Autor: Farmer@Nancy

Drachenmeer von Nancy FarmerIn einem trostlosen englischen Küstendorf fristet der Schäferssohn Jack ein eintöniges Dasein. Harte Arbeit, die verhätschelte kleine Schwester und der verbitterte Vater bestimmen seinen Alltag. Als der unheimliche Barde des Dorfes den Jungen zu seinem Lehrling erwählt, hält Jack dies zunächst für ein Missverständnis. Doch schon bald beginnt er seine Verbindung zur Magie zu spüren. Bevor er aber seine Ausbildung beenden kann, werden seine Kräfte auch schon aufs Härteste geprüft: Die Berserker kommen und ihre Segel am Horizont verheißen Blut und Feuer. Ausgerechnet um seine Schwester zu schützen, muss Jack nun all seinen Mut zusammen nehmen und sich auf eine Reise begeben, die ihn ins barbarische Nordland – und zu den Quellen der Magie – führen wird.

-“Mach dir um mich keine Sorgen”, sagte der alte Mann barsch. “Ich habe schon mehr als einem Ungeheuer die Haut abgezogen. Und jetzt lass uns Nebel machen.”-
Die Schutzrune

Drachenmeer (Sea of Trolls) ist ein Jugendbuch, mit einem linearen Aufbau, einem junge Helden und einer Entwicklungsgeschichte – aber definitiv eines von der besseren Sorte. Jack mit seinem leicht fanatischen Vater, der verhätschelten kleinen Schwester und der bodenständigen, aber zurückhaltenden Mutter ist eine Figur, mit der man sich schnell identifiziert und die einen leichten Einstieg in die Welt der Angelsachsen im frühen Mittelalter ermöglicht – schließlich kommen einem seine Probleme zumindest vage bekannt vor. Von Anfang an fällt dabei die gute Recherchearbeit der Autorin auf (die auch in einer Bibliographie im Anhang nachvollziehbar gemacht wird): Das Leben der einfachen Menschen wird nicht geschönt oder glorifiziert, und die kleinen Einblicke, die in die damalige Landwirtschaft oder Wohn- und Esskultur gegeben werden, wirken authentisch. Dabei ist Drachenmeer keineswegs ein historischer Roman, denn sobald Jack als Lehrling des alten Barden des Dorfes angenommen wird, taucht er in die Welt von Trollen, Erdmagie und Zauberern ein. Natürlich hat Jack eine Begabung für die Magie, und natürlich fällt ihm ihr Einsatz am Anfang schwer, ist aber dann zur Hand, sobald sie gebraucht wird – gerade zu Beginn der Handlung gibt es einige sehr schnell durchschaubare Handlungsmuster, die ein wenig zu sehr an schon oft Dagewesenes erinnern. Aber im Verlauf des Romans fährt die Autorin noch einige andere Kaliber auf, und Jack löst seine Probleme mit Köpfchen statt mit gerade passend kommender Erdmagie.

Einprägsame Figuren sind das Sahnehäubchen des Buches – sind die Nordmänner anfangs noch furchtbare Feinde, halbe Tiere sogar, stellt sich ihr Anführer Olaf Einbraue als durchaus liebenswerter Charakter heraus , und die auf Raubzügen basierende Lebensweise der Wikinger wird als -wenn auch nicht unbedingt erstrebenswerte- Alternative aufgezeigt, statt das Volk einfach als böse zu klassifizieren.
Auffallend ist der charmante Umgang mit den drei aufeinanderprallenden Glaubensvorstellungen den Nordens – Christentum, Glauben an nordische Gottheiten und Mythen und keltische Vorstellungen. Alle drei Glaubensrichtungen und auch ihr Zusammenspiel werden mit einem Augenzwinkern beschrieben – wie überhaupt ein schalkhafter Humor durch das ganze Buch hindurch immer wieder aufblitzt – ohne, daß sich über Religionen oder Überzeugungen lustig gemacht wird.

Das vollständige Happy End des Buches wirkt auf erfahrene Leser vielleicht ein bißchen zu rund – da wird möglichst alles gerade gebogen, was jemals krumm war; trotzdem gab es vorher so viel zu entdecken, erleben und auch erleiden, daß man das Buch sicherlich befriedigt aus der Hand legen kann.
Drachenmeer ist ein spannendes und kluges Abenteuervergnügen, das nach anfänglichen Längen tatsächlich an Klassiker wie Der Hobbit erinnert und die nordische Kultur und Mythenwelt zu einem bunten, eingängig geschilderten Leben erweckt.

Cover des Buches "Das Skorpionenhaus" von Nancy FarmerDer fünfjährige Matt lebt bei seiner Ziehmutter Celia in einer Hütte inmitten von Mohnfeldern. Er darf das Haus nicht verlassen, Türen und Fenster sind fest verschlossen. Abwechslung bieten ihm nur ein wenig Spielzeug, ein paar Bücher und das Fernsehen. Eines Tages, als Celia zur Arbeit gegangen ist, machen sich Kinder an der verschlossenen Hütte zu schaffen und als sie am nächsten Tag wiederkommen, schlägt Matt das Fenster ein und springt ins Freie. Dabei verletzt er sich an den herumliegenden Glassplittern. Die Kinder bringen den blutenden Matt zum nahegelegenen Herrenhaus. Dort versorgt zwar ein Arzt seine Wunden, doch die Erwachsenen behandeln ihn mit unverhohlener Abscheu, denn sie wissen, was Matt bisher nicht wusste: er ist ein Klon.

– Am Anfang waren es 36 Tröpfchen Leben – so winzig, dass Eduardo sie nur unter einem Mikroskop erkennen konnte. Er betrachtete sie besorgt in dem verdunkelten Raum. –
Am Anfang

Zwar weiß man von Anfang an, dass Matt ein Klon ist, doch löst dieses Wissen beim Leser keine Abneigung gegenüber dem Kind aus.
Nancy Farmer gelingt es, die Einsamkeit und Sehnsucht des Kleinen spürbar zu machen, ohne in Rührseligkeit zu verfallen. Sie vermittelt dem Leser das Gefühl, dass irgend etwas nicht stimmt, dass etwas Bedrohliches in der Luft liegt, doch gleichzeitig schildert sie Matt als so kindlich und menschlich, dass man sich fragt, was an ihm denn so anders sein soll und warum die Erwachsenen und die anderen Kinder sich ihm gegenüber so abscheulich benehmen. Sie bezeichnen ihn als Biest, man trennt ihn von Celia und eine Zeit lang wird er unter entwürdigenden Umständen wie ein Tier gehalten, wodurch seine Psyche fast zerbricht. Erst nach und nach enthüllt sich dem Leser, was diese Welt so bedrohlich erscheinen lässt.

Die Wahrheit ist, dass Matt, der Klon, gar nicht so anders ist, im Gegenteil, er benimmt sich oft humaner als die, die ihn verachten. Zu den Problemen, die Nancy Farmer in diesem Roman thematisiert gehören auch Diskriminierung und Vorurteile, hauptsächlich geht es aber um die Frage, was den Menschen zum Menschen macht und um Machtmissbrauch. El Patrón, das Oberhaupt des Familienclans, ist so reich und mächtig, dass er Gesetze brechen kann, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, seine Familie muss nach seiner Pfeife tanzen, was Matt wenigstens einen gewissen Schutz gibt und er beutet gnadenlos Menschen aus, die er als willenlose Arbeiter auf seinen Feldern bis zum Umfallen schuften lässt. Und auch die Klone haben seinen Zwecken zu dienen, denn Matt ist nicht der einzige, doch er ist dennoch etwas Besonderes.

Obwohl Das Skorpionenhaus (The house of the scorpion) in der Zukunft spielt, in einem fiktiven Land mit futuristischen Fortbewegungsmitteln, ist die Gesellschaft der unseren so ähnlich, dass man sich fragt, wie weit wir im Zeitalter von Klonschaf Dolly davon noch entfernt sind. El Patrón macht Menschen zu willenlosen Sklaven, indem er ihren Körper manipuliert, in einem anderen Land, sollen Menschen zu willenlosen Sklaven gemacht werden, indem man ihre Psyche manipuliert und diese Methode, Individuen gleichzuschalten und zu Erfüllungsgehilfen der Obrigkeit zu erziehen ist beängstigend nah an unserer Realität und unserer Geschichte.
Zum Glück gibt es in Matts Welt auch Freundschaft und Mut und deshalb gibt es auch die Chance, Diktaturen zu stürzen. Matts Leibwächter Tam-Lin weiß das, er schreibt Matt eine Nachricht auf einen Zettel: Du kanst es schaffen.