Der fünfjährige Matt lebt bei seiner Ziehmutter Celia in einer Hütte inmitten von Mohnfeldern. Er darf das Haus nicht verlassen, Türen und Fenster sind fest verschlossen. Abwechslung bieten ihm nur ein wenig Spielzeug, ein paar Bücher und das Fernsehen. Eines Tages, als Celia zur Arbeit gegangen ist, machen sich Kinder an der verschlossenen Hütte zu schaffen und als sie am nächsten Tag wiederkommen, schlägt Matt das Fenster ein und springt ins Freie. Dabei verletzt er sich an den herumliegenden Glassplittern. Die Kinder bringen den blutenden Matt zum nahegelegenen Herrenhaus. Dort versorgt zwar ein Arzt seine Wunden, doch die Erwachsenen behandeln ihn mit unverhohlener Abscheu, denn sie wissen, was Matt bisher nicht wusste: er ist ein Klon.
– Am Anfang waren es 36 Tröpfchen Leben – so winzig, dass Eduardo sie nur unter einem Mikroskop erkennen konnte. Er betrachtete sie besorgt in dem verdunkelten Raum. –
Am Anfang
Zwar weiß man von Anfang an, dass Matt ein Klon ist, doch löst dieses Wissen beim Leser keine Abneigung gegenüber dem Kind aus.
Nancy Farmer gelingt es, die Einsamkeit und Sehnsucht des Kleinen spürbar zu machen, ohne in Rührseligkeit zu verfallen. Sie vermittelt dem Leser das Gefühl, dass irgend etwas nicht stimmt, dass etwas Bedrohliches in der Luft liegt, doch gleichzeitig schildert sie Matt als so kindlich und menschlich, dass man sich fragt, was an ihm denn so anders sein soll und warum die Erwachsenen und die anderen Kinder sich ihm gegenüber so abscheulich benehmen. Sie bezeichnen ihn als Biest, man trennt ihn von Celia und eine Zeit lang wird er unter entwürdigenden Umständen wie ein Tier gehalten, wodurch seine Psyche fast zerbricht. Erst nach und nach enthüllt sich dem Leser, was diese Welt so bedrohlich erscheinen lässt.
Die Wahrheit ist, dass Matt, der Klon, gar nicht so anders ist, im Gegenteil, er benimmt sich oft humaner als die, die ihn verachten. Zu den Problemen, die Nancy Farmer in diesem Roman thematisiert gehören auch Diskriminierung und Vorurteile, hauptsächlich geht es aber um die Frage, was den Menschen zum Menschen macht und um Machtmissbrauch. El Patrón, das Oberhaupt des Familienclans, ist so reich und mächtig, dass er Gesetze brechen kann, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, seine Familie muss nach seiner Pfeife tanzen, was Matt wenigstens einen gewissen Schutz gibt und er beutet gnadenlos Menschen aus, die er als willenlose Arbeiter auf seinen Feldern bis zum Umfallen schuften lässt. Und auch die Klone haben seinen Zwecken zu dienen, denn Matt ist nicht der einzige, doch er ist dennoch etwas Besonderes.
Obwohl Das Skorpionenhaus (The house of the scorpion) in der Zukunft spielt, in einem fiktiven Land mit futuristischen Fortbewegungsmitteln, ist die Gesellschaft der unseren so ähnlich, dass man sich fragt, wie weit wir im Zeitalter von Klonschaf Dolly davon noch entfernt sind. El Patrón macht Menschen zu willenlosen Sklaven, indem er ihren Körper manipuliert, in einem anderen Land, sollen Menschen zu willenlosen Sklaven gemacht werden, indem man ihre Psyche manipuliert und diese Methode, Individuen gleichzuschalten und zu Erfüllungsgehilfen der Obrigkeit zu erziehen ist beängstigend nah an unserer Realität und unserer Geschichte.
Zum Glück gibt es in Matts Welt auch Freundschaft und Mut und deshalb gibt es auch die Chance, Diktaturen zu stürzen. Matts Leibwächter Tam-Lin weiß das, er schreibt Matt eine Nachricht auf einen Zettel: Du kanst es schaffen.