Im Norden Englands leben sie, die Radleys. Auf den ersten Blick sind sie eine ganz normale Familie, mit ganz alltäglichen Problemen wie Allergien, Migräne, Ehezwistigkeiten und einem banalen Job. Sie sind so spießig und kränklich, dass sie fast schon langweilig sind. Doch diese Familie hat ein gefährliches Geheimnis, das selbst die Kinder noch nicht kennen: Die Radleys sind waschechte Vampire.
– Your instincts are wrong. Animals rely on instincts for their daily survival, but we are not beasts. We are not lions or sharks or vultures. We are civilised and civilisation only works if instincts are suppressed. So, do your bit for society and ignore those dark desires inside you.
The Abstainer’s Handbook (second edition), p.54 –
The Radleys, S.5
Dieser Einzelroman beginnt auf zunächst humorvolle Weise und man ist geneigt zu denken, dass man eine Komödie vor sich hat. Das Bild wandelt sich jedoch schnell und es wird zunehmend ernster. The Radleys (Die Radleys: Ein Vampirroman) ist auch keine glitzernde Vampir-Klischee-Romanze, wie sie derzeit zuhauf in den Regalen zu finden sind. Matt Haig setzt statt dessen auf eine zerrüttete Ehe, die nach beinahe zwanzig Jahren kurz vor dem Scheitern steht, als Tochter Claire eines nachts in Notwehr zubeißt und einen aufdringlichen Mitschüler instinktiv zu Tode saugt. Da nun auch noch der Blut schlürfende Vampironkel Will auf den Plan tritt und immer mehr schmutzige, blutige Geheimnisse ans Tageslicht kommen, prallen Kleinstadt-Drama und dekadentes Vampirvolk aufeinander und sorgen für ordentlich Unruhe im streng organisierten, bisher blutlosen Leben der Radleys. Dieses Buch ist ein kleiner Stadtkrimi, der interessant und durchaus spannend zu lesen ist. Man ist fast schon bereit die Vampire zu bemitleiden, in einer Zeit, in der es so entsetzlich viele Möglichkeiten der Spurensicherung gibt.
Die Charaktere wirken sehr überzeugend und glaubhaft und es fällt leicht, sich in sie hinein zu versetzen. Ihre Probleme und die Art wie sie versuchen damit umzugehen, sind allzu menschlich. Die relativ simple Handlung kommt ohne Umschweife daher, was die tragischen und teils deprimierenden Zustände dieser Familie noch deutlicher auf den Punkt bringt. Vor allem am Beispiel von Vater Peter wird sehr schnell klar, dass The Radleys mehr eine Geschichte über selbst auferlegte Zwänge und Regeln ist, die dazu dienen, Teil der gewöhnlichen Gesellschaft zu werden, als über hungrige Bestien, die nach dem Blut eines Menschen dürsten. Noch ein wenig realistischer wird das Ganze durch die immer wieder eingefügten “Zitate” aus dem Handbuch des abstinenten Vampirs, nach dessen Anleitung das Ehepaar Radley ihr unblutiges Leben und das ihrer ahnungslosen Kinder errichtet hat.
Wie wenig lebenswert dieses erstrebte Ziel jedoch ist, wird den Protagonisten nach und nach klarer, als die Kinder ihr wahres Ich zu entdecken beginnen und die Lebensweise der Eltern in Frage stellen. Pubertät für Vampire – letzten Endes sind die Radleys tatsächlich eine ganz normale Familie, nur dass sie eben auch zufällig noch Vampire sind und etwas andere Essgewohnheiten bevorzugen.
Leider kommt das Ende von The Radleys ein wenig zu perfekt daher und mit einer Lösung, bei der man sich als Leser schon früh im Buch fragt, warum das als Option gar nicht erst zur Debatte steht. Dennoch lohnt sich die Lektüre als leichte Kost zwischendurch und bietet ein wenig positive Abwechslung im schmachtenden Vampirregal.