Miss Victoria Gardella Grantworth ist die letzte der Gardella-Blutlinie und damit auch die letzte vom Schicksal bestimmte Vampirjägerin. Sie ahnt von ihrer Bestimmung nichts, bis sie immer wieder von dem gleichen Traum heimgesucht wird, in dem Vampire sie verfolgen. Unsicher, was dies bedeutet, fragt sie ihre Tante Eustacia um Rat. Als sich das Geheimnis offenbart, muss Victoria eine Entscheidung treffen, die ihr Leben für immer verändern wird.
– His footsteps were soundless, but Victoria felt him moving. –
In Which Our Story Commences, S. 1
Auf den ersten Blick lässt das Zitat ja doch hoffen. Hoffen auf ein Buch mit Spannung, mit dunklen Ecken, in denen düstere Gestalten lauern, mit einer packenden Atmosphäre und einer starken Heldin, die eine Vorfahrin von Buffy sein könnte.
Könnte.
Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt …
The Rest Falls Away (Bleicher Morgen) verspricht erst einmal einen interessanten Ansatz. Nicht unbedingt eine neue Geschichte, aber es hätte, wenn es gut erzählt worden wäre, durchaus solide werden können. Leider mangelt es der Autorin an mehreren Dingen. Zum einen scheinen sich viele Gedankengänge zur Handlung ausschließlich in ihrem Kopf abgespielt zu haben, denn die Story holpert doch gewaltig von einer Aktion über eine plötzliche Schlussfolgerung bis hin zu einer längst überfälligen Erkenntnis der Protagonisten, stolpert zurück zum Anfang und springt wieder ans Ende der Charakterentwicklung. Es liest sich daher etwas sehr launisch. Die erzählerische Wirkung tendiert gegen Null, das häufige Problem ist eine in sich unschlüssige Handlung.
Sieht man darüber dennoch hinweg, wird man gleich von blassen Charakteren in Empfang genommen, die einem allesamt so gar nicht ans Herz wachsen wollen. Sie wollen einem auch sonst keine Regung abgewinnen, denn sie bleiben alle vollkommen oberflächlich gezeichnet, ohne die Möglichkeit irgendeinen wie auch immer gearteten Zugang zu ihnen zu finden. Es gibt bestimmte Attribute, welche die Autorin ihnen zuschreiben wollte: die schlagfertige und aufopfernde weibliche Heldin, der liebevolle, witzige, charmante, aber völlig ahnungslose Marquis, der die Heldin aufrichtig liebt, der arrogante, unnahbare und absolut unausstehliche Kollege unserer Heldin, der natürlich heimlich ein Auge auf sie geworfen hat, die mütterliche und weise Tante als Lehrmeisterin und diverse andere Stereotypen, die man in der Regel ohne weiteres erkennt und dennoch alle irgendwie mag, weil sie einem aufgrund dieser Merkmale sofort vertraut erscheinen. In diesem Fall jedoch lernt man die Personen nicht kennen, sie entwickeln sich nicht, stattdessen bekommt man von der Autorin gesagt, was man von ihnen halten soll.
Mit den Gegnern verhält es sich auch nicht besser. Sie stellen nie eine echte Gefahr dar und wirken daher auch nicht bedrohlich, infolge dessen erscheinen die Protagonisten wiederum nicht kompetent. Kurzes Beispiel gefällig? Aber gerne:
Gardist der Obervampirin Lilith und absolut ernst zu nehmender Vampir greift an! – (Achtung Zitat:) Poof! Asche. Drei der obersten, ältesten und mächtigsten Vampire, genannt Imperials, greifen gleichzeitig an! – Poof! Poof! Poof! Asche hoch drei! Wir kämpfen gegen mehrere Gardisten und Imperials auf einmal! – So oft kann man innerhalb weniger Sekunden gar nicht Poof! sagen …
Das geht so locker flockig vom Pfahl, da fragt man sich doch, wozu es noch ein Expertenteam zur Jagd von Vampiren braucht.
Auch der Weltenbau ist so uninteressant und detaillos wie die Charaktere. Angesiedelt in einer vermeintlich viktorianischen Epoche, liest man eigentlich nur von Korsetts, hin und wieder einem Tee, verschiedenen Bällen und ausgefallenen Kleidern, und damit ist nicht etwa eine Beschreibung der Kleider gemeint. Nein, es sind einfach nur ausgefallene Kleider, mit dem Rest verhält es sich genauso. Aha! Na dann ist doch schon alles klar, da formen sich fantastische Bilder vor dem geistigen Auge, da kommt Atmosphäre auf, die Haare sträuben sich vor Spannung, nicht wahr?
Die Handlung wiederholt sich im Übrigen mehrfach, mit den selben Personen, dem selben Ablauf, den gleichen wässrigen Ausreden, weshalb die Heldin mal wieder eben verschwinden muss … Zusammenfassend passiert also eigentlich fast nichts, man entdeckt nichts und die Story kommt nur schleppend voran. Dies in Kombination mit der inkonsequenten Charakterentwicklung und den unlogisch späten Erkenntnissen, macht die Lektüre zu einem äußerst zähen Stück blutlosem Schinken.
The Rest Falls Away gehört der Gattung Paranormal Romance an, aber aufgrund des Schreibstils mag kaum Romantik aufkommen. Auf den letzten Seiten soll es dann plötzlich erotisch werden, wovon man leider auch nicht viel mitbekommt, denn es fallen bloß ein paar eindeutige Wörter, die nicht zum bisherigen Stil passen wollen. Das ist nur der letzte einer Vielzahl von sprunghaften Richtungswechseln, die aus dem Nichts auftauchen, sich nicht fließend in die Handlung einfügen wollen und auch eigentlich keinen Sinn ergeben, ganz zu schweigen davon, dass es den Roman noch irgendwie retten könnte.
Beim Lesen dieser Lektüre gewinnt man vor allem einen Eindruck: Die Autorin ist eine Anhängerin der Gothic-Szene und sie hat eine Vorliebe für Korsetts und Piercings. Was sie leider nicht hat, ist das Talent, eine flüssige und überzeugende Geschichte zu schreiben. Wer nun denkt “Hey super! Ich gehöre auch zur Szene!”, der vergesse es besser gleich wieder. Dieser Roman bietet viele Ansätze und Versuche, die offen stehen bleiben wie eine unfertige Skizze, die man nun gerne ausarbeiten würde. Es gibt in diesem Buch neben sehr vielen Kopf-schüttel-Situationen lediglich zwei (unbeabsichtigte) Lacher, die mit den erwähnten Piercings zusammenhängen und die einzige Entschädigung für die investierte Lesezeit darstellen.
Wie es schon im Titel heißt: The Rest Falls Away.