Zyklus: Tintenwelt

Cover von Tintenherz von Cornelia FunkeDie zwölfjährige Meggie wohnt mit ihrem Vater Mo, einem Buchbinder, auf einem alten Bauernhof. Beide sind wahre Leseratten und die Bücher stapeln sich im ganzen Haus. In einer regnerischen Nacht sieht Meggie eine dunkle Gestalt im Garten stehen. Doch bald stellt es sich heraus, dass der Fremde Mo’s alter Freund Staubfinger ist, der gekommen ist, um ihn vor Capricorns Männern zu warnen. Diese ebenso bösartigen wie gnadenlosen Schurken sind hinter einem Buch her, das Mo gehört. Meggie versteht das nicht. Wer ist Capricorn? Was ist an diesem Buch so besonders? Und warum nennt Staubfinger ihren Vater “Zauberzunge”? Am nächsten Tag bringt Mo Meggie und das geheimnisvolle Buch zu Tante Elinor, die in ihrem Haus Tausende Bücher hortet, aber es nützt nichts: Capricorns Männer spüren sie auf…

– Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen. Noch viele Jahre später mußte Meggie bloß die Augen schließen und schon hörte sie ihn wie winzige Finger, die gegen die Scheibe klopften. Irgendwo in der Dunkelheit bellte ein Hund, und Meggie konnte nicht schlafen, so oft sie sich auch von einer Seite auf die andere drehte.-
Ein Fremder in der Nacht

Es ist einfach ein rundum gelungenes Buch. Lesen Sie’s und Sie werden es schon merken. Aber wenn ich mich so kurz fasse, bekomme ich Ärger mit der Redaktion ;-), deshalb also ein bißchen ausführlicher: Am Anfang fand ich Tintenherz ganz nett und als Mo und Meggie bei Tante Elinor wohnen, dachte ich, jetzt könnte die Geschichte mal bitte ein bißchen an Fahrt gewinnen. Genau in diesem Moment wurde der Roman so spannend, daß ich ihn nicht mehr aus der Hand gelegt habe, bis ich ihn ausgelesen hatte und bei der Lektüre habe ich dreimal eine Gänsehaut bekommen. Ich lese durchschnittlich drei Bücher in der Woche, eine Gänsehaut bekomme ich dabei höchst selten und für gewöhnlich nicht bei Kinderbüchern. Dieser Roman ist eine Hommage ans Lesen. Er macht deutlich, welchen Zauber Bücher auf Menschen ausüben und welche Macht gute Schriftsteller besitzen.

Die Charaktere sind voller Leben und es gibt für jeden Leser eine Figur mit der er sich identifizieren kann. Da ist Mo, ein Vater, wie ihn sich jedes Kind nur wünschen kann; Meggie, die beherzt und tapfer ist, auch und gerade, wenn sie Angst hat und in gefährlichen Situationen steckt; die dicke, resolute Tante Elinor, die glaubt, dass man Gangstern am besten die Polizei auf den Hals hetzt und die von den Ordnungshütern ständig enttäuscht wird; Staubfinger, ein Gaukler, der sich nach seiner Heimat sehnt; Farid, ein ungefähr fünfzehnjähriger Junge, der einer Räuberbande entkommen ist; Fenoglio, ein Großvater mit Schreibtalent; und falls Sie ein Haustier besitzen, das lesen kann, dann wird es sich wahrscheinlich mit Gwin, einem kleinen Marder identifizieren. Sie alle nehmen den Kampf gegen Capricorn und seine finsteren Gesellen auf und jeder von ihnen wird gebraucht, um ihn zu gewinnen.

Mehr kann ich über den Inhalt des Romans nicht schreiben, sonst müsste ich einen Spoiler an den anderen hängen. Stattdessen möchte ich noch etwas über die Aufmachung des Buches sagen: Jedem Kapitel ist ein Zitat aus einem anderen Buch vorangestellt, das einen Hinweis darauf gibt, worum es in diesem Kapitel geht. Auch in der Geschichte werden andere Bücher erwähnt. Für Vielleser sind diese Bezüge sehr reizvoll, Kinder, die noch nicht so viel gelesen haben, verstehen den Roman aber auch, wenn sie z.B. mit der Erwähnung von “Indianer Joe” nichts anfangen können. Das, was man aus anderen Kinderbüchern wissen muss, um die Geschichte zu verstehen, wird in den Roman eingeflochten. Am Ende jeden Kapitels gibt es eine kleine Illustration. Außerdem ist das Cover sehr schön gestaltet. Das Buch hat ein Lesebändchen, denn wie Tante Elinor Meggie erklärt, darf man Bücher nicht aufgeschlagen liegen lassen, weil man ihnen sonst den Rücken bricht, und es hat ein dunkelrotes Vorsatzblatt. Es müssen dunkle Vorsatzblätter sein, meint Mo, und am besten dunkelrote, wenn man ein solches Buch aufschlägt, dann ist es als ob im Theater der Vorhang aufgeht. Und damit hat er vollkommen Recht…

Cover des Buches "Tintenblut" von Cornelia Funke Ein Jahr nach den Ereignissen in Tintenherz ist wieder Ruhe und Glück in Meggies Leben eingekehrt. Sie lebt mit ihren Eltern bei ihrer Tante Elinor und die Schrecken des vergangenen Jahres verblassen allmählich. Doch das Glück währt nicht lange. Immer noch versucht Staubfinger zusammen mit Farid zurück in seine Welt zu kommen und endlich scheint es so, als ob sie Erfolg hätten. Denn Orpheus, eine zwielichtige Gestalt, verfügt über ähnliche Kräfte wie Meggies Vater und erklärt sich bereit, Staubfinger in seine Welt zu lesen. Doch auch Basta und Mortola haben die Ereignisse in Capricorns Dorf überlebt und sind ebenfalls auf Orpheus aufmerksam geworden …

-Am längsten hatte sie drüber nachgedacht, welches Buch sie mitnehmen sollte. Ohne eins fortzugehen, wäre ihr vorgekommen, als würde sie ohne Kleider aufbrechen, aber es durfte nicht zu schwer sein, also kam nur ein Taschenbuch in Frage. »Bücher in Badekleidern«, nannte Mo sie, »schlecht gekleidet für die meisten Anlässe, aber im Urlaub eine praktische Sache.«-
Meggie liest

Endlich! Der neue Roman aus der Tintenwelt hat ein bisschen auf sich warten lassen, dafür wird der Leser aber umso mehr für seine Geduld belohnt.
Bereits beim Durchblättern fällt die liebevolle Gestaltung des Buches auf. Vor jedem Kapitel findet sich ein passendes Zitat und Zeichnungen (von der Autorin selbst erstellt) am Ende der Kapitel runden das Ganze noch ab. Außerdem gibt es eine Karte der Tintenwelt und ein Personenverzeichnis, die passenden Extras machen Lust, den Roman endlich zu lesen.

Schon nach den ersten Seiten ist man gefesselt von Cornelia Funkes Stil. Satz für Satz fügt sich die Geschichte stimmungsvoll zusammen und man taucht sofort wieder ein in Meggies Welt. Scheinbar mühelos erschafft die Autorin Bilder vor dem geistigen Auge des Lesers und fast scheint es, als gäbe es die Tintenwelt mit all ihren Bewohnern wirklich und man könnte sie durch das Buch ebenso leicht erreichen, wie Meggie oder Mo es können.

Zu den liebgewonnen Charakteren aus Tintenherz kommen weitere interessante Personen, die die Tintenwelt erst richtig lebendig werden lassen. Fast möchte man der Tintenwelt selbst mal einen Besuch abstatten, um all den Charakteren wirklich gegenüberzustehen.

Die Handlung weist mehr Komplexität auf als in Tintenherz und ist ein wenig blutiger, dennoch ist es vorbehaltlos auch für jüngere Leser zu empfehlen. Einziger Wermutstropfen: Das Ende des Buches ist nicht das Ende der Geschichte. Das offene Ende ist wirklich nicht leicht zu verkraften, wenn man so abrupt wieder aus der Tintenwelt in die Realität geschubst wird. Bleibt einem nur zu hoffen, dass der nächste Teil nicht so lange auf sich warten lässt …