Autor: Carriger@Gail

Blameless von Gail CarrigerVon ihrem Ehemann verschmäht, ihres Postens als Mujah enthoben und von Vampirattentätern verfolgt, begibt sich Lady Maccon auf die Suche nach Antworten in Bezug auf ihren seelenlosen und ausgesprochen schwangeren Zustand. Zusammen mit Madame Lefoux und ihrem Diener Floote reist sie nach Italien, wo vermutlich die größten aller Schrecken auf sie warten: Kaffee und Pesto!

– An image of her husband’s face momentarily broke her resolve. That look in his eyes the last time they saw each other – so betrayed. But what he believed of her, the fact that he doubted her in such a way, was inexcusable. How dare he leave her remembering some lost-puppy look simply to toy with her sympathies! –
Kapitel 1, S. 6

In Blameless (Entflammte Nacht) rückt der bisher vorhandene romantische Aspekt der Buchreihe deutlich in den Hintergrund. Wer sich die letzten Ereignisse aus Changeless (Brennende Finsternis) in Erinnerung ruft, wird darüber nicht allzu verwundert sein. Mit gewohnt bissigem Wortwitz und schrulligen wissenschaftlichen Erfindungen wie mechanischen und ausgesprochen mörderischen Marienkäfern, hebt sich Gail Carriger mit Blameless einmal mehr von der Romantasy-Welle ab und präsentiert ihren Lesern eine turbulente Abenteuergeschichte. Die Autorin greift außerdem einen Handlungsstrang auf, der in den ersten Bänden nur angedeutet bzw. als vollendete Tatsache präsentiert wurde.

Sehr sympathisch ist es, wie Gail Carriger ihre alternative Realität mit vertrauten Dingen bestückt und diese gleichzeitig in ein neues Licht setzt. So wird Pesto beispielsweise vollkommen zu Unrecht für eine leckere Speise gehalten, denn eigentlich handelt es sich hierbei, aufgrund der strategisch gut gewählten Zutaten, um eine effektive Waffe, sowohl gegen Werwölfe als auch gegen Vampire. Nicht verwunderlich also, dass Pesto sich trotz seiner zusätzlich schmackhaften Eigenschaften im von Vampiren und Werwölfen bevölkerten England keiner besonders großen Beliebtheit erfreut.
Man merkt Blameless zudem deutlicher an als den Vorgängern, dass die Autorin Archäologin ist und gerne in der Geschichte gräbt. So werden auch verschiedene bekannte Artefakte und geschichtliche Entdeckungen einer neuen Bedeutung zugeführt, die sich wunderbar in das Bild dieser multikulturellen Gesellschaft einfügt.

Wer sich auf Lord Maccon freut, wird in Blameless auf die Folter gespannt. Der grantige Werwolf hat leider nur wenige Auftritte, dafür sind diese aber kaum zu überbieten und sorgen für Lachanfälle vom Feinsten.
Fans der schrägen Hutmode dagegen wird es freuen zu hören, dass Miss Ivy Hisselpenny eine besonders delikate Aufgabe zuteil wird, die einen zunächst die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und das Armageddon für die Modewelt befürchten lässt.

Alles in allem verliert der dritte Band aus der Reihe The Parasol Protectorate nichts von seinem Witz oder Charme und ist genauso lesenswert wie seine Vorgänger. Durch die neue Rahmenhandlung, die erst zum Schluss hin deutlich wird, gewinnt der Roman jedoch zusätzlich an Spannung. Während Soulless (Glühende Dunkelheit) in sich abgeschlossen ist und durchaus für sich allein stehen bleiben kann und auch Changeless lediglich ein weiterer Roman innerhalb der selben Welt mit den selben Protagonisten ist, lässt Blameless nun klar werden, dass es um eine größere Hintergrundgeschichte geht, welche den Ursprung aller Außer- und Übernatürlichen aufzudecken beginnt und in Heartless (Feurige Schatten) eine Fortsetzung findet. Der Leser begibt sich also nun auf Spurensuche und fühlt sich dabei ein wenig wie Indiana Jones auf der Jagd. Das Buch schließt diesmal ohne großen Cliffhanger ab, lässt aber viel Raum, um neugierig auf den vierten Band zu machen.

Brennende Finsternis von Gail CarrigerLady Alexia Maccon findet das heimatliche Anwesen unerfreulicherweise ohne Ehemann vor. Während dieser sich ebenso ohne Vorankündigung nach Schottland begeben hat, haust im Vorgarten ein ansehnliches Rudel Werwölfe, das auf Alexias Gartengestaltung wenig Rücksicht nimmt. Als sich eine Art Krankheit, die aus den Übernatürlichen wieder Sterbliche macht,  in Conell Maccons Richtung bewegt, begibt sich Alexia kurzentschlossen selbst auf den Weg nach Schottland. Gewisse Ereignisse verlangen jedoch, dass sie dabei von der Erfinderin Madame Lefou, ihrer Freundin Ivy Hisselpenny und sogar ihrer Schwester begleitet wird – ein chaotisches Gespann mit Lachgarantie.

– Lord Conall Maccon, der Earl of Woolsey, brüllte. Laut. –
Alexia ärgert sich über Zelte und Ivy hat etwas bekannt zu geben, S. 7

Zu Brennende Finsternis liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Changeless von Gail CarrigerIn Changeless, dem 2. Teil des Parasol Protectorates, findet Lady Alexia Maccon das heimatliche Anwesen unerfreulicherweise ohne Ehemann vor. Während dieser sich ebenso ohne Vorankündigung nach Schottland begeben hat, haust im Vorgarten ein ansehnliches Rudel Werwölfe, das auf Alexias Gartengestaltung wenig Rücksicht nimmt. Als sich eine Art Krankheit, die aus den Übernatürlichen wieder Sterbliche macht,  in Conell Maccons Richtung bewegt, begibt sich Alexia kurzentschlossen selbst auf den Weg nach Schottland. Gewisse Ereignisse verlangen jedoch, dass sie dabei von der Erfinderin Madame Lefou, ihrer Freundin Ivy Hisselpenny und sogar ihrer Schwester begleitet wird – ein chaotisches Gespann mit Lachgarantie.

– Werewolf, was he? Well, Alexia Maccon’s parasol was tipped with silver for a reason. She walloped him again, this time making certain the tip touched his skin. At the same time, she rediscovered her powers of speech.
“How dare you! You impudent” – whack – “arrogant” – whack – “overbearing” – whack – “unobservant dog!” Whack, whack. –
Kapitel 1, S.18

Schon die ersten Seiten von Changeless (Brennende Finsternis) lassen erkennen, hier wird es wieder genauso absurd komisch wie im ersten Teil Soulless (Glühende Dunkelheit). Angereichert mit der gewohnt charmanten Prise Steampunk kommt der spitze Humor in Form britischer Trockenheit wieder frühzeitig in Fahrt und treibt die Mundwinkel in die Höhe. Skandalöse Kleidungsstile sowie der obligatorische  Sonnenschirm, in dem sich ein ganzes Arsenal an tödlichen Waffen verbirgt und der ein bisschen an James Bonds Kollegen Q denken lässt, lassen darüber hinaus keine Wünsche offen.

Während die Handlung dieses Mal etwas löchrig geraten ist, wurden die Figuren deutlich besser ausgearbeitet als im Vorgänger. Sie haben mehr Tiefe, mehr Persönlichkeit und wirken kurzum solide. Diese Nähe zu den Charakteren macht es einem leicht, sich von der Geschichte und ihren urkomischen Wendungen mitreißen zu lassen. Manch nervtötender Persönlichkeit möchte man da trotz ihrer Zierlichkeit gerne auch mal den Damenschuh in das fein zurechtgemachte Hinterteil treten.

Auch sprachlich ist Changeless wieder ein Highlight. Im Gegensatz zur deutschen Ausgabe kommt im Original natürlich auch der schottische Akzent in voller Pracht zum Vorschein und strapaziert gemeinsam mit den hitzigen Wortgefechten die Lachmuskeln zusätzlich. Schon allein deswegen macht das Original noch mal eine ganze Ecke mehr Spaß. Daneben fällt auch immer wieder auf, wie intensiv sich Gail Carriger mit den Details zu ihren Romanen befasst, seien es nun die Verhaltensregeln und Manieren, wissenschaftliche und technische Erfindungen oder die Beschaffenheit viktorianischer Mode. Mit einer sichtbaren Liebe für all diese Details schafft es die Autorin, wieder ein lebendiges Bild ihrer Welt zu zeichnen, ohne sich dabei in ermüdend langen Beschreibungen zu ergehen.

Mit Changeless liefert Gail Carriger erneut eine paranormale romantische Komödie ab, in der Geister, Mumien, zeterndes Weibsvolk und schottische Werwölfe in Kilts ihren großen Auftritt haben.
Besonders fies ist jedoch die letzte Wendung und der damit verbundene Cliffhänger zum Schluss. Da sollte man sich unbedingt den 3. Band, Blameless (Entflammte Nacht), frühzeitig zulegen und bereithalten.

Entflammte Nacht von Gail CarrigerVon ihrem Ehemann verschmäht, ihres Postens als Mujah enthoben und von Vampirattentätern verfolgt, begibt sich Lady Maccon auf die Suche nach Antworten in Bezug auf ihren seelenlosen und ausgesprochen schwangeren Zustand. Zusammen mit Madame Lefoux und ihrem Diener Floote reist sie nach Italien, wo vermutlich die größten aller Schrecken auf sie warten: Kaffee und Pesto!

– Als sein Gesicht kurz vor ihrem inneren Auge auftauchte, brachte das ihre Entschlossenheit für einen Moment ins Wanken. Dieser Ausdruck in seinen Augen, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten – so verletzt und betrogen. Doch das, was er von ihr glaubte, und dass er derart an ihr zweifelte, war unentschuldbar. Wie konnte er es wagen, sie nur mit der Erinnerung an seinen verlorenen Hundeblick alleinzulassen und derart mit ihrem Mitgefühl zu spielen! –
Die Misses Loontwill setzen sich mit einem Skandal in ihrer Mitte Auseinander, S. 14

Zu Entflammte Nacht liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Etiquette & Espionage von Gail CarrigerDie 14-jährige Sophronia Angelina Temminnick ist ein Wildfang, der ihrer Mutter mehr Arbeit und Sorge macht als alle (zahlreichen) Geschwister zusammen. Ihr Knicks ist zum Fürchten, ihr ständig zerrauftes Erscheinungsbild sowieso, und von ihrer freien Meinungsäußerung wachsen Mrs. Temminnick noch graue Haare. Höchste Zeit also, das Kind auf eine anständige Benimmschule für Mädchen zu verfrachten, wo man Sophronia die Flausen austreiben und aus ihr eine wohlerzogene junge Dame machen soll. Doch spätestens auf dem Weg dorthin wird schnell klar, dass hier irgendetwas im Busch ist, als die Kutsche von fliegenden Wegelagerern angegriffen wird.

– Mrs. Barnaclegoose had decided opinions on reforming other woman’s daughters. Sophronia did not want to be reformed. So she had pressed the dumbwaiter into the service of espionage. –
Lesson 1: The Start of Being Finished

Mit Etiquette & Espionage startet Autorin Gail Carriger in ihre neue Buchreihe The Finishing School Series. Die sachlichen Infos vorweg: Dieser Roman spielt in der selben Welt wie auch das Parasol Protectorate, ist aber ca. 20 Jahre früher angesiedelt und erschien als Jugendbuch. Auf pikantere Inhalte wird in dieser neuen Reihe entsprechend verzichtet.

Der Roman startet zunächst als klassische Internatsgeschichte im viktorianischen Stil. Das Konzept ist klar: Mädchen werden auf eine Benimmschule geschickt, schließen dort außergewöhnliche Freundschaften und sie bestehen gemeinsam ein Abenteuer.
Bei Gail Carriger allerdings macht die spezielle Würze den Unterschied aus. Etiquette & Espionage präsentiert, ähnlich wie schon das Parasol Protectorate, eine starke Heldin. Sophronias vorlaute Ehrlichkeit und ihr Entdeckergeist sind wie ein strammer Wind im Teenie-Schmonzetten-Regal. Hier geht es einmal nicht darum, sich möglichst schnell und unheilbar in irgendeinen mysteriösen Jungen zu verlieben, sondern darum, einen wichtigen Prototyp zu finden, dabei Luftpiraten abzuwehren, sich von mechanischen Hausdienern nicht erwischen zu lassen, Maschinenräume widerrechtlich zu betreten, in luftigen Höhen zwischen Zeppelin-Plattformen hin und her zu klettern, Ablenkungsmanöver korrekt einzusetzen, einen Verräter zu überlisten, und und und …
Die Devise heißt nicht »Sei brav!« sondern »Lass dich nicht erwischen!«, denn was Miss Geraldine’s Schule hervorbringt, sind zukünftige Spione, getarnt als wohlerzogene junge Damen. Für diese Aufgabe fühlt sich Sophronia, die an ihrer Grazie wohl noch eine Weile länger arbeiten muss, bestens geeignet und sie freut sich diebisch darüber. Erst recht, wenn sie daran denkt, was ihre Mutter wohl dazu sagen würde, hätte die auch nur den Hauch einer Ahnung von den Vorgängen.

Mit gewohnt humorvollem Erzählstil erweckt Gail Carriger ihre Geschichte mit vielen verspielten Details zum Leben. Viel deutlicher als im Parasol Protectorate kommen hier die Kennzeichen des Steampunks zum Vorschein und erschaffen eine lebendige Welt im technischen Wandel. Rauchende Schornsteine, Luftschiffe und mechanische Erfindungen en masse! Es quietscht, es tropft, es qualmt, wohin man auch blickt.
Schön sind außerdem die vielen Nebenfiguren, die aus dem Parasol Protectorate wieder aufgegriffen wurden. So trifft man u.a. auf Genevieve Lefoux und Lady Kingair in ihren jüngeren Jahren. Vorkenntnisse aus den vorherigen Büchern Carrigers braucht man an dieser Stelle nicht, es sorgt lediglich für Amüsement, die bekannten Figuren soviel jünger zu erleben.
Selbstverständlich trifft man in diesem Buch auch auf ganz neue Charaktere, bei denen nicht nur die Namen für heftiges Schmunzeln sorgen. Ebenso begegnen wir wieder Vampiren und Werwölfen im feinen (und weniger feinen) Zwirn.

Ein paar Abzüge gibt es freilich auch zu nennen. Die Idee einer Spionage-Schule ist durchaus mal etwas neues. Es hat jedoch oft den Anschein, dass das Potential dieser Schule und ihrer Charaktere nicht ausgeschöpft wurde. Manches wirkt etwas zu gut konstruiert und die Charaktere agieren gelegentlich zu clever (insbesondere für ihr Alter), auch mangelt es dem Plot an Substanz, vorhersehbar ist er leider auch recht schnell. So ganz warm geworden scheint die Autorin mit ihrer neuen Reihe noch nicht zu sein. Nichtsdestotrotz ist Etiquette & Espionage eine tolle Abwechslung zu sonstigen Jugendbüchern und liefert vor allem Mädchen ein Vorbild, das mehr kann als sich unsterblich zu verlieben und alle Handlungen um diese Liebe herum aufzubauen. Sophronia ist da deutlich vielseitiger und auch vielseitiger interessiert. Mal sehen, ob es Gail Carriger schafft, mit dem Nachfolger auch wieder zu etwas mehr inhaltlicher Überzeugungskraft zurück zu finden.

Feurige Schatten von Gail CarrigerLady Alexia Maccon kann es wieder einmal nicht lassen. Obwohl sie bereits im achten Monat schwanger ist und den gefühlten Umfang eines Walfisches angenommen hat, lässt sie sich von ihren Pflichten als Mujah in eine abenteuerliche, kriminologische Suche verwickeln. Nachdem sie ein reichlich verwirrter Geist gewarnt hat, die Königin solle ermordet werden, macht sich Alexia sofort auf die Suche nach der Bedrohung, wenig beeindruckt von ihrem unerhört großen Bauch oder dem Westminster Hive, welches die werdende Mutter weiterhin nur in einer Form sehen möchte: tot und das möglichst schnell.

– Lady Alexia Maccon gefiel es ganz und gar nicht, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Wütend funkelte sie die Männer vor ihr an. Erwachsene, gestandene Männer, die etliche Jahrhunderte älter waren als sie, und dennoch brachten sie es fertig, wie betretene kleine Jungen auszusehen. –
Lady Alexia Maccon watschelt

Zu Feurige Schatten liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Glühende Dunkelheit von Gail CarrigerMiss Alexia Tarabotti hat ein Problem. Sie ist nicht nur eine Außernatürliche, d.h. vollkommen seelenlos, und die Tochter eines (toten) Italieners, nein, sie hat auch gerade einen Vampir mit ihrem Sonnenschirm ermordet. Selbstverständlich blieb ihr nichts anderes übrig, denn der wenig elegante Gentleman war so unhöflich, sie beim Tee zu stören und zu allem Überfluss auch noch beißen zu wollen! Damit tritt sie eine Welle von Ereignissen los, die ihr Leben als alte Jungfer gründlich umkrempelt und ungebremst über den Werwolf-Alpha, Lord Maccon, hinweg rollt.

-Alexias Bücher nannten dieses Ende des Lebenszyklus eines Vampirs Deanimation. Alexia, die der Meinung war, dass der Vorgang erstaunlich dem In-sich-Zusammenfallen eines Soufflés ähnelte, beschloss in diesem Augenblick, es den Großen Kollaps zu nennen.-

Soulless von Gail Carriger
Im Vergleich: Das Cover der Originalausgabe

Vorweg ein Wort zur Optik. Es kommt außerordentlich selten vor, dass man dies über ein bei uns übersetztes Buch sagen kann, doch in diesem Fall fällt es wirklich nicht schwer: Die deutschen Cover lassen das Original weit hinter sich. Das Model der deutschen Ausgabe ist zwar eindeutig zu jung und etwas zu perfekt geraten für eine Protagonistin, die durch ihre Ecken und Kanten trumpft, doch die Gesamtgestaltung transportiert das Steampunk-Setting ausgesprochen gut, wirkt liebevoll gemacht und schafft sofort die richtige Atmosphäre. Eine wirklich gute Arbeit! Endlich mal ein Buch im Vampirregal, um das man weder optisch noch inhaltlich einen Bogen machen muss.

Wer es gerne very british mag, der sollte sich Glühende Dunkelheit (Soulless) von Gail Carriger zu Gemüte führen. Zugegeben, so richtig blutrünstig sind Carrigers Werwölfe und Vampire auch nicht, aber immerhin glitzern sie nicht in der Sonne, gehen nicht seit 400 Jahren auf die High-School und scheuen nicht einmal vor erotischen Gratwanderungen zurück. Angesichts des vielen Tees, bestickter Handschuhe und anderer dekorativer Eigenschaften bleibt das Buch aber wohl dennoch ein Werk, welches hauptsächlich für die Damenwelt interessant sein dürfte.

Wir befinden uns im viktorianischen London. Die Industrie bringt immer mehr erstaunliche Erfindungen hervor, wie etwa die von Miss Tarabotti bewunderten Luftschiffe. Die Gesellschaft hat einige Jahrzehnte zuvor eine weitreichende Veränderung erlebt, als Werwölfe und Vampire zu akzeptierten und anerkannten Bügern und Bürgerinnen wurden. Seitdem bekleiden sie hochrangige Ämter und sind gern gesehene Gäste auf Dinnerpartys der feinen Gesellschaft. Menschen schließen sich ihnen als Drohnen oder Claviger an und gebissen wird nur, wenn alles seine bürokratische Korrektheit hat.
Dass die Gesetze zwischen Übernatürlichen und Normalen auch gewahrt und kontrolliert werden, sichert das BUR (Bureau of Unnatural Registry). Dessen Leiter, Lord Conall Maccon, 4. Earl of Woolsey und Alpha des Londoner Werwolfrudels ist ein großer, grober schottischer Kerl, der für gewöhnlich bestimmt, wo es lang geht, und keine Widerworte hört – bis er auf die überaus schlagfertige Miss Tarabotti trifft.

Man ahnt es schon auf den ersten Seiten, dass das nur in einer schockierenden Liaison enden kann. Da sprühen die Funken zwischen dem ruppigen Werwolf und der widerspenstigen Jungfer, es wird sich gezankt, was die Regeln der Höflichkeit zulassen, und beim Leser bleibt angesichts witziger Wortgefechte kein Auge trocken. Es ist erstaunlich, wie Frau Carriger es schafft, in einem Atemzug eine pedantisch affektierte “Britishness” mit so viel Humor zwischen Tee und Hühnchengerippen zu füllen, während im Hintergrund Entführungen stattfinden und geheime Organisationen wissenschaftliche und höchst illegale Experimente durchführen. Sprachlich muss man das Buch wirklich noch einmal extra loben, das wirkt bis ins kleinste Detail viktorianisch altmodisch und entsprechend blumig, mit einer sehr schönen und stark am Original gehaltenen Übersetzung. Einzig der herrliche schottische Akzent von Lord Conall Maccon, der umso stärker durchbricht, je mehr sich der Alpha aufregt, geht aufgrund des Sprachwechsels zwangsweise verloren.

Ebenso gelungen wie die Sprache selbst sind auch die verschiedenen Charaktere, die allesamt ihre verrückten kleinen Eigenarten haben und gerade durch ihre Fehler zu Sympathieträgern werden. Etwa Miss Ivy Hisselpenny und ihr Hang zu absolut grauenhaften Hüten oder Lord Akeldama, dessen modische Verirrungen ihn derart in Streit mit seinem Vampir-Stock brachten, dass er selbigen kurzerhand verließ.

Wer angesichts des eher Liebes-fixierten Klappentextes eine weitere Teenie-Schmonzette à la Bis(s) und Konsorten erwartet, wird hier nur bedingt fündig. Die Liebelei zwischen Miss Tarabotti und Lord Maccon spielt durchaus keine unwichtige Rolle in dem Roman, kitschig oder gar prüde geht es hier aber nicht zu. Ausnahmsweise finden sich in Glühende Dunkelheit erwachsene Liebende und ebenso erwachsene Liebesszenen, bei denen man nicht peinlich berührt die Hand vor die Augen schlagen muss oder da sitzt und sich fragt, weshalb man sich bei einem simplen Kuss derart panisch anstellt. Natürlich hat unsere Protagonistin auch einige Probleme damit, sich den für sie völlig neuen erotischen Gepflogenheiten anzupassen, angesichts des Zeitalters ist das aber weder verwunderlich, noch nervtötend, wie es in anderen Büchern der Fall ist. Die Autorin hat sich hier gut an den gesellschaftlichen Regeln orientiert und dem, was einem in dieser Zeit an Informationen zur Verfügung gestanden hat.
Man darf also mit ein wenig Romantik rechnen, allerdings auch mit einer Prise Erotik, verpackt in ein äußerst ulkiges Gefüge, welches zum pausenlosen Grinsen und albernen Kichern einlädt.

Das einzige, was an diesem Buch zu bemängeln bleibt, ist die Titelgebung. Schwer zu sagen, woher dieser deutsche Drang stammt, Titel möglichst absurd und beschämend zu übersetzen. Wie man bei Soulless = Seelenlos auf Glühende Dunkelheit kommt, sollte dringend mal untersucht werden und bleibt für die Leser wohl doch ein Rätsel.

Heartless von Gail CarrigerLady Alexia Maccon kann es wieder einmal nicht lassen. Obwohl sie bereits im achten Monat schwanger ist und den gefühlten Umfang eines Walfisches angenommen hat, lässt sie sich von ihren Pflichten als Mujah in eine abenteuerliche, kriminologische Suche verwickeln. Nachdem sie ein reichlich verwirrter Geist gewarnt hat, die Königin solle ermordet werden, macht sich Alexia sofort auf die Suche nach der Bedrohung, wenig beeindruckt von ihrem unerhört großen Bauch oder dem Westminster Hive, welches die werdende Mutter weiterhin nur in einer Form sehen möchte: tot und das möglichst schnell.

– “Oh, blast it, I’m positively starving.”
Instantly, all three men proffered up comestibles extracted from inner waistcoat pockets. (…) Months of training had seen the entire werewolf household running attendance on an increasingly grumpy Alexia and learning, to a man, that if food was not provided promptly, fur might fly, or worse, Lady Maccon would start to weep. As a result, several of the pack now crinkled as they moved, having desperately stashed snacks all about their personage. –
Kapitel 1, S. 12

Erheben wir die Teetassen für ein weiteres Abenteuer des Parasol Protectorate! Man darf sich wieder auf viel Witz und unvorhersehbare Wendungen freuen, Verbindungen die man so sicher nicht erwartet hat, und die ein oder andere äußerst pikante Erfindung. In Heartless (Feurige Schatten) werden bekannte Probleme zum Teil neu aufgegriffen und andere weiter verfolgt. Nur eines bleibt ungeklärt: die Vorgeschichte der Preter- und Supernaturals, welche nach Blameless (Entflammte Nacht) auf eine Ausarbeitung hoffen ließ. Wer sich also nach dem Ende von Blameless auf Heartless gefreut hat, weil er erfahren wollte, wie es mit diesem Faden der Geschichte weitergeht, der wird sich leider vorerst mit Warten begnügen und auf Timeless hoffen müssen. Die Handlung im vorliegenden Band ist nämlich wieder eine gänzlich andere, diesmal in Manier eines klassischen Detektivromans nach dem Vorbild eines Sherlock Holmes etwa. Gegner der Romantik dagegen dürfen sich freuen, denn es geht in Heartless recht nüchtern zur Sache.

Ganz ohne Kritik kommt der aktuelle Band diesmal jedoch nicht davon, auch wenn die Kritikpunkte in ihrer Gewichtung eher als kleine Flecken auf einer ansonsten schneeweißen Weste betrachtet werden sollten. Im Ganzen gesehen, ist Heartless einfach nur ein wenig anders als seine Vorgänger. Es sind die bekannten Personen, die gewohnten wunderbaren Wortgefechte, selten komische Modeaccessoires, zweckentfremdete Wandschränke und eine außerordentlich auffällige Erfindung.
Technisch betrachtet wirkt die Story diesmal allerdings ein wenig zu konstruiert mit zu vielen scheinbar zufälligen Vernetzungen, die nicht  ganz so überraschend einschlagen, wie es wohl der Plan war. Das Geschehen kann so auch nicht wirklich überzeugen. Heartless ist durchaus noch witzig und erfinderisch, individuell betrachtet aber der bisher schwächste und weniger amüsanteste Teil dieser Reihe. Es scheint, als bereite Heartless ein alles verbindendes Finale für Timeless vor und wirkt dadurch weniger in sich geschlossen. Man darf gespannt sein, ob es dann letztlich auch so kommen wird oder ob Teile der bisherigen Ereignisse im Sande verlaufen werden.

Anders sind vor allem auch die Protagonisten. Eine hochschwangere Heldin, die noch dazu keine Sentimentalitäten für ihr “infant inconvenient” aufkommen lässt, ist sicherlich eine Besonderheit und sorgt nicht selten für eine ganz spezielle Komik. Alexia dürfte in diesem Roman eine ihrer besten Shows abgeliefert haben, so überzeugend und plastisch wie sie sind die übrigen Charaktere in Heartless aber nicht. Man gewinnt den Eindruck, jede bis hierher erwähnte Figur sollte noch einmal zum Zuge kommen und die Rolle eines wichtigen Puzzleteils im Gesamtbild übernehmen. Das hat unweigerlich zur Folge, dass man das Gefühl hat, keinen so richtig anzutreffen. Es ist wie ein flüchtiges Zusammenstoßen zwischen Tür und Angel. Das mag natürlich ein persönlicher Eindruck sein, doch vor allem Professor Lyall wirkt in diesem Teil des Parasol Protectorates wie eine völlig neue Person: weniger gewitzt, weniger organisiert, mehr wie ein unbesungener und vor allem tragischer und verzweifelter Held eines ebenso tragischen Bühnenstücks. Man erfährt zwar deutlich mehr über seine Vergangenheit, im Gegenzug verliert er aber leider viel von seiner bisherigen Ausstrahlung. Was ein beklagenswerter Verlust für diesen sonst so souveränen Charakter ist.

Sprachlich ist an dem Roman dafür weiterhin nichts zu kritisieren. Im Gegenteil. Schon Kapitelüberschriften wie The Octopus Stalks at Midnight oder Death by Teapot zeigen einmal mehr die humorvollen Qualitäten der Autorin. Manche Szene wirkt dank der sprachlichen Finesse derart real, dass einem unweigerlich die absurdesten Bilder lebhaft vor dem Auge herumtanzen und herzhaftes Gelächter auslösen. Freunde der bekannten Erzählstruktur, sprachlichen Eleganz und der vielfältigen Ideen werden also auch in Heartless wieder voll auf ihre Kosten kommen.

Sengendes Zwielicht von Gail CarrigerZwei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Töchterchens Prudence leben Alexia und Conall Maccon weiterhin im Ex-Kleiderzimmer des exzentrischen Vampirs Akeldama, als eine Einladung der Vampirkönigin Alexandrias die gefürchtete Badenacht unterbricht und die Familie zu einer Reise nach Ägypten nötigt. Da bei den Maccons nichts ohne fliegende Fetzen von Statten geht, wird die Reise selbst zum Auftakt abenteuerlichen Chaos, bei dem die anwesende Theatergruppe der Familie Tunstell selbstverständlich nicht zu einer Verbesserung der Ordnung beiträgt.

»Ich glaube, heute ist Badetag, Madam.«
Lady Maccon erbleichte vor Entsetzen. »O du liebe Güte! Dann ergreifen wir am besten schnell die Flucht, Conall, sonst werde ich es nie schaffen, rechtzeitig zu …«
Als hätte ihre Angst vor genau solch einer Verzögerung es heraufbeschworen, erklang ein Klopfen an der Tür von Lord Akeldamas drittbestem Schrankzimmer. –
1, Beinahe findet ein Bad und definitiv ein Besuch im Theater statt

Zu Sengendes Zwielicht liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Timeless von Gail CarrigerZwei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Töchterchens Prudence leben Alexia und Conall Maccon weiterhin im Ex-Kleiderzimmer des exzentrischen Vampirs Akeldama, als eine Einladung der Vampirkönigin Alexandrias die gefürchtete Badenacht unterbricht und die Familie zu einer Reise nach Ägypten nötigt. Da bei den Maccons nichts ohne fliegende Fetzen von Statten geht, wird die Reise selbst zum Auftakt abenteuerlichen Chaos, bei dem die anwesende Theatergruppe der Familie Tunstell selbstverständlich nicht zu einer Verbesserung der Ordnung beiträgt.

– »I believe that it is bath night, madam.«
Lady Maccon paled in horror. »Oh, goodness. We had best escape quickly, then, Conall, or I’ll never be able to get away in time for–«
Clearly summoned by her fear of just such a delay, a knock sounded at Lord Akeldama’s third closet door. –
Kapitel 1, S. 3

Willkommen zum Finale des Parasol Protectorates!
Um es gleich vorweg zu nehmen: Timeless (Sengendes Zwielicht) ist ein solider Abschluss, durchaus, jedoch kommt das Buch nicht mehr an die Genialität des Auftaktromans Soulless (Glühende Dunkelheit) heran und verliert, wie schon bei Heartless geschehen, noch einmal etwas von dem ursprünglichen Charme und Witz dieser Reihe, da es zu viele Baustellen bei gleichbleibender Seitenzahl gibt.
Doch sie tauchen zwischendurch immer mal wieder auf, die urkomischen Momente, in denen sich der geneigten Leserschaft herrliche Bilder absurdester Komik präsentieren. Das zeigt sich besonders in Tochter Prudence’ kindlichen Aktionen, sowie in ihren Auftritten als Mini-Vampir oder Mini-Werwolf, in Ivy Tunstell, die nicht nur eine Vorliebe für peinlich geschmückte Hüte hat, sondern auch für peinliche Namen, in miteinander flirtenden Werwölfen, luftkranken Alphas und lispelnden Jung-Vampiren.
Da hier aber sehr viele Charaktere ihr ganz persönliches (Happy-)End bekommen, treffen in Timeless viele, wenn auch zusammenhängende, Handlungsstränge aufeinander, bei denen die weitere Entwicklung der einzelnen Figuren zwangsläufig etwas auf der Strecke bleibt und so an Tiefe vermissen lässt. Deutlich wird dies insbesondere bei Conall Maccon und Alexia selbst, deren Entwicklung zum Stillstand gekommen ist, vielleicht auch, weil sie, zumindest in emotionaler Hinsicht, keine neuen Wege beschreiten können. Die Ereignisse zwischen ihnen sind so oder so ähnlich schon da gewesen und man ahnt als LeserIn sofort, dass da schon eine Lösung für das gerade entstanden Problem hinter der nächsten Ecke wartet. Ein Mitfiebern mit den Charakteren gestaltet sich daher eher schwierig.

Während sich jeder Charakter auf seinen persönlichen Abschluss zubewegt, bleiben viele Fragen der übergeordneten Handlung und Vergangenheit um Alexias Vater und der gemeinsamen Vergangenheit von Werwölfen, Vampiren und Seelenlosen ungeklärt. Somit liefert auch Timeless keine wirkliche Auflösung zu dem Gesamtthema, was sehr schade und leider auch enttäuschend ist, da man sich als LeserIn von dem Aufbruch nach Ägypten doch ein bisschen mehr Hintergrundgeschichte dieser Parteien und ein wenig archäologische Graberei verspricht.
Natürlich hält diese Auslassung für die Autorin aber auch die Option offen, beizeiten noch einmal zu dieser Serie zurückzukehren oder das Thema vielleicht in dem geplanten Sequel um Tochter Prudence fortzusetzen.

Ein großes Plus gewinnt Timeless dafür durch seinen ästhetischen und liebevollen Umgang mit der Homosexualität zwischen zwei männlichen Hauptfiguren des Parasol-Protectorate-Universums. Selten so selbstverständlich und alltäglich in das Gesellschaftsbild eingearbeitet, schafft Timeless es ganz problemlos, die gedankliche Hürde zu nehmen, die einen solche Entwicklungen häufig als ungewohnt und persönlich unzugänglich empfinden lassen. Die nunmehr deutlich vorhandenen Andeutungen homosexueller Interaktionen wirken jedoch zu keiner Zeit befremdlich. Im Gegenteil, man freut sich für das frische Paar und lächelt mit ihm.
Auch die Idee eines Nomadenvolks der Lüfte, mechanische Reitkäfer, die optische Rettung eines scheinbar hoffnungslos verunstalteten Sonnenschirms sowie die lebenserhaltende Apparatur einer Vampirkönigin mit Todeswunsch sorgen für Steampunk-Atmosphäre und wecken Erfinderlaune.

Am Ende von Timeless und damit auch am Ende des Parasol Protectorate angelangt, hat man gelacht, geweint, sich manchmal etwas mehr Spannung und mehr Antworten gewünscht, doch man wird die Serie vermissen und sich auf jeden Fall fragen, ob es in Prudence und Imprudence, welches im selben Universum spielen wird, ein Wiedersehen mit alten Bekannten in neuen Positionen geben wird. Verstärkt wird diese Frage durch verschiedene überraschende Entwicklungen, die die Londoner Gesellschaftsverhältnisse ordentlich aufmischen und sowohl große Veränderungen für das Werwolfsrudel, als auch für die örtliche Vampir- und Modeszene bedeuten. Mit möglicherweise fatalen Folgen für letztgenannte …
Im Zuge dieser Entwicklungen jedenfalls fällt die Angabe eines Zeitraums “in 15-20 Jahren vielleicht”, was sich mit dem Alter der Protagonistin deckt, das sie, ersten Angaben der Autorin zufolge, in Prudence und Imprudence haben wird.

Timeless ist vielleicht nicht das beste Buch in dieser Reihe und bietet auch keinen Abschied mit fulminantem Abgang, doch es schließt die Reihe würdig und rechtzeitig ab und lässt darüber hinaus Raum für Spekulationen.

Praise the ruffled parasol!