Nachdem die Emberaner dank Lina und Doon den Weg an die Oberfläche gefunden haben, treffen sie nach Tagen des Wanderns auf die ländliche Stadt Sparks, wo sie sich Hilfe in dieser fremden Welt erhoffen. Anfangs sind beide Parteien überrascht und aufgeregt über die gegenseitige Entdeckung, die Bewohner von Sparks nehmen die Emberaner bei sich auf, versorgen sie mit Nahrung und Unterkunft. Doch die Ressourcen sind knapp, die Emberaner unwissend, wie sie sich selbst versorgen können, und so dauert es nicht lange, bis Streit, Neid und Vorurteile entstehen, die dazu führen könnten die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
– The people were coming down. Over the crest of the hill they came and kept coming, dozens of them, more and more, like a mudslide. –
What Torren saw, Part 1 – The Arrival, S. 7
The People of Sparks (Ankunft im Licht) beginnt dort, wo The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) den Leser verließ. Lina und Doon haben es geschafft, die Bewohner ihrer zerfallenden Stadt an die Oberfläche zu lotsen, doch aus der Stadt herauszukommen war nur der Anfang der eigentlichen Herausforderung. In The People of Sparks lernen die Emberaner nun eine völlig fremde Welt kennen, die dem Leser dafür umso bekannter erscheinen wird. Als Nachfahren der Überlebenden einer nicht näher definierten Katastrophe, bei der die Zivilisation, wie wir sie kennen, zerstört wurde, lebt Sparks von der eigenen Landwirtschaft und dem Handel mit den Überresten der alten Zivilisation. Ausgeschlachtete Autos, die als Viehkutschen umfunktioniert werden, sind aber schon beinahe alles, was dazu dienen soll, dieses Endzeitszenario charakterisieren. Etwa 300 Jahre nach der Zerstörung gibt es nur noch Legenden von der einst hoch entwickelten Menschheit, in der man immerhin einmal das überwucherte Gerippe einer längst zerfallenen Großstadt sieht. Wie diese einstige Zerstörung genau aussah, zustande kam oder wie weit sie reicht (vermutlich weltweit), erfährt man als Leser jedoch nicht. Leider ist damit nämlich schon alles gesagt, was das Buch an Informationen mitzuteilen hat, denn eine Ausarbeitung von Hintergründen findet nicht statt, auch die Legenden selber lernt man nur in kurzen Einsprengseln kennen. Greifbares hält der Roman kaum bereit.
Im Zentrum steht nun auch vor allem das Thema des Umgangs mit Hilfsbedürftigen, Flüchtlingen, Menschen, die Asyl brauchen und ohne Unterstützung und Anleitung in einer fremdartigen Welt nicht überleben können. Ein Umkehren ist für die Emberaner nicht möglich, alleine weitermachen ebensowenig, da die Emberaner nicht wissen, wie sie ihre eigene Nahrung gewinnen oder sich gegen Witterungsverhältnisse schützen können. Als reine Nutzgesellschaft haben sie nie gelernt, selbst etwas zu bauen oder herzustellen, und so ist es nun an den Bewohnern Sparks, ihnen alles Nötige beizubringen. Doch die Anzahl der Emberaner übersteigt die Anzahl der Bewohner von Sparks, und so stellt sich bald die Frage: wo sollen die Neuankömmlinge leben? Wie sollen so viele zusätzliche Mäuler gestopft werden, wenn die Ressourcen schon für die eigene Bevölkerung oft kaum reichen?
Jeanne DuPrau verlagert hier ganz alltägliche Konflikte und Problemsteigerungen in eine postapokalyptische Welt irgendwo im Nirgendwo, die nachvollziehbar und mit Wiedererkennungswert daher kommen, allerdings ohne großen Unterhaltungswert oder Überraschungen.
Was die Charaktere angeht, treffen wir einerseits wieder auf die bereits bekannten Figuren Lina und Doon. Hinzu kommt der junge Tick, der mit seinen knapp elf Jahren eine eher unglaubwürdige Rolle als aufrührerischer Anführer der Emberaner übernimmt, massenhaft Ideen für Projekte beginnt und dafür die halbe Stadt begeistern kann. Während Lina und Doon in The City of Ember trotz ihres junges Alters eine passende Rolle ausfüllten und stimmig in das Gesamtbild passten, ist es bei Tick schwer zu glauben, dass ein so typisch junges Kind Erwachsene dazu bringen soll, ausgesprochen naive Dinge zu tun, und diese ihm auch noch eine derart starke Führungsrolle zugestehen.
Im Vergleich zu The City of Ember, das auch für Erwachsene sehr gut funktionierte, kann The People of Sparks in vielen Punkten nicht überzeugen und erweist sich deutlich als Jugendbuch. Sehr schade ist auch der kaum vorhandene Bezug zu den Hintergründen, die Ember entstehen ließen, oder wie Menschen an der Oberfläche überleben konnten. Das verschenkte Potential, was daraus alles hätte werden können, ist nur mit etwas Wehmut zu verdauen.
Schlussendlich ist The People of Sparks eine nette Geschichte für Zwischendurch, der aber trotz Andeutungen von übernatürlichen Visionen und Postapokalypse das Phantastische und Steampunkige fehlt und die daher nicht an die lebendige Atmosphäre von The City of Ember anknüpfen kann. Zu offensichtlich ist der Versuch, hier eine Unterrichtslektion an den Leser weiterzugeben, die nur zu Unterhaltungszwecken eines junges Publikums in eine Geschichte verpackt wurde. Kann man lesen, muss man aber nicht, jedenfalls nicht, wenn man eine Fortsetzung zu The City of Ember möchte, denn im Grunde erhält man hier nur fertige Tatsachen ohne Herleitung, einen Baum ohne Wurzeln.