Als der Seelenmeister starb

Als der Seelenmeister starb ist ein recht dünnes Büchlein, in dem allerdings allerhand drinsteckt. Da wäre einmal der interessante Weltentwurf mit der großen Bedeutung der Telepathie in der Gesellschaft. Denn die Begabung und der geschulte Umgang mit telepathischen Fähigkeiten schaffen Hierarchien in der Welt, die Eliten der Musternisten kontrollieren ganze Häuser und der Oberste aller Musternisten, der Seelenmeister, kann die Psyche aller Musternisten lenken. Mit diesem spannenden Konzept, das im Verlauf des Romans zunehmend weiter ausgebaut wird, thematisiert Octavia Butler beinahe beiläufig, aber sehr differenziert die enge Verwobenheit von Geschlecht, Rasse und Klasse in den Machtbeziehungen einer Gesellschaft. Die vielfältigen Möglichkeiten der Unterdrückung, aber auch der Handlungsfähigkeit im Rahmen der Machtstrukturen werden auf vielen verschiedenen sozialen Ebenen dargestellt. Sei es in den unterschiedlichen Beziehungen Terays zu den beiden bedeutenderen Frauenfiguren des Romans oder in der Weise, wie sich diese beiden mit den Verhältnissen im Hause Coransees arrangieren oder in Terays Umgang mit der telepathisch unbegabten Dienerkaste der Musternisten, den ausdrucksstark so genannten „Stummen“.

Man darf sich allerdings nicht erwarten – oder muss nicht befürchten -, dass diese Thematiken abhandlungsartig ausgewalzt werden, vielmehr steckt sehr viel in den Details der Erzählung, vieles muss man sich selbst zusammenreimen oder eigenständig Verbindungen zu Machtkonzepten herstellen. Diese Beiläufigkeit betrifft auch das zweite Thema des Buches, die Bedrohung der Musternisten durch die Clayark. Die jeweilige Andersartigkeit wird zwar von beiden Konfliktparteien gepredigt, was jede Begegnung zwischen Angehörigen der beiden Gruppen prägt, dieses Bild wird allerdings in einer relativ kurzen Szene in Frage gestellt. Im weiteren Verlauf der Geschichte spielt dies jedoch keine Rolle mehr – was den Leser/die Leserin doch unbefriedigt zurücklassen kann.

Denn die Handlung des Romans dreht sich keineswegs um den Sturz dieser vielfältigen Ungleichheiten in der Welt der Musternisten, sondern ist die durchaus wendungsreiche Geschichte des jungen Teray, der sich – ehrgeizig wie er ist – darin einen Platz an der Sonne erstreiten will. Sein zum Teil opportunistisches Teilhaben, zum Teil trotziges Auflehnen machen ihn zu einer ambivalenten, aber nicht unbedingt sympathischen Figur. Anstatt also – wie in einem befriedigenden Epos – die Welt zu verbessern, möchte er einfach einen für ihn vorteilhaften Platz in ihr erlangen, was selbst dem großen Knall am Ende des Buches einen seltsam schalen Beigeschmack gibt.

Die deutsche Ausgabe von Bastei weist leider einige Schlampigkeiten (gerne werden Buchstaben bei Namen vertauscht) und eine stilistisch recht holprige Übersetzung auf, das Lesevergnügen wird also etwas geschmälert. Das Buch ist Teil eines Zyklus aus sehr, sehr lose miteinander verknüpften Romanen. Das hier vorgestellte Buch kann also problemlos alleine gelesen werden. In deutscher Übersetzung sind noch Der Seelenplan und Wilde Saat erschienen, während Clay’s Ark unübersetzt blieb. Alle vier sind auf Englisch im Sammelband Seed to Harvest zusammengefasst worden.
(rezensiert von: Fremdling)

Stand: 21. Mai 2012
Originaltitel: Patternmaster
Erscheinungsjahr: USA 1976, D 1982
Verlag: Bastei Lübbe
Übersetzung: Inge Pesch von der Ley
ISBN: 3-404-24037-5
Seitenzahl: 218