Autor: Pratchett@Terry

Das Cover von Alles Sense von Terry PratchettWie alle Zauberer weiß auch der hundertdreißigjährige Windle Poons, wann er sterben wird. Und zu diesem Zeitpunkt stirbt er auch. Doch dann muß er verwirrt feststellen, daß er zwar gestorben, aber keineswegs tot ist. Zur gleichen Zeit hat nämlich Azrael TOD ein Stundenglas gesandt und ihm zu verstehen gegeben, daß auch er – wie jede Person – sterblich ist. Ein anderer wird bald sein Amt übernehmen. TOD beschließt daraufhin, die Zeit, die ihm bleibt, zu verbringen und tritt dazu eine Stelle als Farmhelfer bei Frau Flinkwert an. Unterdessen staut sich in Ankh-Morpork die Lebensenergie und verursacht übernatürliche Phänomene und Windle Poons schließt sich einer Selbsthilfegruppe für Untote an.

-Den Moriskentanz kennt man auf allen bewohnten Welten des Multiversums.-

Alle Bücher, die Terry Pratchett geschrieben hat, zeichnen sich durch intelligenten Humor aus, aber immer wenn er über TOD schreibt und damit seine Einstellung über den irdischen Tod durchblicken läßt, dann läuft Pratchett zur Hochform auf. Hinter dem unterhaltsamen Possenreißer verbirgt sich ein weiser Philosoph und warmherziger Menschenfreund. Mit Alles Sense (Reaper Man) gelingt es Pratchett wieder einmal, seinen Lesern mit einzelnen prägnanten Sätzen tiefe Einsichten zu vermitteln, ohne zu moralisieren und der für Pratchett typische Humor sorgt dafür, daß keine Schwermut aufkommt. Trotzdem ist es anrührend zu lesen, wie TOD auf einmal menschliche Züge entwickelt. Er versucht dem (neuen) Tod zu entgehen, vor dem er Angst hat und er versucht, ein Menschenleben zu retten. TOD entwickelt Gefühle, auch für die Menschen, mit denen er zusammenlebt. Und das beschert -zumindest sensibleren Gemütern- etwas, was es so in den Scheibenweltromanen bisher noch nicht gegeben hat: Eine Szene, die zum Weinen schön ist.
Im Gegensatz dazu, ist die Geschichte um Windle Poons nur Durchschnitt, allerdings gehört die versnobte Vampirin zu den Lichtblicken dieses Erzählstrangs.

The Art of Discworld von Paul Kidby und Terry PratchettThe Art of Discworld (dt. Die Kunst der Scheibenwelt) ist eine atemberaubend schöne Sammlung von Bildern zu Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen, geschaffen von Paul Kidby. Die beiden Künstler arbeiten seit Jahren zusammen und präsentieren uns mit dem vorliegenden Artbook ihre gemeinsame Sicht der Scheibenwelt. Mit einem enormen Vorstellungsvermögen verleiht Paul Kidby in diesem Werk den beschriebenen Figuren, Orten und Gegenständen fesselnde Substanz, humorvoll kommentiert von deren Schöpfer Terry Pratchett.

-Paul sees things my way about seventy-five percent of the time, which suggests either mind-reading is happening or that my vision of my characters is really rather vague until I see his drawings.-
(Terry Pratchett, The Art of Discworld)

Mal in Farbe, mal mit simplen Bleistiftskizzen entführt das Buch mit erschreckend detaillierten Arbeiten zu den Charakteren und in die Welt, in der sie leben. Seite für Seite begrüßen uns in The Art of Discworld erste Skizzen, fertig ausgearbeitete Vorzeichnungen und schließlich die kolorierten Endergebnisse der Gesichter von TOD, Rincewind, Nac Mac Feegle und etlichen mehr. Ob es das Portrait eines Protagonisten ist oder die Ansicht eines Stadtteils, der Illustrator widmet in diesem Buch jeder seiner Zeichnungen größte Aufmerksamkeit, angefangen beim Coverbild – ein Portrait von Mona Ogg. Kidby stattet seine Illustrationen mit derart vielen kleinen und manchmal unscheinbaren Details aus der Scheibenwelt aus, dass es zuweilen etwas länger dauert, ein Bild wirklich vollständig zu betrachten. Sei es eine winzige Inschrift auf einem Ladenschild weit hinten im letzten Eck des Bildes, seien es die vielen mürrischen Falten und Bartstoppeln in Sam Vimes’ Gesicht, die liebevollen Stickereien auf einem Kleidungsstück, oder auch eine Ratte, die durch eine Seitengasse huscht … nichts wird hier ohne tiefere Ausarbeitung belassen. Gerade dieser pingeligen Liebe zum Detail ist die große Faszination der gezeigten Arbeiten zu verdanken. Das sind nicht bloß Bilder, das sind lebendige Bilder! Immer wieder faszinierend sind auch die Gegenüberstellung von Vorzeichnung und Endergebnis. Es dürfte kaum möglich sein, die Scheibenwelt noch gekonnter zum Leben zu erwecken.

Das Buch ist außerdem gut strukturiert. So bewegt man sich größtenteils geographisch voran, von Ankh-Morpork bis hin zu Uberwald, vom prominentesten bis hin zum wenig bekannten Detail. Lediglich auf ein Inhaltsverzeichnis hat man verzichtet, was angesichts der überschaubaren Seitenzahl jedoch nicht zwingend nötig ist.

The Art of Discworld ist ein must-have für jeden Scheibenwelt Fan, aber auch für jeden, der sich als Fan wirklich guter Illustrationskunst betrachtet und mit der Scheibenwelt bisher nichts anfangen konnte. Dieses Buch gehört in jedes anspruchsvolle Regal und kann nur wärmstens empfohlen werden.
Einziger Wermutstropfen für eingefleischte Kenner der Romane: Das Artbook erwähnt gelegentlich Charaktere, die in den Zeichnungen selbst gar nicht oder nur mal versteckt auftauchen, und greift ein paar Illustrationen auf, die auch schon andernorts (z.B. in Kalendern) Verwendung fanden.
Es sollte auch eine Warnung an alle ausgesprochen werden, die gerade erst im Begriff sind, die Scheibenwelt zu entdecken: The Art of Discworld ist erst 2004 erschienen (die deutsche Übersetzung 2006) und wartet entsprechend mit viel Hintergrundwissen auf. Es kann daher passieren, dass einige der Bilder und auch die verfassten Kommentare von Terry Pratchett zu Spoilern für alle bis dahin erschienenen Bücher werden.

Cover von Das Erbe des Zauberers von Terry Pratchett Der Zauberer Drum Billet hat nur noch sechs Minuten zu leben. Wie bei Zauberern so üblich, möchte er seine Zauberkunst vor seinem Ableben auf einen Nachfolger übertragen. Zauberer kann aber nur der achte Sohn eines achten Sohnes werden. Da trifft es sich gut, daß die Frau des Schmiedes gerade mit dem achten Kind in den Wehen liegt. Drum überträgt seine Kraft auf das Neugeborene, um d a n a c h festzustellen, daß das Kleine ein Mädchen ist. Als Eskarina acht Jahre alt ist, beginnt die Magie mächtig in ihr zu wirken und sie will Zauberer werden, aber eine Frau als Zauberer hat die Scheibenwelt noch nie gesehen und Eskarina muß sich mit Hilfe von Oma Wetterwachs gegen eine Menge Vorurteile durchsetzen…

-In der folgenden Geschichte geht es um Magie, wohin sie verschwindet – und was vielleicht noch wichtiger ist – woher sie kommt.-

Das Erbe des Zauberers (Equal Rites) gehört zu den schwächeren Scheibenweltromanen. Es ist allerdings das erste Buch, das die Bezeichnung “Roman” verdient hat; es ist klar strukturiert und besitzt eine durchgehende, nachvollziehbare Handlung. Insofern ist es besser als die ersten beiden Scheibenweltbände. Falls sich je ein Literaturwissenschaftler auf diese Seiten verirren sollte, der eine Parodie auf den klassischen Entwicklungsroman sucht, dann ist er mit diesem Buch bestens bedient.

Leser, die einfach nur Terry Pratchett kennenlernen wollen, sollten mit einem anderen Scheibenweltroman beginnen. Man hat den Eindruck, daß Pratchett immer noch dabei ist, sich warmzuschreiben. Sein genialer Sprachwitz zeigt sich hier nur in wenigen Passagen, über weite Strecken ist das Buch nicht so komisch, wie man es gewohnt ist, einige Kalauer sind ganz daneben gegangen. Es gibt auch weniger realitätsbezogene satirische Seitenhiebe als sonst, die gehören aber zu den gelungenen Passagen des Buches.

Obwohl Eskarina auf ihrem Weg zur Unsichtbaren Universität Gefahren ausgesetzt ist, sind diese nicht so spannend geschildert, daß die fehlende Komik wettgemacht würde. So hangelt sich der Leser von einem der im Roman verstreuten Höhepunkte zum anderen und hofft, daß die Geschichte an Dynamik gewinnt, aber über weite Strecken dümpelt sie nur vor sich hin. Es ist schade, daß Terry Pratchett ein gutes Thema auf diese Weise verschenkt hat.

Cover von Eric von Terry PratchettEric Thursley wünscht sich drei Dinge. Er möchte die Herrschaft über die Königreiche der Welt, er will der schönsten Frau aller Zeiten begegnen und er möchte ewig leben. Also versucht er einen Dämon zu beschwören, der ihm diese drei Wünsche erfüllt. Statt eines Dämons erscheint jedoch der Zauberer Rincewind und damit geht wieder einmal alles schief, was schief gehen kann.

-Tods Bienen sind groß und schwarz, summen dumpf und unheilvoll.-

Diese Parodie auf Goethes Faust ist Pratchett weitaus weniger gelungen als die Shakespeare-Parodie in MacBest. Anstatt sich auf Faust I zu beschränken, der schon im Original neben der Gretchentragödie auch viele witzige Stellen aufweist, z.B. wenn Mephistopheles auf Marthe Schwerdtlein trifft, bezieht Pratchett sich u.a. mit der Helena-Episode auf den viel schwerer zu verstehenden und stark philosophischen Faust II, den selbst die meisten Deutschen nicht gelesen haben dürften. Wenn Pratchett aber die Ilias und die Odyssee parodieren wollte, hätte er sich den Umweg über “Faust” sparen können und statt des trojanischen Krieges samt hölzernem Pferd lohnendere Motive aus der griechischen Sagenwelt wählen können. Angeboten hätte sich z.B. die Geschichte, in der Circe die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt. Auch die Wortspiele zünden nicht so wie in anderen Scheibenweltromanen.

Für die Statistik: Pratchett macht nicht nur Anleihen bei “Faust” und den alten Griechen, er bezieht sich auch auf die Azteken, auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel und er zeigt, daß die Hölle eine bürokratische Behörde ist.

Da das Buch mit 154 Seiten relativ dünn ausgefallen ist, regt sich der Verdacht, daß Pratchett mit “Eric” nur einen einigermaßen einleuchtenden Vorwand gesucht hat, um Rincewind aus der Zwischenwelt zurückzuholen in die er in “Der Zauberhut” geraten ist. Dazu kann man einen Dämonenbeschwörer wie Faust natürlich gut gebrauchen. Allerdings hat er damit ein lohnendes Thema weit unter Wert verschenkt.

Die Kunst der Scheibenwelt von Terry Pratchett und Paul KidbyDie Kunst der Scheibenwelt ist eine atemberaubend schöne Sammlung von Bildern zu Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen, geschaffen von Paul Kidby. Die beiden Künstler arbeiten seit Jahren zusammen und präsentieren uns mit dem vorliegenden Artbook ihre gemeinsame Sicht der Scheibenwelt. Mit einem enormen Vorstellungsvermögen verleiht Paul Kidby in diesem Werk den beschriebenen Figuren, Orten und Gegenständen fesselnde Substanz, humorvoll kommentiert von deren Schöpfer Terry Pratchett.

Zu Die Kunst der Scheibenwelt liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Long War von Terry Prachtett und Stephen BaxterDas Amerika der Heimaterde will seine Macht über die Reihe der unendlichen Parallelwelten ausdehnen, und gleichzeitig verpassen Siedler, Forscher und Reisende den Erden ihren menschlichen Fussabdruck. Dann sorgt eine Meldung im Outernet für Schlagzeilen: Forscher misshandeln vor laufender Kamera einen Troll – und dies ist nur ein Beispiel für die sich ausbreitende Gewalt gegen die humanoiden Long-Earth-Bewohner. Zeit für Joshua und Sally, etwas zu unternehmen …

Sally Linsay arrived at Hell-Knows-Where fast and furious. But when had that ever been unusual?
– Kapitel 2

Der erste Teil der The Long Earth-Reihe von Terry Pratchett und Stephen Baxter weckte große Erwartungen: Unendliche Welten, neue Gesellschaftsformen, Entdeckungen unvorstellbarer Evolutionsscherze – es hätte alles so schön sein können. Mit The Long War jedoch beweisen die Autoren, dass auch The Long Ideas nicht ausreichen, um eine gute Geschichte zu erzählen.

Die Handlung setzt Jahre nach Joshuas und Lobsangs erster Reisen durch die Paralleluniversen ein. Joshua ist nun Familienvater, der sich häuslich in Reboot niedergelassen hat, während die amerikanische Regierung alles daran setzt, um die unendlichen, parallel-amerikanischen Weiten der Universen zu beherrschen – um sie zu besteuern. Was als Parodie brauchbar klingt, taugt wenig als Grundgedanke, aus dem sich ein bedrohlicher, interterrestrischer Krieg entwickeln soll. Voller Spannung erwartet der Leser die Wunderwaffe der Regierung, doch Raumpatrouillen in (immerhin verkabelten) Zeppelinen, die auf einer unendlichen Reihe von Welten unter Steuersündern für Ordnung sorgen sollen – dieser War, so ahnt man schon, wird nicht sehr Long. Zur Spannung kann auch die weltenumfassende Black Cooperation nichts beitragen, die mit ihrer Monopolstellung im Bereich der Technikentwicklung so normal-megalomanisch-bedrohlich wirkt wie jede Monopolfirma unserer Heimaterde.

Die Figuren haben der fehlenden Spannung nur wenig entgegenzusetzen. Helen, das Hausmütterchen, und Sally, die männerhassende Furie, sind ebenso innovativ wie der verbissene Cop in Rente oder der unsozialisierte Weltraumnerd. Doch während diese zumindest Altbewährtes bieten, streiten sich bei Joshua Blässe und Widersprüchlichkeit um die Oberhand bei der Charakterskizzierung, und selbst eindeutig Pratchetteske Figuren wie die fluchende Biker-Ordensschwester Agnes haben eher den Charakter eines müden Scherzes. Interessant bliebe höchstens Lobsang, der mit seiner Entwicklung zum Deus Ex Machina jedoch auch sein Potential an sich vorüberziehen sieht.

Bleibt der Konflikt zwischen Mensch und Troll, der zweifelsohne Stoff für ethisch höchst interessante Geschichten liefern könnte. Doch bei der Lösung des Konfliktes verhält es sich ähnlich wie mit der literarischen Bevölkerung der Langen Erden: die Ideen pendeln zwischen „absurd-bizarr“ und schlicht „unlogisch“, und was gibt es ermüdenderes als uninspirierte Skurrilität? Das Sujet der Erforschung, Erkundung und Eroberung neuer Welten wurde selten so longwierig (Verzeihung) beschrieben.

Zuletzt liest sich der Roman auch noch wie das wütende Atheismus-Plädoyer eines Sechsjährigen, dessen Pausenbrot von Franziskus-Josef geklaut wurde. Umweltverschmutzung, Gewalt, Entfremdung und das scheußliche Wetter auf Erde 25623: die (westlichen) Religionen sind Schuld. Gott sei Dank (Verzeihung die 2.) wartet der Roman mit der konturlosen Figur des ehemaligen Priester Nelsons auf, der mit Lobsang kurzzeitig auf dem Pfad der wissenschaftlichen Erleuchtung wandelt, um sich dann auf dem Rücken eines gigantischen Wirtstieres, das im Ozean einer weit entfernten Erde schwimmt und auch parasitär lebenden, aber hübschen, blumenbehangenen Inselschönheiten Platz bietet, befreiendem Sex hinzugeben, mit dem er die Fesseln seiner religiösen Indoktrinierung endlich zu sprengen vermag.

Hey, ich habe mir das nicht ausgedacht.

Es ist bedauerlich, dass sich die Autoren der spannenden Frage – wie entwickelt sich Religion in Zeiten der unbegrenzten „Schöpfung“ – über Plattitüden und Schuldzuweisungen nähern, die aus dem Nichts kommen und ebenso schnell wieder vergessen sind. Mit ihrem Roman lassen Baxter und Pratchett Gläubige in einem schlechten Licht dastehen – und Nichtgläubige im Licht eines kaputten Nebelscheinwerfers.

Schließlich macht das gleiche, was die Eroberer der unendlichen neuen Welten plagt, auch dem Roman zu schaffen: Ziellosigkeit, gepaart mit der subtilen Langeweile des „Ich fahre in die weite Ferne, aber irgendwie sieht es überall gleich aus“-Effekts, der einen auch leicht auf der Zugfahrt von Dresden nach Berlin befällt. The Long War gleicht somit eher einer Reise durch Brandenburg – wobei, dort gibt es immerhin Wölfe.

Cover des Buches "MacBest" von Terry PratchettIn einer stürmischen Nacht stolpert Verence, König von Lancre, äußerst unglücklich und fällt dabei in seinen eigenen Dolch, den ganz zufällig Lord Felmet in der Hand hält. Von nun an ist Felmet König von Lancre. Da er aber weder der rechtmäßige noch ein guter König ist, beschließen Oma Wetterwachs und ihre beiden Freundinnen einzugreifen, und einen Würdigeren auf den Thron zu setzen. Natürlich gibt es dabei einige Komplikationen, doch dank einer reisenden Theatertruppe regiert am Ende der beste, der für dieses Amt zu finden war.

-Wind heulte. Blitze stachen ziellos herab, wie ein ungeschickter Mörder. Donner rollte über das dunkle, regengepeitschte Land.-

Leute, es hilft alles nix: Um den Roman richtig genießen zu können, muss man Macbeth gelesen haben. Also begebt Euch in die nächste Buchhandlung, sucht eine zeitgemäße Übersetzung und legt los. Außerdem sollte man eine vage Vorstellung davon haben, worum es in Hamlet geht, welche Stücke Shakespeare noch so geschrieben hat, wer Shakespeare überhaupt war und wie das Theater seiner Zeit aussah. Wenn der Leser von alldem nur wenig weiß, dann entgehen ihm viele der besten Anspielungen und die Lektüre ist für ihn nur halb so vergnüglich wie für jemanden, der diese Voraussetzung erfüllt. Der darf sich dann als Belohnung für seine Literaturkenntnisse nach fast jeder Seite vor Lachen kringeln.

Trotzdem kann man sich beim Lesen von MacBest (Wyrd Sisters) auch ohne Shakespeare-Kenntnisse amüsieren. Pratchett schildert auf witzige Weise Oma Wetterwachs’ ersten Theaterbesuch, ihre Schwierigkeiten zu fliegen, warum es keinen Sinn macht, Hexen zu foltern und wie Überfälle auf der Scheibenwelt ablaufen. TOD hat nur wenige Auftritte, aber immerhin wird das Geheimnis gelüftet, warum er in Großbuchstaben spricht. Dieser Roman gehört zu den besten Büchern, die Pratchett geschrieben hat.

Die Nachtwächter von Terry PratchettKommandeur Mumm ist nicht mehr der Jüngste. Als Oberhaupt der Stadtwache ist er hauptsächlich mit Papierkram beschäftigt. Ankh-Morpork ist recht ruhig geworden für den alten Polizisten. Als aber der Serienkiller “Carcer” einen Wächter tötet und auf das Dach der Unsichtbaren Universität flüchtet, kann Mumm nicht widerstehen: Mitten in die Verfolgungsjagd schlägt ein Blitz ein: Als der Kommandeur wieder zu sich kommt, findet er sich 30 Jahre in der Vergangenheit wieder. Ankh-Morpork ist ein Sumpf des Verbrechens, und die Stadtwache ist nicht mehr als ein müder Haufen. In den bürgerkriegsähnlichen Zuständen versucht Mumm verzweifelt, sein jüngeres Ich vor Schaden zu bewahren und Ordnung zu schaffen …

-Sam Mumm seufzte, als er den Schrei hörte, aber er rasierte sich zu Ende, bevor er etwas unternahm.-

Wie der aufmerksame Leser meinem Pseudonym entnimmt, bin ich ein großer Fan und Verehrer des Scheibenwelt-Zyklus. Daher habe ich trotz aller Bewunderung für Pratchett versucht, hier eine möglichst objektive Rezension darzulegen.
Mit Die Nachtwächter (Night Watch) findet die Saga um die Stadtwache zu einem fulminanten Finale. Da es sich quasi dauernd auf Ereignisse in älteren Scheibenwelt-Romanen bezieht, ist dieses Buch nur für Leser geeignet, die sich wirklich gut auf der Scheibenwelt im allgemeinen und in der Stadtwache im speziellen auskennen.
Kein Pratchett-Roman hat mich bis dato so tief berührt wie Die Nachtwächter. Alles, was mich an Pratchetts Romanen so fasziniert, ist auch in diesem Buch wieder reichlich enthalten. Die Sprache, wie das Gemälde eines Impressionisten, kommt mit dem nötigsten aus, transportiert aber die teils sehr unterschiedlichen Stimmungen äußerst eloquent. Pratchetts sarkastischer Humor sorgt stets für einige Lacher und entspannt das Buch. Allerdings fallen hierbei bereits einige neue Ansätze auf. In quasi allen früheren Discworld-Romanen wirkten die handelnden Figuren (etwa Nanny Ogg oder Cohen der Barbar) eher wie überzeichnete Comicfiguren denn wie echte Charaktere. Auf den ersten Blick hat sich daran nicht viel geändert, auf den zweiten jedoch entdeckt man seelische Tiefen, die man nie für möglich gehalten hätte.  So sind die Protagonisten keine blossen Karikaturen mehr, sie sind echt – glaubwürdig.
Dergestalt beschreitet der Autor auch bei der Handlung neue Wege. Die Geschichte ist ein hochbrisanter und durchaus ernstzunehmender Spiegel der Menschheit und ihres ganz normalen Wahnsinns und gab mir das bei Fantasy-Literatur äußerst seltene Gefühl, etwas über die Welt und die Menschen gelernt zu haben.
Dass dann dabei auch noch der Unterhaltungswert stimmt, versteht sich dann fast von selbst, obwohl für “Scheibenwelt-Veteranen” manche Pointen und Witze fast vorhersehbar sind.

Viel deutet darauf hin, dass Pratchett mit den “alten” Discworld-Geschichten abschließt. Schließlich endete bereits in Wahre Helden (The Last Hero) die “Ära Cohen” überaus oppulent. Und mit diesem Roman nun erhält die “Mumm”-Saga einen würdigen Abschluss. Ob es allerdings ein Happy-End gibt, das mag der geneigte Leser selbst herausfinden.

Cover zum Buch "Nur Du hast den Schlüssel" von Terry PratchettJohnny und seine Freunde finden die obdachlose und geistig verwirrte Mrs. Tachyon unter ihrem umgestürzten Einkaufswagen liegen. Sie sorgen dafür, daß sie ins Krankenhaus kommt. Als Johnny sich um den verwaisten Einkaufswagen kümmert, wird ihm bald klar, welches Geheimnis dieser birgt: Mit dem Wagen kann man durch die Zeit reisen.
Da Johnny in der Schule gerade an einem Projekt arbeitet, das sich mit der einzigen, versehentlichen Bombardierung seiner Heimatstadt Blackbury im Jahre 1941 beschäftigt, gerät er unbeabsichtigt in diese Zeit.

-Neun Uhr abends. Es war dunkel, nur hin und wieder lugte der Vollmond hinter den verwaschenen Wolken hervor. Der Wind kam aus Südwest. Nach dem Gewitter war die Luft frisch und das Kopfsteinpflaster rutschig.-
Nach den Bomben

Terry Pratchett schreibt humorvoll, hintergründig und bringt die Dinge auf den Punkt. So benötigt er nur einen einzigen Satz, um dem Leser klarzumachen, wie sinnvoll es seiner Meinung nach ist, straffällig gewordene Jugendliche zu einem Abenteuerurlaub ins Ausland zu schicken. So sagt Mrs. Partridge über Bigmac, der mit Vorliebe Autos stiehlt: Er wollte wissen, wie viele Autos man stehlen muß, um kostenlos Urlaub in Afrika zu bekommen. Schaut man sich hingegen eine Stunde lang an, wie vier Politiker und drei Sozialarbeiter sich bei Sabine Christiansen zum selben Thema ständig ins Wort fallen, ist man hinterher genauso schlau wie vorher.
Mit demselben trockenen Humor handelt Pratchett in diesem Roman für Jugendliche Themen ab wie Vorurteile (besonders Rassismus) oder den Schrecken des Krieges. Auf diese Weise vermittelt er Werte, ohne auch nur eine Sekunde oberlehrerhaft zu wirken.

Die Übersetzung hat einen kleinen Schönheitsfehler: Offensichtlich hat Pratchett in dieser Geschichte oft das Wort technically benutzt, das die Übersetzerin wörtlich übersetzt hat: Er war schwarz. Technisch gesehen. Oder: Das war technisch gesehen ein Verbrechen…. Abgesehen davon, daß man dies im Deutschen so nicht sagt, bedeutet technically in solchen Zusammenhängen so viel wie genau genommen.

Das Buch ist für Jugendliche ab ca. zwölf Jahren geeignet. Jüngere werden wahrscheinlich Pratchetts Humor nicht in jedem Fall verstehen und sich vielleicht auch noch nicht für die Thematik interessieren.
Erwachsene, die sich nicht davon abschrecken lassen, daß die Protagonisten Jugendliche sind und die nicht den plakativeren Scheibenwelthumor erwarten, werden bei der Lektüre ebenfalls auf ihre Kosten kommen.

Cover zum Buch "Nur Du kannst sie verstehen" von Terry Pratchett1993. Die Ex-Senioren von Blackbury City sind ziemlich aufgebracht. Die Stadtverwaltung hat ihren Wohnbezirk für 5 Pence an die Vereinigte Holding GmbH verkauft, und die möchte die alten Bauten abreißen und auf dem Grundstück einen Bürokomplex errichten. Der zwölfjährige Johnny Maxwell beschließt, den Ex-Senioren bei ihrem Kampf um die Erhaltung ihres Wohngebietes zu helfen.

-Johnny wusste selbst nie so recht, wieso er angefangen hatte, die Toten zu sehen.-
Kapitel

Was hat ein Buch über den Kampf einer Gruppe Senioren gegen Bauspekulanten auf einer Webseite zu suchen, die sich mit Fantasy beschäftigt? Nun, es handelt sich hierbei eben nicht um Senioren, sondern um Ex-Senioren, …”Atembehinderte” …”vertikal Benachteiligte”…diese Menschen sind einfach seit geraumer Zeit…tot.
Benutzen Sie um Himmels willen nicht das Wort, das mit den Buchstaben “G-e-s-p-” anfängt! Das mögen die Herrschaften gar nicht und sie könnten gerade jetzt in unserer Nähe sein, auch wenn wir sie nicht sehen. Sie sehen und mit ihnen reden kann nur einer: Johnny Maxwell. Und als die Atembehinderten Johnny bitten, er möge etwas dagegen tun, dass der alte Friedhof platt gemacht wird, ergreift der Junge zusammen mit seinen Freunden die Initiative.
Terry Pratchett vermittelt hier auf witzige Weise – jedoch feinsinniger und nachdenklicher als in seinen “Scheibenwelt-Romanen” – zeitlos gültige Werte. Er wendet sich gegen Krieg und wirbt für ein gesundes Geschichtsbewußtsein, für Zivilcourage, für eine Demokratie, die den Namen “Volksherrschaft” wirklich verdient und vor allen Dingen dafür, daß man die Möglichkeiten des Lebens voll ausschöpfen soll. Es ist nicht einzusehen, warum diese Lebensweisheiten nur jüngeren Leser zugänglich gemacht werden sollten. Für Erwachsene, die nicht dem Schubladendenken verfallen und daher nicht der Meinung sind, Pratchett dürfe nur noch Romane mit abgefahrenem Scheibenwelt-Humor schreiben, ist auch dieses Buch ein Lesevergnügen.
Also noch einmal ganz deutlich: Nur Du kannst sie verstehen (Johnny and the Dead) hat nichts mit den Scheibenweltromanen zu tun und sollte auch nicht mit ihnen verglichen werden!
Ich frage mich nur die ganze Zeit, warum plötzlich jemand auftaucht, der in GROSSBUCHSTABEN spricht :-).

Pyramiden von Terry PratchettTeppic, der Sohn des Königs von Djelibeybi, wird bei der Assassinengilde von Ankh-Morpork ausgebildet. Doch sein Vater stirbt früher als geplant, und so muß Teppic in den anachronistischen Wüstenstaat zurückkehren und König werden, was eigentlich nicht seinem Willen entspricht.
Zum Gedenken seines Vaters (der sich auch immer wieder mal zu Wort meldet) soll die größte Pyramide aller Zeiten gebaut werden, was etliche Architekten, Arbeiter und Bauherren die Nerven kostet. Zu allem Überfluß muß Teppic auch noch feststellen, daß sein Amt ihm nicht gestattet, zu tun, was er will, denn der königliche Tagesablauf und die königlichen Entscheidungen werden maßgeblich vom Hohepriester Dios beeinflußt …

– Nur Sterne, in der Schwärze verstreut – als sei die Windschutzscheibe des göttlichen Wagens zerbrochen, ohne daß sich der Schöpfer die Mühe machte, alle Splitter einzusammeln. –

Dieses Buch ist besonders für Leser geeignet, die es makaber lieben und sich für Dinge interessieren, die sich ein paar tausend Jahre vor Christi Geburt abgespielt haben.
Es gibt viele Bücher, in denen erzählt wird, wie einem Mörder das Handwerk gelegt wird, wer aber wissen will, wie ein Meuchelmörder sein Handwerk lernt, der muß Pyramiden (Pyramids) lesen. Im ersten Kapitel werden alle möglichen Arten gelehrt, einen Menschen zu inhumieren. Falls Ihnen nicht sofort klar ist, was dieses Wort bedeutet, denken Sie einfach über den Begriff “exhumieren” nach und stellen sich das Gegenteil vor. Genau! Da der größte Teil des Romans im Land der Pyramiden spielt, wird auch ganz exakt geschildert, wie man einen Leichnam zur Mumie macht. Der Einbalsamierer entnimmt die Organe vorzugsweise durch die Nase und verteilt sie in verschiedene Krüge. Sie finden das eklig? Aber nur, weil sie noch nicht gelesen haben, wie der Pharao erwacht und seine Organe eigenhändig wieder einsammelt. Sooooo schlimm ist das alles nun auch wieder nicht. Schließlich handelt es sich um einen Roman von Terry Pratchett und all diese Szenen sind weitaus komischer als gruselig. Selbst wenn ein Heer von Mumien wie in einem drittklassigen Horrorfilm durch das Land zieht ist das nicht so furchterregend, daß man beim Lesen die Augen schließen müßte. Außerdem liefert Pratchett eine urkomische Parodie auf das Bestattergewerbe und witzige Anspielungen auf den trojanischen Krieg, das Alte Testament, die antike Sagenwelt, Cäsar und Kleopatra und einige andere Sachen, die Sie am besten selbst herausfinden. Der Roman hat zwei, drei Längen, die jedoch durch die Komplexität der parodierten Themen mehr als wett gemacht werden.

The Long Earth von Terry PratchettEs passiert in einer Zeit, in der sich „Raum“ zu den rasant schwindenden Ressourcen gesellt: ein simpler Schaltkreis mit Kippschalter und Kartoffelbatterie eröffnet der Menschheit unerforschte, unendliche Weiten. Nach Westen und nach Osten hin erstrecken sich Paralleluniversen, die Dank des „Steppers“ jetzt nur einen Schritt entfernt sind, und die Menschheit macht sich auf, die unberührten Erden zu erforschen, zu bereisen, in Besitz zu nehmen. Doch nach dem ersten Raumtaumel formieren sich nicht nur Siedlertrecks, sondern auch Gruppen mit wirtschaftlichen, kriminellen, oder gänzlich undurchsichtigen Absichten …

 “This wasn’t Joshua’s world. None of it was his world. In fact, when you got right down to it, he didn’t have a world; he had all of them.
All of the Long Earth.”
– Chapter 2

Es ist ein Menschheitstraum, so alt wie die Reihenhaussiedlung und die Tokioer U-Bahn selbst: der Traum von Weite, von Einsamkeit, von einem Vorgarten bis zum Horizont. Die Fantasy- bzw. SF-Giganten Terry Pratchett und Stephen Baxter haben mit ihrem gemeinsamen Roman The Long Earth eine beeindruckende Version dieses Traumes vorgelegt.

Allen Parallelerden gemeinsam ist die Unberührtheit durch den Evolutionsjux Mensch, der sich nur auf der Heimaterde zu tummeln scheint. Alle anderen Erden sind ihre eigenen evolutionären Wege gegangen, und so trifft man zwar mitunter auf Lavakontinente, Diamantberge oder Ozeanwelten, aber nie auf einen Homo Sapiens, der seinerseits seinen Heimatplaneten an die Grenze des „Schutt und Asche“ brachte. Nahe liegt der Paradiesvergleich, folgt man Baxter und Pratchett in diese vor Leben vibrierenden Universen – Flora und Fauna gleichen einem Gabentisch, einer helfenden Hand, dem sinkenden Menschenschiff hingestreckt. Kein Wunder, dass sich auch bekuttete Gestalten auf die Suche nach dem Göttlichen begeben, oder bärtige Gesellen nach Klondike-2: in The Long Earth scheint jeder das zu finden, was er sucht.
Landflucht wird zur Raumflucht, und völlige Souveränität und Selbstbestimmtheit scheinen nur eine Kartoffelladung entfernt zu sein. Während also die Regierungen der Welt versuchen, Steuersysteme in Parallelwelten zu etablieren, während auf unserer Heimaterde die Wirtschaft zusammenbricht, tun sich Arzt und Schmied, Soziologieprofessor und Zimmermann zusammen, um auf der Erde 101.754 eine Kolonie zu gründen. Feuerfachen und Schlingen legen wird zur neuen-alten ars vivendi, und rotgolden versinkt die Sonne hinter den Weizenfeldern.

The Long Earth ist jedoch mehr als Eskapismuskitsch und Lagerfeuerromantik, denn auch wenn sich hundert neue Welten auftun: Verlierer gibt es überall. Vielleicht ist es ein evolutionärer Seitenhieb auf die zerstörerische Kraft des expandierenden Gehirns, doch nicht alle Erdbürger sind befähigt, den kleinen, interdimensionalen Schritt zu tun, der ewige Freiheit verheißt. 5 % der Bevölkerung, die sogenannten „Phobics“, können nicht aus eigener Kraft den Schritt in die anderen Welten tun; und ein Paradies, das einigen den Zugang verwehrt, wird sich vor Schlangen bald nicht mehr retten können.

Die zentrale Frage des Romans heißt also: wie weit würdest du gehen? Durch episodenhaft erzählte Einzelschicksale entzaubern Baxter und Pratchett behutsam die Paradiesgedanken, ohne sie dem Höllenschlund anheimfallen zu lassen. Eine Familie lebt glücklich in der 101754. Idylle – hat jedoch ihr Phobic-Kind auf Erde-1 zurückgelassen. Ein Entrepreneur versucht verzweifelt, die neuen Welten mit barer Münze zu erobern. Kann es Scheitern in einer Zeit der unendlichen Neuanfänge noch geben? Lassen sich Trauer, Krankheit und Verlust besser ertragen, wenn die Sicht unverbaut ist?

Für die Protagonisten des Romans ist die Frage – „Wie weit würdest du gehen“ – jedoch bedeutungslos: Joshua und Lobsang machen sich auf, um die Weite wissenschaftlich zu erkunden, um Grenzen (falls es diese gibt) immer weiter nach hinten zu verschieben. Die beiden Figuren geben ein äußerst pratchetteskes Paar ab: Joshua, ein junger Mann, der auch ohne Kartoffel ‘steppen’ kann, und Lobsang. Während die Paralleluniversen Baxters schöpferische Handschrift tragen, so atmet Lobsang Pratchett ein und aus. Lobsang: ehemaliger Fahrradreperateur aus Tibet, nun halb Geist, halb Maschine, der als erster Roboter das irdische Gericht davon überzeugt hat, menschlich zu sein. Lobsang ist nicht der heimliche Star des Romans: währen die Erden eine Bühne, er würde sie im Elvisanzug rocken. Sein Name ist Programm.
Während also die hyperintelligente, mit einem Humorchip versehene Mensch-Maschine den Leser freundlich bei der robotischen Hand nimmt, so ist die Charakterisierung Joshuas problematischer, und sein Problem kann als programmatisch für den Roman gesehen werden: die Figur scheint noch undefiniert, vage, nicht zu Ende gedacht. Und während Lobsang einen Geniestreich nach dem anderen aus dem Ärmel zaubert, um die Reise durch die unendlichen Welten zu bestehen, kommt man als Leser nicht umhin, zu bemerken, dass Pratchett und Baxter damit noch zurückhalten. Tatsächlich müssen ihre Ärmel zum Bersten gefüllt sein: Andeutungen, lose Enden, Vermutungen und Theorien tummeln sich wie Fische im unverseuchten, plastikfreien Wasser. Der Genius liegt hier im Setting, noch nicht im Detail. Umso klärender wird deshalb vermutlich die Lektüre des Folgebandes The Long War – dessen Titel nicht gerade subtil darauf hinweist, dass der Mensch auch noch dann einen Krieg beginnen kann, wenn er über Raum und Zeit verstreut ist. Eigentlich wollen wir doch alle nur schadstofffreie Gurken. Oder?

Die Kollaboration der beiden literarischen Giganten lädt also vor allem zum Träumen ein, zum Erkunden, zum Erforschen, Erschrecken und Ernüchtern. Wirklich erstaunlich ist jedoch, dass man für die Reise in unendliche Welten sogar auf die Kartoffelbatterie verzichten kann – hier reichen auch zwei Buchdeckel.

Cover von Voll im Bilde von Terry Pratchett Ungefähr dreißig Meilen entfernt von Ankh-Morpork befindet sich eine Landzunge. Dort lebte viele Jahre Deccan Ribobe, der letzte Hüter der Tür und sang Beschwörungen, die dafür sorgten, daß eine bestimmte Idee nicht entwich. Leider versäumte Deccan Ribobe, einen Nachfolger auszubilden und als TOD unerwartet eintrifft, wird diese Idee freigesetzt und fällt in Ankh-Morpork ein. Die Landzunge trägt übrigens den Namen Holy Wood und plötzlich fühlen ganz viele Einwohner Ankh-Morporks den Drang, sich an der Herstellung bewegter Bilder zu beteiligen. Es endet wie es immer endet: Die Scheibenwelt muß wieder einmal gerettet werden.

– Seht nur … Dies ist der Weltraum. Manchmal wird er auch als letzte Grenze bezeichnet. –

Falls Sie Schauspieler, Produzent oder ein Hund sind, der im Filmgeschäft arbeitet, dann werden Sie sich wahrscheinlich nach jeder zweiten Zeile vor Lachen auf die Schenkel schlagen, zustimmend mit dem Kopf nicken und vor sich hinmurmeln: “Genauso ist es, Pratchett hat wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen.” Falls Sie aber nur ein durchschnittliches Interesse am Film haben und/oder schon mehrere Scheibenweltromane gelesen haben, dann wird Ihnen Voll im Bilde (Moving Pictures) auch nur ein durchschnittliches Lesevergnügen bieten. Zum einen kennt der fleißige Pratchett-Leser mittlerweile das Rezept: Man nehme ein Thema, das auf der Erde allseits bekannt ist, verlege es auf die Scheibenwelt, reichere es mit Zauberern und Trollen an und ziehe es kräftig durch den Kakao. Zum anderen zitiert Pratchett sich selbst. Kameras funktionieren auf der Scheibenwelt, indem in ihrem Inneren Kobolde sitzen, die Bilder malen. Das ist originell, wenn man es zum erstenmal liest, aber nicht mehr besonders lustig, wenn man das Prinzip schon von den Fotoapparaten aus den Rincewind-Romanen kennt. Auch daß wieder jemand auftaucht, der mit einem S-Fehler spricht und die Einwohner Ankh-Morporks mit der Orthographie auf Kriegsfuß stehen, ist nur noch mäßig komisch, wenn man vorher schon neun andere Scheibenweltromane gelesen hat.

Voll im Bilde ist aber sehr gut als Einsteigerlektüre für jemanden geeignet, der die Scheibenwelt kennenlernen möchte, da es sich um eine abgeschlossene Geschichte handelt, für die man keine Vorkenntnisse benötigt. Hier trifft man allerdings nicht auf die Hauptfiguren aus anderen Romanen wie den Zauberer Rincewind, Oma Wetterwachs oder die Nachtwache und auch TOD hat nur zwei Kurzauftritte. Dafür macht der Würstchenverkäufer Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin-Schnapper ungeahnte Karriere, und das aus den Pyramiden bekannte Kamel “Du Miststück” spielt ebenfalls eine kleine Rolle. Hauptsächlich hängt das Wohl und Wehe der Scheibenwelt diesmal aber von dem Langzeitstudenten Victor und der Kellnerin Ginger ab, die beide vor den Kameras agieren und von dem Wunderhund Gaspode, der unglaublich intelligent ist und trotzdem gegenüber dem beschränkten aber viel schöneren Hund Laddie den Kürzeren zieht.

Pratchett parodiert in diesem Roman geldgierige Produzenten, den Starrummel und natürlich unzählige Filme wie Vom Winde verweht, Der weiße Hai, Star Trek, Schneewittchen, Lassie, King Kong

Cover von Wachen! Wachen! von Terry PratchettEine geheime Bruderschaft bedroht die Stadt Ankh-Morpork, indem sie einen Drachen herholt, um den Patrizier zu stürzen. Dagegen vorgehen könnte die Stadtwache, wäre sie nicht die marodeste, arbeitsscheueste, feigste und korrupteste Truppe der ganzen Stadt. Doch voller Hoffnung betritt der aufrichtige Karotte Ankh-Morpork, um sich der ehrenhaften Wache anzuschließen und die Bürger zu schützen…

– Hierher verschwanden die Drachen. Sie liegen und … Nein, sie sind nicht tot. Sie schlafen auch nicht.
Von Warten kann ebenfalls keine Rede sein, denn wer wartet, erwartet etwas. Der angemesssene Ausdruck lautet vermutlich … Schlummern. –

Wachen! Wachen! (Guards! Guards!) ist einer der besten Scheibenweltromane. Hier hat Pratchett nicht einfach eine Slapstick-Szene an die andere gereiht, sondern er liefert eine durchdachte, runde Geschichte, die durch ihre Charaktere besticht und natürlich – wie immer – durch den für Pratchett typischen skurrilen britischen Humor. Hauptmann Mumm, der Anführer der Stadtwache, macht seinem Namen anfangs so gar keine Ehre. Er hat kein bißchen Mumm, sondern ist hauptsächlich damit beschäftigt, betrunken in der Gosse zu liegen. Dafür zeigt der Gefreite Karotte um so mehr Tatendrang. In kürzester Zeit lernt er einen großen Teil der ankh-morporkischen Gesetze, samt Zusätzen auswendig und verhaftet den Präsidenten der Gilde der Diebe. So etwas ist in Ankh-Morpork seit Menschengedenken nicht mehr vorgekommen und kann nur einem Hinterwäldler passieren. Karotte wurde von seinen Eltern, zwei Zwergen, erst vor kurzem in die große Stadt geschickt, nachdem sie dem zwei Meter großen Jungen schonend beigebracht hatten, daß er ein Findelkind ist. Als Ankh-Morpork von einem Drachen bedroht wird, den der Oberste Größte Meister der Einzigartigen und Höchsten Loge der Aufgeklärten Brüder beschworen hat, wächst Hauptmann Mumm über sich selbst hinaus. Pratchett parodiert auf köstliche Weise die Geheimniskrämerei und die Rituale einer Freimaurer-Loge und keiner, der das Buch gelesen hat, wird Mumms spektakuläre Flucht aus dem Kerker vergessen.

Cover von Der Zauberhut von Terry PratchettZauberer Allesweiß floh in jungen Jahren aus der Unsichtbaren Universität, heiratete und bekam viele Söhne, deren achter ein kreativer Magus ist. Ein kreativer Magus ist so ziemlich der mächtigste Zauberer, der auf der Scheibenwelt herumläuft. Leider ist er nicht unbedingt der liebenswürdigste. Dieser achte Sohn macht sich also als Knabe auf zur Unsichtbaren Universität und fordert zwei der besten Zauberer zum Duell. Das schreckliche Gör gewinnt, richtet ein einziges Chaos an und wünscht Erzkanzler zu werden. Dies hohe Amt erfordert aber eine Zeremonie, in der der Zauberhut eine Rolle spielt. Ganz zufällig ist dieser wichtige Hut gerade nicht zu Hause, sondern auf Reisen mit einem gewissen Rincewind sowie Conina, der Tochter Cohens des Barbaren, und Truhe.

-Vor vielen Jahren sah ich in Bath eine wohlbeleibte amerikanische Dame, die einen riesigen karierten Koffer hinter sich herzog. Die kleinen, quietschenden Räder blieben immer wieder in den Pflasterrissen stecken und verliehen dem Ding ein höchst interessantes Eigenleben. In jenem Augenblick wurde Truhe geboren. Ich danke jener Frau und allen anderen Leuten in Orten wie Ichweißnichtwo, Nebraska. Vermutlich können sie ein wenig Zuspruch vertragen.-
Widmung

Zuerst darf jeder einmal raten, woher Joanne K. Rowling die Idee hat, daß es Zauberhüte gibt, die sprechen, wenn man sie sich auf den Kopf setzt. Nun, ich werde die Antwort ganz gewiß nicht geben, sonst werde ich noch wegen Verleumdung oder Geheimnisverrat mit einer Millionenklage vor Gericht gezerrt und dabei weiß ich noch nicht einmal, wie ich mein Bafög zurückzahlen soll. Also von mir kein Wort zu diesem Thema. Widmen wir uns statt dessen dem Buch: Dieser Roman hat zwei Handlungsstränge: Einmal wird erzählt, wie dieser freundliche Knabe (jedem, der sich unfreundlich über das liebe Kind äußert, bekommt dies außerordentlich schlecht) die Unsichtbare Universität auf den Kopf stellt und wie unfähig die Zauberer sind, dies zu verhindern, ja einige lassen sich sogar korrumpieren. Kreative Magie ist so gefährlich, weil sie sich an keine Gebote hält und eigentlich den Göttern vorbehalten ist. Der andere Handlungsstrang erzählt von Rincewind, der wieder einmal die Scheibenwelt vor dem Untergang retten muß, indem er den Hut, der das Zeichen des obersten magischen Amtes ist und das Symbol für eine Zauberei, die sich an gewisse Werte hält, in Sicherheit bringt. Dabei wird er von Piraten, orientalischen Straßenkindern, Großwesiren und anderen ungemütlichen Herrschaften stark behindert. Falls irgend jemand immer noch nicht verstanden hat, wie prekär die Lage ist, dem sei gesagt, daß Tod, Krieg, Hunger und Pestilenz irgendwo auf der Scheibenwelt in einer Kneipe sitzen und warten, sehr geduldig warten … Glücklicherweise hat Rincewind Conina an seiner Seite. Die wollte eigentlich Barbarenfriseuse werden, aber nun kämpft sie mit ihm für die gute Sache, wobei sie meistens Schwerter, manchmal aber auch Scheren und Kämme benutzt. Achtung: Jetzt kommt der Satz, der zwangsläufig so oder ähnlich in jeder Pratchett-Rezension steht. Dank Pratchetts Sprachwitz ist die Geschichte ungeheuer komisch. Besonders geeignet dürfte der Roman für Kinderhasser sein. Sie finden ihr Vorurteil voll bestätigt, daß diese kleinen Ungeheuer nichts als Ärger anrichten.