Wenn man gerade einer Horde wütender Affendämonen und ihrer fäkalen Wurfgeschosse entkommen ist, gibt es sicher Schöneres, als kurz darauf einem Vampir in die Arme zu laufen. Glück im Unglück, trifft Harry auf einen vergleichsweise harmlose Ausgabe, als Thomas vom Weißen Hof Harry bittet, einen Auftrag zu übernehmen. Der Regisseur eines kleinen Filmstudios glaubt sich verflucht, da seine weiblichen Darstellerinnen der Reihe nach auf merkwürdige Weise sterben. Harry übernimmt den Fall nur als Gefallen für Thomas, dessen Succubi-Clan er nicht mehr schätzt als fliegende Affenkacke. Dabei stolpert er jedoch über Geheimnisse, die ihm die Schuhe ausziehen.
– The building was on fire, and it wasn’t my fault. –
Chapter One
Wenn bei der Rettung von Hundewelpen mit Kot werfende Affendämonen zu einem gigantischen geflügelten King Kong in lila Farbe verschmelzen, dann führt das unweigerlich zu bizarrem Kopfkino. Doch genauso startet Blood Rites (Bluthunger) in das sechste Abenteuer von Harry Dresden, und es wird noch besser. Als »Mädchen für alles« (das darf man nun nicht falsch verstehen) landet Harry am Set eines Erotikfilms, wo tatsächlich ein Fluch die Darstellerinnen umbringt. Wer dahinter steckt, bleibt lange unklar, sicher ist nur, dass es einen Hexenzirkel geben muss, der sich seine Opfer gezielt aussucht. Doch was könnte der Grund sein? Steckt eine der zahlreichen Ex-Frauen des Regisseurs dahinter? Oder vielleicht ein konkurrierendes Filmstudio, das sich von den innovativen Ansätzen des neuen Mitbewerbers bedroht sieht? Oder ist es vielleicht auch etwas ganz anderes? Harry unternimmt selbstverständlich alles, um die Damen in Nöten vor der unsichtbaren Gefahr zu schützen, tritt dabei aber nicht selten in Stolperfallen, die ihn selbst zum Hauptverdächtigen machen. Richtig spannend wird es, als er am Set einen Vampir des Weißen Hofs entdeckt, der so schön wie gefährlich ist und sich als Schwester von Thomas entpuppt. Damit werden Verwicklungen aufgedeckt, die sich bis in Harrys dubiose Vergangenheit erstrecken. Erfreulich hierbei insgesamt ist, dass einmal nicht jedes Kapitel mit Harrys potentiellem Nahtod endet, sondern mit Neugier weckenden Mini-Cliffhangern zum Handlungsstrang.
Blood Rites liefert viele Einblicke in die Charaktere, allen voran in die von Harry und Thomas. Die Beschaffenheit des Weißen Hofs der Vampire wird näher beleuchtet, ebenso die Bürde, die er für manche Zugehörige bedeutet. Bisher ist diese Vampirfamilie nur als eine Art weniger gefährlicher und weniger ernst zu nehmender Sex-Vampire in Erscheinung getreten. Nun aber erfährt man mehr darüber, wie diese Familie sich ernährt, funktioniert und lebt. Die Dinge sind dabei nicht so schwarzweiß, wie es bisher den Anschein hatte.
Trotz des zunächst eindeutigen thematischen Schwerpunktes wird die Lektüre nie platt oder besonders erotisch (weniger sogar noch als in Death Masks), sondern die entsprechenden Elemente werden eher funktional beleuchtet – sicherlich bleibt da dennoch genug Platz für den ein oder anderen kessen Spruch.
Die Entdeckungen, die Harry macht, reichen von abstoßend bis unerwartet zu ganz klassisch überraschend oder erfreulich. Im sechsten Band lernt der Leser im Wesentlichen größere Charakterhintergründe kennen, die immer mal wieder zum Teil in den vorigen Bänden angedeutet wurden, und das sorgt für Spannung.
Wie schon in Death Masks (Silberlinge) wirkt Harry mit vorlauter Arroganz auch in Blood Rites insgesamt etwas spröder und muss deswegen ein paar Sympathiepunkte abgeben. Trotzdem ist dieser Band wieder sehr stark, deckt er doch vieles aus Harrys verschleierter Vergangenheit auf und verleiht seinem Charakter mehr Substanz. Ebenso kommt der Humor wieder stärker heraus, doch das ist angesichts der Entwicklungen fast schon zu vernachlässigen. Blood Rites wird von Seite zu Seite besser, da man hier neugierig verfolgen kann, welches Geheimnis sich als nächstes lüften wird. Am Ende ist nicht nur Harry verblüfft, wohl aber treffen ihn die Veränderungen am deutlichsten.