Teray, frisch aus der Schule entlassen und mit überdurchschnittlichem telepathischen Talent gesegnet, macht sich mit seiner Frau Iray und seinem zukünftigen Ausbilder Joachim auf den Weg zu dessen Haus, wo Teray die nächsten Jahre verbringen soll, um zu einem vollwertigen Musternisten ausgebildet zu werden. Auf ihrem Weg werden sie von Coransee eingeladen, einem mächtigen Hausbesitzer und Musternisten. Die Einladung entpuppt sich schnell als Falle für Teray, denn Coransee wittert in dem jungen Mann eine zu große Konkurrenz auf seinem Weg zum mächtigsten Telepathen und Herrscher über das alle verbindende Muster.
– »Nun habe ich mehrere tausend Musternisten aufgeweckt, und ich habe dafür nicht mehr Anstrengung aufgebracht, als wenn jemand mit den Fingern schnippt. Schwester – Frau, das ist die Macht, wofür es sich lohnt zu töten.« –
Prolog, S. 9
Als der Seelenmeister starb (Patternmaster) ist das erste Buch der 2006 verstorbenen Autorin Octavia E. Butler. Sie begann mit dem Schreiben dieses Romans im Alter von zehn Jahren, und auch wenn sie im Laufe der Jahre einiges daran überarbeitet haben dürfte, ehe er veröffentlicht wurde, merkt man dem Buch deutliche Schwächen eines Erstlingswerks an.
Die Autorin hat sich in ihrem Roman einer Menge schwieriger Themen und moralischer Fragen genähert. Darunter die Privatsphäre des Menschen, die Frage des freien Willens, Menschenrechte, Inzest, Sklaverei, Rassenkonflikte, Feminismus und der Umgang mit (Homo-)Sexualität. Viele große Themen, zu groß, um in einem derart knappen Büchlein, von gerade einmal um die 200 Seiten, wirkliche Beachtung finden zu können. Das Resultat ist eine Geschichte, die viel Unterdrückung, Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Machtgier beschreibt, in der auch unterschwellig Kritik an einzelnen Dingen auftaucht oder eben auch eine (leider noch) utopische Akzeptanz der Homosexualität; letztendlich bleibt es aber nicht mehr als eine Zustandsbeschreibung ohne Herleitung oder Entwicklung. Mit der richtigen Handlung hätte sich sicherlich trotzdem eine spannende Darstellung einer futuristischen Welt darum herum aufbauen lassen können, in diesem Fall ist das wenig geglückt. Denn die Protagonisten ergeben sich wehrlos ihrem Schicksal, emanzipierte Frauen fügen sich ganz natürlich und selbstverständlich in die klassische Rolle der Maitresse, der vermeintliche Herausforderer gibt sich allzu kämpferisch, nur um im nächsten Moment die am wenigsten konsequente, unterwürfigste Handlung zu begehen usw. Unter diesen Unstimmigkeiten von Wille und Handlung leidet die Glaubhaftigkeit der Protagonisten enorm und untergräbt die ansatzweise vorhandene Kritik an den herrschenden Zuständen.
Von den Verlagen als Science Fiction angepriesen, weckt auch der Klappentext entsprechende Erwartungen und dürfte die Leser damit zusätzlich enttäuschen, denn in der Praxis ist es schwer, die typischen Merkmale der Science Fiction in diesem Roman zu finden. Es wird zwar ab und an von einer Reise ins Weltall berichtet, die lange zurück liegt und nur noch in der Erinnerung weniger Menschen präsent ist, man erhält Informationen darüber, dass wir uns in einer entfernten Zukunft befinden und unsere alte Zivilisation zugrunde gegangen ist, doch der Rest, und damit ist im Prinzip das gesamte Buch gemeint, erweckt den Eindruck einer eher primitiven, rückständigen Klassengesellschaft mit einer telephatisch begabten, dominanten Menschenrasse ohne technologische Errungenschaften, die sich im Krieg mit einer der Sphinx-ähnlichen Rasse, den Clayarks, befindet. Warum, weshalb, wie lange schon … man weiß es nicht.
Neben den ideologisch sehr guten Ansätzen, denen es deutlich an Ausarbeitung mangelt, werden auch die Hintergründe zur Entstehung dieser streng hierarchischen Gesellschaftsform nur am Rande angekratzt. Die durchaus interessanten Informationsschnipsel, die im Laufe der Handlung nebenher immer mal wieder eingestreut werden, werfen viele spannende Fragen auf, bleiben jedoch bis zum Schluss gänzlich unbehandelt und unbeantwortet. Als der Seelenmeister starb konzentriert sich alleine auf die Haupthandlung, den Kampf zwischen Coransee und dem jüngeren Bruder Teray, und vergisst darüber hinaus ein stimmiges Gesamtbild der sie umgebenden Welt zu erzeugen. Neben alldem mag man sich über die Übersetzungsfehler der deutschen Ausgabe schon gar nicht mehr ärgern und ignoriert die zahlreichen Rechtschreibfehler, sperrigen Formulierungen und die Buchstabendreher bei den Namen.
Die Kürze dieses Romans wird schlussendlich sowohl zum Segen als auch zum Fluch für das Buch. Zum Fluch, weil hier ein großes Potential verschenkt wird, zum Segen, weil man ein Buch in diesem Stil nicht zuende lesen würde, wenn es mehr Seiten hätte. Man kann nicht sagen, dass Als der Seelenmeister starb wirklich schlecht wäre oder gar keinen Unterhaltungswert besäße, das Buch lässt einen eher aufgrund inkonsequenter Verhaltensmuster der Protagonisten und zu vieler nicht behandelter Fragen frustriert und gelangweilt zurück. Als Einstieg zu dieser Autorin eignet sich ihr Erstlingswerk daher weniger.
(rezensiert von: moyashi)