Ichabod Crane ist ein armer Schlucker von Dorflehrer, der sich ausgerechnet in die hübsche Tochter eines reichen Mannes verliebt. Während er mit seiner stillen und etwas unbedarften Art versucht, seiner Angebeteten höflich den Hof zu machen, hat er gegen die auftauchende Konkurrenz, einen grobschlächtigen Muskelprotz, keine Chance. Als er eines Nachts später als geplant von einem Kaffekränzchen mit älteren Damen aufbricht, wird er schließlich auch noch von der alten Legende des kopflosen Reiters heimgesucht.
– In the bosom of one of those spacious coves which indent the eastern shore of the Hudson lies a small market town, or rural port, which is known by the name of Tarry Town. –
The Legend of Sleepy Hollow gehört im englischsprachigen Raum wohl zu einer der Geschichten, die alle Kinder irgendwann als Gruselmärchen erzählt bekommen. Hierzulande dürfte den meisten wohl eher die Verfilmung von Tim Burton mit Johnny Depp als etwas schrulligem Ermittler bekannt sein.
Wenn man sich nun die Vorlage von Washington Irving ansieht, dann wird schnell klar, dass es sich hier um eine völlig andere Geschichte handelt und die Enttäuschung folgt bei manch einem Leser auf dem Fuße. Es gibt einen kopflosen Reiter und auch einige Namen stimmen überein, aber das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Keine Hexen, keine böse Stiefmutter, keine Albträume von verstorbenen Eltern, keine okkulten oder magischen Symbole unter dem Bett, keine Autopsien und keine Liebesgeschichte.
The Legend of Sleepy Hollow ist leider alles andere als spannend oder gar unheimlich. Es ist die Erzählung über einen schlecht verdienenden Lehrer von schmächtiger Statur und unattraktivem Äußeren, der sich in eine schöne reiche Tochter verguckt und mit einem ebenso reichen starken Kerl konkurrieren muss. Unnötig zu erwähnen, wer da wohl das Rennen macht, zumal die Rollenbilder der damaligen Zeit natürlich heute deutlich antiquiert wirken und andere Botschaften transportierten, als man es als moderner Leser gewohnt sein sollte. Der kopflose Reiter? Nur eine Geschichte in einer Geschichte, die Schreckphantasie eines ohnehin schon wunderlichen Mannes.
Auch die herrliche Illustrationskunst von Gris Grimley, der sich gerne an solch alten Texten austobt, vermag die Wirkung der Geschichte daher leider nicht zu heben. Möglich ist natürlich, dass The Legend of Sleepy Hollow, wie viele Klasiker der Literatur, einfach nicht mit dem modernen Verständnis von Grusel und Horror mithalten kann. Im 19. Jhrd. sah das vielleicht völlig anders aus – schließlich galt da auch Dracula als höchst unheimliche Lektüre – während sie heute mehr aus rumsitzen und Tee trinken zu bestehen scheint und man von dem “Bösen” nicht wirklich viel bemerkt. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob Washington Irving überhaupt so stark auf handfesten Grusel aus war oder ob er nicht eher darauf abzielte, die schaurigen Geschichten, die im Zuge der Gothic Novel und der Romantik populär waren, zu ironisieren. Dies würde auch die irdisch-profane Deutung des “Spuks” in der Geschichte erklären. So oder so, Kinder, die noch nicht so abgeklärt sind wie Erwachsene, dürften die Geschichte um den kopflosen Reiter sicher anders wahrnehmen als ein Erwachsener mit größerer Leseerfahrung.
Diese kleine Lektüre ist letztlich durchaus gut geschrieben und die altmodische Sprache bleibt dabei nicht nur recht gut verständlich, sie besitzt auch einen gewissen Charme. Bloß vermag sie es nicht, eine Atmosphäre jedweder Form aufzubauen. Allein wegen der Illustrationen lohnt es sich für Freunde der Optik aber dennoch, dieses Büchlein zur Hand zu nehmen und die vielen kleinen Details und die ganz eigene Art des Künstlers zu erkunden. Die tollen Ergebnisse, die Gris Grimly mit einer begrenzten Farbpalette, klassischer Tusche- und Aquarelltechnik erzielt und wie er die stark überzeichneten Charaktere mit Sympathie und Leben füllt, sind für sich betrachtet unterhaltsam genug.