenden Bänden und sind daher positiv zu sehen. Die Serie und ihre Charaktere entwickeln sich stetig weiter und werden zu einem immer besser funktionierenden, sehr unterhaltsamen Gefüge, das man nicht verpassen sollte.

Die Triffids von John WyndhamNach einem weltweit kosmischen Ereignis, bei dem sich der Himmel vorübergehend grün färbte, ist die Zivilisation zusammengebrochen. Jeder, der das grüne Licht beobachtet hat, ist wenige Stunden später erblindet. Glück im Unglück für Bill Masen, der durch einen Arbeitsunfall zum fraglichen Zeitpunkt eine Augenbinde tragen musste und der Erblindung dadurch unfreiwillig entgehen konnte. Als er nach Tagen im Krankenhaus aufwacht und weder Schwestern noch Ärzte auf seine Rufe reagieren, entblättert sich vor ihm eine Welt im Chaos. Doch damit noch nicht genug, die Triffids – fleischfressende, intelligente und lauffähige Pflanzen, die in riesigen Farmen als Nutzvieh gehalten und gezüchtet wurden – sind ausgebrochen und machen Jagd auf die Menschen.

– »Da haben Sie’s. Da haben Sie den Beweis. Sie haben nicht zugeschaut: Sie sind nicht blind. Alle anderen haben zugeschaut« – er schwenkte vielsagend den Arm – »alle stockblind. Hat alles der verdammte Komet angerichtet, sag’ ich.«
»Alle blind?« wiederholte ich.
»Alle. Ohne Ausnahme. Wahrscheinlich auf der ganzen Welt.« Dann besann er sich. »Nur Sie nicht. Sonst alle.« –
Kapitel 1, Das Ende beginnt

Die Triffids (The Day of the Triffids) ist ein kleines Buch mit großem Inhalt. Auf nicht einmal 200 Seiten schafft es der Autor, ein hervorragendes Buch abzuliefern, ohne unnötige Längen oder störende Nebenhandlungen. John Wyndham serviert seinen Lesern hier ein Szenario zum Nachdenken. In flüssiger und betont sachlicher Herangehensweise beschreibt Die Triffids eine Invasion der etwas anderen Art. Nicht Aliens, Zombies oder Vampire fallen hier über die Welt her, sondern semi-intelligente Pflanzen. Dieser postapokalyptische Science-Fiction Klassiker, geschrieben im Jahre 1951, kommt anfangs etwas schwer in Fahrt und wirkt eher zäh und trocken. Hat man diese Hinführung jedoch gemeistert, baut die Handlung stetig Spannung auf und bedient sich dabei bewährter Elemente: eine Katastrophe, welche die Menschheit praktisch über Nacht unfähig macht, für sich selbst zu sorgen, eine Bedrohung, die der Mensch selbst herangezüchtet hat und nun nicht mehr kontrollieren kann, ein Kampf ums Überleben weniger verschont gebliebener Personen und der Einblick in die Charakterstärke und -schwäche des Menschen. Im Zentrum stehen dabei die Menschen selbst, ihre unterschiedlichen Reaktionen auf diese gravierende Umstellung: von Überlebenskampf, Tragik und Hoffnung bis hin zum religiösen Fanatismus. Soll man den Schwachen helfen und vielleicht mit ihnen zu Grunde gehen? Oder kümmert man sich nur um sich selbst, damit wenigstens die Starken eine Chance haben zu überleben? In diesem Szenario sind die Schutzbedürftigen auch einmal nicht per se gut und rechtschaffen dargestellt, sondern haben ebenso niedere Absichten wie unversehrte Menschen.
Der weitgehende Verzicht auf spezifische Angaben zu Architektur oder Technik lässt Die Triffids dabei auch 60 Jahre nach der Entstehung noch zeitlos wirken.

Erzählt wird dieser Roman aus der Sicht von Bill Masen. In seinen persönlichen Aufzeichnungen schildert er die Vorgeschichte der Triffids und seine Erlebnisse in einer plötzlich von Anarchie beherrschten Welt. So wie er selbst bleibt auch der Leser im Unklaren darüber, was wirklich zu der Katastrophe geführt hat, und so teilt man die Ungewissheit, Gedanken und Sorgen dieses lebendig gezeichneten Protagonisten. Die Triffids selbst spielen dabei gar keine so große Rolle, wie es der Titel vermuten lässt. Vielmehr vertiefen und beschleunigen sie nur die Konflikte und Ängste, in denen sich die Überlebenden befinden. Sie zeigen auch, wie schnell der Mensch durch eine solche Katastrophe als Anführer der Nahrungskette abgelöst werden und durch eine dominantere Spezies ersetzt werden kann. Im Roman tauchen die Pflanzen selbst jedoch nur sporadisch auf.

Sprachlich ist dieser Roman vielleicht ein wenig gewöhnungsbedürftig. Den insgesamt sehr sachlichen Ton verliert das Buch bis zum Schluss nicht, das ist der Geschichte jedoch eher zuträglich und macht die Ereignisse umso wirkungsvoller. Einstellen muss man sich dagegen auf die Sprachverhältnisse der 50er Jahre, in denen doch deutlich mehr (aus heutiger Sicht) Fremdworte ihren Platz im täglichen Sprachgebrauch hatten und auch Formulierungen so heute nicht mehr gebräuchlich sind und etwas geschwollen oder seltsam wirken. Dessen ungeachtet verdient Die Triffids aber eine uneingeschränkte Leseempfehlung für alle Endzeit-Interessierten.

Verfilmung:
Das Buch wurde bisher dreimal verfilmt. Erstmals 1962 unter dem Titel The Day of the Triffids (Blumen des Schreckens) mit Howard Keel in der Hauptrolle. Unter gleichem Titel erschien 1981 eine sechsteilige Mini-TV-Serie, die in Deutschland jedoch nie ausgestrahlt wurde.
Die jüngste Verfilmung stammt aus dem Jahr 2009, Die Triffids – Pflanzen des Schreckens, und wurde von BBC als Zweiteiler produziert. Die Hauptrolle übernahm diesmal Dougray Scott.

Two Ravens and One Crow von Kevin HearneWenn die Morrigan an die Tür klopft und einem sagt »wir verreisen«, dann ist das keine Bitte, sondern eine Aufforderung zu packen. Als sich Atticus mit genau dieser Situation konfrontiert sieht, ahnt er, dass ihm kein Wellness-Ausflug angeboten wird und die Wiederherstellung seiner Tattoos nur eine Ausrede für größere Pläne darstellt, die einmal mehr mit unliebsamen Gefahren einhergehen.

– What would it be like, I wonder, if humans could slobber as freely as dogs? There’s no social stigma for dogs when they slobber and it looks like a lot of fun, so envy them that freedom. –

Wichtige Info vorweg: Diese Kurzgeschichte (IDC #4.5) spielt zwischen den Romanen Tricked und Trapped und enthält eindeutige Spoiler zu ersterem. Außerdem überbrückt sie den recht großen Zeitraum von zwölf Jahren zwischen den beiden Romanen und sollte daher in jedem Fall innerhalb der chronologischen Reihenfolge gelesen werden.

Two Ravens and One Crow setzt sechs Jahre nach den Ereignissen von Tricked an. Atticus steckt mitten in der Ausbildung von Granuaile und hat mit ihr die letzten Jahre unauffällig auf seiner neuen Farm im Navajo-Reservat verbracht. Als die Morrigan ihm einen Besuch abstattet, ändert sich das freilich unverzüglich, denn die hat ein Treffen mit den überlebenden nordischen Göttern vereinbart. Wie man anhand des Titels vielleicht schon erraten kann, trifft man u.a. auf Hugin und Munin, die Raben von Allvater Odin. Ärger vorprogrammiert? – Aber Hallo!
Das ist deswegen spannend, weil einen das Ende von Hammered doch etwas in der Luft hat hängen lassen und die Ereignisse nicht den Eindruck machten schon gänzlich abgeschlossen zu sein. Die vorliegende Kurzgeschichte sorgt nun dafür, dass der Handlungsstrang wieder aufgegriffen wird, und schafft zugleich eine Basis für zukünftiger Bücher.

Die Geschichte liefert wieder sehr viel Humor zum lauthals Auflachen. Die Dialoge zwischen Oberon und Atticus sind zwar in ihrer Anzahl begrenzt, dafür aber von meisterlicher Qualität. In Kombination mit Granuailes wohl platzierten Versuchen ihrem Sensei die Sinne zu rauben wird das Ganze zu einer der bisher herrlichsten Episoden. Insgesamt schwirren in Two Ravens and One Crow eine ganze Menge Hormone durch die Luft, allerdings auf eine unterhaltsame, nicht fingiert wirkende Art und Weise, die man gerne verfolgt.

Während die üblichen Erwartungen an eine Geschichte aus den Iron Druid Chronicles bestens erfüllt werden, gibt es aber auch überraschende Extras. Eines davon ist der tiefere Einblick in den Charakter der Morrigan, die diesmal eine tragende Rolle erfüllen darf und dadurch deutlich an Substanz gewinnt. Sie wirkt gleich menschlicher, etwas weniger berechnend und eiskalt, ja sie weckt glatt Sympathien und man versteht ihre Art zu handeln und zu denken ein gutes Stück besser.
Was Atticus angeht, so wird seine nebulöse Vergangenheit auch in Two Ravens and One Crow weiter aufgedeckt. Man erfährt etwas über die Hintergründe dessen, wie er an das Rezept für seinen Immortalitea gekommen ist, und erlebt ihn zu einer Zeit, da er noch am Anfang seiner Karriere als Druide stand. Wer sich schon die ganze Zeit gewünscht hat, endlich mal ein wenig uralte Luft zu schnuppern, der wird in dieser Kurzgeschichte ein wenig belohnt.

Two Ravens and One Crow ist eine wunderbare Mischung aus Humor und Tiefe, die man als Fan der Buchreihe nicht verpassen sollte. Wer keinen eReader besitzt muss leider dennoch erst einmal auf dieses reine eBook verzichten, wobei »leider« hier sehr groß geschrieben werden sollte. Wer schon immer mit dem Gedanken spielte sich ein solches Gerät zuzulegen, dies wäre die passende Gelegenheit sich einen finalen Ruck zu geben. 😉

Two Serpents Rise von Max GladstoneDie Wüstenmetropole Dresediel Lex ist abhängig von Magie und der Kraft gefallener Götter, um den Durst der Stadt zu stillen. Als Dämonen im Wasserversorgungsreservoir auftauchen, muss Red King Consolidated – ein Unternehmen, das die Funktion der gefallenen Götter ersetzt – herausfinden, ob es sich um einen terroristischen Anschlag handelt oder um einen gewöhnlichen Konkurrenzkampf. Caleb Altemoc, Risk Manager bei RKC und Sohn des letzten Hohepriesters, wird beauftragt herauszufinden, was hinter dem verseuchten Wasser steckt. Was zunächst nach einem einfachen Fall klingt, wird plötzlich zu einer halsbrecherischen Jagd über den Dächern der Stadt.

– A carved black stone altar rose from the center of the roof, large enough to hold a reclining man, or woman, or child. From the iron fence around the altar hung a bronze plaque embossed with a list of dates an victims’ names. –
Book One, Cliff Running

Mit Two Serpents Rise reisen wir erneut in die Welt von Alt Coulumb – dem Handlungsschauplatz in Three Parts Dead – wenn auch nicht zu dessen Charakteren. Autor Max Gladstone bricht mit der gängigen Tradition der meisten Autoren und konzentriert sich in seiner Reihe nicht auf einzelne Figuren, sondern auf die Welt, die er erschaffen hat. In Two Serpents Rise lernen wir daher nicht nur neue Figuren kennen, sondern auch eine gänzlich andere Landschaft und andere Sitten, eben einen anderen Teil von Gladstones vage vertrauter Parallelwelt, die einem ebenso traditionell wie fortschrittlich erscheint.

Dresediel Lex, der Schauplatz dieses Romans, ist anders als Alt Coulumb: eine Stadt, die mitten in der Wüste von Göttern erschaffen und durch Menschenopfer am Leben erhalten wurde. Die beschriebene Architektur und die rituellen Opferungen, die bis zum Sturz der Götter an der Tagesordnung waren, erinnern stark an ein präkolumbisches Vorbild, so dass man als LeserIn unweigerlich die Maya im Sinn hat. Inzwischen sind die Götter abgelöst und Red King Consolidated hat das Sagen. RKC schließt nun als modernes Unternehmen die Lücke, welche die Götter unfreiwillig hinterlassen haben. Keine Menschenopfer, keine persönlichen Verluste mehr, damit die Stadt zu trinken bekommt, sondern moderne Technik und die Magie der Crafter. Man reist entweder per Bus durch die 17-Millionen-Metropole oder, wenn man über das nötige Kleingeld verfügt, per Opteran. Was ein Opteran ist? Ach, Entomologen werden jetzt glänzende Augen kriegen, denn der Opteran ist ein überdimensional großes Fluginsekt, das einst den Göttern diente und nach deren Fall von den Craftern dressiert und zum Flugtransporter umerzogen wurde. Wer es sich leisten kann, chartert also eines dieser langbeinigen Tierchen, lässt sich von ihm in sechs Arme bzw. Beine schließen und bequem über die Stadt fliegen. Es ist vermutlich eine ebenso geniale wie gruselige Idee, je nachdem, wie sypathisch einem die Krabbler sind …
Außerdem wird der (Welt-)Krieg zwischen Göttern und Menschen in diesem Roman zu einem weniger flüchtigen Ereignis, was im dritten Band Full Fathom Five hoffentlich noch weiter ausgebaut wird.

Die Charaktere in Two Serpents Rise haben auch wieder einiges zu bieten. Humor, Vielschichtigkeit, ernsthafte Gedanken, Ängste und mutige Entscheidungen. Egal ob männlich oder weiblich, die Figuren haben es in sich. Allen voran steht natürlich Hauptfigur Caleb Altemoc, der Sohn des letzten Eagle Knight, des letzten Hohepriesters der alten Götter. Ein junger Mann, dessen Körper von rituellen Narben übersät ist und der ein fester Anhänger der modernen Entwicklung ist. Während sich Vater Temoc auf der Flucht vor dem Gesetz befindet und immer mal wieder terroristische Anschläge gegen RKC verübt, hat sich Sohn Caleb also der modernen Entwicklung verschrieben und arbeitet noch dazu für RKC. Man kann also schon erahnen, dass das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ein angespanntes ist, und auch die immer mal wieder auftauchenden Einblicke in Calebs Vergangenheit vergrößern die Kluft zwischen diesen beiden Menschen, die doch nicht ganz voneinander lassen können. Max Gladstone schafft es, auch in Two Serpents Rise wieder solide Charaktere zu erschaffen, die alle nicht ganz schwarz oder weiß sind. Als LeserIn wird man regelmäßig gezwungen, die eigene Perspektive zu überdenken und sich die Beweggründe und Argumente aller Parteien einzuverleiben. Es gibt keinen eindeutigen Feind in diesem Roman, so wie es keinen eindeutig guten Retter gibt. Alle Beteiligten agieren meist mit guten Absichten und haben nachvollziehbare Argumente, auch wenn manches Ergebnis zu Lasten anderer geht.
Die traditionellen Menschenopfer spielen eine große und wichtige Rolle in Two Serpents Rise, denn sie sind das Kernelement der Gesellschaft, auf der Dresediel Lex beruht. Durch den Wegfall der Götter entstehen spannende Konflikte in der Gemeinschaft und zwischen den vorgestellten Charakteren. Stärker noch als in Three Parts Dead macht der Autor in seinem zweiten Roman auf die sozialen und psychischen Folgen aufmerksam und wirft dabei interessante Fragen auf. Ist der Kapitalismus wirklich besser als das alte Blutopferverfahren, oder ist er letztlich nur eine andere, eine stillere Form des Menschenopfers?

Wer in Three Parts Dead aufgepasst hat, wird sich außerdem an die Erwähnung der unsterblichen Skelettkönige erinnern. Die wenigen Sätze, die ihnen in Three Parts Dead zugestanden wurden, zeichneten ein recht düsteres Bild dieser Kreaturen. Im zweiten Teil nun lernen wir einen dieser Skelettkönige, den Red King Kopil kennen, und man ist zunächst überrascht, wie menschlich er noch immer ist. Anfangs bleibt Kopil nur der Arbeitgeber, der mächtige Vorstand eines Unternehmens, das die Stadt am Leben hält. Gefürchtet von denen, die nur seinen Namen hören. Doch Max Gladstone haucht diesem Skelett nach und nach eine überraschende Vergangenheit ein, eine leidenschaftliche Überzeugung und eine Suche nach Gerechtigkeit. Es sammeln sich kleine Hinweise darauf, was Kopil dazu getrieben hat, sich gegen die Götter zu erheben und ihren Platz einzunehmen, und man fängt an, ihn nur zu gut zu verstehen.

Auch die weiblichen Heldinnen kommen selbstverständlich nicht zu kurz. Was an der Stelle wieder positiv auffällt, ist, wie wünschenswert alle Charaktere miteinander umgehen. Ob es nun um die sexuelle Orientierung geht oder Geschlechterrollen, irgendwie schafft es der Autor, alle ganz selbstverständlich miteinander leben zu lassen, ohne dass sie dabei unecht oder konstruiert wirken oder in traditionelle Klischees gesteckt werden.

Wem Three Parts Dead gefallen hat, dem ist auch Two Serpents Rise zu empfehlen. Zwar ist die sandige Atmosphäre ortsbedingt eine gänzlich andere, wirkt überschaubarer, weniger monolithisch, aber man ist doch eindeutig noch immer in derselben spannenden Welt.

Undersea von Geoffrey MorrisonNach einer Katastrophe, die das Leben auf der verstrahlten Erdoberfläche unmöglich macht, befinden sich die letzten Überlebenden der Menschheit auf zwei großen Unterseeschiffen. Generationen sind vergangen, als die Stadträtin Ralla eine Entdeckung macht, die das Überleben auf ihrem Schiff, der »Universalis«, gefährdet. Doch ihre Kollegen schenken ihr kein Gehör. Unterdessen schafft es der Fischer und gelangweilte Trunkenbold Thom Vargas, einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben zu tun und einen Posten als Shuttle-Pilot zu ergattern. Noch bevor er sich darüber freuen kann, bringt ihn sein erster Passagier, Ralla Gattley, in Schwierigkeiten, denen er sich in keiner Form gewachsen fühlt.

– In the darkness of the deep, Thom Vargas slept. The damp, cramped, cold cockpit pressed in around him, a dormant barrier to the sea beyond. At their dimmest, the backlit buttons on the console before him normally wouldn’t have looked lit at all. But at this depth, they pierced the darkness like suns. – Part I

Postapokalyptische Szenarien haben eine lange Tradition in Horror und Science Fiction. Mit Undersea kämpfen wir jedoch nicht in verfallen(d)en Städten gegen Zombies, Banden oder kanibalistische Stämme, sondern tauchen ab in die Tiefsee, wo riesige Unterwasserschiffe die Reste der Menschheit und eine funktionierende, moderne Gesellschaft beherbergen. Lange bleibt dabei unklar, was der Grund für den Rückzug ins Meer war. Ein Krieg? Eine Naturkatastrophe? In der nunmehr dritten Generation interessieren sich nur noch die wenigsten Nachkommen für die Gründe und gehen ihrem täglichen Leben nach. Undersea ist das ideale Buch für LeserInnen, die auf der Suche nach waschechter Unterwasser-Action und Tauchgängen in futuristischen Anzügen sind. Der einfache, aber wirkungsvolle Plot wird ausgeschmückt von zahlreichen U-Boot-Schlachten, politischen und militärischen Intrigen, einer stattlichen Anzahl von technischen Gadgets und einem manipulativen Gegenspieler, dessen blinde Machtgier die endgültige Auslöschung der verbliebenen Menschheit bedeuten könnte. Die technischen und wissenschaftlichen Details sind aus ästhetischer Sicht spannend und geben ein sehr interessantes Bild für Unterwasserfans ab. Ob sie dabei immer realistisch sind, allen voran die doch etwas wilde Konstruktion der beiden Stadt-Schiffe »Universalis« und »Population«, bleibt manchmal etwas fraglich. Wer von seiner Science Fiction absolut realistische Technik erwartet, wird hier vielleicht an die Grenzen seiner Toleranz geführt, wer sich dagegen mehr auf die Atmosphäre und den Unterhaltungswert der vorhandenen Technik konzentriert, statt sie zu intensiv zu hinterfragen, bekommt ein fulminantes Spektakel, das sich als Pageturner erweist. Kleine Details wie z.B. der Filmtitel »It came from the Surface II« sorgen außerdem für eine Prise Humor. Neben dem stimmungsvollen Weltenbau vermögen auch die Charaktere zu unterhalten. Frei nach dem Motto: ab ins kalte Wasser mit ihnen! – schickt Autor Morrison seine beiden Hauptfiguren in ansehnlichem Tempo von einem Problem ins nächste. Ralla Gattley hat ein gemütliches Leben, einen Partner, der ihre Zukunft schon geplant hat, und sie könnte sich eigentlich entspannt zurücklehnen, hätte sie da nicht diesen eigenwilligen Kopf und eine selbst auferlegte Mission vor Augen. Mit Fakten und starkem Willen kämpft sie gegen die Ignoranz der älteren Ratsmitglieder an und versucht schließlich auf eigene Faust das Überleben der Bewohner ihres Schiffes zu sichern. Dazu bereist sie die Unterwasserproduktionsstätten, die sich am Grund der Meere in gigantischen Domkuppeln befinden, legt sich mit mächtigen Widersachern an und lässt sich auch in brenzligen Situationen nicht von Furcht oder Hoffnungslosigkeit übermannen. Gerade als man denkt, sie verfalle doch dem Klischee der Jungfrau in Nöten, packt sie die Ellbogen aus und nimmt das Problem einmal mehr selbst in die Hand. Es macht Spaß, ihre Bemühungen und Entscheidungen zu beobachten und sie als eine Frauenfigur zu erleben die intelligent, zielstrebig und gleichzeitig emotional glaubwürdig bleibt. Thom Vargas dagegen ist ein junger Mann, der sich bereits dem Schicksal ergeben hat, zur untersten Schicht der Gesellschaft zu gehören, und sein Glück allabendlich darin sucht, sich zu betrinken, um die Ödnis für eine Weile vergessen zu können. Er ist das ganze Gegenteil eines weißen Ritters und von willentlichem Engagement kann schon gar nicht die Rede sein. Seine Versuche, seiner Herzdame zur Rettung zu eilen, enden meist auch noch darin, dass er zu spät kommt und nur noch zusehen kann, wie sie Chaos schaffend voran eilt. Im Laufe des Romans macht er eine rasante Entwicklung durch, die ab und an etwas zu übereifrig und einfach wirkt. Andererseits ist der Roman auch in drei Abschnitte unterteilt, die längere Zeiträume überbrücken, um direkt weiter zum interessanten Part zu springen. Im Krieg herrschen zudem sicher Zustände, die eine lange Akzeptanz- und Entwicklungsphase nicht ermöglichen. Alles in allem ergeben Ralla und Thom letztlich ein ungleiches Gespann mit Unterhaltungswert, das seine Leser zu interessieren versteht. Es gibt bei Undersea sicher auch einiges, dass man als Manko nennen muss. Der Roman ist in Eigenregie von Autor Geoffrey Morrison herausgegeben worden, und man merkt es dem Text gelegentlich an. Ein professioneller Lektor hätte hier sicher noch ein paar Details perfektionieren können, doch das sind letztlich Kleinigkeiten. Mit den vorhanden Rechtschreibfehlern verhält es sich ähnlich. Obwohl ein Korrektor bemüht wurde, der im Anhang genannt wird, finden sich gelegentlich fehlende Buchstaben, Satzzeichen oder Buchstabendreher, jedoch nicht mehr, als es nicht auch schon bei bekannten Verlagen vorgekommen wäre. Den Lesefluss stören diese Fehler nur selten. Daneben ist der Buchsatz lesefreundlich gestaltet und auch beim Buchcover hat man sich offenkundig Mühe gegeben, das sind zusätzliche Pluspunkte. Zusammenfassend kann man sagen, dass Undersea trotz einiger Anfängerschwächen ein gelungenes Beispiel für einen selbstpublizierten Roman darstellt. Gerade wenn man auf der Suche nach Unterwasser-Science-Fiction ist, wo die Auswahl aktuellerer Bücher bisher doch stark begrenzt ist, sollte man dem Roman eine Chance geben und den abenteuerlichen Ausflug in das Reich der Tiefsee genießen.

Unschöne Dinge von Mark Del FrancoNach einem epochalen Ereignis ist die Welt der Feen mit der unseren verschmolzen und allerlei Fabelwesen mussten in die Gesellschaft der Menschen eingegliedert werden. Auch nach mehreren Jahren herrscht noch immer Argwohn vor und die Zuständigkeiten sind nicht immer so klar wie sie sein sollten. Als ein Elfenstricher ermordet aufgefunden wird, schiebt die Polizei den Fall Connor Grey zu, einem Druidenermittler, der seine Fähigkeiten nach einem missglückten Einsatz fast vollständig verloren hat und sich nun als Detektiv durchschlägt. Bald schon geschehen weitere ähnliche Morde und Connor Grey erkennt nicht nur die Eigenschaften von Ritualmorden, sondern auch einen fatalen Zusammenhang, der eine weltweite Katastrophe auslösen könnte.

– Der nackte Leichnam lag auf dem Rücken und starrte in den leeren Nachthimmel. Es war ein hellhäutiger Elf, nicht besonders gut gebaut, wenngleich sich so etwas nur bedingt beurteilen lässt, wenn jemand tot ist und Blut in alle Richtungen fließt. –
Kapitel 1, S.5

Bei Unschöne Dinge (Unshapely Things) handelt es sich um den 1. Teil einer Reihe paranormaler Detektivromane, in dem die sonst so elegant geschilderten Elfen- und Feenwesen genauso menschlich und verwundbar werden, genauso schmutzig, unschön, verbittert und wenig märchenhaft, wie ein gewöhnlicher, am Leben gescheiterter Mensch. Inhaltlich durchaus solide angelegt, kommt die Handlung zunächst aber nur schleppend in Gang und tut sich schwer damit Atmosphäre zu erzeugen.
So richtig warm wird man daher auch mit den Charakteren nicht. Sie bleiben ein wenig blass und vermögen es nicht, Sympathie oder auch Antipathie zu wecken. Einzig Connor Grey selbst gewinnt gegen Ende ein wenig Substanz und schafft es, die Neugier des Lesers doch noch für einen Moment herauszukitzeln.

Man merkt diesem Roman deutlich an, dass er das erste Werk des Autors Mark Del Franco ist. Die Erzählung holpert hier und da ein wenig, doch vor allem der viel zu bemühte Versuch, humorvoll zu sein, fällt negativ auf. Obwohl die Ideen zu den Figuren und ihrer Welt oft einen interessanten Ansatz bieten und in der Theorie auch witzig sein könnten, fehlt letztlich die richtige Ausarbeitung, um das Ganze funktionieren zu lassen und dem Roman zu einem harmonischen Gesamtgefüge zu verhelfen. Man hat den Eindruck, der Autor wollte hier mit allem Eifer etwas wirklich Lustiges und Spannendes erschaffen, scheitert dabei aber an seiner mangelnden Erfahrung darin, Geschichten lebendig zu erzählen.

Um es kurz zu sagen, dieses Buch weiß nicht recht was es will und dennoch, so richtig schlecht ist es auch nicht. Wenn man den langatmigen Anfang erst einmal überwunden hat, wird die Rahmenhandlung doch ausreichend spannend, sodass man trotz der Mängel weiterlesen möchte; vor allem aber will man mehr über Connor Greys Vergangenheit erfahren.
Ein Must Have ist Unschöne Dinge daher vielleicht nicht, aber wer Detektivgeschichten zu schätzen weiß und das Bedürfnis nach leichter Lesekost verspürt, für den dürfte dieser Roman genau das Richtige sein.

Eine kleine Warnung sollte zum Schluss noch mit auf den Weg gegeben werden: man muss für diesen Roman bereit sein, sich auf homosexuelle Beziehungen zwischen Männern einzulassen. Wer dafür keine Akzeptanz oder Toleranz aufbringen kann, der sollte wirklich die Finger davon lassen. Denn auch wenn Unschöne Dinge keine expliziten Szenen schildert, so ist die romantische Orientierung des Autors doch auf subtile Art allgegenwärtig und erfordert bei manchen Lesern und Leserinnen unter Umständen ein gedankliches Ausbrechen aus den eigenen, konventionellen Bahnen.

Vampireology - The true History of the FallenVampireology ist ein weiterer fiktiver Erfahrungsbericht aus der ‘ology-Reihe. Diesmal entführen uns die ebenso fiktiven Autoren Archibald Brooks (verschollen) und Joshua T. Kraik (Brooks auserwählter Nachfolger) in die düster-schaurige Welt der Vampire.

– Moloch is smitten with a shaft of divine lighting and crumbles to ashes. The cowering Belial is lifted by his ankle; his Throat is slit and his Body drained in Bloode. –

In den letzten Jahren, spätestens seit Romane wie Twilight (Bis(s) zum Morgengrauen) das Licht der Buchwelt erblickten, hat das Image des Vampirs eine denkwürdige Wendung vollzogen. Einst als nach Blut dürstende, hungrige Bestie gefürchtet, glitzert er heute im strahlenden Sonnenlicht, verliebt sich in die Menschen, die seine Beute sein sollten und ist allzu keusch, ehrenhaft und sanftmütig geworden. Man möchte diese neuen, höchst anmutigen Vampire beinahe für ihr unverstandenes Wesen und ihren nie enden wollenden und scheinbar hoffnungslosen Kampf gegen ihre ach so grausame Natur bemitleiden. Vampireolgy – The true History of the Fallen besinnt sich nun auf die Ursprünge des Vampirismus, erinnert an die dämonische Seite dieses untoten Raubtiers und schafft damit einen Gegentrend zu den romantischen Schmachtvampiren von heute. Die Stärken und Schwächen dieser “Fallen Ones”, wie sie im Buch genannt werden, werden schamlos beleuchtet und von den handschriftlichen Notizen Joshua Kraiks kommentiert.

Man ahnt es nun vielleicht schon, Vampireology ist, ähnlich wie z.B. Dragonology (Drachologie) aus der selben Reihe, kein klassisches Artbook wie man sie sich üblicherweise vorstellt. Viele Illustrationen werden hier geboten, jedoch auch eine durchgehende Handlung und, das dürfte die große Besonderheit sein, eine haptische Reise für die Hände.
Die gewohnt aufwendige Aufmachung beginnt auch schon mit dem Hardcover-Einband in schwarz-roter Lederoptik, die das Buch zunächst wie ein edles altes Notizbuch wirken lässt, mit einer changierenden Struktur im Hintergrund. Darauf befinden sich, in symbolisch clever gewählter silberfarbener Prägung, Titel und Rahmen nebst einer ersten düsteren Illustration. Diese wird durch zwei rote Glassteine verziert, die thematisch passend an Blutstropfen erinnern.

Schon auf der ersten Doppelseite geht es dann richtig los. Eine Fülle an Informationen sowie die Beweggründe und schließlich auch das Verschwinden des Verfassers (Archibald Brooks) erwarten den Leser auf scheinbar vergilbten, faserigen Seiten, auf denen zahlreiche Notizen zusätzlich eingeklebt wurden. Letztere kann und muss man tatsächlich aufklappen, umklappen und herausziehen, wenn man alle Details kennen will. Die Gestaltung ist ein wahrer Hochgenuss für jeden, der gerne stöbert und erforscht. So viel zusätzliches Material zum Haupteintrag des Verfassers tummelt sich auf jeder Seite, dass allein die Sichtung der ersten Doppelseite schon gute zwanzig Minuten in Anspruch nahm. Dazu sollte man sagen, es ist eine im Vergleich zum späteren Verlauf noch spärlich bestückte Doppelseite.
Das vielfältige Zusatzmaterial besteht hierbei aus schwarzweißen Fotos, wissenschaftlichen Illustrationen verschiedener brauchbarer Pflanzen im Kampf gegen den Vampir (allen voran natürlich der wilde Knoblauch), erklärenden Skizzen, alt wirkenden und wie aus einem Märchenbuch anmutenden, fein ausgearbeiteten Zeichnungen, düsteren Aquarellen im Stil des Covers, eingeklebten Tütchen mit Perlen oder Drachenhaut darin (es gibt Vampire, die das Gestaltwandeln beherrschen) … es sind unzählige Kleinigkeiten, die das Buch so spannend und langlebig machen. Auf einer Seite wurde dem Blatt beispielsweise ein ausgeschnittener Zeitungsartikel hinzugefügt, klappt man ihn um, erkennt man die abgeschnittenen Teile von Suchanzeigen. Der Charme liegt bei Vampireology ganz klar in den unzähligen kleinen Details. So vieles gäbe es über diesen Band noch zu berichten, doch das würde den Rahmen einer Rezension bei weitem sprengen.

Vampireology Innenseite
Quelle: www.ologyworld.com

Trotz der schicken Aufmachung und der großzügigen Anzahl an Spielereien sollte man nicht anfangen zu glauben, es handle sich hier um ein Buch, das eher etwas für die Kleinen ist. Stellenweise geht es in Vampireology wenig beschönigend zur Sache. Da gibt es mythologische Hintergründe zum Ursprung des Vampirs und seinen verschiedenen Erscheinungsformen, ja sogar eine Weltkarte mit dem räumlichen und zeitlichen Verlauf seiner Ausbreitung. Vieles davon dürfte für Kinder noch ein wenig zu anspruchsvoll sein, manches auch nicht kindgerecht.

Insgesamt hat dieses Buch nur 30 Seiten, und man wird im ersten Moment denken, das könne das Geld kaum wert sein, doch diese Seiten sind randvoll mit Informationen. Durch die vielen eingeklebten Schnipsel etc. wächst das Buch gewissermaßen in Ebenen gelagert in die Höhe. Sie machen das Buch nicht nur interaktiv und zu einem fühlbaren Vergnügen, sie dehnen die Lesedauer auch gewaltig aus. Ohne Pausen betrachtet, beschäftigt dieses Buch seine Leser gut und gerne einen ganz Tag lang, wenn nicht noch länger. Dabei lädt es zum wiederholten Stöbern ein, denn man erfasst oft erst bei erneuter Betrachtung, dass man zuvor doch noch einiges übersehen hatte.

Was kann man als Schlussatz nun also zu Vampireology sagen? – Es ist eine rundum gelungene, wunderschöne und faszinierende Gesamtkomposition aus Gestaltung, fiktiven Erlebnissen, aber auch real existierenden Sagen und Legenden aus verschiedenen Kulturen, die einen überraschend lange unterhält.

Von Elfen, Goblins, SpukgestaltenDieses Buch hat einiges in sich: Geister, die in Höhlen hausen, Nymphen, die zu kleinen Pfützen zerfallen, Kobolde, die sich in Vögel verwandeln, Gnome, die sich zwischen knorrigen Ästen verstecken, hinterlistige Irrlichter und zahlreiche seltsame Geschöpfe mehr finden in Von Elfen, Goblins, Spukgestalten ihren Platz. Nicht alle der beschriebenen Kreaturen sind dem Menschen dabei wohlgesinnt, einige treiben sogar äußerst gerne ihren Schabernack oder schlimmeres mit ihnen.
In diesem Buch werden all die vergessen geglaubten und verschrobenen Lebewesen anhand wunderbarer Illustrationen von Brian Froud und Alan Lee zusammengetragen und beschrieben.

-Einladungen, einen Geisterhügel zu besuchen, soll man nur mit größter Vorsicht annehmen, und man darf sich auf keinen Fall überreden lassen, etwas zu essen oder zu trinken. Wer das tut, ist unweigerlich verloren.-

Anders als die meisten vorgestellten Bücher in der Bibliotheka Phantastika erzählt Von Elfen, Goblins, Spukgestalten (im Original Faeries) nicht direkt eine Geschichte. Vielmehr trägt es verschiedene Sagen und Mythen zusammen und behandelt alles erwähnte wie eine Art wissenschaftliche Studie. Schon bei seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1978 stellte Faeries eine ungewöhnliche Seltenheit dar, zeigte es doch Illustrationen, die aufgrund ihres Detailreichtums und wenig bunten Charakters offenkundig nicht an Kinder gerichtet waren.

Einem Handbuch nicht unähnlich, begleitet uns das Buch in eine Welt voller kleiner Lebensformen, die selbstverständlich auch heute noch gut getarnt im Verborgenen hausen. In mehrere Kapitel unterteilt, bringen uns die beiden Autoren walisische, irische und nordische Legenden nahe, zeigen uns magische Pflanzen und die Fähigkeit, wie man die schüchternen Wesen erkennen kann.
Auf jeder Seite findet sich dabei eine großflächige Illustration, die vor Phantasie und Liebe zum Detail nur so strotzt. Mal in Farbe, mal als schlichte Bleistiftskizze oder auch als Mischung aus beidem, lassen diese Darstellungen den Betrachter in das Reich der Elfen und Geister eintauchen. Jedes Bild wird dabei von einer handschriftlichen Notiz begleitet, manchmal auch von einem ausführlicheren Text zu Eigenschaften und Hintergrund der gezeigten Kreatur.

Wer sich bereits mit den Arbeiten von Brian Froud und Alan Lee vertraut gemacht hat, wird außerdem keine großen Schwierigkeiten haben zu erkennen, wer für welche der Illustrationen verantwortlich war. Frouds Skizzen zeichnen sich durch verschrobenen Witz, schrullige Gestalten und insgesamt humorvolle oder verspielte Darstellungen des Heimlichen aus, während Lee ein ernsteres Gemüt zu besitzen scheint. So sind seine Werke ebenso detailreich wie die seines Kollegen, in ihrem eleganten, erwachsen wirkenden Stil aber doch grundverschieden.

Von Elfen, Goblins, Spukgestalten, übrigens eine Neuauflage des ursprünglichen Titels Das Große Buch der Geister (1979), ist ein Schmökerband für Groß und Klein, wobei die Großen wohl noch ein wenig mehr Freude an diesem Werk haben werden. Auch Kindern dürften die Ansichten verschiedener Kobolde und Konsorten gefallen, doch gerade der Bezug zu Mythen und Sagen und die eher gedeckten Erdtöne werden die ganz Kleinen noch wenig interessieren.

With A Tangled Skein von Piers AnthonySatan ist zurück und hat es diesmal darauf abgesehen, die Inkarnation des Schicksals zu manipulieren.
Als Niobes Ehemann im Sterben liegt, begibt sie sich in das Reich der Inkarnationen, um Thanatos darum zu bitten, das Leben ihres Gatten zu verschonen. Da weder er noch die anderen Inkarnationen sein Leben retten können, wird Niobe angeboten, ein Teil der Inkarnation des Schicksals zu werden. Mit der Aussicht darauf, als Inkarnation Satans Pläne zu stören und, wie sich herausstellt, Rache für seine Schuld am Tod von Niobes Mann zu üben, wird sie zu Clotho – dem jungen Aspekt der Inkarnation des Schicksals.

– Niobe was the most beautiful young woman of her generation, with hair like buckwheat honey and eyes like the sky on a misty summer morning and a figure that was better imagined than described. But she had her trifling faults, such as an imperious nature fostered by the ability to use her beauty to get her own way, and she was of only average intellect. Also, though she did not know it, she had been marked for a more difficult destiny, than she had any right to dream of. –
The Bonnie Boy, S. 1

With A Tangled Skein (Des Schicksals dünner Faden) ist der dritte Band aus der Reihe der Incarnations of Immortality von Piers Anthony und befasst sich mit einem sehr interessanten Charakter: der Inkarnation des Schicksals. Hierzu bedient sich Anthony bei der griechischen Mythologie, in der das Schicksal von drei Schwestern verkörpert wird. In dem vorliegenden Roman handelt es sich nicht um Schwestern, sondern um drei willkürlich gewählte Frauen, die in einem einzigen Körper miteinander verschmelzen, jedoch Individuen mit verschiedenen Aufgaben bleiben. Während die griechischen Vorbilder eine nicht zu unterschätzende Neigung zur Gehässigkeit aufweisen, sind die Frauen der Inkarnation überaus rechtschaffen und pflichtbewusst.
Die Dreifaltigkeit dieser Inkarnation hätte dabei so manche spannende Charakterentwicklung eröffnen können, doch der Autor verschenkt dieses Potential, indem er auf die beiden anderen Aspekte so gut wie nicht eingeht und sich allein auf Niobe konzentriert. Neben einer kurzen Einführung zu den verschiedenen Zuständigkeiten besitzen die drei auch kaum besondere Fähigkeiten, interagieren nur selten wirklich miteinander und wechseln so häufig, dass dem Leser kaum Zeit bleibt, die einzelnen Aspekte näher kennen zu lernen.

Interessant ist es dagegen wieder zu erleben, wie die einzelnen Fäden aus den vorangegangen Romanen erneut aufgegriffen und die Bände zu einem Gesamtbild verwoben werden – Hintergründe bekannter Figuren werden noch weiter ausgebaut und das Fundament für eine übergeordnete Handlung endgültig gefestigt. Dabei erstreckt sich die Handlung über einen Zeitraum von ca. 80 Jahren, was einerseits sehr viele Ereignisse aufzeigt, andererseits hat das auch mal unnötige Längen zur Folge.

Was With A Tangled Skein letztlich aber ungenießbar macht und sämtliche guten Ideen im Keim erstickt, ist der omnipräsente Sexismus. Piers Anthony schreibt hier aus der Sicht einer weiblichen Inkarnation, aus der Sicht einer ganzen Gruppe von Frauen und scheitert damit auf ganzer Linie. Seine Vorstellungen davon, wie Frauen denken, reagieren oder handeln, kann man nur als klassische Altherrenphantasie bezeichnen, in der Sex zur Universallösung wird.
Es beginnt relativ harmlos mit einer klar getrennten Rollenverteilung: Atropos, die Alte, übernimmt die Aufgaben einer Großmutter, Lachesis, die mütterliche Frau mittleren Alters, kümmert sich um die Ordnung, und Clotho, die blühende Jugend, wird die besondere Aufgabe zuteil, ihren männlichen Mitspielern sexuell zu Diensten zu sein. Als man nach einem Wechsel endlich glaubt, nun eine neue, selbstbewusste und emanzipierte Clotho präsentiert zu bekommen, die aufräumt mit den Klischees, wirft sie sich und ihre Jungfräulichkeit bei der erstbesten Gelegenheit demütig einem stereotypen Macho vor die Füße (den sie kurz zuvor geschlagen hat, weil er sie für eine Geisha – hier gleichbedeutend mit einer Prostituierten – gehalten hat). Warum? Weil seine enorme Männlichkeit Clotho die Augen öffnet und ihr ihre Fehler bewusst macht – sie entbrennt binnen Minuten in Liebe zu ihm.
Die Inkarnation des Schicksals, in deren Händen so viel Macht liegen sollte, wird unter Anthonys Feder zu einer weinerlichen, hilfsbedürftigen, oberflächlichen, emotional unberechenbaren, irrationalen und intellektuell beschränkten Puppe, die die Führung eines Mannes braucht, um sich im Leben zurechtfinden zu können, der sie beschützt und ihr die einfachsten Denkspiele verständlich macht. Ein Glück, dass die große Gegenfigur Satan unsere Protagonistin in einem faden Endkampf mit denselben Rätseln konfrontiert und sie dank der Lehren ihrer Ehemänner gerade noch in der Lage ist, den Teufel auszutricksen. Auch hier geht wieder nichts ohne sexuelle Gefahren. Damit einhergehend: mehr als unerfreulich ist der Umgang mit dem Thema Vergewaltigung, das in diesem Roman mehrfach zum Einsatz kommt. Seien es nun ein Dämon, der dies als Methode sieht, der eigentlich unverwundbaren, weiblichen Inkarnation doch noch zu schaden, oder Frauenfiguren, die ihre eigene Erfahrung damit wie ein unspektakuläres Kavaliersdelikt herunterspielen. Wirklich, Herr Anthony, … wirklich? Man weiß bei all den Klischees und bestenfalls seltsamen Ideen kaum, wo man mit dem Aufzählen beginnen und wieder aufhören soll.
Das alles schafft natürlich nicht nur ein stereotypes Frauenbild, sondern, das muss man der Fairness halber sagen, auch ein stereotypes Männerbild, bei denen beide schlecht abschneiden. Es wäre sicher interessant zu erfahren, wie männliche Leser dieses Buch bewerten und erleben.

Mit On A Pale Horse (Reiter auf dem schwarzen Pferd) hat Anthony einst ein ungewöhnliches Universum mit einer wunderbar gelungenen Verschmelzung von Technik und Magie erschaffen, bereits Bearing An Hourglass (Der Sand der Zeit) konnte schon nicht mehr mit dem Auftaktband mithalten. In With A Tangled Skein sind all diese Ansätze endgültig hinfällig. Der Weltenbau ist praktisch nicht existent und die Handlungsorte sind äußerst begrenzt.
Vorerst ist also die gelungene Idee der Inkarnationen der einzige Grund, diese Reihe fortzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass Anthony im vierten Band Wielding A Red Sword seine anfängliche Stärke aus On A Pale Horse endlich wiederfindet. Bis dahin stellt With A Tangled Skein den vorläufigen Tiefpunkt dieser Buchreihe dar.

Y: The Last Man, 1: Unmanned von Brian K. VaughanYorrick telefoniert gerade mit seiner Freundin, die am andere Ende der Welt ein Praktikum in Australien macht, als eine nie da gewesene Katastrophe die Welt heimsucht. Durch eine Seuche ungeklärter Ursache fallen weltweit in Sekunden alle männlichen Lebewesen, von der Maus bis zum Humanoid, tot um. Nur Yorrick und sein Kapuzineräffchen Ampersand überleben. Doch was macht die beiden so besonders? Und was bedeutet eine Welt ohne Männer?

»It’s too late. It’s like this everywhere. My partner. My husband. All over the city. All over the world, maybe. It’s the men … All of the men are dead.«

Y: The Last Man (Y – The Last Man) ist ein ungewöhnliches und zugleich großartiges Endzeitszenario, wie es seinesgleichen sucht. Brian K. Vaughan, der auch in Pride of Baghdad (Die Löwen von Bagdad) sein Talent gezeigt hat, ernste Themen in Comicform erzählen zu können, ohne dabei Partei für die eine oder andere Seite zu ergreifen, stellt sich hier dem schwierigen Thema Patriarchat vs. Feminismus. Erstaunlicherweise macht er das so mühelos und lässt es so ungeplant erscheinen, dass einem die explosive Thematik angesichts des dramatischen Ereignisses zunächst gar nicht so recht entgegen springt. Denn vorerst ist der Leser geschockt von dieser speziesübergreifenden Seuche, die in Sekunden das Leben jedes männlichen Lebewesens beendet. Einfach so, mitten im Alltag ohne Vorzeichen oder Gründe zur Warnung. Erklärungsversuche reichen von der Entwendung eines magischen Artefakts bis hin zu wissenschaftlich umstrittenen Theorien.
Was wäre das aber nun für eine Welt, die ausschließlich von Frauen bevölkert wird? Ein utopisches Paradies ohne Kriege und Konflikte? Eine Ära des harmonischen Zusammenlebens? Würde die Sprache plötzlich genderneutral oder gar vollkommen feminisiert werden? Gehörten Kriminalität, Prostitution oder Machtspiele nun endlich der Vergangenheit an? Oder wäre all das am Ende nicht viel anders, weil Frauen und Männer sich gar nicht so sehr unterscheiden?
In Brian K. Vaughans Idee einer Welt ohne Männer ist eindeutig letzteres der Fall.

Manche/r LeserIn wird nun vielleicht (gelangweilt) denken »toll, noch ein Beitrag zur Feminismuswelle«. Lasst euch gleich sagen: Nein.
In Y: The Last Man lernen wir viel über die menschliche Existenz, deren Sehnsüchte, dunkelsten Geheimnisse, Stärken und Schwächen, die beide Geschlechter gleichermaßen teilen. Dieser Comic ist kein Gloriengesang an die Frauen und keine Ballade auf gefallene Helden. Es ist ein erschreckend trauriges Szenario für alle Beteiligten, wenn man sich mit Yorick und Agentin 355 auf die Ausmaße einlässt, aber kein hoffnungsloses. Es ist die Geschichte einer Gesellschaft, die von einem tragischen Ereignis unvorhergesehenen Ausmaßes erschüttert wird und sich nur langsam und holprig davon erholt, vor einer völlig neuen Situation zu stehen. Die zurückgebliebenen Frauen gehen ganz unterschiedlich mit dem Tod der Männer um. Viele weinen um den Verlust ihrer Väter, Söhne, Brüder und Partner. Andere fühlen sich von einer Jahrtausende alten Fessel des Patriarchats befreit und trauern trotzdem um ihre Lieben, wieder andere werden zu erbarmungslosen und radikalen Extremistinnen, die jede Erinnerung an die männliche Bevölkerung auslöschen wollen. Samenbanken werden niedergebrannt, Gedenkfeiern rüpelhaft gestört, Frauen, deren Gesinnung nicht purer Hass auf alle Männer ist, werden zum Feindbild solcher Extremistinnen. Andernorts gibt es Machtkämpfe um die Besetzung des Weißen Hauses, und dies sind nur die Anfänge einer Welt, die sich erst noch aus dem Chaos des plötzlich entstandenen Machtvakuums erheben muss, bis sie, Jahre später, zurück zur Normalität findet.

Mitten drin stecken nun der junge Yorick und sein Kapuzineräffchen Ampersand – die beiden letzten männlichen Geschöpfe auf Erden. Eingehüllt in weite Umhänge und eine Gasmaske, um zu verbergen, was er ist, ist Yorick wahrhaft allein, bis ihm die Agentin 355 zur Seite gestellt wird, um ihn sicher auf die andere Seite des Landes zu der Genetikerin Dr. Mann zu bringen. Yorick, der passenderweise nach Shakespeares Hofnarr in Hamlet benannt wurde, ist eine sehr ambivalente Figur. Er freundet sich nur langsam mit seiner Beschützerin an und mag die ganze Lage zunächst nicht recht akzeptieren. Mit seinen knapp zwanzig Jahren ist er oft noch unreif, impulsiv, doch ein liebenswerter Chaot, der manchmal völlig überfordert damit ist, der letzte Mann auf Erden zu sein, und oft wie ein verlorenes Kind wirkt. Manch einer wird sich im Scherz denken »der letzte Mann unter Milliarden von einsamen Frauen? Ja, super!« Doch so spaßig sieht Yorick die Lage höchstens ein paar Minuten lang, obwohl sein schlagfertiger Witz in der Regel für gute Unterhaltung sorgt und diese dystopische Erzählung auflockert. Doch der letzte seiner Art zu sein, seien wir ehrlich, das ist ein starker Tobak, den wohl niemand so leicht schluckt. Was Yorick in seiner mal stärker mal schwächer ausgeprägten Verzweiflung antreibt, ist seine Freundin Beth, die seit dem Ausbruch der Plage irgendwo im australischen Outback verschwunden ist und die er um jeden Preis finden will. Da mit dem Aussterben der Männer aber auch die Telekommunikation und die Infrastruktur weitestgehend zusammengebrochen sind, gestaltet sich sein Vorhaben als mühselig und schwierig. Im Laufe der Jahre wächst Yorick so vom Jungspund zum Erwachsenen heran, tauscht seine jugendliche Leichtigkeit gegen ein wenig Zynismus ein und entdeckt mit seinen Begleiterinnen Stück für Stück diese neue Welt, die ihm nicht immer freundlich gesonnen ist. Piratinnen, Drogenhändlerinnen, Geheimdienste, die ihre eigenen Ziele verfolgen, Sträflinge, Ex-Top-Models und etliche andere Frauen kreuzen ihren Weg. Die Frauen beginnen ihre Welt auch ohne Männer neu zu ordnen, eine Welt, in der Yorick immer mehr zu einem nicht benötigten, aber geduldeten Relikt wird. Es ist eine Verlagerung der Machtverhältnisse und eine spannende und abenteuerliche Jagd nach Antworten und Lösungen quer über den Globus, die von einer komplexen Story, starken Charakteren und Freundschaften, sprühendem Sarkasmus und popkulturellen wie literarischen Zitaten getragen wird. Lediglich an den häufig wechselnden Zeichenstil muss man sich gewöhnen, doch der Erzählung tut dies keinen Abbruch.

Y: The Last Man (Folge 1: Unmanned/ Entmannt) ist eine Comicreihe mit überraschendem Tiefgang und realistischen Überlegungen, die in nicht immer linearen Rückblicken erzählt wird. Ob alles wirklich genauso liefe, wenn die Männer plötzlich vollständig verschwinden würden? Man weiß es nicht, doch das Szenario ist nachhaltig, wirkt glaubhaft, menschlich und hält beiden Geschlechtern auf bewegende Weise und ohne Schuldzuweisungen vor Augen, wie ähnlich wir einander letztlich alle sind. Für dieses grandiose Gesamtgefüge gibt es eine unbedingte Leseempfehlung!