: Religion, Götter, Kirche

Cover des Buches Am Abgrund von Wolfgang HohlbeinTranssilvanien im 15. Jahrhundert: Der junge Frederic hat als Einziger das grauenhafte Massaker der Inquisition in seinem Heimatdorf überlebt. Er schließt sich dem Schwertkämpfer Andrej an, der ihn auf die Jagd nach den Mördern mitnimmt. Eine gefährliche und abenteuerliche Reise beginnt und schon bald hegt Frederic einen furchtbaren Verdacht: Ist sein scheinbar unverletzbarer Beschützer mit dem Teufel im Bunde?

-Ein dünner Ast peitschte in sein Gesicht und hinterließ einen blutigen Kratzer auf seiner Wange. Die Wunde war nicht tief und würde so schnell heilen wie alle anderen Verletzungen, die er sich im Laufe seines Lebens zugefügt hatte.-
Kapitel 1

Wolfgang Hohlbein erschuf mit der Chronik der Untersterblichen einen gelungenen Mix aus Geschichtsstunde und Horrorelementen, wobei er aber nicht auf das typische Klischee à la Dracula zurückgreift. Er nimmt vielmehr Elemente der traditionellen Vampir-Erzählungen auf und fügt ihnen eigene hinzu, so dass eine völlig neue Sichtweise auf den “Vampyr” entsteht. Als Beispiel sei an dieser Stelle die Vampir-Werdung genannt: Im Gegensatz zum ursprünglichen Biss durch einen Vampir, wurde Andrej Delany durch einen Unfall und einer folgenden, fast tödlichen Krankheit als Kind zu einem (fast) Unsterblichen, dem Krankheiten und Verletzungen nicht so viel anhaben können wie normalen Menschen. Auch stellt sich Hohlbein dem Mythos entgegen, dass Vampire tagsüber schlafen und und nur nachts reisen.

In diesem ersten Buch der Reihe ist Delany auf dem Weg in sein Heimatdorf, dass er seit Jahren nicht gesehen hat. Wer nun eine ausführliche Lebensgeschichte von Andrej befürchtet, kann beruhigt weiterlesen. Nur sporadisch wird etwas über Andrejs Leben erzählt, wobei der Schatten seiner Vergangenheit stets auf ihm lastet. Hohlbein baut mit Andrej Delany einen Helden auf, der an zwei Seiten zu kämpfen hat: die äußeren Bedrohungen, die ihm auf seinen Reisen begegnen und die Bedrohung in seinem Inneren: der Vampyr, der im Laufe der Zeit immer mächtiger wird. Wie lange Andrej ihn noch zurückhalten kann, bleibt offen.

Frederic, die zweite wichtige Person im Auftaktroman, scheint besessen zu sein von dem Gedanken der Rache, obwohl er gerade mal ein Kind ist. Es scheint  aus heutiger Sicht etwas befremdlich, dass ein Kind solche Ziele, die Rache an den Mördern seiner Eltern, hat, jedoch muss man auch den Hintergrund berücksichtigen: Im 15. Jahrhundert war der Sprung zum Erwachsenen viel schneller erreicht als heutzutage. Doch auch das tröstet nicht darüber hinweg, dass Frederics Charakter kaum über diesen Wunsch hinaus geht: er bleibt im Gegensatz zu Andrej eine etwas hohle Figur. Während Delany durch alle Bücher hindurch ganz verschiedene Entwicklungen durchmacht, ist Frederics Position relativ festgelegt, obwohl es auch überraschende Wendungen gibt.

Hohlbeins Stil fesselt schon nach den ersten Seiten und man möchte das Buch nicht so schnell aus der Hand legen. Einziges Manko: wegen der spannenden Geschichte ist man viel schneller mit dem Buch fertig als beabsichtigt. Auch die nachfolgenden Bücher bleiben recht dünn, obwohl es Hohlbein gelingt, stets eine gute Geschichte zu erzählen.
Alles in allem eine gute Alternative zu den Dracula-Büchern.

Cover von Anansi Boys von Neil Gaiman“Fat” Charly Nancy, der eigentlich gar nicht mehr dick ist, ist ärgerlich, verwirrt und (wenn er ehrlich ist) mehr als nur ein bisschen verängstigt. Sein Leben ist nämlich dabei, außer Kontrolle zu geraten und das ist alles nur die Schuld seines (toten) Vaters. Wäre der nämlich nicht gestorben, hätte Fat Charly niemals erfahren, dass er einen Bruder namens Spider hat, der wie sein Vater ein Gott ist. Da dieser Bruder nun aber versucht sein Leben, seinen Job, seine Wohnung und seine Verlobte zu übernehmen, muss sich Fat Charly etwas einfallen lassen, um ihn wieder los zu werden.

-It begins, as most things begin, with a song.
In the beginning, after all, were the words, and they came with a tune.-
Chapter One

Es war ja nun noch nie so, dass Neil Gaimans Bücher durch eine stringente, spannende Handlung geglänzt hätten, noch sind seine Helden besonders heroische Charaktere. Im Gegenteil, die Hauptperson ist meist ein Verlierer, der eine zum Scheitern verurteilte Beziehung zu einer Frau hat. Dann gerät er in eine fantastische, aberwitzige Situation, die er zunächst nicht kontrollieren kann, an der er dann aber wächst.
Das alles ist meist nicht so wahnsinnig spannend, wenn auch gespickt mit absurden und nicht selten extrem komischen Situationen und Figuren. Und da wären wir auch schon bei Gaimans größtem Talent, nämlich seiner wunderbaren Art, die Fiesen, die Gemeinen, die Hinterhältigen und die schlichtweg Brutalen darzustellen. Dieses Gesindel stiehlt dann auch gemeinhin den Guten ganz lässig die Show. Zwar zwingt einen das als Leser immer, sich beim Lesen von einem Auftritt der Bösen zum nächsten zu hangeln, aber was soll’s, Spaß macht das allemal.
Da aber liegt der größte Schwachpunkt von Anansi Boys (Anansi Boys): es gibt keinen Bösen. Es gibt nicht einmal jemand Zwielichtigen. Nichts. Einzig Spider hat den Ansatz dazu, der sich jedoch in eine andere Richtung entwickelt.
Was bleibt, ist die übliche, etwas wirre und von Mythen durchzogene Neil-Gaiman-Geschichte, ein paar witzige Situationen, und ein furchtbarer Jammerlappen als Hauptperson. Fat Charlie ist bis zur Mitte des Romans unerträglich, er ist peinlich, weinerlich und ein Verlierer, wie er im Buche steht. Klar, das ändert sich im Verlauf der Geschichte, aber bis dahin habe ich mir ein paar Mal ernsthaft gewünscht, er möge sein Elend (und meins) doch bitte durch sein Verschwinden aus der Geschichte beenden.
Im übrigen sind die Schauplätze, die ja sonst auch immer recht eigenwillig daherkamen, diesmal ebenfalls etwas lahm. London ist ganz einfach London und Miami ist nun auch nicht eben aufregend. Ansonsten gibt es noch eine lauschige Karibikinsel und die obligatorische Mythen-Parallelwelt, also alles wie gehabt.
Sprachlich ist das Ganze auf gewohnt hohem Niveau, da gibt es nichts zu meckern, und auch Neil Gaimans bizarrer Humor ist immer wieder für einen Lacher gut. Alles in allem ist das aber einfach zu wenig, um aus Anansi Boys ein richtig gutes Buch zu machen. Fans werden es vermutlich trotzdem mögen, alle anderen lesen lieber American Gods oder Neverwhere, da ist eindeutig mehr geboten.

Anansi Boys von Neil Gaiman“Fat” Charly Nancy, der eigentlich gar nicht mehr dick ist, ist ärgerlich, verwirrt und (wenn er ehrlich ist) mehr als nur ein bisschen verängstigt. Sein Leben ist nämlich dabei, außer Kontrolle zu geraten und das ist alles nur die Schuld seines (toten) Vaters. Wäre der nämlich nicht gestorben, hätte Fat Charly niemals erfahren, dass er einen Bruder namens Spider hat, der wie sein Vater ein Gott ist. Da dieser Bruder nun aber versucht sein Leben, seinen Job, seine Wohnung und seine Verlobte zu übernehmen, muss sich Fat Charly etwas einfallen lassen, um ihn wieder los zu werden.

– Es beginnt, wie es ja meistens der Fall ist, mit einem Lied.
Im Anfang waren schließlich die Worte, und dazu gab es auch gleich Melodie. So wurde die Welt geschaffen, so wurde das Nichts geteilt, so kamen sie alle in die Welt: die Landschaften und sie Sterne und die Träume und kleinen Götter und Tiere. –
Kapitel 1, S. 9

Zu Anansi Boys liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Aus Wasser geboren von Greg KeyesPerkar, der eigentlich den Haushalt seines Vaters verlassen und eine eigene Familie gründen sollte, lässt sich zu einer kaum zu bewältigenden Mission hinreißen: Er will den Gott des Großen Flusses besiegen. Als er zusammen mit anderen Kriegern seines Stammes auszieht, um mit dem Waldgott um weiteres Weideland zu verhandeln, sieht er seine Gelegenheit gekommen.
Weit unten, schon beinahe im Flussdelta, verfügt der Herrscher der riesigen Stadt Nhol über die Macht des Flusses. Als Hezhi, eine seiner Töchter, langsam erwachsen wird, beginnt sie zu ahnen, dass dafür ein Preis zu zahlen ist. Stur stellt sie eigene Nachforschungen an.

Zu Aus Wasser geboren liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Avempartha von Michael J. SullivanDie naive Bauerntochter Thrace bittet Hadrian und Royce um Beistand: Ihr Dorf wird von einem Ungeheuer heimgesucht, dessen nächtliche Angriffe schon zahlreiche Menschenleben gefordert haben. Die einzige Waffe, mit der es besiegt werden kann, soll in der verlassenen Elfenfestung Avempartha verborgen sein – doch dorthin ist seit Jahrhunderten niemand mehr vorgedrungen. Schnell stellt sich heraus, dass hinter dem Hilferuf in Wahrheit der Zauberer Esrahaddon steckt, der eigene Gründe hat, nach Avempartha gelangen zu wollen. Aber auch die Kirchenoberen haben Interesse an den Vorgängen und gedenken, sie im Sinne ihrer Machtambitionen auszuschlachten …

– They stood very near the ridge of the cataract and could see the white mist rising from the abrupt drop like a fog. Out in the middle of the river, at the edge of the falls, a massive shelf of bedrock jutted out like the prow of a mighty ship that ran aground just before toppling over the precipice. On this fearsome pedestal rose the citadel of Avempartha. –
(Chapter 5 – The Citadel)

Michael J. Sullivans Konzept, seine epische Geschichte in mehreren in sich abgeschlossenen Episoden zu erzählen, geht auf: Avempartha hat zwar seine Schwächen, aber es sind nicht die eines klassischen Übergangsbands. Das Abenteuer um den Kampf gegen den drachenähnlichen Gilarabrywn funktioniert durchaus auch als Einzelbuch, obwohl natürlich einige Handlungsstränge aus The Crown Conspiracy ihre Fortsetzung finden. Manch ein Rückbezug bringt einen dabei zum Schmunzeln (so entdecken die Helden etwa ein Theaterplakat, das ein Stück über ihre im Eingangsband der Reihe geschilderten dramatischen Erlebnisse anpreist).

Ein Übermaß an Originalität darf man auf der Plotebene nicht erwarten. Es kommen wieder zahlreiche altbekannte literarische Motive zum Einsatz, allen voran der Herrschaftserwerb im Drachenkampf, wobei dieses Element recht gelungen mit der ebenfalls gängigen Vorstellung verknüpft ist, dass die Überwindung eines Ungeheuers Heiligkeit und Gottesnähe beweist. Auch die klassische Entführung (mehr als) einer damsel in distress durch den Drachen darf natürlich nicht fehlen, nimmt aber immerhin eine ganz erfrischende Wendung. Für den Leser amüsant ist die innerhalb der Geschichte eher beklemmende Tatsache, dass die schurkischen Kirchenleute mit solchen Erzählkonventionen bestens vertraut sind und sie zu ihren Gunsten auszunutzen verstehen.

Die Antagonisten sind jedoch nicht die einzigen, die in Avempartha an Profil gewinnen. Sullivan entwickelt seine Charaktere nach wie vor mit viel Verständnis und gelegentlich auch mit unterschwelligem Humor. Besonders der ambivalent gezeichnete Zauberer Esrahaddon ist mit seinem fortdauernden Kampf gegen die Tücken der modernen Sprache und seiner Selbstironie für einige Lacher gut. Manch eine Entwicklung kommt nicht weiter überraschend (so ahnt man z.B. schon seit dem ersten Band, worin Royces hier enthülltes großes Geheimnis besteht), aber die lockeren Frotzeleien des Heldenduos und die unbedarfte Entschlossenheit, mit der die rebellische Prinzessin Arista wieder einmal durch jedes Klischee stiefelt, sind so unterhaltsam, dass man ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit gern in Kauf nimmt.

Auch der Weltenbau ist vertrauten Mustern verhaftet: Sullivan schildert weiterhin ein typisches Pseudomittelalter. Vor allem die seit Jahrhunderten versiegelte Elfenfestung Avempartha bietet genau das, was man von einem solchen Gebäude erwartet, von wundersamen Artefakten über magische Kraftorte bis hin zu düsteren Spuren älterer und neuerer Tragödien. Was allzu gewohnt und daher langweilig sein könnte, funktioniert erstaunlich gut, denn wie im Falle der Figuren gelingt es dem Autor, einen emotional anzusprechen und eine Art nostalgisches Lesegefühl zu erzeugen, das eher von erfüllten Erwartungen als von ihrer heute schon allgegenwärtigen ironischen Brechung getragen wird.

Störend sind allerdings die zahlreichen Tippfehler, die sich eingeschlichen haben; gerade bei einem für Fantasyverhältnisse recht kurzen Roman in überwiegend schnörkelloser Sprache sollte man eigentlich annehmen dürfen, dass das Korrekturlesen nicht zu viel Mühe bereitet und dementsprechend gründlich erfolgt.

Banewreaker von Jaqueline CareySeit Jahrhunderten haust der dunkle Herrscher Satoris in seiner Festung Darkhaven und brütet Armeen von Fjelltrollen und Weren aus, um die freien Völker zu versklaven. Aber eine Prophezeiung des Ersten Schöpfers Haomane besagt, daß Satoris vernichtet werden kann. Eine Verbindung zwischen Ellyl und Menschen ist der erste Punkt der Prophezeiung, und so planen Cerelinde, die schöne unsterbliche Herrin der Ellylon, und Aracus, der vertriebene König des Westens, zu heiraten, um die Erfüllung in die Wege zu leiten. Satoris, der sich seinem rachsüchtigen Bruder ewig widersetzt, versucht die Hochzeit zu verhindern und schickt seine drei Marschälle Tanaros, Vorax und Ushahin hinaus in die Welt. Er ficht einen verzweifelten Verteidigungskampf.

-The place was called Gorgantum.
Wounded once more, he fled there, and having fled, seethed. It was not a defeat, not wholly.-
Prologue

Wo andere Autoren sich damit begnügen, Tolkien-Epigonen zu sein, nimmt Jacqueline Carey im zweibändigen Epos The Sundering den Herrn der Ringe und Das Silmarillion auf, um mit den Themen und Aussagen Tolkiens zu arbeiten, mit seinen Figuren, seiner Weltschöpfung und seiner Interpretation von Gut und Böse. Wer Tolkien begeistert gelesen hat und sich schon lange eine Geschichte mit ähnlicher epischer Breite und mythologischem Hintergrund wünscht, wird bei The Sundering fündig werden. Vieles ist direkt entliehen, etwa die (ähnlichen) Namen und Aufgabenbereiche der der sieben Schöpfer, die ganz verdächtig Tolkiens Valar ähneln, genauso wie Carey ihre Ellylon auch gut und gerne als Elben hätte bezeichnen können. Auch sprachlich macht Carey bei ihrer Hommage eine gute Figur und beherrscht den epischen Stil, ohne ins Überkandidelte abzugleiten. Einen zweiten Herrn der Ringe hat sie allerdings trotzdem nicht erzählt.
Denn – und jetzt wird’s interessant – auch LeserInnen, die mit Tolkiens extremer Schwarz-Weiß-Malerei schon immer auf Kriegsfuß standen, die sich längst gefragt haben, ob Morgoth oder Sauron nicht doch nur Rebellen waren, und nicht die Verkörperung des absolut Bösen, bekommen hier eine interessante Variante der Geschichte aufgetischt. In erster Linie schaut man nämlich in Banewreaker (Der Herr der Dunkelheit) den überall anerkannten Bösewichten über die Schulter. Die alte Leier von Gut und Böse wird verdreht und undurchsichtig, wenn man sich plötzlich auf der Seite des großen Übels der Welt wiederfindet.

Haomane, der erstgeborene Schöpfer, der für Vernunft und rationales Denken steht, läßt seine Anhänger, die “guten” freien Völker, im besten Glauben gegen den ausgewiesenen Obermotz Satoris – einst ebenfalls einer der sieben Schöpfer, doch längst aufgrund seiner Widerspenstigkeit in Ungnade gefallen – in den Krieg ziehen, und das schon seit Jahrhunderten. Satoris, der für Leidenschaft und die fleischliche Zeugung von Leben steht, wird als mächtige, düstere Kreatur gezeichnet, die ein immerwährender Schmerz plagt und für die Rebellion gegen seinen Bruder bitter büßen muß. Verzweifelt kämpft er dagegen an, das zu werden, was die Welt in ihm sieht. Der Ansatzpunkt ist somit ein ganz anderer als bei Tolkien (und dem Großteil seiner Nachfolger).

Man verfolgt durchaus auch die Machenschaften der “guten” Seite, die sich voll im Recht fühlt, das Land vom Zerstörer zu befreien. Carey schafft dabei auf beiden Seiten faszinierende und sehr menschliche Charaktere (auch wenn eine ganze Reihe davon quasi-unsterblich ist, als würde man bei Tolkien nicht die Hobbits, sondern die Herren und Zauberer als Identifikationsfiguren anbieten), die Düsterlinge liegen ihr aber eindeutig mehr. Was durch diesen verwirrenden Standpunkt allerdings komplett wegfällt, ist das Böse. Widerlinge gibt es hier nicht, und alle Charaktere, egal welcher Fraktion, haben eine edle Seite, sie sind höchstens einmal starrköpfig und uneinsichtig oder verletzt an Körper und Geist – aber abgesehen von diesem immerwährenden Konflikt scheint die Welt Uru-alat von Schlechtigkeit relativ frei zu sein. Der dichte Reigen von Ereignissen mythischer Dimension verhindert allerdings, daß man vom Alltag der Welt (und ihrer etwaigen alltäglichen Schlechtligkeit) bis auf wenige Ausnahmen viel mitbekommt.

Ein wenig leidet die Intensität des Romans unter der Fülle von Figuren – man hätte sich gewünscht, ein wenig länger bei den Einzelnen verweilen zu können, statt gleich wieder zum nächsten aus der Riege überzugehen.
Dennoch ist Banewreaker ein großes Lesevergüngen für Fans von klassischer Fantasy. Wo es nötig ist, beherrscht Carey die epische Breite und hochtrabende Sprache und fängt so die Atmosphäre der mythischen Umwälzung der Welt sehr gut ein. Dabei bietet sie mehr Stoff zum Nachdenken – auch über die Konventionen der tolkienesken Fantasy – als ein weiterer Tolkien-Abklatsch, denn es wird deutlich, dass sie sich  ausführlich mit den Themen auseinandergesetzt und sie zu etwas Neuem verarbeitet hat. Die Vielzahl der verdrehten Anspielungen auf Tolkien zu entdecken, ist dabei noch das kleintse Vergnügen, das die Lektüre bereiten kann.

Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen von Rick RiordanEin Jahr ist vergangen, seit Percy Jackson das letzte Mal im Camp Half-Blood war, und nur noch ein einziger Tag trennt ihn davon, ein ganzes Jahr lang nicht von einer Schule geflogen zu sein. Doch selbstverständlich kommt die Freude zu früh und die Monster zerlegen pünktlich zum letzten Schultag mit Feuerbällen die Turnhalle und lassen Percy zusammen mit dem Straßenjungen Tyson zum Camp Half-Blood flüchten. Dort angelangt offenbart sich Percy nicht nur das Sterben von Thalias Baum und ein nunmehr ungeschütztes Camp, sondern auch ein Ersatz für Chiron und ein Halbbruder …

– Mein Alptraum fing so an:
Ich stand auf einer verlassenen Straße in einem kleinen Ort am Meer. –
Mein bester Freund geht ein Brautkleid kaufen

Zu Im Bann des Zyklopen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Battle of the Labyrinth von Rick RiordanDie Lage spitzt sich zu. Percy, Annabeth, Grover und Tyson bleibt keine große Verschnaufpause, denn ihr Erzfeind Luke hat einen neuen Plan, um das Camp Half-Blood zu vernichten und so den Weg zur Eroberung des Olymp freizumachen. Mit seiner Armee aus Monstern und Halbgöttern plant Luke durch das unterirdische Labyrinth in das Camp einzufallen. Doch unsere Helden scheuen natürlich wieder keine Gefahren, um Freunde und Götter zu verteidigen, stürzen sich mutig in das sagenumwobene Labyrinth des Minotauren und treffen auf Gegner, die stärker sind als alles bisher da gewesene.

– Nothing caps off the perfect morning like a long taxi ride with an angry girl. –
The underworld sends me a prank call, S.18

The Battle of the Labyrinth (Die Schlacht um das Labyrinth) beginnt geheimnisvoll mit vielen Andeutungen und zunächst nur halb verständlichen Wahrheiten. Allmählich zeichnet sich ab, dass ein Krieg zwischen Olymp und Titanen nicht zu vermeiden ist, und mittendrin stehen die Halbgötter und müssen sich für eine Seite entscheiden. Entsprechend düster ist auch die Grundstimmung des vierten Abenteuers von Percy Jackson & The Olympians, denn die Verluste in den eigenen Reihen mehren sich und hinterlassen einen bitteren Beigeschmack. Das wird vor allem in der zweiten Hälfte des Buches immer stärker deutlich. Doch Percy Jackson wäre nicht Percy Jackson, wenn er nicht auch noch im Angesicht des Todes einen kessen Spruch auf den Lippen hätte. So tritt der bisher lockere Humor zwar etwas weiter in den Hintergrund, auch dies fällt wieder besonders in der zweiten Hälfte auf, wird aber durch noch mehr zynischen und schwarzen Humor ersetzt. Für den Leser bleibt es also weiterhin zum Brüllen komisch, egal wie ernst die Lage ist.
Einzelne Inhalte von The Battle of the Labyrinth transportieren dementsprechend aber auch einiges an Tragik und genügend Gründe für einen Moment des Bedauerns. Nicht nur die Protagonisten werden älter und plagen sich neben der Monsterjagd auch noch mit ganz alltäglichen Problemen eines Teenagers, auch die Themen werden erwachsener und ein wenig herausfordernder.

Anders als im Vorgänger The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) tauchen weniger neue Charaktere auf, das kommt den bereits bekannten Figuren zugute, deren Persönlichkeiten weiter ausgebaut werden oder eine größere Rolle als bisher einnehmen dürfen. Einen neuen Charakter gibt es aber, der sowohl tragend für diesen vierten Band ist, als auch interessante neue Entdeckungen offenbart. So laufen in The Battle of the Labyrinth verdächtig viele rote Fäden zusammen und sorgen für Aha!-Effekte.

Inhaltlich treten ebenfalls wieder verstärkt mythische Gestalten auf und man darf mit Freude feststellen, dass die Monster nun endgültig dazu gelernt haben. Sie fallen nicht nur nicht mehr auf die alten Tricks herein, nein – sie machen sich auch mit ironischer Selbstverständlichkeit darüber lustig, wenn man das Thema anspricht. Wenn man der Sphinx beispielsweise vorwirft, die gestellte Aufgabe sei aber nicht das Rätsel aus Ödipus’ Begegnung mit ihr, so antwortet sie hochnäsig, das sei eben der Grund, weshalb sie sich etwas neues einfallen lassen musste. Dieses neu Eingefallene sorgt dabei beim Leser für Lachtränen, doch die Details sollte jeder für sich selbst entdecken und werden hier nicht verraten.

Rick Riordan hat mit The Battle of the Labyrinth eine rundum stimmige Erzählung geschaffen und konnte wieder einige Schwächen aus den Vorgängern weiter verbessern. Auch verlagert er die Handlung aus der gewohnten Welt in ein unterirdisches Labyrinth, welches überall und nirgends mit der eigentlichen Welt verbunden ist. Die Dimensionen verschwimmen und Tunnelgänge funktionieren wie Wurmlöcher. Das Einzige, was The Battle of the Labyrinth fehlt, ist der obligatorische Minotaur, auf den man nach den Ereignissen in The Lightning Thief (Diebe im Olymp) trotz Labyrinth verzichten muss.

Unter dem Strich ist der vierte Band dieser Buchreihe etwas ruhiger und manchmal trauriger, dann aber doch wieder sehr humorvoll und auf jeden Fall eine Fortsetzung mit inhaltlich gestiegener Qualität. Das Buch spielt fast ausschließlich im Labyrinth und lässt ein wenig Abwechslung vermissen, bringt die einzelnen Handlungsstränge der Vorgänger dafür aber erstmals deutlich zusammen und lässt auf ein spannendes Finale hoffen.

Bearing An HourglassNorton verbringt einen Großteil seines Lebens außerhalb der Städte in Parks und geht den Menschen lieber aus dem Weg. Eines Tages erscheint ihm jedoch ein Geist, der ihm ein ungewöhnliches Angebot macht: Die frisch angetraute Braut des Geistes – Orlene – soll einen Nachkommen in die Welt setzen und Norton die Befruchtung übernehmen. Norton, zunächst wenig interessiert, stimmt jedoch zu, als er Orlene kennen lernt und sich in sie verliebt. Was zunächst mit einer glücklichen Zeit für die beiden beginnt, endet auf die schlimmstmögliche Weise und führt Norton direkt in seine Rolle als neuer Chronos, der sich rückwärts durch die Zeit bewegt.

– »Look at it this way: I have no physical body and I need an heir. I’m asking you to substitude for me in this one respect. After that you can go your way, with no further commitment. It’s like repairing my house for me, and I’ll pay you for the service–«
»Some service!« –
Kapitel 1: Ghost Marriage

Bearing an Hourglass (Der Sand der Zeit) ist der zweite Teil der Incarnations of Immortality mit Chronos, dem Vater der Zeit, als Hauptperson. Während der erste Band On A Pale Horse eher skurril und humorvoll daherkam, ist der vorliegende Band deutlich schwerfälliger, was sicher auch der tragischen Umstände zu verdanken ist, die Norton zum neuen Chronos werden lassen.
Selbstverständlich ist auch Satan wieder mit von der Partie und versucht den noch unerfahrenen Norton für sich zu gewinnen, dessen Fähigkeiten als Vater Zeit für sich zu nutzen und die Vergangenheit zu seinen Gunsten zu verändern. Im Verlaufe dieses Handlungsstrangs treffen wir wieder auf Zane als Gevatter Tod und dessen Gefährtin Luna, der es erneut an den Kragen gehen soll. Bis Chronos merkt, was er unwissentlich getan hat, ist es beinahe schon zu spät, und der Leser taucht in ein rasantes Endspiel ein.

Die Charaktere selbst sind wieder wunderbar gezeichnet, man erfährt viele Details aus dem Leben Nortons, der Funktion Chronos’, seinem Verhältnis zu den anderen Inkarnationen, aber auch einiges über diese selbst. Besonders interessant hierbei ist, dass Bearing An Hourglass keine typische Fortsetzung zu On A Pale Horse (Reiter auf dem schwarzen Pferd) darstellt, sondern sich eher wie ein Crossover liest. Die bekannten Figuren, die natürlich in beiden Romanen auftauchen, stellen zwar eine Gemeinsamkeit dar, daneben befasst sich jedoch jedes Buch der Incarnations of Immortality (Die Inkarnation der Unsterblichkeit) mit der jeweiligen Inkarnation und lässt geschehene Ereignisse aus dem Vorgängerband auf unterhaltsame Weise zu einem spät auftauchenden Nebenstrang werden. Dadurch lassen sich die einzelnen Bände dieser Reihe auch sehr gut außerhalb der Reihenfolge lesen, obwohl es für nette kleine Aha-Erlebnisse sorgt, wenn man sie beibehält.

Trotz dieser guten Ansätze kommt das Buch aber nicht so recht in die Gänge. Es ist keine leichte Unterhaltungslektüre, bei der die Seiten vor Spannung dahinfliegen, denn der deprimierende Beweggrund für Chronos, seine Position als Inkarnation einzunehmen, ist stets gegenwärtig, was ein lockeres Dahintreiben der Story recht schwierig macht. Da sich dieser Roman zusätzlich in verschiedenen Zeitlinien abspielt und das manchmal wichtige Realitätsveränderungen nach sich zieht, sollte man Bearing an Ourglass in aufmerksamem Zustand lesen, sonst verpasst man schnell einen für den logischen Ablauf wichtigen Punkt.

Das Einzige, was man Bearing An Hourglass neben einer leicht depressiven Grundstimmung negativ ankreiden muss, ist die stellenweise sehr träge Entwicklung der Handlung und ein paar störende, irgendwie unsinnig erscheinende Sequenzen, in denen Norton von Satan in eine Art Parallelwelt geschickt wird. Obwohl Piers Anthony hierfür viele nette Einfälle hatte und eindeutig Klischees des Genres durch den Kakao zieht, wirken diese Stellen manchmal etwas zu albern und letztlich auch überflüssig in ihren ausführlichen Schilderungen. Sie fügen sich nur mühsam in den Rest der Handlung ein, scheinen eher Seitenfüller als relevante Ereignisse zu sein und verhindern ein rundes Gesamtbild des Romans.
Fans etwas ungewöhnlicher Urban Fantasy mit Hang zur Science Fiction werden aber sicherlich weiterhin auf ihre Kosten kommen. Denn der Weltenbau ist, wie im Roman zuvor, interessant durchdacht, birgt ungewöhnliche Ideen, viel Fantasie, und hin und wieder kommt auch ein Spritzer Humor dazu. An die unterhaltende Qualität seines Vorgängers kommt Bearing An Hourglass aber nicht ganz heran.

Cover von Das Bernstein-Teleskop von Philip PullmanMrs Coulter hält Lyra in einer Höhle im Himalaya gefangen. Sie versetzt das Mädchen mittels Drogen in einen permanenten Tiefschlaf. Lyra träumt von Roger, der sich im Land der Toten aufhält und sie um Hilfe anfleht.
Zur gleichen Zeit begibt sich Will auf die Suche nach seiner Freundin. Doch noch ein anderer ist unterwegs: Pater Gomez, der vom Geistlichen Disziplinargericht ausgeschickt wurde, um Lyra zu ermorden.

-In einem von Rhododendren überschatteten Tal nahe der Schneegrenze, durch das schäumend ein Bach mit grünem Schmelzwasser floß und unter dessen gewaltigen Pinien sich Tauben und Bergfinken tummelten, lag unter einer Felsnase, halb versteckt hinter den schweren, harten Blättern der Büsche, eine Höhle.-
Die verzauberte Schläferin

Wie die ersten beiden Bände so besticht auch Das Bernstein-Teleskop (The Amber Spyglass) durch seine Komplexität. Das Buch ist gespickt mit literarischen Anspielungen, aber diesmal ist es für den Leser nicht sonderlich schwierig herauszufinden, worauf Phillip Pullman sich bezieht, denn er gibt in seiner Danksagung zu, daß er Ideen aus jedem Buch gestohlen hat, das er gelesen hat und daß er sich besonders durch Kleists Über das Marionettentheater, durch Blakes Werke und durch Miltons Paradise Lost hat inspirieren lassen. Außerdem bezieht er sich auf die Bibel und auf die griechische Sagenwelt. Soviel für die Literaturinteressierten, die selbst nachlesen möchten, woher Pullman seine Ideen schöpft.
Man muß die Quellen aber nicht kennen, um die Geschichte zu genießen, wobei “genießen” eindeutig das falsche Wort ist. Der Schluß der Trilogie ist traurig. Es gibt zwar Hoffnung, doch kein Happy End. Großen Raum nimmt das Thema “Tod” ein, die Passagen die davon handeln sind oft düster und beklemmend. Das Bernstein-Teleskop ist völlig ungeeignet, wenn man an trüben Herbsttagen eine Lektüre sucht, um seine Stimmung aufzuheitern. Außerdem kann es religiöse Gefühle verletzen. Verschenken Sie die Trilogie also nicht ungefragt an jemanden, der einen strenggläubigen christlichen Hintergrund hat. Auch Anhänger anderer monotheistischer Religionen könnten sich verletzt fühlen. Diese Punkte tun der hervorragenden Qualität des Buches jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie tragen zu der Klasse der Geschichte bei. Der interessanteste Charakter ist Mrs Coulter. Bis zum Schluß fragt sich der Leser, ob sie Lyra der Kirche ausliefern wird oder ob sich in ihrer schwarzen Seele nicht doch so etwas wie Mutterliebe für ihr Kind regt. Besonders gelungen ist Pullman die Beschreibung der Welt der Mulefas, einer ungewöhnlichen Tierart. Hingegen stört es etwas, daß der Autor es sich nicht verkneifen konnte, seine Botschaft ziemlich plakativ an den Leser zu bringen. Wahrscheinlich war er sich nicht sicher, ob Kinder und Jugendliche die Moral von der Geschichte verstehen, wenn er sie nicht explizit ausspricht.
Das halbe Sternchen Abzug gibt es für die unnötige Darstellung von Grausamkeiten: Klippenalpe reißen einem Fuchs den Kopf ab, Mrs Coulters Dämon, der goldene Affe, zerreißt eine Fledermaus bei lebendigem Leibe und König Iorek frißt die Leiche eines seiner Freunde. All diese Episoden sind nicht motiviert, sie sind weder für den Fortgang der Handlung nötig, noch werden sie gebraucht, um die Protagonisten zu charakterisieren. Es gibt noch genug Gewaltszenen, die durch die Geschichte bedingt sind, so daß Pullman auf diese billige Effekthascherei gut hätte verzichten können.
Noch ein Hinweis: Wie mehrmals erwähnt, ist Das Bernstein-Teleskop der dritte Band einer Trilogie. Man kann die Geschichte nicht verstehen, wenn man die ersten beiden Bände nicht gelesen hat. Wenn Sie sich für diese Reihe interessieren, fangen Sie also bitte mit Der goldene Kompaß (Nothern Lights/The Golden Compass) an. Auch sollte man die Bücher ihrer Komplexität wegen relativ schnell hintereinander lesen. Läßt man sich dazwischen zu viel Zeit, kann es passieren, daß man den Faden verliert

Blade of Tyshalle Matthew Woodring StoverHari Michaelson tritt nicht mehr als Caine auf. Seit seinem letzten Abenteuer auf Overworld hat er einen Posten beim Studio, und dort sitzt er – von der Hüfte abwärts gelähmt – seine Zeit ab, entfremdet von sich selbst und seiner Frau. Die Studio-Bosse haben allerdings Pläne, die weit über die bisherigen Eingriffe auf Overworld hinausreichen, denn wartet dort nicht eine neue Welt, die alle Ressourcen bietet, die die Menschheit bereits verbraucht hat?
Hari und seine Frau Shanna, auf Overworld die Flussgöttin Pallas Ril, wollen nicht tatenlos zusehen, ahnen aber nicht einmal, wie mächtig die Feinde sind, die sie sich auf der einen und der anderen Welt gemacht haben. Sie warten nur auf ihre Gelegenheit …

-A tale is told of twin boys born to different mothers.
One is dark by nature, the other light. One is rich, the other poor. One is harsh, the other gentle. One is forever youthful, the other old before his time.
One is mortal.-
Zero

Heroes Die, das erste Abenteuer des Schauspielers Hari Michaelson, der als Caine zum Fantasyhelden in einer Parallelwelt wird, definierte 1998 die Sword & Sorcery neu. Der Nachfolger Blade of Tyshalle sprengt Genregrenzen und überschreitet auch alle anderen Grenzen, auf die er im Laufe von knapp 800 klein bedruckten Seiten stößt.
Die Handlung könnte man zunächst als zweiten Aufguss von Heroes Die verstehen: Protagonisten, Antagonisten und der Konflikt ähneln sich, doch das Spiel mit Schauspieler und Publikum, mit der Geschichte und ihrer Verquickung mit den Rezipienten, das den ersten Band bestimmt, wird von einer breiteren Thematik abgelöst: Die Erde hat entdeckt, dass sich das von sogenannten Elfen und Zwergen bewohnte Overworld (diese Volksbezeichnungen sind ähnlich pejorativ zu verstehen wie in unserer Geschichte etwa “Rothäute”) noch viel direkter ausbeuten lässt als nur als Abenteuerspielwiese für Reality Shows. Vor allem aber ist Blade of Tyshalle größer, epischer, die Abgründe klaffen tiefer, es steht mehr auf dem Spiel, es wird mehr gelitten (oh, was wird zwischen diesen Buchdeckeln gelitten), und es gibt mehr zu bestaunen.

Statt nur Caine und hin und wieder einigen Nebendarstellern gibt es nun eine ganze Riege wichtiger Figuren; statt vorrangig auf einer Welt zu spielen, gibt es zwei Schauplätze, die nicht unterschiedlicher sein könnten: das magische Overworld kommt diesmal weit über eine bloße Kulisse hinaus, weite Teile des Romans spielen jedoch auch auf der zukünftigen Erde, in einer dystopischen, gnadenlosen Kastengesellschaft, in der nur Dinge weitergedacht wurden, die im Ansatz bereits vorhanden sind – Medienmacht, Reichtum, der bei einigen wenigen im Hintergrund bleibenden Mächtigen gebündelt ist, eine hoffnungslose Unterschicht und eine starke Polizeimacht, die dieses (anti-)soziale Gefüge zusammenhält. Stovers Gesellschaftskritik umschließt sowohl das große Ganze als auch kleine Details, wenn man von Einzelschicksalen in diversen Schichten erfährt oder das klassische Motiv des in einem solchen System gefährlichen gedruckten Buches zur Sprache kommt.
Da das Regime nun auch nach dem vergleichsweise idyllischen (wenn auch von paradiesischen Zuständen weit entfernten) Overworld lechzt, kann es seine ganze Brutalität in Form von Kolonialismus auch dort ausspielen, wo zwar keine Technik, sondern nur Magie funktioniert, indem es auf bewährte, alte Methoden zurückgreift, die schon den europäischen Konquistadoren gute Dienste geleistet haben.

Nietzsche, Heinlein und Howard, die innerhalb des Textes und in der Widmung genannt werden, zeigen die Eckpunkte für das auf, was dann als Reaktion folgt.
Trotz großer Figurenriege ist Blade of Tyshalle ein Buch Caines. Die Figur wird demontiert, filetiert sogar: Hari Michaelson/Caine (der noch viele weitere Namen bekommt und auch das Verhältnis zwischen seinen Persönlichkeiten ausloten muss) ist die Sorte Held, die erst ganz unten sein muss – und bei einem zähen Burschen wie ihm geht es verdammt weit nach unten – bis er wieder aufsteigen kann. Der Caine aus Heroes Die, der jede Situation im Griff hat, blitzt nur kurzzeitig auf, etwa dann, wenn er sich wie sein Vorgänger Conan auf einem Thron wiederfindet, ein Heer von Untertanen vor sich, obwohl er nicht zum Herrschen geschaffen ist und sein Fall bereits feststeht. Wenn man meint, aufgrund der Rückblenden in Blade of Tyshalle seine Biographie zu kennen, nimmt man Caine auch den fließenden Wechsel zwischen der Fäkalsprache des Slums seiner Herkunft und komplexen philosophischen Betrachtungen ab. Und am Ende wird man feststellen, ihn doch nicht gekannt zu haben.

Himmel und Erde werden in Blade of Tyshalle in Bewegung gesetzt, die Konflikte nehmen olympische Dimensionen an, existentialistische Philosophie steht neben knallharter Action, bluttriefender Brutalität und erhebenden, in beeindruckende Worte gefassten Momenten.
Die Grausamkeiten, die im Vorgängerband eigentlich schon eine Nummer zu groß waren, werden mit Links überschritten, Stover bedient sich hier klar aus der Effektschublade des Horrorgenres. Statt Sex und Gewalt gibt es nur Gewalt, denn brutaler Sex ist für Stover noch weniger als Gewalt ein Selbstzweck, sondern immer ein Machtmittel. Jedem Leser und jeder Leserin, die unappetitlichen Körperflüssigkeiten und Beschreibungen, bei denen man nur die Zähne zusammenbeißen und hoffen kann, sie mögen bald vorüber sein, lieber aus dem Weg gehen, kann man von der Lektüre nur abraten. Diese Szenen sind nicht nur um des Effekts willen vorhanden – extrem sind sie trotzdem.
Gerechtfertigt sind sie, wenn man so will, durch die extremen Themen, die Stover beackert: Wie in Blade of Tyshalle die Mechanismen der Adiaphorisierung und der Amoral der Massen greifbar gemacht und ins Zentrum der Handlung eines Fantasy-Romans gerückt werden, dürfte ein einzigartiges Meisterstück sein.

Die philosophischen Betrachtungen und Belastungstests der Ethik spielen sich nicht nur im Hintergrund ab, auch wenn Stover stark mit Leitmotiven arbeitet und seinen lebendigen, atemlosen Erzählstil beibehalten hat. Hinzu kommt ein Spiel mit der Erzählsituation des Romans und der Mythologisierung des Geschehens – wenn man sich also durchbeißen kann (durch die komplexe Thematik und die Brutalität) gibt es zum Ausgleich eine Ästhetik, die Ihresgleichen sucht. Die Sword & Sorcery wird in Blade of Tyshalle damit auf eine andere Ebene gehievt: Sie ist ein Erzählmodus, der den Rahmen für eine Geschichte vorgibt, die an allen Ecken und Enden aus ihrer Handlungsebene herausquillt.

Zu einem solchen monströsen Leviathan von einem Buch kann es auch nur ein persönliches Schlusswort geben: Mit Blade of Tyshalle hat Stover hoch gezielt, und es gibt allerlei Gründe, die dafür sprechen, dass er grandios gescheitert ist, dass man ein überambitioniertes, aus dem Ruder gelaufenes Projekt vor sich hat. Blade of Tyshalle ist vielleicht auch einer der Gründe, weshalb Stover trotz seiner innovativen, literarischen Romane nicht in einem Atemzug mit Steven Erikson genannt wird. Für mich ist Blade of Tyshalle dennoch ein großer Wurf, ein in allen Belangen beeindruckendes, erschlagendes Buch, das ich öfter als alle anderen aus dem Regal nehme. Und wer ein Nachwort verfassen kann, wie es in Blade of Tyshalle zu finden ist, darf vorher meinetwegen auch so oft “fuck” schreiben, wie er will.

Cover des Buches "Der blaue Löwe" von Mary Gentle Im späten Mittelalter kämpft die Söldnerführerin Ash an der Spitze ihrer eigenen Kompanie unter dem Wappen des blauen Löwen. Seit ihrer Jugend hört sie die Stimme eines Heiligen in ihrem Kopf, die in Sachen Strategie und Taktik stets den richtigen Rat gibt. Während das Herzogtum Burgund und das Heilige Römische Reich deutscher Nation ihre Rivalitäten ausfechten und so Söldnern wie Ash goldene Zeiten bereiten, landen in Südeuropa überraschend fremdartige Invasionstruppen, deren Waffentechnologie geradezu magisch anmutet. Ash wird tiefer in diese Auseinandersetzungen hineingezogen, als ihr lieb ist. Und sie entdeckt, dass ihre “Stimme” so heilig gar nicht ist…

Ich entschuldige mich nicht dafür, eine Neuübersetzung dieser Dokumente zu präsentieren, welche unsere einzige Verbindung zum Leben dieser außergewöhnlichen Frau darstellen, Ash (geb. 1457 [?], gest. 1477 [?]), denn eine solche Neuübersetzung war schon lange nötig.-
Einführung

Mary Gentle orientiert sich unübersehbar an neueren Vertretern des Fantasygenres wie China Miéville, George R.R. Martin oder Michael Swanwick. Ihr Vorhaben ist daher durchaus ambitioniert.

Im Gegensatz zur üblichen Vorgehensweise der genannten Autoren lässt Gentle ihre Geschichte allerdings in einer historischen Epoche Europas spielen, dem 15. Jahrhundert. Es ist die Zeit des Niedergangs des Rittertums. Anstelle feudaler Heere stehen sich auf den Schlachtfeldern Söldnerkompanien gegenüber, die von Plünderung und taktischen Seitenwechseln in den zahlreichen Kriegen dieses blutigen Jahrhunderts leben.
Die Heldin Ash ist eine Art Gegenentwurf zu Jeanne d’Arc: im Tross einer Söldnerkompanie geboren, von frühester Kindheit an ans Töten gewöhnt, für das Überleben in einer harten Männerwelt bestens ausgerüstet mit einem großen Repertoire blasphemischer Flüche und zweideutiger Witze.
Mary Gentle würzt ihre Geschichte mit zahlreichen Details über spätmittelalterliche Waffentechnik, womit sicherlich nicht jeder Leser etwas anfangen kann. Die phantastischen Elemente nehmen sich anfangs spärlich aus, treten aber im Verlauf der Handlung immer stärker hervor.
Womit wir beim großen Manko dieses Romanauftakts zu einem neuen Zyklus wären: Die Handlung zieht sich wie ein Kaugummi, schleppt sich durch nichtssagende Dialoge und zerstückelt wirkende Szenen. Man wird das Gefühl nicht los, die Autorin hätte ihr Werk auf Wunsch der Verleger so ausgedehnt, denn in komprimierter Form hätte Gentle ein- und denselben Roman wesentlich spannender und dynamischer gestalten können. Ein weiterer Minuspunkt ist die deutsche Übersetzung, die selbst für Fantasy-Verhältnisse außerordentlich holprig ist, offensichtliche Grammatik- und Ausdrucksfehler sind gar nicht mal so selten.

Typische Fantasymotive und -figuren versucht die Autorin (wie ihre angenommenen Vorbilder auch) zu vermeiden. Stattdessen bedient sie sich der Technik alternativer Geschichtsverläufe. So ist das Christentum in diesem fiktiven 15. Jahrhundert weniger von der jüdischen Tradition als vielmehr vom Mysterienkult des Sonnengottes Mithras geprägt, dem in der Antike zum Beispiel Kaiser Konstantin anhing und der vor allem unter Soldaten Verbreitung fand. Es ist eine interessante Spekulation, wie das mittelalterliche Christentum ausgesehen haben könnte, wenn es sich in eine stärker synkretistische Richtung entwickelt hätte. Konstantin, der das Christentum zur römischen Staatsreligion machte, identifizierte schließlich Christus zeitlebens mit “seinem” Sonnengott. Auf mit der Materie weniger vertraute Leser dürften solche Anspielungen aber eher irritierend wirken. Auch die geheimnisvollen Invasoren im Roman sind ein im Nebel der (bekannten) Geschichte versunkenes Volk. Um wen es sich handelt, sei hier nicht verraten. Die Phantastik beschränkt sich jedoch nicht auf Alternativgeschichte: Priester und Rabbis wirken Wunder, es gibt Heiligenerscheinungen und im Hintergrund tut sich eine Welt geheimnisvoller Wesenheiten auf, die über steinerne Köpfe und Statuen mit den Menschen kommunizieren.

Cover von The Briar King von Greg KeyesVor rund 2000 Jahren konnten sich die Vorfahren der heutigen Bewohner der Kingdoms of Thorn and Bone mithilfe von Genia Dare, der “Born Queen”, aus der Sklaverei der Skasloi-Lords befreien. Doch der Frieden, den das Zeitalter von Everon den Menschen brachte, ist in Gefahr:
Nicht nur der aufkeimende Konflikt zwischen den Königreichen von Hansa und Crotheny, sondern auch eine im Königswald von Crotheny aufwachende, uralte Macht werfen ihre Schatten voraus. Aspar White, der Beschützer des königlichen Waldes, Stephen Darigde, ein junger Priester, Neil MagVren, ein Knappe, Anne, die junge Tochter des Königs, sowie der König selbst werden als Hauptakteure in diesen Konflikt hineingezogen.

-Aspar White smelled murder. Its scent was like a handful of autumn leaves, crisped by the first frost and crusted in the palm.-
The Holter

Ein abschließendes Urteil über The Briar King (Der Dornenkönig) zu fällen, ist schwer. Zum einen stellt es nun einmal nur den ersten Band einer vierteiligen Reihe dar, sodass man nur begrenzt abschätzen kann, wie gut und stimmig die Geschichte und die Welt, in der sie spielt, aufgebaut sind.
Zum anderen weist auch dieser erste Teil Schwankungen in der Qualität auf. Auf den ersten Blick sieht die Geschichte nach einem Standard-Weltuntergangs-Setting aus, in dem dann der Held oder die Helden zur Rettung aller im allerletzten Moment das Ruder herumreißen. Das muss an sich nicht schlecht sein. Schließlich gibt es nicht unendlich viele Möglichkeiten, eine spannende Geschichte zu schreiben, und man muss das Rad ja nicht neu erfinden. Außerdem lassen einige Details die Möglichkeit offen, dass der Verlauf vielleicht nicht ganz so vorhersehbar sein könnte, wie es scheint.
Die Handlung hat also durchaus Potential und auch die Sprache des Autors vermag es zu fesseln. Allerdings nicht durchgehend. Keyes lässt nämlich sich und seinen Figuren teilweise recht viel Zeit und treibt die Story nur gemächlich vorwärts. Wenn es dann jedoch spannend wird, bricht er die Handlung teilweise recht unvermittelt mit einem Kapitelende ab. Da aufeinander folgende Kapitel fast nie den gleichen Charakter als Hauptperson haben, findet sich der Leser also auf einmal in einem Handlungsstrang wieder, der zwar nicht uninteressant ist, aber dem Vergleich mit der gerade gesteigerten Spannung im anderen Handlungsstrang nicht gewachsen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Rückkehr zu einer der Personen in brenzliger Situation diese eventuell schon längst vorbei ist. So kommt es des Öfteren vor, dass interessante Ereignisse, über die man zu lesen hoffte, nur kurz und indirekt in Form von Rückblicken, die in die Geschichte integriert sind, beschrieben werden. Hier verschenkt Keyes einiges an Möglichkeiten.
Doch trotz all dieser Störungen des Leseflusses schafft er es, viele seiner Figuren glaubhaft und sympathisch mit Leben zu füllen. Manche ein wenig klischeehaft, aber dann oft mit einem Augenzwinkern versehen, ohne dass sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren würden. Auch die Welt, mit wenig offensichtlicher, jedoch einiger verborgener Magie kann in der Regel überzeugen. Wenn es also auch nicht der ganz große Wurf ist, so ist Greg Keyes doch zumindest ein gut vorzeigbares Werk gelungen.

The Broken Kingdoms von N.K. Jemisin10 Jahre nach der Befreiung der Götter hat sich in Sky einiges verändert: durch den wachsenden Weltenbaum haben die Bewohner an dessen Fuße nicht mehr viel vom Sonnenlicht, weshalb das Viertel, in welchem die Heldin des Romans ihr Dasein fristet, kurzerhand in Shadow unbenannt wurde. Oree Shoth, eine blinde Maroneh, die mit dem Traum vom besseren Leben in die Stadt kam, verkauft billigen Tand an gütige Pilgerer und lebt davon mehr schlecht als recht. Gut, dass sie zum einen keineswegs so hilflos ist, wie es ihre Blindheit suggeriert, und zum anderen ist es ebenso hilfreich, einige Freunde unter den Godlings – den geringeren Götter – zu haben. Und Hilfe hat sie bitter nötig, als jemand damit beginnt, Godlings zu töten und sie bald selbst unter dringendem Verdacht steht.

– I perceived a wave of brightness so intense that I cried out as it washes past, dropping my stick to clap both hands over my eyes. I didn’t know these things could hurt like that. –
Chapter 2: „Dead Goddesses“ (watercolor)

Durch den unkonventionellen, imaginativen Vorgänger The Hundred Thousand Kingdoms (Die Erbin der Welt) waren die Erwartungen sehr hoch: schafft es N. K. Jemisin erneut, den Leser derart in den Bann der Geschichte um Götter, Liebe und Macht zu ziehen? Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ich für gewöhnlich nichts mit Liebesgeschichten anzufangen weiß, und dennoch hat mich der erste Band sehr gut unterhalten.

Dem zweiten Teil der Inheritance Trilogy (Das Erbe der Götter) gelingt dies, kurz gesagt, nur bedingt. Die Protagonistin Oree Shoth beschäftigt sich in der ersten Hälfte des Romanes mit den mannigfaltigen Problemen, die unsterbliche Liebe so mit sich bringt – besonders, wenn ein Partner tatsächlich unsterblich ist, während der andere, wenn nichts dazwischen kommt, „nur“ noch 60-70 Jahre zu leben hat. Und man ahnt es schon: natürlich kommt etwas dazwischen. Mord und Totschlag, um genau zu sein, und ein mysteriöser Hausgast – der längst nicht so mysteriös ist, wie sich das N. K. Jemisin vielleicht gewünscht hat. Doch bevor die Handlung so richtig Fahrt aufnimmt, wird dem Leser vorerst eines klar: Sex mit einem Gott ist richtig gut. Wirklich. Wer das nicht glaubt, der kann es nachlesen (Buch aufschlagen, zehn Seiten vor- oder zurückblättern). Das Liebesleben von Oree ist ungewöhnlich, aber nicht so interessant, als dass es dem Leser nach mehr Details dürstet; und dennoch beschränkt sich die erste Hälfte des Romanes leider beinahe völlig auf die anstrengenden bis nervigen Liebesdünkel Orees. Es ist unfreiwillig komisch, dass das Buch gut wird, sobald die Quelle Orees endloser Liebeleien auf tragische Art und Weise kurzzeitig die Bildfläche verlässt.

Doch mit besagtem Moment nimmt das Buch deutlich an Fahrt auf und findet zu alter Stärke zurück: mit kreativen, guten Einfällen und überzeugenden Charakterinnensichten und -geflechten weiß Jemisin auf einmal wieder zu überzeugen und zu fesseln. Das chaotische Pantheon aus Göttern, Godlings und magisch begabten Menschen – wie Oree – und, dem entgegengesetzt, die Vielfalt aus Götterkulten und religiösen Mini-Diktaturen lassen viel Spielraum für überraschende Wendungen; die Geschichte wartet auf einmal mit Witz, Brutalität und Spannung gleichermaßen auf. Von den vielschichtigen Charakteren mit so einigen Untiefen begeistern besonders der Kindgott Sieh und der bereits erwähnte fremde Hausgast Orees; hier beschränkt sich Jemisin keinesfalls auf altbewährte Muster, sondern kreiert äußerst innovativ neue, glaubwürdige Gestalten.

Die Entscheidung, die Handlung aus der – nun ja – Sicht einer blinden Frau zu erzählen, die außer Magie nichts visuell wahrnehmen kann, halte ich für gewagt und ambitioniert – und sehr interessant. Jemisin gelingt es, bis auf einige kleine Momente der Unschlüssigkeit, die Geschichte spannend, leb- und glaubhaft zu erzählen, obwohl der Leser auf gewohnte Landschafts- und Personenbeschreibungen weitgehend verzichten muss. Besonders der teilweise beinah lyrische, doch zumeist sehr lockere bis flapsige Erzählstil charakterisiert die Protagonistin besser, als jede Beschreibung es könnte. Dass Oree gut aussieht und schöne Brüste hat, bleibt dennoch nicht unerwähnt, und auch der Fakt, dass sie aus offensichtlichen Gründen Nacktheit nicht beschämend findet und deshalb dieser frönt, erzwingt gewissermaßen die ein oder andere (auf Dauer ermüdende) Schlüpfrigkeit. Dass der Roman mit einem wortwörtlichen Höhepunkt den Spannungsgipfel erreicht, wird da niemanden überraschen.

Das Wiedersehen mit den Charakteren aus Band 1 und besonders die tiefer ausgearbeitete, komplexe Hintergrundgeschichte des Götterkrieges dürfte alle Leser gleichermaßen erfreuen und die Leser des ersten Bandes begeistern, und Freunde des Romantischen werden das Buch schon von der ersten Seite an verschlingen. Für die sehr gelungene zweite Hälfte des Buches verschmerzt man im Nachhinein gern den ansonsten teilweise langatmigen und nervraubenden Beginn und freut sich schon auf den finalen Band The Kingdom of Gods (Die Rivalin der Götter) der Inheritance Trilogy der ambitionierten und einfallsreichen Autorin.

Caine Black Knife von Matthew StoverDas Abenteuer, das Hari Michaelson in seiner Rolle Caine einst zum Star machte, ist eine Legende: Im Ödland von Boedecken hat er im Alleingang den gefürchteten Ogrilloi-Stamm der Black Knives so gut wie ausgelöscht.
Nun ist er gezwungen, sich an seine damaligen Taten zu erinnern – denn abermals brodelt es im Ödland, und Caines Adoptivbruder Orbek, einer der letzten der Black Knives, gerät in dem nun von den Rittern des Khryl beherrschten Landstrich in Nöte. Caine bricht auf und bekommt Ärger, kaum dass er angekommen ist: Seine Vergangenheit droht ihn auf vielfältige Weise einzuholen.

-»When you fuck with the bad guy –« Your true grin unfolds like a butterly knife »– the bad guy fucks you back.«-
then: Bad guy

In Blade of Tyshalle hat Caine eigentlich alles getan, was ein (Anti-)Held tun kann, seine Geschichte war zu Ende erzählt. Es war also an der Zeit, dass er seine eigene “origin story” erhält. Doch Matthew Stover wäre nicht Matthew Stover, wenn er es sich so einfach machen würde. Zwar ist Caine Black Knife – übrigens die erste Hälfte des Act of Atonement und damit der erste nicht in sich geschlossene Caine-Roman – in vielerlei Hinsicht kompakter als der ausufernde Vorgänger, aber auf seine Art nicht weniger komplex:
Statt nur das legendäre Abenteuer Retreat From the Boedecken zu erzählen, von dem man in den bisherigen Romanen schon so viele Andeutungen, aber niemals Genaues erfahren hat, verknüpft Stover die als Mitschnitte der damaligen Ereignisse präsentierte Reise in die Vergangenheit mit einer Gegenwartshandlung, die das Damals aufgrund der dreißig vergangenen Jahre, die sich nicht nur in Form von äußerlichen Narben auf Caines Schultern niedergelassen haben, kontrastieren und gleichzeitig neu verarbeiten.

Was Stover hier an Charaktertiefe liefert, ist ein wahres Fest: Der junge Caine ist ein astreines Arschloch, ein Soziopath, der bereits eine Geschichte der Gewalt hinter sich hat, während den älteren Caine die Summe seiner Erfahrungen zu dem macht, was er ist, einem gesetzten Antihelden, der vor allem in Ruhe gelassen werden will. Die Diskrepanz zwischen dem Jetzt und dem Damals, der Blick in den charakterlichen Abgrund, den man mit den Kapiteln aus der Vergangenheit erhält, wird durch viel Unausgesprochenes dazwischen unterstrichen, wie überhaupt in Caine Black Knife die Arbeit mit dem Ungesagten ein großes Spannungsmoment ist, obwohl man von Beginn an weiß, wie Retreat from the Boedecken enden wird. Patrick Rothfuss’ Kingkiller Chronicles, die ebenso auf eine Figur fokussiert sind und mit einem ähnlichen Stilmittel arbeiten, nehmen sich neben dieser Tour der Extreme nicht nur wie ein harmloser Sonntagsspaziergang aus, sondern wirken auch deutlich weniger stringent.

Doch auch wenn dieser Roman noch mehr als die Vorgänger eine reine “Caine Show” ist, nimmt sich Stover auch Raum für teilweise bitterböse Anspielungen: Er rechnet in einem wahrhaft schrecklich lustigen Kapitel mit gewaltaffinen Online-Gaming-Kids ab, mit den Mächtigen (sei es nun Adel oder Pseudoadel durch wirtschaftliche Vormachtstellung) sowieso, und am interessantesten ist diesbezüglich vielleicht sein Umgang mit den Ogrilloi, der ganz nebenbei den Rassismus von Fantasy-Welten deutlich macht, die auf allzu simple Art mit bösen oder primitiven Völkern umspringen: An den niedergerungenen Ogrilloi werden sowohl sprachlich (durch die Herrscher und auch durch die Beherrschten selbst), als auch durch das jeweilige Verhalten die Strukturen rassistischer Unterdrückung beschrieben. Das Clevere daran ist natürlich Caines Rolle darin, seine vielfache Verwicklung in den Status quo: als Kenner und Leidtragender der irdischen Kastengesellschaft, als Adoptivbruder eines Betroffenen, als Verursacher und auch früheres Opfer der nun Unterdrückten: All diese emotionalen Widersprüche sind perfekt herausgearbeitet, und Caine Black Knife ist fern von einem sterilen Lehrstück, das man mit dem wohlverdienten Label Bildungsroman vielleicht assoziieren könnte.

Steril ist hier ohnehin gar nichts – Stover wird mühelos noch derber als in Heroes Die und Blade of Tyshalle, bringt nebst den üblichen blutigen Tatsachen nun auch öfter eine deutliche Note sexueller Perversion ein. Die zu Beginn eingefügte Altersfreigabe und Warnung des Studios vor dem Abenteuer Retreat From the Boedecken ist kein effektheischendes Gimmick, sondern schlicht die Wahrheit.
Damit hat Stover es geschafft, das Sprachniveau in Caine Black Knife gleichzeitig zu senken und zu heben, denn nebst der Gewaltorgien und der nie um eine Derbheit verlegenen Dialoge pflegt der mit einem breiten Bildungshintergrund ausgestattete Caine auch einen im Vergleich noch einmal stark erweiterten Wortschatz und lässt eine Menge Kulturwissen durchscheinen.
Bevor bei den Gipfeln der Gewalt letztlich nur noch der Ausweg offensteht, sie ins Lächerliche kippen zu lassen, gibt es allerdings immer eine Pause, und überhaupt hat Stover sich ein Stilmittel zu eigen gemacht, das den Aussparungen und der Dynamik der Handlung zugutekommt: Da wir eine Aufzeichnung des alten Abenteuers “sehen”, gibt es auch eine häufig genutzte Vorspultaste.

Nebst Caines Geschichte wird auch die von Overworld in Caine Black Knife weitergeschrieben und bekommt noch mehr Tiefe, immer gut verpackt in irdisches Sagenmaterial. Besonderen Spaß macht dabei die ironische Bezugnahme auf Blade of Tyshalle, die das Spiel mit der Fiktionalität, das die Caine-Romane ohnehin auszeichnet, noch weitertreibt und manches relativiert. Wer also geglaubt hat, die Geburt von Caine schon erlebt zu haben, wird hier herausfinden, dass auch die Genese eines Helden nicht eindeutig und immer eine Frage des Standpunktes ist.
Diese Geburtsstunde findet statt, als die zweigleisige Geschichte von Caine Black Knife längst ihre Sogwirkung entfaltet hat, trotz des Sympathie-Malus, den der junge Caine verbuchen kann. Mit einer hochinteressanten Ausnahme bleibt Caine hier auch die einzige Erzählerfigur, und entsprechend universell fällt die Charakterstudie aus: Einerseits ist Caine das Ausnahmetalent, der bad guy, das Arschloch, andererseits ein Jedermann und Underdog, der dem Leser und der Leserin aufgrund der völligen Auslieferung seiner Gedanken nahe bleibt, ganz gleich, was er anstellt. Daran ist nicht zuletzt schuld, dass nach den ersten Schockern zu Beginn der Erzählung eine leichte Mäßigung eintritt, vor allem bei Caines älterer Version, die gewaltmüde ist, bei Bedarf aber immer auf die Arschloch-Persona zurückgreifen kann. Und den jungen Caine begreift man irgendwann als Menschen, der zum Rad im Getriebe der Ausbeutungsmaschinerie in zwei Welten wird, um in diesem System nicht unterzugehen. Während sich seine Geschichte immer garstiger entfaltet und zu etwas wahrhaft Bösartigem heranwächst, scheint sich die Gegenwartshandlung vordergründig konträr dazu zu bewegen, und doch rasen beide, auch durch die zwingende Spärlichkeit, mit der Stover diesmal Massen von Entwicklung auf weniger als 400 Seiten unterbringt, ohne je in Seitenstränge zu driften oder Füllmaterial zu präsentieren, mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Am Ende, das dürfte jedem klar sein, kann keine Läuterung und erst recht kein Happy End stehen. Aber etwas Besseres.

Caine's Law von Matthew StoverWieder einmal ist Caine ganz unten: In den Händen der Regierung, ohne Zugriff auf Overworld und seine dortigen Kräfte, verkrüppelt, an ein Bett gefesselt – und seine Peiniger haben noch Schlimmeres mit ihm vor, während in seiner Wahlheimat Overworld die Erde ihren Einfluss wieder erhöht und die Dinge zum Schlechten stehen. Caine macht der Erdregierung ein Angebot, das sie leider ohne mit der Wimper zu zucken ablehnt, und ab diesem Zeitpunkt reißen die Merkwürdigkeiten nicht mehr ab …

“Two things I do,” she repeated. She touched her cheek below the brown eye. “Forgiveness.” She moved the hand to the ice-milk side. “Permission.”
The horse-witch: Feral

Drei Bände lang hat Caine gewütet und gemetzelt, hat skrupellose Gegner bekämpft, indem er noch weniger Skrupel hatte als sie, und nun, in Caine’s Law, dem zweiten Teil der mit Act of Atonement untertitelten Sub-Serie, soll er schließlich doch die Konsequenzen zu spüren bekommen und sühnen. Der nur vordergründig einfach gestrickte Haudrauf wird auf den Boden geholt, nicht nur durch die Ereignisse und seine Ermattung, was Kämpfe und Konflikte angeht, sondern vor allem durch die vielen Rückblicke, die wie schon in den vorausgegangenen Bänden erklären, wer er ist, und einen Mann mit vielen Schichten offenbaren. Ein häufig erwähnter Schlüsselsatz fasst sowohl die Figur als auch den ganzen Roman famos zusammen: »It’s complicated.«

Caine’s Law ist eine strukturell herausfordernde Lektüre – sie bietet keine lineare Erzählung, sondern springt zwischen Zeit- und Möglichkeitsebenen hin und her, stellt einen netten Warnhinweis voraus, dass es sich dabei teilweise nur um bald wieder ungeschehen gemachte Varianten der Ereignisse handelt, und man darf sich selbst zusammenpuzzeln, wie die einzelnen Kapitel zu ordnen sind, häufig nur von kleinen Hinweisen unterstützt. Aber erfahrene Caine-LeserInnen kann ohnehin nichts mehr schocken, und mit etwas Zutrauen in die Fähigkeit von Matthew Stover, einen am Ende nicht im Regen stehen zu lassen, stellt sich bald trotzdem eine Art Linearität ein, denn die Kapitel sind, auch wenn es anfangs anders scheinen mag, mitnichten zufällig angeordnet. Kausalitäten lassen sich herstellen, und letztlich gibt es tatsächlich einen sehr befriedigenden und überraschenden Blick auf das ganze Mosaikbild, das man sich beim Lesen erarbeitet hat, auch wenn es unterwegs ein ausgesprochen wilder Ritt mit wohlplatzierten Stolpersteinen aus dem Zeitreiseparadoxon-Baukasten war. Das Spiel mit der Fiktionalität, das stets ein hintergründiger Bestandteil der Caine-Reihe war, wird dadurch auf eine andere Ebene gehievt, auch wenn Caine nun schon lange nicht mehr »Entertainer Michaelson« ist.
Manch ein Kapitel wird man in diesem raffinierten Puzzle vielleicht zweimal lesen wollen, denn fast in jedem Abschnitt kommt es zu einer bahnbrechenden Erkenntnis, die das Vorausgegangene infrage stellt, und man erlebt einige erschütternde Überraschungen, in denen aus Grandiosität und Glanz plötzlich das Elend dahinter auf erschreckende Weise hervorbricht.

Mit überraschenden Erzählerfiguren, Bezugnahme auf alle drei Vorgänger, auf die menschliche Geistesgeschichte und die Mythen führt Stover Konzepte und Figuren aus 15 Jahren Caine zu einem kohärenten Ganzen zusammen, und das in einem ranken und schlanken Stil, der im Verlauf dieser Jahre noch um einiges präziser und fokussierter geworden ist: So schillernd und wild flatternd Caine’s Law auf den ersten Blick auch wirkt, hier gibt es keine Schlenker, jeder Satz sitzt und leistet seinen Beitrag zu einer Geschichte, die Figur und Mythos verwebt und es tatsächlich schafft, ein Sühne-Epos zu erzählen, das sich von den meist christlich konnotierten Begriffen lösen kann.
Caines Suche nach Erlösung ist eng verwoben mit einer faszinierenden Frauenfigur, die die Vorzüge, die bereits Stovers frühere weibliche Charaktere auszeichneten, zur vollen Entfaltung bringen kann und Stärke, leisen Humor, Tragik und einen wunderbaren Ruhepol in die Geschichte einbringt. Stover kann sein Talent für die realistische Beschreibung von Beziehungen vorführen und stellt einem der ambivalentesten Protagonisten der Science Fiction und Fantasy damit eine der coolsten Frauenfiguren zur Seite, an der alle Klischees auf eine Art und Weise abperlen, dass es eine wahre Freude ist.

Die Schuld-und-Sühne-Frage wird in Caine’s Law auf vielen Ebenen gestellt, es werden mannigfaltige Verhältnisse beleuchtet, in denen sie aufkommt – gesellschaftliche, familiäre, religiöse und ganz persönliche – doch der Fokus bewegt sich trotz wechselnder Perspektiven nie weit weg von Caine, dem Über- und Unmenschen, der menschlicher wird, je mehr er sich in die Angelegenheiten der Götter verstrickt. Die Figur, die in Caine Black Knife noch filetiert wurde, wird hier zu einem neuen Ganzen zusammengesetzt, und am Ende hat Caine das getan, was Antihelden seit jeher besser können als ihre strahlenden Gegenparts: uns etwas über das Menschsein beigebracht.
Auch wenn Caine’s Law die ausufernde Breite von Blade of Tyshalle fehlt, ist es doch ein mindestens ebenso philosophischer Roman, der sich mit der Ordnung der Welt, Macht, Göttlichkeit und Menschlichkeit, letzten Dingen und dem guten Leben (und den Gründen, weshalb es meist ein frommer Wunsch bleiben muss) befasst. Dass das Ganze nicht ohne Blutvergießen geliefert wird, weiß vermutlich jeder, der bis hierher durchgehalten hat. Der neue Caine ist vielleicht etwas zurückgenommener, dafür sind die Gewaltspitzen nur umso verstörender, und es entspricht der Philosophie hinter Caine’s Law (und eigentlich allen Caine-Geschichten), dass es keine Option ist, wegzuschauen, auszublenden oder trotzdem gut zu finden, sondern man die Gewalt im Kern der Handlung mit offenen Augen wahrnehmen und akzeptieren muss.

Nach diesem Entwurf, der größer ist als alles, was auf Overworld und der Erde bisher da war, ist das Ende – wieder einmal – ziemlich definitiv, bringt alles (aufgrund der besonderen Struktur des Romans sogar augenzwinkernd) zusammen und liefert Erklärungen für die wilderen Konzepte der Handlung, auch wenn die Schlüsse, die man daraus ziehen kann, immer den LeserInnen überlassen bleiben.
Da bisher jeder Roman außer Caine Black Knife der letzte Caine-Roman war, muss das nicht viel heißen. Allerdings war die Reihe nie ein großer Erfolg, und Caine’s Law ist bestimmt nicht dazu angetan, diesen Erfolg herbeizuführen, daher kann man sich im Augenblick nur schwer vorstellen, dass der vom Autor angedachte darauffolgende Act of Faith je das Licht einer Buchhandlung erblickt. Andererseits: Ist es nicht genauso schwer, sich vorzustellen, dass Caine nach allem, was wir erlebt haben, wirklich erlöst sein soll?

The Charnel Prince von Greg KeyesIn einem Land, in dem mehr und mehr unheimliche Dinge geschehen und Monster wandeln, verfolgen die Protagonisten ihre lose miteinander verknüpften Ziele.
Anna und Austra bemühen sich um ihre Rückkehr nach Eslen und werden aus dem gleichen Grund von Neil gesucht. Aspar, Stephan und Winna sind im Auftrag der Kirche unterwegs, während der Königin mehr und mehr die Kontrolle über das Königreich entgleitet. Ein neuer Handlungsstrang um den naiven Komponisten Leoff zeigt die Ereignisse am Hof aus einer anderen Perspektive und geht wie alle anderen einem fulminanten Ende entgegen.

-Neil MeqVren rode with his queen down a dark street in the city of the dead.-
Chapter 1 – The Night

Mit The Charnel Prince (Die Rückkehr der Königin) setzt Greg Keyes seine Reihe auf gleichbleibend gutem Niveau fort. Die Stärken und Schwächen des Buches entsprechen denen des ersten Bands. Die Geschichte ist mitreißend und spannend geschrieben, aber teilweise belastet die Art der Wechsel im Handlungsstrang den Lesefluss. Inhaltlich zeigt sich, dass tatsächlich bei weitem nicht alles so ist, wie es scheint. Keyes lässt seine Charaktere und Leser oft und lange im Unklaren über die Motivation und Hintergründe anderer Personen, so dass immer wieder interessante Wendungen die Story und den Leser in neue (Gedanken-)Bahnen lenken.
Auch von der Spannung und Atmosphäre her legt dieser Band eher noch ein wenig zu, auch wenn ich von Zeit zu Zeit das Gefühl bekam, dass Keyes ein wenig zu dick aufträgt und die Glaubwürdigkeit der Geschichte strapaziert.

Besonders hervorgehoben sei noch, dass Hintergrundinformationen aus dem ersten Band immer dann geschickt in die Geschichte eingebunden werden, wenn sie zum Verständnis notwendig sind, so dass auch Quereinsteiger oder Leser, die die Bände in großem Abstand lesen, nicht völlig hilflos sind. Wie schon der erste Band bietet auch The Charnel Prince ein relativ abgeschlossenes Ende, so dass man nicht verzweifeln muss, wenn der nächste Band noch nicht zur Hand ist. Einziger echter Negativpunkt ist, dass man teilweise die online verfügbare Karte im Buch sehr vermisst.

The Charwoman's Shadow von Lord DunsanyDer junge Ramon Alonzo wird von seinem Vater, dem verarmten Lord of the Tower and Rocky Forest, zum Haus eines Magiers tief im Wald geschickt, um dort die Kunst des Goldmachens zu erlernen. Dort als Lehrling aufgenommen, erfährt Ramon Alonzo gleich am ersten Abend die Geschichte der alten Scheuermagd: einst gab sie dem schwarzen Magier ihren Schatten im Tausch für ein ewiges Leben, aber seitdem ist sie an dessen Haus gebunden. Ramon Alonzo schwört sich, ihren Schatten zu retten und sie zu erlösen. Doch der Magier verlangt auch von Ramon Alonzo eine Bezahlung für das erteilte Wissen.

-Picture a summer evening sombre and sweet over Spain, the glittering sheen of leaves fading to soberer colours, the sky in the west all soft, and mysterious as low music, and in the east like a frown. Picture the Golden Age past its wonderful zenith, and westering now towards its setting.-
Chapter 1 – The Lord of the Tower Finds a Career for His Son

The Charwoman’s Shadow (Der Schatten der Scheuermagd) ist eine relativ kurze Geschichte, was nicht heißt, dass man sie schnell gelesen hätte. Man muss sich viel Zeit nehmen, um die Sprache nachzuvollziehen und auf sich wirken zu lassen. Das englische Original ist leider nur etwas für wirklich gute Englisch-Leser. Nicht so sehr wegen schwerer Vokabeln, sondern mehr aufgrund komplexer Satzstrukturen, für deren Erfassung man ein wenig Muße benötigt. Anfangs hatte ich beim Einlesen große Probleme, doch wenn man das Buch ganz in Ruhe (und vielleicht ein zweites Mal) angeht, kann das Geschriebene einem den Atem rauben.

Man verliert sich im Spanien am Ende des Goldenen Zeitalters mit seinem Spiel aus Licht und Schatten – dafür sorgt allein schon der erste Satz. Eine konkrete, besonders schöne Textstelle ist zum Beispiel, wenn der Zauberer seinen Schüler in das größte Mysterium seiner Magie einführt: das Lesen. Darüber hinaus beruht diese Magie sehr auf der mittelalterlichen Alchemie mit Lebenselixieren und der Herstellung von Gold. Und ähnlich wie im Mittelalter wird diese Magie mit dem Teufel in Verbindung gebracht; demgegenüber steht die Kirche, die beim einfachen Volk großen Einfluss besitzt, und deren Vertreter das Gute verkörpert.

Angesichts der Sprache und Atmosphäre spielt es dann keine Rolle mehr, ob uns die Geschichte selbst einfach erscheint: der Held tritt gegen den schwarzen Magier an, um ein unschuldiges Opfer zu retten. Viel spannender ist dabei, dass der Held selbst weniger durch Scharfsinn denn Beharrlichkeit und Großmut auffällt, und dass das unschuldige Opfer eine hässliche, alte Scheuermagd ist. Und die eigentlich interessanteste Figur ist Ramon Alonzos wesentlich intelligentere Schwester Mirandola: obwohl sie den reichen, unsympathischen Nachbarn heiraten soll, verfolgt sie unauffällig ihre ganz eigenen Hochzeitspläne.

The Crown Conspiracy von Martin J. SullivanAls die Meisterdiebe Royce Melborn und Hadrian Blackwater den Auftrag erhalten, ein magisches Schwert aus der Königsburg zu stehlen, ahnen sie nicht, dass sie nur als Sündenböcke für ein weit schlimmeres Verbrechen missbraucht werden sollen. Der König wird erdolcht, und die am Tatort aufgegriffenen Einbrecher finden sich rasch als vermeintliche Mörder im Kerker wieder. Ein qualvolle Hinrichtung scheint unausweichlich, doch da macht Arista, die Tochter des Ermordeten, den beiden ein unerwartetes Angebot: Sie will ihnen zur Flucht verhelfen, wenn sie im Gegenzug ihren Bruder, den auf seine neue Aufgabe nur schlecht vorbereiteten Thronfolger Alric, entführen …

– By architectural standards, or any other measures, Ballentyne Castle was unremarkable and ordinary in every respect. No great king or hero ever called the castle home. Nor was it the site of any legend, ghost story, or battle. Instead, it was the perfect example of mediocrity and the mundane. –
Chapter 1 – Stolen Letters

Es ist beim besten Willen keine hohe Literatur, was Michael J. Sullivan in The Crown Conspiracy bietet, sondern recht simple Abenteuerfantasy, die bewährten Schemata verhaftet ist und in der man gesunden Menschenverstand bei den Figuren, Realismus oder konsequente Logik oft vergeblich sucht. Dementsprechend wenig überraschend entwickelt sich auch der Plot um das nolens volens in die Machtkämpfe eines kleinen Königreichs hineingezogene Gaunerduo, das in seiner Gegensätzlichkeit ebenso dem Klischee entspricht wie die meisten anderen Charaktere. Unreife Kronprinzen, exzentrische Zauberer, weltfremde Mönche, korrupte Priester, opportunistische bis ritterliche Adlige und Huren mit goldenem Herzen gehören nun einmal zum Standardinventar einer bestimmten Form von Fantasy und werden hier nicht etwa ironisiert, sondern mit der fast naiven Ernsthaftigkeit zum Einsatz gebracht, die dem Genre in den letzten Jahren eigentlich verloren gegangen ist. Der Einfachheit des Inhalts entspricht die fast durchgehend schnörkellose Sprache, die auch Lesern, die sich nur selten an englische Originaltexte wagen, keine großen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Auch der Weltenbau enthält viel Althergebrachtes: Die Helden bewegen sich durch eine wenig originelle Topographie aus Städten, Burgen und Landgebieten mit dem ein oder anderen architektonischen Überbleibsel einer glorreicheren Vergangenheit, die zur Handlungszeit natürlich bereits einem klassischen Pseudomittelalter gewichen ist, in dem eine vage an das Christentum angelehnte, gespaltene Kirche und unterschiedliche politische Parteiungen teilweise auch länderübergreifend um Einfluss ringen. Neben Menschen sind Elfen und Zwerge zu finden, und auch die Magie folgt gewohnten Mustern.

Am Rande sind in dieser erst sehr derivativ anmutenden Kulisse allerdings durchaus interessante Ideen versteckt: So gestaltet sich etwa die Kommunikation mit einem seit Jahrhunderten in einem magischen Gefängnis schmachtenden Zauberer schon aus dem Grunde schwierig, dass er selbst nach Lehrstunden in moderner Sprache immer noch ungefähr so klingt, als würde Yoda sich auf Mittelenglisch zu äußern versuchen, und sich nur zähneknirschend bereiterklärt, an seiner Ausdrucksweise zu arbeiten.

Während dies sich noch vor allem amüsant liest, werden unversehens auch ernstere Themen präsentiert: Die Elfen sind nach langer Unterdrückung und Versklavung durch die Menschen zu einer marginalisierten Randgruppe heruntergekommen, deren besondere Fähigkeiten zwischen Armut und Alkoholmissbrauch kaum noch zur Entfaltung gelangen. Wenn Sullivan an ihrem Beispiel alltäglichen Rassismus schildert, beweist er eine Feinfühligkeit, mit der man zwischen all den munteren Abenteuern und flotten Sprüchen nicht rechnet, die aber auch in manchen anderen Szenen plötzlich aufscheint (etwa im schwierigen Abschied eines schon im Kindesalter ins Kloster gesteckten Mannes von dieser einzigen ihm vertrauten Heimat).

Solche Momente und die spürbare Sympathie des Autors für seine in all ihrer Gewöhnlichkeit doch irgendwie ziemlich liebenswerten Helden ziehen einen fast wider Willen in die Geschichte und sorgen dafür, dass nach dem Ende der Lektüre mehr hängen bleibt, als man es diesem Roman eigentlich zutraut. Abseits hoher Ansprüche und neuer Trends im Genre entfaltet The Crown Conspiracy einen gewissen nostalgischen Charme, der einen über die unleugbaren Schwächen hinwegtröstet und den Roman zur guilty pleasure macht, wobei man guilty vielleicht groß schreiben sollte – doch das hätte ein Buch, das so erkennbar gut gemeint ist, nun auch wieder nicht verdient.

Dämonenjagd von Jack YeovilKlimakatastrophen, wirtschaftlicher Zusammenbruch und einiges mehr haben die Weltordnung kollabieren lassen. Die Wüsten der USA sind so unbewohnbar geworden, dass sogar die Mormonen aus Utah abgezogen sind. Allerdings hat sich eine andere Sekte, die Josephiner, dort niedergelassen, und ihr Anführer plant nichts Gutes: Mit einem Dämon will er die Datennetzwerke der letzten Organisationen lahmlegen, die noch für Ordnung sorgen. Zum Glück hat der Vatikan bereits eine Spezialagentin losgeschickt: Die Nonne Chantal Juillerat.

„Sagen Sie mal, Mister, was für’n Akzent ist das eigentlich, den Sie da sprechen?“ fragte der Tankwart und hängte den Stutzen in Durocs Wagen.
Teil I: Slims Tank & Grillstation

Bereits die Eröffnungssequenz von Dämonenjagd (Demon Download) hat es in sich und umreißt innerhalb weniger Seiten das Setting und den Ton des Romans – den verwüsteten mittleren Westen mit punktuellen Horten der Zivilisation (mehr oder weniger), bevölkert von meist in irgendeiner Form durchgeknallten Gestalten, während düstere, unheilverkündende Andeutungen inmitten von Ausbrüchen wilden Humors den Text durchwabern und ein schneller Abriss über die alternative Welt von Dark Future in Form von Radio-Beiträgen gegeben wird.
Damit steht man auch schon mitten in einem Setting, das weniger von der Realität entkoppelt ist als Mad Max und weniger retro als die ursprünglichen Fallout-Spiele, das aber trotzdem ganz klar in diese Nachbarschaft gehört, und zugleich die zynische Attitüde des inzwischen etwas angestaubten Cyberpunk mit sich bringt, wo Konzerne nur pro forma von staatlichen Organen verdeckt die Macht in Händen halten und die Politik zu einem Possenspielchen der Unterhaltungsikonen verkommen ist.

Bei Jack Yeovil aka Kim Newman wird es dann gerne noch ein Eckchen zynischer, und was er für Dark Future alles an Anspielungen und Ideen angehäuft hat, basierend auf dem Status quo Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts, muss man sich einfach selbst erlesen – an dieser Stelle soll nur versprochen werden: Es wird ein wilder Ritt quer durch alle Sparten. Für die US-Neuauflage der Dark-Future-Romane vor wenigen Jahren gab es im Umfeld der politischen und popkulturellen Anspielungen ein paar Updates, deutsche LeserInnen müssen sich mit den alten Vorstellungen begnügen, und am meisten Spaß macht der Roman ohnehin, wenn man mit dem Zeitkolorit, das er unweigerlich aufweist, etwas verbinden kann.
Den teils absurden, teils äußerst bissigen Kommentaren zu Zeitgeschichte, Film oder Musik gegenüber steht ein regelrechtes Abfeiern sämtlicher Western-, Wüsten- und Endzeit-Klischees, die sich in das ursprünglich für ein Tabletop von Games Workshop entworfene Dark-Future-Setting einbringen ließen: Mutanten, Gangs, Highways, Motorräder – Jack Yeovil weiß, wie man diese Träume in ein so grelles Licht taucht, dass sie beinahe, aber nur beinahe zerplatzen. Den Tabletop-Hintergrund erkennt man allenfalls in den vielen verschiedenen Fraktionen, die auf der Bildfläche erscheinen und gegen die beiden Helden, einen Trooper aus der neu auferstandenen U.S. Cavalry und die Kampfnonne Chantal, antreten, sich ihnen anschließen oder beides nacheinander tun.

Die bis in die bizarrsten Nebenrollen authentischen Figuren holen den Spaß dann auch wieder auf solideren Boden zurück – zumindest so solide, wie es eine schöne Kampfnonne mit Hacker-Ausbildung hergibt. Chantal, deren Reize klassischerweise durch ihr Nonnendasein eher erhöht als gemindert werden (und die mindestens seelenverwandt mit Genevieve Dieudonné sein muss, Yeovils Heldin aus seinen Warhammer-Romanen), ist nicht die einzige, bei der der Autor ausführliche Rückblenden zur Charakterisierung einsetzt und damit auch weiteres Weltgeschehen außerhalb der US-Wüstenei sichtbar macht.
Die Dialoge sitzen und lesen sich wie aus einem Filmskript, und auch viele andere Momente verwandeln sich im Kopf wie von selbst in bewegte Bilder. Dass Dämonenjagd von der Verfolgungsjagd über klassische Schießereien bis hin zu Explosionsfeuerwerken über alle Nuancen eines rasanten Actionkrachers verfügt, tut das Seine dazu. Und da der titelgebende Dämon ein höllisches Ungetüm ist, das zurecht den unglaublich modernisierten Vatikan auf den Plan ruft, ist der Bodycount hoch und es wird ziemlich blutig, inclusive einiger Splatterszenen und anderer schriller Action.

Trotzdem erreicht Dämonenjagd eine andere Ebene als lediglich die der augenzwinkernden Popcorn-Unterhaltung, denn sowohl Anspielungen als auch Handlungs- und Figurenhintergründe lassen bitterböse Abgründe aufklaffen. Bei allen aufgemotzten Autos, saufenden, schießwütigen Priestern, harten Männern und noch härteren Frauen geht das deutsche Trash-Cover daher am Wesentlichen weit vorbei, denn all diese Klischees werden mit einem satirischen oder zumindest überdrehten Bruch gewürdigt, und der Wüstenstaub, den sich verselbständigende Motorräder und wildgewordene Kampfroboter aufwirbeln, schmeckt bitter.

A Dance with Dragons von George R. R. MartinWährend in Westeros ein harter Winter anbricht, setzt sich das Ringen um die Macht fort. Jon Snow ist bestrebt, die offiziell neutrale Nachtwache zwischen den verfeindeten Parteiungen hindurchzulavieren und zugleich eine Allianz gegen die immer bedrohlichere Gefahr aus dem Norden zu schmieden. Daenerys Targaryen muss sich unterdessen mit ihren kaum noch zu bändigenden Drachen und den Tücken der Herrschaft über das fremdartige Meereen auseinandersetzen. Sie ahnt nicht, dass neben mehreren Bewerbern um ihre Hand auch Tyrion Lannister auf der Suche nach ihr ist und dabei eine unglaubliche Entdeckung macht, die alles verändern könnte…

– The night was rank with the smell of man. The warg stopped beneath a tree and sniffed, his grey-brown fur dappled by shadow. A sigh of piney wind brought the man-scent to him, over fainter smells that spoke of fox and hare, seal and stag, even wolf. Those were man-smells too, the warg knew; the stink of old skins, dead and sour, near drowned beneath the stronger scents of smoke and blood and rot. Only man stripped the skins from other beasts and wore their hides and hair. –
(Prologue)

Kaum ein Buch im Fantasygenre dürfte in letzter Zeit so ungeduldig erwartet worden sein wie A Dance with Dragons (Der Sohn des Greifen, Ein Tanz mit Drachen). George R.R. Martin musste sich in den immerhin knapp sechs Jahren seit dem Erscheinen des Vorgängerbands A Feast for Crows (Zeit der Krähen, Die dunkle Königin) aufgrund seines Arbeitstempos einiges an Spott und Kritik gefallen lassen, und die Erwartungen der Fans waren hoch. Ganz unbeeinflusst davon kann keine Einschätzung des vorliegenden Romans bleiben, der in der Tat nicht nur Martins unbestreitbare Stärken ausspielt, sondern auch recht deutlich zeigt, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hat.

Für Leser, die sich vorwiegend danach gesehnt haben, wieder tief in Martins Welt eintauchen zu dürfen, hat sich die Wartezeit gelohnt. Martin erweist sich einmal mehr als unübertroffener Schilderer eines prallen Settings, das vor Sinnenfreuden und Scheußlichkeiten gleichermaßen überquillt. Der in einem furios eingefangenen Wintereinbruch immer weiter erstarrende Norden und der kriegs- und seuchengeplagte Süden, in dem Vorboten der neuen Jahreszeit nur langsam Fuß fassen, bilden die Kulisse für Ansprechendes wie Abschreckendes, aber auf jeden Fall Bewegendes. Martin schwelgt in Intrigen, Magie, ungehemmter Sexualität, Blutvergießen aller Art (von Gladiatorenkämpfen über Morde und Hinrichtungen bis hin zu Menschenopfern) und immer wieder auch in Tafelfreuden verlockender wie zweifelhafter Natur. Gelegentlich erliegt er dabei wohl vor allem der Faszination des Entsetzlichen: Wenn etwa aus Sicht des fast um den Verstand gefolterten Theon Greyjoy der gnadenlose Sadismus eines Ramsay Bolton breit ausgewalzt wird, lässt sich das nicht mehr allein als ungeschminkte Darstellung der Schattenseiten einer pseudomittelalterlichen Welt abtun, sondern bewegt sich irgendwo zwischen Schockeffekt und schlichter Geschmacklosigkeit.

Selbst wenn man sich von diesen Elementen (und auch von der prononcierten Neigung, insbesondere Frauengestalten in erniedrigenden, sexuell konnotierten Situationen zu präsentieren) abgestoßen fühlt, muss man dem Autor lassen, dass er sein erzählerisches Handwerkszeug nach wie vor blendend beherrscht. Obwohl manche Motive, derer er sich bedient, offensichtliche Entlehnungen bilden (so begegnen einem unter anderem Reminiszenzen an die Apokalypse, Macbeth, El Cid und Lady Godiva), sind sie unbestreitbar wirkungsvoll.

Das alles kann über eines nicht hinwegtäuschen: Die Gesamthandlung kommt kaum voran, und das nicht etwa nur, weil ein Großteil des Romans zeitlich parallel zu A Feast for Crows spielt. Trotz der vordergründigen Ereignisfülle wird auf über 950 Textseiten eigentlich nicht viel erreicht. Gerade wenn man die gemächlichen Fortschritte der Haupthandlung mit dem vergleicht, was etwa ein David Anthony Durham oder ein Daniel Abraham in einem wesentlich kürzeren Band kompakt vermitteln kann, wird man den Verdacht nicht los, dass Martin sich mit seiner überaus szenischen Erzählweise und den Heerscharen von Protagonisten mittlerweile selbst im Wege steht.

Erschwerend kommt hinzu, dass ausgerechnet den für die Gesamthandlung bisher recht zentralen Publikumslieblingen Jon, Daenerys und Tyrion nicht unbedingt die interessantesten Passagen zugeordnet sind. Während Tyrion, Reiseabenteuer hin oder her, vorwiegend damit beschäftigt ist, mit seinem Schicksal und besonders mit seinem immer noch nicht überwundenen Übervater zu hadern, läuft sich der Plot um die Targaryen-Prinzessin in einer eigenartigen Mischung aus schwülstiger Altmännerphantasie und Schilderungen herrscherlicher Inkompetenz tot. Jon Snow darf immerhin ein paar neue Entwicklungen anstoßen, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich – deutlich illustriert durch die Hinrichtungsszene relativ zu Anfang seines Handlungsstrangs – zu einem Abklatsch von Eddard Stark entwickelt und letztendlich auch ähnliche Fehler begeht wie sein tatsächlicher oder vermeintlicher Vater.

Ob es Martin dabei jeweils um die bewusste Gestaltung eines Scheiterns geht, bleibt unklar, doch wenn sich überhaupt ein Thema als verbindender roter Faden anbietet, ist es wohl das menschlichen Versagens und enttäuschter Erwartungen. Kaum eine Hauptfigur erreicht langfristig das, was sie sich vorgenommen hat: Suchen verlaufen ergebnislos, Begegnungen, die den Plot voranbringen könnten, kommen nicht zustande, und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der einzige ganz neue Faktor, der die politische Gesamtkonstellation deutlich verändert, wirkt wie aus dem Hut gezaubert: Eine seit Beginn der Serie für tot gehaltene Person ist wundersamerweise doch noch am Leben und bereit, im Kampf um die Königsmacht mitzumischen.

Abgesehen von dieser einen überraschenden Entwicklung scheint es so, als wolle Martin sich für die Folgebände alle Optionen offen halten und manch eine Entscheidung lieber noch aufschieben. Was also bleibt am Ende? Kein schlechtes Buch, aber auch kein rundum gelungenes. A Dance with Dragons ist ein Zwischengang, der durchaus den Appetit auf mehr wachhalten kann, aber nicht der entscheidende Schritt nach vorn, den A Song of Ice and Fire (Das Lied von Eis und Feuer) an dieser Stelle so dringend gebraucht hätte.

Cover von The Darkness That Comes Before von R. Scott Bakker2000 Jahre nach der ersten Apokalypse, bei der fast die gesamte Bevölkerung der Welt Eärwa von dem Nicht-Gott Mog vernichtet wurde, ruft die inrithische Kirche einen heiligen Krieg gegen die Fanim aus. In der Stadt Momemn werden eine Reihe ganz unterschiedlicher Personen in den Sog der Ereignisse hineingezogen: Drusus Archamian ist Mitglied der “Mandate”, die seit der Apokalypse mit ihren magischen Fähigkeiten gegen die Anhänger des Nicht-Gotts kämpfen. Esmenet ist eine in Archamian verliebte Prostituierte. Cnaiür ist ein Clansmann von der Steppe, der auf Rache für den Tod seines Vaters sinnt. Anasûrimbor Kellhus ist ein Mönch der Dûnyain, der durch seine erlangten Fähigkeiten in der Lage ist, Menschen in radikaler Weise zu beeinflussen. Er ist auf der Suche nach seinem Vater.

-All spies obsessed over their informants. It was a game they played in the moments before sleep or even during nervous gaps in conversation.-
Chapter I

The Darkness That Comes Before (Schattenfall) ist ein sehr komplexes Buch, mit Unmengen von historischen und kulturellen Informationen über die Welt Eärwa und einer unzählbaren Anzahl von fremdklingenden Namen und Bezeichnungen. Entsprechend schwierig ist der Einstieg in das Buch. Man fühlt sich unvorbereitet ins eiskalte Wasser geworfen, und den wirklichen Sinn und Inhalt der beiden Prologe und der ersten Abschnitte des ersten (von insgesamt fünf) Teilen wird man wahrscheinlich erst beim zweiten Lesen erfassen. Leser, die einen geruhsamen, erklärenden Einsteig bevorzugen, könnte dieser Beginn doch sehr abschrecken.

Doch mit Hilfe des Anhangs und der Karten wird man sich spätestens in der Mitte des ersten Teiles in das Buch und die eigenartige Welt hineingefunden haben und kann endlich in vollem Maße die sehr umfangreiche und ausgereifte Story genießen. Die Handlung enthält viele Elemente der historischen Kreuzzüge und beinhaltet aus diesem Grund auch eine Reihe von religiösen Elementen. Als wirklich spannend kann man die Story nicht bezeichnen, auch wenn einige Actionszenen und Kämpfe durchaus vorkommen, das Hauptaugenmerk liegt eher auf den Gesprächen der Figuren, Erinnerungen an die Vergangenheit der Hauptpersonen und Vermittlung der Informationen über die verschiedenen Fraktionen, als auf großer tatsächlicher Handlungsbeschreibung. Durch diesen Schreibstil bleibt die Welt selbst etwas blass, man kann sich nur schwer in die Situationen selbst hineinversetzen. Hierbei merkt man dann auch deutlich, dass es sich um den ersten Teil einer Trilogie handelt (dieser Trilogie werden übrigens noch zwei weitere, inhaltlich eigenständige und zeitlich abgetrennte Trilogien folgen, die auf derselben Welt spielen und denselben Grundkonflikt zugrunde liegen haben), in dem vor allem die Charaktere dargestellt und die Ausgangssituation der Story für die nächsten beiden Bücher ausgebreitet werden soll. Dennoch ist die Handlung interessant und legt vor allem in den letzten beiden Teilen des Buches an Tempo zu.

Highlight des Buches ist wohl die Charaktergestaltung. Bakker ist einfach meisterhaft in der Fähigkeit, seine Hauptpersonen unglaublich lebendig darzustellen, wodurch die Nebencharaktere im Vergleich aber leider etwas in der Gestaltung zurückbleiben. Durch die fast schon typische Beschreibung der Handlung aus der Sicht einer ganzen Reihe von Figuren hat man auch die Möglichkeit, die Hauptpersonen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Besonders das Wechselspiel zwischen Kellhus und Cnaiür im späteren Verlauf des Buches ist dabei brillant. Die Brutalität (das Buch ist wohl auch eher für etwas ältere Leser zu empfehlen), die ein Charakter, den man eigentlich als sympatisch – oder um den vielbemühten und kaum mehr angebrachten Begriff noch einmal zu verwenden, als “gut” – empfand, plötzlich aus einer anderen Perspektive zeigt, ist fast schon schockierend. Hier übertrifft Bakker auch einen George R. R. Martin, bei dem diese Personenbetrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln durch die geografische Abgetrenntheit der Personen einfach zu selten zustande kommt.

Doch der Vergleich mit George R. R. Martin ist sowieso eigentlich eher schlecht gewählt. Bakker ähnelt in Schreibweise und vor allem auch der Gestaltung seiner Welt in Bezug auf Magie und die verschiedenen Fraktionen und Allianzen vielmehr seinem kanadischen Landsmann Steven Erikson und dessen A Tale of the Malazan Book of the Fallen-Serie, als dem Amerikaner. Bakker darf nur nicht den Fehler machen und mit den nächsten Büchern ein Werk schaffen, das sich doch letzendlich nur um den epischen Kampf des Guten gegen das Böse dreht. Die Gefahr ist durchaus gegeben, aber eigentlich kann ich mir dies nur sehr schwer vorstellen.
Letzendlich lässt sich also sagen, dass Bakker gleich mit seinem Debütroman ein glanzvolles Werk hingelegt hat, das sich vor den großen Namen des Genres nicht verstecken muss. Die Schwächen bezüglich der Einleitung des Buches und der Weltgestaltung (bei der sich Bakker für meine Begriffe dann doch etwas zu stark an Tolkien orientiert) seien trotzdem noch erwähnt. Aber ich denke, Bakker hat durchaus noch das Potenzial sich in gewissen Punkten zu steigern.

Death Masks von Jim ButcherDas Grabtuch von Turin wurde aus dem Vatikan gestohlen, und Harry soll es finden. Was anfangs nach einer einfachen Aufgabe klingt, wird schnell brenzlig, als Harry es mit Auftragskillern, gefallenen Engeln, einer kopflosen Leiche mit zahllosen Krankheiten und dem Champion des Roten Hofes der Vampire zu tun bekommt. Als wären das noch nicht ausreichend Herausforderungen, taucht auch Susan plötzlich vor Harrys Türe auf und hat einen anderen Mann dabei.

– Some things just aren’t meant to go together. Things like oil and water. Orange juice and toothpaste.
Wizards and television. –
Kapitel 1, S. 1

Ein Vampir, ein Priester und ein Magier gehen in eine Talkshow …
Klingt wie der Anfang eines Witzes? Ist es aber nicht. Zumindest nicht für Harry Dresden, denn wie der geneigte Leser inzwischen gelernt haben dürfte, ist Harry ein Magnet für schwergewichtige Probleme, und davon am besten gleich mehrere an verschiedenen Fronten. In Death Masks (Silberlinge) treffen wir daher auf zwei große Handlungsstränge. Einmal wird der Krieg zwischen den Vampiren und den Magiern wieder aufgegriffen: Harry wird vom Champion der Vampire des Roten Hofs zu einem Duell herausgefordert, dessen Ausgang über den gesamten Krieg entscheiden soll. Um es für Harry auch ganz persönlich schwierig werden zu lassen, taucht Susan plötzlich vor seiner Türe auf, noch immer mit dem Vampirgift infiziert und in Begleitung eines anderen Mannes. Damit ist der Tag für Harry freilich bereits gelaufen, doch Harry wäre nicht Harry, wenn ein solcher Tag nicht noch wesentlich schlechter werden könnte. Damit sind wir auch schon beim zweiten großen Handlungsstrang, der buchstäblich biblische Ausmaße annimmt. Gefallene Engel haben es nicht nur auf das Turiner Grabtuch abgesehen, sondern auch auf Harry selbst. Ein Glück für den Magier, dass Michael und zwei weitere Kreuzritter zur Stelle sind, um ihm den Allerwertesten zu retten.

Die Qualität der Dresden-Bücher schwankt leider immer wieder von “einfach genial” zu “so lala” und diesmal sind wir näher an lala als an genial. Nach dem sehr starken vierten Band Summer Knight (Feenzorn) war zu erwarten, dass Death Masks einen schwierigen Stand haben würde. Schade, denn die Ideen sind durchaus gut, doch es gibt verschiedene Altlasten, die allmählich lästig werden. So wird die Geschichte nunmehr zum fünften Mal damit eingeleitet zu erklären, wer Harry ist und was er macht, wie er lebt, wer Bob und Mister etc. sind … Danke, Herr Butcher, doch nach fünf Bänden weiß die Leserschaft, was sie hier zu lesen gedenkt, und muss es nicht immer wieder gesagt bekommen. Ähnlich ist es mit Harrys altmodischem chevaleresken Gebaren in Gegenwart von Frauen, seien sie gerade auch noch so unfreundlich. Wo bleibt da bloß der gesunde Menschenverstand? Eine Frau mit Waffe muss wahrlich nicht beschützt werden, schon gar nicht, wenn sie damit auf einen zielt. Wirklich störend fällt es vermutlich nur deswegen auf, weil so oft wörtlich betont wird, dass Harry altmodisch und galant ist. Vielleicht fürchtet Butcher, seine Leser hätten die Aufmerksamkeitsspanne einer Eintagsfliege, dass er bestimmte Dinge bis zum Erbrechen wiederholen muss, statt einfach Harrys Taten für sich sprechen zu lassen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Harry in Death Masks extrem schlecht gelaunt wirkt und der Humor nur schwer durchklingt. Das schwächt den Unterhaltungsfaktor merklich ab und lässt einen verschärft den Blick auf Schwachstellen werfen, wie etwa die etwas seltsame sexuelle Begegnung zwischen Harry und Susan, die eher Bondage-Freunde begeistern dürfte, die eingangs genannten Wiederholungen und auch mal die ein oder andere dumme Entscheidung.

Gut gelungen dagegen sind wie immer der Weltenbau und die Entwicklung der Charaktere, von denen wir auf zahlreiche alte, aber auch etliche neue treffen. Der Leser erhält neue Einblicke in das Leben von Susan, Harry selbst und auch von Michael mit seinen Kreuzrittern. Vor allem mit dem neuen Charakter Archive alias Ivy und dem Auftragskiller Kincaid präsentiert Butcher ein ungleiches Paar, das für all den sonst zu kurz kommenden Humor und die schlechte Laune des Protagonisten entschädigt. Auch werden bereits vorhandene Handlungsstränge aus den vorigen Bänden konsequent fortgesetzt, so dass man auch hier neue Erkenntnisse erlangt. Bloß auf Hausgeist Bob und Ermittlerin Murphy muss man diesmal nahezu verzichten.
Death Masks weist einmal mehr darauf hin, dass es dunkle Geheimnisse in Harrys Familie gibt und er aus einem noch unbekannten Grund deswegen besonders reizvoll für die Denarier – die gefallenen Engel – und deren Anführer Nicodemus ist. Genaues erfährt der Leser leider nicht, die Dinge bleiben rätselhaft und sorgen für genug Neugierde, um auch den Folgeband zur Hand nehmen zu wollen.

Obwohl Death Masks wieder deutlich spröder und weniger unterhaltsam daherkommt als Summer Knight, lohnt es sich, am Ball zu bleiben. Vielleicht ist es auch nur eine Frage des thematischen Fokus. Während sich Summer Knight in der keltischen Sagenwelt bewegte, konzentriert sich Death Masks auf die christliche Mythologie. Doch egal, welche Themenrichtung einem nun mehr zusagt, die Handlungsstränge werden gewohnt temporeich erzählt, und wenn man es mit der Glaubhaftigkeit nicht allzu genau nimmt, dann kann man nach einem Augenrollen auch diesen fünften Roman in der Reihe noch gut genießen.

Der Sohn des Greifen von George R.R. MartinIn ihrer Gier nach dem eisernen Thron belauern sich die Adelshäuser im gegenseitigen Machtkampf, während die Sieben Königreiche weiter zerfallen. Einig sind sie sich nur in ihrem Misstrauen gegen die rechtmäßige Erbin der Krone: Daenerys Targaryen.
Mit einer steig wachsenden Armee und ihren drei Drachen greift sie von Osten as nach der Herrschaft über Westeros. Doch die eigentliche Gefahr droht aus dem Norden, wo sich Geschöpfe erheben die die Menschen des Südens zu überrennen drohen. Nur Jon Schnee und eine Hand voll tapferer Männer stemmen sich gegen die Bedrohung.

– Menschgestank hing in der Nacht. Der Warg blieb unter einem Baum stehen und schnüffelte. Sein graubraunes Fell war von Schatten gesprenkelt. Ein Seufzer des Kiefernwinds trug den Menschengeruch zu ihm und dazu die schwächere Witterung von Fuchs und Hase, Seehund und Hirsch und sogar Wolf. Das waren ebenfalls Gerüche von Menschen, wie der Warg wusste; der Gestank alter Felle, tot und bitter, der die stärkeren Gerüche beinahe vollständig überlagerte: Rauch und Blut und Fäulnis. Nur Menschen zogen anderen Tieren die Haut ab und trugen deren Fell und Haar. –
Prolog

Zu Der Sohn des Greifen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Der Sohn des Greifen und Ein Tanz mit Drachen.

Cover des Buches "The Destroyer Goddess" von Laura ResnickDie Insel Sileria liegt im Schatten des Vulkans Darshon, in dem die Zerstörergottheit Dar wohnt. Wenn Sie erwacht, bebt die Erde. Seit Jahrhunderten verhielt Sie sich ruhig, trotz der Besatzung durch fremde Eindringlinge – doch Dar beginnt sich zu regen.
Sileria wurde von fremder Herrschaft befreit, nur um unter das Joch der rücksichtslosen Wasserherren zu fallen, mächtigen Magiern, die jene terrorisieren, die von ihrer Gnade und dem Wasser abhängig sind.
Tansen und Mirabar versuchen, die Macht der Wasserherren zu brechen und Sileria endgültig zu befreien. Aber welche Rolle spielt Zarien, ein mysteriöser Junge, der von einer Seegöttin geschickt wurde? Und was hat es mit Mirabars Prophezeiungen auf sich?

-Elelar realzied what Tansen had done as soon as she saw the blood-soaked cloth wrapped around his left hand.-
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Der zweite Teil von In Fire Forged beschreibt den Höhepunkt der Trilogie The Cronicles of Sirkara, was man auch deutlich am gestiegenen Handlungstempo erkennt. Die Ereignisse verdichten sich immer mehr, Handlungsstränge werden zusammengeführt und ergeben ein überraschendes Gesamtbild. Überhaupt ist dieses Buch unvorhersehbar, ein scheinbar naher Sieg wird zur Niederlage, Freund zu Feind, Liebe zu Hass. Es ist faszinierend, wie sich die einzelnen Schicksale immer wieder verflechten, Nebenpersonen wieder auftauchen und an Bedeutung gewinnen. Die Lösung, die Resnick präsentiert, ist ebenso überraschend wie logisch.

Nicht nur die Handlung, auch die Komplexität der Beziehungen der Charaktere sowie die Charaktere selbst liegen weit über dem Standard von Fantasybüchern. Jeder Held hat seine Ecken und dunklen Geheimnisse, nicht jeder Bösewicht ist nur böse. Resnick versteht es, den Leser fast nur durch die Protagonisten zu fesseln. Nach und nach erfährt man so viele Details, die von Resnick später noch in die Handlung eingebaut werden.

Alles in Allem ist es ein perfekter Abschluss einer überdurchschnittlich guten Trilogie. Zwar schreibt Resnick am Ende, dass mit diesem Buch die Wirrungen der Insel Sileria enden, gleichzeitig aber deutet sie an, dass sie vielleicht erneut zu den Charakteren zurückkehren wird.

Der Dieb von Megan Whalen TurnerNur vereint könnten sich die rivalisierenden Staaten Sounis, Eddis und Attolia der Eroberung durch das Mederreich widersetzen – wenn es nach dem Magus des Königs von Sounis geht, unter Führung seines Herrn, dem er mithilfe eines sagenumwobenen Steins die Herrschaft über Eddis sichern will. Um das Artefakt aus seinem Versteck im feindlichen Attolia zu holen, benötigt er einen geschickten Einbrecher. Der Meisterdieb Gen, den seine Prahlerei mit einer besonders dreisten Untat ins Gefängnis gebracht hat, kommt ihm da gerade recht. Mit einigen Begleitern brechen die beiden nach Attolia auf. Doch unter den Gefährten lauert ein Verräter, und auch Götter, an die niemand mehr so recht glauben will, nehmen Einfluss auf den Ausgang des Abenteuers…

– Ich wusste nicht, wie lange ich schon im Gefängnis des Königs saß. Die Tage waren alle gleich, abgesehen davon, dass ich mit jedem schmutziger wurde als zuvor. –
Kapitel 1

Zu Der Dieb liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Percy Jackson: Diebe im OlympPercy Jackson ist ein Problemkind wider willen, denn er gerät von einer seltsamen Situation in die nächste. Kein Wunder, dass er schon von sechs Schulen geflogen ist. Was er und der gewöhnliche Mensch aber nicht ahnen: Percy Jackson ist kein Unruhestifter sondern ein Halbgott und damit in höchster Lebensgefahr. Denn die Schergen des Gottes der Unterwelt haben es auf den Jungen abgesehen, nicht nur weil er im Verdacht steht, den berüchtigten Blitz des Zeus gestohlen zu haben. Die Furien sind ihm bereits dicht auf den Fersen, und die einzige Chance zu überleben scheint das Camp Half-Blood zu sein in dem ein mauliger Dionysus die Leitung hat.

– Ein Halbblut zu sein ist gefährlich. Beängstigend. Meistens führt es zu einem schmerzhaften, scheußlichen Tod. –
Aus purem Zufall lasse ich meine Mathelehrerin in Dampf aufgehen

Zu Diebe im Olymp liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Diving Mimes, Weeping Czars and Other Unusual Suspects von Ken ScholesDie siebzehn Kurzgeschichten führen diesmal auf die Erde nach einem Alien-Angriff, Kolonien auf fernen Planeten, deren Siedler längst die Technik vergessen haben, in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, ins Herz eines Galaktischen Imperiums, in eine Bar irgendwo im Westen und an etliche andere Orte zu anderen Zeiten.

-Frederico leaned close to smell the poison on his thirteenth wife’s cold, dead lips.-
A Weeping Czar Beholds the Fallen Moon

Auch Ken Scholes’ zweite Sammlung von Kurzgeschichten – eine Form, in der der Autor zu Hause ist wie der Fisch im Wasser – bietet wieder einen kreativen Reigen von vor allem thematisch und durch ihre überbordende Phantasie verbundenen Episoden, die völlig verschiedenen Subgenres zuzuordnen sind und die Tür zu ihren jeweiligen Welten einmal weit aufreißen, um sie nach einem kurzen Blick wieder zu schließen.
Das Nachwort verrät – falls man es sich nicht aus den Texten selbst erschließen konnte – die Zugehörigkeit einzelner Geschichten zu größeren (meist noch ungeschriebenen) Zyklen oder einem gemeinsamen Setting.

Zwei der Geschichten gehören zur Psalms of Isaak (Die Legende von Isaak)-Reihe, darunter die lange Eröffnungs-Erzählung, die eine gute Ergänzung zum zweiten Band der Reihe darstellt und in eine frühere Ära der Benannten Lande führt. Of Missing Kings and Backward Dreams and the Honoring of Lies ist dagegen ein früher Entwurf für den ersten Band, als dieser noch als Zyklus aus mehreren Kurzgeschichten konzipiert war, und gibt einen guten Einblick in Scholes’ schöpferischen Prozess.
In beiden Geschichten tritt eines seiner großen Talente zutage: Mit der Weltschöpfung auch auf kleinstem Raum mehr zu vermitteln als andere in ganzen Zyklen und dieses Grundkonzept der Fantasy, das Simulieren von großen Welten mit wenigen Worten, damit auf die Spitze zu treiben.
In beinahe jeder Geschichte in Diving Mimes and Weeping Czars kann man staunend davorsitzen, wenn dieser Trick wieder und wieder gelingt, etwa in der knallig bunten und tieftraurigen postapokalyptischen Erde der Four Clowns of the Apocalypse and the Mecca of Mirth, die sich schnell ein neues Bezugssystem aus Mythen und Geschichten zugelegt haben, oder im pangalaktischen Invisible Empire of Ascending Light, das schon etliche Schismen hinter sich hat und in der tragischen Erzählung nur eine Ahnung der Geschichten vermittelt, die sich innerhalb seiner Grenzen abspielen könnten.
Dieses unerwähnt bleibende Mehr, das in vielen Geschichten der Sammlung mitschwingt, ist mitunter Scholes’ größte Trumpfkarte.

Eine andere sind seine Themen: Fast alle Geschichten haben spirituelle, aber auch religionskritische Untertöne, in einigen rücken sie auch in den Vordergrund, wie etwa bei On the Settling of Ancient Scores, wo es Gott und der Teufel in einer Bar austragen wollen, oder The God-Voices of Settler’s Rest, einer melancholischen Rückschau auf ein Leben, das einer ominösen Religion gewidmet war.
Auf verschiedenen Wegen nähert sich Scholes auch dem Umgang mit dem Tod (absurd und tragikomisch, aber psychologisch unfehlbar in Grief-Stepping to the Widower’s Waltz, mit eindeutig durchschimmernder Eigenerfahrung in The Taking Night). Zwei Liebesgeschichten bereiten auch dieses Thema verspielt und geschickt auf: Love in the Time of Car Alarms ist eine niedliche, aber unkitschige Romanze in Scholes’ Superhelden-Universum, There Once Was a Girl in Nantucket reiht die Liebe als ein weiteres Element in eine Parade von surrealen Ereignissen ein.

Viel Vergnügen machen auch zwei Geschichten, die auf den Artus-Mythenkreis zurückgreifen, diesen aber sehr ungewöhnlich umsetzen: eine entpuppt sich als auf schlichte Weise schön und bleibt dicht an ihrem adoleszenten Helden, der in die Fußstapfen von Tom Sawyer und Huckleberry Finn zu treten scheint, die andere tischt ein kurioses, drastisches Setting auf und wird von Scholes’ Inszenierung der Heldenwerdung seiner Figuren getragen – wie schon in früheren Geschichten versteht er es, völlige Außenseiter in diese Rolle zu drängen und ihnen in den richtigen Momenten Pathos zu verleihen.
Nicht nur in dieser Geschichte ist die Zeit nach der Apokalypse ein Thema, zu dem Scholes immer wieder zurückkehrt – er beschreibt Neuanfänge, oft Rückfälle auf niedrigere Entwicklungsstufen, oder eine völlige Veschiebung des gesellschaftlichen Paradigmas, meist weg von der Rationalität, hin zum Glauben oder zu Welten, in denen Mythen und Geschichten Realität stiften.

Diese Mythen zaubert er aus dem Hut, als wären sie im Dutzend billiger – Ähnlichkeiten und gemeinsame Ursprünge lassen sich feststellen, genauso, wie sich nach und nach ein Mosaik aus Geschichten ergibt, die Teil eines größeren Entwurfs sind. Selbst in den kürzesten Geschichten, dem poetischen SF-Action-Kracher (!) The Night the Stars Sang Out My Name und der düsteren und trotzdem warmherzigen Endzeit-Episode What Child is This I Ask the Midnight Clear, scheut sich Scholes nicht, eine Fülle von Hintergründen durchscheinen zu lassen, die auf mühelose Weise authentisch wirkt.
Eines der Highlights der Sammlung, The Second Gift Given, ist dann auch zugleich Schöpfungs- und Zukunftsmythos und kann außerdem gut als Beispiel dafür dienen, dass die anspruchsvollen Konstruktionen des Weltenbaus niemals die menschliche Basis der Geschichten überragen: Es behandelt ein moralisches Thema, mit dem beinahe jeder Mensch irgendwann einmal konfrontiert wird, auf so einfühlsame Weise und gleichzeitig mit einem solchen Weitblick, dass man schon allein für diese eine Geschichte unter siebzehn diese Sammlung ins Regal stellen sollte.

Cover von The Books of the South von Glen CookNach der Niederlage in Dejagore ist die Lady plötzlich ganz auf sich allein gestellt. Die Black Company ist entweder zerschlagen oder harrt in der von den Schattenmeistern belagerten Festung Dejagore aus. Von Rachegelüsten getrieben, macht sie sich daran, eine neue schlagkräftige Truppe aufzubauen und findet dabei unerwartete Unterstützung von den Anhängern eines finsteren Kultes. Doch diese fragile, von jeder Seite aus Eigennutz geschlossene Allianz birgt mindestens genausoviele Gefahren wie die Ränke, die eine andere ebenfalls auf Rache sinnende Macht gegen die Lady und die Black Company schmiedet.

-Croaker’s fault. His weakness. […] For all his cynicism about motives he’d believed that in every evil person there was good trying to surface. I owe my life to his belief but that doesn’t validate it.- S. 249/250

Dreams of Steel ist der zweite Band der Books of the South und wirkt tatsächlich etwas eigenständiger als der Vorgängerband. Das liegt zum Großteil daran, dass sich die Handlung nach der missglückten Schlacht bei Dejagore fast ausschließlich um die Lady und ihren Rachefeldzug gegen die Schattenmeister dreht. Das bringt durchaus willkommene Abwechslung von den alten Bekannten mit sich, an deren Stelle nun neue teils dubiose, teils durchaus sympathische Nebenfiguren treten. Ebenso gelungen ist es, die Lady als neue Erzählerfigur auftreten zu lassen. Denn in ihrer Mischung aus kaltblütiger Berechnung – die zu teils etwas gar drastischen Maßnahmen führt – und immer wieder durchschimmernder Menschlichkeit bleibt sie die spannendste, weil ambivalenteste, der präsentierten Figuren. Außerdem böten ihre Methoden, die neue Truppe, die sie nun unter ihrem Kommando aufbaut, zusammenzuschweißen und an sich zu binden (gezielte Traumatisierung, Abgrenzung von der Außenwelt), durchaus Stoff, den auszuloten sich lohnen würde, der aber leider nicht weiter thematisiert wird.

Auch Taglios wird nun ausführlicher ausgestaltet und die Anleihen sowohl beim populärkulturellen Bild von Indien als auch beim historischen Indien sind deutlicher zu erkennen. Diese reichen vom dunklen, im Hintergrund agierenden Kult à la Indiana Jones samt farbenprächtig-groteskem mythologischen Hintergrund, in den auch die Black Company verwickelt ist, bis hin zur patriarchalischen Gesellschaft samt Witwenselbstverbrennung. Die selbstbewusste (und auch etwas selbstherrliche) Art der Lady muss in diesem Umfeld für Konflikte sorgen, deren „Lösung“ sehr zum insgesamt deutlich düstereren und brutaleren Eindruck von Dreams of Steel beiträgt, der aber auch der Tatsache geschuldet sein mag, dass die Lady die deutlich ernstere Erzählerfigur ist. Zugleich stellt die entsprechende Szene auch den traurigen Höhepunkt des bereits im Vorgängerroman von jeder Figur gepredigten Priesterhasses dar.

Es empfiehlt sich Dreams of Steel – Cliffhanger am Ende des Vorgängers und Sammelband zum Trotz – nicht gleich im Anschluss an Shadow Games zu lesen, denn dann fällt die Tatsache, dass das erste Drittel des Buches erneut dem Aufbau einer schlagkräftigen Truppe gewidmet ist, weniger negativ auf. Danach sorgt das verstrickte Intrigenspiel, in dem jede der darin verwickelten Parteien mehr als ein Ziel verfolgt, für ausreichend Spannung, sofern man darüber hinwegsehen kann, dass es dem Roman auch hier an wirklich Neuem mangelt. Denn gefährliche Ränke begleiten die Black Company seit dem ersten Band und die Person, die auch in diesem Fall die Fäden zieht, kennt man schon genausolange.
Während die größeren der schwelenden Konflikte, etwa jener zwischen der Lady und ihren kultischen Mitstreitern, eher gemächlich vonstattengehen, wirken andere (Figuren-)Entwicklungen etwas überstürzt, so etwa die zurückkehrenden magischen Fähigkeiten der Lady oder die unglückliche Rolle Mogabas in Dejagore. Die Books of the South enden zwar mit dem vorliegenden Band, die Handlung endet allerdings in einem Cliffhanger, der wohl direkt zu den Books of the Glittering Stone überleiten soll.
Ob Glen Cook in den Folgebänden die vielen verschiedenen Konfliktherde, die sich allein in diesem Roman mindestens verdoppelt haben, zu befriedigenden Enden führt oder eher noch mehr ihrer Art eröffnet, wird wohl darüber entscheiden, ob die Reihe doch noch einmal zu einem gelungenen Abschluss findet, der in The White Rose eigentlich schon vorhanden gewesen wäre, oder ob sie zu lange fortgesponnen wird.

Das Einhorn Band 1: Der letzte Tempel des Asklepios von Mathieu Gabella/Anthony JeanAmbrosius Paré ist ein französischer Chirurg, der die Umwälzungen der Renaissance im wissenschaftlichen Bereich lebt: Anstatt aus den Schriften antiker Gelehrter bezieht er sein Wissen über den menschlichen Körper aus dem Sezieren von Leichen, dementsprechend wenig hält er auch von den Behandlungsmethoden der scholastisch gebildeten Mediziner. Bei der Untersuchung eines grausamen Mordfalls in Paris gerät er unversehens in einen Konflikt zwischen zwei mächtigen Organisationen. In Begleitung illustrer Gesellschaft muss er Frankreich verlassen und sieht sein gesamtes Weltbild in Frage gestellt, steht doch nicht weniger als die Natur des Menschen selbst auf dem Spiel.

-“Aber Meister Paré ist immerhin Chirurg des …” -“Chirurg von was? Er trägt keine Robe! Spricht weder Latein noch Griechisch und hat die alten Weisen nicht gelesen!” S. 8

Bei Das Einhorn von Mathieu Gabella (Text) & Anthony Jean (Illustrationen) handelt es sich um waschechte Historienfantasy im Comicformat (vier Bände).
Das Medium ist in diesem Fall ein echter Gewinn, denn Setting, Geschichte, Thema und künstlerische Umsetzung sind sehr gelungen miteinander verschränkt. Darauf lassen bereits die Cover schließen, auf denen anatomische Studien à la Leonardo da Vinci das Hintergrundmotiv bilden. Das historische Setting wird von einem Zeichenstil getragen, der den Panels ihren handwerklichen Aspekt belässt und der mit seinen zumeist warmen Grundtönen den historischen Charakter der Geschichte zusätzlich unterstreicht. Gleichzeitig fließen die Renaissance und deren Wissenschaft noch viel direkter in die Comics ein, indem Kreaturen ein handlungstragendes Element darstellen, die nach dem Vorbild der Körperstudien Leonardo da Vincis entworfen sind und Neuinterpretationen einer Vielzahl von Fabelwesen darstellen – die sogenannten Primordialen.

Das Einhorn Band 2: Ad Naturam von Mathieu Gabella/Anthony JeanMan merkt also schon, Medizin und Wissenschaft spielen eine zentrale Rolle in dieser Comicreihe. Wer noch kein Hintergrundwissen zu Wissenschaft und Medizin hat, braucht sich aber nicht zu fürchten, die wichtigsten Begriffe werden im Text erklärt und alle vier Bände liefern bandspezifische historische Infos am Schluss. Sowohl das antik-scholastische Körper- und Wissenschaftsbild als auch das „modernere“ der Renaissance werden dabei (auf unerwartete Weise) ernst genommen, immer wieder tauchen historische medizinische Theorien und deren Vertreter in der Handlung auf.
Der gute Gesamteindruck der Reihe wird jedoch durch die Bände drei und vier getrübt, die die Handlung vor allem im Hinblick auf Bombast und Rasanz vorantreiben, ohne ihr mehr Tiefe zu verleihen, ohne das Thema weiter auszuloten oder die Beweggründe der beteiligten Fraktionen befriedigend zu erklären. Tatsächlich ist gerade der abschließende zugleich der schwächste Band der Reihe, vor allem, weil er sich, anstatt das eigentliche Ende, das die Verbindung zum aktuellen anatomischen Zustand des Menschen darstellen musste, kreativer auszugestalten, mit einem Twist aufhält, der neu eingeführt und im gleichen Band abgeschlossen wird, aber eher mehr Unklarheiten zurücklässt als beseitigt. Das Streben nach einem fulminanten Finale mit Superlativen zerstört leider auch viel von dem Flair, das die ersten beiden Bände entwickelten.

Eine kleine Warnung noch: Wie das Setting vielleicht erahnen lässt, sind manche Darstellungen doch sehr explizit und gerade im ersten Band gibt es viele brutale Szenen, in den späteren Bänden nimmt dies deutlich ab.
So bleiben die ersten beiden Bände eine Empfehlung an alle Comicfans, die Bände drei und vier können jedoch das Potenzial der Reihe nicht ausschöpfen, sondern verflachen zunehmend. Wer eine Kostprobe von Zeichenstil und Story haben möchte, der besuche die Seite des Verlags oder klicke hier (Leseprobe zum ersten Band).

Elantris von Brandon SandersonElantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren  die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …

-Prince Raoden of Arelon awoke early that morning, completely unaware that he had been damned for all eternity.-
Chapter 1

Mit seinem Debutroman Elantris hat Brandon Sanderson den Grundstein für eine steile Karriere gelegt, die ihn inzwischen als Nachfolger Robert Jordans beim Rad der Zeit und Verfasser eigener umfangreicher Fantasy-Zyklen in die erste Liga der Autoren geführt hat. Liest man seinen gefeierten Erstling,  der durchaus wegweisend für die literarische Richtung ist, die Sanderson seither eingeschlagen hat, weiß man nicht recht, ob man lachen oder weinen soll, weil ein weiteres Mal ein allzu simpel nach Schema F gestrickter Fantasy-Roman die Gunst der Leser erworben hat …
Mit hohem Tempo wechselt Sanderson die Handlungstränge um den durch das Shaod verdammten Prinzen Raoden, der sich im elenden Elantris durchschlägt, seine Verlobte Sarene, ein allen Widrigkeiten zum Trotz emanzipiertes, kluges, politikbegeistertes Mädchen, das sofort die Zügel in Raodens Heimat Arelon an sich reißt und in der Folge die Politik des kleinen Landes komplett auf den Kopf stellt, und den Priester Hrathen, der mit der Kraft der Logik ein ganzes Volk bekehren will und dabei eine fanatische Natter an seinem Busen heranzüchtet. All diese Handlungsstränge laufen ab und berühren sich wie ein gut geöltes Uhrwerk, man steigt schnell ein, aber die Spannung bleibt auf der Strecke, weil alles in so glatten und vorhersehbaren Bahnen verläuft.

Der Held Raoden ist ein Super-Optimist, dem trotz widrigster Umstände in den ersten 250 Seiten gerade einmal drei Zeilen Selbstzweifel zugestanden werden (und dann schlägt der Blitz ein und Raoden darf sich einige Seiten lang im Elend aalen, als hätte der Autor einen Schalter umgelegt); die Heldin ist ein ähnliches Kaliber. Einfache, sich ständig wiederholende Charakterzüge werden verwendet, um den Figuren Eigenständigkeit zu verleihen, bis man es nicht mehr lesen kann, dass Sarene mit ihrem Finger an die Wange tippt, wenn sie kurz vor einer weiteren genialen Idee steht – denn gute Einfälle gibt es am laufenden Meter in Elantris. So schwer Feinde und widrige Umstände den Helden das Leben auch machen, sie sind niemals auch nur einen Augenblick lang um eine Lösung verlegen.
Dabei hat die Handlung durchaus Potential für Spannung – eine Stadt voller Zombies sucht nach Erlösung, während außenherum das Land in den Ruin stolpert. Wenn diese Gemeinschaft der Gefallenen fieberhaft an einem Ausweg für das Hauptproblem – den Fall von Elantris – arbeitet, kann man sich ein wenig mitreißen lassen. Um so enttäuschender ist dann aber die hahnebüchene Auflösung.

Das Ende ist ohnehin ein Spektakel, und kein erfreuliches: Eine bunte, sensationelle und gigantische Explosion von Magie, und wenn man sich vorab schon in einem Hollywood-Schinken der platteren Sorte gewähnt hat, kommen hier erst recht die passenden Szenen für diese These: Ein Totgeblaubter rappelt sich noch einmal blutend und stöhnend auf, um dem Bösewicht in einer kritischen Situation schnell Eins überzubraten, ein längst vergessener Charakter stolpert zufällig aus einer Kneipe und löst eine Kettenreaktion aus. Während ein ganzes Buch lang niemand ins Gras beißen musste, werden innerhalb von drei Seiten beinahe alle getötet (aber mit Auferstehungsoption), und wirklich jede einzelne Figur darf etwas zur Rettung beitragen, auch wenn sie nur für diese eine Aktion 400 Seiten weit mitgeschleppt wurde.
Mit den Holzhammerfiguren, der auf reine Dynamik hinkonstruierten Geschichte und den clever eingebundenen Themen, die ohne in die Tiefe zu gehen angerissen werden – von Emanzipation über Herrschaftssysteme hin zu Selbstbewußtsein und Erfüllung im Leben – kann man Elantris wohl ganz gut konsumieren, aber etwas Besonderes oder gar Subtiles fehlt dieser Klischeeparade, die sich liest, als hätte Brandon Sanderson einfach die Erfolgsformel für Fantasy-Romane abgearbeitet.

Elantris (deutsch) von Brandon SandersonElantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …

-Elantris war wunderschön. Früher einmal. Man nannte es die Stadt der Götter: Ein Ort voll Macht, strahlendem Glanz und Magie.-
Prolog

Zu Elantris liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Elric von Michael MoorcockIn The Dreaming City kehrt Elric als rechtmäßiger Thronanwärter in die letzte verbliebene Stadt des einst mächtigen Reiches von Melniboné zurück. Allerdings nicht um den Thron zu beanspruchen, sondern an der Spitze einer Seeräuberarmada und von Rachedurst getrieben. In While the Gods Laugh begibt sich Elric auf die Suche nach einem Buch der Alten Götter, um mehr über die Götter und sein Schicksal in der Welt zu erfahren. Dabei stellen sich ihm nicht nur allerhand phantastische Ungeheuer in den Weg, sondern er lernt auch seinen künftigen Side-kick Mondmatt (im Original Moonglum) von Elwher kennen. Rachsucht treibt den Prinzen von Melniboné in Stealer of Souls dazu, sich einem Komplott gegen den Händler Nikorn anzuschließen, denn dieser beherbergt einen Zauberer, mit dem Elric noch eine Rechnung zu begleichen hat. In Kings in Darkness begeben sich Elric und Mondmatt ins Reich der körperlich und geistig versehrten Orgians, wo sie sich auch noch mit Untoten herumschlagen müssen, dabei aber eine ganz besondere Bekanntschaft machen. In The Caravan of Forgotten Dreams wird Elrics lang ersehnter Friede durch eine sengende Barbarenhorde gestört, deren Anführer sich für einen mächtigen Zauberer hält. In Stormbringer schließlich entspinnt sich der alles entscheidende Kampf zwischen den Mächten der Ordnung und des Chaos.

-Then he realized that he and the sword were interdependent, for though he needed the blade, Stormbringer, parasitic, required a user – without a man to wield it, the blade was also powerless. ‘We must be bound to one another then,’ Elric murmured despairingly. ‘Bound by hell-forged chains and fate-haunted circumstance. […]’- S. 34

Elric von Melniboné ist wohl eine der bekanntesten Heldengestalten der Fantasy, kein Wunder also, dass ihm auch ein Band der Fantasy Masterworks-Reihe gewidmet ist. Ob dieser jedoch geeignet ist, den in den 1960er Jahren entstandenen Helden auch modernen LeserInnen nahezubringen? Der Sammelband umfasst dabei nicht sämtliche Erzählungen, in denen der Prinz von Melniboné eine Rolle spielt, liefert aber dessen ursprüngliche Geschichte. Elric vereint nämlich fünf Erzählungen, als da wären The Dreaming City, While the Gods Laugh, The Stealer of Souls, Kings in Darkness und The Caravan of Forgotten Dreams, sowie den Roman Stormbringer in sich. Dabei liefern die Erzählungen Vorwissen für Stormbringer, in dem Elrics Geschichte in einem großen Finale mündet, gleichzeitig ist in diesem „Kanon“ genug Spielraum für die später verfassten Abenteuer Elrics. Alle diese Geschichten rund um den schicksalsgeplagten Albino sind Anfang der 1960er Jahre entstanden, und man muss sagen, dass nicht alle gut gealtert sind. Hierbei sollte aber auch erwähnt werden, dass diese Erzählungen ursprünglich als Fortsetzungsgeschichten erschienen sind, woraus sich ihr manchmal etwas zergliederter und auch pulpiger Eindruck erklärt.

Eine Schwierigkeit, die sich bei vielen übermächtigen Helden ergibt und die auch Moorcock nicht immer ganz gelungen meistert, ist, wie man diesen vor erzählerisch spannende Probleme stellt. So schwanken Elrics Fähigkeiten eher dramaturgisch als logisch nachvollziehbar von Erzählung zu Erzählung, dabei sind seine übermächtigen Zauberfähigkeiten fast problematischer als seine Schwächen, denn während für letztere mit seiner körperlichen Abhängigkeit von Sturmbringer (im Original Stormbringer) eine immer wieder einsetzbare Erklärung vorhanden ist, bleibt der einmalige Einsatz mancher Fähigkeiten unerklärt.

Auch das Frauenbild ist eines, das zutiefst den historischen Umständen verpflichtet ist, denn in seinen Frauenbeziehungen erinnert Elric mehr an James T. Kirk als an eine tragische Heldenfigur, liegen ihm doch die wenigen Damen, die in den Geschichten eine Rolle spielen, stets zu Füßen. Ebenso verfällt ihm Zarozinia nach nur acht Seiten so sehr, dass sie Elric ehelichen will – nach einer Dialogszene und einer Liebesnacht …
Aber nicht nur die Frauen, auch die übrigen Figuren werden zumeist eher pragmatisch, das allerdings gekonnt, charakterisiert. Mondmatt etwa bleibt stets das willkommene Gegengewicht zum grüblerischen, selbstmitleidbeladenen Prinzen von Melniboné und bringt etwas Humor in die eher bedrückenden Geschichten.

Was Elric zu einem Klassiker der Fantasyliteratur gemacht hat, funktioniert allerdings auch heute noch, und das ist die Figur des Elric selbst. Denn ihn zeichnen an sich weder seine Kampf- und Zauberfertigkeiten noch seine Frauengeschichten besonders aus, sondern sein Außenseiterdasein und sein Potenzial zum Antipathieträger. Körperlich schwach ist er abhängig von seinem schwarzen Runenschwert Sturmbringer, das ihm jedoch nicht nur Kampf- und Zauberkraft verleiht, sondern auch (bösartig) in seine Geschicke eingreift. Diese ambivalente Beziehung spielt in jeder der enthaltenen Erzählungen eine prominente Rolle und wird gelungen in Stormbringer beendet. Das Hadern mit seinem eigenen Schicksal und der (Un-)Ordnung der Welt, sein Hang zum Rachedurst sowie zur Theatralik (auch in Sachen Selbstmitleid) machen ihn zu einer spannend gebrochenen Heldenfigur. Gleichzeitig weist er auch schon beinahe liebenswert banale Schwächen (Höhenangst) und Schrulligkeiten auf.
Auch der Weltenbau ist voller interessanter Aspekte und atmosphärisch-archaischer Szenen und Schauplätze. Gerade in Stormbringer entfaltet sich das Potential der Figur Elric und seiner Welt, das in den Erzählungen nicht immer ganz zum Vorschein kam, voll. Ein größerer Handlungsrahmen, mehr Figurenzeichnung und ein gelungenes Finale entschädigen für so manche Schwäche auf den vorangegangenen Seiten.

Elrics Abenteuer bieten also keinen gänzlich ungetrübten Genuss, die genrehistorische Bedeutung dieser Heldenfigur wird aber dort, wo ihr etwas mehr Raum neben actionorientierten Abenteuern zugestanden wird, offenbar und kann euch heute noch ihre Wirkung entfalten.

The Emerald Storm von Michael J. SullivanKönig Alric wird ein Brief zugespielt, aus dem hervorgeht, dass für den Kriegserfolg des feindlichen Kaiserreichs die geheime Mission des Schiffs Emerald Storm von entscheidender Bedeutung ist. Obwohl Royce, dessen Hochzeit unmittelbar bevorsteht, und der mit einer privaten Queste beschäftigte Hadrian eigentlich andere Pläne haben, lassen sie sich breitschlagen, die Fahrt als Seeleute getarnt mitzumachen, um mehr herauszufinden. Doch diesmal hat Royces Erzfeind Merrick Marius die Hand im Spiel, und das droht nicht nur den beiden Gaunern zum Verhängnis zu werden, sondern auch Prinzessin Arista zu gefährden, die mittlerweile auf eigene Faust nach dem gefangenen Rebellen Degan Gaunt sucht …

– “Why does this always happen?“ Royce asked. “Why are we always hanging on a wall waiting to die by slow vivisection? I just want to point out that this was your idea – again.“ –
(Chapter 25 – Invasion)

The Emerald Storm ist in mehrerlei Hinsicht der bisher schwächste Roman der Riyria Revelations.  Zum Teil hängt das sicher damit zusammen, dass Michael J. Sullivan an dieser Stelle in der übergreifenden Geschichte schon zu weit vorangekommen ist, um sie noch sinnvoll mit seinem eigentlich angestrebten Konzept der in sich abgeschlossenen Einzelepisode verbinden zu können: Er muss sein Figurenensemble erkennbar für die beiden abschließenden Bände der Serie in Stellung bringen und immerhin einige der bisher aufgeworfenen Sachfragen klären.

Die Konzentration darauf geht zulasten der Handlung. Der Paukenschlag, mit dem sie einsetzt, als gleich im ersten Kapitel eine zentrale Gestalt einem Attentat zum Opfer fällt, täuscht: Was folgt, ist streckenweise nichts als eine mehr oder minder übersteigerte Wiederholung von Elementen der vergangenen Bände. Besonders Aristas Erlebnisse – ein riskanter Alleingang, das Hineinwachsen in die eigenen magischen Fähigkeiten und eine tragisch endende Beziehung zu einem nicht standesgemäßen Mann – wärmen fast exakt das wieder auf, was schon in Nyphron Rising geschildert wurde. Doch auch Hadrian und Royce ergeht es kaum besser. Zwar ist ihr Handlungsstrang auf den ersten Blick komplexer aufgebaut, doch im Grunde wiederholt sich auch hier ein vertrautes Schema.

Wie zum Ausgleich für das, was das Grundgerüst des Plots nicht bieten kann, zwängt Sullivan eine Überfülle von Einzelabenteuern häufig exotischer Prägung in diesen einen Band. Von einem Seegefecht über eine Dschungelexpedition und Begegnungen mit klischeebefrachteten Eingeborenen (die zu allem Elend auch noch mit ausgeschriebenem Akzent sprechen) bis hin zu einem aufgezwungenen Gladiatorenkampf ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

In der Summe ist das etwas zu viel des Guten. Gerade die Szenen auf dem titelgebenden Schiff wirken wie ein Fremdkörper in dem vagen Pseudomittelalter, das Royce und Hadrian gewöhnlich durchstreifen. Sullivan schildert Schiffstypen, Kommandostrukturen und Segelmanöver, die eher im 18. bis 19. Jahrhundert zu verorten wären, und wenn auch in einer Fantasywelt per definitionem keine echten Anachronismen möglich sind, werden doch die falschen Assoziationen wachgerufen. Dass Sullivan diesen unvereinbaren Kontrast beabsichtigt hat, ist kaum anzunehmen, und es bleibt ein unfreiwillig merkwürdiges Leseerlebnis, wenn die seekranken Helden sich in eine Mannschaft in bester Age-of-Sail-Tradition einzufügen versuchen, während unter Deck eine Mischung aus Tempelritter und Inquisitor Folter- und Mordgelüste an gefangenen Elfen auslebt.

Das amüsante bis anrührende Zusammenspiel der beiden Protagonisten funktioniert allerdings immer noch, und spätestens, als ein sehr heterogener Trupp von der Emerald Storm in den Dschungel aufbricht, gelingt es Sullivan auch, eine durchaus interessante Gruppendynamik herzustellen. Über einen Mangel an Action kann man sich ebenfalls nicht beklagen, und so ist das Buch insgesamt nicht ohne Unterhaltungswert – nur eben ganz gewiss nicht mehr als die Summe seiner Teile.

Kushiel: Die Erlösung von Jacqueline Carey10 Jahre Frieden hat das Orakel prophezeit, und die neigen sich dem Ende zu. Es beginnt mit Albträumen über Hyacinthe, dann erreicht Phèdre ein Brief von Melisande – in dem sie um Hilfe bittet. Trotz Protests Jocelines reist sie nach La Serenissima und stellt sich ihrer Erzfeindin. Doch anstatt der kühlen, berechnenden Verräterin erwartet sie eine sorgende Mutter, denn Melisandes Sohn Imriel ist verschwunden. Der Dritte in der Thronfolge wurde aus seinem Versteck entführt. Nur einer Person traut Melisande zu, ihren Sohn zu finden, und bietet dafür den Schlüssel zur Rettung von Hyacinthe. Obwohl sie damit ihrer Feindin hilft, begibt sich Phèdre auf die gefahrvolle Suche nach dem Jungen …

– Es endete mit einem Traum. –
1. Kapitel

Zu Die Erlösung liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Flammenbucht von Markolf HoffmannEs scheint, als werde der Kontinent Gharax innerhalb kürzester Zeit in Trümmer fallen, denn die Menschen haben den angreifenden Goldéi kaum etwas entgegenzusetzen. Im Gegenteil verfangen sie sich in ihren eigenen Intrigen – Bürgerkriege und Machtgerangel sind an der Tagesordnung. Die geheime Sekte der Mondjünger verfolgt ebenso wie die Priester der Kirche Tathrils eigene Pläne. Hinter alledem steht eine uralte Schuld und ein uralter Zwist, ein Geflecht aus Lügen, das keiner der Beteiligten zu durchschauen vermag. Im Mittelpunkt stehen die Quellen, die den Zauberern jahrhundertelang magische Macht verliehen haben, und um die nun ein langwieriger Kampf entbrennt.

-Ist jede Stadt, von Menschenhand errichtet, dem Untergang geweiht? Kündigt sich, wenn Stein auf Stein geschichtet und Balken auf Balken gezimmert wird, bereits die Stunde an, in der dieses Bauwerk sein gewaltsames Ende findet, in der ein Feuersturm die Mauern zermürbt und zum Einsturz bringt?-
Prolog

Als Markolf Hoffmann die LeserInnen nach Gharax zurückkehren lässt, ist das Zeitalter der Wandlung voll im Gange. Der direkte Einstieg in die komplexe Geschichte ist nach einer längeren Pause ein wenig haarig, wird aber von einem exzellenten Prolog versüßt, der einem schnell die Vergangenheits- und Gegenwarts-Handlung nahebringt. In dieser Erzählung darüber, wie Städte fielen und wie Städte fallen, treten bereits die beiden großen Stärken des Autors zutage: Das kunstvolle Verflechten einzelner Handlungsstränge zu einem größeren Ganzen und eine Sprache, die nicht vor Experimenten zurückscheut.
Es ist ein feines Gespinst, das Markolf Hoffmann hier präsentiert. Schnell bemerkt man, dass im ersten Band die Figuren lediglich ins Spiel gebracht und an ihren Platz manövriert wurden, und dass das Drama nun erst richtig in Fahrt kommt. Immer wieder gibt es Überraschungen, Ereignisse, die einander bedingen oder beeinflussen, ohne dass man es geahnt hätte, und die Flammenbucht weniger zu einer linearen Aneinanderreihung von Szenen als zu einem dicht verwobenen Gesamtkunstwerk machen, dessen Ausmaße und Wechselwirkungen dem Leser erst nach und nach bewusst werden.

Zusätzlich kann man auch noch auf der ganzen Länge des Buches in schöner Sprache schwelgen. Hoffmann erzählt teils sehr poetisch und in schönen Bildern – er verliert sich aber nie darin, so dass ein dichter Erzählstil und die Spannung erhalten bleiben. Obwohl viel älterer, ungebräuchlicher Wortschatz verwendet wird, klingt es niemals anachronistisch, sondern wirkt an einigen Stellen durchaus experimentell. Mit dieser Mischung meistert Hoffmann sowohl Kampf- als auch Liebesszenen und hat Zugang zu epischer Breite, aber auch schwankartiger Komik.
Dass man nun mitunter auch herzlich lachen kann, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Das Zeitalter der Wandlung weiterhin eine kühle Distanz zu den LeserInnen wahrt. Mancher Protagonist offenbart im zweiten Band menschlichere Züge, aber auch Flammenbucht bleibt ein sprödes, nicht ganz ohne Mühen zugängliches Buch.

Falls nun der Eindruck entstanden ist, Flammenbucht wäre ein allzu vergeistigtes Vergnügen, kann allerdings Entwarnung gegeben werden. Bei aller Kunstfertigkeit und Experimentierfreude ist Markolf Hoffmann ein guter Geschichtenerzähler, der es versteht, Einzelschicksale mit den Fährnissen einer ganzen Welt zu verknüpfen. Es ergeben sich im Laufe der Handlung etliche Bilder vom großen Zusammenhang, und viel Spannung wird aus der Spekulation gezogen, was nun wirklich auf Gharax vor sich geht.

Cover des Buches "Flammenherz" von Laura ResnickEin Aufstand erschüttert die Insel Sileria, als die Unterdrückten des Landes gegen die kriegerischen Valdani aufbegehren. Josarian, der junge Schwertmeister Tansen und die Feuermagierin Mirabar setzen ihr Leben aufs Spiel, um Sileria endlich die ersehnte Freiheit zu bringen. Doch der wahre Feind lauert in ihren eigenen Reihen – in der Gestalt der Wasserherren, die ihre eigenen Pläne schmieden. Und zu alledem soll Josarian durch die Feuerprobe beweisen, dass er tatsächlich der seit Jahrhunderten prophezeite Befreier des Landes ist …

-»Mit meinen Feinden werde ich fertig, aber Dar schütze mich vor meinen Freunden.«.-
Silerisches Sprichwort

Nachdem man im ersten Band mit den Personen, der Welt und dem Konflikt bekannt gemacht wurde, steht der zweite ganz im Zeichen der Rebellion, die nach und nach ganz Sileria erfasst. Ganz im Stil von Feuerbringer stehen auch hier die Charaktere im Vordergrund: Intrigen, Schicksalsschläge, Machtkämpfe, Verrat und Liebe lassen die Personen zu lebendigen Menschen werden, mit denen der Leser mitfiebert.

Doch auch die Welt, in der die Charaktere leben, zeugt von Resnicks großer Begabung. Sileria mit ihren Bewohnern wird durch den Erzählstil der Autorin zu einer fast realen Insel, in der die Wasserherren, die Besatzer und die shalaheen um die Vormachtstellung kämpfen. Durch die Dynamik der einzelnen Gruppen, durch ihre Konflikte und Kämpfe entsteht eine glaubwürdige, wenn auch ziemlich brutale Welt, in der der Leser sich gut hineinversetzen kann.

Aber auch der Plot kommt nicht zu kurz. Da man die Charaktere nun ja schon besser kennt, baut Resnick auch die Handlung weiter aus: geschickt verknüpft die Autorin dabei persönliche Schicksale der Hauptpersonen mit der immer größer werdenden Rebellion. Resnick schafft es, durch immer neue Probleme, Intrigen oder Verrat eine wirklich spannende Geschichte zu erzählen, die mich bis zum Schluss gefesselt hat. Durch das überraschende, dramatische Ende möchte man sofort zum nächsten Teil greifen, doch dabei gibt’s Probleme: da die Chronik nur zur Hälfte übersetzt wurde, bleibt einem nichts anderes übrig, als auf die Originale zurückzugreifen. Der Weg von Josarian von einem einfachen Schmuggler bis hin zum Anführer der Rebellen ist jedenfalls alles andere als langweilig und hochgradig suchterzeugend.

Elegeie an die Nacht: Der Fluch der Götter von Jacqueline CareyDie Pläne des dunklen Herrschers Satoris, die Prophezeiung zu verhindern, die seinen Untergang vorhersagt, drohen zu scheitern: Der Träger des Wassers des Lebens, das Satoris’ Macht brechen kann, ist unterwegs zur Festung Darkhaven, und die Heere der freien Völker sammeln sich zum Angriff auf den verhassten Feind. Doch immer noch hat Satoris Cerelinde in seiner Gewalt, die Herrin der Ellylon, die, um die Prophezeiung zu erfüllen, Aracus, den Herrscher der Menschen des Westens, heiraten müßte. Satoris weigert sich, seine Gefangene zu töten, und so müssen seine Marschälle Tanaros, Ushahin und Vorax Darkhaven zur Verteidigung rüsten und die Heere der Fjelltrolle in den Krieg führen, die ihnen unterstehen …

– Alle Linien laufen in einem Schnittpunkt zusammen.
Im letzten großen Zeitalter der Gespaltenen Welt von Urulat, das einst Uru-Alat hieß, nach dem Weltengott, der sie gebar, liefen sie in Finsterflucht zusammen. –
Eins

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Der Fluch des Titanen von Rick RiordanBei dem Auftrag, ein Geschwisterpaar von Halbgöttern sicher ins Camp zu bringen, wird Annabeth von einem uralten Feind entführt, der mit Kronos im Bunde steht. Doch das ist nicht Percys einziges Problem. Neben Annabeth verschwindet auch die Göttin Artemis, die den Olymp als einzige überzeugen kann, sich gegen die drohende Gefahr durch die Titanen zu wappnen. Percy, Halbgöttin Thalia, Satyr Grover und zwei von Artemis’ Jägerinnen machen sich auf den Weg, um Annabeth und Artemis zu finden und zu befreien. Doch die Gefahren sind größer denn je und Verluste scheinen unvermeidlich.

– Am Freitag vor den Winterferien packte meine Mom mir eine Reisetasche und ein paar tödliche Waffen zusammen und fuhr mich zu einem neuen Internat. –
Meine Rettungsoperation schlägt gewaltig fehl

Zu Der Fluch des Titanen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Der Gebieter von Megan Whalen TurnerKönigin Irene von Attolia hat durch ihre Heirat mit einem Cousin der Königin von Eddis außenpolitisch eine Atempause gewonnen. Aber der neue König ist unbeliebt und wird immer wieder zur Zielscheibe von demütigenden Streichen. Niemand geht jedoch so weit wie der Gardist Costis, der dem König einen Fausthieb ins Gesicht versetzt. Sein Schicksal scheint besiegelt, doch er hat eher die Neugier als den Rachedurst des Herrschers geweckt. Nach und nach bildet sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Männern heraus. Costis erkennt, dass er den König unterschätzt hat, dessen wahre Fähigkeiten bald gefordert sind. Denn der machthungrige attolische Adel und die düpierten Meder ruhen nicht …

– Die Königin wartete. Sie saß am Fenster und sah die Lichter der Stadt im letzten Rest des langen Zwielichts funkeln. –
Prolog

Zu Der Gebieter liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Gefährtin des Lichts von N.K. Jemisin10 Jahre nach der Befreiung der Götter hat sich in Sky einiges verändert: durch den wachsenden Weltenbaum haben die Bewohner an dessen Fuße nicht mehr viel vom Sonnenlicht, weshalb das Viertel, in welchem die Heldin des Romans ihr Dasein fristet, kurzerhand in Shadow unbenannt wurde. Oree Shoth, eine blinde Maroneh, die mit dem Traum vom besseren Leben in die Stadt kam, verkauft billigen Tand an gütige Pilgerer und lebt davon mehr schlecht als recht. Gut, dass sie zum einen keineswegs so hilflos ist, wie es ihre Blindheit suggeriert, und zum anderen ist es ebenso hilfreich, einige Freunde unter den Godlings – den geringeren Götter – zu haben. Und Hilfe hat sie bitter nötig, als jemand damit beginnt, Godlings zu töten und sie bald selbst unter dringendem Verdacht steht.

– Es waren tausend Stimmen, die gleichzeitig erklangen. Das Lied war kaum hörbar. Sein Text bestand aus einem einzigen mächtigen Wort, das die ganze Welt mit seiner Kraft erschütterte. –
Prolog

Zu Die Gefährtin des Lichts liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Geheimnis des goldenen Reifs von Martin SchemmVor Jahren ist den unter dem norddeutschen Süllberg lebenden Zwergen der zauberkräftige Armreif Wurdbouga gestohlen worden, der es seinem Träger gestattet, Macht über das Schicksal jedes beliebigen Menschen zu erlangen. Nun endlich gibt es eine Spur des Schmuckstücks, das ausgerechnet dem machthungrigen Pfalzgrafen Friedrich von Goseck in die Hände gefallen ist. Der junge Lindfell, Sohn eines menschlichen Wechselbalgs und einer Zwergin, wird ausgesandt, um Wurdbouga zurückzugewinnen. Zwar findet er bei seinem Vorhaben Unterstützung, doch seine Gefährten und er geraten alsbald mitten in den Sachsenkrieg gegen Kaiser Heinrich IV. hinein …

Es war der Tag des heiligen König Oswald im Jahre des Herrn 1073. Die Sommersonne stand hoch am wolkenlos klaren Himmel und brannte auf die Landschaft hernieder. Sie ließ die Welt in leuchtendem Grün erstrahlen, während über allem eine bleierne Stille hing. Von der Hitze wie ermattet, schien die Natur in ihrem lebendigen Treiben innezuhalten. Kein Vogel zog am Himmel seine Bahn oder ließ seinen Gesang ertönen, kein Wild war zu sehen auf der gerodeten Bergkuppe und im angrenzenden Gehölz. Auch kein menschlicher Laut war zu hören. Das einzige Geräusch, das zur Burg herübertönte, war das helle Zirpen der Grillen.
(Prolog – Goldener Adler auf blauem Grund)

History meets Fantasy – so charakterisiert Martin Schemm selbst im Nachwort Das Geheimnis des goldenen Reifs, die in sich abgeschlossene Fortsetzung seines Romans Der Goldschatz der Elbberge, und verspricht damit nicht zu viel. Wie schon im ersten Band bilden die politischen Wirren der Salierzeit den Rahmen für übernatürliche Geschehnisse. Ein eindeutiger Pluspunkt im Vergleich zu manch anderer Historienfantasy ist dabei die Tatsache, dass der Autor sich an die überlieferte Ereignisgeschichte hält und die phantastischen Elemente geschickt so einfügt, dass sie dem, was man über den sächsischen Aufstand weiß, nicht widersprechen. Selbstironisch lässt er sogar bei einem Vorfall, bei dem der Leser “weiß”, dass Zauberei im Spiel war, eine abergläubischen Vorstellungen abholde Romanfigur eine alternative rationale Erklärung anbieten. Fans von Fantasy und historischem Roman gleichermaßen werden zu schätzen wissen, dass die uns in vielem ferne Welt des 11. Jahrhunderts dabei in ihrer Andersartigkeit ernst genommen wird. So lässt etwa die Darstellung der von vielen Charakteren durchaus inbrünstig gelebten christlichen Frömmigkeit (aber auch der parallel dazu wortwörtlich im Untergrund weiterwirkenden heidnischen Praktiken) zu keinem Zeitpunkt den Verdacht aufkommen, es nur mit in eine historisierende Kulisse versetzten modernen Menschen zu tun zu haben.

Auf ein gewisses Maß an Pathos und Dramatik muss man sich bei der Schilderung der geschichtlichen Vorgänge und ihrer Akteure allerdings einlassen: Wenn der schurkische Friedrich von Goseck in finsteren Plänen schwelgt oder Kaiser Heinrich sich über die Opposition gegen seine Herrschaft ereifert, malt Schemm mit recht kräftigen Pinselstrichen. Zwischentöne finden sich eher bei den fiktiven Figuren, wenn beispielsweise ein siegreich überstandener Kampf die überwiegend nicht unbedingt kriegerischen Helden mit gemischten Gefühlen erfüllt oder wenn man sich dabei ertappt, mit Friedrichs Handlanger Gerald mitzufiebern, der, obwohl er in Diensten des Antagonisten steht, selbst beileibe kein Bösewicht ist und großes Talent dafür zu haben scheint, von einer unheimlichen Situation in die nächste zu stolpern. Von Besuchen bei undurchsichtigen Hexen über im Hinterhalt lauernde Fabelwesen bis hin zu einer Begegnung mit der Wilden Jagd bleibt dem armen Mann wahrlich nichts erspart. Für die Leser dagegen ist die Entdeckungsreise durch regionale Sagen und germanische Mythologie höchst unterhaltsam, ganz gleich, ob geheimnisvolle Zwergenreiche erkundet werden oder Wodan persönlich einen starken Auftritt hinlegt.

Die Ausweitung der Schauplätze gegenüber dem ersten Teil der Reihe ist unter diesem Aspekt ein Gewinn. Auch generell ist Das Geheimnis des goldenen Reifs kein schwächerer Nachfolgeband, sondern übertrifft seinen Vorgängerroman womöglich in mancherlei Hinsicht. Wohl unter anderem durch die eindeutige Zielsetzung der Quest bedingt wirken Handlungsführung und Figurenensemble klarer strukturiert und ausgewogener als zuvor, und auch die Landschafts- und Wetterschilderungen haben an Intensität noch gewonnen. Erfreulich ist zudem, dass Schemm diesmal seinen Frauenfiguren nicht nur einen Platz am Rande des Geschehens einräumt, sondern sie vielfach aktiv in die Handlung eingreifen lässt. Neben der tatkräftigen Iva, die sich den Gefährten anschließt und glücklicherweise keine Minute zur damsel in distress verkommt, bleibt einem vor allem die Hexe Watelinde im Gedächtnis, der man zwar lieber nicht im Dunkeln (und vermutlich noch nicht einmal im Hellen) begegnen möchte, die aber eine durchaus eindrucksvolle Gestalt ist.

Darüber hinaus bleibt jedoch erhalten, was schon den ersten Band ausgezeichnet und zu etwas Besonderem gemacht hat: Unabhängig von kurzlebigen Modetrends und Massengeschmack wird hier einfach eine spannende, abenteuerliche Geschichte erzählt, die einen in ein phantastisches Mittelalter entführt und einen insgeheim davon träumen lässt, selbst einmal an passender Stelle herumzustöbern, um vielleicht doch den Einstieg in ein Zwergenreich zu finden oder einen Blick auf ein Ungeheuer am Wegesrand zu erhaschen.

Godslayer von Jacqueline CareyDie Pläne des dunklen Herrschers Satoris, die Prophezeiung zu verhindern, die seinen Untergang vorhersagt, drohen zu scheitern: Der Träger des Wassers des Lebens, das Satoris’ Macht brechen kann, ist unterwegs zur Festung Darkhaven, und die Heere der freien Völker sammeln sich zum Angriff auf den verhassten Feind. Doch immer noch hat Satoris Cerelinde in seiner Gewalt, die Herrin der Ellylon, die, um die Prophezeiung zu erfüllen, Aracus, den Herrscher der Menschen des Westens, heiraten müßte. Satoris weigert sich, seine Gefangene zu töten, und so müssen seine Marschälle Tanaros, Ushahin und Vorax Darkhaven zur Verteidigung rüsten und die Heere der Fjelltrolle in den Krieg führen, die ihnen unterstehen …

-All things converge.
In the last Great Age of the Sundered World of Urulat, which was once called Uru-Alat after the World God that gave birth to it, they began to converge upon Darkhaven.-
One

Hält man Godslayer zum ersten Mal in der Hand, kommt man nicht umhin zu fragen, ob Jacqueline Carey es tatsächlich schafft, ihr Epos auf den vergleichsweise wenigen Seiten auch wirklich zu Ende zu erzählen – immerhin wird hier das mittels Prophezeiung erstellte Aufgebot gegen den dunklen Herrscher in die letzte Schlacht geschickt und ein Zeitalter beendet, in insgesamt nur zwei Bänden mit jeweils weniger als 500 Seiten: Das entspricht nicht den Gepflogenheiten der sonst eher zum Format Ziegelstein tendierenden epischen Fantasy.
Und bei diesem Kuriosum allein bleibt es nicht, denn wie schon im ersten Band werden beim Kampf der Guten gegen die allseits ausgewiesenen Bösen die den LeserInnen vertrauten Erzählmuster gehörig auf den Kopf gestellt, so dass man selbst mitentscheiden muss, was in Godslayer gut und was böse ist.
Satoris ist ein düsterer Herrscher, doch da man ihm über die Schulter schauen darf, wirkt der Hass, den ihm die freien Völker entgegenbringen, oft unverständlich. Einmal hat er gewagt, seinem Bruder, dem Schöpfer Haomane, zu widersprechen und dessen Entscheidungen in Zweifel zu ziehen, und schon darf er für allezeit das Böse der Welt repräsentieren und mit Verve niedergemacht werden. Doch auch die sogenannten freien Völker begleitet man auf ihrer Queste – selbstgerecht sind sie vielleicht, aber letzlich handeln sie nur so, wie es ihren Interessen dienlich scheint. All das verlangt der Leserschaft einiges an Eigeninitiative bei der Wahl der Sympathien ab, obwohl ganz in der Tradition der epischen Fantasy um das Wohl der Welt gekämpft wird.

Wie schon beim ersten Band ist die hauptsächliche Inspirationsquelle Careys Tolkien, dessen Weltentwurf mit den dahinterstehenden Ideologien sie aufgreift und aus einer anderen Perspektive die gleiche Geschichte anders erzählt. Das Spiel mit Themen und Zitaten aus dem Herrn der Ringe und dem Silmarillion ist daher mehr als nur eine reizvolle Spielerei, auch wenn etliches, wie etwa der Träger des Wassers des Lebens, der selbiges in die Festung des dunklen Herrschers bringen muss, um ihn zu schlagen, direkt übernommen scheint.
Unaufhaltsam strebt die Geschichte von der ersten Seite an ihrem Ende entgegen – und auch hier ist Carey ihren Vorbildern auf ganz eigene Art treu geblieben: In dem gelungenen Abschluss bleiben nur wenige Fäden offen, und wenn man  mit vielbändigen Fantasyzyklen mit ihren nicht tot zu kriegenden Stehauf-Bösewichten vertraut ist, wird man hier auf eine verblüffend konsequente Lösung stoßen.
Dass für die Seite der freien Völker alles ausgesprochen glatt läuft und die Prophezeiung wie am Schnürchen erfüllt wird, eher zum Leidwesen des Lesers, nimmt Godslayer zuweilen ein wenig den Wind aus den Segeln, denn zum Großteil hat die Autorin auch der Versuchung widerstanden, die Guten als die eigentlich Bösen darzustellen. So wenig man ihnen als Leser den Sieg wünscht, ihre Motive sind dennoch nachvollziehbar und nicht weniger ehrlich als die von Satoris.

Der epische Ton, den Carey mühelos anstimmt, verleiht der Welt Urulat eine tiefe Geschichtlichkeit, all ihren Bewohnern wird ein eigener Zauber zugestanden. Wer schon immer einmal leise in sich hineinschnüffeln wollte, wenn ein Fjell (hier das Pendant zum Ork) erschlagen wird, ist definitiv an der richtigen Adresse.
Vielleicht, wenn man ein nächstes Mal in eine epische Fantasy-Geschichte eintaucht, wird man sich nach der Lektüre von Godslayer hin und wieder fragen, ob der nächste dunkle Lord, der von seinem Thron gestoßen werden muss, nicht doch nur ein missverstandener Rebell ist.

Hammered von Kevin HearnePackt die Wintermäntel aus, es wird kalt im neuen Abenteuer von Druide Atticus! Thor, der nordische Donnergott, hat sein Spiel zu weit getrieben und nun sind ein Vampir, ein Werwolf, ein alter Zauberer und eine Horde Frostriesen hinter ihm her. Druide Atticus hat allerhand zu tun, um am Leben zu bleiben. Denn egal wie er sich entscheidet, eine echte Wahl bleibt ihm in diesem Kampf nicht …

– Once you’re facing a giant bloody squirrel the size of a cement truck, they lose the majority of their charm. –
Chapter 1

Long story short: in Hammered gibt es nicht viel zu Lachen. Das ist nicht nur Oberons Abwesenheit, sondern auch einigen ernsten und tragischen Entwicklungen zu verdanken. Die Handlung lastet schwerer auf den Protagonisten als bisher, vor allem auf Atticus, der sich in einer schwierigen Situation ohne echten Ausweg befindet.
Das Buch kommt dabei allerdings auch langsamer in die Gänge. Atticus ist zunächst ohne Begleitung unterwegs, und seine Monologe sind nur halb so unterhaltsam wie seine Dialoge mit anderen. Außerdem hat er sich diesmal wohl ein Beispiel an Kollege Harry Dresden genommen, dessen zweite Natur es zu sein scheint, permanent mehr tot als lebendig zu sein. Hat man sich aber erst einmal eingewöhnt, entdeckt man in Hammered andere Qualitäten, die vor allem den Figuren zugute kommen. Neben der Einführung neuer Charaktere erfahren wir endlich, weshalb Vampir Leif Helgarson einen solchen Groll gegen Thor hegt, wie Werwolf Gunnar da rein passt und im Zuge der Männerfreundschaft gibt es auch noch ein paar unterhaltsame Geschichten anderer Thor-Geschädigter.

Der nordische Donnergott, der derzeit als sympathischer Held und Beschützer der Menschen durch die Kinos zieht, zeigt sich in Hammered dabei von einer ganz anderen Seite. Als wahres Ar… äh … als verantwortungsloser und grausamer Gott, dem seine Macht zu Kopf gestiegen ist, hat er sich einiges zuschulden kommen lassen und den Rachewunsch wirklich alter Individuen auf sich gelenkt – vom chinesischen Zauberer bis zum russischen Donnergott (der wohl versucht, sein Gewicht in Vodka zu vertilgen), marschieren die Geplagten mit Atticus’ Hilfe in Asgard ein und stellen Ragnarok in den Schatten.
Nicht verwunderlich, dass es in Hammered daher vor allem blutig und schonungslos wird. Gerade erst hat man den ein oder anderen Charakter näher kennengelernt, vielleicht sogar ins Herz geschlossen, da muss man sich auch schon von ihm verabschieden.

Gänzlich auf Humor verzichten muss man dabei zum Glück nicht, doch geeignete Momente für Lacher und nerdige Sprüche sind limitiert. Hammered ist daher insgesamt etwas schwächer, was den Unterhaltungswert angeht, baut dafür aber stärker an Handlung auf und endet nun, im Gegensatz zu den beiden Vorgängern, auch mit offenen Fragen. Nach den Ereignissen dieses Romans dürften da im Nachfolger Tricked einige Veränderungen auf Druide und Leser zukommen.
Auch wenn Hammered nicht so humorvoll ist wie Hounded und Hexed, lohnt es sich doch am Ball zu bleiben.

Bonus:
Zeitgleich zu den Ereignissen in Hammered erlebt Granuaile ein eigenes ungeplantes Abenteuer. Nachzulesen in der Kurzgeschichte A Test of Mettle, die vom Autor kostenlos auf seiner Website zum Download angeboten wird.

Der Herr der Dunkelheit von Jacqueline CareySeit Jahrhunderten haust der dunkle Herrscher Satoris in seiner Festung Darkhaven und brütet Armeen von Fjelltrollen und Weren aus, um die freien Völker zu versklaven. Aber eine Prophezeiung des Ersten Schöpfers Haomane besagt, daß Satoris vernichtet werden kann. Eine Verbindung zwischen Ellyl und Menschen ist der erste Punkt der Prophezeiung, und so planen Cerelinde, die schöne unsterbliche Herrin der Ellylon, und Aracus, der vertriebene König des Westens, zu heiraten, um die Erfüllung in die Wege zu leiten. Satoris, der sich seinem rachsüchtigen Bruder ewig widersetzt, versucht die Hochzeit zu verhindern und schickt seine drei Marschälle Tanaros, Vorax und Ushahin hinaus in die Welt. Er ficht einen verzweifelten Verteidigungskampf.

– Der Ort wurde Gorgantum genannt.
Erneut verwundert floh er dorthin, und nach seiner Flucht erging er sich in finsteren Gedanken. Es war keine Niederlage, jedenfalls nicht ganz. Niemand konnte das behaupten, solange er noch lebte und den Gottestöter in seinem besitz hatte. –
Prolog

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Cover von Herr der Ratten von Mary GentleIn der gewaltigen Metropole, die Das Herz der Welt genannt wird, brodelt es. Die Menschen leben unterdrückt von den Rattenlords, sie werden aber wegen ihrer Handwerks-Mysterien benötigt, denn deren Strukturen prägen die Welt. Doch die Anhänger des Hauses Salomon um den Meister-Bauer Falke wollen nicht länger Tempel für andere bauen und die Verschwörer um den Priester Plessiez wollen den Rattenkönig von der weltlichen Herrschaft der Dekane, den 36 Inkarnationen des Göttlich-Dämonischen, befreien. In diese Verschwörungen hinein gerät der junge Lucas, ein Student an der Universität des Verbrechens, der sich prompt in die ältere Frau Weiße Krähe verliebt, eine Schüler-Soldatin des Unsichtbaren Kollegs. Wer hält schlussendlich die Fäden in der Hand?

-Heiseres Geschrei tönte über den Platz vor der Kathedrale, wo die Menge darauf wartete, ein Schwein hängen zu sehen.-
1

Das Herz der Welt ist eine monströse Stadt, die sich bis an den Horizont erstreckt – die Zahl der Einwohner läßt sich nicht einmal schätzen. In und unter der Stadt spielt sich das ganze Geschehen der Geschichte ab. Auch wenn vieles an die Renaissance erinnert, wie Rapiere, Musketen, Kutschen und architektonische Kunstwerke, gibt es doch auch viele andere Details, wie Luftschiffe, Fotoapparate, Mikrophone samt Lautsprecheranlage sowie eine U-Bahn. Noch sonderbarer sind aber die Paradoxa; so gibt es fünf Himmelsrichtungen (Nord – West und Aust), die jeweils in einem 90° Winkel auf einem 360° Kreis liegen oder das merkwürdige Verhältnis von feststehendem Schicksal und beeinflußbarer Zukunft. Diese magischen Elemente, wie das Wirken von Magie insgesamt, sind der hermetischen Magia der Renaissance entliehen; Talismane, Tarot-Karten, astrologische Tabellen und insbesondere das Prinzip der Korrespondenz spielen eine große Rolle, Zauberstäbe und Feuerbälle keine.

Die Zahl der auftretenden Figuren ist überwältigend. Viele der Figuren sind umfassend gebildet oder sehr schlau, es gibt kaum einen einfachen Schlagtod oder Langfinger, auch wird ihnen kaum Raum zur Entfaltung zu gestanden. Dafür aber sind es keine geraden Typen, es ist keine Schönheit dabei, kein Muskelprotz oder hagerer Herrscher, sie alle sind ein wenig sonderbar und eigentümlich. Einigermaßen ungewöhnlich ist auch die schiere Zahl der starken Frauenfiguren, deutlich mehr als die Hälfte der aktiven Figuren sind weiblich.
Die Autorin erzählt eine Vielzahl von Geschichten, die einander überkreuzen. Die meisten davon sind in irgendeiner Form Verschwörungen. Im Kern stehen jedoch die Bemühungen von Plessiez und Falke den Status Quo endgültig zu verändern und Valentines Bemühungen das Ende der Welt zu verhindern. Aufgrund der zahlreichen Handlungsstränge wirkt die Geschichte sehr wirr, es scheint, als ob sich die Autorin selbst nicht immer im klaren sei, wohin die Reise gehen soll, denn mindestens ein Strang verläuft ins Leere.

Daß einige Figuren sehr spät eingeführt werden, die Paradoxa des Settings und die Tendenz der Autorin wenige Überblicksinformationen zu geben und die wenigen nur sehr beiläufig, macht das Verständnis nicht leichter. Hinzukommt, daß die Autorin gerne und ausführlich Details beschreibt – so sind die Kern-Plots nach etwa 600 Seiten abgeschlossen, aber es folgen noch ungefähr 70 Seiten. Dennoch ist die Geschichte interessant, einige Stränge sind sogar sehr spannend und die Auflösung um Valentines Strang ist sehr ungewöhnlich – kurzum: Es wird viel magisches, phantastisches und originelles geboten.
Auch wenn diese Geschichte Teil des White Crow Zyklus’ ist, sind kaum Anknüpfungspunkte zu den anderen Geschichten zu finden, selbst die zwei wiederkehrenden Charaktere – Valentine und Casaubon – verändern sich von Geschichte zu Geschichte.
Der Schreibstil ist dem Verlauf der Geschichte angemessen, denn die Autorin benutzt häufig mittellange Sätze, deren Duktus nicht immer leicht zu folgen ist. Die Wortwahl ist zumeist angemessen, so ist die Ausdrucksweise der Figuren bisweilen recht derb. Allerdings ist die Übersetzung nicht immer gut – Scholar-Soldier wird mit Schüler-Soldat übersetzt; “Gelehrter-Soldat” oder “Lehrer-Soldat” wäre treffender gewesen, am besten wäre es vielleicht den ersten Teil gar nicht zu übersetzen: Scholar-Soldat.
Das Titelbild ist bescheiden, aber dafür gibt es kommentierte Holzschnitte, die das Geschehen z. T. sehr treffend wiedergeben, aber in jedem Fall gut zur Gesamtstimmung passen.

Der trügerische Frieden in den Benannten Landen ist nur von kurzer Dauer; zu hoch war der Preis, der dafür gezahlt wurde. Als ein Anschlag auf Jin Li Tam und ihren Sohn verübt wird, erkennt Rudolfo, dass er es mit noch mehr Feinden zu tun hat, als er geahnt und gefürchtet hat. Doch auch in den Ödlanden werden Steine ins Rollen gebracht, die scheinbar nicht aufzuhalten sind. Und so verstricken sich uralte Pläne mit jetztzeitigen Ängsten, und die Kriege an unzähligen Fronten drohen, jederzeit zu eskalieren…

Der aufgehende Vollmond tauchte das ruhige Meer in blasse Blau- und Grüntöne, übergoss das Ufer und auch die Gestalten in Talaren, die dort im aquamarinfarbenen Licht warteten. Über ihnen tanzten und funkelten die Sterne am warmen Nachthimmel.
– Vorspiel, S. 7

Musik zwischen Bücherdeckeln gehört sicher nicht zu den alltäglichen Leseerfahrungen, doch mit Hohelied erschien nunmehr die dritte Strophe der Legende von Isaak von Ken Scholes. Anders, als es der Titel suggeriert, handelt es sich jedoch weniger um ein Liebeslied, sondern um einen wechselvollen Gegengesang von Hoffnung und Verzweiflung, von tiefem Glauben und dem noch tieferen Fall beim Verlust desselben. Denn in den Benannten Landen ist ein jeder gezwungen, sich der Gretchenfrage zu stellen: Rudolfo, Winters, Isaak: Wie habt ihr’s mit der Religion?

Die Beantwortung dieser Frage ist ein zentraler Handlungsmotor des Werkes und seiner Figuren. Während die Benannten Lande in Intrigen und Scharmützeln versinken, tobt auch im Inneren der Gesinnungskrieg. Religion vermischt sich mit Mystizismus, Metaphysik wird zur Wissenschaft und Träume wiegen plötzlich schwerer als die Realität. Inmitten dieser fundementalen Ungewissheiten findet sich der Leser wieder; und wer genau liest, erahnt auch in Hohelied die zahlreichen Verfremdungen der christlich-abendländischen Kulturgeschichte. Ohne diese Deutungsebene ist es ein lediglich spannungsvoller Roman; berücksichtigt man sie jedoch, bekommt er aktuelles Gewicht. Wenn Jin Li Tam mit ihrem Sohn durch ein Spalier von Tannenzweigen schwenkenden Gläubigern reitet, um sich in die sprichwörtliche Höhle des Löwen zu begeben, dann ist dies keine so hoffnungstiftende Szene, wie das palmenblättrige Original.

Die Vaterrolle, die im zweiten Band, Lobgesang, eine zentrale Thematik war, verlagert sich in Hohelied auf eine abstraktere, weniger greifbare, aber nicht weniger spannende Ebene: Charles, der Androfranziner-Mönch und Gelehrte, der die Mechoservitoren schuf, sieht sich mit der “Mensch-Werdung” seiner Maschine konfrontiert. Denn während der Feind im Namen seines Glaubens zum Unmensch wird, beginnt Isaak, der Mechoservitor aus Metall und Zahnrädern, zu träumen. Die Sorge, das eigenen Kind nicht schützen zu können, eint bald den Zigeunerkönig und den Gelehrten und bestimmt ihr Handeln. Scholes nähert sich diesem Konflikt feinfühlig und scheut sich nicht, den strahlenden Gecken des ersten Bandes, Rudolfo, den Zigeunerkönig, zu demontieren. Was tut ein Mann, der sich seines Glaubens, seiner Lieben und der Einigkeit seines Volkes beraubt sieht? Rudolfos Antwort auf seine Verzweifelung mag nicht königlich erscheinen, ist jedoch zutiefst menschlich und beweist die Sensibilität des Autors bei der Charakterzeichnung.

Doch nicht nur Rudolfo wird auf das Härteste geprüft; als Meister der Charakterentwicklung schreibt Scholes den Figuren einen Weg, der qualvoll authentisch ist und keine Zugeständnisse an Klischees zulässt. Seine Konsequenz macht aus dem Roman eine Lektüre, die bedrückend und virtuos zugleich ist. Die Komplexität seines Weltentwurfs spiegelt sich vor allem und in den verschiedenen Lehren wider, die nicht nur die Protagonisten, sondern auch den Leser herausfordern. Nicht selten fühlt man sich an die eigene Lebenswirklichkeit erinnert; besonders Titel wie “Zar” oder “Papst” sowie seltsam vertraut-entrückte Visionen erwecken zunehmend den Anschein, dass die Benannten Lande mit der Welt, die wir kennen, einst verwandt waren.
Freunde der Rätselei werden also auch in Hohelied viel Stoff für angestrengte Überlegungen finden; jedoch wird auch der klügste Kopf überrascht werden von dem Muster, welches Scholes bereits vom ersten Band an geknüpft und sorgsam sowie wohltönend komponiert hat.

Staatsgrenzen, Grenzen zwischen Religionen, die Unterscheidung in Freund und Feind: In den Benannten Landen verlieren klare Definitionen ihren Sinn und ihre Gültigkeit. Wenn sich uralte Mächte einmischen, so weiß der Fantasy-Kenner, müssen sich diejenigen, die sich derzeit für mächtig halten, auf einen Rückschlag gefasst machen. Und an Rückschlägen mangelt es in Hohelied wahrhaftig nicht. Umso herber trifft den Leser der Schluß des Romans, der das Warten bis zum Erscheinen des nächsten Bandes eindeutig zur Geduldsprobe werden lässt. Denn die wunderschöne Sprache, die feinstens ausgefeilte Handlung sowie die Hintergründigkeit des Romans erzwingen eindeutig eine Erwiderung.

Cover des Buches "The Horse and His Boy" von C. S. LewisShasta lebt mit seinem Ziehvater in einer ärmlichen Fischerhütte im Süden des Landes Calormen. Trotz der Armut ist er zufrieden mit seinem Leben, wenn da nicht die ständige Sehnsucht wäre, nach Norden zu reisen, welche er aufgrund seiner Armut natürlich nicht stillen kann. Eines Tages kommt ein Tarkeen, ein calormenischer Nobelmann, zufällig an der Hütte vorbei und beschließt Shasta als Sklaven zu kaufen. Während der Tarkeen mit seinem Ziehvater verhandelt, entdeckt Shasta jedoch Unglaubliches: Das Kriegspferd des Adligen kann reden! Und es warnt ihn vor seinem Herren, denn dieser ist ein garstiger, böswilliger Mann. Gemeinsam mit Bree, dem Pferd, beschließt er nach Norden zu fliehen, nach Narnia …

-The horse had lifted its head. Shasta stroked its smooth-as-satin nose and said, “I wish you could talk, old fellow.”
And then for a second he thought he was dreaming, for quite distinctly, though in a low voice, the Horse said, “But I can.”.-
Chapter 1: How Shasta Set Out on his Travels

Der dritte Band der Narnia-Chroniken spielt im “Goldenen Zeitalter”, also in den Jahren, in denen Peter, Susan, Edmund und Lucy die Könige von Narnia sind. Und tatsächlich tauchen hier die drei Jüngeren wieder auf, diesmal als Herrscher und Repräsentanten von Narnia in Calormen. Doch hier wird die Geschichte von Shasta erzählt, einem armen Fischerjungen aus dem Süden von Calormen, der fliehen muss, um der Sklaverei zu entgehen. Auf seiner abenteuerlichen Flucht nach Norden begegnet er vielen Gefahren und muss sogar einen Krieg zwischen Archenland und Calormen überstehen.

Natürlich begegnet er dabei vielen fantastischen Wesen, die ihm nicht nur Gutes wollen. Zum Glück erhält er Unterstützung durch seinen Freund Bree, der ebenfalls aus Calormen flieht, von der Stute Hwin und von Aravis, einer jungen Adligen, die ebenfalls fliehen muss, um einer Zwangsheirat zu entkommen. Schon der bunte Mix der Charaktere, die alle ihre eigene Geschichte zu erzählen haben, macht das Buch zu mehr als einer bloßen Fortsetzung der Narnia-Reihe. Zwar tauchen Lucy und die anderen wieder auf, doch um sie geht es gar nicht, sie sind nur Nebenfiguren in Shastas Geschichte. Diese mit viel Liebe zum Detail gestaltete Erzählung wird nicht nur Kinderherzen höher schlagen lassen.

Das Buch lässt sich leicht lesen und ich war überrascht, wie ernst doch die Themen in einem Kinderbuch sein können. Sklaverei und Unterdrückung, Krieg und Tod sind zwar kindgerecht verpackt, aber trotzdem realistisch und glaubwürdig erzählt. So sterben z.B. in einem Kampf sowohl die Guten als auch die Bösen, und der gefangengenommene calormenische Prinz muss eine harte Strafe fürchten. Daher ist das Buch sowohl für Kinder als auch Erwachsene lesenswert.

Hunted von Kevin HearneWer es sich mit den richtigen Göttern verscherzt, nimmt besser die Beine in die Hand! Gerade erst sind Atticus und Granuaile den lästigen Bacchus los geworden, da schicken sich die nächsten Götter an, die beiden Druiden quer durch das moderne Europa zu jagen. Artemis und Diana, die Göttinnen der Jagd, sind wenig begeistert von der Gefangennahme Bacchus’ und nur zu gewillt, die beiden Druiden endlich ins Jenseits zu befördern.

– When the blurred shape of Atticus fell in front of me, at first I thought he’d simply tripped and I almost laughed, because pratfalls have been amusing since the Stone Age. Then I heard the belated crack of a rifle to the south and Oberon’s startled cry: »Atticus!« –

Hunted schließt nahtlos an das Ende von Trapped an und man wird als Leser direkt in die Jagd bzw. Flucht hinein geworfen. Wenn man zwei Göttinnen der Jagd auf den Fersen hat, bleibt nicht viel Zeit für Verschnaufpausen oder entspanntes Geplänkel. Besonders dann nicht, wenn man es mit wirklich unsterblichen Göttern des Olymp zu tun hat. Da muss man auch als Druide tief in die Trickkiste greifen, um sich aus der Affaire zu ziehen. Leicht ist das nicht, denn man weiß nicht, wem zu trauen ist. Noch immer treibt sich ein Verräter in Tír na nÓg herum, die Dunkelelfen liegen ebenfalls auf der Lauer, Loki ist unterwegs um neues Unheil zu stiften, Scharfschützen kontern mit modernen Waffen, Seemonster haben Entscheidungsprobleme bei der Fütterung und die Vampire sind auch nicht fern.

Die Dialoginhalte wirken diesmal an machen Stellen etwas erzwungen und vor allem mit dem Humor tut sich der Autor da schwerer als sonst. Vielleicht liegt es aber auch an der eher ungünstigen Kombination von Humor und Überlebenskampf, dass die Witze diesmal nicht so richtig zünden. An der Situationskomik ändert das wenig, die beschriebenen Szenen wirken weiterhin, nur in den Dialogen passen die scherzhaften Kommentare nicht unbedingt zum Geschehen. Hunted bleibt unterhaltsam und steuert einiges zur Charakterentwicklung bei, das lustigste Buch der Reihe ist es aber nicht, da es thematisch eben doch etwas ernster zur Sache geht.

Eine kleine Besonderheit gibt es diesmal noch oben drauf: wechselnde Erzähler. Teile des Buches werden aus der Sicht von Granuaile erzählt, und erfreulicherweise verleiht ihr der Autor auch eine eigene Stimme, die nicht wie eine Modifikation von Atticus wirkt. Granuailes Gedanken wirken etwas ernster, sortierter und sie bilden einen angenehmen Kontrast zu der sonst üblichen Erzählperspektive von Atticus. Es ist auch interessant zu sehen, wie unterschiedlich die beiden Charaktere ihre Bindung an die Erde zelebrieren. Während Atticus natürlich schon vieles akzeptiert hat, ist Granuaile noch voller Erstaunen und Ehrfurcht für ihre neuen Gaben und Fähigkeiten, was sich in ihren Gedanken immer wieder ausdrückt. Dadurch erhält der Leser jenes Maß an druidischem Flair, das in der sehr modernen Umgebung bisher recht kurz kam. Auch Oberon überrascht stellenweise mit ungewohnt tiefgängigen Gedanken.

Der einzig wirklich bittere Beigeschmack bei Hunted ist wohl, dass es auf Dauer doch etwas ermüdend wird, den Protagonisten immer und immer wieder auf der Flucht beizuwohnen. Während die übergeordnete Handlung um Loki und Ragnarök eher spärlich dahintröpfelt, passiert auch sonst nicht viel mehr. Es bahnen sich weiterhin an allen Ecken potentielle Konflikte an, leider kommt bisher nichts davon in Gang, und die ständigen beinahe-tot-Momente verlieren, genau wie bei Kollege Harry Dresden, irgendwann ihren Reiz. Bleibt abzuwarten ob Kevin Hearne mit Shattered wieder etwas mehr zielgerichtete Bewegung in die Geschichte bringen wird, statt sich um möglichst viele Dramen zu bemühen.

Implied Spaces von Walter Jon WilliamsDer Schwertkämpfer Aristide zieht mit seiner Katze (Haus-, nicht Reit- 😉 ) durch die Wüste, doch an einer Oase begegnet er einer unter Belagerung festsitzenden Karawane. Er lässt sich als Wächter anheuern und ersinnt einen Plan, wie er die Belagerung durchbrechen kann. Allerdings entdeckt er Mysteriöses: Die Angreifer folgen einem unbekannten Kult, der Leute mit Haut und Haar verschwinden lässt …

-With long strides the swordsman walked across the desert. Gravel crunched beneath his sturdy leather boots. His eyes were dark, his nose a blade.-
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Am Beginn von Implied Spaces, vollmundig als Mischung aus “nano-technology, quantum theory, fantasy and space opera” angepriesen, kann man sich noch in der trügerischen Sicherheit eines schönen Sword & Sorcery-Settings wiegen: Man begleitet den sympathischen und geistreichen gelehrten Abenteurer Aristide – Marke Errol Flynn – und seine trockene Kommentare beisteuernde, sprechende Katze Bitsy durch eine stereotype Wüstenwelt. Während Aristide sein Schwert (einen Sturmbringer-Verschnitt) schwingt, ahnt man jedoch schnell: irgendetwas ist im Busch, denn Aristide weiß mehr über Welt und Sein, als so ein Wüstensohn wissen sollte.
Und ehe man es sich versieht, treibt man mitten in einem wilden Strudel aus verschiedensten Settings, Stilen und immer wieder neuen Ideen, in dem eine Überraschung die nächste jagt.

Während Aristide einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur kommt, verfolgt Walter Jon Williams etliche Themen und Konzepte: Das gewöhnlichste darunter dürfte noch die Frage sein, wie viel Menschlichkeit dem Menschen der fernen Zukunft geblieben ist. Interessanterweise geht er dieser Frage nicht in einem dystopischen Umfeld nach, sondern hat – ein Markenzeichen vor allem auch von Williams’ Kurzgeschichten – eine positive Entwicklung zugrundegelegt, die ihre eigenen Probleme mit sich bringt. Ein weiteres Thema, das unter vielen  Aspekten beleuchtet wird, ist die Frage nach dem freien Willen, darunter auch, inwiefern Persönlichkeiten unter veränderten Umständen (oder durch Manipulation) eine völlig konträre Entwicklung nehmen können.
Thematisches Zentrum sind allerdings die “Implied Spaces” aus dem Titel, denen Aristide nachforscht. Man kann sie tatsächlich wörtlich nehmen – anfangs ein witziges Konzept, das einem nicht mehr so schnell aus dem Kopf geht, später nehmen sie Dimensionen an, die mindestens nachdenklich machen und am Ende des Romans eine philosophisch-theologische Betrachtungsweise eröffnen, die es in sich hat.

Bei einer solchen Fülle an erwachsenen Stoffen kommt es vor allem auf ihre Verpackung an. Und Walter Jon Williams hat eine Achterbahnfahrt für den Leser in petto, bei der nicht die geringste Gefahr besteht, der Roman würde zu trocken werden.
Zunächst ist es schon Aristides Erzählperspektive, die großes Vergnügen bereitet. Der turbanbestückte bunte Vogel auf dem äußerst treffenden Cover bezeichnet sich als Dichter, Philosoph und Kämpfer, und seine Stimme ist manchmal unaufdringlich, manchmal poetisch, hat aber fast immer einen ironischen Unterton zu bieten. Hinzu kommt, dass beinahe jedes Kapitel mit einem neuen Schauplatz aufwartet – und mit einem neuen Genre: Walter Jon Williams wechselt munter den Stil, erzählt nach der Fantasy-Eröffnung in Form eines Krimis, einer Romanze, eines Schurkenstücks, eines Thrillers, eines Kriegsromans und etlicher anderer Varianten weiter, um am Ende mit einem eindringlichen Gedicht zu schließen. Dass bei einem solchen Konzept das Formale manchmal den Vorrang vor Plotentwicklung und Erzähldynamik hat, versteht sich von selbst (die Chance ist auch groß, dass man eines der Genres nicht mag – z.B. die Kriegshandlung gegen Ende zieht sich dann doch recht unpersönlich-taktisch dahin), doch insgesamt ist dieser Clou bestens gelungen, vor allem dank der cleveren Handlungsführung.
Eine fulminante Enthüllung jagt die nächste, und der Autor hat ein Händchen dafür, die Sache immer dann besonders spannend zu machen, wenn man bestimmte Eigenheiten seiner Welt begriffen zu haben scheint und zu der Ansicht kommt, jetzt könne es nicht mehr spannend werden. Dann zaubert er einen neuen Kniff aus dem Hut und hat den Leser wiederum am Wickel. Der Roman ist randvoll mit Ideen und Konzepten, teils ist es ein regelrechtes Abgrasen zeitgenössischer SF-Stoffe, die mit einem Augenzwinkern in einer Vielzahl von Anspielungen gewürdigt werden (ob es sich nun um Literatur, Film, Musik oder Comics handelt – es gibt sogar Seitenhiebe auf Mediävisten).

Auch wenn der Fantasy-Anteil der Handlung nach und nach in den Hintergrund tritt, wird der Text nie mit Techno-Babble überladen und bleibt einer gewissen Fantasy-Attitüde treu – zu viel soll an dieser Stelle nicht verraten werden, denn neben dem durchgehenden leisen Humor ist das größte Vergnügen an Implied Spaces das Entdecken und Rätselraten, wobei man als Leser sowohl die Welt und ihre Parameter nach und nach begreift, als auch die Verschwörung aufdeckt und dazu manchmal vom Autor Informationen zugespielt bekommt, die den Figuren fehlen.
Die endgültige Auflösung fällt nach den wahrhaft gigantischen Materialschlachten zuvor vielleicht eine Spur zu schmal aus, entfaltet aber die Langzeitwirkung, die den ganzen Roman charakterisiert, wenn man Interesse für kosmologische Sinnfragen und Persönlichkeitsentwicklung mitbringt.

Implied Spaces hat zweifellos seine Mängel, die vor allem im heftigst in alle Richtungen strebenden Plot zutage treten, und ebenso in dem Experiment, jedes Kapitel in einem neuen Stil zu erzählen. Man könnte Walter Jon Williams auch vorwerfen, er kopiere die weit entwickelte Welt und die Gesellschaft mit übermächtigen Individuen aus seinem früheren Roman Aristoi, aber damit täte man Implied Spaces unrecht. Am Ende wird man feststellen, dass Walter Jon Williams seinen grandiosen Entwurf gut im Griff hat und eine Geschichte erzählt, die während des Lesens häufig nicht zulässt, dass man das Buch aus der Hand legt, die einen immer wieder zum Staunen bringt und deren Ideen man mitnimmt und lange mit sich herumträgt.

Cover des Buches "Jürgen" von James Branch CabellNachdem Jürgen auf dem Heimweg das Gute an der Arbeit des Teufels gepriesen hat, bedankt sich bei ihm ein schwarz gekleideter Mann für die freundlichen Worte und wünscht Jürgen ein sorgenfreies Leben. Doch der entgegnet, der gute Wunsch käme zu spät, er sei schon verheiratet. Zu Hause angekommen stellt Jürgen fest, dass seine Frau “wohl von einem Teufel entführt wurde. Der arme Kerl.” So macht sich Jürgen auf eine lange Irrfahrt, auf der er seine Jugend zurückerhält und Gebiete wie Cameliard, der Heimat von Guinevere, und Leuke, der Heimat von Helena, die Hölle seiner Ahnen und den Himmel seiner Großmutter besucht, um das Mannhafte zu tun und Lisa zurückzuholen…

-Im Land Poictesme erzählt man eine Geschichte: Vor langer Zeit lebte dort ein Pfandleiher namens Jürgen; doch die Namen, die seine Frau ihm gab, waren sehr oft viel schlimmer.-
Warum Jürgen das Mannhafte tat

Jürgen ist ein schräger Vogel; in seiner Jugend war er ein Draufgänger, Charmeur und Dichter – im Alter ist er ein dickbäuchiger Pfandleiher geworden, der keine wunderschöne Gräfin geheiratet hat, sondern die nette Tochter des Pfandleihers. Mit seiner Jugend, die er von Sereda erhält, tollt der knapp fünfzigjährige Jürgen durch eine skurrile Welt und versucht sein Glück zu finden. In der Wahl der Mittel ist er nicht zimperlich; schmeicheln, lügen und betrügen sind an der Tagesordnung und kann er einen Gegner nicht im fairen Kampf bezwingen, dann erdolcht er diesen auch schon einmal heimtückisch. Doch die Reise und sein ihn verspottender Schatten verändern ihn.

Gerade oder gar edle Charaktere gibt es hier nicht – König Gogyrvan will belogen werden, König Smoit hat seine Ehefrauen reihenweise ermordet und König Artus taucht persönlich nicht auf. Auch wenn außer Jürgens Charakter keiner näher beleuchtet wird, trifft man nie auf bloße Klischees.
Da Jürgen bereit ist, es mit jeder schönen Frau zu versuchen, begegnet man vielen – einige sind aber mehr als sie zunächst scheinen. Dorothee, seine Jugendliebe, leitet Jürgens Abenteuer ein, die Leschie Sereda ermöglicht es. Im Kern stehen Guinevere, Anaitis und Helena. Mit ihrer Hilfe kann Jürgen seinem Ziel näher kommen – einem Ziel, welches er eigentlich nicht kennt. Bis dahin versucht er seine Frau Lisa zu befreien.

Magie spielt eine gewisse Rolle, so gibt es Zentauren, Trolle, Naturmythen, Engel und Teufel. Doch nichts ist wie gewohnt; die Engel verspotten Petrus und die jungen Teufel wollen die Sünder nicht mehr quälen – sie wollen mehr Freizeit. Jürgen führt ein Zauberschwert, trägt ein magisches Hemd und nutzt den Zauberspruch des Meisterphilologen. Trotzdem drückt sich die Magie eher im Anarchismus der Geschichte als in magischen Gegenständen oder Zauberei aus.
Die Geschichte ist klar an die Odyssee angelehnt, Jürgen versucht Befriedigung zu finden, symbolisiert in der Suche nach seiner Frau Lisa. Für eine Fantasy-Geschichte scheint mir dieses höchst originell zu sein, zumal wenn man bedenkt, dass sie 1919 veröffentlicht wurde. Jürgen stolpert nolens-volens von einer Eskapade zur nächsten um sich langsam über sich selbst klar zu werden.

Insgesamt ist dieses eine Geschichte der Zweideutigkeit, des “Statt dessen”, der Kompromisse. Die Ereignisse sind zwar amüsant, aber immer mit einem tragischen Unterton hinterlegt; Jürgen erhält zumeist das, was er anstrebt, selten ist es aber das, was er will.
Bekannt geworden ist Jürgen als Geschichte der pornographischen Anspielungen. Die sind natürlich enthalten – sogar zu Hauf – da Cabell sich u. a. gegen die Sexualmoral der USA des frühen 20. Jhd. wendet. Jürgen ist ein Auftakt der “Roaring Twenties” – der junge Jürgen würde sich in den 20ern wohlgefühlt haben. Alle Phallus-Symbole (Schwert, Lanze, Szepter, Keule etc.) sind ernst zu nehmen – wenn der betrunkene Jürgen nächtens mit seinem Schwert vor dem Zimmer der Anaitis herumfuchtelt, hat dieses zwei Lesarten. Doch die Geschichte ist mehr als das; sie ist zunächst sehr humorvoll – die Nüchternheit, mit der Anaitis auf die zuvor geschilderte Szene reagiert, ist bezaubernd komisch. Vor allem aber ist es eine Reflexion auf die Jugend, das Alter, Menschlichkeit und deren Auffassung. Auch wenn das Buch für bare Münze genommen an vielen Stellen eine Männerphantasie zu sein scheint – alle Frauen lassen sich von Jürgen betören – löst sich dieses auf, wenn man die Symbole zu interpretieren beginnt. Anzumerken ist noch, daß die Stellen eindeutig zweideutig sind. Man weiß ganz genau, dass Jürgen sich gerade sexuell betätigt, doch lässt sich diese Szene auch ohne Problem ohne sexuelle Anspielung verstehen.

Auch wenn Jürgen Teil des Poictesme-Zyklus ist, lässt sich die Geschichte ohne weiteres verstehen; wer den Rest kennt, kann noch ein wenig mehr über der Part von Koshchei und vor allem Horvendil rätseln, darüber hinaus ist Jürgen aber das extreme Gegenteil von Dom Manuel; im Zyklus legt Cabell seine Ansichten über Lebensauffassungen dar, die Vertreter sind Dom Manuel (Chevalereske/Ernste), Jürgen (Galante/Ironische) und Horvendil (Poetische/Schaffende).
Sprachliche ist das Werk durchaus gelungen, es gibt keine Fehltritte und manch schöne Wendung – an die Sprachgewalt Lord Dunsanys oder Lewis Carrolls Zauber kann es aber nicht heranreichen.

Cover von Der Kampf um die alte Welt von Michael A. StackpoleWährend sich die Welt immer noch vom Ausbruch der wilden Magie erholt, ist die Reise von Keles und Jorim Anturasi zu einem vorläufigem Ende gekommen. Als Gefangener der Desei-Dynastie versucht Keles, die alten Feinde seines Hauses zu manipulieren. Doch die Lage spitzt sich zu, als Deseirion plötzlich angegriffen wird und Keles sich einer Übermacht von Gegnern gegenüber sieht.
Jorim hingegen hat Probleme ganz anderer Art: auf der geheimnisvollen Insel Caxyan wird er von den Amentzutl als wiedergeborener Gott verehrt. Er soll das Volk der Insel vor seinen Feinden retten und in eine neue Friedenszeit führen. Können die alten Überlieferungen wahr sein?

-»Ihr wisst vielleicht, wo ihr seid, und sogar, wohin ihr wollt, aber ihr kennt die Welt nur als Karte. Eine Karte verhält sich zur wahren Welt aber wie ein Notenblatt zu einem Lied. Sie ist nichts weiter als eine Beschreibung. Ihr wisst nicht genug von dieser Welt, um in ihr zu überleben.«-
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Der zweite Band von Stackpoles Fantasy-Saga gibt sich alle Mühe, seinen Vorgänger in Sachen Handlung und Spannung zu übertreffen. In einigen Dingen gelingt das auch, in anderen tritt zumindest keine Verschlechterung auf.
Zunächst einmal ist die Handlung von Der Kampf um die alte Welt (Cartomancy) weitaus komplexer als im Vorgänger Das verlorene Land (A Secret Atlas). Die vorangegangenen Handlungsstränge werden weitergeführt und es kommen noch ein paar interessante Aspekte hinzu, was dem ganzen Roman viel mehr Tiefe gibt, als der erste Band hatte. Es gibt einige überraschende Wendungen, die man im ersten Band nicht erwartet hatte (z.B. in Hinsicht auf die Kaiserin), die einen ermutigen, trotz diverser Längen durchzuhalten. Die Geschichte bedient sich einiger offensichtlicher Leihgaben gängiger Mythen, während die Amentzutl große Ähnlichkeiten mit den Inka oder Maya aufweisen. Dennoch bringt der Autor auch genug eigene Ideen ein, die sich gut mit dem Ausgeliehenen verbinden und eine neue Geschichte entstehen lassen, nicht nur eine neue Version einer bereits Bekannten. Die religiösen Aspekte erhalten mehr Gewicht, es kommt sogar zum Eingreifen der Götter selbst. Auch hier finden sich Anlehnung an Bekanntes, Grija ist dabei das Äquivalent zu Anubis, beide hundsköpfig und Gott der Toten. Vielleicht wäre ein bißchen weniger “ausleihen” mehr gewesen. Die Schlusskapitel bieten jedoch einige fiese Cliffhanger, so dass man gewillt ist, auch den abschließenden Band der Trilogie zu kaufen.
Besonders gelungen sind die Kapitel der Bürokraten und ihre Sicht der Dinge. Als Gegenspieler von Prinzdynast Cyron ist der Oberamtswalter Pelut Vniel eine überaus gelungene Figur. Mit viel Feingefühl zeichnet der Autor ein Bild von der Politik und Bürokratie der Neun Dynastien, das sich aufgrund der Tiefe und sorgfältiger Ausarbeitung sehen lassen kann. Die Intrigen zwischen den einzelnen Dynastien sind überaus realistisch und glaubwürdig geschildert. Besonders Cyron als tragische Figur hat mir gut gefallen.
Es gibt keine richtige Hauptperson, auf der der Schwerpunkt der Geschichte liegt, sondern die Ereignisse werden durch den (eingeschränkten) Blick vieler Personen erzählt. Dabei entwickeln sich die Charaktere von den bloßen Schemata des ersten Buches zu durchaus realistischen Personen, in die man sich teilweise auch hineinversetzen kann. Ein paar neue Persönlichkeiten und ein Kapitel in der Ich-Perspektive fügen sich nahtlos in die Geschichte ein.
Das, was dem Autor zwar in Sachen Intrigen und Machtspielchen gelingt, versagt aber bei den Schlachten und Kämpfen, von denen es allzu viele gibt. Die Kämpfe sind kaum mehr als eine (teilweise eklige) Beschreibung, wie der Held den Feind niedermetzelt und dabei von einer Form in eine andere wechselt, ohne dass der Leser etwas damit anfangen kann. Wenn der Held den Feind mit dem “dritten Kranich” oder dem “fünften Drachen” angreift und dieser mit der zweiten Hundeform oder Heuschrecke antwortet, wirkt es eher wie ein verrückter Zoo als ein Kampf. Noch dazu kommt, dass die Kämpfe übergangslos stattfinden. In einer Zeile redet man noch friedlich miteinander, in der nächsten wird man angegriffen und verwandelt sich in einen Adler, auf der nächsten Seite geht man schon wieder weiter, als wäre nichts gewesen. Die Kämpfe, die wohl der Spannung dienen sollen, bewirken eher das Gegenteil. Und durch die vielen Kämpfe kann es schon mitunter zu so etwas wie Langeweile kommen, zum Glück dauernd diese Kapitel auch nicht ewig.

The King of Attolia von Megan Whalen TurnerKönigin Irene von Attolia hat durch ihre Heirat mit einem Cousin der Königin von Eddis außenpolitisch eine Atempause gewonnen. Aber der neue König ist unbeliebt und wird immer wieder zur Zielscheibe von demütigenden Streichen. Niemand geht jedoch so weit wie der Gardist Costis, der dem König einen Fausthieb ins Gesicht versetzt. Sein Schicksal scheint besiegelt, doch er  hat eher die Neugier als den Rachedurst des Herrschers geweckt. Nach und nach bildet sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Männern heraus. Costis erkennt, dass er den König unterschätzt hat, dessen wahre Fähigkeiten bald gefordert sind. Denn der machthungrige attolische Adel und die düpierten Meder ruhen nicht …

– Costis took a ragged breath. He wanted to kill the king. He wanted to cry. He dropped to his knees before his queen and lowered his head almost to the floor, covering his face with his hands, still balled into fists, tightening knots of rage and bitter, bitter shame. –
Chapter One

Mit The King of Attolia läuft Megan Whalen Turner zu Höchstform auf und legt ihren bislang vielleicht gelungensten Roman vor, der die Stärken der ersten beiden Teile der Attolia-Reihe kombiniert. Das Spannungsfeld zwischen persönlicher Integrität und politischer Notwendigkeit ist wie im zweiten Band eines der zentralen Themen, doch wie in The Thief herrscht trotz aller Ernsthaftigkeit der Handlung wieder ein von unaufdringlichem Humor gefärbter Erzählton vor. Gerade die Dialoge sind oft spritzig und pointiert, aber auch insgesamt ist die Lektüre ausgesprochen locker und unterhaltsam, ohne in Oberflächlichkeit abzugleiten. Manch subtiler Scherz ist schon in der Namensgebung verborgen. So wird es etwa historisch interessierte Leser nicht wundern, dass ein (ehemaliger) Gardist namens Sejanus für den geplagten Herrscher eher mit Vorsicht zu genießen ist.

Ohnehin erinnern die Gardesoldaten als potentielle Königsmacher ein wenig an die Prätorianer der römischen Kaiserzeit, wie auch überhaupt wieder einzelne Versatzstücke aus mediterranen Kulturen zu einer überzeugenden Welt kombiniert sind, die niemals bloße Kulisse bleibt, sondern mit ihren regionalen und sozialen Gegensätzen die Psyche der liebevoll ausgearbeiteten Charaktere bis ins Detail prägt.

Wie gewohnt dominiert der facettenreiche Gen über weite Strecken unangefochten die Bühne, wobei sein weiterhin sehr direktes Verhältnis zu den Göttern (die auch schon einmal verhindern, dass er angetrunken von der Palastmauer stürzt) für einige Lacher gut ist. Mit dem durchaus sympathisch gezeichneten, aber oft heillos überforderten Costis schenkt Turner dem Leser zum ersten Mal eine klassische Identifikationsfigur, an deren Seite er sich durch das Intrigengewirr am Hof von Attolia tasten kann. Wer allerdings die Reihe in chronologischer Reihenfolge gelesen hat, ist Costis oft um ein paar Schritte voraus, denn die Vorliebe der Autorin dafür, bestimmte Einzelheiten zu verschweigen und manches erst nachträglich in ganz anderem Licht erscheinen zu lassen, ist einem mittlerweile vertraut.

Dass man sich trotzdem nicht langweilt, liegt unter anderem auch daran, dass die bisher eher in außenpolitischem Kontext zum Einsatz gebrachten Winkelzüge hier dazu dienen, die inneren Machtverhältnisse eines Königshofs umzuformen. Was auf den ersten Blick wie eine Beschränkung wirken könnte, erhöht in Wahrheit die unterschwellige Bedrohlichkeit der Atmosphäre, denn die Illusion einer schützenden Trennung von gefahrvollem Aktionsraum und relativ sicherer Heimat entfällt. In dieser Hinsicht geht The King of Attolia thematisch noch über den Vorgängerband hinaus: Die dort begonnene Geschichte des (oft schmerzlichen) Heranreifens von Einzelpersonen wird um den Aspekt der Einfügung des Individuums in die Gesellschaft erweitert und bietet einen ehrlicheren Blick auf das Erwachsenendasein als manch ein anderes Jugendbuch.

Turner verzichtet dabei weiterhin darauf, Szenen auszuschlachten, die sich durchaus auch reißerisch hätten gestalten lassen. Die unaufgeregte Erzählweise vermeidet jeden Voyeurismus, obwohl gefoltert und gemordet wird und sehr schnell feststeht, dass in einer von Machtkalkül geprägten Umgebung auch Friedenszeiten nicht gar so friedlich sein müssen. Trotz dieser durchaus realistischen Sichtweise dürfen die Figuren jedoch ihre Menschlichkeit bewahren. Die Hoffnung, dass zumindest im Kleinen stets auch die Möglichkeit einer Wendung zum Guten besteht, scheint immer wieder auf, so dass man das Buch am Ende nicht angewidert von allen Ränken, sondern in durchaus positiver Grundstimmung aus der Hand legt.

Eine Besonderheit stellt die scheinbar unverbunden zum Rest des Textes eingefügte abschließende Kurzgeschichte dar, die eine Episode aus der Jugend der Königin von Eddis schildert. Es lohnt sich aber, sie aufmerksam zu lesen, und das nicht nur, weil in ihr auf ansprechende Weise Göttersagen und fiktive Realität ineinandergreifen: Manche hier vermittelte Informationen werden im vierten Band der Reihe noch wichtig. Ob man findet, dass eine Integration der Begebenheit in den Roman selbst die elegantere Lösung gewesen wäre, ist wohl Geschmackssache. Man kann es auch als kleinen Leckerbissen betrachten, entdecken zu dürfen, dass Megan Whalen Turner die kurze Form ebenso gekonnt beherrscht wie längere Erzählungen.

Nachdem die Königin von Attolia ein in ihrem Palast spionierendes Mitglied des Königshauses von Eddis hat verstümmeln lassen, eskaliert der schon lange schwelende Konflikt zwischen den beiden Ländern vollends. Der Krieg ruft nicht nur den immer noch eroberungslustigen König von Sounis sondern auch das mächtige Mederreich auf den Plan, und bald droht den drei kleinen Staaten ihre Zerstrittenheit wirtschaftlich wie politisch zum Verhängnis zu werden. Ein Verlust der Unabhängigkeit scheint kaum noch abzuwenden. Doch zweierlei hat der medische Gesandte Nahuseresh bei seinen Intrigen nicht bedacht: Die Macht der Götter – und die Unberechenbarkeit menschlicher Gefühle…

– Lärm scholl aus dem Befeuerungsraum den engen Tunnel entlang: Schlurfen, Rumpeln und, wenn er die Ohren spitzte, ein Knistern. –
Kapitel 1

Zu Die Königin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Königsblut von Daniel HanoverWährend Cithrin tollkühne Tänze auf dem Finanzmarkt vollführt, Marcus Wester im Zuge seiner Leibwächtertätigkeit wieder zum Schwert greift und im Hause Kalliam eine Vermählung ansteht, stehen in Antea alle Zeichen auf Krieg. Und an dessen Spitze steht kein Anderer als Geder Palliako, dessen priesterlicher Berater noch ganz andere Ziele verfolgt …

“Der Abtrünnige, der unter anderem auf den Namen Kitap rol Keshmet hörte, stand im sanften Regen der Stadt, vom Makel in seinem Blut gedrängt und getrieben, ohne ihm jedoch nachzugeben.”
– Einleitung, Meister Kit

Nach dem furiosen Auftakt Das Drachenschwert (The Dragon’s Path) geht die Dolch-und-Münze-Reihe von Daniel Abraham, der hier unter dem Pseudonym Daniel Hanover firmiert, mit Königsblut (King’s Blood) in die zweite Runde. Der Klappentext verrät bereits, dass Geder Palliakos Stern im Steigen begriffen ist – und der geneigte Leser weiß, was das bedeutet: Intrigen, Blut und Chaos; und wer hinter dieser vielversprechenden Wortgruppe Spannung und Action vermutet, wird nicht enttäuscht werden. Und ehe man sich versieht, befindet man sich im Lesestrudel und erfreut sich an Piratenabenteuern von Marcus und Yardem, dem sympathisch-witzigsten literarischen Fantasyduo seit Merry und Pippin, während Antea (ich will ja nichts beschönigen) langsam den Bach hinuntergeht. Königblut ist dennoch kein typischer modernen Fantasyroman, auch wenn es reichlich blutig zugeht – der Roman ist eher witty als gritty, eher „Hut ab!“ als „Kopf ab“, und damit eindeutig eine Ausnahmeerscheinung im aktuellen Fantasyprogramm.

Wie bereits im Vorgängerband besticht Königsblut nämlich besonders durch seine feine, psychologisch ausgefeilte Charakterzeichnung. Jeder Schwertstreich, jeder Verrat, jede Schlacht auf der abraham’schen Welt beginnt mit einem gesäten Zweifel, einer Unsicherheit, einer Zurückweisung, einer Enttäuschung oder Hoffnung; es sind die leisen Momente, die unwillkommensten Gedanken, die sich als machtvolle Figurenlenker erweisen und wie sehr kleine Steine des Anstoßes die Geschichte ins Rollen bringen. Dabei bedient sich Abraham, so scheint es, grundsätzlich bei altbekannten Typen: wir begegnen dem verbitterten Witwer, der intrigengeprüften Politikergattin (nebst kronentreuen Ehemann) und einem undurchsichtigen Fundamentalisten. Was sie alle auszeichnet, ist eine Lebendigkeit, die weit über die konventionelle Stereotypenjongleurie hinausgeht. Dabei vermag Abraham über die jugendlichen Irrungen und Wirrungen Cithrins genauso überzeugend zu schreiben wie über den klug gezeichneten, tiefen Konservativismus Dawson Kalliams, der, mit einer Prise Verzweiflung gemischt, zum Dreh- und Angelpunkt für das politischen Geschehen in Antea wird. Über allem steht jedoch die dunkle Figur Geders, die in seiner schamhaften Menschlich- und Männlichkeit, seiner Verletzlichkeit und Unbedarftheit alle anderen finsteren Herrscher in den Schatten stellt. Denn Geders Rache ist nicht die eines irrsinnigen Größenwahnsinnigen, sondern die eines gehänselten, unsicheren kleinen Jungen, der sich eines Tages mit der mächtigsten aller Waffen in den Händen wiederfindet: politischer Macht.

Besonders erfreulich ist es, dass diese Ausnahmereihe auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht wird: mit einer feinsinnigen und rundum gelungenen Übersetzung, die auch das Bankenjargon einer Cithrin bel Sarcour treffend zu vermitteln weiß, kann Geder Palliakos unheilverkündender Todesstern also auch hierzulande aufgehen.

Und während also Abraham mit Erwartungen, altbekannten und beschuppten Genregrößen, klugen Witz und tiefgehender Menschenkenntnis jongliert, wünscht sich der Leser nichts mehr als ein zehnbändiges Spin-Off mit Marcus und Yardem.
Der Tag, an dem man dieses Buch aus der Hand legen kann? Nicht heute.

Cover von Krieg der Engel von Wolfgang HohlbeinImmer wieder träumt Eric von einem Engel, der mit brennendem Gefieder auf dem Dach einer gigantischen schwarzen Kathedrale steht, die sich über einer apokalyptischen Landschaft erhebt. Und immer endet dieser Traum, kurz bevor sich entscheidet, ob der Engel leben oder die Apokalypse endgültig über die Welt hereinbrechen wird. Eric ist sicher, dass die düsteren Bilder eine Botschaft enthalten, vielleicht auch eine Warnung, die er nur nicht entziffern kann. Als Erics Eltern in die Gewalt des Schwarzen Engels geraten und er sie zu befreien versucht, gerät er in den Kampf der weißen und schwarzen Engel, der mit gnadenloser Härte in der schwarzen Kathedrale wütet …

-Der Engel brannte. Sein Gewand, sein Haar und die gewaltigen Schwingen standen in Flammen und seine ganze Gestalt schien wie in einen Mantel aus gleißender Helligkeit gehüllt zu sein, so grell und weiß, dass es fast unmöglich war ihn anzusehen.-

Mit Krieg der Engel hat das Ehepaar Hohlbein ein Jugendbuch entworfen, das meiner Meinung nach nicht unbedingt für ganz junge Leser geeignet ist. Die Geschichte um den Jungen Eric, der in den apokalyptischen Kampf zwischen schwarzen und weißen Engeln gerät, ist nicht nur außerordentlich spannend, sondern auch düster. Erics Weg ist begleitet von Schicksalsschlägen, denen er sich entgegenstellen muss, um seine Eltern zu retten. Dass dieses Unternehmen nicht ungefährlich ist, wird ihm immer wieder bewußt, denn nicht nur er befindet sich in tödlicher Gefahr. Und so kommt es, dass Eric auch Menschen verliert, die ihm wichtig sind. Gerade die Tatsache, dass nicht alles so gut ausgeht wie geplant, erzeugt ein apokalyptisches, düsteres Gefühl beim Leser.

Die Geschichte an sich ist gelungen: Die Hohlbeins greifen sich diesmal das drohende Weltende heraus und verarbeiten diese Thematik mit viel Geschick zu einer spannenden und fesselnden Geschichte. Eric wird glaubhaft dargestellt, während er sich im Laufe des Buches von einem verschüchterten Jungen zum Retter seiner Eltern entwickelt. Dabei bleibt er aber im Grunde immer noch er selbst und die Entwicklung ist hart erkämpft. Aus der Verzweiflung über die Entführung seiner Eltern und den Verlust von Freunden wächst der Wunsch, wenigstens die Eltern retten zu können. Dabei erhält er Hilfe von Cheb, seinem Schutzengel, der Eric bei seinem Unternehmen zur Seite steht.
Welche Rolle Eric genau in diesem Kampf spielt, wird bis zum Schluss nicht verraten. So viel vorweg, niemand ist der, der er vorgibt zu sein, und es kommt anders, als man denkt.
Spannend, apokalyptisch, düster, so kann man den Roman vielleicht am besten beschreiben. Nur weil ein Kind die Hauptrolle spielt, ist das Buch noch lange kein Kinderroman. Empfehlen würd’ ich das Buch für Leser ab 13, da die Geschichte komplexer und düsterer ist als so manche Romane für Erwachsene.

Krishna - A Journey Within von Abhishek SinghUnter einem Baum umgeben von Wasser, inmitten einer Idylle aus Stille und unberührter Natur sitzt ein Mann. Er beobachtet das Leben vom kleinsten Tierchen an. Er trägt eine Pfauenfeder im Haar und seine Haut hat die Farbe frischer Gewitterwolken. So heißt es in hinduistischen Erzählungen, die von dem Gott Krishna bekannt sind, und so beginnt auch diese Geschichte voller Verluste, philosophisch abschweifender Gedanken und nicht zuletzt Hoffnung.

– When the wind whispered the lament of the sky with the flowers I sang. When unremembered dreams stood still in silence I, like a swan, carried them on my wings. It’s been more than a century and I finally await an end to my journey. Why do we exist? What do we desire? Life and its many questions. At times their weight felt heavy but I glided through the world of man on the wings of their answers. My story is the way of life because it’s not a story about me. It’s a story about hope. –
Krishna

Willkommen zu einem visuellen 5-Sterne-Festmahl! Krishna – A Journey Within ist ein farbgewaltiger und detailreich gezeichneter Comic, der mit seiner Optik überwältigt. In jedem Panel stecken derart viele liebevolle Kleinigkeiten, dass man sich Ewigkeiten darin verlieren könnte, ehe man alles entdeckt hat. Bei all dem herrschenden Gewimmel wirkt dennoch nichts daran überladen, sondern brodelnd lebendig und voller Herzblut angefertigt.
Zeichner Abhishek Singh verzaubert mit feinsten Linien, organisch wirkenden, fließenden Formen, leuchtenden Farben und stimmungsvollen Licht- und Schattenspielen. Auch die ausdrucksstarke Darstellung von Mimik und Gestik trägt zu der magischen Atmosphäre bei.

Krishna - A Journey Within von Abhishek Singh

Inhaltlich startet der Comic mit einer älteren Version Krishnas, die mit melancholischer Erzählstimme auf verschiedene Abschnitte seines Lebens zurückblickt und im Ganzen den Verlust der Unschuld des Menschen schildert. Es beginnt mit einem Blatt, das auf die Wasseroberfläche trifft, und den Folgen, die diese winzige Begebenheit auf den nächststehenden Organismus hat. Unweigerlich fällt einem bereits hier, am Anfang der Geschichte von A Journey Within,  der Schmetterlingseffekt ein. Alles ist verbunden und selbst die kleinste Begebenheit hat eine ganze Kette von Reaktionen zur Folge. Manches wirkt so unscheinbar auf uns, dass es unbemerkt vorüber zieht, anderes schlägt so große Wellen, dass es Geschichte schreibt.
Gott Krishna führt uns durch sein Leben als Mensch, als Kind, als erwachsener Mann, als Schlichter, als Ehemann und vor allem als Inkarnation der Hoffnung. Dieser Comic ist seltsam faszinierend in seiner nicht linearen Erzählweise. Manchmal ist er entzückend humorvoll, wenn wir als LeserInnen auf den kleinen Kind-Gott Krishna blicken, der zusammen mit seinen Freunden eine Räuberleiter bildet, um der Mutter leckere Köstlichkeiten stibitzen zu können. Die Unbekümmertheit des Kindes hält freilich nicht lange an, denn das Leben bietet nicht nur verlockende Naschereien, sondern auch Verluste, Kämpfe und Gewalt, doch ebenso auch Liebe, Freundschaften und Mut. All diese emotionalen Erfahrungen ändern Krishna auf seiner Reise des Lebens, motivieren seine Handlungen und prägen sein Herz. Die großen Themen in Krishna – A Journey Within sind daher, wenig verwunderlich, die von Leben und Tod, Gut und Böse, Licht und Schatten, Hass und Liebe. Für Krishna gehören diese Gegensätze zusammen und er selbst ist Teil davon, so wie jeder und alles Teil von etwas ist.
Krishna - A Journey Within von Abhishek SinghEs ist wirklich keine Geschichte, in der es besonders spannend oder abenteuerlich zuginge, das ist wohl auch nicht das Ziel dieses Comics. Zeichner Singh verarbeitet hier vielmehr philosophische und spirituelle Gedanken und Fragen in Bezug auf den Kreislauf des Lebens und die große Verbundenheit von allem, was existiert. Wie so oft bei derart grüblerischen Ansätzen, ist es nicht immer leicht, den Gedanken des Erschaffers zu folgen. Vielleicht spielt auch die sprunghafte Erzählweise eine Rolle oder das möglicherweise fehlende Detailwissen über die hinduistische Religion – wie es von der einen Episode zur nächsten kommt, ist jedenfalls nicht immer wirklich klar. Immerhin werden Eigennamen und andere aus dem Hinduismus stammende Begriffe im hinteren Teil erläutert, so dass man zumindest die wichtigsten Bausteine der Handlung zu verstehen lernt.

Es geht hier schwer nachdenklich zur Sache. So versucht uns Singh auch manch »bösen« Charakter als Mensch mit leidvollen Erfahrungen nahezubringen. Angesichts mancher Ereignisse und Taten fällt es einem als LeserIn allerdings alles andere als leicht, tatsächlich das Mitgefühl zu empfinden, das hier aufkommen soll. Doch unabhängig davon, ob man die Erzählung zugänglich findet oder nicht, sind es letztlich ohnehin die beeindruckenden Bilder, die diesen Comic so einzigartig machen und zum wiederholten Verweilen anregen. Wirklich schade ist nur, dass die Druckqualität des Comics eher bescheiden ausgefallen ist. Das Papier ist recht dünn und bringt die Bilder nicht so gut zur Geltung, wie sie es verdient hätten. Auch die Bindung und Positionierung der Zeichnungen scheinen hier und da nicht richtig durchdacht worden zu sein, so dass oft Trennungen an ungünstigen Stellen entstehen und diese Teile wichtiger Szenen verdecken. Gerade bei dunkleren Bildern verwaschen auch schnell mal die vielen Details auf dem minderwertigen Papier. Dennoch, wer die Gelegenheit findet, sollte sich Krishna – A Journey Within unbedingt einmal ansehen (oder zweimal, oder dreimal …).

Cover von Kushiel's Avatar von Jacqueline Carey 10 Jahre Frieden hat das Orakel prophezeit, und die neigen sich dem Ende zu. Es beginnt mit Albträumen über Hyacinthe, dann erreicht Phèdre ein Brief von Melisande – in dem sie um Hilfe bittet. Trotz Protests Jocelines reist sie nach La Serenissima und stellt sich ihrer Erzfeindin. Doch anstatt der kühlen, berechnenden Verräterin erwartet sie eine sorgende Mutter, denn Melisandes Sohn Imriel ist verschwunden. Der Dritte in der Thronfolge wurde aus seinem Versteck entführt. Nur einer Person traut Melisande zu, ihren Sohn zu finden, und bietet dafür den Schlüssel zur Rettung von Hyacinthe. Obwohl sie damit ihrer Feindin hilft, begibt sich Phèdre auf die gefahrvolle Suche nach dem Jungen …

-»Did you tell him our plan?« I asked.
Imriel nodded, both feet hooked about the rungs of the stool. »He says you are as mad as the Mahrkagir and we are all like to die.«
I hadn’t expected any different. »Will he do it?«
»Yes.«-

Handlungsmäßig ist Kushiel’s Avatar (Die Erlösung) leider kein großer Renner. Man braucht nur die Karte aufzuschlagen um zu ahnen, dass die leisen Befürchtungen des zweiten Teiles wahr geworden sind. War es im ersten Band, Kushiel’s Dart (Das Zeichen; Neuauflage) eine Karte von Terre D’Ange und den angrenzenden Ländern, war es beim zweiten Band, Kushiel’s Chosen (Der Verrat) schon das westliche Mittelmeer und beim Dritten … So kommt es, wie es kommen musste und Phèdre reist noch weiter als zuvor, erlebt noch fremdere Kulturen, lernt noch mehr Sprachen und muss noch mehr ertragen. Klar, dass nichts weniger auf dem Spiel steht als die bekannte Welt, auch wenn es nicht so explizit gesagt wird. Die Reisen aus den vorherigen Büchern muten dabei fast wie ein Kindergartenausflug an, trotzdem kommt nur wenig Spannung auf. Immer sind es Phèdres waghalsige Pläne, die die Situation retten. Wären die Bücher nicht so verdammt gut geschrieben, wäre es ein schönes Beispiel dafür, was passiert, wenn Autoren ihre Figuren zu sehr mögen. So nimmt man es der Autorin schon fast ab, was Phèdre alles kann. Letztendlich gibt es kein Land, welches sie nicht besucht hat, um dort irgendetwas Gutes in Gang zu bringen. Die Bescheidenheit von Phèdre ist dabei fast schon unnatürlich, schließlich schuldet jedes Königreich ihr mindestens einen Gefallen. Den Welteroberungsplänen steht also nichts mehr im Weg … Wieder können die Charaktere überzeugen, obwohl die Motive der Hauptperson manchmal ein wenig im Dunkeln liegen. Das liegt eventuell daran, dass sie selbst nicht weiß, warum sie manche Dinge tut – begründet wird es geschickt dadurch, dass sie die Auserwählte eines Gottes ist. Klingt im ersten Moment vielleicht etwas platt, aber trotzdem nimmt man es ihr ohne weiteres ab.
In diesem Teil treten die religiösen Aspekte mehr in den Vordergrund. Wie schon beim Aufbau der Welt zeigt sich hier die große Sorgfalt, die eine stimmungsvolle Atmosphäre schafft.
Wer bis zu diesem Teil vorgedrungen ist, wird wissen, dass die Autorin kein Blatt vor den Mund nimmt, zumindest was Erotik angeht. Während im zweiten Teil die Szenen etwas moderater waren, sind sie nun wieder etwas heftiger. Besonders im ersten Handlungsabschnitt, wo die Szenen wohl betont eklig sein sollen, geht es ganz schon nah an das Erträgliche. Zur Stimmung trägt es dann nicht mehr bei, vielleicht hätten diese Abschnitte nicht sein müssen.
Wer keine großen Schlachten braucht und sich von deftiger Erotik nicht abschrecken lässt, der wird von der Stimmung des Buches sicherlich mitgerissen werden.

Cover von Der Kuss der Russalka von Nina BlazonRussland, 1706: Johannes ist mit seinem Onkel und seiner Tante ins Reich Zar Peters eingewandert, der europäische Handwerker zu Hunderten an die Newa holt. Als ein geheimnisvolles Mädchen tot aus dem Fluss geborgen wird, bringt man die Leiche in die Werkstatt von Johannes’ Onkel. Johannes bemerkt schnell, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, zumal der geistig behinderte Mitja die Tote als Russalka bezeichnet hat. Als die gut bewachte Mädchenleiche verschwindet, gerät die Familie unter Verdacht. Johannes verfolgt die Spur der Russalka weiter, um den Ruf seiner Familie zu retten. Dabei kommen er und sein neuer Freund Jewgenij einer Verschwörung gegen Zar Peter auf die Spur, die ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen wird …

-Hoch türmten sich die Erdwälle der Peter-Paul-Festung vor dem Boot auf, das nun am Newator anlegte. Die Festung war das eigentliche “Sankt Piter Burch”, ein Bollwerk, das Zar Peter nach seinem Namenspatron benannt hatte, dem heiligen Petrus, und das nun der neuen Stadt ihren Namen gab.-

Zunächst entführt die Autorin den Leser ins historische Russland. Durch die Augen des jungen Johannes berichtet sie von dem gewaltigen Unterfangen, eine Zarenstadt aus sumpfigem Nichts zu errichten. Die Arbeiten an diesem Jahrhundertprojekt werden nicht als munteres Treiben beschrieben, statt dessen treten deutlich die Spannungen zwischen europäischen Handwerkern und Architekten, einheimischen Arbeitern, versklavten Kriegsgefangenen und der Militärmacht zu Tage – historisch glaubhaft und atmosphärisch geschildert. Nicht nur im Aufbau seiner Stadt, sondern auch in der Figur Peters des Großen selbst spiegeln sich Widersprüche: Der mal großherzige und mal barbarisch brutale Zar erfährt einerseits Hochachtung und wird als Weltveränderer verehrt, andererseits aber ist er der orthodoxen Schicht im Lande ein Dorn im Auge.
Dass dann in diesem historischen Roman plötzlich ein wahrhaftiges Fabelwesen – eine Russalka ist ein Meerjungfrauen-ähnliches Wesen, das in Flüssen und Seen lebt und Macht über das Wasser hat – auftritt, wirkt zuerst irritierend. Doch gerade die Mischung der märchenhaften Elemente mit dem realen Hintergrund macht die Geschichte besonders fesselnd. Mit dem wissenschaftlich interessierten und fortschrittlichen Zar Peter und den Hütern der Russalka treffen aufklärerische Züge und Naturglaube aufeinander. Von der “kleinen Meerjungfrau” hebt sich das russische Wasserwesen übrigens wohltuend ab, denn es kombiniert betörende Sinnlichkeit mit erschreckender Tierhaftigkeit. Und auch der “Kuss der Russalka” ist keineswegs das romantische Erlebnis, nach dem es sich anhört …

Die unfreiwilligen Helden der Geschichte, Johannes und Jewgenij, überzeugen vor allem dadurch, dass sich ihre Freundschaft erst einen langen Weg durch Feindseligkeit, Prügel und Nörgeleien hindurch bahnen muss. Ihre unterschiedlichen, manchmal schlicht widersprüchlichen Charaktere ergänzen sich wunderbar. Was den beiden auf ihrer Jagd nach dem Geheimnis der Russalkas widerfährt, hinterlässt seine Spuren in ihren Charakteren, bringt sie mal einander näher und mal beinahe auseinander. Eine schöne Anti-Bilderbuchfreundschaft also, wodurch beide besonders lebendig erscheinen.

Die abwechlungsreiche Geschichte ist historischer Roman, Krimi, Märchen, politischer Thriller und sogar Lovestory in einem, wirkt jedoch nie überladen. Leider muss man gelegentlich etwas angestrengt versuchen dem Verlauf zu folgen, wenn zum Beispiel ein paar kryptische Weissagungen des Gottesnarren Mitja einen komplizierten Zusammenhang erklären. Aber das mindert weder die Spannung noch schadet es der dichten, abenteuerlich-schauerlichen Atmosphäre, die die Geschichte durchzieht. Unbedingt abends bis nachts zu lesen!

Cover des Buches "The Last Battle" von C. S. LewisDer letzte Band der Narnia-Chroniken beschreibt, wie Narnia aufhört zu existieren. Was genau passiert und warum Narnia untergehen muss, sollte man besser selbst nachlesen …

-“In the last days of Narnia, far up to the west beyond Lantern Waste and close beside the great waterfall, there lived an Ape.”-
Chapter One: By Caldron Pool

Am letzten Narnia-Band werden sich wohl die Geister scheiden. Für die einen ist es ein furioses Finale, für die anderen ein vor christlichen Symbolen triefendes Armageddon. Es kommt ganz auf den Leser an, wo dieser seinen Schwerpunkt setzt. Ich für meinen Teil war zunächst sehr überrascht, weil ich schon allerlei Merkwürdiges vom letzten Band gehört hatte: Lewis‘ letzte Geschichte über Narnia ist wirklich fesselnd und spannender als seine Vorgänger. Ich konnte das Buch kaum mehr aus den Händen legen und war auch nach einem Tag bereits durch.

Doch mehr als in den Bänden zuvor wird hier die christliche Symbolik deutlich, besonders am Ende nimmt der religiöse Charakter überhand. Zum Schluss wird dem Leser eine deutliche (natürlich religiöse) Botschaft vermittelt.
Welche Seite nun der Leser mehr Beachtung widmet, bleibt ihm selbst überlassen. Mich hat The Last Battle (Der letzte Kampf) wirklich gefesselt, und es bildet zudem auch noch einen runden Abschluss für den gesamten Zyklus.

The Last Olympian von Rick RiordanDie finale Schlacht ist gekommen und der Krieg um die Herrschaft beginnt. Mit seiner gewaltigen Armee zieht Kronos auf Manhattan zu, um den Olymp und die Götter zu zerstören. Während die olympischen Götter außerhalb gegen Titanen kämpfen müssen, wurde die Stadt in tiefen Schlaf versetzt und von der Außenwelt abgeschottet. Es bleiben nur noch die wenigen Halbgötter des Camp Half-Blood als letzte Verteidigung für den Olymp – vierzig gegen vierhundert. Doch das Camp ist nicht nur in der Unterzahl, die Häuser sind auch gespalten und ein Verräter bewegt sich unerkannt unter ihnen. Nicht zuletzt ist außerdem die Zeit für Percy Jacksons vielleicht letzte Entscheidung gekommen.

– The end of the world started when a pegasus landed on the hood of my car. –
I go cruising with Explosives, S.1

The Last Olympian (Die letzte Göttin) ist der wohl stärkste Teil dieser Reihe. Autor Rick Riordan hat sich mit jedem neuen Buch ein gutes Stück gesteigert, doch in diesem fünften Band holt er noch einmal alles raus und liefert den Lesern ein triumphales Finale.

Der letzte Roman um Percy Jackson startet ohne viel Vorspiel mit einem Kampf und dem plötzlichen Tod eines Freundes. Das gesamte Camp befindet sich im Kriegszustand, die Emotionen sind angespannt, Hoffnung ist kaum noch vorhanden und zu allem Überfluss herrschen auch innerhalb der Gruppe von Halbgöttern Streitereien. Die Kinder des Olymp sind praktisch auf sich allein gestellt, denn ihre göttlichen Eltern kämpfen, mit wenig Erfolg, an anderer Front gegen Titanen, die auf den Olymp zu marschieren. Campleiter Chiron ist ebenfalls fort, um Hilfe zu suchen, doch die Rückmeldungen von beiden Parteien klingen ziemlich aussichtslos. Die Chancen stehen also erbärmlich schlecht und entsprechend schwer sind die Gedanken unserer Helden, denn es geht von Anfang bis Ende um mehr als nur das eigene Überleben.

Wer nun fürchtet, The Last Olympian biete einen deprimierenden Lesegenuss, der irrt. Angesichts der Lage geschehen einige tragische Dinge, die an den Protagonisten durchaus nagen und auch den Leser nicht kalt lassen. Doch mit einem neuen Höchstmaß an Sarkasmus und Galgenhumor sorgen Percy und seine Freunde auch immer wieder für unerwartet humorvolle Einlagen, die zeigen, dass unsere Halbgötter noch lange nicht am Ende sind. Auch Gott Apollo gibt wieder kleine Spezialitäten zum Besten, nahezu preisverdächtig ist seine jüngste Auswahl an Fahrstuhlmusik. Wer bisher noch nicht von diesem Hitzkopf hingerissen war, der wird Apollo nach der Lektüre dieses letzten Bandes lieben.

Wie eingangs erwähnt, hat Rick Riordan in seinem finalen Aufgebot der Percy-Jackson-Reihe Höchstform gezeigt. Mehr beschreibende Details kreieren eine plastische, lebendige Welt, und zusätzlich kommen die Götter und ihre Gegenspieler viel häufiger zum Zuge und sorgen für echte mythologische und antike Stimmung. Unter den vielen Charakteren, die beinahe beiläufig, aber wirkungsvoll weiter ausgebaut werden, fällt vor allem der junge Nico sehr positiv auf. Der Sohn des Hades, der bei seinem ersten Auftritt in The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) noch wie ein naiver, aufgeweckter Junge ohne Sorgen wirkte, hat sich bis in den finalen Band zu einem wirklich interessanten und düsteren Charakter entwickelt. Umso erfreulicher, dass er im fünften Band eine wichtige Rolle einnimmt, in der lange nicht klar ist, für welche Seite der Junge tatsächlich kämpft.

Am Ende von The Last Olympian hat man etliche Verluste erlebt, den Mut und die Hoffnung nicht verloren, ist an den Erlebnissen gewachsen und mit ihnen erwachsen geworden. Man hat auch gelernt, dass junge Frauen im Kriegszustand verflucht Angst einflößend sein können, und man hat unheimlich viel zu lachen und zu bangen gehabt. The Last Olympian macht eigentlich alles richtig und übertrifft die Erwartungen an dieses Finale. Glücklicherweise verzichtet der Autor auf einen kitschigen Epilog, der das Leseerlebnis nachträglich hätte trüben können.

Wer nun noch immer nicht genug bekommen hat von Halbgöttern und olympischen Bewohnern, dem könnte die ähnlich konstruierte, aber mit neuen Charakteren besetzte Folgeserie The Heroes of Olympus gefallen.

Le peuple turquoise von Ange GuéroDer ehemalige Spion und Meuchelmörder Arekh fristet ein erbärmliches Dasein als Galeerensträfling und hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch als sein Schiff in einem Gefecht versenkt wird, rettet Marikani, die Thronerbin des Königreichs Harabec, Arekh unversehens das Leben, so dass er sich im Gegenzug widerwillig bereitfindet, ihr und ihrer Hofdame Liénor bei der gefahrvollen Rückkehr in ihre Heimat zu helfen. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass nicht nur äußere Feinde ihnen Steine in den Weg legen: Aus dem Königshaus von Harabec droht Verrat, die mächtige Priesterschaft spinnt ihre eigenen Intrigen, und in den Reihen des versklavten Türkisvolks gärt es…

Le niveau de l’eau montait, atteignant maintenant la poitrine des prisonniers des derniers rangs. Les rayons du soleil chauffaient les visages, murmurant des promesses de printemps.
Puis la galère se renversa et Arekh se retrouva sous l’eau.
Chapitre 1

Französische Fantasy steht in dem Ruf, zwar gelungene Comics hervorzubringen, im Romanbereich aber bestenfalls Durchschnittliches zu bieten. Gelegentlich stößt man jedoch auf ein Buch, das einen eines Besseren belehrt –  und das trifft auf Ange Guéros Le peuple turquoise (in deutscher Übersetzung als Rune der Knechtschaft erschienen) voll und ganz zu. Unter dem sonst gemeinsam mit ihrem Mann Gérard genutzten Pseudonym Ange entwirft Anne Guéro das düstere Bild einer von Religiosität und Rassismus ebenso wie von Lebensfreude und Dekadenz geprägten Gesellschaft, die lange die Gefahr verkennt, in der sie schwebt. Das orientalisch inspirierte Tanjor mit seinen Palästen, Städten, grandiosen Landschaften und unterirdischen Gangsystemen ist dabei bis ins Detail liebevoll und plastisch ausgestaltet und von einer Vielzahl glaubhaft geschilderter Ethnien bevölkert, so dass sich wirklich das Gefühl einstellt, Einblicke in eine fremde Welt zu erhaschen, statt es nur mit der Kulisse einer Romanhandlung zu tun zu haben.  Auf allzu viele Fantasyelemente sollte man allerdings nicht hoffen, denn wann immer Übernatürliches ins Spiel zu kommen scheint, sind dem religionskritischen Unterton des Romans gemäß auch ganz profane Erklärungen für die Vorgänge denkbar.

Diese Abwesenheit von Magie mindert jedoch keinesfalls die Faszination des Settings, dessen ausführliche Hervorhebung in dieser Rezension nicht überraschen sollte: Da die ersten zwei Drittel des Buchs ausschließlich aus einer Reiseschilderung bestehen, sind die Handlungsorte, mit denen sich die Protagonisten teilweise durchaus intensiv auseinandersetzen, statt sich nur hindurchzubewegen, für die Atmosphäre weit bestimmender als der eigentliche Plot, der zwar erwartungsgemäß nicht mit Verfolgungsjagden, Kämpfen, Intrigen, Mord und Totschlag geizt, aber nicht den hauptsächlichen Reiz der Geschichte ausmacht.

Denn vor allem lebt dieser erste Band der Trilogie Les Trois Lunes de Tanjor (deutsch: Die Legende von Ayesha) von dem sperrigen Antihelden Arekh, dessen Verurteilung zur Galeerenstrafe durchaus nicht unverdient ist und der auch nach seiner Befreiung immer wieder moralisch ambivalent agiert. Obwohl er also nicht als klassischer Sympathieträger angelegt ist, gelingt Guéro mit ihm die fein beobachtete Charakterstudie eines Menschen, der sich zwar zynisch gibt, unbewusst aber zutiefst von den Moral- und Glaubensvorstellungen der Gesellschaft, in der er lebt, beeinflusst wird. Die philosophischen Rededuelle, die er sich immer wieder mit der idealistischen Marikani liefert, führen in die zunächst recht generisch wirkende Flucht- und Abenteuerhandlung früh die Themen ein, die im weiteren Verlauf der Trilogie an Bedeutung gewinnen: Besonders am Beispiel von Sklaverei und Götterglauben geht es um äußerliche wie innere Abhängigkeit und nicht zuletzt auch um die Frage, inwieweit das persönliche Schicksal von übernatürlichen sowie irdischen Faktoren vorherbestimmt oder aber vom Einzelnen frei zu gestalten ist.

Dementsprechend ist es auch kein Wunder, dass die zahlreichen äußerlichen Bewährungsproben eigentlich fast sekundär sind und vor allem die Folie für die Entwicklung eines nicht unkomplizierten Beziehungsgefüges bilden, in dem Misstrauen, Sympathie und wechselseitige Verpflichtungen sich die Waage halten. Die pessimistische Erkenntnis, dass gemeinsam durchgestandene Widrigkeiten beileibe nicht immer Anlass genug sind, über den eigenen Schatten zu springen, zieht sich dabei fast leitmotivisch durch den Roman und führt als zentrales Element des nachdenklich stimmenden Endes zu den noch weit stärker von einer sehr abgeklärten Weltsicht geprägten Folgebänden hin.

Percy Jackson: Die letzte GöttinDie finale Schlacht ist gekommen und der Krieg um die Herrschaft beginnt. Mit seiner gewaltigen Armee zieht Kronos auf Manhattan zu, um den Olymp und die Götter zu zerstören. Während die olympischen Götter außerhalb gegen Titanen kämpfen müssen, wurde die Stadt in tiefen Schlaf versetzt und von der Außenwelt abgeschottet. Es bleiben nur noch die wenigen Halbgötter des Camp Half-Blood als letzte Verteidigung für den Olymp – vierzig gegen vierhundert. Doch das Camp ist nicht nur in der Unterzahl, die Häuser sind auch gespalten und ein Verräter bewegt sich unerkannt unter ihnen. Nicht zuletzt ist außerdem die Zeit für Percy Jacksons vielleicht letzte Entscheidung gekommen.

– Das Ende der Welt begann damit, dass ein Pegasus auf der Motorhaube meines Wagens landete. –
Ich gehe mit einer Ladung Sprengstoff auf Kreuzfahrt

Zu Die letzte Göttin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Der letzte Kampf von C.S. LewisDer letzte Band der Narnia-Chroniken beschreibt, wie Narnia aufhört zu existieren. Was genau passiert und warum Narnia untergehen muss, sollte man besser selbst nachlesen …

– In den letzten Tagen Narnias lebte weit oben im Westen, jenseits des Laternendickichts und nahe dem großen Wasserfall, ein Affe. –
Am Kesselteich

Zu Der letzte Kampf liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Percy Jackson – The Lightning ThiefPercy Jackson ist ein Problemkind wider willen, denn er gerät von einer seltsamen Situation in die nächste. Kein Wunder, dass er schon von sechs Schulen geflogen ist. Was er und der gewöhnliche Mensch aber nicht ahnen: Percy Jackson ist kein Unruhestifter sondern ein Halbgott und damit in höchster Lebensgefahr. Denn die Schergen des Gottes der Unterwelt haben es auf den Jungen abgesehen, nicht nur weil er im Verdacht steht, den berüchtigten Blitz des Zeus gestohlen zu haben. Die Furien sind ihm bereits dicht auf den Fersen, und die einzige Chance zu überleben scheint das Camp Half-Blood zu sein in dem ein mauliger Dionysus die Leitung hat.

– Being a half-blood is dangerous. It’s scary. Most of the time, it gets you killed in painful, nasty ways. –
I Accidentally Vaporize My Math Teacher, S. 1

The Lightning Thief (Diebe im Olymp) ist der erste Roman aus der Jugendbuchreihe Percy Jackson & The Olympians. Wie der Reihentitel schon erahnen lässt, dreht sich die Handlung um Figuren und Sagen aus der griechischen Mythologie. Percy Jackson wird oftmals auch als griechischer Harry Potter bezeichnet. Mit seinem Helden schafft es Autor Rick Riordan, trotz einiger Parallelen dennoch eine eigenständige Geschichte mit einer gänzlich anderen Atmosphäre zu erschaffen. Dementsprechend wäre niemandem damit gedient, sich von Percy Jackson einen zweiten Harry Potter zu erhoffen, aber es gibt natürlich trotzdem jede Menge Magie, gefährliche Monster, schwammige Prophezeiungen eines ganz schön ausgedörrten Orakels und natürlich eine gefährliche Queste für unsere drei jungen Helden.

Percy Jackson, Sohn des Meeresgottes Poseidon und titelgebender Held dieser Reihe, gilt als Legastheniker und chronischer Unruhestifter mit einem diagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom – dabei ist sein Gehirn einfach nur auf antikes Griechisch gepolt, was freilich niemand, nicht einmal er selbst, ahnt. Mit dieser Diagnose erklärt sich der Junge die seltsamen Dinge, die in seiner Umgebung geschehen, und kommentiert sie mit viel zynischem Humor. Entsprechend amüsant gestalten sich nicht nur Dialoge mit anderen Charakteren, sondern auch die Erzählung insgesamt, die aus der Perspektive eines schlagfertigen Percy geschildert wird.
Für weiteren Witz sorgen der Satyr Grover, dem in besonders heiklen Momenten nicht nur Schuhe und Hosen verloren gehen, sondern auch mal ein Blöken entweicht, und die strategisch denkende Annabeth – Tochter der Göttin Athene – die sich gerne mal mit der rivalisierenden Tochter des Ares in den Wettkampf begibt. Überhaupt ist auffällig, dass die größten und gefürchtetsten Raufbolde in diesem Roman Mädchen sind. Es hüte sich, wer auf dem Schulhof an Zöpfen ziehen möchte …

Dass The Lightning Thief aber auch ernsthafte Seiten hat, beweisen u.a. die Opfer, die Percys Mutter bringt, und das schwierige Verhältnis von Percy zu seinem Vater Poseidon, der sich nicht sicher ist, wie er zu seinem Sohn steht. Da ist einerseits Poseidons willentliche Bekenntnis zur Vaterschaft und andererseits seine Schuldgefühle darüber, durch Percys Zeugung eine wichtige Abmachung mit seinen Brüdern Zeus und Hades gebrochen zu haben. Außerdem scheint es allen Halbgöttern bestimmt zu sein, ein tragisches Schicksal bis hin zu brutalen Toden zu erleiden. Auch das nagt an dem Gott der Meere, der nur wenige eigene Auftritte in diesem Roman hat.
Während man als Leser also doch die ganze Zeit auf ein glückliches Zusammenkommen von Vater und Sohn hofft, die sich beide wie unsichere Boote umschiffen, bleibt Riordan realistisch und arbeitet bis zum Schluss konstant mit dem Zwiespalt seiner Figuren. Auch an anderen Fronten scheinen die familiären Beziehungen eine wichtige Rolle für den Autor zu spielen. Sie bereichern diesen phantastischen Roman um allzu real existierende Probleme, die sowohl junge und ältere Leser zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Lebens kennengelernt haben dürften. Darum bleibt es häufig auch nur bei Anspielungen und Anzeichen, die man erst mit einem gewissen Erfahrungswert sofort zu erkennen weiß. Leicht genug für junge Leser zu verstehen und durchs Hintertürchen auch derb genug, um ältere Leser unterhalten zu können. Dieses Spiel mit Andeutung und gezielt ausgelassener Information funktioniert in The Lightning Thief sehr gut und macht den Roman für alle Altersgruppen zu einem interessanten Lesevergnügen.

Atmosphärisch reiht sich der Roman in eine urbane Fantasywelt ein, in der Technologie und Magie unerkannt miteinander verschmolzen nebeneinander existieren. So gelangt man über bekannte Wahrzeichen wie das Empire State Building in den Olymp oder landet beim Betreten eines Casinos in einem modernen und trügerischen Nirvana. Diese Verschmelzung ist in The Lightning Thief leider nur teilweise gelungen, stellt allerdings auch nicht das Hauptaugenmerk des Romans dar. Denn das liegt eher bei Charakterbildung und Handlung. Etwas dürftig gestaltet sich dementsprechend auch die Erklärung dazu, weshalb wir die Götter der griechischen Mythologie neuerdings in den USA finden. Es wäre fast besser gewesen, diese Erklärung und den damit verbundenen Patriotismus auszusparen, stellt aber nur einen kleinen Fleck auf der sonst sauberen Weste dieses Auftaktromans dar.

The Lightning Thief präsentiert sich also als ein gelungenes Buch für jeden, der es gerne zynisch-sarkastisch-humorvoll mag und ein Herz für die alten Götter Griechenlands hat. Große Sprünge und grandiose neue Ideen darf man von dem Roman nicht erwarten, als solider Vertreter klassischer Fantasy-Erzählungen ist The Lightning Thief aber durchaus zu empfehlen.

Verfilmung:
Filmplakat The Lightning ThiefPercy Jackson & The Lightning Thief (Percy Jackson – Diebe im Olymp) wurde 2010 u.a. mit Logan Lerman in der Hauptrolle des Percy Jackson, Sean Bean als Zeus, Uma Thurman als Medusa und Pierce Brosnan als Chiron unter selbigem Titel verfilmt. Trotz der starken Besetzung bietet der Film aber nicht mehr als leichte Kost für zwischendurch. Die Handlung weicht außerdem in einigen Punkten von der des Buchs ab und erzählt eine teilweise andere Geschichte.

Nach Windwirs Fall herrscht Misstrauen unter den Völkern der Benannten Lande, und Rudolfo, der Zigeunerkönig, hat sich in seine Waldresidenz zurückgezogen und leitet den Neuaufbau der Bibliothek. Als unerkannte Attentäter zur Feier seines neugeborenen Sohnes ein Blutbad unter den Gästen anrichten, kommt er unbeschadet davon, und der Samen der Zwietracht ist gesät: hat der Zigeunerkönig etwas mit den Anschlägen zu tun? Doch während sich Rudolfo auf die Suche nach Wahrheit begibt, antwortet eine unbekannte Macht auf die Zerstrittenheit der Völker, und ihre Antwort ist: Krieg.

– Der Sonnenaufgang über den Mahlenden Ödlanden war von schrecklicher Herrlichkeit. –
Vorspiel

Es ist kein Zeichen überbordender Kreativität, einer Rezension den Titel des zu rezensierenden Romans zu verleihen. Doch da „Lobgesang auf Lobgesang“ noch unbeholfener tönt, möchte ich es bei der Einfachnennung belassen. Was also ist so gut am zweiten Band des Zyklus Die Legende von Isaak von Ken Scholes, dass ich hier einen weiteren Lobgesang anstimmen möchte?

Die Geschichte beginnt einige Monate nach der Verheerung Windwirs. Die Protagonisten sind über die Benannten Lande verstreut und versuchen noch immer, die Rätsel um die Zerstörung der einst so prächtigen Stadt zu lösen und die daraus resultierenden diplomatischen Verwicklungen zu entwirren. Besonders durch die Augen von Neb, Rudolfo und Vlad Li Tam entdeckt der Leser immer mehr von der Welt; die Mahlenden Ödlande werden durchlaufen und das Smaragdmeer durchschifft. Für jedes vermeintlich gelöste Rätsel werden jedoch zehn neue Frage aufgeworfen, und bald erschüttert Verrat und Krieg die Bewohner der Benannten Lande und die Leser des Romans.

Tatsächlich kann Lobgesang (Canticle) als ein Roman über Verrat, über Krieg, und über Verantwortung gelesen werden – und als Roman über Familie. Die zwischenmenschliche, familiäre Beziehung ist ein zentraler Handlungsmotor: während Winters jegliche Bezugsperson zu verlieren scheint, muss Vlad Li Tam erkennen, dass Blut zwar dicker als Wasser ist, aber dennoch vergossen werden kann.
Unkonventionell finde ich die Entscheidung, einen Protagonisten im inneren Konflikt zwischen Vaterschaft und Pflichtbewusstsein zu skizzieren. Äußerst feinfühlig schildert Scholes die wachsende emotionale Bindung eines Vaters an sein Neugeborenes, ohne in blinden Kitsch abzudriften. Die Sorge um das „Greater Good“ wird mit einem Male zum Kampf um ein einzelnes Leben. Doch bevor der actiongewohnte Fantasyfan aufstöhnt, sei ihm versichert: noch immer ist Rudolfo Staatsmann, und wer glaubte, die Intrigen der Familie Li Tam mit dem Ende des ersten Bandes durchschaut zu haben, wird enttäuscht werden. Noch feiner wird das Netz aus Täuschung, noch tiefgreifender der Verrat und deutlich blutiger die Auseinandersetzungen. Lobgesang ist kein schmachtendes Familiendrama, sondern ein spannender Fantasyroman und Scholes ein Autor, der sich der Herausforderung einer komplexen Charakterentwicklung annimmt.
Das Motiv des innerlichen Zwiespalts, des inneren Kampfes, zieht sich wie ein roter Faden durch die Charakterzeichnung. Winters ist nicht nur ein verliebtes junges Mädchen auf der Suche nach menschlicher Geborgenheit, sondern auch Kriegerin und Herrscherin eines Volkes, welches ungeahnt eine ganz andere Rolle spielt, als sie es sich hatte vorstellen können. Jin Li Tam hingegen hat genug von der häuslichen Wärme und stürzt sich, den eigenen Sohn im Arm haltend, in die Schlacht. Nur Petronus steuert ohne Zaudern auf ein Ziel zu; doch die gefürchtete und gleichzeitig herbeigesehnte Abrechnung ereilt ihn anders, als geplant.

Besonders diese Ambivalenz der Figuren und die sorgfältig und glaubhaft gezeichneten inneren Konflikte der Charaktere fesseln den Leser an die Seiten; ihre Schicksale vermögen zu Tränen der Freude oder der Trauer zu rühren. Jahrelanger Fantasygenuss härtet zwar ab, die Geschichte um die Familie Li Tam jedoch schockiert und führt den Leser die Abgründe menschlichen Handelns vor Augen.
Doch nicht nur menschliches Handeln bestimmt den Fortgang der Geschichte: immer mehr wird deutlich, dass die dampfbetriebenen Mechoservitoren nicht die passiven, programmausführenden Wissenscontainer sind, für die man sie gern halten würde. Und während alle dem Wissen der verlorenen Stadt Windwir auf der Spur sind, erwächst im karmesinroten Schatten des Sumpfvolkes eine uralte Bedrohung zu grausamer Stärke, und die Bundraben rufen es von den Dächern: Blutmagie …

Gewohnt sprachlich brillant und äußerst stimmig übersetzt erzählt Scholes seine facettenreiche Geschichte, die man als Leser atemlos, Seite um Seite verschlingt. Handlungsfäden treiben auseinander, überkreuzen sich und finden in grausamer Vorahnung wieder zusammen. Nie verliert der Autor einen Faden, und am Ende erkennt der Leser ein Muster, welches auf das Äußerste gespannt auf den dritten Band warten lässt. Und so langsam dämmert es dem Leser, dass Scholes etwas ganz und gar außergewöhnliches geschrieben hat: einen Lobgesang in Moll.

Durch einen atomaren Angriff wurde die Menschheit beinahe vollständig vernichtet. Die Überlebenden rotten sich zusammen und veranstalten eine blutige Hetzjagd auf die verbleibenden Wissenschaftler, in denen sie die Schuldigen für die atomare Katastrophe sehen.
Viele Jahrhunderte später findet ein junger Novize des Leibowitz-Ordens – benannt nach Isaac Leibowitz, einem längst verstorbenen Elektroingenieur – in einem ehemaligen Schutzbunker Aufzeichnungen und Blaupausen des verehrten Mannes. Die Entschlüsselung der wissenschaftlichen Schriften beginnt, doch nicht nur die Kirche hat an dem mühselig und langsam wiedererlangten Wissen Interesse.

Wir haben eure verdammten blutigen Beile und eure Hiroshimas.
– Wir marschieren gegen die Hölle, wir –
Atrophie, Entropie und Proteus vulgaris,
erzählen Zoten über ein Bauernmädchen namens Eva
und einen Handlungsreisenden namens Luzifer.
Wir begraben eure Toten und ihre Reputation.
Wir begraben euch. Wir sind die Jahrhunderte. –
Fiat voluntas tua, S. 312

Wir schreiben das 26. Jahrhundert, und der Novize Bruder Francis erkundet mit kindlich-naivem Staunen eine nach dem Atomschlag wüste Welt. Der Akt der Zerstörung selbst liegt im Dunklen und gleicht eher einem vagen Mystizismus mit seinen Teufels- und Spukgestalten. Erlebbar sind nur die Folgen: die Verwüstung der Welt und die systematische Ausradierung des Intellekts. Was übrig blieb – Blaupausen, Schaltpläne, Einkaufszettel –, bewahren die Mönche des Leibowitz-Ordens in stiller Ehrfurcht auf, und der Leser verfolgt mit einem Lächeln die Anbetung dessen, was im 21. Jahrhundert Gegenstand profaner Normalität ist. Doch das 26. Jahrhundert ist ein Zeitalter der Leere, die auch in der Semantik um sich greift: der Niederschlag wird als Gestalt des Teufels gefürchtet, die in Gruben und dunklen Winkeln lauert, und ein Schaltkreis als geheimnisvoller Schöpfungsplan bewahrt.

Das Staunen Bruder Francis’ wird zum Inbegriff der Unschuld, und löblich-unschuldig scheint auch die Sammlung und Bewahrung der Wissensfragmente. Doch was als Abenteuer, als Renaissance beginnt, was einem Neuanfang gleicht, entpuppt sich bald als zwingende Fortführung des menschlich-zivilisatorischen Kreislaufes, denn das Licht der Aufklärung und der Vernunft scheint nie alle Winkel des menschlichen Hirn- und Seelenkastens zu erhellen – und so muss sich die Heiligkeit des Wissens einmal mehr messen mit der Zerstörungskraft des Menschen.

Wir schreiben das Jahr 3174, die Jahre der Unschuld hat es nie gegeben. In den Mauern des Klosters des Heiligen Leibowitz widmet man sich weiterhin dem Studium des Halbwissens, und Miller jr. feilt weiterhin an seinen Geschichten-in-den-Geschichten, an den Figuren, die wie Wunder erscheinen und deren Entschlüsslung die hohe Kunstfertigkeit des Autors im Andeutungen und Ahnungen Säen betont. Grundwissen in der Bibelkunde und aufgefrischtes Kirchenlatein sind dabei von hohem Nutzen; denn erst mit der Erkenntnis um die dichte Intertextualität des Romans und die mannigfaltigen Deutungsebenen verkehrt sich das Gefühl der Ratlosigkeit in die Erkenntnis, einen Roman von inhaltlichem wie handwerklichem Genie zu lesen.

Die wichtigste Kraft des Romans ist jedoch sein Witz. Situationskomik, altlateinische Kalauer und zutiefst bissige Dialoge: sie treffen zusammen im anzüglich-satirischen Lächeln der St.-Leibowitz-Statue, welche die Zeiten und Äbte im Klosterkeller überdauert und erst von Abt Zerchi, dem letzten in einer langen Reihe, in den Zeiten allgegenwärtiger Angst vor der erneuten Zerstörung wieder an ihrem angestammten Platz als Heiligenstatue aufgestellt wird. Das hölzerne Antlitz lächelt im tiefen Wissen um einen Witz, den nur die Statue selbst zu verstehen scheint. Doch es schadet nie, sich von einem Lachen anstecken zu lassen.

Tatsächlich ist es nur Millers Humor, der die Hoffnung erweckt, dass der durch den Menschen in einen Kreislauf der Zerstörung transformierte Kreislauf des Lebens einer aufwärts gerichteten Spirale gleicht. Seine anderen zentralen Themen lassen wenig Mut zur Hoffnung zu. Im zweiten Teil des Buches – Fiat Lux, „Es werde Licht“ – treibt ein im Kellergewölbe von fünf Novizen angetriebener Dynamo einen tiefen Keil zwischen die weltliche und geistliche Wissenskultur. Das Gerät ist eine außerordentliche technische Errungenschaft, erbaut von einem ahnungslosen, aber experimentierfreudigen Klosterbruder und bringt sprichwörtliches und messbares Licht ins Dunkle. In diesem Licht jedoch nehmen Parteien Gestalt an, die vorher nur als grobe Schemen erahnbar waren: Kirche gegen Staat, Wissenschaft gegen Glaube, … – die Liste der Zerwürfnisse ist, bei Lichte betrachtet, endlos. Mit dieser biblischen Erhellung des klösterlichen Kellergewölbes durch einen Dynamo ahnt der Leser, dass die zivilisatorische Dunkelheit nur kurz erhellt wurde, um sich dann wieder in Grabesschwärze zu wandeln.

Miller jr. portraitiert mit sprachlicher und gedanklicher Präzision das wohl größte Verbrechen der Menschheit: die Erhebung der Amoral zur zivilisatorischen Unabwendbarkeit. In seinem Roman sind es nicht nur die Tyrannen und Diktatoren, die sich der Bürde der Verantwortung entledigen, sondern es sind Menschen, die sich als ‘Simpel’ bezeichnen, bevor sie diejenigen steinigen, die der Menschheit das brachten, was wir Zivilisation nennen. Die Negierung der Verantwortung ist ein zentrales Thema in Lobgesang auf Leibowitz (A Canticle for Leibowitz ): wer keine Fehler sieht, sondern an derer statt das Konzept des Unvermeidbaren erfindet, kann nichts lernen, kann dem endlosen Kreislauf nicht entfliehen.
Doch wird nicht das vermeintlich Unausweichliche, wenn vom Menschen begriffen, zum Abwendbaren? Denn, und auch dies wird in Millers Roman deutlich: es existiert kein naturgegebener Kreislauf der Zerstörung, der eine Wiedergeburt ad absurdum führt, sondern ausschließlich ein vom Menschen erdachter. An des Kreislaufs Anfang steht eine Idee, am Ende die Bombe, und alles, was danach kommt, ist nur ein müdes Spiegelbild dieser einfachen Gleichung: homo homini lupus.

Wir schreiben das Jahr 3781. Noch immer sind es die Mitglieder der Abtei des heiligen Leibowitz’, die sich der Empfindung widmen, die nicht nur im Roman mitleidig belächelt wird: der Hoffnung. Und Zuversicht benötigen sie, denn sie sind es, die mit ihrer Sammlung und Bewahrung des noch verfügbaren Wissens den Weg für den Fortschritt ebnen. Es scheint ihnen unmöglich, dass der Mensch das wiederholt, was ihn einst beinah vom Antlitz seines Planeten tilgte. Doch Miller jr. ist kein Moralapostel; welche Moral sollte es auch geben, nachdem der Mensch sich einmal selbst vernichtete und, kaum, dass die Zivilisation ihr Krankenbett verlässt, zum zweiten Schlag ausholt? Der Autor entwirft vielmehr das Bild einer Zeit, in der „Gerechtigkeit“ eine zutiefst subjektive Größe ist, und stellt eine verstörende und wichtige Frage: was ist wichtiger – Menschheit oder Menschlichkeit?

Lobgesang auf Leibowitz ist ein Rätsel- und Meisterwerk, eine Vertextlichung des ewig Menschlichen, Ausdruck von Angst und Resignation. Der Leser wird keine erbaulichen, hoffnungsvollen Botschaften, eingebettet in tröstlich-antikes Kirchenlatein finden, sondern einen schonungslosen Blick in eine Zukunft, die sich als denk-, und somit zerstörbar erweist. Mit seiner Hellsichtigkeit und seinem scharfsinnigen Humor wäre dieser Roman die schärfste Waffe in einem Kampf, der hoffentlich immer literarische Fiktion bleiben wird. Fiat Voluntas Tua.

The Long War von Terry Prachtett und Stephen BaxterDas Amerika der Heimaterde will seine Macht über die Reihe der unendlichen Parallelwelten ausdehnen, und gleichzeitig verpassen Siedler, Forscher und Reisende den Erden ihren menschlichen Fussabdruck. Dann sorgt eine Meldung im Outernet für Schlagzeilen: Forscher misshandeln vor laufender Kamera einen Troll – und dies ist nur ein Beispiel für die sich ausbreitende Gewalt gegen die humanoiden Long-Earth-Bewohner. Zeit für Joshua und Sally, etwas zu unternehmen …

Sally Linsay arrived at Hell-Knows-Where fast and furious. But when had that ever been unusual?
– Kapitel 2

Der erste Teil der The Long Earth-Reihe von Terry Pratchett und Stephen Baxter weckte große Erwartungen: Unendliche Welten, neue Gesellschaftsformen, Entdeckungen unvorstellbarer Evolutionsscherze – es hätte alles so schön sein können. Mit The Long War jedoch beweisen die Autoren, dass auch The Long Ideas nicht ausreichen, um eine gute Geschichte zu erzählen.

Die Handlung setzt Jahre nach Joshuas und Lobsangs erster Reisen durch die Paralleluniversen ein. Joshua ist nun Familienvater, der sich häuslich in Reboot niedergelassen hat, während die amerikanische Regierung alles daran setzt, um die unendlichen, parallel-amerikanischen Weiten der Universen zu beherrschen – um sie zu besteuern. Was als Parodie brauchbar klingt, taugt wenig als Grundgedanke, aus dem sich ein bedrohlicher, interterrestrischer Krieg entwickeln soll. Voller Spannung erwartet der Leser die Wunderwaffe der Regierung, doch Raumpatrouillen in (immerhin verkabelten) Zeppelinen, die auf einer unendlichen Reihe von Welten unter Steuersündern für Ordnung sorgen sollen – dieser War, so ahnt man schon, wird nicht sehr Long. Zur Spannung kann auch die weltenumfassende Black Cooperation nichts beitragen, die mit ihrer Monopolstellung im Bereich der Technikentwicklung so normal-megalomanisch-bedrohlich wirkt wie jede Monopolfirma unserer Heimaterde.

Die Figuren haben der fehlenden Spannung nur wenig entgegenzusetzen. Helen, das Hausmütterchen, und Sally, die männerhassende Furie, sind ebenso innovativ wie der verbissene Cop in Rente oder der unsozialisierte Weltraumnerd. Doch während diese zumindest Altbewährtes bieten, streiten sich bei Joshua Blässe und Widersprüchlichkeit um die Oberhand bei der Charakterskizzierung, und selbst eindeutig Pratchetteske Figuren wie die fluchende Biker-Ordensschwester Agnes haben eher den Charakter eines müden Scherzes. Interessant bliebe höchstens Lobsang, der mit seiner Entwicklung zum Deus Ex Machina jedoch auch sein Potential an sich vorüberziehen sieht.

Bleibt der Konflikt zwischen Mensch und Troll, der zweifelsohne Stoff für ethisch höchst interessante Geschichten liefern könnte. Doch bei der Lösung des Konfliktes verhält es sich ähnlich wie mit der literarischen Bevölkerung der Langen Erden: die Ideen pendeln zwischen „absurd-bizarr“ und schlicht „unlogisch“, und was gibt es ermüdenderes als uninspirierte Skurrilität? Das Sujet der Erforschung, Erkundung und Eroberung neuer Welten wurde selten so longwierig (Verzeihung) beschrieben.

Zuletzt liest sich der Roman auch noch wie das wütende Atheismus-Plädoyer eines Sechsjährigen, dessen Pausenbrot von Franziskus-Josef geklaut wurde. Umweltverschmutzung, Gewalt, Entfremdung und das scheußliche Wetter auf Erde 25623: die (westlichen) Religionen sind Schuld. Gott sei Dank (Verzeihung die 2.) wartet der Roman mit der konturlosen Figur des ehemaligen Priester Nelsons auf, der mit Lobsang kurzzeitig auf dem Pfad der wissenschaftlichen Erleuchtung wandelt, um sich dann auf dem Rücken eines gigantischen Wirtstieres, das im Ozean einer weit entfernten Erde schwimmt und auch parasitär lebenden, aber hübschen, blumenbehangenen Inselschönheiten Platz bietet, befreiendem Sex hinzugeben, mit dem er die Fesseln seiner religiösen Indoktrinierung endlich zu sprengen vermag.

Hey, ich habe mir das nicht ausgedacht.

Es ist bedauerlich, dass sich die Autoren der spannenden Frage – wie entwickelt sich Religion in Zeiten der unbegrenzten „Schöpfung“ – über Plattitüden und Schuldzuweisungen nähern, die aus dem Nichts kommen und ebenso schnell wieder vergessen sind. Mit ihrem Roman lassen Baxter und Pratchett Gläubige in einem schlechten Licht dastehen – und Nichtgläubige im Licht eines kaputten Nebelscheinwerfers.

Schließlich macht das gleiche, was die Eroberer der unendlichen neuen Welten plagt, auch dem Roman zu schaffen: Ziellosigkeit, gepaart mit der subtilen Langeweile des „Ich fahre in die weite Ferne, aber irgendwie sieht es überall gleich aus“-Effekts, der einen auch leicht auf der Zugfahrt von Dresden nach Berlin befällt. The Long War gleicht somit eher einer Reise durch Brandenburg – wobei, dort gibt es immerhin Wölfe.

Cover des Buches "Das magische Messer" von Phillip PullmanWill, ein Junge, der im Oxford “unserer” Welt lebt, hat es nicht leicht. Sein Vater ist vor zehn Jahren bei einer Expedition verschwunden und seine Mutter leidet anscheinend an einer Geisteskrankheit. Als zwei Männer in sein Zuhause einbrechen und versuchen, eine grüne Mappe zu stehlen, tötet er einen der beiden. Will muß fliehen. Bei seiner Flucht gerät er durch ein Fenster in eine andere Welt. In dieser Welt trifft er Lyra, die dort hingeraten ist, als sie ihrem Vater über die Brücke folgte. Die beiden Kinder schließen sich zusammen und helfen sich gegenseitig, Wills Vater zu finden und das Geheimnis des Staubes zu ergründen.

-Will zog seine Mutter an der Hand und sagte: “Komm weiter, bitte…” Aber seine Mutter zögerte. Sie hatte noch immer Angst.-
Kapitel 1, “Die Katze unter den Bäumen”

Das magische Messer (The Subtle Knife) besticht durch seine Komplexität: Es handelt von Physik, Philosophie, Religion, Schamanismus, von Platons Höhlengleichnis, von der Erschaffung der Welt, von Gott und dem Teufel, von Gut und Böse, von Armageddon, von Engeln und Gespenstern, von Hexen und der Inquisition, von der Kernspaltung, von Freundschaft, Treue, Verrat und Tod und es ermutigt den Leser seinen eigenen Instinkten zu vertrauen und nicht blindlings auf Autoritäten zu hören. Eigentlich müßte die Handlung ein einziges Tohuwabohu sein. Daß der Roman nicht unrettbar im Chaos versinkt, ist der Verdienst von Philip Pullman. Da schreibt jemand, der trotz des umfangreichen Inhaltes klare Handlungsstränge entwickeln kann, und der nie den roten Faden verliert. Dabei wirkt der Roman nicht überfrachtet, sondern alles erscheint völlig natürlich, so daß ein Leser dieses Buches es wahrscheinlich ganz normal finden wird, wenn ihm plötzlich massenhaft Menschen mit außergewöhnlichen Tieren an der Seite begegnen oder wenn demnächst ein Engel durch seinen Computer mit ihm kommuniziert. Außerdem versteht Pullman es, den Leser immer wieder zu verblüffen. Als Lyra Will zum erstenmal trifft, fragt sie das Alethiometer, ob Will ein Freund oder ein Feind ist. Das Gerät antwortet, er sei ein Mörder, worauf Lyra sofort beschließt, Will zu vertrauen.

Trotz einiger Gewaltszenen und trauriger Ereignisse ist das Buch für Kinder ab ca. 12 gut geeignet. Gewalt wird nie unmotiviert ausgeübt, und Kinder, die Grimms Märchen verkraftet haben, in denen Frauen nackt in mit Nägeln gespickten Fässern zu Tode gerollt werden oder in Backöfen verbrannt werden, werden auch hier keinen Schaden nehmen. Allerdings braucht das Buch unbedingt Menschen, die gerne lesen. Kinder oder Erwachsene, die vor Harry Potter noch nie ein Buch in die Hand genommen haben und jetzt auf den Gedanken kommen, sie könnten sich ja mal ein “Zweitbuch” anschaffen, das womöglich auch noch “wie Harry Potter ist” werden an diesem Zyklus keine Freude haben.
Für Erwachsene ist es ein besonderes Vergnügen, sämtliche Anspielungen herauszufinden, die die Literatur und das Weltgeschehen betreffen, aber das ist nur ein besonderer Kick. Für Erwachsene, die sofort zwanghaft zum Lexikon greifen müssen, um nachzuschlagen, ob es dieses anbarische Dingsbums wirklich gibt und was Platon jetzt eigentlich mit seinem Höhlengleichnis genau meinte, ist das Buch ebenfalls nicht geeignet. Dieser Roman braucht Leser, die in eine Geschichte versinken können und ihre Neugier auf das Ende beibehalten, auch wenn ihnen nicht immer klar ist, worauf der Autor hinaus will und wie die Geschichte letztendlich ausgehen wird.

Der magische Stein von David ZindellVor vielen Jahrtausenden, so sagen es die Legenden der Menschen, brachte Elahad, der König des Sternenvolks, den Lichtstein nach Ea, in die Welt der Menschen. Der Stein verleiht seinem Besitzer unermesslich große Macht, doch ging er vor Jahrhunderten verloren. Und nun sucht Morjin, der Herr der Lügen, den Stein, um mit seiner Hilfe die Welt zu unterwerfen. Doch auch Valashu, Prinz eines der letzten freien Königreiche Eas, macht sich, unterstützt von seinen treuen Gefährten, im Auftrag des Königs von Tria auf die Suche nach dem Lichtstein.

-In klaren Winternächten habe ich manchmal Berge bestiegen, nur um den Sternen näher zu sein.-
1

Sieben mutige Gefährten, ein jeder mit eigenen Fähigkeiten und eigenen Träumen, machen sich auf die lange und gefahrvolle Suche nach einem mächtigen, vor Zeiten verschollenen magischen Artefakt, mit dem die Welt entweder zum Guten oder zum Bösen gewendet werden kann, verfolgt von den grausamen Schergen des finsteren Herrschers, der diesen sensationellen Lichtstein gerne für sich allein hätte. Hach, wie schön, eine klassische Queste! Wie, das hat man schon tausendmal gelesen, in ungefähr jedem zweiten Buch mit dem Label “Fantasy”?
Für alle, die sich dem ersten begeisterten Seufzer nicht anschließen können und die nicht gleich loslesen und Valashu und seine Getreuen auf der Suche nach dem Lichtstein begleiten möchten, gibt es hier ein paar Gründe, weshalb sich der Blick in diese potentielle Ansammlung von Fantasy-Klischees durchaus lohnt:

David Zindell hat eine ganze Menge Inhalt in seinen Roman gepackt – in den über tausend Seiten steckt weit mehr als die Geschichte der Questenreise, die durch etliche Königreiche und die Wildnisse Eas führt. Dabei ist vor allem die innere Entwicklung von David Zindells Helden interessant, allen voran Valashu, aus dessen Sicht die Geschichte in der Ich-Perspektive erzählt wird. Valashu ist ein widerwilliger Held, eher ein Philosoph als ein Schwertschwinger, und sowohl in seine Überlegungen als auch in die “Heilsgeschichte” der Welt Ea hat der Autor eine Menge ethischer Fragestellungen und einen religiösen Hintergrund einfließen lassen, der von vielfältigen Inspirationsquellen spricht und durchaus zum Mitdenken anregt, die Geschichte aber zum Glück nie überrollt, sondern angenehm begleitet. Dabei hat sich Zindell nicht dogmatisch bei einer Lehre bedient, sondern verschmilzt östliche und westliche Weisheiten – der Lichtstein etwa ist ganz klar an den Heiligen Gral angelehnt, wohingegen das Warten der Welt auf den sogenannten Maitreya dem Buddhismus entnommen wurde, um nur wenige Beispiele anzuführen – das ganze Werk ist durchzogen von Anspielungen auf diverse Lehren und Legenden, die allerdings nicht einfach abgespult werden, sondern als essentielle Bestandteile tief in der Haupthandlung verankert sind und in den Figuren wirken.

Trotz der actionreichen Questengeschichte ist die Handlung eher von Ruhe bestimmt, und einige Längen sind nicht zu verleugnen. Zindell lässt so gut wie nichts unerzählt, so beginnt das Buch erst einmal mit einer 200-seitigen Reise durch diverse kleine Königreiche, wo begrüßt, übernachtet und überstürzt am Morgen geflohen wird (weil der Schwerenöter unter den Gefährten sich mit der Schwester/Nichte/Tochter des jeweiligen Burgherren vergnügt hat). Beinahe jede Rast und Mahlzeit darf der Leser sozusagen in Echtzeit miterleben. Das Tempo ändert sich auch später kaum, nur nimmt mit Beginn der Queste auch die Handlung an Fahrt auf, und dann freut man sich über jede Pause zwischen den aufreibenden Ereignissen. Figuren und Welt nach der ausführlichen Einleitung und Vorstellung so gut kennengelernt zu haben, zahlt sich im weiteren Verlauf der Handlung auch aus – es gibt nicht viele Fantasy-Geschichten, bei denen eine ganze, große Gefährtengruppe so intensiv ausgearbeitet wird und jeder auf seine Weise den LeserInnen dauerhaft ans Herz wächst.

Sprachlich lohnt sich Valashus Queste allemal – Zindell versteht es, beinahe poetische Töne anzuschlagen (die auch in der deutschen Übersetzung zu finden sind) und passend zu den oft ins Transzendente reichenden Inhalten kann man sich davon wunderbar bezaubern lassen.
Wer sich also an der fehlenden Originalität nicht stört – denn wie der Hase laufen wird, ist nicht weiter schwer zu erraten – und wer vom Umfang des Buches und der entsprechenden Ausführlichkeit der Erzählung nicht abgeschreckt wird, der sollte Valashus Queste eine Chance geben – mit diesen Voraussetzungen ist das Buch eher eine Offenbarung als eine Enttäuschung.

Mainspring von Jay LakeDem jungen Uhrmacherlehrling Hethor erscheint ein Engel mit der Aufgabe, den drohenden Weltuntergang abzuhalten: Die Uhrfeder der Welt muß wieder aufgezogen werden, sonst läuft der Mechanismus aus, der die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne hält. Beherzt zieht Hethor los, als erstes zum Hof von Boston, um den englischen Vizekönig von seiner Mission zu überzeugen und um Hilfe zu bitten. Dort ist er aber leider an der falschen Adresse, wird verlacht und schließlich ins Gefängnis geworfen, denn manche erkennen in seiner Mission auch eine Gefahr. Doch so schnell gibt Hethor nicht auf, und er kann auch auf einige geheime Unterstützer zählen …

-The angel gleamed in the light of Hethor’s reading candle bright as any brasswork automaton.-
One

Luftschiffe? Oh ja, ganz genau so, wie es wunderbar von Stephan Martiniere auf dem Cover in Szene gesetzt wurde. Zahnräder? Die größten und wichtigsten, die man sich vorstellen kann, denn sie halten die Welt in Bewegung und sorgen dafür, daß das Universum als göttliches Uhrwerk funktioniert. Entdeckungsfahrten? Hinter den himmelhohen Wällen des Äquators wartet die unerforschte Südhalbkugel, eine Welt, in der die Zivilisation noch nicht angekommen und Magie die treibende Kraft ist.
Mit kleinen Einsprengseln aus der (Kultur-)Geschichte unserer Welt und viel, viel Erfindungsreichtum hat Jay Lake das Konzept “Steampunk” komplett auf die Spitze getrieben: In einer Welt, in der das britische Empire – dessen Klassengesellschaft von Charles Dickens importiert sein könnte – noch über Nordamerika als Kolonie verfügt, kreist die Erde auf einer metallenen Umlaufbahn um die Sonne, und wenn unser verwaister Held Hethor ganz genau hinhorcht, kann er um Mitternacht die Zahnräder einrasten hören.
Dieses mechanistische Weltbild, dessen Beweis göttlicher Schaffenskraft nachts jedem vor Augen steht, hat theologische Konsequenzen, von denen die Kreationisten unserer Welt nur träumen können. Umso fataler ist Hethors Beharren darauf, daß der göttliche Mechanismus fehlgeht – das sorgt für Aufruhr in theologischen und wissenschaftlichen Kreisen, die bei diesem Weltbild ohnehin relativ deckungsgleich sind.

Dieses weltanschauliche Gerüst liefert den Hintergrund für Mainspring (Die Räder der Welt), im Vordergrund steht aber eine klassische Abenteuerhandlung, wie sie phantastischer kaum sein könnte: Nachdem die Aufgabe der Weltrettung ohne Umschweife auf der ersten Seite vom Erzengel Gabriel höchstpersönlich überbracht wurde, natürlich einem (zumindest in Geschichten) vollkommen naheliegenden Helden, dem unbedarften, jungen und machtlosen Lehrling Hethor, verschlägt es diesen alsbald auf ein Luftschiff der Royal Navy und von dort über die Grenzen der bekannten Welt hinaus. Bald wechseln sich gigantische Schauplätze in rascher Folge ab, wobei vor allem die Dimensionen und die Exotik der riesigen äquatorumspannenden Wälle beeindrucken, aber auch die völlig fremdartige Welt auf der anderen Seite. Hinzu kommen apokalyptische Ereignisse, wenn der auslaufende Antriebsmechanismus der Welt ins Holpern gerät – in der Welt von Mainspring ist alles eine Nummer größer, steht der Mensch ganz wie in der Zeit der Entdeckung der Erdgeschichte auf unserer Welt staunend und klein vor dem Erhabenen. Nur daß Mainspring von einem mechanischen Universum mit mechanischen Problemen handelt, in dem sich ein Uhrmacher als Messias-Figur zur Verfügung stellen muß.

Der Plot fügt sich nahtlos in dieses Konzept ein und läuft mechanisch ab, die Handlung wird von unsichtbaren Zahnrädern am Laufen gehalten, und Hethor agiert meistens nicht, sondern wird durch die Ereignisse und Kulissen geschoben. Undurchsichtige und meistens im Hintergrund agierende Helfer und Feinde sind es, die seine Abenteuer in Bewegung setzen und in Gang halten. Er selbst ist ein argloser, aber treu gläubiger Held, der zur rechten Zeit an Ort und Stelle ist, um bestimmte Hebel in die ihnen vorbestimmte Bewegung zu setzen. Daß daraus eine regelrechte Erlösungs-Maschinerie wird, bei der Hethor eigentlich nichts bleibt, als mitzumachen, setzt der leisen, leisen Kritik nur die Krone auf, die einen immer wieder fragen läßt, wie groß die Unterschiede zwischen diesem mechanischen Weltbild und unserer lang gehegten Vorstellung vom Schöpfergott letzten Endes sind, und das, obwohl wir am Nachthimmel keine Schienen glitzern sehen.
Trotzdem können weder die phantastischen Settings noch die zunehmend phantastische Handlung darüber hinwegtäuschen, daß diese sichtlich gelenkte Plotführung der Erzählung nicht sonderlich dienlich ist: Sie kommt beim Leser als reine Willkür an, Hethors treuliches Beharren auf seiner Queste und die verworrenen Loyalitäten und Motivationen von Freund und Feind entziehen sich jeglichem Verständnis. Das Experiment, auch die Handlung wie ein Uhrwerk ablaufen zu lassen, ist allenfalls interessant, scheitert aber daran, eine dynamische Struktur zu schaffen.

Spaß kann man mit Mainspring trotzdem haben, wenn man die Komponente der irrwitzigen Abenteuer und des Staunens über immer neue Wunder mehr schätzt als die Spannung und Logik der Handlung. Liebenswerte Figuren und Völkchen schlagen sich auf Booten, Luftschiffen und riesigen Leitern und Treppen durch die Welt, und Hethor muß zumindest einige gesellschaftliche Dogmen über Bord werfen, um zu überleben. Die übertriebene Konzepttreue, der Jay Lake mechanisch folgt, läßt die Queste dabei allerdings zur unzureichenden Nebensache verkommen.

Cover des Buches "Der Meister und Magarita" von Michail BulgakowMoskau in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts: Berlioz, der Chefredakteur einer Literaturzeitschrift und der Lyriker Iwan Ponyrew, genannt Besdomny, diskutieren auf offener Straße darüber, ob Jesus je gelebt hat. Da mischt sich ein Fremder in das Gespräch, der behauptet, er wisse genau, daß Jesus gelebt hat, denn er sei bei der Passion Christi dabeigewesen, übrigens habe er auch mit Kant gefrühstückt und Berlioz würde noch heute abend der Kopf vom Rumpf getrennt. Offensichtlich haben es Berlioz und Besdomny mit einem Irren zu tun. Doch als am gleichen Abend Berlioz tatsächlich seinen Kopf verliert, weiß Besdomny, daß der Unbekannte keineswegs verrückt ist. Er versucht, die Miliz zu alarmieren, was zur Folge hat, das Besdomny in die Psychiatrie eingeliefert wird, da ihm natürlich kein Mensch glaubt. Dort trifft er auf den Meister, der gerade seinen Roman über Pontius Pilatus verbrannt hat. Währenddessen treibt der Teufel höchstpersönlich sein Unwesen in Moskau und verwandelt die ganze Stadt in ein Tollhaus.

-An einem ungewöhnlichen heißen Frühlingstag erschienen bei Sonnenuntergang auf dem Moskauer Patriarchenteichboulevard zwei Männer.-
Sprechen Sie nie mit Unbekannten

Der Meister und Margarita (Master i Margarita) ist eine phantastische Satire auf das stalinistische Moskau, mit Anspielungen auf Goethes Faust und auf russische Schriftsteller wie Dostojewski oder Gogol.

Dieser Roman spielt auf verschiedenen Ebenen.
Bulgakow schildert einmal, was der Satan in Moskau anrichtet. Er nennt sich “Voland”, tritt im Varieté als Magier auf und entlarvt mit seinen grotesken Zauberkunststückchen die Habgier, die Heuchelei und die Schlechtigkeit der Menschen. Außerdem gibt er einen Frühlingsball, auf dem die Geister verstorbener Sünder erscheinen. Alle, die nähere Bekanntschaft mit Voland schließen, wandern in die Psychiatrie, nur eine nicht: Margarita.

Margaritas Liebesgeschichte mit dem Meister bildet die zweite Ebene des Romans. In die Schilderung des Moskauer Geschehens werden Kapitel aus dem Roman des Meisters eingestreut. Dieser Roman behandelt verfremdet die Passion Christi und das Verhältnis zwischen Jesus und Pontius Pilatus.

Das ist die dritte Ebene des Romans. Die unverhohlenste Kritik an dem real existierenden Kommunismus unter Stalin äußert Bulgakow in der Passionsgeschichte und sagt damit gleichzeitig den Untergang des Sowjetregimes voraus. Jeschua erwidert Pontius Pilatus, der ihn verhört:

“Ich habe ihm unter anderem gesagt, … daß von jeder Staatsmacht den Menschen Gewalt geschehe und daß eine Zeit kommen werde, in der kein Kaiser noch sonst jemand die Macht hat.”

Zwar handelt es sich bei Der Meister und Margarita um anspruchsvolle Literatur, trotzdem ist das Buch leicht zu lesen, auch wenn dem Leser ab und an ein Wort begegnet, das ihm nicht geläufig ist. Um den Roman zu verstehen, ist es aber hilfreich, wenn man eine Vorstellung über das Leben im Moskau der dreißiger Jahre besitzt oder wenn man zumindest Erfahrungen mit der DDR gemacht hat. Sonst wird man kaum nachvollziehen können, warum die Menschen sich wegen einer Wohnung korrumpieren lassen oder warum Devisen eine so wichtige Rolle spielen.

Cover des Buches "Merlin im Elfenwald" von Jean-Louis FetjaineDie Kämpfe in Britannien gehen weiter. Merlin ist auf dem Weg in die Bretagne, um in Brocéliande, dem Wald der Elfen, nach seinem Vater zu suchen, und das Rätsel um seine Herkunft zu lüften. Das Christentum fasst immer mehr Fuß auf der Insel und verdrängt den alten, heidnischen Glauben. Merlin gerät in den Ruf, ein Hexer zu sein und sein Gefährte, Bruder Blaise, wird der Ketzerei angeklagt. Unterdessen bringt Guendoloena, die mit dem König der Skoten verheiratet ist, Merlins Sohn Artus zur Welt.

-Die Schmerzen weckten sie kurz vor Tagesanbruch, und sie waren so heftig, daß sie nach Atem rang, nicht einmal mehr dazu imstande zu schreien, die Hände in ihr linnenes Bettzeug verkrampft, die Beine vor ihrem zum Bersten prallen Bauch angezogen, und es fühlte sich wahrlich an, als ramme man ihr eine brennende Fackel in den Leib.-
1 Die Überfahrt

Man möchte laut seufzen: Fetjaine ist ein wunderbarer Erzähler. An einer Stelle beschreibt er, wie Merlin eins wird mit der Natur, quasi in ihr aufgeht. Er wird zu Wasser, zu Gras, er verwandelt sich in verschiedene Tiere, wird zum Baum. Das ist kein plumper Abrakadabra-Zauber: eben stand hier noch der Zauberer und jetzt kommt die Taube aus dem Zylinder. Das ist wunderschön erzählt und der Leser fühlt beinahe körperlich wie Merlin Teil der Natur wird und die Natur Teil Merlins. Zeit wird unbedeutend. Allein wegen dieser Szene von knapp einer Seite lohnt sich die Lektüre des Romans. Aber es gibt auch viele Kleinigkeiten, die den Genuss trüben. Es ist, als wolle man sich an einem herrlichen Sommerabend erfreuen und würde alle paar Minuten von einer Mücke gestochen.

Merlin hat mittlerweile weißes Haar, er ist seelisch gereift, er ist Vater geworden und am Ende der Geschichte ist er um die Dreißig. Die gleichaltrige Guendoloena beschreibt Fetjaine als eine erwachsene Frau und nicht mehr das junge unbekümmerte Mädchen … Eine erwachsene Frau und Königin … , aber Merlin ist immer noch -na?- richtig, das Kind und zwar bis zu viermal auf einer Seite!
Anscheinend hält entweder der Autor oder die Übersetzerin hartnäckig an der falschen Auffassung fest, daß man einen erwachsenen Mann, der ein Kindergesicht hat und zartgliedrig ist, ständig als Kind titulieren muss. Aber das Wort Kind bezeichnet einen Entwicklungsstand, den Merlin zweifellos schon längst hinter sich gelassen hat und nicht die äußerliche Erscheinung. Wenn der Katholik Günther Jauch einen Konfirmationsanzug besäße, dann würde er darin wahrscheinlich heute noch bei günstigem Licht als 14-jähriger durchgehen. Trotzdem käme niemand auf die Idee zu schreiben: “Das Kind wird im Sommer die XXX-Show moderieren”.

Oft ist nicht nachvollziehbar, warum manche Begriffe in einer Fußnote erklärt werden und andere nicht. Akribisch wird der heutige Name jedes erwähnten Ortes in einer Fußnote festgehalten, Wörter aber wie Guimpe, die nun nicht gerade zum alltäglichen Sprachgebrauch gehören, werden nicht erklärt. In weiteren Fußnoten wird angegeben, wo genau die Bibelzitate zu finden sind, die die geistlichen Herren im Munde führen, und da wirkt es doch eher seltsam oder zumindest anachronistisch, wenn man jedesmal liest: zitiert nach der Luther-Übersetzung. Zwar passt die Sprache Luthers zu der Fetjaines, aber trotzdem mutet es eigenartig an, wenn Geistliche im 6. Jahrhundert die Bibel nach den Worten eines Mannes zitieren, der erst gut tausend Jahre nach ihnen gelebt hat.

Jean-Louis Fetjaine dankt in seinem Buch Johann Goldberg für die lateinischen Übersetzungen und lobt ihn als Koryphäe auf seinem Gebiet. Goldberg hätte sicherlich die benötigten Zitate in angemessener Sprache aus der Vulgata übersetzen können. Fetjaine legt in seinem Roman sichtlich Wert auf historische Authentizität, da hätte diese Vorgehensweise seinen Intentionen besser entsprochen.

Auch eine andere religiöse Frage schadet dem Roman eher als sie ihm nutzt. Im ersten Band konkurrierte das aufkommende Christentum, repräsentiert durch den Klerus mit dem alten, auf dem Rückzug befindlichen, heidnischen Glauben vertreten durch den Barden, bzw. Druiden, Merlin.
In Merlin im Elfenwald (Brocéliande) stilisiert Fetjaine den Magier zum wiedererstandenen Christus, der von den meisten Menschen nicht erkannt und von seinem bisher so treuen “Jünger” verraten wird. Fetjaine genügt es nicht, seinem Roman einen seriösen, fundierten historischen Hintergrund zu geben, er will auch noch philosophische Tiefe hineinbringen und überfrachtet die Geschichte damit, die eigentlich eine schöne runde spannende Fantasygeschichte sein könnte — wenn nur jemand die lästigen Mücken erledigt hätte.

Nebelriss von Markolf HoffmannWährend viele die goldenen Schiffe der Goldéi noch für Gerüchte halten, fallen die Echsenwesen im Königreich Kathyga schon gnadenlos ein. Vor allem auf die magischen Quellen des Landes haben es die unbesiegbaren Invasoren abgesehen, doch ihre wahren Pläne durchschaut niemand – auch nicht der einzige Gefangene, der neben hunderten von Getöteten gemacht wird: Laghanos, ein Schüler der Magie. Im Kaiserreich von Sithar, das unter einem jungen, schwachen Herrscher leidet und von Intrigen und Machtpolitik seiner Fürsten in den Verfall gerissen wird, wagt allein Fürst Baniter es, in diplomatischer Mission das Nachbarreich aufzusuchen, um ein Bündnis gegen die Goldéi zu schmieden.

-Dünne Nebelschleier. Eiskalter Windhauch; leise pfiff er über die Menschenmenge hinweg und brach sich an den steinernen Hauswänden Larambroges.-
Prolog

Markolf Hoffmanns Nebelriss ist ein mutiges Debut – der Autor wagt Experimente, biedert sich nicht groß mit vertrauten Erzählmustern bei der Leserschaft an und schlägt mit seiner Reihe Zeitalter der Wandlung einen so eigenständigen Weg ein, dass sowohl ein Vergleich mit anderen deutschen als auch mit internationalen Fantasy-Autoren nur in die Irre führen würde.
Auffallend ist zunächst die Sprache: Hoffmann scheut sich nicht, Gebrauch von verschiedensten Stilmitteln zu machen und Ungewohntes auszuprobieren, und vor allem auch in den Dialogen nutzt er ein breites Register von Möglichkeiten.

Die Handlung steht dem kaum nach; man kann zwar nach diesem Auftakt-Band noch nicht absehen, wohin die Reise wirklich gehen wird, aber die Anlagen machen klar, dass es weder die übliche Geschichte vom Auserwählten noch ein Kampf gegen dunkle Mächte sein wird. Nebelriss lädt zum Rätseln ein, was die Goldéi sind und was sie wollen, aber auch die Hofintrigen und die Vorgänge in der  überzeugend ausgearbeiteten Kirche des Kaiserreiches lassen keine Langeweile aufkommen. Die Welt besticht mit interessanten Details und einer großen Vielfalt, sie wirkt bewohnt und belebt, und auch wenn die Schauplätze noch überschaubar bleiben, kommt der Eindruck einer lebendigen und auf verschiedene Weise tradierten Geschichte auf.
Besonders bei den Szenen mit den Goldéi ist es Markolf Hoffmann gelungen, ein beklemmendes und befremdendes Gefühl heraufzubeschwören (und das, was sie mit ihren magiebegabten Gefangenen anstellen, ist allemal für eine Gänsehaut gut).

Die einzelnen Figuren passen sich gut in das Gesamtpaket ein und bedienen keinerlei Klischees, handeln aber dennoch nachvollziehbar und wirken rund. Sie kochen alle ihr eigenes Süppchen, und sind bis in die Nebenfiguren hinein gut ausgearbeitet. Allerdings faszinieren sie eher auf kühle Art: man rätselt mit ihnen, beobachtet, versucht (in diesem Band vollkommen chancenlos), die Puzzleteile zusammenzusetzen, die Hoffmann ausstreut, aber ans Herz wächst einem keine der Figuren. Es wird sehr schnell klar, dass es keinen richtigen Symphatieträger geben soll, und die Welt von Nebelriss ist kein Ort für strahlende Helden.  Trotzdem bleibt der Eindruck, dass ein klein wenig Wärme und hier und da ein Zug der Figuren, der nicht extrem oder negativ besetzt ist, den Leser/die Leserin besser eingebunden hätte.
Interessant genug, um sich diese innovative Geschichte anzuschauen, ist Nebelriss aber allemal – es macht so viel anders, dass man vielleicht erst im Nachhinein bemerkt, dass es einen trotz der faszinierenden Ansätze etwas kalt gelassen hat.

Nyphron Rising von Michael J. SullivanObwohl die Gauner Royce und Hadrian seit einiger Zeit als Spione für König Alric ein gesichertes Auskommen haben, ist Hadrian nicht zufrieden: Es belastet ihn, dass seine Taten immer wieder auch Unschuldige in Mitleidenschaft ziehen, und er ahnt, dass Royce ihm wichtige Dinge verschweigt. Eigentlich möchte er die langjährige Partnerschaft so bald wie möglich beenden, lässt  sich dann aber doch überreden, einen letzten Auftrag anzunehmen. Gemeinsam mit Royce soll er Prinzessin Arista helfen, sich heimlich mit dem Rebellenführer Degan Gaunt zu treffen, der ihrem Bruder im Krieg gegen das aufstrebende Kaiserreich ein wichtiger Verbündeter sein könnte…

– He always feared he would die this way, alone on a remote stretch of road far from home. The forest pressed close from both sides, and his trained eyes recognized that the debris barring his path was not the innocent result of a weakened tree. He pulled on the reins, forcing his horse’s head down. She snorted in frustration, fighting the bit – like him, she sensed danger. –
(Chapter 2 – The Messenger)

Auch im dritten Band seiner Riyria Revelations bietet Michael J. Sullivan Fantasy klassischer Prägung: Ein kleines Land muss sich der Bedrohung durch ein expandierendes Reich erwehren, und von finsteren Kirchenmännern über geheimnisvolle Magier bis hin zu den Mitgliedern einer wohlorganisierten Diebesgilde mischt so gut wie jeder Figurentypus mit, der einem in einem abenteuerlichen Roman schon einmal begegnet ist. Mancher Handlungsstrang weist denn auch dementsprechend viele vorhersehbare Wendungen auf. Wenn etwa Arista aus ihrem behüteten höfischen Leben auf eine strapaziöse Queste und unter das einfache Volk gerät, kann man beinahe eine Strichliste der klischeehaften Erlebnisse führen. Ebenso wenig wird es einen erfahrenen Fantasyleser überraschen, dass der mit seinem Ganovendasein hadernde Hadrian vom Schicksal zu Höherem bestimmt ist.

Ohnehin gewinnen in Nyphron Rising bandübergreifende Entwicklungen an Bedeutung, obwohl auch hier eine handlungsmäßig mehr oder minder in sich abgeschlossene Episode erzählt wird. Neben der schon seit The Crown Conspiracy im Hintergrund präsenten Geschichte um den verschollenen wahren Erben des Kaiserreichs nimmt diesmal vor allem die Vergangenheit der beiden Helden breiten Raum ein. Beide müssen sich unwillkommenen Erinnerungen stellen und erkennen, dass eigentlich schon vergessen Geglaubtes auch ihre Zukunft prägen wird: So erfährt Royce, dass ein alter Erzfeind es abermals auf ihn abgesehen hat, während Hadrian sich mit einer ererbten Verantwortung konfrontiert sieht, der er sich nicht entziehen kann und will.

Dem Weltenbau tut diese Erweiterung des Blickwinkels gut. Man lernt nicht nur eine ganze Anzahl neuer Schauplätze kennen (darunter Hadrians Heimatdorf, das mit seinen freien und unfreien Bewohnern und dem Kompetenzgerangel verschiedener Instanzen der Obrigkeit erstaunlich überzeugende pseudomittelalterliche Verhältnisse bietet), sondern erfährt auch mehr als bisher über die Funktionsweise der Magie und die politische Großwetterlage.

Sympathisch ist einem auch in diesem Band, dass Sullivan aufrichtig bestrebt zu sein scheint, seinen Protagonisten eine glaubwürdige Gefühlswelt zu verleihen. Gelegentlich bewegt sich das hart an der Grenze zum Kitsch (wenn etwa Royce, der sonst gern den harten Burschen spielt, sich vom Leid eines Straßenjungen, das ihn an seine eigene Kindheit gemahnt, zu Tränen rühren lässt), aber gerade in einem Genre, in das in den letzten Jahren vielfach ein gewisser Zynismus Einzug gehalten hat, liest es sich eigentlich durchaus angenehm, wenn menschliche Ängste, Sehnsüchte und Hoffnungen ernst genommen werden, und sei es auch in etwas simpler Form.

Obwohl Sullivan also weiterhin ebenso ungekünstelt wie unbedarft an manche Belange herangeht, sind in Nyphron Rising einige Kinderkrankheiten des ersten Bandes überwunden. Manch ein schreibtechnisches Detail ist mittlerweile routinierter gelöst als zu Beginn der Serie. Nobelpreisverdächtige Prosa darf man freilich weiterhin nicht erwarten, aber immerhin einen soliden Roman, der viel Vergnügen bereitet, wenn man mit altbewährten Erzählmustern und dem liebevoll ausgearbeiteten Heldengespann etwas anfangen kann.

On a pale Horse von Piers AnthonyZane ist ein echter Pechvogel. Er ist weder besonders attraktiv, noch hat er ein nützliches Talent, und erfolgreich ist er schon gar nicht. Als ihn ein Händler für magische Steine auch noch über den Tisch zieht und ihm nicht nur die Chance auf Reichtum nimmt, sondern auch die Liebe seines Lebens, beschließt Zane seinem Elend ein Ende zu setzen. Er begibt sich in seine heruntergekommene Bleibe, zieht eine Waffe und schießt … dummerweise passiert ihm auch hierbei ein Missgeschick und Zane erschießt nicht wie geplant sich selbst, sondern den Tod höchstpersönlich. Wie es die Gesetze verlangen, muss Zane nun die Nachfolge antreten und die Sense in die Hand nehmen. Als wäre das alles noch nicht genug, stellt er bald fest, dass Satan ganz eigene Pläne für den frischgebackenen Tod hat.

– The door opened again. This time a woman of middle age entered. Zane had never seen her before. She glanced approvingly at the fallen figure. “Excellent,” she murmured.
Zane wrenched his horrified gaze to her. “I killed Death!” he exclaimed.
“Indeed you did. You shall now assume his office.” –
Kapitel 2, S. 28

Piers Anthony hat hier eine interessante Geschichte verfasst, die einfach mal etwas anderes ist und sich vom klassischen Schema der Fantasy abhebt. On A Pale Horse (Reiter auf dem schwarzen Pferd) ist der erste Band aus der achtteiligen Reihe Incarnations of Immortality, veröffentlicht im Jahre 1983. In der hier beschriebenen Welt existieren Magie und Technologie gleichberechtigt nebeneinander, ein Gesellschaftsentwurf, der heute, so scheint es, nur noch selten genutzt wird.

Was diesen Roman so lesenswert macht, ist die Grundidee der Incarnations of Immortality: Ein jeder wird schon von den zentralen Aspekten des menschlichen Seins gehört haben: Zeit, Tod, Schicksal, Krieg, Natur, Gut und Böse. Hier ist es nun so, dass diese Aspekte als leibhaftige Inkarnationen existieren, also von gewöhnlichen Menschen personifiziert werden. In On A Pale Horse erfährt der Leser, wie sich solch ein einfacher Mensch in die Rolle als Inkarnation des Todes einfügt.

Die Figuren in diesem Buch sind allesamt sympathisch. Egal wie böse, geheimnisvoll, kompliziert oder verschroben sie sind, man liest sie gerne und sie wirken lebendig und überzeugend. Selbst Satan mit seiner süffisanten Art und seinen Intrigen bringt einen zum Schmunzeln. Nicht zuletzt ist das natürlich auch Anthonys Schreibstil zu verdanken, der das Ganze mit einer Prise Ironie würzt und viele ungewöhnliche, humorvolle Ideen einbaut. So haben Reisende beispielsweise die Wahl zwischen Flugzeug oder fliegendem Teppich, und die Abteilung “Fegefeuer” hat ihre eigenen Nachrichtensprecher samt dazu gehörendem privaten Fernsehkanal und Videokonferenz.

Ein weiteres Plus dieses Romans ist seine gesellschaftskritische Herangehensweise. Der Autor wendet sich heiklen Themen wie Sterbehilfe, künstlicher Lebenserhaltung und damit der Gerätemedizin zu. Der gesellschaftliche Umgang mit dem Tod wird in Frage gestellt. Der Protagonist Zane/Thanatos muss in seiner Rolle als Inkarnation des Todes lernen, dass der Tod seine Berechtigung hat, dass er nicht um jeden Preis verhindert werden muss, dass es auch ein würdeloses Sterben gibt und der Tod zur Erlösung für den Sterbenden wird. Zane/Thanatos sieht sich sehr oft mit den Fragen um Moral und Mitgefühl konfrontiert, und obwohl Piers Anthony dies meist humorvoll verpackt, wirkt es weder respektlos noch geschmacklos, sondern er würdigt die Ernsthaftigkeit des Themas, ohne belehrend zu wirken. Dadurch bringt Anthony den Leser zum Nachdenken.

On A Pale Horse ist ein zum Ende hin immer spannender werdendes, in sich abgeschlossenes Buch und kann daher problemlos auch ohne die folgenden Bände gelesen werden. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass hier bereits einige Grundsteine für die Serie gelegt werden. Wer sich aber unsicher ist und zunächst nur in die Buchreihe hineinschnuppern möchte, kann das mit On A Pale Horse getrost tun, ohne mit großen Fragen zurückgelassen zu werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Roman mehr zu bieten hat, als man zunächst annimmt, und es sich durchaus lohnt, einen Blick zu riskieren.

Percepliquis von Michael J. Sullivan

Die Invasion eines eroberungslustigen Elfenheers, dem nichts und niemand etwas entgegensetzen kann, trifft die Menschenwelt vollkommen unvorbereitet, und bald ist auch das mächtige Kaiserreich in seiner Existenz bedroht. Nur ein sagenumwobenes Horn, das in der versunkenen Stadt Percepliquis verborgen sein soll, kann die Elfen angeblich aufhalten, aber bisher hatte keine Expedition in die Ruinen Erfolg. Die Magierin Arista macht sich mit einer kleinen Schar von Gefährten auf die Suche nach dem rettenden Artefakt, doch bald drohen nicht nur äußere Feinde, sondern auch Spannungen innerhalb der Gruppe die Mission zum Scheitern zu bringen …

– “The elves have crossed the Nidwalden River,“ Julian announced to the crowd. His voice fought against the wind that viciously fluttered the flags and banners. He walked gingerly, placing his feet upon the frozen ground as if it might be pulled out from beneath him. The old man’s stately robes snapped about him like living things, his cap threatening to fly off. “They’ve invaded and taken all of Dunmore and Ghent.“ He paused, looked at King Alric, took a breath, and said, “And Melengar.“ –
(Chapter 2 – Nightmares)

Michael J. Sullivan beschließt seine Riyria Revelations mit einer klassischen Questengeschichte, die alle, aber auch wirklich alle, Elemente enthält, die man von solch einem Plot erwartet, von der scheinbar unausweichlichen militärischen Niederlage über die bunt zusammengewürfelte Heldentruppe und das legendäre magische Artefakt bis hin zum Auserwählten, der als einziger der dunklen Bedrohung wirksam entgegentreten kann.

Wie auch schon in den anderen Bänden ist nicht nur auf der Motivebene überdeutlich zu erkennen, wo Sullivan sich seine Inspiration gesucht hat. So kann etwa die unterirdische Ruinenstadt Percepliquis, die über weite Strecken den hauptsächlichen Handlungsort bildet, Anklänge an Tolkiens Moria nicht verleugnen, und dass in einem Grab mit hohem Wiedererkennungswert, das die Helden erkunden, dann doch nicht Tutanchamun liegt, dürfte jeden historisch halbwegs interessierten Leser aufrichtig überraschen.

Und dennoch: Die Mischung aus viel Altvertrautem und einigen netten eigenen Ideen funktioniert und kann in manchen Szenen mit durchaus atmosphärischen Schilderungen überzeugen,  so etwa, wenn die in einem behelfsmäßigen Unterschlupf auf die Rückkehr ihrer Herren wartenden Pferdeburschen der Helden von einem plötzlichen Wintereinbruch überrascht werden und man beim Lesen fast den Eindruck erhält, die Kälte selbst spüren zu können.

Vor allem aber kann Sullivan dank der zur Weltrettung ausziehenden Gefährten auf eine seiner größten Begabungen zurückgreifen und eine interessante Gruppendynamik entwerfen. Die Verschiebungen, die sich Stück für Stück im Beziehungsgeflecht zwischen den Protagonisten ergeben, lassen einen auch dann noch mit Neugier weiterlesen, wenn man bemerkt, dass einem der eigentliche Plot so oder so ähnlich schon dutzendfach begegnet ist. Zum Vergnügen an der Lektüre trägt auch bei, dass allerlei gelungene Nebenfiguren, deren große Auftritte bisher auf die verschiedenen Bände verteilt waren, hier zusammengeführt werden und noch einmal glänzen dürfen, etwa der seit dem ersten Teil der Serie sträflich vernachlässigte Mönch Myron, den seine Mischung aus Naivität und erstaunlicher Intelligenz oft zu amüsantem bis anrührendem Querdenken befähigt.

Das Talent, sich eigentlich sattsam bekannten Themen aus ungewohnten Perspektiven zu nähern, hat er dabei mit seinem Autor gemein. So spielt Sullivan beispielsweise genüsslich gleich an zwei verschiedenen Personen durch, welche teils komischen, teils tragischen Auswirkungen es wohl haben könnte, wenn der in der Fantasy weit verbreitete, unerkannt im einfachen Volk aufgewachsene Thronerbe gerade aufgrund seiner Biographie für die ihm zugedachte Aufgabe denkbar ungeeignet ist. Auch die ungewöhnliche Verwendung, die ein magisch erzeugter Wächterdrache erfährt, ist kreativ und zeugt von einigem Humor.

Gewiss, ein wenig Toleranz für Kitsch muss man vor allem gegen Ende durchaus mitbringen, ebenso wie die Bereitschaft, sich auf einige gar zu gewollte Wendungen einzulassen (insbesondere auch, was Sullivans Neigung betrifft, mit quasi unübersetzbaren vorausdeutenden Wortspielen zu arbeiten). Doch vielleicht sollte man Sullivan eher an dem Anspruch messen, den er selbst in seinem Nachwort formuliert: I wrote these books, because in our jaded, embittered world that is so eager to denounce happiness and happily-ever-after as a myth, such tales are rare, and yet are exactly the type of stories that I think are worth telling. Und eine Geschichte mit fast nostalgischem Wohlfühlfaktor und genau jenen Stärken zu erzählen, die vor der Welle des grim&gritty und der allgegenwärtigen Ironisierung viel zum Charme des Fantasygenres beigetragen haben, ist ihm voll und ganz gelungen.

Cover von Der Preis der Zukunft von Dave DuncanFünf Jahre lang hat Edward Exeter dem Schicksal getrotzt, das ihm in Filobys Testament vorhergesagt wurde. Fünf Jahre lang ist der junge Engländer durch die geheimen Tore, welche die Welten miteinander verbinden, gereist, um dem Großen Spiel zu entrinnen, in dem er eine Hauptrolle spielen soll. Nun naht der Tag der Entscheidung und Edward findet sich in einem dichten Netz von Intrigen wieder. Doch er hat inzwischen die Regeln des Großen Spiels gelernt und er hält einige Überraschungen bereit – für seine Feinde und seine Freunde.

-»Lassen sie mich eines klarstellen: Wir tanzen und singen, dann setzt der Zauber ein, und wir finden uns auf Nebenan wieder? Läuft das so ab?«
»Genau so. Im einen Augenblick ist man in St. Gall, im nächsten auf dem Knoten in Olympus. Auf einem Rasen mit einer Hecke drumherum.«
Eher im Irrenhaus von Colney Hatch mit einer Zwangsjacke drumherum.-
IV – 19

Nach dem etwas schwächeren zweiten Teil war ich bereits auf alles gefasst, gerade weil auch Der Preis der Zukunft (Future Indefinite) ähnlich wie der zweite beginnt: Zwei Jahre sind nach dem Ende von Die Klippen des Heute (Present Tense), jetzt zieht D’ward durch Nebenan und predigt in aller Öffentlichkeit, er sei der prophezeite Befreier – was sowohl das Pantheon als auch Olympus nicht gerade begeistert. Wer jetzt aber erneut einen langwierigen (oder langweiligen) Blick auf die vergangenen zwei Jahre erwartet, den kann ich beruhigen: sie werden nur am Rand erwähnt, weil sie für die Geschichte auch nicht notwendig sind. Das Buch erzählt nun endlich die Geschichte von D’ward Befreier, von seinem Kampf gegen die sogenannten Götter und der Erfüllung des Filoby-Testaments. Und das gelingt dem Autor durchaus fesselnd und spannend. Besonders die liebevoll gestaltete Welt überrascht des öfteren, würde aber mehr Freude machen, wenn man mal eine Karte hätte.

Besonders gelungen sind die Verschmelzung der vielen Nebenhandlungen zu einer großen Rahmenhandlung – die unzähligen Schauplätze zu Beginn des Romans werden nach und nach zusammengeführt und ergeben wie ein großes Mosaik ein beeindruckendes Gesamtbild.
Auch bei den Charakteren gab sich der Autor Mühe: niemand bleibt platt, alle haben ihre Vergangenheit, niemand ist bloß böse oder gut. Und so fällt es nicht schwer, sich in sie hineinzuversetzen und mitzufiebern, wenn sie sich auf die gefährliche Reise nach Tharg begeben, um “dem Tod den Tod zu bringen”.
Und das Ende … wird natürlich nicht verraten, doch so viel darf ich sagen: spannend, überraschend, tragisch, aber auch wunderschön. Auf jeden Fall also eine lesenswerte Trilogie mit guten Ideen.

Priester von Trudi CanavanAufgrund ihrer starken magischen Fähigkeiten wird die junge Auraya von den weißen Göttern auserwählt. Fortan gehört sie zum Kreis der Fünf, denen die Götter Unsterblichkeit verliehen haben, damit sie den Menschen ihren Willen offenbaren. Auraya fühlt sich zutiefst geehrt, doch ihre neue Stellung erfordert auch einige Opfer. In der Zwischenzeit braut sich noch weitaus größeres Unheil über dem Land zusammen: Im Süden von Ithania bereiten sich die Pentadrianer, eine Religion von schwarzen Magiern, auf einen Krieg vor, um den weißen Göttern des Nordens ein für allemal ein Ende zu bereiten. Auraya muss die Völker des Nordens vereinen, um gegen die Pentadrianer bestehen zu können.

-Auraya erstarrte. Er kann mich nicht gehört haben, sagte sie sich. Ich habe kein Geräusch gemacht. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie der Mann sich erhob und in die Zweige eines alten Garpa-Baumes hinaufblickte.-
Prolog

Oft wird Fantasy als ein recht oberflächliches Genre abgetan, mit dem man aus der Realität und ihren Problemen fliehen kann. Hinter Trudi Canavans Geschichte Priester (Priestess of the White) steckt allerdings weit mehr, wenn man genauer hinsieht. Wegen einer Religion beginnen sich zwei Völker zu begkriegen, ohne die Weisungen der Götter oder ihrer Stellvertreter auch nur im Mindesten zu hinterfragen.
Sensibel zeigt die Autorin auf, wohin blinder Gehorsam und fanatischer Glaube führen kann, ohne dabei die Weltreligionen in schlechtem Licht dastehen zu lassen.
Fragen von Liebe und Macht werden durch die Gedanken der unterschielichen Protagonisten reflektiert. Im Vordergrund steht natürlich eine überraschungsreiche, gut strukturierte Geschichte aus der Sicht mehrerer Protagonisten in einer liebevoll beschriebenen Welt, die man sich gut vorstellen kann.
Auf dem Cover sieht man vielleicht jeden Fingerabdruck, dennoch finde ich es gelungen. Innen befindet sich noch eine Karte und ein Glossar, was weiterhin zur Veranschaulichung beiträgt.
Tudi Canavans Spache ist auch hier wieder abwechslungsreich, leicht verständlich und sehr gut zu lesen.

Handlung und Story-Ideen sind meiner Meinung nach sehr gelungen. Am Anfang muss man sich vielleicht erst einmal an die ganzen unbekannten Bezeichnungen für Tiere gewöhnen, aber das legt sich bald und ist kein Hindernis. Ein wenig übertrieben ist auch die anfängliche Macht der Protagonistin Auraya, auch wenn ihre Grüne in den zwei Folgebänden erläutert werden.
Richtig gut ist, wie die Autorin die Gefühle und Handlungswege der Protagonisten darstellt und es somit schafft, jeder Figur einen individuellen, erstaunlich ausgereiften Charakter zu geben. So etwas findet man selten.
Emerahl zum Beispiel, die sehr scharfsinnig und intelligent ist, aber trotzdem nicht davor zurückschreckt, ihren Körper zu verkaufen, nur um unerkannt zu bleiben, oder Auraya, die zwischen Pflicht, Mitgefühl, Liebe und Gewissen gefangen ist und dazu noch die Stärke aufbringen muss, nicht nur für sich, sondern auch für andere zu entscheiden, oder auch siamesische Zwillinge, die nach der Trennung feststellen müssen, dass sie sich auch geistig auseinanderleben.
Am allerbesten hat mir der Ideenreichtum (Vernetzung über Träume, Heilmethoden, Gedankenlesen u.v.m.) der Autorin gefallen. Immer wieder bekommt die Handlung neue Seitenstränge und die Spannung bleibt stets erhalten.
Das Buch hat keine Hänger und ist immer wieder für eine Überraschung gut.
Priester ist mit Sicherheit eines der besten Bücher, die in letzter Zeit veröffentlicht wurden, und ich würde es jedem Fantasyfan wärmstens weiterempfehlen. Ich für meinen Teil zähle es zu meinen Lieblingsbüchern, da es deutlich mehr bieten kann als eine abgedroschene Standardstory, aber trotzdem sehr flüssig und amüsant zu lesen ist.

Die Priesterin der Tuerme von Heide Solveig GoettnerAls Amra, die Totenpriesterin der Stadt Caláxi, einen Fremden aus dem verfeindeten Norden der Insel entdeckt, stürzt sie ihre Heimatstadt in Aufregung. Doch während der Fremde festgesetzt wird, erscheint den Bewohnern seine Begleiterin, ein kleines Mädchen mit sonderbaren Augen, viel schlimmer: Sie gilt als eines der Verlorenen Kinder, vor denen die Menschen in einer Prophezeiung gewarnt werden. Tatsächlich spricht die kleine Lillia auch von einem Unheil, das über Caláxi kommen wird – und die Bewohner sind ihr nicht gewogen.
Amra allerdings kümmert sich um das Kind und erfährt bald, daß das Ziegenvolk der Nraurn hinter der sonderbaren Kleinen her ist. Doch da bricht die Katastrophe auch schon über die Stadt herein…

-Als die vier Tage der Totenklage vorüber waren, verließ Amra die steinernen Grabkammern, rückwärts gewandt, wie es der Brauch vorschrieb.-
1

Sonnenverwöhnte Landstriche, Kräuterduft in der Luft, erhabene Bauwerke und geschichtsträchtige Stätten, Mittagshitze und lebensfrohe Märkte – wer denkt da nicht an einen Urlaub im Süden?
In diesem Ambiente (genauer gesagt: auf einer phantastischen Version Sardiniens) hat Heide Solveig Göttner ihre Trilogie angesiedelt, und mit der authentischen und doch ganz behutsam phantasievoll veränderten Realisierung des mediterranen Settings – in einer Zeit, die an die ersten großen menschlichen Kulturen denken läßt – schlägt sie den Leser schnell in ihren Bann. Man kann von Anfang an eintauchen in diese Welt, die einerseits durch alltägliche Nebensächlichkeiten vermittelt wird, und andererseits durch die gut durchdachte magische Komponente überzeugt, die sich nahtlos in das Setting einfügt.
Ein perfektes Buch also, um woanders hinzugehen – und dort wartet dann auch eine gute Geschichte: Was anfangs ein wenig nach Langeweile klingt – besondere Kinder unbekannter Herkunft gehören nun einmal zum etwas ausgelutschten Standard-Repertoire der Fantasy – entpuppt sich bald als Überlebenskampf der Personen, die um dieses Kind herum sind: Die unberührbare Priesterin Amra, der fremde, verschlossene Jemren und der Reiterkrieger Gorun sind dazu gezwungen, nicht nur ihre eigenen persönlichen Geschichten langsam aufzudecken und aufzuarbeiten, sondern auch die Geschichte ihrer Völker und ihrer Insel, die von Halbwissen und Vorurteilen belastet ist. Die Priesterin der Türme ist ganz auf diese drei unterschiedlichen Personen fokussiert, aus deren Perspektive berichtet wird – die Autorin setzt auch geschickt deren unterschiedliche Sichtweisen der Dinge für spannende Handlungsabschnitte ein.

Dabei überwiegen ruhige Passagen, für Spannung sorgt weniger Dauer-Action als eine vor allem wegen der fehlenden Informationen drängende Atmosphäre. Daß das Augenmerk in diesem Buch nicht unbedingt auf Kämpfen liegt, erkennt man auch daran, daß diese Szenen manchmal durch gut plazierte Zeitsprünge oder Perspektivwechsel ausgespart werden, was keineswegs künstlich wirkt. Gerade am Ende aber zeigt die Autorin, daß sie Verfolgungjagden und Kämpfen nicht abgeneigt ist und sie auch umzusetzen versteht. Dennoch ist Die Priesterin der Türme mit Sicherheit eher für die Liebhaber von gründlich ausgeleuchteten Charakteren und überzeugender Atmopshäre geeignet, die gerne auf Entdeckungsreise in fremde Kulturen gehen.

Auch auf den ersten Blick kommt man leicht zu einer falschen Einschätzung des Buches: Eine “Priesterin” im Titel, Matriarchat als Gesellschaftsform auf der Insel der Stürme und im Klappentext Lobgesänge, die alles von Marion Zimmer Bradley bis Monika Felten beschwören – das kann schon abschreckend wirken, wenn man kein spezieller Fan von alles überragender Frauenpower im Fantasy-Roman ist. Um so schöner ist dann die Entdeckung, daß man sich ganz umsonst gegruselt hat: Statt Schwarzweißmalerei und Lobeshymnen auf die Frauenherrschaft, die in der Fantasy bisweilen schon dazu instrumentalisiert wurde, die Kluft zwischen den Geschlechtern unterm Strich eher zu vertiefen, bietet Heide Solveig Göttner eine realistische Umsetzung des Matriarchats – und überhaupt wird den Geschlechterrollen im Roman so wenig Bedeutung beigemessen, daß dieser Absatz eigentlich schon viel zu lange ist, als daß er dem Thema gerecht werden könnte…
Man kann sich also ganz beruhigt auf die Insel der Stürme einlassen, auf dem es neben der menschlichen Kultur auch noch das Ziegenvolk der Nraurn zu entdeckten gibt, und das Ambiente in den Städte der Menschen genießen, die trotz der lebendigen Umsetzung immer ein Hauch von Vergangenheit zu umwehen scheint – und eine durch und durch menschliche Geschichte von Mißverständnissen und Fehlurteilen lesen.
Zum perfekten Urlaub im Süden fehlt dann eigentlich nur noch das Meer – und das kommt gewiß im zweiten Band!

Cover von Prince Caspian von C.S. LewisEin Jahr ist vergangen, seit Peter, Susan, Edmund und Lucy im magischen Land Narnia waren. Fast hätten sie ihre aufregenden Abenteuer wieder vergessen, doch eines Tages, während einer Zugreise, gelangen sie von einem Bahnhof aus zurück nach Narnia. Dort wird ihre Hilfe dringend gebraucht. Hunderte Jahre sind dort seit ihrem letzten Abenteuer vergangen und inzwischen haben die Telmaren das Land erobert, die magischen Wesen verjagt und die Tiere geknechtet. Und Prinz Caspian, der rechtmäßig Herrscher über Narnia, wird von seinem Onkel gejagt, weil dieser den Thron für sich beansprucht …

-“Oh Peter!”, exclaimed Lucy. “Do you think we can possibly have got back to Narnia?” –
Chapter 1: The Island

C.S. Lewis versteht es, kindgerechte Bücher auch für ältere Leser schmackhaft zu machen. Und so ist das zweite Abenteuer, Prince Caspian (Prinz Kaspian von Narnia), der vier Geschwister wieder eine Einladung für Groß und Klein, sich verzaubern zu lassen. Erneut entführt uns der Autor in das magische Land Narnia, dass von den Telmaren erobert und unterdrückt wurde. Der rechtmäßige Herrscher Prinz Caspian wird von seinem Onkel verfolgt, weil dieser den Thron über Narnia selbst behalten will. Die klassische Geschichte erhält hier allerdings keine Ausschmückungen, sie wird relativ gradlinig erzählt. Nur durch das Land Narnia, seine Bewohner und Magie, hebt sie sich von anderen Büchern ab und kann den Leser trotz der vorhersehbaren Handlung an das Buch fesseln. Denoch verbergen sich unter der recht einfallslosen Story jede Menge Details, die aufmerksame Narnia-Leser schnell in die große Narnia-Welt einbauen können. Narnia ist mit jedem Buch ein bißchen mehr gewachsen und ausgebaut worden, die kleinen Mosaiksteinchen, die der Leser in jedem Buch erhält, bilden ein wunderschönes Bildwerk, das zum verzaubern Lassen und Schwärmen einlädt. Das eigentlich Lesenswerte an den Büchern ist nunmal Narnia an sich, was jeder versteht, der einmal damit angefangen hat. Lediglich die allgegenwärte christliche Symbolik stört, wenn sie wieder einmal besonders hervorgehoben wird. Glücklicherweise passiert das nicht allzu oft und der Leser kann Narnia ungestört genießen.

Prinz Kaspian von Narnia von C.S. LewisEin Jahr ist vergangen, seit Peter, Susan, Edmund und Lucy im magischen Land Narnia waren. Fast hätten sie ihre aufregenden Abenteuer wieder vergessen, doch eines Tages, während einer Zugreise, gelangen sie von einem Bahnhof aus zurück nach Narnia. Dort wird ihre Hilfe dringend gebraucht. Hunderte Jahre sind dort seit ihrem letzten Abenteuer vergangen und inzwischen haben die Telmaren das Land erobert, die magischen Wesen verjagt und die Tiere geknechtet. Und Prinz Caspian, der rechtmäßig Herrscher über Narnia, wird von seinem Onkel gejagt, weil dieser den Thron für sich beansprucht …

»Oh Peter!«, rief Lucy aus. »Was meinst du? Sind wir vielleicht wieder in Narnia?«
Die Insel

Zu Prinz Kaspian von Narnia liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Prophet of Yonwood von Jeanne DuPrauDie elfjährige Nickie und ihre Tante fahren in das kleine Städtchen Yonwood, wo sie sich um den Nachlass des verstorbenen Urgroßvaters kümmern wollen. Während Nickies Tante die alte Villa verkaufen möchte, plant Nickie sich dort ihr neues Zuhause einzurichten, fern des drohenden Krieges, der seine Schatten über die Großstädte wirft.
Doch Yonwood ist nicht so idyllisch, wie sich das Mädchen den Ort vorgestellt hat. Eine Einwohnerin Yonwoods hatte eine schreckliche Zukunftsvision, in der die Welt im Feuer untergeht. Eine eingeschworene Gruppe versucht fortan die kryptischen Worte der Prophetin zu interpretieren um die drohende Zerstörung zu verhindern.

– She felt herself flung high into the sky, and from there she looked down on a dreadful scene. The whole earth boiled – a howling and crashing and crackling – and finally, when the firestorm subsided, there came a silence that was more terrible still.-
The Vision, S. 1

The Prophet of Yonwood ist der dritte Teil in der Reihe The Books of Ember. Hierbei gilt es allerdings gleich zu beachten, dass es sich dabei um ein Prequel handelt und die Geschichte völlig losgelöst ist von den Abenteuern die Lina und Doon in The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) oder The People of Sparks (Ankunft im Licht) erleben.

Der Roman setzt ca. 50 Jahre vor dem Bezug Embers ein und zeigt eine Zeit, die unserer Gegenwart sehr nahe sein muss. Wer nun aber hofft, den Bau der unterirdischen Stadt zu erleben und zu erfahren wie alles begann, der wird dieses Buch recht enttäuschend finden. Die Verknüpfung mit Ember findet erst im Epilog statt, und obwohl diese Verknüpfung ganz charmant ist, tröstet sie nur wenig über die Enttäuschung hinweg, die man als Leser bei diesem Buch empfindet.
The Prophet of Yonwood
erzählt stattdessen von Nickie, die in die alte Villa ihres Urgroßvaters in Yonwood kommt. In dieser Stadt wiederum gibt es eine Frau, die als Prophetin betrachtet wird, deren Worte von einer anderen Frau interpretiert werden, und eine Stadt, die diesen Interpretationen und entstehenden Anweisungen folgt. Im Prinzip spielt sich hier ein klassisches Kleinstadtdrama mit religiösem Hintergrund ab. Eine ganze Stadt fängt an im Namen Gottes Opfer zu bringen, in dem Glauben, ihre Stadt sei auserwählt zu überleben, wenn ihre Einwohner nur gut und rechtschaffen handeln. Unter dieser Prämisse geschehen in dem kleinen Städtchen schnell ungerechte Dinge bei dem Versuch, alles richtig zu machen. Menschen, die sich dem Glauben an die Prophetin versperren und sich in irgendeiner Form falsch verhalten, werden als Unruhestifter verschrien, verurteilt und bestraft. Der Roman zeigt in einer leider eher langatmigen Schilderung, wie die Furcht Menschen dazu bringt, absurde Entscheidungen zu treffen und ebenso absurde Ideen zu haben. Findet sich dann noch ein Besserwisser mit selbstbewusstem Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit, ist das Chaos perfekt.
Autorin Jeanne DuPrau thematisiert in ihrem dritten Roman hauptsächlich die Furcht vor dem drohenden Krieg und die Auswirkungen von blindem Glauben und fehlgeleiteten guten Absichten, was theoretisch kein schlechter Ansatz ist, hier aber nur kläglich umgesetzt wurde.

Nickie, deren Vater irgendwo in der Welt einen geheimen Auftrag ausführt, erhält derweil per Postkarte achso seltsame P.S.-Nachrichten, die schnell als versteckte Hinweise und geheimes Rätsel vorgestellt werden, ohne dabei im Verlauf der Handlung ein Miträtseln zu ermöglichen. Stattdessen wird einem die Lösung schließlich in einem beiläufigen Nebensatz auf dem Silbertablett serviert und man fragt sich: wozu? Denn der Inhalt der Nachrichten ist belanglos und das Rätsel selbst aufgrund des mangelhaften Aufbaus nicht im Mindesten spannend. Während The City of Ember wie eine große Abenteuerreise daherkommt, in der es allerhand Geheimnisse aus der Vergangenheit zu entdecken gab, scheitert The Prophet of Yonwood darin, sich das selbe Prinzip zunutze zu machen.
Weiterhin bewegt sich Nickie auf Spurensuche durch das viktorianische Haus ihrer Vorfahren, findet dort alte Briefe, Fotografien und das Tagebuch ihres Urgroßvaters, in dem er allerlei seltsame Beobachtungen aufgezeichnet hat. Unter anderem erwähnt er hierin die Begegnung mit einem Geist und die String-Theorie. An diesem Punkt läuft man Gefahr neugierig zu werden und neue Hoffnung für das Buch zu schöpfen, nur um dann mit anzusehen, wie diese interessanten Ideen im Keim erstickt werden. Welchem Zweck die Aufnahmen dienten oder was genau Nickies Urgroßvater mit seinen Notizen beabsichtigt hat, kann man nur erahnen. Man fragt sich, worin der Sinn besteht, diese Dinge zu erwähnen, wenn sie nirgendwo hinführen. Mehr als einen gewissen nostalgischen Charme für die Villa erzeugen sie nicht und so kann man nur hoffen, dass zumindest die Notizen des Urgroßvaters für den letzten Teil dieser Buchreihe noch genutzt werden.
Übrigens: Auszüge von Nickies Fundstücken wurden auch als Bildmaterial in den Roman eingefügt, vielleicht ist das für den ein oder anderen von Interesse.

Wer nun also auf die eingangs erwähnten wenigen charmanten Verknüpfungen zu The City of Ember verzichten kann – Handlungsrelevantes erfährt man hier nicht – der darf The Prophet of Yonwood getrost ignorieren und ungelesen lassen, denn dieses Buch endet dort, wo es hätte beginnen sollen und liefert einem nichts als Entschädigung.

Pyramiden von Terry PratchettTeppic, der Sohn des Königs von Djelibeybi, wird bei der Assassinengilde von Ankh-Morpork ausgebildet. Doch sein Vater stirbt früher als geplant, und so muß Teppic in den anachronistischen Wüstenstaat zurückkehren und König werden, was eigentlich nicht seinem Willen entspricht.
Zum Gedenken seines Vaters (der sich auch immer wieder mal zu Wort meldet) soll die größte Pyramide aller Zeiten gebaut werden, was etliche Architekten, Arbeiter und Bauherren die Nerven kostet. Zu allem Überfluß muß Teppic auch noch feststellen, daß sein Amt ihm nicht gestattet, zu tun, was er will, denn der königliche Tagesablauf und die königlichen Entscheidungen werden maßgeblich vom Hohepriester Dios beeinflußt …

– Nur Sterne, in der Schwärze verstreut – als sei die Windschutzscheibe des göttlichen Wagens zerbrochen, ohne daß sich der Schöpfer die Mühe machte, alle Splitter einzusammeln. –

Dieses Buch ist besonders für Leser geeignet, die es makaber lieben und sich für Dinge interessieren, die sich ein paar tausend Jahre vor Christi Geburt abgespielt haben.
Es gibt viele Bücher, in denen erzählt wird, wie einem Mörder das Handwerk gelegt wird, wer aber wissen will, wie ein Meuchelmörder sein Handwerk lernt, der muß Pyramiden (Pyramids) lesen. Im ersten Kapitel werden alle möglichen Arten gelehrt, einen Menschen zu inhumieren. Falls Ihnen nicht sofort klar ist, was dieses Wort bedeutet, denken Sie einfach über den Begriff “exhumieren” nach und stellen sich das Gegenteil vor. Genau! Da der größte Teil des Romans im Land der Pyramiden spielt, wird auch ganz exakt geschildert, wie man einen Leichnam zur Mumie macht. Der Einbalsamierer entnimmt die Organe vorzugsweise durch die Nase und verteilt sie in verschiedene Krüge. Sie finden das eklig? Aber nur, weil sie noch nicht gelesen haben, wie der Pharao erwacht und seine Organe eigenhändig wieder einsammelt. Sooooo schlimm ist das alles nun auch wieder nicht. Schließlich handelt es sich um einen Roman von Terry Pratchett und all diese Szenen sind weitaus komischer als gruselig. Selbst wenn ein Heer von Mumien wie in einem drittklassigen Horrorfilm durch das Land zieht ist das nicht so furchterregend, daß man beim Lesen die Augen schließen müßte. Außerdem liefert Pratchett eine urkomische Parodie auf das Bestattergewerbe und witzige Anspielungen auf den trojanischen Krieg, das Alte Testament, die antike Sagenwelt, Cäsar und Kleopatra und einige andere Sachen, die Sie am besten selbst herausfinden. Der Roman hat zwei, drei Längen, die jedoch durch die Komplexität der parodierten Themen mehr als wett gemacht werden.

The Queen of Attolia von Megan Whalen TurnerNachdem die Königin von Attolia ein in ihrem Palast spionierendes Mitglied des Königshauses von Eddis hat verstümmeln lassen, eskaliert der  schon lange schwelende Konflikt zwischen den beiden Ländern vollends. Der Krieg ruft nicht nur den immer noch eroberungslustigen König von Sounis sondern auch das mächtige Mederreich auf den Plan, und bald droht den drei kleinen Staaten ihre Zerstrittenheit wirtschaftlich wie politisch zum Verhängnis zu werden. Ein Verlust der Unabhängigkeit scheint kaum noch abzuwenden. Doch zweierlei hat der medische Gesandte Nahuseresh bei seinen Intrigen nicht bedacht: Die Macht der Götter – und die Unberechenbarkeit menschlicher Gefühle…

– When he fell asleep, he dreamed the queen of Attolia was dancing in her garden in a green dress with white flowers embroidered around the collar. It started to snow, dogs hunted him through the darkness, and the sword, red in the firelight, was above him, and falling. –
Chapter Five

Dass ein zweiter Band die im ersten Teil einer Reihe geweckten Erwartungen nicht einlöst, hat gewiss jeder Leser schon erlebt – aber selten wird ein solcher Bruch derart bewusst und erschütternd vollzogen wie hier von Megan Whalen Turner. The Queen of Attolia erlaubt einem weder wohliges Schwelgen in mediterranen Landschaften noch unbefangenes Vergnügen an Abenteuern, sondern wagt sich an ernste Themen. Neben dem Umgang mit politischer und persönlicher Verantwortung stehen vor allem das Erdulden und die mögliche Überwindung von Leid im Vordergrund.

Die Götter haben weiterhin allenthalben die Hand im Spiel, doch ihr Einfluss steht in ständiger Wechselwirkung mit den Entscheidungen der Menschen, deren Taten sich nicht einfach durch das Eingreifen höherer Mächte ungeschehen machen lassen und so letztlich stärker als alle übernatürlichen Faktoren den Gang der Ereignisse bestimmen. Den Konsequenzen des eigenen Handelns kann sich daher keiner der Protagonisten entziehen, und was politisch geboten erscheint, widerspricht oft genug ihren heimlichen Wünschen oder ihrem ethischen Empfinden. List und Tücke bieten zwar häufig eine taktische, aber nur selten eine wirkliche befriedigende Lösung der Probleme, mit denen sich jeder einzelne im Laufe des langen Kriegs konfrontiert sieht, und der Preis, der für das eigene Weiterkommen gezahlt werden muss, ist oft sehr hoch. Das merkliche Vergnügen, mit dem Turner in ihrer bewährten Technik, Entscheidendes oft nur verhüllt anzudeuten, Intrigen und Winkelzüge schildert, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie auch und vor allem Geschichten des Verlusts erzählt: Von körperlicher und psychischer Unversehrtheit, moralischen und religiösen Gewissheiten, äußerer und innerer Freiheit und nicht zuletzt auch von liebgewonnenen menschliche Beziehungen muss mehr als eine Gestalt unwiderruflich Abschied nehmen. Vor allem der Dieb Gen macht in dieser Hinsicht eine ebenso schlüssige wie herzzerreißende Entwicklung durch, an deren Endpunkt er nur noch wenig mit dem unbekümmerten Spötter gemein hat, als der er dem Leser in The Thief entgegengetreten ist.

Ein düsterer und deprimierender Roman also? Nicht ganz, denn er ist zugleich – so sehr dies überraschen mag – ein Loblied auf die Liebe und ihre hoffnungstiftende Kraft, die über Zwang und Widrigkeiten triumphieren kann. Während die Thematik in der ersten Hälfte des Buchs eher auf leisen Sohlen in einer scheinbar zufällig erzählten Göttersage eingeführt wird, gewinnt sie im weiteren Verlauf an Bedeutung. Romantasygeschädigte müssen dennoch nicht in Panik geraten: Der schwierige Annäherungsversuch zweier Menschen, die einander in der Vergangenheit wahrlich keine Wohltaten erwiesen haben, ist anrührend geschildert und von jedem Kitsch weit entfernt. Ohnehin wird man effekthascherische Szenen in diesem Buch vergebens suchen, obwohl es Situationen gibt, die manch ein Autor wohl als Steilvorlage betrachtet hätte, sich in drastischen Beschreibungen zu ergehen (so wird z.B. einer zentralen Gestalt auf offener Bühne die Hand abgehackt). Turner ist eher an langfristigen Folgen vor allem psychologischer Natur interessiert. Auf ihre zurückhaltende Erzählweise, die einen Kontrast zu der in der modernen Fantasy weit verbreiteten, quasi filmischen Unmittelbarkeit bildet, muss man sich also weiterhin einlassen. Wer dazu bereit ist, wird mit einem überdurchschnittlichen Lektüreerlebnis belohnt.

Trotz all dieser Qualitäten lässt sich aber eines nicht verschwiegen: The Queen of Attolia ist ein Buch mit Übergangscharakter, das dazu dient, den im ersten Band vorgegebenen Status quo aufzubrechen und die Charaktere für den Fortgang der Serie in Position zu bringen. Diese Brückenfunktion lässt die liebevolle Darstellung der Welt, die so viel zum Charme der Reihe beiträgt, etwas in den Hintergrund treten; eine Ausnahme bildet allenfalls das sehr gelungene Kontrastprogramm zwischen dem Königshof von Eddis (der vorwiegend aus dem ausgedehnten Familienclan der Herrscherin besteht) und seinem von Machtgier und Misstrauen geprägten attolischen Pendant.

Diese Kritikpunkte fallen aber eigentlich nur dann ins Gewicht, wenn man den Roman, den man auch als in sich abgeschlossene Geschichte lesen kann, in den Kontext von Vorgänger- und Nachfolgeband einordnet. Verzichtet man auf diesen Vergleich, so bleibt einem neben den feinfühlig gezeichneten Charakteren vor allem eines in Erinnerung: Die hoffnungsvoll stimmende Bereitschaft der Autorin, in einer ungeschönten Wirklichkeit neben Leid auch Tröstliches gelten zu lassen.

Die Räder der Welt von Jay LakeDem jungen Uhrmacherlehrling Hethor erscheint ein Engel mit der Aufgabe, den drohenden Weltuntergang abzuhalten: Die Uhrfeder der Welt muß wieder aufgezogen werden, sonst läuft der Mechanismus aus, der die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne hält. Beherzt zieht Hethor los, als erstes zum Hof von Boston, um den englischen Vizekönig von seiner Mission zu überzeugen und um Hilfe zu bitten. Dort ist er aber leider an der falschen Adresse, wird verlacht und schließlich ins Gefängnis geworfen, denn manche erkennen in seiner Mission auch eine Gefahr. Doch so schnell gibt Hethor nicht auf, und er kann auch auf einige geheime Unterstützer zählen …

– Der Engel erstrahlte im Schein von Hethors Lesekerze so hell wie eine Messing-Maschine. –
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Zu Die Räder der Welt liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Reise zum Mond und zur Sonne von Savinien de Cyrano de BergeracNachdem der Ich-Erzähler mit einigen Freunden über das Wesen und die Funktion des Mondes philosophiert hat, beschließt er auf den Mond zu reisen. Er landet auf dem Mond und zwar genau an der Stelle, an der sich das irdische Paradies befindet. Dort trifft er den Propheten Elias. Die beiden beginnen ein Streitgespräch, in dem Cyrano solch lästerliche und ketzerische Thesen vertritt, daß Elias ihn aus dem Paradies wirft. Cyrano wird von den Mondbewohnern aufgegriffen, die ihn für einen Affen halten, weil er sich nicht wie sie auf allen Vieren fortbewegt und er wird dort zu einem anderen “Affen”, einem Spanier, in einen Käfig gesperrt. Schließlich kommt er auf die Erde zurück, nur um zur Sonne zu reisen und schließlich einiges über die Liebe zu erfahren.

– Es war Vollmond, klarer Himmel, und es hatte neun Uhr abends geschlagen, als wir, vier meiner Freunde und ich, aus einem Haus in Clamart bei Paris zurückkehrten, wo der junge Monsieur de Cuigy, der dort der Grundherr ist, uns bewirtet hatte. –

Eine kurze Inhaltsangabe kann Cyrano de Bergeracs Reise zum Mond und zur Sonne nicht gerecht werden. Cyrano ergreift in seinem mutigen Werk Partei für die Aufklärung und gegen die Kirche und andere Autoritäten seiner Zeit. Nun hält er aber keine Philippica gegen Aberglauben und Volksverdummung, seine Waffen sind Esprit und Witz, Ironie und Satire. De Bergeracs Florett ist die geschliffene Sprache, mit der er für seine Überzeugungen ficht. Auf dem Mond wird Cyrano von den Priestern beim König angezeigt, weil er es gewagt hat zu behaupten, daß die Welt der Lunarier nur ein Mond sei und keine Erde, er hingegen von der Erde käme und nicht etwa vom Mond, wie die Lunarier glauben. Man holt ihn aus seinem Käfig, der Groß-Pontifex hält eine Anklagerede und am Ende wird Cyrano an alle Ecken der Stadt geführt, wo er seine Überzeugung widerrufen muß: “Untertanen, ich erkläre, daß dieser Mond hier kein Mond ist, sondern eine Erde, und daß diese Erde dort keine Erde ist, sondern ein Mond. Das ist, was die Priester für gut erachten, das Ihr glauben sollt.” Die ganze Schilderung ist eine geistreiche Anspielung auf den Prozeß gegen Galileo Galilei.

Köstlich und außerordentlich einleuchtend ist auch die Episode, in der der Dämon des Sokrates Cyrano vor Augen führt, daß Gott den Menschen keineswegs mehr liebt als Kohlgemüse, ja warum ihm wahrscheinlich am Kohl mehr gelegen ist als an den Menschen. Und alle, die noch der Auffassung anhängen, die Sonne drehe sich um die Erde, versucht de Bergerac mit diesem Beispiel zu überzeugen: “Es wäre gerade so lachhaft zu glauben, der große leuchtende Körper drehe sich um einen Punkt, mit dem er nichts zu schaffen hat, als sich vorzustellen, wenn wir eine gebratene Wachtel sehen, man habe, um sie zu rösten, den Kamin um sie herum gedreht.”
Cyrano de Bergerac bezieht sich immer wieder auf philosophische und wissenschaftliche Werke zeitgenössischer Geistesgrößen wie Pierre Gassendi, Hieronymus Cardanus, Tommaso Campanella und anderen, die dem heutigen Leser nicht mehr geläufig sind. In solchen Fällen leistet der hervorragende Anhang mit seinen Anmerkungen ausreichend Hilfe.

Aber nicht nur Cyranos Umgang mit den philosophischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen seiner Zeit faszinieren, sondern auch die Tatsache, daß ganz offensichtlich sich andere und dazu völlig unterschiedliche Künstler von ihm haben inspirieren lassen. Die futuristischen Flugmaschinen erinnern an Jules Verne, Swift scheint sich Anregungen für Gullivers Reisen geholt zu haben, in Schillers “Die Räuber” finden sich Gedanken über Vaterschaft, die denen Cyrano de Bergeracs verblüffend ähnlich sind und daß die Herrschaftsverhältnisse umgekehrt werden, die Tiere die Menschen in Käfige sperren und sie als minderwertige Geschöpfe ansehen, hat man unter anderem in Planet der Affen gesehen.
Savinien de Cyrano de Bergerac findet ohne Mühe dreieinhalb Jahrhunderte nach seinem Tod den Weg in die Herzen seiner Leser.

Reiter auf dem schwarzen Pferd von Piers AnthonyZane ist ein echter Pechvogel. Er ist weder besonders attraktiv, noch hat er ein nützliches Talent, und erfolgreich ist er schon gar nicht. Als ihn ein Händler für magische Steine auch noch über den Tisch zieht und ihm nicht nur die Chance auf Reichtum nimmt, sondern auch die Liebe seines Lebens, beschließt Zane seinem Elend ein Ende zu setzen. Er begibt sich in seine heruntergekommene Bleibe, zieht eine Waffe und schießt … dummerweise passiert ihm auch hierbei ein Missgeschick und Zane erschießt nicht wie geplant sich selbst, sondern den Tod höchstpersönlich. Wie es die Gesetze verlangen, muss Zane nun die Nachfolge antreten und die Sense in die Hand nehmen. Als wäre das alles noch nicht genug, stellt er bald fest, dass Satan ganz eigene Pläne für den frischgebackenen Tod hat.

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Requiem von Ken ScholesWährend Jin Li Tam gen Y’Zir segelt, um ihren geheimen Auftrag zu erfüllen, kämpft ihr Gemahl Rudolfo in den Neun Wäldern nicht nur gegen die überbordende Macht der Y’Ziriten – die ihn als Verbündeten ausersehen haben und um keinen Preis aus dieser Rolle entlassen –, sondern das Gefühl, betrogen und verlassen worden zu sein. Winters und ihr vertriebenes Volk versuchen eine neue Bleibe zu finden und sich die Hoffnung zu bewahren, dass die Mission von Neb, der sich in etwas Unnahbares und Unverständliches verwandelt hat, doch noch von Erfolg gekrönt ist und ihnen den Weg in ihre wahre Heimat öffnet.

-A gibbous moon hung in the predawn sky, casting shades of blue and green over a blanket of snow. Fresh from the gloom of the woodlands behind her and not even an hour past the warmth of the thick quilts and crackling fire of her family’s home, Marta clutched her stolen sling and cursed the rabbit for running so far and so fast.-
Prelude

Im vierten Band der Psalms of Isaak befinden wir uns auf dem Höhepunkt einer vielschichtigen und aus vielen Blickwinkeln erzählten Saga, jeder Handlungsstrang ist durch drei Bände Vorgeschichte belastet, so dass es schwierig wird, auch nur einen allgemeinen Überblick über den Inhalt zu geben. Deshalb zu Beginn vielleicht ein Hinweis für die Kenner der Reihe, der eine der wichtigsten Fragen beantwortet: Trotz des Titels und der düsteren Vorankündigungen wird Requiem keine Tragödie. Es geht – wie schon der letzte Band – mit einer gewissen Sterbequote an die Nieren und bringt in verschiedenen Ausprägungen das Thema der Endlichkeit zur Sprache, doch ein desolates Trauerspiel, das mit aller Kraft auf die Tränendrüse drückt, bevor der letzte Band erscheint, ist es nicht geworden.

Zunächst bricht die Geschichte endgültig aus dem längst nicht mehr geschützten Rahmen der Benannten Lande aus und führt in eine größere und komplexere Welt, in der die Regeln der Moral und dessen, was man wissen kann, neu definiert werden. Die Linien verschwimmen zusehends, Recht und Unrecht, Gut und Schlecht vermischen sich zu einer riesigen Grauzone, in der sich keine der Figuren wohlfühlt. Der Wunsch nach Klarheit, der alle antreibt, und die Verwirrung und Ohnmacht aufgrund des fehlenden objektiven Standpunkts sind sehr moderne Empfindungen, die Scholes meisterlich in einem Fantasy-Setting fühlbar gemacht hat, und das ist in dem Subgenre, in dem er sich bewegt, eine beachtliche Leistung, denn wenn man mit Rudolfo, Jin, Neb, Petronus, Vlad und Winters ins Schwimmen gerät, sticht ins Auge, wie abhängig die Struktur der epischen Fantasy mit ihren Prophezeiungen (die sich hier ein ums andere Mal als von langer Hand geplant erweisen), ihren in einem festen Fundament verankerten Religionen und Grundsätzen und ihren schicksalshaften Rollen für Individuen von einer unbestreitbaren Wahrheit ist. Eine spannende Frage ist demnach auch die, ob eine solche im letzten Band gefunden wird.

Als Nebeneffekt, der allerdings enorme Wirkung auf die Figuren hat, lockert sich auch das vorher klar bestimmte Beziehungsgeflecht: Räumliche Trennung löst vormals enge Verhältnisse, politische Bündnisse zerbrechen vollständig, jede Verbindung wird aufs Härteste erprobt und hält oftmals nicht stand. Dennoch bleibt das Familienthema zentral, es zurrt sich sogar immer enger um den mythisch aufgeladenen Handlungskern zusammen: Das verzweigte und mehrfach gebrochene Narrativ der Familie Tam wird abermals auf den Kopf gestellt, und die Verbindungen zwischen Mechoservitoren, Menschen und alten Göttern scheinen zugleich liebevoll und schrecklich.
Es fällt auf, wie sehr bei allen männlichen Figuren das Thema der Vaterschaft in den Vordergrund rückt, und manchmal scheint das Ganze thematisch fast etwas zu sehr durchkalkuliert, etwa wenn jeder der (männlichen) Helden sich mit Verführung und der Treuefrage auseinandersetzen muss, die sich in Zeiten zerbrechender Bande stellt.

Zum Glück werden aber auch neue Beziehungen geknüpft: Ein Neuzugang unter den Figuren, aus deren Sicht erzählt wird, ist das Mädchen Marta, die sich mit einem Mechoservitor anfreundet. Ein Kind und ein Roboter – die bezaubernden Szenen, die diese Konstellation bietet, heben die Laune inmitten des schweren Stoffs. Martas Kombination aus unmittelbarer, kindlicher Weltsicht und Unschuld einerseits und ihrem Durchblick, der dem der Erwachsenen oft überlegen ist, hat etwas Erfrischendes inmitten der ganzen gereiften Personen, die die Psalms of Isaak sonst bestreiten, manchmal jedoch macht sie den Eindruck, etwas zu sehr die emotionale Auffassungsgabe eines Erwachsenen zu besitzen.

Dass es thematisch und auf der Figurenebene hoch hergeht, ist allerdings nicht das, was diesen Band zum wahren Genuss macht: Ken Scholes ist ein Mythenschöpfer, und in Requiem hat er seine Helden an Positionen manövriert, wo er seine Schöpfungen zum Funkeln bringen kann. Wir betreten nicht nur die Terra incognita der Benannten Lande, sondern den Mond, den man im geradlinigen, aber trotzdem bisweilen poetischen Stil der Reihe nur zu gerne erkundet.
Für Leser und Leserinnen kristallisieren sich dabei immer mehr Hintergründe heraus, wenn man im Auge behält, dass Scholes hier SF-Elemente mit den Mitteln der Fantasy ausdrückt. Dadurch kommt ein neuer Blickwinkel auf Vertrautes zustande, man sieht sozusagen doppelt: Aus Figurensicht bleiben die SF-Aspekte unerklärlich und mystisch, und sie bewahren diese Aura, auch wenn man aus Lesersicht mehr weiß.
Die Psalms of Isaak stehen damit vor einem Finale, in dem alles passieren kann und nur eines klar ist: Die Welt, wie sie war, ist in ihren Grundfesten erschüttert.

Der Kindgott Si’eh schließt mit den sterblichen Geschwistern Shahar und Dekarta einen Pakt: sie wollen auf ewig Freunde sein. Nach dem Blutschwur ist jedoch nichts, wie es vorher war: Si’eh verfällt in einen langen Schlaf, und als er erwacht, ist er ein Sterblicher, und auch das Reich der Amn sieht sich mit neuartigen Gefahren konfrontiert. Wird der Schwur der drei Bestand haben, um die Zerstörung der Welt aufzuhalten?

– Ein Liebhaber war noch nie genug für einen von uns”, sagte Itempas und lächelte traurig, als ob er wüsste, wie wenig er ihres Verlangens würdig war. –
Kapitel 1, S. 14

Gute Nachrichten für alle Hippies unter uns: Jemisins Elysium ist ein Ort der freien Liebe. Götter im Bett mit Menschen, flotte Dreier, wechselnde Geschlechter je nach Tagesvorliebe, Inzest, Hass als Grundlage für Sex, Liebe als Grundlage für Sex, Väter mit ihren Kindern, Mütter mit ihren Kindern, Frauen mit Katzen, kurz: jeder mit jedem, und da all das noch nicht genug ist, ist der Protagonist ein pubertierender Gott. Der Kindgott Si’eh, der mit dem Erwachsenwerden und seinem Penis konfrontiert wird, und in seiner freien Zeit schmollt oder durch den Palast erigiert, bestätigt eine alte Wahrheit: den Wirrungen der Jugend zuzusehen macht in den seltesten Fällen Spaß.
Der noble Vorsatz, vorurteils- und wertungsfrei für sexuelle Selbstbestimmung einzutreten, muss der Autorin zugute gehalten werden. Gleichzeitig ist das zentrale Thema des Romans auch seine größte Schwäche: erscheint die gnadenlose Übersexualisierung jeder menschlichen Beziehung, Handlung, Geste und Äußerung am Anfang noch verrucht und gewagt, verkommen die erotischen Ausflüge, in denen zwangsläufig alle Begegnungen enden, durch die ständige Repetition des Schema F zur langweilenden Effekt- und Orgasmushascherei. Eine inhaltliche Auseinandersetzung fehlt völlig, sodass jegliches kritisches, gesellschaftlich relevantes Potential ungenutzt bleibt. Von Jemisin, die sich selbst als „politische Kommentatorin“ bezeichnet, hätte ich mir mehr erwartet.

Der Gegensatz von Liebe und Hass, ein weiteres Grundmotiv des Romans, verkommt ebenfalls zur Plattitüde, da die beiden Gefühle in der Welt von Si’eh & Co. auf das selbe hinauslaufen, und der findige Leser wird schnell erraten, worauf genau. Richtig. Tatsächlich endet oder beginnt beinah jede Szene mit einem Geschlechtsakt, sodass dem Leser nichts anderes übrig bleibt, als sich mit hintergründigen Fragen die Zeit zu vertreiben: fallen sie vor oder nach dem bedeutungsschwangeren Dialog über die Geschicke der Welt übereinander her? Und – wird Si’eh den Akt wieder mit einer pubertären Peinlichkeit ausklingen lassen?

Das Potential der unheimlich interessanten und ambivalenten Figur des Kindgottes nutzt die Autorin in dem dritten Band ihrer Reihe leider nicht aus; zu schnell spult sich auch hier ein Schema ab: entweder Si’eh spielt, oder er tötet. Nachdem dieses Muster einmal präsentiert wurde, bleibt kein Raum für Überraschungen. Wut und Albernheiten wechseln sich ab wie Wolken und Sonne, ernste Szenen werden zwanghaft durchbrochen, und die mangelnde Reife des Protagonisten manifestiert sich mehr als deutlich auf sprachlicher Ebene, die in der deutschen Übersetzung nicht nur nervig-albern, sondern schlicht haarsträubend ist. Jede Andeutung von Atmosphäre wird durch eine sprachliche Unbeholfenheit und Ausdruckssprofanität ins Lächerliche gezogen, grammatische Stolpersteine reihen sich an völlig fehlplatzierte Anglizismen. Die Debatte um die Übersetzung von Eigennamen mag ihre Berechtigung haben, doch wenn ein in Sorge befindlicher Bürger „Bright Vater, hilf uns!“ [sic! S.464] schreit, dann ist klar, dass dem Leser in diesem Roman vieles geboten werden soll – Niveau jedoch nicht. Das wäre kein Problem, wenn unser aller Verstand da sitzen würde, wo Si’ehs Lebens- und Körpermittelpunkt ist, doch der denkende Leser kann nicht anders, als an der Ernsthaftigkeit zu zweifeln, mit der der Verlag seine Leser betrachtet.

Die Autorin bemüht sich durchaus, Spannung aufzubauen und die Handlung voranzutreiben, doch dabei offenbart sich leider die letzte Schwäche des Romans. Durch die bereits angesprochene Sprachprofanität und durch eine das Werk wie ein roter Faden durchziehende Unglaubwürdigkeit der Figuren wird jegliche Spannung genommen. Liebe und Hass, die inflationär als Handlungsmotoren eingesetzt werden, verkommen zu sinnentleerten Begriffen, die alles rechtfertigen: Verrat, Sex, Folter, Krieg, Besitzansprüche. Das Pendel, das zwischen Kitsch und Endzeitstimmung schwingt, verharrt schließlich im rosaroten Bereich, und beinah möchte man rufen: Bright Vater, erlöse uns!

Nach einem herausragenden Auftakt der Reihe mit dem Erstling Die Erbin der Welt (The Hundred Thousand Kingdoms), einem bereits nachlassenden zweiten Band Die Gefährtin des Lichts (The Broken Kingdoms) und diesem enttäuschenden Abschlussband kann man nur empfehlen, Die Erbin der Welt als sprachlich und inhaltlich außergewöhnlichen Einzelband zu lesen, in dem die Magie von Jemisins geschaffener Welt noch ungemindert den Leser zu verzaubern weiß.

Die Rückkehr der Königin von Greg KeyesIn einem Land, in dem mehr und mehr unheimliche Dinge geschehen und Monster wandeln, verfolgen die Protagonisten ihre lose miteinander verknüpften Ziele.
Anna und Austra bemühen sich um ihre Rückkehr nach Eslen und werden aus dem gleichen Grund von Neil gesucht. Aspar, Stephan und Winna sind im Auftrag der Kirche unterwegs, während der Königin mehr und mehr die Kontrolle über das Königreich entgleitet. Ein neuer Handlungsstrang um den naiven Komponisten Leoff zeigt die Ereignisse am Hof aus einer anderen Perspektive und geht wie alle anderen einem fulminanten Ende entgegen.

– Die blauen Raubtieraugen des Mönchs starrten unverwandt, als versuchten sie, sich durch die gewaltigen Stämme der Eiseneichen und die felsigen Hänge des Königswaldes zu brennen. –
Prolog, S. 9

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Rune der Knechtschaft von Ange GuéroDer ehemalige Spion und Meuchelmörder Arekh fristet ein erbärmliches Dasein als Galeerensträfling und hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch als sein Schiff in einem Gefecht versenkt wird, rettet Marikani, die Thronerbin des Königreichs Harabec, Arekh unversehens das Leben, so dass er sich im Gegenzug widerwillig bereitfindet, ihr und ihrer Hofdame Liénor bei der gefahrvollen Rückkehr in ihre Heimat zu helfen. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass nicht nur äußere Feinde ihnen Steine in den Weg legen: Aus dem Königshaus von Harabec droht Verrat, die mächtige Priesterschaft spinnt ihre eigenen Intrigen, und in den Reihen des versklavten Türkisvolks gärt es…

– Die Galeere sank langsam, als täte sie es nur widerwillig. Die Besatzungsmitglieder waren schon in den ersten Minuten getötet worden; dann hatte sich die Schlacht zum Südufer des Sees verlagert, und das Schiff und die Sträflinge blieben ihrem Schicksal überlassen. –
Kapitel 1

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Sanctum von Markus HeitzNach einer langen Hetzjagd erreicht Eric von Kastell Rom, die Ewige Stadt. In den Straßen dieses geheimnisvollen Ortes fließen alle Fäden zusammen, die zum Vermächtnis einer rätselhaften Frau aus dem 18. Jahrhundert führen: Gregoria, die Äbtissin des entweihten französischen Klosters. Nach und nach stellt Eric fest, dass er und Gregoria untrennbar miteinander verbunden sind. Durch die heiligste Substanz, die sich auf Erden finden lässt: Das Sanctum …

-“Macht Euch nicht lächerlich, Abbé. Die Bestie ist tot.” So, wie Pierre-Charles, Comte de Morangiès, es sagte, klang es nach einem Befehl. Wie immer, wenn die Rede auf das Untier kam, das im Gévaudan mehr als drei Jahre lang gewütet hatte.-
Prolog

Bisher ist Sanctum Markus Heitz’ in jeder Hinsicht schlechtestes Buch, und diesmal wirken sich nicht einmal Heitz’ Ideen positiv auf die Bewertung dieses Romans aus. Wieder bestehen zwei Handlungsstränge – ein historischer und ein moderner – und da beide fast ausnahmslos in Rom spielen, verliert man schon bald wieder den Überblick und die aus Ritus bekannte Langeweile kommt auf. Schnell wird erneut – vor allem in Erics Part – gemetzelt, was das Zeug hält – Splatterszenen sind wohl das, was in diesen Büchern die dunkle Spannung beinhalten soll. Es geschehen abartige und unglaubwürdige Morde, die wohl eine Gänsehaut verursachen sollten, jedoch nur einen angewiderten Blick und Lustlosigkeit hervorrufen. Unter anderem zerstört Eric ein Café, ballert hemmungslos darin herum und liefert sich eine Verfolgungsjagd mit einer Sekte, die Werwölfe anbetet – Dan Brown lässt grüßen – ohne für seine Gewalttaten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Da wird in aller Öffentlichkeit gemordet und die Zeugen gucken nur groß – so etwas wie eine Polizei scheint es in und um Rom nicht zu geben.
Wieder sind Heitz’ Inspirationsquellen ersichtlich: Illuminati und Sakrileg liefern nicht nur die Vorlage für den Handlungsort, Rom, sondern wohl auch für die lang bestehende Sekte, die stark an die Illuminati und Opus Dei in Dan Browns historischen Krimis erinnert.
Sanctum beherbergt noch mehr Charaktere als Ritus, und durch sich ähnelnde Namen und die Masse der Personen geschieht es leicht, dass man nicht weiß, welchen Handlungsträger man gerade vor sich hat.
Lange Zeit wird ein Geheimnis darum gemacht, was das Sanctum ist, und als das große Geheimnis gelüftet wird, stellt es sich eher als großes Manko heraus. Unlogik und Unglaubwürdigkeit stehen in Sanctum an der Tagesordnung, und man quält sich regelrecht von Seite zu Seite, immer wieder darauf hoffend, dass Markus Heitz doch noch einen großen Knall am Ende setzt. Leider war dem nicht so. Bloß das übliche Standard-Gemetzel und eine weitere, große Enthüllung – sollte das vielleicht der Knalleffekt sein? -, von der nie die Rede war und die bloß dazu dient, dass der Leser ein weiteres Mal erleben darf, wie Eric von Kastell jemandem das Nasenbein zertrümmert. Mit diesem Schluss ist jegliches Wohlwollen dem Buch gegenüber verspielt, und man stellt es mit dem traurigen Gefühl in der Magengegend ins Regal zurück, als Leser nicht ernstgenommen zu werden.

Der Sand der Zeit von Piers AnthonyNorton verbringt einen Großteil seines Lebens außerhalb der Städte in Parks und geht den Menschen lieber aus dem Weg. Eines Tages erscheint ihm jedoch ein Geist, der ihm ein ungewöhnliches Angebot macht: Die frisch angetraute Braut des Geistes – Orlene – soll einen Nachkommen in die Welt setzen und Norton die Befruchtung übernehmen. Norton, zunächst wenig interessiert, stimmt jedoch zu, als er Orlene kennen lernt und sich in sie verliebt. Was zunächst mit einer glücklichen Zeit für die beiden beginnt, endet auf die schlimmstmögliche Weise und führt Norton direkt in seine Rolle als neuer Chronos, der sich rückwärts durch die Zeit bewegt.

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Die Schamanenbrücke von Robin HobbNevare Burvelle ist der zweite Sohn einer jungen Adelsfamilie aus dem Osten des Königreiches Gernia. Damit ist er durch die göttlichen Weisungen als späterer Soldat vorherbestimmt, genauso wie sein älterer Bruder das Erbe seines Vaters übernehmen wird und sein jüngerer Bruder eine Ausbildung zum Priester macht. Schon früh in seinem Leben beginnt Nevare die Grundlagen des Soldatenlebens zu lernen, nach seinem 18. Geburtstag macht er sich auf den Weg zur Militärakademie. Doch schon bald wird er in den politischen Konflikt zwischen den alten Herrschaftsfamilien und den neuen Adelshäusern des Ostens hineingezogen, und seine persönliche Zukunft ist in Gefahr.

– Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, als ich die Magie der Flachländer sah. –
1. Magie und Eisen

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Der Schatten der Scheuermagd von Lord DunsanyDer junge Ramon Alonzo wird von seinem Vater, dem verarmten Lord of the Tower and Rocky Forest, zum Haus eines Magiers tief im Wald geschickt, um dort die Kunst des Goldmachens zu erlernen. Dort als Lehrling aufgenommen, erfährt Ramon Alonzo gleich am ersten Abend die Geschichte der alten Scheuermagd: einst gab sie dem schwarzen Magier ihren Schatten im Tausch für ein ewiges Leben, aber seitdem ist sie an dessen Haus gebunden. Ramon Alonzo schwört sich, ihren Schatten zu retten und sie zu erlösen. Doch der Magier verlangt auch von Ramon Alonzo eine Bezahlung für das erteilte Wissen.

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Cover von Der Schatten des Inquisitors von Valerio EvangelistiDieser Roman ist eine Mischung aus Science-Fiction und Fantasy. Es gibt drei Handlungsebenen: Im mittelalterlichen Spanien macht der Großinquisitor Nicolas Eymerich gnadenlos Jagd auf die Anhänger eines nichtchristlichen Kultes. In der Gegenwart versucht der junge Forscher Frullifer die Wissenschaftler seiner physikalischen Fakultät davon zu überzeugen, daß es Psytronen gibt. Und in der Zukunft begibt sich ein psytronisches Raumschiff unter Leitung des Abtes Sweetlady auf eine geheimnisvolle Mission, in die noch nicht einmal die Besatzung eingeweiht ist.

– Beim Verlassen des Robert Lee Moore Building, Sitz des Instituts für Astrophysik der Universität Texas, sah Professor Tripler sich fast ängstlich um. Er schaute die Wege des Campus entlang, musterte Hecken und Grüppchen von Studenten, dann machte er sich mit raschen Schritten auf den Weg, wobei er fortwährend um sich blickte.-
In Gedankenschnelle 1

Und nun folgt die Geschichte, warum der Roman Der Schatten des Inquisitors (Nicolas Eymerich, inquisitore) in der Gunst des Rezensenten in Nullkommanix von 3,5 auf 1 Sternchen hinabsank: Die Story läßt sich gar nicht schlecht an. Zuerst werden Teile der Frullifer- und der Raumschiffgeschichte erzählt und der Leser versteht erst einmal gar nichts: Nicht um was es eigentlich geht, und auch nicht, wohin das alles führen soll. Für Leser, die gerne ein bißchen herumspekulieren und nicht von Anfang an, eine klare eindeutige Handlung bevorzugen, ist das ganz interessant. Im dritten Kapitel, das der Autor aber als erstes bezeichnet, beginnt dann die Geschichte des Großinquisitors, die den größten Raum im Roman einnimmt. Dieser Teil hat eine leicht nachvollziehbare, strukturierte Handlung und ist leidlich spannend. Die Geschichten werden abwechselnd erzählt, so daß es eine Reihe von Cliffhangern gibt. Am Ende werden alle drei Stränge zusammengeführt. So weit, so mittelmäßig. Nur leider wird die Frullifer-Geschichte rapide schlechter und schlechter. Es ist ein Unding, daß Evangelisti ein so wichtiges Thema wie Rassismus auf wenigen Seiten, wirr und in einem schlechtem Stil abhandelt. Dazu kommt noch, daß dem Autor plötzlich offensichtlich eingefallen ist, daß solche Romane meistens von Männern gelesen werden und er wohl dachte, er müsse die Story mit ein bißchen Sex würzen. Da ist auch eigentlich gar nichts gegen einzuwenden. Nur, wenn man über sexuelle Dinge schreibt, dann sollte man das auch können, und Evangelisti kann es eindeutig nicht. Abgesehen davon, daß die ganze merkwürdige “Liebesgeschichte” zwischen Frullifer und Cynthia im Stil einer brasilianischen Telenovela geschrieben ist, muß der verstimmte Rezensent Passagen wie diese lesen:

Die verborgenen Bereiche von Cynthias Körper, von denen er seit Monaten träumte, mußten triefnaß sein wie eine betaute Wiese.

Andere Abschnitte über Frullifers Ideen, wie Sexualität funktioniert, lassen zwar den Verdacht aufkommen, der Autor könne dies ironisch gemeint haben, trotzdem ist es nur dümmlich und primitiv und dient nur dem einen Zweck, die männliche Leserschaft aufzugeilen und bei der Stange zu halten. Und denken Sie jetzt nicht, ich wüßte nicht, was ich gerade geschrieben habe. Aber zu diesem Zweck gibt es im nächsten Sex-Shop viele nette Heftchen, die in besserem Deutsch verfaßt sind. Und wenn es der Leser dann doch etwas literarischer mag, empfehle ich ihm Opus Pistorum von Henry Miller, das steht gerade nicht auf dem Index, man findet auf jeder Seite alle möglichen und unmöglichen fragwürdigen Unanständigkeiten, aber dafür ist es wenigstens in einem anständigen Stil geschrieben. Und noch etwas: Der Verlag wirbt damit, dies sei ein Fantasy-Epos in der Tradition von Umberto Ecos Der Name der Rose. Nicht alle Romane, die im Mittelalter spielen halten deswegen einem Vergleich mit Der Name der Rose stand. Dieses Buch ist um Klassen schlechter als Ecos Roman. Genauso könnte man behaupten, Herr Küblböck stünde in der Tradition von Mick Jagger, nur weil beide auf Englisch singen.

Schattenbruch von Markolf HoffmannNoch immer kämpfen die Menschen auf Gharax verzweifelt gegen die einfallenden Echsenwesen, die Goldéi, an – doch nach wie vor ohne Aussicht auf Erfolg. Nicht einmal die von Baniter Geneder herbeigeführte Verbindung des Kaiserreichs Sithar mit seinem Nachbarn Arphat kann gegen die einfallende Macht bestehen, zumal der junge Kaiser und seine Frau, die arphatische Herrscherin, gegeneinander intrigieren. Baniter selbst ist ein Gefangener des Kaisers, während sich über der Hauptstadt Vara langsam das Unheil zusammenbraut.
Derweil versuchen die beiden verfeindeten Legenden Mondschlund und Sternengänger ihre jeweiligen Verbündeten in den Kampf zu ziehen, doch diese vertrauen ihren Mentoren nicht vollends – wie es aussieht, zu recht.

-Tief im Gestein schwelt uralter Haß. Zwischen Schichten aus Erz und Granit, Ton und Kies wohnt eine Kraft, die uns Menschen verachtet, unser Fleisch, unser pochendes Herz, das Blut, das durch unsere Adern peitscht.-
Prolog

Mit einem abermals äußerst eindrucksvollen Prolog nimmt Markolf Hoffmann die vielen komplex verstrickten Fäden seiner Erzählung wieder auf – und das größte Manko an Schattenbruch ist wohl, daß er sie in diesem immerhin vorletzten Band der Reihe nicht einmal ansatzweise entwirrt, so daß man am Ende nur wenig klüger ist und sich in keiner Weise ausmalen kann, wo der Autor denn mit all seinen Handlungssträngen hin will. Daher entsteht trotz der diesmal actionreichen und vielseitigen Handlung das Gefühl, im Prinzip auf der Stelle zu treten: Es werden keine Zusammenhänge aufgeklärt, die fragwürdige Loyalität und Moral aller Figuren bleibt erhalten und gerade zu den beiden großen Gegenspielern im Hintergrund der Geschichte, Sternengänger und Mondschlund, gibt es keine näheren Informationen.

Wenn die Kontinuität in Hoffmanns Informationspolitik auch ein wenig störend ist – an anderer Stelle ist sie hochwillkommen: Wie bereits in den Vorgängerbänden kann man sich an einem schönen und sich vom Einheitsbrei abgrenzenden Sprachstil erfreuen, der wie gehabt auch sprachliche Experimente beinhaltet (die wiederum nicht jedes Lesers Fall sein dürften). Abgesehen davon, daß nicht alle diese Experimente ganz rund laufen, finden sich in Schattenbruch wieder etliche stilistisch überzeugende Elemente, und man kann sich von einem erweiterten Wortschatz, der durchaus auch antiquierte Wortbedeutungen enthält, verwöhnen lassen.

Die Handlung vermag nach wie vor zu fesseln, wenn man auch nicht umhin kommt, zu fragen, wie dieser Knoten im Abschlußband denn ohne brutalen Schwerthieb gelöst werden soll – interessante Ideen, die sich wohltuend vom mittelaltertümelnden Standard abheben, gibt es zu Hauf, und die moralisch ganz und gar nicht einwandfreien Figuren, bei denen so gar kein Auge zugedrückt wurde, so daß sie allesamt mehr schlechte als gute Seiten haben, sind farbig, entwickeln sich und haben Tiefe. Aber gerade hier vermißt man nach wie vor ein wenig Herzblut. Auf den ersten Blick erscheinen die Figuren fast oberflächlich – aber was fehlt, ist schlichtweg ihre Gefühlsebene. Die emotionale Bindung der zahlreichen Charaktere an den Leser wurde beinahe komplett ausgespart und deswegen sind sie nicht selten schwer nachvollziehbar. Den Verzicht auf das vermeintlich billige Wechselbad der Gefühle mag ja ein ehrbarer Ansatz sein, aber die so geschaffene Distanz von Leser und Figur trägt nicht dazu bei, daß man sich locker-leicht auf die Ebene der Geschichte und der Welt Gharax begeben kann.
Ein abgeschlossenes Leseerlebnis hat Schattenbruch übrigens nicht zu bieten – alle Handlungsstränge enden in einem Cliffhanger. Fesselnd genug, zum Folgeband zu greifen, ist das Zeitalter der Wandlung gewiß. Aber mit fortschreitender Dauer hätte man sich in vielfacher Hinsicht etwas mehr als das gewünscht …

Schattenfall von R. Scott Bakker2000 Jahre nach der ersten Apokalypse, bei der fast die gesamte Bevölkerung der Welt Eärwa von dem Nicht-Gott Mog vernichtet wurde, ruft die inrithische Kirche einen heiligen Krieg gegen die Fanim aus. In der Stadt Momemn werden eine Reihe ganz unterschiedlicher Personen in den Sog der Ereignisse hineingezogen: Drusus Archamian ist Mitglied der “Mandate”, die seit der Apokalypse mit ihren magischen Fähigkeiten gegen die Anhänger des Nicht-Gotts kämpfen. Esmenet ist eine in Archamian verliebte Prostituierte. Cnaiür ist ein Clansmann von der Steppe, der auf Rache für den Tod seines Vaters sinnt. Anasûrimbor Kellhus ist ein Mönch der Dûnyain, der durch seine erlangten Fähigkeiten in der Lage ist, Menschen in radikaler Weise zu beeinflussen. Er ist auf der Suche nach seinem Vater.

– Alle Kundschafter sind von ihren Informanten besessen. Manche grübeln nur vor dem Einschlafen über sie nach, andere tun es in jeder nervösen Gesprächspause. –
Kapitel 1

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Schattenritter von James ClemensTylar ist ein gefallener Schattenritter – einst war er einer der Ritter der Götter, nun lebt er als Krüppel in der Gosse. Eines Nachts aber wird er Zeuge der Ermordung einer Göttin – und mit ihrem letzten Atem haucht sie Tylar noch ein Geheimnis zu und verleiht ihm eine mysteriöse Gabe. In den Augen ihrer Schattenritter und Beschützer, die noch rätseln, wie ein unsterblicher Gott überhaupt getötet werden konnte, macht Tylar dies zum Schuldigen. Nur Delia, eine Dienerin der Göttin, hält zu Tylar und verhilft ihm zur Flucht. Tylar sieht nur einen Ausweg: Er muß seine Unschuld zu beweisen.
Derweil wird die junge Außenseiterin Dart an der Schule für angehende Götterdiener ausgebildet. Doch einige Lehrer und Schüler wollen ihr Böses.

-Es gleitet, ein Schatten sucht das Licht.
Sein wahrer Name bezeichnet ein Wesen jenseits von Fleisch und Atem.-
In der Dunkelheit…

Souverän wie eh und je erzählt James Clemens von einem gefallenen Ritter, einem Dieb, einer hübschen Alchimistin und dem unvermeidlichen Waisenkind mit magischen Fähigkeiten, die langsam eine weltumspannende Verschwörung aufdecken. Obwohl die Geschichte und Welt völlig unanbhängig von Clemens’ vorausgegangenen Fantasy-Zyklus sind, kann man einen hohen Widererkennungsfaktor nicht leugnen – es sind Motive und kleine Details, die alles vertraut machen und so manche Überraschung in der Handlung ein wenig schmälern, wenn man bereits ein versierter Clemens-Leser ist. Die Charaktere sind hier beispielsweise gewohnt detailiert und liebevoll entworfen, aber ein wenig erkennt man die Schablone, die Clemens benutzt hat. Zum Wiedererkennungswert kommt hinzu, daß Clemens sehr klassisch erzählt und dazu auf ausgetretenen Pfaden wandelt, und diese Überanpassung an Fantasy-Standards kommt der Spannung nicht gerade zugute.

Neues bietet dagegen die Welt Myrillia, in der sich hundert Götter in fleischlicher Form niedergelassen haben und mit ihren Gaben Magie ermöglichen und die Länder aufblühen lassen. Diese Gaben haben es in sich – dabei handelt es sich nämlich um (alle vorstellbaren) Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen der Götter. Das System ist gut durchdacht und im Grunde innovativ, aber der häufige Einsatz der Magie zur letzten Rettung und ihre letztendliche Form in Feuer, Frost oder vergleichbaren Effekten haben einen recht faden Beigeschmack.
Dieses Mal bekommt man auch kein ans Mittelalter angelehntes Setting geboten, sondern es gleiten U-Boote und Luftschiffe durch die Szenerie, magisch angetrieben, versteht sich. Manchmal verliert sich der Zauber der Welt leider in zu viel (Magie-)Technik.

Ohne Zweifel versteht Clemens sein Handwerk, kann den Leser fesseln und sorgt für eine flüssige Lektüre, die sich rasant weglesen läßt und dabei gut unterhält. Aber ein wenig kommt man sich so vor, als würde man – wie bei einem Action-Kracher im Kino – mit sehr einfachen Tricks gekonnt gefesselt. Eigentlich ahnt man in gewisser Weise voraus, was geschehen wird, daß sich Feinde als Freunde entpuppen können und schicksalshafte Verknüpfungen aus dem Boden schießen, denen man die Konstruktion hinter den Kulissen etwas zu deutlich ansieht. Um dem Anspruch der actionreichen Unterhaltung bis zum Ende gerecht zu werden, darf auch ein großer Endkampf nicht fehlen, bei dem es Effekte magischer Art regnet – bunt war es bei Clemens schon immer.
Aber so billig und ausgelutscht Clemens’ Tricks auch sein mögen, wenn man spannender, leichter und vor allem fesselnd erzählter Unterhaltung nicht abgeneigt ist, läßt man sich gerne davon ködern. Sprachlich liegt Clemens über dem Durchschnitt, und seine farbenfrohen und prägnanten Charaktere muß man geradezu mögen.
Die Reihe scheint allerdings mittlerweile auf dem Abstellgleis zu stehen – nach dem Erscheinen des zweiten Bandes Hinterland hat es keine Fortsetzung mehr gegeben, der Autor hat sich in der Zwischenzeit dem Thriller-Genre zugewandt.

Des Schicksals dünner Faden von Piers AnthonySatan ist zurück und hat es diesmal darauf abgesehen, die Inkarnation des Schicksals zu manipulieren.
Als Niobes Ehemann im Sterben liegt, begibt sie sich in das Reich der Inkarnationen, um Thanatos darum zu bitten, das Leben ihres Gatten zu verschonen. Da weder er noch die anderen Inkarnationen sein Leben retten können, wird Niobe angeboten, ein Teil der Inkarnation des Schicksals zu werden. Mit der Aussicht darauf, als Inkarnation Satans Pläne zu stören und, wie sich herausstellt, Rache für seine Schuld am Tod von Niobes Mann zu üben, wird sie zu Clotho – dem jungen Aspekt der Inkarnation des Schicksals.

Zu Des Schicksals dünner Faden liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Schlacht um das Labyrinth von Rick RiordanDie Lage spitzt sich zu. Percy, Annabeth, Grover und Tyson bleibt keine große Verschnaufpause, denn ihr Erzfeind Luke hat einen neuen Plan, um das Camp Half-Blood zu vernichten und so den Weg zur Eroberung des Olymp freizumachen. Mit seiner Armee aus Monstern und Halbgöttern plant Luke durch das unterirdische Labyrinth in das Camp einzufallen. Doch unsere Helden scheuen natürlich wieder keine Gefahren, um Freunde und Götter zu verteidigen, stürzen sich mutig in das sagenumwobene Labyrinth des Minotauren und treffen auf Gegner, die stärker sind als alles bisher da gewesene.

– Nichts kann einen perfekten Morgen so abrunden wie eine lange Taxifahrt mit einem wütenden Mädchen. –
Anruf aus der Unterwelt, S. 28

Zu Die Schlacht um das Labyrinth liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Sea of Monsters von Rick RiordanEin Jahr ist vergangen, seit Percy Jackson das letzte Mal im Camp Half-Blood war, und nur noch ein einziger Tag trennt ihn davon, ein ganzes Jahr lang nicht von einer Schule geflogen zu sein. Doch selbstverständlich kommt die Freude zu früh und die Monster zerlegen pünktlich zum letzten Schultag mit Feuerbällen die Turnhalle und lassen Percy zusammen mit dem Straßenjungen Tyson zum Camp Half-Blood flüchten. Dort angelangt offenbart sich Percy nicht nur das Sterben von Thalias Baum und ein nunmehr ungeschütztes Camp, sondern auch ein Ersatz für Chiron und ein Halbbruder …

– Last day of school. My mom was right, I should have been excited. For the first time in my life, I’d almost made it an entire year without getting expelled. No weird accidents. No fights in the classroom. No teachers turning into monsters and trying to kill me with poisoned cafeteria food or exploding homework. Tomorrow, I’d be on my way to my favorite place in the world – Camp Half-Blood.
Only one more day to go. Surely even I couldn’t mess that up.
As usual, I didn’t have a clue how wrong I was. –
My best friend shops for a wedding dress, S. 4

Percy Jackson meldet sich nach einem Jahr in der realen Welt wieder zurück und bringt im zweiten Band, The Sea of Monsters (Im Bann des Zyklopen), noch mehr Humor, größere Monster, überraschende Wendungen und eine Jagd nach dem goldenen Vlies mit. Mit dabei sind natürlich auch alte wie neue Freunde und Feinde. Manch einer der Neuen sorgt dabei für mächtig Erstaunen.

The Sea of Monsters lässt auch wirklich kein Auge trocken. Aus jedem Satz sprüht einem der Humor des Autors entgegen, zusammen mit ein paar abenteuerlichen Erklärungen z.B. dafür, weshalb Franchiseketten sich so schnell verbreiten, was die wahre Gefahr eines Muffins ist oder wie man aus Männern Meerschweinchen macht. Die Sagen des alten Griechentums werden dabei, besser als im Vorgänger, mit modernen Legenden verwoben und verlangen dem Leser viele Lachfalten ab. Wie schon in The Lightning Thief (Diebe im Olymp) kommt aber auch der Ernst nicht zu kurz, und so muss sich Percy der Tatsache stellen, dass sein Vater Poseidon nicht nur Percys Mutter schöne Augen gemacht hat, als unerwartet ein Halbbruder von sehr spezieller Natur auftaucht. Obwohl er seinen Halbbruder mag, fühlt sich Percy plötzlich gewöhnlich und von seinem Vater hintergangen, ist eifersüchtig, enttäuscht und einmal mehr im Zwiespalt, was seine Gefühle für Vater und nun auch Bruder angeht.

Die Charakterzeichnung funktioniert wie schon im letzten Band sehr gut, und wer den nörgelnden Campleiter Mr. D. (alias Gott Dionysus) schon mochte, der wird den neuen Trainingsleiter, Tantalus (dt. auch Tantalos), lieben. Ihm verdanken wir allerlei absurd komische Szenen, in denen das Abendessen auf bestmögliche Weise die Flucht ergreift und einen Marshmallow gar kurzerhand in den Selbstmord treibt. Tantalus, der eigentlich auf dem Asphodeliengrund des Tartaros sitzen müsste, hat überhaupt kein Herz für irgendjemanden außer für sich selbst und sollte dadurch zur Hassfigur des Lesers mutieren – könnte man meinen, ist aber nicht so. Tatsächlich stellt er eine der unterhaltsamsten Figuren dieses Romans dar und wird durch die immer gegenwärtige Art seiner Strafe und seiner Versuche, etwas Ess- oder Trinkbares zu erreichen, zum Running Gag.

Mit Aufbruch zur eigentlichen Quest beginnt das Buch dann leider etwas zu schwächeln. Das liegt einerseits an dem abnehmenden Humor angesichts des Ernstes der Lage und andererseits an der Art, wie Rick Riordan diese Questen angeht. Statt etwas Neues aus den alten Sagenfiguren zu machen, spielen die Halbgötter und Monster sehr oft, auf stark vereinfachte Weise, nur das nach, was bereits schon einmal geschehen ist. Wenig glaubwürdig ist es dadurch, dass die einst von Herkules, Perseus, Odysseus und Co. getöteten Monster laut Riordan freilich nicht wirklich sterben, sondern nach einer Weile wieder re-materialisieren. Da stellt sich nicht nur einmal die Frage, weshalb sie dann auf dieselben Tricks hereinfallen, denen sie schon einmal erlegen sind. Derart lernunfähig kann eigentlich auch das dümmste Monster nicht sein. Wem übrigens häufiger mal der Sinn verloren geht oder wer den Ereignissen nicht ganz folgen kann, der sollte sich anhand der Namen ein bisschen mehr zur griechischen Mythologie durchlesen. Dadurch gewinnt man als Leser jene Erklärungen und Beweggründe, die Riordan hier oft auslässt oder nur am Rande streift.
Diese erzählerische Schwäche gutmütig außenvorgelassen, bietet The Sea of Monsters aber ein noch gelungeneres Leseerlebnis, als es The Lightning Thief zu tun vermochte, und weckt Appetit auf mehr. Die Geheimnisse werden langsam größer und ihre Auswirkungen bergen Gefahren, die auf spannende Ereignisse hoffen lassen.

Verfilmung:
Eine Verfilmung von The Sea of Monsters ist derzeit in Arbeit und wird von den bekannten Hauptdarstellern begleitet. Das Erscheinen ist in den USA für März 2013 geplant.

Cover von The Books of the South von Glen CookNach dem Fall des Dominators macht sich die Black Company auf den Weg nach Süden und damit zu einer Reise in die eigene Vergangenheit – nach Khatovar. Dabei finden sich nicht nur neue Rekruten für die geschrumpfte Truppe, sondern auch neue Herausforderungen. Denn als die Gruppe die Stadt Taglios erreicht, sieht sie sich erneut dunklen Mächten gegenüber, die ihren Weg blockieren. Im Auftrag der Stadt Taglios, mit der die Black Company scheinbar mehr verbindet als ein Vertrag, muss Croaker nun seine Rolle als Hauptmann tatsächlich voll ausfüllen.

-I, of course, replied with the golden tongue of a horse seller >Uh…Uh…But…< . Like that. Master of the glib and facile remark.- S. 26

Shadow Games ist der Auftaktband für die Books of the South und schließt direkt an den Abschluss der Trilogie Books of the North an. Daher sei Neulingen der Reihe angeraten, sich zuerst die Vorgängerromane anzuschauen, auch wenn in dieser Rezension Spoiler so gut wie möglich vermieden werden, ist es kaum möglich, die Ereignisse aus den Vorgängern vollkommen auszuschließen.

Shadow Games bietet vieles, was man bereits aus den Books of the North kennt, und das ist sowohl Stärke als auch Schwäche des vorliegenden Bandes. Croaker ist immer noch derselbe unterhaltsam-hemdsärmelige Erzähler, nicht zuletzt wegen seiner Selbstironie, die selbst das finsterste Setting noch aufhellt. Das ist also die altbekannte Stärke der Serie.

Die Reise von den nördlichen Gebieten des Imperiums der Lady über die See der Qualen bis tief in den Süden des anderen Kontinents liest sich zwar durchaus flüssig, die durchwanderten Regionen werden jedoch nur andeutungsweise geschildert und stecken voller Exotismen, von runzeligen, kleinen Stammesleuten im Dschungel bis hin zu hochgewachsenen dunkelhäutigen Kriegern mit fellbespannten Schilden. Selbst die Stadt Taglios bleibt noch etwas farblos, denn außer der Zersplitterung in zahllose Kulte und der Aversion gegen dieselben und deren Priester, der sämtliche Haupt- und Nebenfiguren mehr oder weniger freien Lauf lassen, erfährt man relativ wenig über die leicht indisch angehauchte Metropole.
Auch tut es dem Roman nicht unbedingt gut, dass sich für die neue Trilogie wieder dasselbe Szenario zu ergeben scheint, wie es schon in den Books of the North der Fall war. Tatsächlich werden im Verlauf der Handlung außerdem Fässer erneut aufgemacht, die man mit der Vorgängertrilogie für längst ver- und abgeschlossen hielt. So gelungen und spannend das Setting der ersten Trilogie war, ein bloßer Aufguss desselben wäre etwas zu viel Altbekanntes.

An sich böte die lange Reise bis Taglios, die doch einen bedeutenden Teil des Buches ausmacht, auch eine gute Gelegenheit, neue Figuren einzuführen oder alte näher kennenzulernen. Es bleiben jedoch sowohl die neuen Personen, die sich zur Black Company gesellen, als auch die bekannten Söldner, abgesehen vielleicht von Croaker und ansatzweise der Lady, (weiterhin) kaum mehr als grob skizzierte Nebenfiguren, die mehr oder weniger dieselben Rollen wie ausfüllen, die sie seit dem ersten Band innehaben.
Der Liebesbeziehung zwischen Croaker und der Lady, die nun (endlich) realisiert werden könnte, wird immerhin viel Platz eingeräumt. Allerdings führt dies dazu, dass sich die beiden in der ersten Hälfte des Buches plötzlich mehr wie pubertierende Jugendliche aufführen, denn wie Erwachsene. Gerade bei der Figur der Lady, der mächtigen, uralten ehemaligen Kaiserin eines enormen Reiches, wirkt dies sehr gekünstelt und zeigt einmal mehr, dass gute Liebesgeschichten nicht einfach zu schreiben sind.

In der zweiten Hälfte kann Cook dann wieder seine Stärken ausspielen, als die Kampagne Croaker in Beschlag nimmt und die Lady sich wieder in die selbstbewusste, starke Frauenfigur verwandeln darf, als die man sie kennt. Auch die Andeutungen bezüglich der Vergangenheit, welche die Black Company mit Taglios verbindet, politische Intrigen und allerhand militärisches Taktieren sorgen dafür, dass der Roman deutlich an Spannung hinzugewinnt, und er endet sogar mit einem Paukenschlag, der trotz aller Kritik dazu führt, dass man wissen will, wie es weitergeht.

Dass Cooks Stärken nicht unbedingt in tiefgründiger Figurenzeichnung liegen, wissen Anhänger der Reihe wohl seit den ersten drei Bänden, aber er hat mit Croaker eine Erzählerfigur geschaffen, die einen immer noch über so manche Schwäche gerne hinwegsehen lässt, davon profitiert auch Shadow Games. So liefert Cook mit Shadow Games erneut einen flüssig zu lesenden und unterhaltsamen Roman, der vor allem in der zweiten Hälfte sehr spannend ist, ob er jedoch aus den Books of the South mehr als eine Variation der Books of the North machen kann und aus dem Setting mehr herauszuholen vermag, muss sich erst erweisen.
Der Roman ist zuletzt gemeinsam mit dem Folgeband Dreams of Steel und dem spin-off The Silver Spike in dem Sammelband The Books of the South (ISBN: 978-0-7653-2066-7) veröffentlicht worden.

Shaman's Crossing von Robin HobbNevare Burvelle ist der zweite Sohn einer jungen Adelsfamilie aus dem Osten des Königreiches Gernia. Damit ist er durch die göttlichen Weisungen als späterer Soldat vorherbestimmt, genauso wie sein älterer Bruder das Erbe seines Vaters übernehmen wird und sein jüngerer Bruder eine Ausbildung zum Priester macht. Schon früh in seinem Leben beginnt Nevare die Grundlagen des Soldatenlebens zu lernen, nach seinem 18. Geburtstag macht er sich auf den Weg zur Militärakademie. Doch schon bald wird er in den politischen Konflikt zwischen den alten Herrschaftsfamilien und den neuen Adelshäusern des Ostens hineingezogen, und seine persönliche Zukunft ist in Gefahr.

-I remember well the first time I saw the magic of the plainspeople.-
One: Magic and Iron

Vorab: Ich bin kein allzu großer Fan der Bücher von Robin Hobb. Die ersten beiden Bände der Farseer-Trilogie waren exzellent, der dritte Band gefiel mir nur noch mäßig. Ähnlich ging es mir mit den Liveship Traders, und die zweite Farseer-Trilogie habe ich bisher nicht angerührt. Shaman’s Crossing erinnert ein wenig an Hobbs ersten Roman, Assassin’s Apprentice. Auch hier verfolgen wir den Werdegang eines Jungen, dessen zukünftiges Leben schon recht bald von “oben” festgelegt wird.
Die ersten 100-140 Seiten des Buches lesen sich noch recht zäh, was auch daran liegt, dass Hobb in kurzer Folge das Leben von Nevare in einzelnen Erlebnissen von seinem achten Lebensjahr bis zu seinem 18. Geburtstag zusammenfasst. Das “richtige” Buch beginnt erst mit Nevares Schiffsreise zur Akademie. Hier bekommen wir dann auch einen etwas besseren und umfassenderen Eindruck von der Welt Gernia, die prinzipiell realistisch angelegt ist, d.h. magische Wesen wird der Leser nur selten zu Gesichte bekommen, und auch die Magie gilt als ein verschollenes Relikt der Vergangenheit. Wie schon bei Martins Das Lied von Eis und Feuer oder Keyes Verlorenen Reichen dreht sich Shaman’s Crossing (Die Schamanenbrücke ) vor allem um zwischenmenschliche und auch politische Konflikte bzw. die Folgen dieser Konflikte für die Mitglieder der Akademie. Auch wer große Actionszenen erwartet, wird enttäuscht werden, denn Hobb verzichtet fast gänzlich auf den Einsatz solcher Spannungsmomente.

Dennoch entwickelt der Roman nach dem eher zögerlichen Beginn immer mehr Spannung, was vor allem durch die Charaktere gefördert wird. Wie bei den meisten Romanen von Hobb ist das Geschehen aus der Ich-Perspektive des Hauptcharakters geschrieben und es ist interessant zu beobachten, wie die einzelnen Charaktere des Buches immer wieder in moralischen Konflikt mit den Regeln der Akademie und auch den Weisungen der Religion geraten. Die Gefangenheit der Charaktere zwischen gesellschaftlichen Normen und politischen Ambitionen ist generell das Thema des Buches. Dabei wird das Ganze durch den geistreichen Stil von Hobb und die Tatsache, dass auch der Humor nicht zu kurz kommt, selten langweilig und bleibt bis zum Ende (das den Band relativ abschließt) unterhaltsam. Am Ende fehlt dem Buch jedoch das letzte Feuer (und vor allem die Komplexität), um es wirklich zu einem der Topromane des Genres werden zu lassen. Dennoch ist es ein schönes Buch für einige Abende, das auch interessante Fragen zum Thema Religion und Tradition aufwirft und damit sicherlich eines der Top-15 Fantasy-Bücher des Jahres 2005 ist.

Cover von Silberflügel von Kenneth OppelDer Fledermausjunge Schatten gilt als der schwächste Junge der Silberflügel-Kolonie. Doch als er einen verbotenen Blick auf die Sonne wirft, bricht er damit das uralte Gesetz, das die Eulen erlassen haben und sein Leben ändert sich fatal.
Er verliert seine Heimstatt, wird auf das Meer hinausgeweht und kommt letztendlich hinter das Geheimnis der Feindschaft zwischen Eulen und Fledermäusen. Doch ein Problem gibt es: Wären ihm und seiner Freundin Marina, die er während seiner Reise kennenlernt doch bloß nicht die beiden großen Kannibalenfledermäuse auf der Schliche, die einen schrecklichen Plan umsetzen wollen…

– Schatten, der Fledermausjunge, schwebte über die Böschung des Baches, als er hörte, wie der Käfer seine Flügel ausprobierte. Daraufhin holte er kräftiger mit den Schwingen aus und wurde so immer schneller, je näher er dem summenden Geräusch kam. Er selbst war vor dem Nachthimmel kaum zu erkennen, nur die Silberstreifen in seinem dichten schwarzen Fell schimmerten im Mondlicht.-
1. Teil: Schatten

Eine kleine, nicht repräsentative Umfrage im Bekanntenkreis: “Wie fliegt eine Fledermaus?” Antwort in 99,9 % der Fälle: Sie flattert. Schatten, der schmächtige Fledermausjunge und Held dieses Buches, “flattert” nicht, er “schwebt” und das macht in der Vorstellung des Lesers den gewissen Unterschied. Vor seinem geistigen Auge entsteht nicht das Bild einer unsympathischen Kreatur mit dicklichem, pelzigem Körper und lederartigen Flügeln, sondern das eines eleganten Jägers der Nacht. Äußerst geschickt wirbt Kenneth Oppel weiter um Sympathie für seinen ungewöhnlichen Protagonisten und benutzt dabei einen alten Schriftstellertrick: er vermenschlicht das Tier. Schatten ist zu früh zur Welt gekommen und deswegen kleiner und zarter als die anderen Fledermausjungen. Seine Mutter kümmert sich rührend um ihren Sohn, der ohne seinen verschollenen Vater aufwachsen muß. Chinook hingegen ist das vielversprechendste Junge der Fledermauskolonie. Er ist zwar nicht im Übermaß mit geistigen Gütern gesegnet, aber Schatten würde alles dafür geben, einen solchen Körper wie Chinook zu besitzen. Außerdem ist Chinook ein Angeber und hackt gerne auf Schatten herum. Er schnappt ihm eine Bärenspinnermotte vor der Nase weg, prahlt damit, daß er diese Nacht zwei der so schwer zu fangenden Tiere verspeist hat, schwärmt von seinem tollen Vater, der angeblich eine riesige Flügelspannweite besitzt und einmal sogar eine Eule getötet hat. Solche Angebertypen wie Chinook kennt jedes Schulkind und es dürfte kein Zweifel darüber bestehen, auf wessen Seite die Sympathie der jungen Leser zu finden ist. Wer so schreiben kann wie Kenneth Oppel, muß sich nicht -wie er in seinem Nachwort- fragen, ob Kinder in der Lage sind, sich mit einer Fledermaus zu identifizieren. Der kleine, schmächtige Schatten ist ein Außenseiter, der seine Abenteuer mit Herz, Mut und Verstand meistert -und mit Hilfe seiner Freundin Marina, die dieselben positiven Charaktereigenschaften wie Schatten besitzt und in ihrer Kolonie ebenso ein Außenseiter ist, weil sie von Menschen beringt wurde.
Oppel macht es dem Leser auch noch auf andere Weise leicht, sich mit den fliegenden Säugetieren zu identifizieren: er erzählt seine Geschichte konsequent aus dem Blickwinkel der Fledermäuse, so daß man sich nach einiger Zeit fragt, ob die Tiere nicht recht haben, wenn sie glauben, daß die Beringung durch Menschen, Teil einer mythischen Prophezeiung ist, die sich in naher Zukunft erfüllen wird, obwohl man doch ganz genau weiß, daß Menschen Tiere beringen, um ihre Lebensgewohnheiten nachvollziehen zu können. Auf höchst interessante Weise beleuchtet Kenneth Oppel so die Themen Glauben, Religion, Entstehung von Mythen und die gefährliche Faszination von Sekten, die ihre Mitglieder so lange einer Gehirnwäsche unterziehen, bis diese völlig verblendet sind.
Für Spannung sorgen drei, vier wohlgesetzte “Paukenschläge” und Goth, die skrupellose Kannibalenfledermaus aus dem Dschungel.

Silberlinge von Jim ButcherDas Grabtuch von Turin wurde aus dem Vatikan gestohlen, und Harry soll es finden. Was anfangs nach einer einfachen Aufgabe klingt, wird schnell brenzlig, als Harry es mit Auftragskillern, gefallenen Engeln, einer kopflosen Leiche mit zahllosen Krankheiten und dem Champion des Roten Hofes der Vampire zu tun bekommt. Als wären das noch nicht ausreichend Herausforderungen, taucht auch Susan plötzlich vor Harrys Türe auf und hat einen anderen Mann dabei.

– Manche Dinge passen einfach nicht zusammen, etwa Öl und Wasser, Orangensaft und Zahnpasta.
Das gilt auch für Magier und das Fernsehen. –
Kapitel 1, S. 1

Zu Silberlinge liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Der silberne Hengst" von James Branch CabellDom Manuel, der Graf von Poictesme, ist fort. Auf dem letzten Konvent seiner getreuen Ritter vom Orden des silbernen Hengstes prophezeit der undurchsichtige Horvendil einem jeden von ihnen das Entschwinden aus dem Land. Und die Voraussagen erweisen sich als wahr, denn die Ritter erleben seltsame Abenteuer, an deren Ende keiner mehr der ist, der er vorher war – wenn er überhaupt noch ist. Eng verknüpft damit ist die wachsende Legende des mittlerweile religiös als Erlöser Poictesmes verehrten Manuel. So werden die Ritter bald Relikte einer vergangenen Zeit und haben mit dem Wandel, der durch die Legende ihres ehemaligen Kameraden veranlasst wurde, und anderen menschlichen Schwächen zu kämpfen.

-Man erzählt sich, wie Dom Manuel, der der hohe Graf von Poictesme war und den man überall als den größten und von Skrupeln unbeflecktesten Glücksritter seiner Zeit ansah, ohne Grund und Vorwarnung am Festtag von St. Michael und allen Engeln aus seiner Burg zu Storiesende entschwunden war.-
1 Kindergerede

Schauplätze und Zeitraum des Geschehens umfassen große Weiten, es geht durch Persien, nach Mittelamerika, nach Inis Dahut und den anderen Wunderinseln, sogar in den Himmel und die entgegengesetzte Richtung, doch Kern ist die (fiktive) südfranzösische Provinz Poictesme des 13. Jh. Die realen Hintergründe werden nur beiläufig eingeflochten, die z.T. sehr phantastischen Gesellschaftsformen und Wesen werden zwar etwas ausführlicher behandelt, dienen aber in erster Linie dazu, die anthropologischen Konstanten zu verdeutlichen.
Magische Elemente gibt es haufenweise, aber sie lassen sich nicht auf eine einfache Formel bringen. Nur ein paar Dinge seien hier genannt: Es treten Engel, Dämonen, Götter und Zauberer auf, doch niemals so, wie der Leser es erwartet.

Auch wenn die Zahl der auftretenden Figuren recht groß ist, läßt sich innerhalb eines Abenteuers der Überblick leicht bewahren, aber darüber hinaus ist es z.T. nicht ganz leicht. Zentrale Rollen spielen sieben der zehn Ritter: Gonfal, ein Realist, der die Wunderinseln besucht und um die Hand der Königin Morvyth anhält; Miramon Lluagor, ein Künstler, der endlich die leuchtenden Bienen Toupans erhält und wieder mit seiner Frau Giséle streitet; Coth, ein Hitzkopf und Querulant, der Manuel im fernen Westen bei den Taolteken sucht; Guivric, ein gewitzter Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes um seinen Platz in der Gesellschaft kämpfen muß; Kerin, ein naiver Mensch, den seine Frau Saraïde auf eine langwierige Suche nach den Fragen des Lebens schickt; Nizian, der Rechtschaffendste der Ritter, der wie ein Vogel auftritt – was gläubigen Menschen, weder seiner Frau Balthis noch dem Heiligen Holmendis, nicht gefallen kann und Donander, dem Standfestesten der Zehn, der aus Versehen statt in den Himmel nach Walhalla gelangt. Doch auch die Frau Manuels, die ehemalige Heidin Niafer, die sehr um die Verbreitung der Legende um den christlichen Erlöser Poictesmes bemüht ist, und Jürgen, mal als junger Sohn Coths, mal als alter Pfandleiher, kommen Rollen zu.
Auch wenn die Figuren Inkarnationen von Grundmustern menschlichen Verhaltens sind und keine komplexe Psychologie haben, gelingt es Cabell doch, ihnen allen eine gewisse Einmaligkeit zu verleihen – wer Jürgen gelesen hat, erkennt ihn sofort wieder. Aufgrund der höchst befremdlichen Situationen, in welche die Ritter geraten, stört der Mangel auch nicht besonders.

Der Hauptplot befaßt sich wieder mit Manuel, denn es geht um seine Anpassungsfähigkeit – Mundus vult decipi – selbst nach seinem Verschwinden kann er den Menschen darstellen, was sie sehen wollen. Doch oftmals rückt dieser Strang in den Hintergrund und ins Rampenlicht treten die Nebenplots der einzelnen Ritter – jeder der sieben erhält ein Buch, mit Ausnahme von Coth, der zwei erhält; dazu kommt das erste Buch als Einleitung/Auftakt mit der Prophezeiung Horvendils im Mittelpunkt und das zehnte und letzte Buch als eine Art Abschluß in dem Niafer und Jürgen über Manuel und seine Legende nachdenken.
Die Ritterabenteuer befassen sich immer mit Grundpfeilern des menschlichen Verhaltens und zumeist mit dem Geschlechterverhältnis. Oftmals wird der Sinn und Unsinn des Christentums behandelt. In dem Abenteuer des Miramon Lluagor erhält dieser Toupans leuchtende Bienen, die dem Anwender drei Wünsche gewähren. Doch mit jedem Wunsch wird der schlafende Gott Toupan etwas aktiver, sollte er zur Gänze erwachen, würden die alten Götter zurückkehren und die Schöpfung beenden. Miramons turbulente Variante des 3-Wünsche-Themas entbrennt mit dem klassischen Ehestreit zwischen ihm und Giséle.
Die Nebenplots sind unterschiedlich gut gelungen, manche, wie Guvirics Reise, sind recht schwer zugänglich, da sie zu kryptisch sind, und können daher den Leser nicht so recht mitnehmen. Andere, wie Ninzians Erlebnis, sind dagegen äußerst amüsant. Ihre besondere Qualität erhalten die Geschichten aus der ironischen Überzeichnung der fein beobachteten menschlichen Eigenheiten – spannend sind die Geschichten nur selten.

Der silberne Hengst (The Silver Stallion)
ist der zweite Teil der Chroniken von Poictesme. Er ist zwar ohne weiteres für sich lesbar, da die relevanten Punkte aus Manuels Leben (wenn auch etwas verzerrt) im Kapitel Die Legende von Manuel wiederholt werden, aber mit der Kenntnis der anderen Bücher werden viele Details mit Bedeutung aufgeladen. Insgesamt scheint dieses Buch weniger tiefschürfend zu sein, als es Die Legende von Manuel oder Jürgen ist, dennoch ist dieses eine sehr unterhaltsame Satire auf Ritterromane, Märchen – und das menschlichen Miteinander.
Sprachlich unterscheidet es sich nicht vom üblichen ironischen Stil Cabells; kurze, lakonische Sätze wechseln sich mit langen, geschraubten Reden ab und die Wortwahl ist immer äußerst treffend.

Das Silmarillion von J.R.R. TolkienVon der Schöpfung der Welt, den ersten Kriegen der Valar gegen Melkor und dem Erwachen der Elben und ihrem Schicksal in den westlichen Landen und Mittelerde handelt das Silmarillion in einzelnen, mehr oder weniger abgeschlossenen Erzählungen, die sich zu einer großen, umfassenden Mythologie verbinden lassen.
Der Höhepunkt der Zusammenstellung ist die Geschichte von den Kriegen um die schönsten Edelsteine, die je von Künstlerhand geschaffen wurden: Die Silmaril, mit denen das traurige und verlustreiche Schicksal der Elben in Beleriand verknüpft ist.

-Es heißt unter den Weisen, der erste Krieg habe begonnen, bevor Arda noch ganz erschaffen und ehe noch etwas da war, das wuchs oder ging auf Erden; und lange hatte Melkor die Oberhand.-
I Vom Anbeginn der Tage

Im Silmarillion kann man vieles sehen: Ein Buch mit weiteren Geschichten  aus Tolkiens Welt, inbesondere jenen, die von den Helden des Herrn der Ringe besungen werden. Ein fragmentarisches Werk, nach dem Tod des Autors zusammengestellt und veröffentlicht. Eine Schau von Tolkiens weitläufiger Mythologie, die er für das leidgeplagte Mittelerde oder vielmehr die ganze Welt Arda geschaffen hat, und als halbwegs durchgängige Erzählung, die von der Schöpfungsgeschichte über Zeitalter hinweg die Geschicke der Welt berichtet, am ehesten so etwas wie sein Lebenswerk – das er allerdings niemals zu seiner vollen Zufriedenheit fertig stellte und dessen einzelne Bestandteile in etlichen Versionen vorliegen. Eines ist Das Silmarillion aber nicht: Eine kohärente, kompakte Geschichte, die man wie einen Roman weglesen kann.

Erzählt werden die Mythen der Elben und Menschen vom Anbeginn der Zeit bis hin zur ‘geschichtlichen’ Epoche, die schließlich auch zum Ringkrieg im Hauptwerk des Autors führt. Trotzdem ist Das Silmarillion nur ein Ausschnitt aus Tolkiens umfassender Mythologie.
Schwere Kost also, und auch der Text an sich ist nicht leicht zugänglich. Der Anhang mit  Namensregistern und Stammbäumen zeigt teilweise schon auf, weshalb: Figuren kommen und gehen als Spielbälle des Schicksals, und zu den einzelnen wichtigen Charakteren kann man nur sehr bedingt Bezüge aufbauen. Gerade anfangs sind auch lange Landschaftsbeschreibungen häufig, in denen Ardas Oberfläche dem Leser detailliert vor Augen geführt wird.
Man erfährt die Handlung nicht aus Charaktersicht, sondern aus einer über den Ereignissen stehenden Perspektive im Stil einer Chronik. Generationen vergehen, Kriege werden geführt und das Angesicht der Welt verändert sich. Diese Art des Erzählens ist nicht auf gewohnte Art spannend und auch anders strukturiert, denn erzählt wird die Geschichte einer Welt, in der nur einzelne Stränge abgeschlossen werden, die aber immer im Fluß bleibt.

Wenn man sich aber auf den Stil einläßt, der so gar nicht dem Leitfaden “wie schreibe ich einen Roman” folgt, dann findet man sich in einer Erzählung wieder, die so monumental, archaisch und ausufernd ist, daß man sie eher in eine Reihe mit Homers Epen, Gilgamesch oder der Edda stellen kann, als neben einen anderen Fantasy-Roman. Die für diese Zusammenstellung gewählten Abschnitte ergeben letztendlich ein erstaunlich rundes Bild der Geschichte und sind meistens in sich geschlossen.
Wer mit einer Mischung aus archetypischen Ursprungsgeschichten, Erzählungen von den ersten und den letzten Dingen, monumentalen Schlachten und echtem, nicht aufgesetztem Pathos etwas anfangen kann, sollte einen Versuch mit dem Silmarillion wagen – wer einen ersten Einstieg in die Geschichte Mittelerdes sucht, ist sowieso an der richten Stelle. Es hat auf jeden Fall mehr zu bieten als nur den Herrn der Ringe geschichtlich zu vertiefen, und wie es sich für ein richtiges Epos gehört, klingen etliche Stellen so schön, als seien sie zum lauten Vortragen geschaffen worden.

The Six Gun Tarot von R. S. BelcherMehr tot als lebendig kommt der junge Jim mit seinem treuen Pferd nach der Durchquerung der 40-Meilen-Wüste in Golgotha an, einem Western-Kaff, wie es im Buche steht. Oder vielleicht doch nicht ganz? Es ist auf jeden Fall einiges faul in dem Örtchen, in dem sich zwischen mormonischen Stadtvätern, einem offenbar unsterblichen Sheriff, einem Gemischtwarenhändler mit frankenstein’schen Ambitionen und einer Bankiersgemahlin mit eindeutig zu vielen Messer in der Tasche etwas Böses herumtreibt. Aber auch Jim schleppt ein magisches Artefakt (und ein hohes Kopfgeld, das auf ihn ausgesetzt ist) mit sich herum, und versucht kurzerhand Fuß zu fassen.

-The Nevada sun bit into Jim Negrey like a rattlesnake. It was noon. He shuffled forward, fighting gravity and exhaustion, his will keeping him upright and moving.-
The Page of Wands

Wenn die Fantasy den wilden Westen erobert und damit zwei bildgewaltige, abenteuerliche und kontrastreiche Genres aufeinandertreffen und in einer konzertierten Aktion Zombies, Viehbarone oder Aliens niedermachen, geht es meist ziemlich hoch her. Und wenn man schon mal dabei ist, den Western phantastisch aufzuladen, kann man ja auch gleich noch etwas mehr hinein packen. Und dann nochmal ein Schippchen obendrauf legen.
Das war wohl R.S. Belchers Devise für sein Romandebüt The Six-Gun Tarot, dem man locker eine ausufernde Genrebezeichnung überstülpen könnte, bei der EU-Gesetzgebungs-Bandwurmwörter im Längenvergleich beschämt von dannen ziehen müssten.
Der Roman empfängt Leser und Leserinnen zunächst mit charmant und stilvoll umgesetzten Western-Klischees und einem bunten Figuren-Ensemble, das trotz des rauen Tons, der in Golgotha mitunter angeschlagen wird, eine gewisse Wärme ausstrahlt. Es ist zwar nicht gerade ein idyllisches Western-Städtchen-Leben, aber ein mehr oder weniger respektvoller Umgang, was sich zwischen den Einwohnern abspielt … als da wären: Der junge Neuankömmling (mit finsterer Vergangenheit), der strahlend gute Sheriff (mfV), der zwielichtige Saloon-Betreiber (mfV), die Bankiersgattin (mfV), die Minenarbeiter (mfV), der Bürgermeister (mit Leiche im Keller), der Gemischtwarenhändler (mit Leiche im Speicher), der indianische Hilfsheriff (mit fragwürdiger, vierbeiniger Abstammung), die freundliche Witwe (völlig geheimnis- und leichenfrei). Und das, liebe Leserinnen und Leser, waren noch lange nicht alle Figuren, aus der Perspektive The Six-Gun Tarot erzählt wird.

Eine Weile funktioniert das sehr gut, die Spannung des Romans bezieht sich aus dem Setting und den Figuren. Doch die Masse an Personal und sonstigen Versatzstücken – denn jede Figur bringt eine eigene interessante Geschichte mit neuen Elementen mit – geht schnell auf Kosten der Tiefe und des Tempos.
Dabei machen viele der einzelnen Ideen großen Spaß: Mutt, der Hilfsheriff mit Coyotenverwandtschaft, ist eine gelungene (als Indianer doppelte) Außenseiterfigur, die mehr schlecht als recht in einer kleinen Nische der Gesellschaft zurechtkommt. Der Auftritt einer feministischen Super-Oma bringt die Lage von Frauen im 19. Jahrhundert (und weit darüber hinaus) perfekt auf den Punkt. Die mormonischen Stadtväter von Golgotha (durch deren Ränge sich einige hochinteressante Brüche ziehen) passen nicht nur zur religiös aufgeladenen Haupthandlung, sondern tragen mit dazu bei, aus Golgotha ein hyperamerikanisches Kaff zu machen, das nur von Leuten bewohnt wird, die sich schlicht weigern, aufzugeben.
Bisweilen stellt Belcher einen liebevollen Blick für Details und Charakterentwicklung zur Schau, aber eben nur punktuell. Er schafft es nicht ganz, alles zu einer Einheit zusammenzufügen. Im Gegenteil laufen viele Figurengeschichten ein bisschen ins Leere, während sie gleichzeitig aber auch die Haupthandlung sabotieren, die in ihrer schöpfungsgeschichtlichen Grundannahme eigentlich gewaltig genug ist, allein mehr als einen knapp 400seitigen Roman zu tragen. Der mythische Hintergrund der Geschehnisse in Golgotha ist eine spannende Sache, verliert sich aber im Kuddelmuddel aus Einzelideen.

Hinzu kommen ein paar kleinere Probleme technischer Natur – ob es nun die sich in mehreren Handlungssträngen schnell abnutzende Motivation durch die Kinder der Hauptfiguren ist, oder Dialoge, in denen Belcher seine Helden allzu sehr den Erklärbär geben lässt und dazu auch mal unschön aus der Perspektive fällt.
Inmitten der Infodumps und während das Ganze mit immer neuen Figuren in die Breite geht, flaut die Spannung schnell ab, und man braucht schon eine ausdauernde Freude an neuen Ideen, um am Ball zu bleiben.
The Six-Gun Tarot ist trotz allem ein Roman, den man nur ungern in die Pfanne haut, denn er krankt an einem Autor, der sich redlich bemüht und dabei vieles gut gemacht hat. Aber es sind genau jene vielen zu komplexen und differenzierten Geschichten, die fast alle lobenswert anders sein und ihre Klischees auf den Kopf stellen wollten, die das Debüt letztlich im Graben enden lassen.
R.S. Belcher ist aber trotzdem ein Autor, den man sich merken sollte – vielleicht, wenn er aus seinen hervorragenden Zutaten erst mal Bohnen mit Speck statt ein Zehn-Gänge-Menü kocht.

Cover von Stadt der Heiligen & Verrückten von Jeff VanderMeerDie Stadt der Heiligen & Verrückten ist ein Kompendium der Stadt Ambra. Die Geschichte der Eroberung Ambras wird genauso geschildert wie der Aufstieg der Hoegbottons zur einflußreichsten Familie der Stadt oder die Schicksale einzelner ihrer mehr oder weniger berühmten Bewohner. Außerdem enthält das Buch eine Abhandlung über den Königskalmar, der eine besondere Rolle in Ambra spielt, samt einer ausführlichen Bibliographie zu diesem Thema.

– Dradin, verliebt, unterm Fenster seiner Liebsten, wie er zu ihr hochstarrt, indes die Menge rings um ihn brandet und braust, ihn anrempelt, ihm blaue Flecke verpaßt, allesamt unabsichtlich, die derbgekleideten, leuchtend rot geschminkten Tausende.-
Dradin verliebt

Allein die akribisch zusammengestellte Bibliographie mit ihren 264 (!) Titeln ist schon fünf Sternchen wert. (Die Redaktion von bp interessiert sich brennend für die nur schwer erhältlichen Bücher “Die Folterkalmare mischen ein paar Priester auf”, und “Die Folterkalmare schmoren im Knast”, beide geschrieben von Vivian Price Rogers und erschienen in der Kleine Bücher/Große Träume Verlagsgesellschaft. Rezensionsexemplare bitte an die bekannte Adresse. Danke!) Allerdings werden Leser, die keine besondere Affinität zu Königskalmaren haben, die anderen Kapitel des Buches für spannender halten, z.B. die Geschichte der Eroberung Ambras, dargestellt in “Hoegbottons Führer zur Frühgeschichte der Stadt Ambra”. Dort wird erzählt, wie der Walfänger und Pirat Katten John Manzikert die Siedlung am Mott-Fluß eroberte und was danach geschah. Manzikerts Vorgehensweise ist der der spanischen Eroberer Südamerikas nicht unähnlich, doch muß er einen furchtbaren Preis dafür zahlen, denn wie sich bald herausstellt, wissen die Ureinwohner, die Grauhüte, sich zu wehren und auch wenn sie die Übernahme ihrer Heimat letztlich nicht verhindern konnten, so ist ihr Widerstand auch in der ambraischen Gegenwart nicht gebrochen – ganz im Gegenteil.

Die Geschichte von der Verwandlung des Martin See ist ebenfalls hochspannend und gleichzeitig eine herrliche Satire auf den Kulturbetrieb. Der Maler Martin See erhält die Einladung eines Unbekannten zu einer Enthauptung, mit der Aufforderung kostümiert zu erscheinen. Bis der Künstler zur verabredeten Zeit im Hause seines mysteriösen Gastgebers erscheint, hat er dem Leser die Gelegenheit gegeben, sich über einen arroganten Kunstkäufer und eine blasierte, ignorante und geschäftstüchtige Galeristin lustig zu machen oder sich über den Kampf der Roten und Grünen zu amüsieren. Die Roten betrachten den Tod des kürzlich verstorbenen großen Komponisten Voss Bender als Segen, die Grünen jedoch als Katastrophe. Beide Parteien vertreten ihre Ansichten fanatisch und vehement. Doch als See über die Schwelle des Hauses tritt ist Schluß mit lustig – das “Kostümfest” endet grausam.

Auch Der Käfig enthält Grausamkeiten, die sensible Gemüter dazu verleiten mögen, zeitweise mit vor die Augen geschlagenen Händen weiterzulesen und vorsichtig zwischen den Fingern hervorzuspähen, nur um festzustellen, daß es in dieser Geschichte nicht nur gewalttätig, sondern auch unheimlich zugeht. Hoegbotton kauft das Inventar einer Anwaltsfamilie auf. Der Vater hat sich umgebracht, infolgedessen sind Mutter und Sohn gezwungen ihr Eigentum zu Geld zu machen. Unter anderem erwirbt Hoegbotton einen leeren Käfig und nimmt ihn mit nach Hause. Doch seine blinde Frau ist fest davon überzeugt, daß ihr Mann ihr ein Haustier mitgebracht hat, schließlich kann sie es in dem Käfig ganz deutlich hören…

Dradin verliebt ist eine weniger grausame und unheimliche Geschichte, doch Freunde von Hoffmanns Erzählungen werden ihre Freude daran haben. Sehr religiöse Menschen könnten sich allerdings von dem dort auftretenden lebenden Heiligen vom Orden der Ejakulation unangenehm berührt fühlen.

Falls sich der geneigte Leser jetzt fragt, ob Ambra denn wirklich existiert und ob die in diesem Buch gesammelten Geschichten alle wahr sind, dann möge er Der seltsame Fall von X lesen, danach wird er es auch nicht wissen, denn Jeff Vandermeer spielt virtuos mit Realität, Fiktion und Wahnsinn und zwar nicht nur in dieser Erzählung.

Windwir liegt in Trümmern. Die Stadt, die einst die Geheimnisse einer hochtechnologisierten Gesellschaft hütete, ist dem Erdboden gleichgemacht. Im Zentrum der Zerstörung steht, als Überbleibsel einer nunmehr verlorenen Wissenskultur,  der Metallmann Isaak, in endloser Trauer gefangen. Doch schon bald nach dieser Katastrophe werden die Karten allerorts neu gemischt. Wer wird die Macht über die Benannten Lande an sich reißen? Doch je mehr Parteien das Spielfeld betreten, desto drängender wird die Frage, die sich jeder stellt, und deren Antwort alles verändern wird: wer zerstörte diese einst so stolze Stadt? Und – warum?

-Windwir ist eine Stadt aus Papier und Talaren und Stein.-
Vorspiel

Ken Scholes Roman begeistert sie alle: die Rätselwütigen, die Bibelfesten, die Freunde des Steampunks und die Liebhaber unvorhergesehener Wendungen. Tatsächlich ist die Geschichte vom Metallmann Isaak auf mehren Ebenen ein Fest, und es fordert den Leser zu etwas auf, wofür in vielen Fantasyromanen leider die Notwendigkeit verloren gegangen ist: interpretieren! Deuten! Denken! Wenn Isaak seinen Motor anwirft, um zu wandern, sollte man schnellstens sein Hirn anwerfen, damit man Schritt halten kann.
Dabei scheint am Anfang alles so einfach zu sein. Ein wahnsinniger Verbrecher stellt sich gegen den geckenhaften Guten, der – James Bond wäre neidisch – flugs Hilfe von der mysteriösen Schönen erhält. Doch die Figuren bleiben nicht lange in dieser Ausgangskonstellation verhaftet, denn im Laufe jeder Seite offenbaren sich neue Verschwörungen, neue Charakter(un)tiefen und neue Facetten eines Handlungsmosaiks, welches sowohl Leser als auch handelnde Figuren ungläubig staunen lässt. Die Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit leidet glücklicherweise jedoch nicht darunter, im Gegenteil: die Zeiten, in denen Gut und Böse eindeutig in zwei Schubladen aufteilbar war, gab es ohnehin nie, auch wenn so mancher Autor das behauptet. Doch was die vermeintlich hehre Sorge um das ‘Greater Good’ so alles anrichten kann, wandelt sich von anfänglicher Euphorie – es wird ja nicht alle Tage ein wahnsinniger Verbrecher überführt – in blankes Grausen. Denn das Böse in Sündenfall (Lamentation) ist alles andere als plump und laut und eindeutig. Und wenn es einmal die Bühne betreten hat, dann kann man es nicht einmal so recht verteufeln, denn ohne Beweggründe ist in dem ganzen verzwickten Handlungsreigen wahrlich niemand.

Die Charaktere sind allenfalls graumeliert und bis zum Ende weder auf der lichten, noch auf der dunklen Seite zu verorten. Denn obwohl die mysteriöse Schöne – zugegebenermaßen – ziemlich mysteriös und wohl auch schön anzuschauen ist, ist sie noch viel mehr: eine unwissende Marionette, die irgendwann laufen lernt. Und damit ist sie dem Metallmann Isaak nicht so unähnlich. Doch auch der eitle Geck ist nicht ohne Grund der selbstsichere, geliebte Anführer geworden, und Herr Li Tam – aber nein, das würde zu weit führen.
Mit Isaak behauptet der Roboter seine Stellung als vielseitiges, literarisches Faszinosum; von der Gratwanderung zwischen Menschlichkeit und Maschinerie zu lesen, werde ich wirklich nie müde. Und mit der Feststellung, dass Isaak durch seine neu erworbene Fähigkeit zu lügen auch immer menschlicher wird, ist ziemlich viel über die Handlung und die Figuren von Sündenfall gesagt.

Doch, wie schon erwähnt, existiert neben dieser Handlungsebene noch eine zweite, wie es schon der Titel des Romans andeutet. Noch nicht oft habe ich als Fantasy-Leserin von meiner Bibelfestigkeit profitieren können, doch Scholes’ Roman lädt geradezu überschwänglich dazu ein.

Der Autor verflicht kunstvoll sein Religionskonzept mit den Geschichten, Organisationen und Traditionen des Christentums. Berücksichtigt man diese Parallelen, punktet Sündenfall mit einer erstaunlichen Realitätsnähe; und ist es nicht ein geradezu herrlicher Kunstgriff, die jahrhundertalte Tradition der intertextuellen Bezugnahme auf Bibeltexte in einem Fantasyroman weiterzuspinnen?

Ins Auge fällt dabei zuerst die Namensgebung: Isaak (dessen Doppelbelegung die Opferrolle des biblischen Namensvetters auf leicht abgewandelte, traurige Art aufgreift) und Petronus-Petros (in jeder Hinsicht der große Verleugner). Außerdem finden sich immer wieder wörtliche Bibelzitate, die erneut eine zweite Deutung zulassen. Wenn beispielsweise auf S. 340 “Neb barg all ihre Worte in seinem Herzen” steht, dann ist das schon eine erstaunliche Umkehr der Weihnachtsgeschichte, und ich bin wirklich gespannt, wie es mit Neb und seiner braunäugigen Schönheit weitergehen mag (Vielleicht gebiert ebendiese ja einen Sohn?). Doch auch die erwähnten Zahlenverhältnisse lassen tief blicken, die 2000-Jahre-Spanne ist da noch das eindeutigste.
Bei der ganzen Spielerei mit Zitaten, Motiven und Zahlen gelingt es Scholes dennoch, ein kritisches und differenziertes Bild seiner Religion zu zeichnen, ohne die christlichen Traditionen zu verteufeln oder zu verherrlichen. Den Bewohnern der Benannten Lande geht es ja nicht anders als uns: Religion ist Teil des Alltags, und wir müssen uns darum herum arrangieren, ob es uns passt, oder nicht.

Doch eine Rezension ohne Kritik ist wie ein Abendmahl ohne Wein, und deshalb möchte ich eine Frage in den Raum stellen: was denkt sich ein Autor, wenn er eine Figur „Xhum Y’Zir“ nennt? Es kann nur eine Verzweiflungstat aus Mitleid mit den letzten Buchstaben des Alphabets gewesen sein, doch dies würde leider nicht den Apostroph erklären. Tatsächlich hatte ich meine Probleme mit der Namensgebung: „Jin Li Tam“ neben „Rudolfo“ und „Isaak“ – allein diese drei Namen scheinen aus völlig unterschiedlichen Kultur- und Sprachkreisen zu stammen. Doch damit ist meine Kritik leider schon erschöpft.

Leser der Romane von Daniel Abraham werden übrigens ihre wahre Freude haben an der neuen Art des Sub-Textes, die Scholes in seinem Roman einbindet: die nonverbalen Sprachen durch schriftliche Kodierung und ‘Fingerdruck’, Pfeiftöne und Lieder. Sehr spannend, sehr fremdartig und ein guter Kunstgriff, um jeder Botschaft mehrere Meta-Botschaften beizufügen. Anfangs mag das System mangels einer Erläuterung noch sehr gewöhnungsbedürftig erscheinen, doch der Leser gewöhnt sich ja an alles, sodass es im Laufe des Romans zu einem weiteren Rätsel wird, welches geknackt werden kann. Und durch die rundum stimmige Übersetzung wird man derart an den Roman gefesselt, dass man das Buch nicht mehr zur Seite legen möchte, hat der goldene Vogel erst seine Schwingen ausgebreitet …

Übrigens gibt es hier ein spannendes Interview mit dem Autor.

Tanz der Sterne von Sara DouglassWährend sich sowohl die Truppen des Zerstörers Gorgrael als auch die der Menschen von Achar erholen, wird Axis von seinem Vater zum Zauberer ausgebildet, und dabei stoßen die beiden auf ein schreckliches Geheimnis.
Aber auf Axis wartet eine noch viel größere Aufgabe – er muß die drei Völker Tencendors vereinen, um gegen Gorgrael bestehen zu können, und gerade sein eigenes Volk, die Achariten, wehren sich mit Händen und Füßen dagegen. Schließlich und endlich hat der Sternenmann auch noch mit Frauengeschichten zu kämpfen: Obwohl er seine Liebe Faraday versprochen hat, wird seine Freundschaft mit Aschure immer tiefer…

-Er stand im verlassenen Schlafgemach der Burg, und sein Atem gefror in der eisigen Luft an seinen Hauern.-
Prolog: Die Ruinen der Feste Gorken

Auch im dritten Band ihrer Saga um den Sternenmann schafft Sara Douglass es schlicht nicht, sich aus den Niederungen der Fantasy zu erheben. So interessant ihre Geschichte sein könnte, sie bleibt durchgehend vorhersehbar und flach, zumal die Autorin keine Meisterin des Spannungsaufbaus ist: Über überraschenden Andeutungen läßt sie den Leser niemals mehr als zwei Seiten lang alleine grübeln, dann wird auch schon schnellstens alles aufgelöst – Mitdenken ist hier nicht angesagt.
Auch sonst verläuft die Geschichte in den geradlinigen Bahnen, die sie von Anfang an eingeschlagen hat. Die besseren Ideen kennt man bereits aus den ersten Bänden, einzige Innovation ist ein großer Unbekannter, der neu auf die Bildfläche tritt und anfangs ein wenig für Spannung sorgt. Das kleine Intrigenspiel der Kirche des Seneschall dagegen ist kaum der Rede wert. Man vermißt einfach durchweg etwas Besonderes, eine eigene Atmosphäre oder wenigstens den ein oder anderen Kniff, der aus Schema F ausbrechen würde.
Als solche Besonderheit werden innerhalb des Buches immer wieder die Hauptcharaktere herausgestellt – sie alle sind mit der Prophezeiung verwoben und haben spezielle Fähigkeiten. Axis hat dabei am meisten Potential, den Leser gehörig zu nerven, denn die Autorin scheint ihn so heiß und innig zu lieben, daß seine Qualitäten ständig unterstrichen werden müssen, nicht zuletzt dadurch, daß ihm die Frauen unter den Hauptcharakteren zu Füßen liegen und auch voll und ganz damit zufrieden sind, die zweite Rolle in seiner Gunst zu spielen. Dabei beweist Sara Douglass an Nebencharakteren wie Ogden und Veremund, daß sie durchaus interessante und liebenswerte Figuren schaffen kann – gerade jene, die nicht ganz perfekt und sensationell sind.
Die ständig wechselnden Perspektiven führen leider dazu, daß sehr viel heruntererzählt statt wirklich aus Charaktersicht berichtet wird. Es wirkt alles ein wenig wie ein flach dahinplätschernder Kinofilm, der nur auf Unterhaltung ausgelegt ist und alle Kitsch und Effekt-Register zieht, der aber niemals auch nur an der Oberfläche kratzen und wirklich berühren kann.

Ein Tanz mit Drachen von George R.R. MartinDaenerys, die Königin der Drachen muss eine Entscheidung treffen. Während ihre wahre Liebe einem machtlosen Söldner gilt, muss die Königin der Drachen eine politisch vorteilhafte Wahl treffen für ihren zukünftigen Gemahl. Doch elcher ihrer Adligen Freier stellt den mächtigsten Verbündeten für die Eroberung Westeros dar?
Die Intrigen der Adligen interessieren das wahre Schlachtfeld jedoch nicht. Außerhalb der sicheren Mauern entscheidet sich das Schicksal Westeros’ im Kampf.

– Der Schädel ruhte auf einem Bett aus schwarzem Filz und grinste. Alle Schädel grinsten, aber dieser erschien fröhlicher als die meisten anderen. Und größer. –
Der Beobachter

Zu Der Sohn des Greifen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Der Sohn des Greifen und Ein Tanz mit Drachen.

Nachdem Hezhi, Prinzessin von Nhol, gemeinsam mit Perkar und dem Schamanen Brother Horse aus dem Einflussgebiet des Großen Flußgottes fliehen konnte und sich in Sicherheit wähnt, sammelt dieser gerade erst seine Kräfte: Ghe, von den Toten auferstanden und mehr Geist als Mensch, wird zur mächtigsten Waffe seines Herren.
Angesichts dieser Gefahr verbündet sich Hezhi mit dem Gott Karak, der Krähe, um den Flußgott für immer zu besiegen, und bald wird es unmöglich, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden …

Wake up, my guest
You have slept long
In the house of my ribs,
The house of my heart
Wake up now,
See through my eyes,
Walk with my feet,
Yush, my old friend.-
XIX. Drum Battle

Waterborn Fans will be jubilant“, lautet das Versprechen auf der Rückseite des zweiten Romans der Chosen of the Changeling-Reihe, The Blackgod, in welchem uns Greg Keyes einmal mehr in die Welt eines alternativen Amerika entführt, wo indianische Nomaden und sesshafte Hirtenvölker neben orientalisch angehauchten Hochkulturen existieren. Es ist eine Welt, die von ursprünglicher Magie erfüllt und und wo jeder Baum, jeder Stein, jedes Lebewesen beseelt ist. Der Schamanismus und Mystizismus, der von den Naturvölkern praktiziert wird, steht deshalb im scharfen Gegensatz zu dem aggressiven und krankhaft-dekadenten Monotheismus der Stadt Nhol, und tatsächlich ist auch in The Blackgod die Anbetung des großen Flußgottes Ausgangspunkt aller Konflikte.

Der Fortsetzungsband The Blackgod schließt inhaltlich nahtlos an seinen Vorgänger an und rückt den Kampf von Hezhi und Perkar gegen den Flußgott in den Mittelpunkt, denn die Flucht Hezhis aus Nhol beendete keineswegs den kranken Einfluss des Flußgottes auf ihr Schicksal und das Schicksal ihres Volkes. Denn der Gott hat sich eine mächtige Waffe erschaffen: Ghe, schon zu Lebzeiten ein tödlicher Gegner, wird nach seiner Wiedererweckung durch den Fluß ein übermächtiger Feind, dessen Macht übermenschlich erscheint und einen hohen Tribut fordert – die Menschlichkeit selbst. Keyes schildert meisterhaft und bedrückend, wie der Ghul, weder Mensch noch Tier noch Gott, an physischer und magischer Stärke gewinnt und auf diesem Weg seine Menschlichkeit schleichend verliert. Die Entwicklung des einstigen Assassinen zeigt, wie mit anormaler, pervertierter Logik sämtliche Moralvorstellungen scheinbar außer Kraft gesetzt und durch Pflichterfüllung ersetzt werden können – danach finden alle Taten ihre Rechtfertigung, und es ist für den Leser keine bequeme Aufgabe, Ghe in seine Gedankenwelt zu folgen. Simple Kategorien wie „Gut“ oder „Böse“ wird man in The Blackgod nicht antreffen; denn auch die Jäger von Hezhi haben treffliche Gründe für ihr Handeln, Perkars Weg – der des Helden – ist mit Leichen übersät, und für die Götter existiert keine Moral, kein Gesetz, sondern die Notwendigkeit und das Gutdünken. Das Brechen mit den etablierten Vorstellungen von Gut und Böse ist eine der größten Stärken des Romans; dies macht The Blackgod nicht zu einer einfachen, aber mehr als lohnenswerten Lektüre.

Keyes beschränkt sich in seiner Charakterzeichnung jedoch keinesfalls nur auf das Ausloten (un)menschlicher Abgründe. Vielmehr entwickelt er mit Hezhi und Perkar zwei Protagonisten, die in ihrem Streben, das Richtige zu tun, unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist Hezhi, die ihrer Rolle der Prinzessin und den festgelegten Bahnen ihres Lebens komplett entfliehen möchte und sich nur in Momenten der tiefen Trostlosigkeit nach dem ihr vorherbestimmten Leben im Palast von Nhol zurücksehnt. Perkar hingegen ist ein Held: er lebt für das Schicksal, für das Erfüllen von Aufgaben und Questen, für schicksalsschwere Kämpfe und seine Ehre als Mann und Krieger. Eine Rolle also, wie sie scheinbar klischeebeladener nicht sein könnte – doch Keyes ironisiert den Heldenmythos derart, dass Perkars von Ehrgefühl geleiteten Taten, seine Schwüre und seine heroisch-verzweifelten Kämpfe immer eine tragisch-komische Saite zum Klingen bringen. Er ist in seiner Rolle derart determiniert, dass alle Regungen, all das Gerede von Schicksal und Ehre, das den fantasyerfahrenen Lesern zu gut bekannt sein dürfte, hohl und leer erscheinen. Der Kampf Perkars gegen seine Heldenrolle ist für mich eines der ehrlichsten Auseinandersetzung mit den Themen Schicksalsergebenheit und Eigenbestimmung, die ich aus der phantastischen Literatur kenne.

Während Perkar also mit dem Heldentum hadert, aber sich gleichzeitig an dieses Rollenkonstrukt klammert wie ein Ertrinkender an den Rettungsring, ist es Hezhis größter Wunsch, all ihre Rollen ablegen zu können wie Kleidungsstücke, um sich endlich als Mensch – nicht als Prinzessin, Gefangene, Schamanin oder Anführerin – zu erfahren. Doch da manche in ihr die einzige Hoffnung, andere in ihr die vollständige Zerstörung sehen, erscheint Hezhi ihr Wunsch nach Selbstbestimmung wie eine egoistische, eitle Regung.

Die Tiefsinnigkeit und Authentizität des Romans wird auch bei einem weiteren Thema spürbar: der Ethnologe Keyes nähert sich den verschiedenen Kulturen seiner geschriebenen Welt, ohne in einen populären romantisierend-entwürdigenden Exotismus zu verfallen, und schildert glaubhaft und detailliert die verschiedenen kulturellen Konzepte. Ohne dies aufdringlich oder plakativ zu gestalten, beschäftigt sich Keyes dabei mit rassistischen Denkweisen, die mehr als vertraut wirken: für die Bewohner des ‘zivilisierten’ Nhol sind die indianischen Mang nicht mehr als Barbaren, wenn auch mit einer „exotischen Schönheit“ behaftet, und ihre Kultur wird nur aus größtmöglicher Ferne studiert und belächelt wie ein skurriler Witz. Der Roman wird inhaltlich auf eine neue Ebene gehoben, als die linguistischen Spurensuchen der Protagonisten ergeben, dass beide Völker die gleichen Wurzeln haben; spätestens an dieser Stelle wird deutlich, mit wie viel Hintersinn und Ironie sich der Autor mit interkulturellen Problemen und dem Toleranzgedanken auseinandergesetzt hat. Besonders in den komplexen Beziehungen der kulturell gemischten Gruppe um Hezhi und Perkar spielen die Themen Freundschaft, Offenheit und Misstrauen allem Fremden gegenüber eine große Rolle und halten dem Leser mehr als ein mal freundlich, aber bestimmt, den Spiegel vor, ohne das der Roman einen belehrenden Tonfall erhält.

Mit viel Sensibilität und Gespür für Menschlichkeit beschreibt Keyes die Entwicklungen seiner Protagonisten, die neben der spannungsgeladenen Handlung einen ganz eigenen Sog entwickeln und den Leser nicht mehr loslassen. So ist es kein Wunder, dass das letzte Viertel des Romanes in atmenloser Spannung am Stück gelesen werden will – mit seiner poetischen und zum Weinen schönen Sprache erschafft Keyes eine von Leben erfüllte Welt, die, es darf nicht anders sein, irgendwo in all ihrer schrecklichen und zerbrechlichen Schönheit und ihrer Naturerhabenheit existieren muss. Wer einmal die Wälder des Balat bereiste und gemeinsam mit behuften, geflügelten und gehörnten Gottwesen unter die Oberfläche des Sees tauchte, um auf Sternenpfaden zu wandern, wird wissen, wovon ich spreche.

The Thief von Megan Whalen TurnerNur vereint könnten sich die rivalisierenden Staaten Sounis, Eddis und Attolia der Eroberung durch das Mederreich widersetzen – wenn es nach dem Magus des Königs von Sounis geht, unter Führung seines Herrn, dem er mithilfe eines sagenumwobenen Steins die Herrschaft über Eddis sichern will. Um das Artefakt aus seinem Versteck im feindlichen Attolia zu holen, benötigt er einen geschickten Einbrecher. Der Meisterdieb Gen, den seine Prahlerei mit einer besonders dreisten Untat ins Gefängnis gebracht hat, kommt ihm da gerade recht. Mit einigen Begleitern brechen die beiden nach Attolia auf. Doch unter den Gefährten lauert ein Verräter, und auch Götter, an die niemand mehr so recht glauben will, nehmen Einfluss auf den Ausgang des Abenteuers…

-It’s a funny thing that the new gods have been worshiped in Sounis since the invaders came, but when people need a truly satisfying curse, they call on the old gods.-
Chapter Two

Ein All-Age-Titel, der noch dazu nach allzu klassischer Questenfantasy klingt? Nichts Besonderes, so möchte man meinen, und würde damit dem ersten Band von Megan Whalen Turners Attolia-Reihe bitter unrecht tun.

Allerdings lässt sich ein Teil dessen, was den Reiz des klug aufgebauten Romans ausmacht, kaum ohne größere Spoiler benennen. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass der Ich-Erzähler Gen – ein Trickster, wie er im Buche steht – zwar nicht eigentlich unzuverlässig berichtet, aber doch eine Reihe von Äußerungen tätigt, die den Leser in die Irre führen und erst in der Rückschau ihre eigentliche Bedeutung entfalten. Wer gern zwischen den Zeilen liest und aufmerksam Wortwahl und subtile Hinweise verfolgt, wird aber schon früh bemerken, dass nicht alles ist, wie es zu sein scheint.

Ohnehin ist die Bereitschaft, sich auf eine ruhig erzählte, eher durch Feinheiten als durch grelle Effekte wirkende Geschichte einzulassen, eine Grundvoraussetzung, um The Thief (Der Dieb) zu genießen, denn viel Spektakuläres geschieht zunächst einmal nicht. Anders als die meisten Fantasyhelden begegnen die Gefährten des Magus (der noch nicht einmal über Zauberkräfte verfügt) nämlich nicht hinter jeder Wegbiegung einem Ungeheuer, das nur auf sie gewartet zu haben scheint, sondern schlagen sich mit den ganz profanen Tücken des Reisealltags und Spannungen innerhalb der Gruppe herum. Die einzelnen Figuren sind dabei sehr differenziert und menschlich gezeichnet, so dass man ihre Interaktionen gespannt verfolgt, ohne aufregende Gefahren zu vermissen. Dabei lohnt es sich, auch auf Details zu achten: Vieles von dem, was zwischen geruhsamen Mahlzeiten, Reit- und Fechtstunden, Kletterpartien und Abenden am Lagerfeuer scheinbar nur am Rande Erwähnung findet, erweist sich im weiteren Verlauf der Serie (und durchaus nicht allein in diesem Buch) noch als wichtig.

Ganz nebenbei taucht man auch in die liebevoll ausgearbeitete mediterrane Welt ein, deren Städte, Bauerndörfer, Gebirge und Olivenhaine einem bald lebendig vor Augen stehen und mit der ein oder anderen Anspielung auf das reale Griechenland glänzen (so findet man etwa in der Hauptstadt von Sounis Elemente des antiken Athen mit dem Löwentor von Mykene kombiniert). Das Konzept einer an das Altertum angelehnten polytheistischen Welt, die sich gleichwohl bis in die frühe Neuzeit weiterentwickeln durfte (so gibt es z.B. Feuerwaffen), fasziniert auch in Abwesenheit klassischer Fantasyelemente, für deren Fehlen zudem die äußerst authentisch wirkenden Göttersagen entschädigen, die immer wieder eingeflochten werden. Die Gefahr, sich im Zuge dieser Reisebeschreibung nach einem Urlaub am Mittelmeer zu sehnen, ist für Leser mit entsprechenden Vorlieben durchaus gegeben.

Wie weit The Thief dennoch von bloßer Wohlfühllektüre entfernt ist, wird aber spätestens im letzten Drittel der Geschichte deutlich, wenn schlagartig Leid und Tod, vor denen auch liebgewonnene Charaktere nicht gefeit sind, in das bis dahin eher harmlose Abenteuer einbrechen und moralische Fragen aufgeworfen werden, auf die es keine eindeutigen Antworten geben kann. Wenn im Zuge dessen selbst Gen, der sich bisher erfolgreich durchs Leben gemogelt hat, erkennen muss, dass List und spöttische Distanz in manchen Situationen weder weiterhelfen noch überhaupt wünschenswert sind, wirkt diese plötzliche Wahrhaftigkeit wie ein Fanal für die folgenden Bände, in denen – so viel sei hier schon vorab verraten – mit einigen der Protagonisten auch die Themen erwachsener werden.

So sollte man The Thief vielleicht vor allem als charmante erste Begegnung mit einer Welt und einem Figurenensemble lesen, die weit mehr zu bieten haben, als sie in diesem gefälligen Jugendabenteuer zeigen können.

Three Parts Dead von Max GladstoneVierzig Jahre nach dem Krieg zwischen den alten Göttern und den gleichmächtigen Magiern gibt es nur noch wenige Städte, die von einer der alten Gottheiten regiert werden. Kos Everburning ist die Gottheit von Alt Coulumb und gerade dahingeschieden, als der Novize Abelard sein Gebet abhält. Mit dem unerwarteten Ableben des Gottes droht das von Götterkraft angetriebene Alt Coulumb nun beim nächsten Vollmond in sich zusammen zu fallen. Wen ruft man in so einem Fall? Die Thaumaturgen von Kelethres, Albrecht & Ao natürlich – um mit etwas Glück ein Fragment des Gottes wiederauferstehen zu lassen und die Stadt so vor dem sicheren Untergang zu bewahren.

– When the Hidden Schools threw Tara Abernathy out, she fell a thousand feet through wisps of cloud and woke to find herself alive, broken and bleeding, beside the Crack in the World. –
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Willkommen zu Three Parts Dead, der vermutlich besten Neuentdeckung des gesamten Jahres! Selten ist mir ein solch gelungenes Konzept untergekommen wie in diesem Roman von Autor Max Gladstone. Es beginnt mit einem schlüssigen Magiesystem: Menschen beten zu ihrer Gottheit, die Gottheit erhält dadurch Macht, die Gottheit nutzt die Macht, um das Leben der Menschen zu verbessern, indem z.B. für warme Häuser gesorgt wird oder für ein Verteidigungssystem der Stadt. Auf dieser Basis ist eine ganze Wirtschaft entstanden. Nicht-Anbeter können gegen eine Gebühr Verträge mit den Göttern abschließen. Sie gewinnen dadurch temporär etwas Macht von der Gottheit und zahlen sie gewinnbringend zurück. Das Ganze führt zu einem fantastisch ausgearbeiteten Weltenbau mit facettenreichen Charakteren. Als nun Kos Everburning stirbt, ist es die Aufgabe von Miss Kevarian und ihrer Auszubildenden Tara Abernathy, herauszufinden, wie es zum Tod von Kos kommen konnte, dessen Verträge auf den ersten Blick ausgeglichen aussehen – und doch führte irgendetwas zu einem Machtverlust, der schlagartig so groß war, dass es ihn das Leben gekostet hat. Die Basis dieses durchdachten Romans bildet die daraus resultierende Kriminalermittlung.

Der Roman spielt sich irgendwo in einer Parallelwelt ab in der die Menschen gelernt haben sich einer Magie zu bedienen, die den Göttern ebenbürtig ist. Zeitlich oder örtlich lässt sich die Welt nicht eindeutig zuordnen. Es gibt Elemente von Frühindustrie, epischer Fantasy, Gaslichtatmosphäre und ein teils vertrautes Rechtssystem wie vertraute Gottheiten. Das Stadtbild von Alt Coulumb kommt eindrucksvoll, lebendig und voller Gegensätze daher: ein moderner Club, im Aufbau Dantes sieben Stufen der Hölle nachempfunden, wird monolithischen Steinbauten gegenübergesetzt, die an die goldenen 20er Jahre oder Gotham City erinnern, fahrerlose Pferdekutschen fungieren als Taxis und verströmen einen Hauch von 19. Jhrd. und dann ist da noch das vermutlich coolste Polizeisystem seit Erfindung der Fantasy.
Seril, einst Göttin der Gerechtigkeit und Geliebte des Feuergottes Kos, starb vierzig Jahre zuvor im Krieg zwischen Göttern und Magiern. Ihre Macht wurde von einem Thaumaturgen gewandelt und so entstand »Justice« – ein transformiertes und wiederbelebtes Fragment der einstigen Göttin, das nun für Gesetz und Ordnung in Alt Coulumb sorgt. Justice wird von vielen freiwilligen Menschen verkörpert, die für die Dauer ihrer Arbeitsschicht zu sogenannten »Blacksuits« – einem Teil von Justice selbst – werden. In dieser Zeit werden die Blacksuits von dem kollektiven Geist geleitet, die persönlichen Emotionen verstummen, der Verstand wird ausschließlich auf das bestehende Recht ausgerichtet. Die Blacksuits gewinnen übermenschliche Kraft, sind nahezu unverwundbar und ihr äußeres Erscheinungsbild verändert sich zu einer monochromen Maske in der Masse nachtschwarzer Gestalten. Nachteile hat das System für die Blacksuits allerdings auch, denn die Zeit als Teil von Justice wirkt wie eine Droge auf die Freiwilligen und führt bei manchen zu Entzugserscheinungen. Wenn nichts anderes an diesem Roman interessant genug wäre, ihn zu lesen, so würde diese Personifizierung der Gerechtigkeit schon ausreichen, um das Ruder noch herumzureißen. Doch glücklicherweise gibt es mehr!

All das erfährt man als LeserIn schon auf den ersten Seiten, und doch stecken hierin ungleich viele Informationen, die es erst einmal zu verarbeiten gilt. Dies wird im Verlauf der Handlung durchaus nicht viel einfacher. Autor Max Gladstone fackelt in seinem Roman nicht lange mit Vorgeschichte und Aufbau von Hintergrundwissen. Er wirft seine Leserschaft einfach mitten ins Geschehen und lässt sie nach und nach das Puzzle dieser Welt zusammentragen. Für Schnellleser und jene, die einfach nur seichte Unterhaltung möchten, dürfte sich Three Parts Dead daher als Stolperfalle erweisen, denn hier ist ein eingeschaltetes Hirn und aufmerksames Lesen Pflicht, will man den Zusammenhängen folgen können. Das ist jedoch alles andere als negativ zu sehen. Dieses Buch ist tatsächlich erfrischend anders und sein Autor widersetzt sich mit Bravour dem Trend, das Denken für die Leserschaft zu übernehmen.

Auch die Charaktere lassen nichts zu wünschen übrig. Von der kleinsten Nebenfigur bis zur tragenden Hauptrolle böten alle Figuren dieses Romans genug Stoff für eine eigene Geschichte. Da gibt es den kettenrauchenden jungen Novizen Abelard, der gerade eine berechtigte Glaubenskrise durchmacht und dazu verdonnert wird, Tara Abernathy zur Hand zu gehen. Tara ist gerade erst von den Hidden Schools als Magierin graduiert und anschließend unsanft aus den Wolken gestoßen worden. Abelard ist eher der ruhige, etwas sensible und schüchterne Typ, Tara dagegen hat sich bereits ihre Narben verdient und ist sowohl schlagfertig als auch unkompliziert im Umgang mit anderen. Sie scheut sich nicht davor, jemandem das Gesicht zu stehlen, was durchaus blutig und wörtlich zu nehmen ist. Das Besondere an Tara ist außerdem, dass sie sich ihr Leben ausgesucht hat. Gerade bei weiblichen Charakteren ist es oft so, dass sie in ihre Rolle gedrängt wurden, Tara dagegen ist eine starke Persönlichkeit, die eine bestimmte Karriere anstrebt.
Neben diesen beiden Hauptfiguren gesellen sich noch eine ganze Menge weiterer hinzu, die mal prominenter, mal seltener in Erscheinung treten. Shale, der Gargoyle, Cat, die Vampirbiss-Abhängige, Raz, der Vampir-Pirat … Es ist gesellig und lebendig in Three Parts Dead.

Was die Lektüre zusätzlich zu etwas Besonderem macht, ist, dass hier auf ganz außergewöhnlich leichte Art und Weise sämtliche Klischees und Vorurteile umschifft werden. Sei es nun das Thema Rasse oder die allseits (un-)beliebten Genderrollen, in Max Gladstones Welt sind alle gleich. Hautfarben spielen in der Gesellschaft überhaupt keine Rolle und werden nur beiläufig als körperliches Merkmal genannt. Genderprobleme gibt es nicht. Männer denken im maskulinen Wortschatz, Frauen im femininen. Gibt es z.B. einen unbekannten Täter mit unbekanntem Geschlecht, so denkt Tara »die Täterin war vermutlich…« während ein männlicher Kollege mit »der Täter war vermutlich…« beginnt. Wer nun glaubt das müsse verwirrend sein, der täuscht. Es funktioniert völlig unproblematisch und ist wunderbar zu lesen.

Three Parts Dead ist ein absolut gelungener Roman. Er bietet eine große Vielfalt und komplexe Inhalte, die so nahtlos ineinandergreifen, dass der Roman auf eine fiktive Art realistisch wird. Er versucht nicht »historisch korrekt« zu sein, sondern logisch durchdacht, um in einem eindeutig als Alternativwelt erkennbaren Setting überzeugend zu werden.

Es gibt eine Fortsetzung (Two Serpents Rising), die im kommenden August erscheinen soll. Bisher scheint es aber nur eine Geschichte in der selben Welt mit anderen Charakteren zu sein. Ob dort auch bekannte Figuren auftauchen oder Aspekte der Handlung aus Three Parts Dead wieder aufgegriffen werden ist noch nicht bekannt. Three Parts Dead ist daher zunächst einmal als Einzelroman zu betrachten.

The Titan's Curse von Rick RiordanBei dem Auftrag, ein Geschwisterpaar von Halbgöttern sicher ins Camp zu bringen, wird Annabeth von einem uralten Feind entführt, der mit Kronos im Bunde steht. Doch das ist nicht Percys einziges Problem. Neben Annabeth verschwindet auch die Göttin Artemis, die den Olymp als einzige überzeugen kann, sich gegen die drohende Gefahr durch die Titanen zu wappnen. Percy, Halbgöttin Thalia, Satyr Grover und zwei von Artemis’ Jägerinnen machen sich auf den Weg, um Annabeth und Artemis zu finden und zu befreien. Doch die Gefahren sind größer denn je und Verluste scheinen unvermeidlich.

– Annabeth was kneeling under the weight of a dark mass that looked like a pile of boulders. She was too tired even to cry out. Her legs trembled. Any second, I knew she would run out of strength and the cavern ceiling would collapse on top of her. –
Everybody hates me but the horse, S. 106

Im dritten Band von Percy Jackson wird es allmählich ernst. The Titan’s Curse (Der Fluch des Titanen) startet düsterer als seine beiden Vorgänger The Lightning Thief (Diebe im Olymp) und The Sea of Monsters (Im Bann des Zyklopen), denn die Bedrohung durch die Monster und den Titan Kronos rückt immer näher. Längst vergessene Kreaturen erwachen aus ihrem Schlaf und bedrohen die Herrschaft der olympischen Götter. Die Stimmung ist sowohl unter den Göttern, als auch unter den Halbgöttern angespannt. Obwohl sich die Handlung in erster Linie um die Rettung von Annabeth und Artemis dreht, baut Riordan im vorliegenden Roman den roten Faden der Buchreihe deutlich weiter aus, wirft gleich mehrere Geheimnisse in den Raum, die auch zum Teil zunächst ungelöst bleiben. All das trägt dazu bei, dass der dritte Band an Spannung gewinnt.

Wie auch die beiden Vorgänger kommt The Titan’s Curse aber zunächst nur langsam in Fahrt und auch die ersten Verluste vermögen keine großen Emotionen auszulösen. Doch gerade als man davon überzeugt ist, das Buch präsentiere sich ähnlich distanziert wie seine Vorgänger, wird man eines besseren belehrt.
Die Götter, die zunächst weiterhin unnahbar wirken und sich bisher nicht gerade als Eltern des Jahres gezeigt haben, treten zum Ende hin endlich einmal stärker in Erscheinung. Sie gewinnen merklich an Substanz und Persönlichkeit und man merkt zum ersten Mal, dass sie tatsächlich die Eltern unserer Helden sind. War es anfangs noch schwierig, emotionale Brücken herzustellen oder gar Sympathien für eine der Gottheiten zu entwickeln, werden einem im Verlauf von The Titan’s Curse gleich mehrere zur Auswahl geboten.

Einen besonders charmanten Auftritt geben sich die Göttin der Jagd, Artemis, und ihre ewig Kind bleibenden Jägerinnen, die mit Frauenpower – oder in diesem Fall Mädchenpower – nicht nur den Monstern das Fürchten lehren. Das selbstbewusste Auftreten der Jägerinnen, deren Gruppe ausschließlich und absichtlich nur aus Mädchen besteht, sorgt auch immer wieder für Momente zum Schmunzeln. Als Jägerinnen im Dienste von Artemis haben sie alle der romantischen Liebe abgeschworen und tragen ihre emanzipierte Denkweise gerne und ausgiebig zur Schau. Das sorgt für unterhaltsame Gefechte zwischen ihnen und der männlichen Belegschaft, aber auch mit den Töchtern der Aphrodite lassen sie gerne einmal die Fetzen fliegen. Es ist einfach amüsant, Percys sarkastischen Gedanken zu folgen, wenn die Jägerinnen ihm einmal mehr unter die Nase reiben, dass er als Junge nun wirklich nicht das große Los gezogen hat. Trotzdem artet es nie in ein Frauen-vs.-Männer-Bashing aus, sondern wird zu einem gut ausbalancierten Geflecht weiblicher und männlicher Stärke, die gleichberechtigt miteinander funktionieren.
In diesem Zusammenhang lernt der Leser auch Artemis’ Zwillingsbruder, den Gott Apollo, kennen. Apollo ist das ganze Gegenteil seiner Schwester: großspurig mit einem Ego so groß wie die Welt, ein Charmeur, der die gewählte Enthaltsamkeit seiner Schwester so gar nicht teilt und auch gerne mal einen Flirt mit einer der Jägerinnen versucht. Daneben gibt er mittelmäßige Gedichte zum Besten, fährt einen buchstäblich heißen Wagen und wirkt wie ein Teenager mit zuviel Energie.
The Titan’s Curse lebt daher vor allem durch die gegensätzlichen Charaktere, die sich hier gegenübertreten und für viel Wirbel sorgen. Mit diesen und anderen neu eingeführten Figuren bringt Riordan außerdem gänzlich neue Möglichkeiten und Zweifel beim Leser auf den Plan. Keiner ist so schlicht, wie er im ersten Moment wirkt.

Ein ganz großes Plus des Buches ist die Weiterentwicklung der Mythologie. Wurde in den vorigen Bänden hauptsächlich bereits Bekanntes neu nacherzählt und im Prinzip auf gleiche Weise erlebt, so bewegt sich Riordan diesmal erfreulicherweise aus den Schablonen der Geschichte heraus und erzählt etwas neues mit alten Bekannten. Vorbei das Zähneknirschen, wenn man sich als Leser fragte, ob so ein Monster nicht aus seiner Vergangenheit gelernt haben müsste.

Zusammengefasst lässt sich sagen, The Titan’s Curse stellt den bisher stärksten Band dieser Buchreihe dar. Es lässt nichts an Humor fehlen, gewinnt aber zusätzlich an Spannung, Innovation und Charakterzeichnung – obwohl die Handlung insgesamt ernster ist als in den Vorgängern. Wer sich also von The Lightning Thief und The Sea of Monsters schon gut unterhalten gefühlt hat, der wird mit The Titan’s Curse noch zufriedener sein.

Cover von Tochter der Nacht von Marion Zimmer BradleyDas Buch erzählt die Geschichte der Zauberflöte aus der allseits bekannten Oper nach: Der edle Prinz Tamino soll im Auftrag der Königin der Nacht ihre Tochter Pamina aus den Fängen des Sarastro retten. An dessen Hof angekommen, stellt sich jedoch heraus, dass die Rollen von Gut und Böse nicht so verteilt sind wie anfangs gedacht, und so müssen sich Tamino und Pamina gemeinsam den vier Prüfungen der Elemente unterziehen.

„Die zierliche und zarte Prinzessin Pamina stand auf dem Balkon und blickte erschrocken auf den fahlen, blutroten Nebel, der über das Gesicht der silbernen Scheibe, über das Gesicht des Mondes kroch.“

Es gibt Bücher von der Autorin, die ich mit Begeisterung gelesen habe – aber dieses gehört eindeutig nicht dazu.
Der Prolog ist extrem verwirrend. Er erinnert an eine misslungene Kopie aus dem Silmarillion, denn es werden die Namen von allerlei Göttern und deren Rollen bei der Schaffung der Welt aufgezählt. Von Anfang an wirken die Welt und die darin wohnenden Personen dennoch platt und zu wenig durchdacht. Die Charaktere bleiben blass und stets in ihrer Rolle, die stattfinden Entwicklungen verlaufen so, wie es zu erwarten war. Wer die Oper kennt, darf auch von der Handlung her kaum Überraschungen erwarten.
Warum Tamino die verschiedenen Prüfungen ablegen soll und möchte, ist unklar. Es scheint, als müsste die Antwort auf alle Fragen nach dem Sinn der Handlung „weil es im Libretto steht“ lauten.
Die Prüfungen an sich wurden schön ausgestaltet und an phantastischen Elementen und Moral angereichert, diese Szenen lassen sich gut lesen .

In Atlas-Alamesios, der Welt von Tochter der Nacht (Night’s Daughter), spielen Halblinge, also Mischwesen aus Mensch und Tier, eine große Rolle. Diese sind durch genetische Experimente entstanden und werden in der Gesellschaft meist unterdrückt – was irgendwie überhaupt nicht zum ansonsten märchenhaften und auch so erzählten Rest des Romans passt. Auch wurde das Thema der Rassenideologie nicht immer angemessen behandelt und meiner Meinung nach zuweilen zu unkritisch betrachtet.

Ein wenig Positives kann man jedoch auch finden. Die kurzen Kapitel und die Beschränkung auf wenige Handlungsorte und -personen erleichtert dem Leser die Übersicht. Die Autorin hat glücklicherweise darauf verzichtet, die Vorlage in dieser Hinsicht unnötig auszuweiten und zu verkomplizieren. So fällt der Roman auch relativ dünn aus und lässt sich schnell weglesen. Streckenweise kommt auch ein wenig Spannung auf, vor allem im Verlauf der Prüfungen.

An sich ist die Umsetzung der Zauberflöte in Romanform eine schöne Idee. Es ist Marion Zimmer Bradley jedoch nicht geglückt, das im inneren Klappentext als „krude und nicht immer einleuchtend“ bezeichnete Libretto in eine nachvollziehbare Geschichte umzuschreiben, sondern auch durch ihren Roman ziehen sich Logiklöcher. Zudem ist der Stil zu plakativ und wenig magisch, daher würde ich das Buch selbst Opernliebhabern nicht empfehlen – schade um die Idee.

Trapped von Kevin HearneEigentlich sind Atticus’ Ansprüche recht niedrig, möchte er doch nichts weiter als Granuailes Training beenden und ihre Tattoos auftragen, die sie zu einem vollwertigen Druiden machen und ihr die Fähigkeiten verleihen, die sie zum Überleben braucht. Doch bevor Atticus sie an die Erde binden kann, platzt Donnergott Perun in die Szene, dicht gefolgt von Loki. Das russische Götterreich wurde völlig niedergebrannt von dem nordischen Gott der Lügen, der sich zu früh aus seinem Gefängnis befreit hat. Steht Ragnarök nun ein ganzes Jahr früher bevor als gedacht? Und wird es Atticus gelingen, seine Schülerin an die Erde zu binden, bevor er, sie oder beide getötet werden?

– When in doubt, blame the dark elves. –

Im nunmehr fünften Teil der Iron Druid Chronicles wird Atticus von dem Chaos eingeholt, welches er zwölf Jahre zuvor in Asgard verursacht hat. Loki wurde zu früh befreit, Donnergott Perun, seiner Heimat beraubt, sucht Unterschlupf im Reich der keltischen Götter, wo er nichts anbrennen und seinen rustikalen Charme spielen lässt. Irgendwo dort befindet sich vermutlich auch ein Verräter, der oder die gleich mal Attentäter in Form von u.a. Dunkelelfen auf Atticus und Granuaile ansetzt. Dunkelelfen sind nicht nur grundsätzlich zu beschuldigen, sondern auch ernst zu nehmende Gegner, wie Atticus wenig begeistert feststellen muss. Zwerge rasieren sich nebenbei auch noch die Bärte ab und die Vampire sind ebenfalls nicht fern. Wurden die Mörder-Clowns schon erwähnt?

Eines kann man über Trapped gleich sagen: es passiert verdammt viel!

Nicht nur, dass sich nordische, keltische, griechische und römische Mythologie und ihre verschiedenen Götter die Klinke in die Hand geben, es tut sich auch einiges im Bereich Charakterentwicklung. Es gibt tiefe Einblicke in Atticus früheres Leben, Granuaile tritt zum ersten Mal als Druidin auf (und was für eine!) und das keltische Reich Tír na nÓg wird deutlicher in den Mittelpunkt gerückt. Sehr gefallen dürfte auch, dass in Trapped verschiedene lose Handlungsstränge aus den vorherigen Bänden eine würdige Zusammenführung finden. Trotz der vielen Ereignisse in diesem Band hat man dabei erfreulicherweise nie das Gefühl, der Autor überstürze etwas oder arbeite eine Art Einkaufsliste ab. Die Geschichte ist wieder sehr gut gelungen und die gewohnte Portion Humor ist freilich auch mit dabei.

Trapped bietet letztlich alles, was sich der eingefleischte Fan dieser Serie nur wünschen kann. Die Handlung ist stimmungsvoll, glaubhaft, zum Brüllen komisch, ein bisschen sexy, ein bisschen romantisch und außerdem spannend bis zum letzten Moment. Wie der Appetit auf Popcorn außerdem brenzlige Situationen auflösen kann, erfährt man ebenfalls in diesem Band.
Für einen kurzen Moment Panik bei der Leserschaft sorgt eventuell das unerwartet offene Ende, welches unseren Druiden in einer Situation verlässt, die man nur als haarsträubend bezeichnen kann. Manchmal fragt man sich schon, wie viel Steigerung geht da eigentlich noch?
Die Empfehlung zum Schluss lautet also: Legt euch Hunted rechtzeitig als Reserve auf den Bücherstapel!

Sonstiges:
Es ist nicht unbedingt nötig, aber es lohnt sich doch, vor Trapped die Kurzgeschichte Two Ravens and One Crow gelesen zu haben. Trapped nimmt häufiger Bezug auf die dortigen Ereignisse und fasst sie im Roman nur sehr kurz angebunden zusammen.

Two Serpents Rise von Max GladstoneDie Wüstenmetropole Dresediel Lex ist abhängig von Magie und der Kraft gefallener Götter, um den Durst der Stadt zu stillen. Als Dämonen im Wasserversorgungsreservoir auftauchen, muss Red King Consolidated – ein Unternehmen, das die Funktion der gefallenen Götter ersetzt – herausfinden, ob es sich um einen terroristischen Anschlag handelt oder um einen gewöhnlichen Konkurrenzkampf. Caleb Altemoc, Risk Manager bei RKC und Sohn des letzten Hohepriesters, wird beauftragt herauszufinden, was hinter dem verseuchten Wasser steckt. Was zunächst nach einem einfachen Fall klingt, wird plötzlich zu einer halsbrecherischen Jagd über den Dächern der Stadt.

– A carved black stone altar rose from the center of the roof, large enough to hold a reclining man, or woman, or child. From the iron fence around the altar hung a bronze plaque embossed with a list of dates an victims’ names. –
Book One, Cliff Running

Mit Two Serpents Rise reisen wir erneut in die Welt von Alt Coulumb – dem Handlungsschauplatz in Three Parts Dead – wenn auch nicht zu dessen Charakteren. Autor Max Gladstone bricht mit der gängigen Tradition der meisten Autoren und konzentriert sich in seiner Reihe nicht auf einzelne Figuren, sondern auf die Welt, die er erschaffen hat. In Two Serpents Rise lernen wir daher nicht nur neue Figuren kennen, sondern auch eine gänzlich andere Landschaft und andere Sitten, eben einen anderen Teil von Gladstones vage vertrauter Parallelwelt, die einem ebenso traditionell wie fortschrittlich erscheint.

Dresediel Lex, der Schauplatz dieses Romans, ist anders als Alt Coulumb: eine Stadt, die mitten in der Wüste von Göttern erschaffen und durch Menschenopfer am Leben erhalten wurde. Die beschriebene Architektur und die rituellen Opferungen, die bis zum Sturz der Götter an der Tagesordnung waren, erinnern stark an ein präkolumbisches Vorbild, so dass man als LeserIn unweigerlich die Maya im Sinn hat. Inzwischen sind die Götter abgelöst und Red King Consolidated hat das Sagen. RKC schließt nun als modernes Unternehmen die Lücke, welche die Götter unfreiwillig hinterlassen haben. Keine Menschenopfer, keine persönlichen Verluste mehr, damit die Stadt zu trinken bekommt, sondern moderne Technik und die Magie der Crafter. Man reist entweder per Bus durch die 17-Millionen-Metropole oder, wenn man über das nötige Kleingeld verfügt, per Opteran. Was ein Opteran ist? Ach, Entomologen werden jetzt glänzende Augen kriegen, denn der Opteran ist ein überdimensional großes Fluginsekt, das einst den Göttern diente und nach deren Fall von den Craftern dressiert und zum Flugtransporter umerzogen wurde. Wer es sich leisten kann, chartert also eines dieser langbeinigen Tierchen, lässt sich von ihm in sechs Arme bzw. Beine schließen und bequem über die Stadt fliegen. Es ist vermutlich eine ebenso geniale wie gruselige Idee, je nachdem, wie sypathisch einem die Krabbler sind …
Außerdem wird der (Welt-)Krieg zwischen Göttern und Menschen in diesem Roman zu einem weniger flüchtigen Ereignis, was im dritten Band Full Fathom Five hoffentlich noch weiter ausgebaut wird.

Die Charaktere in Two Serpents Rise haben auch wieder einiges zu bieten. Humor, Vielschichtigkeit, ernsthafte Gedanken, Ängste und mutige Entscheidungen. Egal ob männlich oder weiblich, die Figuren haben es in sich. Allen voran steht natürlich Hauptfigur Caleb Altemoc, der Sohn des letzten Eagle Knight, des letzten Hohepriesters der alten Götter. Ein junger Mann, dessen Körper von rituellen Narben übersät ist und der ein fester Anhänger der modernen Entwicklung ist. Während sich Vater Temoc auf der Flucht vor dem Gesetz befindet und immer mal wieder terroristische Anschläge gegen RKC verübt, hat sich Sohn Caleb also der modernen Entwicklung verschrieben und arbeitet noch dazu für RKC. Man kann also schon erahnen, dass das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ein angespanntes ist, und auch die immer mal wieder auftauchenden Einblicke in Calebs Vergangenheit vergrößern die Kluft zwischen diesen beiden Menschen, die doch nicht ganz voneinander lassen können. Max Gladstone schafft es, auch in Two Serpents Rise wieder solide Charaktere zu erschaffen, die alle nicht ganz schwarz oder weiß sind. Als LeserIn wird man regelmäßig gezwungen, die eigene Perspektive zu überdenken und sich die Beweggründe und Argumente aller Parteien einzuverleiben. Es gibt keinen eindeutigen Feind in diesem Roman, so wie es keinen eindeutig guten Retter gibt. Alle Beteiligten agieren meist mit guten Absichten und haben nachvollziehbare Argumente, auch wenn manches Ergebnis zu Lasten anderer geht.
Die traditionellen Menschenopfer spielen eine große und wichtige Rolle in Two Serpents Rise, denn sie sind das Kernelement der Gesellschaft, auf der Dresediel Lex beruht. Durch den Wegfall der Götter entstehen spannende Konflikte in der Gemeinschaft und zwischen den vorgestellten Charakteren. Stärker noch als in Three Parts Dead macht der Autor in seinem zweiten Roman auf die sozialen und psychischen Folgen aufmerksam und wirft dabei interessante Fragen auf. Ist der Kapitalismus wirklich besser als das alte Blutopferverfahren, oder ist er letztlich nur eine andere, eine stillere Form des Menschenopfers?

Wer in Three Parts Dead aufgepasst hat, wird sich außerdem an die Erwähnung der unsterblichen Skelettkönige erinnern. Die wenigen Sätze, die ihnen in Three Parts Dead zugestanden wurden, zeichneten ein recht düsteres Bild dieser Kreaturen. Im zweiten Teil nun lernen wir einen dieser Skelettkönige, den Red King Kopil kennen, und man ist zunächst überrascht, wie menschlich er noch immer ist. Anfangs bleibt Kopil nur der Arbeitgeber, der mächtige Vorstand eines Unternehmens, das die Stadt am Leben hält. Gefürchtet von denen, die nur seinen Namen hören. Doch Max Gladstone haucht diesem Skelett nach und nach eine überraschende Vergangenheit ein, eine leidenschaftliche Überzeugung und eine Suche nach Gerechtigkeit. Es sammeln sich kleine Hinweise darauf, was Kopil dazu getrieben hat, sich gegen die Götter zu erheben und ihren Platz einzunehmen, und man fängt an, ihn nur zu gut zu verstehen.

Auch die weiblichen Heldinnen kommen selbstverständlich nicht zu kurz. Was an der Stelle wieder positiv auffällt, ist, wie wünschenswert alle Charaktere miteinander umgehen. Ob es nun um die sexuelle Orientierung geht oder Geschlechterrollen, irgendwie schafft es der Autor, alle ganz selbstverständlich miteinander leben zu lassen, ohne dass sie dabei unecht oder konstruiert wirken oder in traditionelle Klischees gesteckt werden.

Wem Three Parts Dead gefallen hat, dem ist auch Two Serpents Rise zu empfehlen. Zwar ist die sandige Atmosphäre ortsbedingt eine gänzlich andere, wirkt überschaubarer, weniger monolithisch, aber man ist doch eindeutig noch immer in derselben spannenden Welt.

Die Vergangenheit des Regens von Tobias O. MeissnerDas Mammut wurde stark dezimiert und steht eigentlich vor dem Aus, doch die Probleme auf dem Kontinent werden nicht kleiner. Deshalb macht sich die Gruppe um den ehemaligen Stadtschreiber Rodraeg Delbane nach Süden auf, um im Regenwald nach dem Rechten zu sehen. Dort fällt seit geraumer Zeit kein Regen mehr. Auf der Suche nach der Ursache stoßen Rodraeg und seine Gefährten auf andere Fraktionen, die ebenfalls an einer Aufklärung interessiert sind – u.a. die Einheimischen –, und auf eine Vielzahl an Gefahren. Mit einer großen Gruppe an teils fragwürdigen Verbündeten machen sie sich auf ins Innere des ausgetrockneten Waldes.

-Von Anfang an hatte Ogan »Schartbart« Broog kein gutes Gefühl bei der Sache gehabt. Aber es ist immer leichter, hinterher zu sagen: »Ich habe es doch geahnt«, als im Voraus, während die Dinge sich entfalten, im entscheidenden Augenblick eine andere Richtung einzuschlagen.-
Prolog

Das Mammut hat bereits Walfängern das Handwerk gelegt, Tierversuche verhindert und Haarhändler gestoppt – dass nun der Regenwald gerettet werden soll, ist eigentlich ein ganz logischer Schritt. Doch genauso, wie auch die bisherigen Ereignisse immer weiter von den Abenteuern einer Rollenspielgruppe auf dem Ökotrip weggeführt haben, bis nur noch das Gerüst dieser Ausgangssituation stehenblieb, während im Inneren eigentlich längst eine andere Geschichte erzählt wurde, spielt Logik gerade in diesem Band eine immer kleiner werdende Rolle.
Die Vergangenheit des Regens ist der (vorerst) letzte Band der ursprünglich doppelt so lang geplanten Reihe, und eine der spannenden Fragen im Vorfeld war, ob es auch ein Abschluss sein würde. Die kurze Antwort lautet: nein. Tobias O. Meißner hat die bisher im glazialen Tempo voranschreitende Hintergrundgeschichte nicht in einem großen Streich beendet und schon gar nicht dafür auf das Einzelabenteuer des sechsten Bandes verzichtet, wenngleich beides diesmal stärker verwoben ist als in den meisten anderen Bänden.

Mit Die Vergangenheit des Regens thematisiert Im Zeichen des Mammuts zunehmend die problematischen Aspekte einer auf dem ganzen Kontinent operierenden Gruppe von Aktivisten, vor allem der Umgang mit Einheimischen (die eine eigene Interpretation der Geschehnisse vertreten, aber häufig gar nicht über ein “wo geht’s lang” hinaus um ihre Meinung gebeten werden) und die Gewaltbereitschaft werden immer wieder hinterfragt. Meißner gelingt es damit, durchaus moderne Themen in seinen Roman einfließen zu lassen, auch wenn der Abenteueraspekt trotzdem im Vordergrund bleibt.
Das Dschungelabenteuer bietet auch alles, was man sich von einem solchen Setting erwartet – Riesenameisen, Spinnenmenschen, verborgene Ruinen –, und noch einiges mehr, denn Meißners Talent für atmosphärische Schauplätze und die Bedrohung durch ein verstörendes Übel, das ganz klassisch an der Welt nagt, aber alles andere als ein dunkler Herrscher ist, kann sich hier voll entfalten, genauso sein Händchen für gelungene Eigennamen.

Durch den hohen Verschleiß innerhalb der Mammuttruppe kommt immer wieder Bewegung in die Beziehungen der Mitglieder, allerdings gibt es nur wenig Kontinuität. In Die Vergangenheit des Regens trifft man jedoch viele alte Bekannte wieder, und die Figuren, die man schon lange begleitet, sind stark gereift und gealtert. Vor allem Rodraeg als moderner (Vor-)Denker sticht heraus, der mit all seinen Bedenken, seinem Abwägen und Zögern häufig die Handlungsfreiheit verliert. Er markiert einen Übergang, einen Aufbruch ins Denken, er wagt die Formulierung großer Theorien und Zusammenhänge und wendet sich ab von der reinen Hinnahme (von menschlicher und göttlicher Herrschaft) hin zu einer differenzierteren Sicht, auch wenn sich diese nicht unbedingt als praktikabel erweist. Diese tiefere Thematik von Glauben contra Vernunft ist von Ironie geprägt, wenn sich der ewige Zweifler Rodraeg schließlich sogar anhören muss, er würde einen guten Priester abgeben.
Mit diesen Erkenntnissen und einer neuen Sicht auf das Göttliche macht Die Vergangenheit des Regens einen großen Entwicklungssprung und liefert etwas Hintergrund für die Hauptgeschichte, womit sich sogar eine Meta-Ebene auftut, die AutorInnen (oder LeserInnen) anspricht, die jederzeit zu anderen, interessanteren Welten weiterwandern können.

Letztlich bleibt aber alles offen, was die Zukunft für Rodraegs Heimatwelt und jene andere, die man im Verlauf der sechs Bände kennenlernen durfte, bereithält. Die Vergangenheit des Regens ist in erster Linie einfach ein neuerliches Mammutabenteuer, und als solches geht es den Weg weiter, der weg vom rollenspielartigen Plot zunehmend ins Unkonventionelle führt und die Erwartungen umkehrt – nicht nur die der Figuren, die verzweifelt versuchen, den Sinn der Ereignisse zu ergründen, auch wenn sie dazu bizarre mentale Purzelbäume schlagen müssen. Da dieser Weg aber zumindest von Verlagsseite hier ein Ende hat, steht zu befürchten, dass es bei einem Versuch bleibt.

The Waterborn von Greg KeyesPerkar, der eigentlich den Haushalt seines Vaters verlassen und eine eigene Familie gründen sollte, lässt sich zu einer kaum zu bewältigenden Mission hinreißen: Er will den Gott des Großen Flusses besiegen. Als er zusammen mit anderen Kriegern seines Stammes auszieht, um mit dem Waldgott um weiteres Weideland zu verhandeln, sieht er seine Gelegenheit gekommen.
Weit unten, schon beinahe im Flussdelta, verfügt der Herrscher der riesigen Stadt Nhol über die Macht des Flusses. Als Hezhi, eine seiner Töchter, langsam erwachsen wird, beginnt sie zu ahnen, dass dafür ein Preis zu zahlen ist. Stur stellt sie eigene Nachforschungen an.

-Hezhi confronted the black depth, felt a wind blow up from it and envelop her like the breath of a vast beast.-
I. The Princess and Perfect Darkness

In seinem Debutroman The Waterborn hat Greg Keyes sich seiner Lieblingsthemen angenommen: Das Wissen eines Ethnologen steckt darin, die Liebe zur Sword & Sorcery, die Vorstellung eines nicht kolonialisierten Amerikas, das er in keinem anderen Setting so weit entwickelt hat wie hier.
Das Amerika unserer Welt ist es allerdings nicht: Die Anklänge sind deutlich, die Verfremdung aber auch, denn es ist eine Welt, in der die Menschen nur eine Art unter vielen sind. Unheimliche, naturnahe Waldbewohner, Riesen und eine Heerschar von Göttern bewohnen die Urwälder, Ebenen und Bergregionen, in denen die spirituelle Welt mit ihren Ahnen und den oft ambivalenten göttlichen Manifestationen immer präsent ist. Es wimmelt vor kleinen und großen Göttern, mit denen die Menschen zwar im Umgang vertraut sind, die ihnen aber nicht nur aufgrund ihrer Launenhaftigkeit und Undurchschaubarkeit sehr fremd bleiben. Die zahllosen Ausprägungen dieser spirituellen Welt ergeben bei Keyes ein ausgesprochen stimmiges Gesamtbild, während ihre Ausgestaltung im Einzelnen über den ganzen Roman hinweg spannend bleibt.

Gut und Böse sind in dieser Konstellation nicht klar erkennbar, weder in den eigentlich gar nicht so sehr lenkenden, als vielmehr nach Gutdünken eingreifenden oder tatenlos zusehenden Mächten, noch in den Helden selbst: Keyes erzählt die erstaunlich menschliche Geschichte von Hezhi und Perkar, die sich von außen betrachtet zu wahren Übermenschen entwickeln, aber einander trotzdem antithetisch gegenüberstehen. Hezhi ist dazu geboren, ohne es zu wissen oder zu wollen, und sie hat keinerlei Methoden für den Umgang mit ihren Fähigkeiten erlernt. Perkar wünscht sich nichts sehnlicher, als zur Erfüllung seiner (zunächst romantisch verklärten) Mission, gegen den mächtigen Flussgott ins Feld zu ziehen, übermenschliche Kräfte zu haben, aber als er sie erwerben kann, muss er auch ihren Preis erkennen.
Dadurch wird The Waterborn einerseits zu einer Geschichte um Identitäten, um das Coming of Age der beiden jungen Helden, doch es ist genauso sehr ein Sword-and-Sorcery-Abenteuer mit einer nachdenklichen Note, in dem der Heldenstatus und die Mystifizierung der Ereignisse, ihre Übertragung ins Reich der Geschichten, ständig hinterfragt werden, ohne die positiven Seiten zu negieren.

Keyes erweist sich dabei als sehr geschickter Erzähler: Durch die gegensätzliche Anlage seiner beiden Protagonisten wechselt der Erzählduktus zwischen der ruhigen, beinahe kriminalistischen Spurensuche von Hezhi im Palast der Großstadt Nhol und der actionreichen Questen-Wanderung von Perkar. Wissen erlangen und Entdecken stehen dem Agieren, Bewegen und schmerzlichem Nicht-Wissen gegenüber. Dabei gehen aber niemals die (häufig wichtigen) Beobachtungen auf der Detailebene unter, es gibt viele kleine, subtile Momente beider Figuren und auch etliche gelungene Überraschungen. Bis zum Ende bleibt offen, wie die beiden trotz örtlicher Trennung geschickt verbundenen Hauptfiguren zueinander stehen – The Waterborn ist eines der Bücher, die eine treibende Spannung besitzen und nicht zulassen, dass man den Ausgang bereits weit im Voraus ahnt.
Bereits der Einstieg ist ungewöhnlich und gewagt, denn er gibt einen szenischen Abriss über wichtige Ereignisse beim Aufwachsen der Helden und enthält mehrere Zeitsprünge, ehe er in die Haupthandlung einsteigt.

Vor allem aber nicht nur an Perkar zeigt Keyes, dass er seinen Helden auch krasses Fehlverhalten zugesteht, und beschreibt Möglichkeiten, mit den unguten Konsequenzen aus Handlungen umzugehen, auch wenn sie nicht wiedergutzumachen sind. Die hochmagische Welt mit ihren beseelten Schwertern, magischen Wassern und mächtigen Weissagungen hält zwar viele Wunder bereit, aber sie verzeiht auch nicht viel – es geht bisweilen also recht heftig zur Sache.
In den Figuren meistert Keyes sowohl einen differenzierten Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem die Darstellung von Perkars und Hezhis Verehrern und Verehrten spielt mit Klischees und steckt voller Wärme und Leidenschaft (nein, nicht in der sülzig-schwülstigen Bedeutung), genauso aber auch die Betrachtung von Freundschaften und Konkurrenzverhalten, die bei den juvenilen Helden oft dicht beieinander liegen. Neben den präzisen psychologischen Beobachtungen stehen philosophische, die auch nicht davor zurückschrecken, den Tod als einen (legitimen) Ausweg aus einem Dilemma heranzuziehen.

Die gut ausgearbeitete Kulisse dazu  bietet Keyes’ anthropologischer Hintergrund: Sein alternatives Amerika ist eine bunte Mischung aus Kulturen; an Sprachfetzen kann man ablesen, dass auch linguistisch etwas am Weltenbau dran ist, und die Bandbreite ist groß, von augenzwinkernd als Barbaren titulierten Viehwirten über Steppenhalbnomaden bis hin zu Großimperien. Ob Nhol nun deutlicher von mesopotamischen Städten oder von Cahokia am Mississippi beeinflusst ist, das Setting wirkt bis ins Detail gut recherchiert und kann mit einer Originalität aufwarten, die man in der High Fantasy nicht alle Tage findet.

Der gesamte Spannungsbogen von Chosen of the Changeling ist zwar mit The Waterborn nicht geschlossen, aber es kann durchaus für sich stehen, was vor allem im Hinblick auf die deutsche Ausgabe (Aus Wasser geboren) wichtig ist, die keine Fortsetzung gefunden hat.
Man kann das ein oder andere an Keyes Debutroman bekritteln, den sprunghaften Beginn oder die Momente, in denen man dem Helden “Tu’s nicht!” zubrüllen möchte, aber davon sollte man sich nicht abhalten lassen, The Chosen of the Changeling zu lesen, wenn man die hochoriginelle Welt und den ungewöhnlichen und spannenden Plot nicht versäumen will.

Cover von Der Weg des Magiers von Jean-Louis Fetjaine6. Jahrhundert nach Christus: Der junge Merlin reitet zusammen mit Guendoleu, dem König von Kumbrien, und dessen Truppe nach Schottland. König Ryderch hat alle britannischen Fürsten zusammengerufen, damit sie sich unter seiner Führung vereinigen. Doch Aldan, Königin von Dyfed, die Mutter Merlins und Witwe des ranghöchsten Königs der Britannier, macht dem ehrgeizigen Ryderch einen Strich durch die Rechnung. Sie überreicht den goldenen Torques, einen Halsreif als Zeichen der obersten Königswürde, Guendoleu von Kumbrien. Kurze Zeit später geraten Guendoleu und seine Männer in einen Hinterhalt. Alle außer Merlin werden niedergemetzelt. Merlin nimmt den Torques an sich, um ihn nach Dyfed zurückzubringen. Wird er sein Ziel je erreichen?

-Der Winter hatte bereits Einzug gehalten. An jenem Morgen war die Luft anders als sonst, kälter und klarer.-
1 Die Prophezeiung

Der Weg des Magiers (Le Pas de Merlin) ist der klassische Auftakt einer Trilogie. Jean-Louis Fetjaine stellt dem Leser ausführlich die handelnden Charaktere vor und bringt die gegnerischen Parteien in Stellung. Die Hauptperson ist Merlin – hier kein alter, weiser Magier mit langem Bart, sondern ein Jüngling, klein gewachsen und für einen jungen Mann von auffallend zierlicher, schmächtiger Gestalt. Wohl deshalb nennt Fetjaine ihn häufig, oft mehrfach auf einer Seite, das Kind. Diese penetrant wiederholte Bezeichnung für den jungen Barden ist das einzige an diesem Roman, was erst irritierend, im weiteren Verlauf der Geschichte nur noch störend wirkt. Da der Autor von Merlin ständig als dem Kind spricht, glaubt man zunächst, König Guendoleu hätte einen Elf- oder Zwölfjährigen in seinem Gefolge, vielleicht als Knappen oder Pagen. Nachdem man einiges über Merlins frühe Kindheit und seinen Werdegang erfahren hat, setzt man sein Alter auf 14 oder 15 herauf, um endlich zu dem Schluß zu kommen, daß Merlin mindestens 16 Jahre alt sein muß, da sich König Ryderchs siebzehnjährige Schwester Guendoloena wohl kaum von einem Kind entjungfern lassen würde, das für sein Alter auch noch klein und schmächtig ist.

Nicht nur in Liebesdingen benimmt sich Merlin alles andere als kindlich. Den Hinterhalt überlebt er nur, weil er beherzt und skrupellos kämpft. In solchen Situationen wirkt die Bezeichnung das Kind auch noch unfreiwillig komisch: Merlins Antwort war, aus Leibeskräften auf die Lanze des Mannes einzudreschen … Das Kind machte erneut einen Ausfall, doch diesmal war der Mann aus den Bergen darauf gefaßt … Er hatte sich umgedreht, und das Kind nutzte die Chance, um sich nach vorne zu werfen und zuzustoßen, doch der Krieger wich mühelos aus, und wieder traf der Schwertstumpf nur ins Leere. Mit einem Rippenstoß brachte er das Kind aus dem Gleichgewicht … Merlin stürzte sich auf ihn, und das zerbrochene Schwert bohrte sich tief in die Leiste des Reiters …, worauf Merlin zum Angriff überging und, sein Schwert wie ein Messer in der Hand, auf ihn einstach, bis er endlich zu schreien aufhörte. Zwar ist auch im Nibelungenlied der jüngste der königlichen Brüder, Giselher, auch dann noch das Kind, als er aufgrund der Geschichte schon weit in den Vierzigern sein müßte, aber Giselher hat sich inmitten seiner intriganten und rachsüchtigen Verwandtschaft noch Reste eines kindlichen Gemüts bewahrt. Merlin wirkt jedoch aufgrund seines Handelns weitaus älter als sein Aussehen und seine Jugend vermuten lassen.

Die große Stärke des Romans ist, daß Fetjaine, der mittelalterliche Geschichte studiert hat, sich um größtmögliche historische Authentizität bemüht. Im Nachwort beschreibt der Autor den historischen Hintergrund seiner Geschichte und wie sich daraus die Artuslegende entwickelt hat. Außerdem gibt es eine ausführliche zeitliche Übersicht. Über weite Strecken ist Der Weg des Magiers eher ein historischer Roman, Fantasyelemente kommen kaum vor, abgesehen davon, daß sich die Hinweise häufen, daß Merlins Herkunft außergewöhnlich ist. Auch die Konkurrenz zwischen der neuen christlichen Religion, repräsentiert durch die Mönche und den Klerus, der munter in der Politik mitmischt, und dem alten Glauben der Britannier, vertreten durch Merlin und andere Barden, spielt eine Rolle. Erst gegen Ende des Romans bricht das Übernatürliche deutlich in die Handlung ein. Merlin wird im wörtlichen Sinne über Nacht erwachsen. Die Beschreibung dieser besonderen Nacht ist so spannend, mitreißend und emotional, daß man Fetjaine auch verzeiht, daß er Merlin wahrscheinlich zum tausendsten Mal das Kind nennt. Dies ist die gelungenste Szene des Romans, doch sie ist keine Ausnahmeerscheinung. Fetjaine versteht es, eine packende Atmosphäre zu erschaffen, seinen Protagonisten Leben einzuhauchen und eine lang vergangene Zeit wieder auferstehen zu lassen.

Winterplanet von Ursula K. Le GuinGenly Ai, Gesandter der Ökumene, einer interplanetaren Staatengemeinschaft, lebt seit 2 Jahren auf dem unwirtlichen Planeten Winter. Seine Aufgabe ist es, die Herrscher von einem Beitritt in die Ökumene zu überzeugen und so Handelsabkommen und den Austausch von Wissen und Technologien zu ermöglichen.
Neben einem zentralen Staatenkonflikt erschweren besonders die scheinbar unüberbrückbaren kulturellen Unterschiede Ais Arbeit: die Menschen von Winter sind Hermaphroditen, also weder Frau noch Mann. Ai und die Bewohner des Planeten begegnen einander als völlig Fremde. Immer auf der Suche nach einem Dialog begibt sich Ai in große Gefahr, um seine Mission zu erfüllen, wiewohl sie zum Scheitern verurteilt scheint.

Ich werde meinen Bericht schreiben, als wäre er eine Geschichte, denn schon als Kind auf meiner Heimatwelt habe ich gelernt, daß die Wahrheit eine Sache der Einbildungskraft ist.
– Kapitel 1, Ein Festzug in Erhenrang, S. 14

„Ursula K. Le Guin gehört zu jener Sorte Schriftsteller, die für den Rezensenten unbequem sind, weil man nur schwer in knapper Form über sie sprechen kann“, bemerkt der Moskauer Literaturkritiker Wl. Gakow richtig in seinem Nachwort zu Le Guins Roman Winterplanet (The Left Hand of Darkness) (2000 ebenfalls von Heyne neuaufgelegt unter dem Titel „Die linke Hand der Dunkelheit“). Eine Auseinandersetzung mit dem Roman der US-amerikanischen Schriftstellerin kann in diesem Rahmen nicht erschöpfend sein, weshalb ich mich auf einige gute Gründe beschränken möchte, weshalb der anspruchsvolle Phantastikfreund dieses Buch mindestens ein mal im Leben (besser: mehrmals) lesen sollte.

(1) Der Roman Winterplanet ist eine umfassende Antwort auf die Frage: Was kann Science Fiction? Wie die Autorin es in ihrem Vorwort betont, ergibt sich die Relevanz des Genres nicht nur aus dem ‚prophetischen’ Anspruch – also aus der Beantwortung der Frage „Wie wird die Welt in X Jahren gestaltet sein?“ –, sondern vor allem aus der Möglichkeit, alle kulturellen, soziologischen, technischen und biologischen Gesetzmäßigkeiten, die bei der nonfiktionalen Beschäftigung mit unserer Gesellschaft zwingend sind, außer Acht zu lassen. Geschieht dies, verlässt ein Autor das weite Feld der Zukunftsprognosen und wagt sich in eine buchstäblich völlig neue Welt: ein Gedankenexperiment ist geboren.
Le Guins Roman Winterplanet konfrontiert den Leser behutsam mit der Festgefahrenheit der eigenen Denkstrukturen. Die auf dem Planeten Winter ansässigen Menschen sind androgyne Wesen, die in einem monatlichen Zyklus eine Phase der sexuellen Aktivität erleben, in der sie – abhängig von ihrem Partner – ein Geschlecht ausbilden. Welche Tragweite diese scheinbar nur biologische Eigenheit hat, wird sowohl dem Gesandten Genly Ai, als auch dem Leser erst im Laufe der Zeit und des Romans bewusst. Angefangen mit einer Unzulänglichkeit der verfügbaren Sprache – Ai beschreibt alle Bewohner des Planeten in Ermangelung eines wertungsfreien Neutrums mit dem männlichen Personalpronomen – ist es besonders die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Rollen, ohne ein bequemes „typisch männlich“ und „typisch weiblich“, auf die sich der Leser nur schwer einlassen kann. Auch Genly Ai schreibt in seinem Unvermögen, die Bewohner Gethens als Menschen ohne Rolle, ohne Muster zu sehen, den Menschen, welchen er begegnet, mal weibliche, mal männliche Eigenschaften zu. Die Auflösung Genly Ais vorgefertigter Denkmuster und der damit einhergehende Neuerwerb einer geschlechtsunabhängigen Betrachtungsweise des Menschen ist eine der wichtigsten und herausragendsten Szenen der Science-Fiction-Literatur.

(2) Ursula K. Le Guins Werk wartet mit einer Komplexität und einer geistigen Durchdringung auf, an der es anderen Romanen des Genres zuweilen mangelt. Welche Auswirkungen hat ein androgynes Menschengeschlecht auf die kulturelle Entwicklung einer Gesellschaft? Im Rahmen ihres Gedankenexperimentes beantwortet die Autorin die Frage derart stimmig und glaubwürdig, dass man schnell den Fehler begeht, sie in das Lager der ‚Propheten’ einzuordnen.
Die Unterschiede einer Gesellschaft ohne Geschlechterrollen von der uns Vertrauten sind zunächst sehr faßbar: es existieren keine klassischen Familienstrukturen, es gibt keine traditionellen Männer- oder Frauenberufe, das Prinzip des Ernährers und der Hausfrau greift nicht. Doch Le Guin labt sich nicht am Offensichtlichen, im Gegenteil: ihre Analyse einer androgynen Gesellschaft geht viel tiefer.
Das uns zutiefst verinnerlichte Prinzip des Dualismus verliert seine ursprüngliche Motivation: die Unterscheidung in Mann oder Frau. Diese Unterscheidung, so erklärt Ai es einem Bewohner von Winter, determiniert die Sprache, die Arbeit, die Haltung, das Gemüt, den Charakter, kurz: alle Lebensbereiche eines Menschen, die zusammengefasst das ausmachen, was wir landläufig als ‚Persönlichkeit’ bezeichnen. Wie entwickelt sich ein Mensch ohne ein solches Raster?
Der im Roman entscheidende Dualismus ist von einer ganz anderen Natur: es ist der Dualismus von Du und Ich, der jedoch keine trennende, unterscheidende, sondern eine verbindende Funktion besitzt und schließlich auch den Leser anspricht mit der Forderung, diesen Dualismus in ein „Wir“ aufzulösen.

Eine weitere Beobachtung Genly Ais betrifft die völlige Unkenntnis der Bewohner Winters, was Krieg betrifft. Es gibt in keiner Sprache des Planeten ein Wort für Auseinandersetzungen, die unzählige Menschenleben fordern – denn solche Auseinandersetzungen existieren nicht. Auch der Gesandte, in dessen Gedächtnis sich lange Kriegsjahre auf seinem Heimatplaneten eingebrannt haben, weiß den Grund dafür nicht zu benennen. Liegt es an dem Fehlen der Geschlechterrollen, am Fehlen eines „starken Geschlechtes“ mit der Pflicht, ebendiese Stärke unter Beweis zu stellen? Oder liegt es an den extrem unwirtlichen Bedingungen des Planeten, die einen Krieg völlig nutzlos dastehen lassen, da die Bevölkerung Winters Tag für Tag um ihre Existenz bangen muss? Die Beantwortung dieser Frage liefert uns die Autorin nicht, ist es doch letztlich eine ganz persönliche Entscheidung: wie viel Macht gestehen wir Rollenmustern zu?

(3) Die angedeutete inhaltliche Durchdringung wird getragen von einer außergewöhnlich treffenden, glasklaren Sprache. Die Autorin verschwendet in einem Roman, der sich dezidiert mit dem Thema Sexualität beschäftigt, kein Wort an Kitsch oder deplatzierte Romantik, sondern reichert die Welt mit jedem Wort um ein weiteres Detail an, beschert ihr eine weitere Facette und schafft so ein Planeten, der uns unendlich fremd und zugleich vertraut erscheint. Sie verzichtet gänzlich auf eine beschreibende Charakterisierung der Protagonisten und lässt sie ausschließlich für sich selbst sprechen. Mit hoher Kunstfertigkeit lässt sie den aufmerksamen Leser nicht nur die Figuren kennenlernen, sondern ermöglicht es ihm, ihre subtile, aber grundlegende Wandlung mitzuerleben. Auch die Beschreibung der verschiedenen Gesellschaftsformen der Staaten Karhide und Orgoreyn sowie die langsame Technisierung des Planeten – die dem Leser in dieser natur- und klimabestimmten Welt eher wie eine Anomalie erscheint – werden in Zwischentönen festgehalten.

(4) Die Themen des Romans beschränken sich nicht auf Sexualität und das Hinterfragen von Rollenmustern. Vielmehr gelingt es der Autorin, in einem Roman kritisch das Wesen der Loyalität und des Patriotismus auf einer zutiefst menschlichen Ebene darzustellen. Besonders eindrücklich ist der Wandel eines Verrates hin zur menschlichen Aufopferung und die Einsicht, dass beides manchmal nicht zu unterscheiden ist.
Nicht zuletzt gelingt es Le Guin, die Natur des Planeten gleichsam als Parabel und als höchstspannendes und –aufwühlendes Erlebnis zu charakterisieren. Die Schilderung des Überlebenskampfes Ais und seines Begleiters auf dem großen Eis ist nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit den Charakteren, sondern gleichzeitig eine phantastisch -bedrückende Abenteuerzählung.

Wie Wl. Gakow es geahnt hat, ist es mir nicht gelungen, den Roman in angemessener Kürze zu besprechen. Doch wenn auch nur jedes zweite Wort das seine dazu beiträgt, den Leser dieser Rezension zur Lektüre des Romans Winterplanet zu überreden, würde er mir sicher verzeihen.

With A Tangled Skein von Piers AnthonySatan ist zurück und hat es diesmal darauf abgesehen, die Inkarnation des Schicksals zu manipulieren.
Als Niobes Ehemann im Sterben liegt, begibt sie sich in das Reich der Inkarnationen, um Thanatos darum zu bitten, das Leben ihres Gatten zu verschonen. Da weder er noch die anderen Inkarnationen sein Leben retten können, wird Niobe angeboten, ein Teil der Inkarnation des Schicksals zu werden. Mit der Aussicht darauf, als Inkarnation Satans Pläne zu stören und, wie sich herausstellt, Rache für seine Schuld am Tod von Niobes Mann zu üben, wird sie zu Clotho – dem jungen Aspekt der Inkarnation des Schicksals.

– Niobe was the most beautiful young woman of her generation, with hair like buckwheat honey and eyes like the sky on a misty summer morning and a figure that was better imagined than described. But she had her trifling faults, such as an imperious nature fostered by the ability to use her beauty to get her own way, and she was of only average intellect. Also, though she did not know it, she had been marked for a more difficult destiny, than she had any right to dream of. –
The Bonnie Boy, S. 1

With A Tangled Skein (Des Schicksals dünner Faden) ist der dritte Band aus der Reihe der Incarnations of Immortality von Piers Anthony und befasst sich mit einem sehr interessanten Charakter: der Inkarnation des Schicksals. Hierzu bedient sich Anthony bei der griechischen Mythologie, in der das Schicksal von drei Schwestern verkörpert wird. In dem vorliegenden Roman handelt es sich nicht um Schwestern, sondern um drei willkürlich gewählte Frauen, die in einem einzigen Körper miteinander verschmelzen, jedoch Individuen mit verschiedenen Aufgaben bleiben. Während die griechischen Vorbilder eine nicht zu unterschätzende Neigung zur Gehässigkeit aufweisen, sind die Frauen der Inkarnation überaus rechtschaffen und pflichtbewusst.
Die Dreifaltigkeit dieser Inkarnation hätte dabei so manche spannende Charakterentwicklung eröffnen können, doch der Autor verschenkt dieses Potential, indem er auf die beiden anderen Aspekte so gut wie nicht eingeht und sich allein auf Niobe konzentriert. Neben einer kurzen Einführung zu den verschiedenen Zuständigkeiten besitzen die drei auch kaum besondere Fähigkeiten, interagieren nur selten wirklich miteinander und wechseln so häufig, dass dem Leser kaum Zeit bleibt, die einzelnen Aspekte näher kennen zu lernen.

Interessant ist es dagegen wieder zu erleben, wie die einzelnen Fäden aus den vorangegangen Romanen erneut aufgegriffen und die Bände zu einem Gesamtbild verwoben werden – Hintergründe bekannter Figuren werden noch weiter ausgebaut und das Fundament für eine übergeordnete Handlung endgültig gefestigt. Dabei erstreckt sich die Handlung über einen Zeitraum von ca. 80 Jahren, was einerseits sehr viele Ereignisse aufzeigt, andererseits hat das auch mal unnötige Längen zur Folge.

Was With A Tangled Skein letztlich aber ungenießbar macht und sämtliche guten Ideen im Keim erstickt, ist der omnipräsente Sexismus. Piers Anthony schreibt hier aus der Sicht einer weiblichen Inkarnation, aus der Sicht einer ganzen Gruppe von Frauen und scheitert damit auf ganzer Linie. Seine Vorstellungen davon, wie Frauen denken, reagieren oder handeln, kann man nur als klassische Altherrenphantasie bezeichnen, in der Sex zur Universallösung wird.
Es beginnt relativ harmlos mit einer klar getrennten Rollenverteilung: Atropos, die Alte, übernimmt die Aufgaben einer Großmutter, Lachesis, die mütterliche Frau mittleren Alters, kümmert sich um die Ordnung, und Clotho, die blühende Jugend, wird die besondere Aufgabe zuteil, ihren männlichen Mitspielern sexuell zu Diensten zu sein. Als man nach einem Wechsel endlich glaubt, nun eine neue, selbstbewusste und emanzipierte Clotho präsentiert zu bekommen, die aufräumt mit den Klischees, wirft sie sich und ihre Jungfräulichkeit bei der erstbesten Gelegenheit demütig einem stereotypen Macho vor die Füße (den sie kurz zuvor geschlagen hat, weil er sie für eine Geisha – hier gleichbedeutend mit einer Prostituierten – gehalten hat). Warum? Weil seine enorme Männlichkeit Clotho die Augen öffnet und ihr ihre Fehler bewusst macht – sie entbrennt binnen Minuten in Liebe zu ihm.
Die Inkarnation des Schicksals, in deren Händen so viel Macht liegen sollte, wird unter Anthonys Feder zu einer weinerlichen, hilfsbedürftigen, oberflächlichen, emotional unberechenbaren, irrationalen und intellektuell beschränkten Puppe, die die Führung eines Mannes braucht, um sich im Leben zurechtfinden zu können, der sie beschützt und ihr die einfachsten Denkspiele verständlich macht. Ein Glück, dass die große Gegenfigur Satan unsere Protagonistin in einem faden Endkampf mit denselben Rätseln konfrontiert und sie dank der Lehren ihrer Ehemänner gerade noch in der Lage ist, den Teufel auszutricksen. Auch hier geht wieder nichts ohne sexuelle Gefahren. Damit einhergehend: mehr als unerfreulich ist der Umgang mit dem Thema Vergewaltigung, das in diesem Roman mehrfach zum Einsatz kommt. Seien es nun ein Dämon, der dies als Methode sieht, der eigentlich unverwundbaren, weiblichen Inkarnation doch noch zu schaden, oder Frauenfiguren, die ihre eigene Erfahrung damit wie ein unspektakuläres Kavaliersdelikt herunterspielen. Wirklich, Herr Anthony, … wirklich? Man weiß bei all den Klischees und bestenfalls seltsamen Ideen kaum, wo man mit dem Aufzählen beginnen und wieder aufhören soll.
Das alles schafft natürlich nicht nur ein stereotypes Frauenbild, sondern, das muss man der Fairness halber sagen, auch ein stereotypes Männerbild, bei denen beide schlecht abschneiden. Es wäre sicher interessant zu erfahren, wie männliche Leser dieses Buch bewerten und erleben.

Mit On A Pale Horse (Reiter auf dem schwarzen Pferd) hat Anthony einst ein ungewöhnliches Universum mit einer wunderbar gelungenen Verschmelzung von Technik und Magie erschaffen, bereits Bearing An Hourglass (Der Sand der Zeit) konnte schon nicht mehr mit dem Auftaktband mithalten. In With A Tangled Skein sind all diese Ansätze endgültig hinfällig. Der Weltenbau ist praktisch nicht existent und die Handlungsorte sind äußerst begrenzt.
Vorerst ist also die gelungene Idee der Inkarnationen der einzige Grund, diese Reihe fortzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass Anthony im vierten Band Wielding A Red Sword seine anfängliche Stärke aus On A Pale Horse endlich wiederfindet. Bis dahin stellt With A Tangled Skein den vorläufigen Tiefpunkt dieser Buchreihe dar.

Cover von The Word for World is Forest von Ursula K. Le GuinAthshe ist ein Planet der Wälder, und die Athsheaner sind ein friedliches Volk. Als die Menschen dort eine militärisch geführte Kolonie gründen, um die Rohstoffe des Planeten auszubeuten und den Wald in landwirtschaftlich nutzbares Land zu verwandeln, bleiben die Ureinwohner des Planeten auf der Strecke und werden sogar als Arbeitssklaven benutzt. Sie gelten den meisten Menschen nur als Tiere, sie wehren sich nie und wirken faul und dumm. Doch die Athsheaner haben eine eigene Kultur des Träumens, und in dieser Kultur brodelt es, als ein Athsheaner beginnt, vom Krieg zu träumen.

-Two pieces of yesterday were in Captain Davidson’s mind when he woke, and he lay looking at them in the darkness for a while.-
One

Ein Waldplanet, für irdische Kolonisten ein optimaler Rohstofflieferant, dessen einheimische humanoide Population, die mit der Natur in Einklang lebt, nur ein Störfaktor ist – beim aufmerksamen Kinogänger hat es längst geklingelt, für SF-Leser schwirrt das Thema schon etwas länger durchs kollektive Bewusstsein.
In Ursula K. Le Guins The Word for World is Forest (Das Wort für Welt ist Wald) von 1972 (eine erweiterte Version gab es 1976, nachdem die Novella bereits den Hugo Award gewonnen hatte) sind die Einheimischen nicht groß und blau, sondern klassisch klein und grün – und pelzig. Umso einfacher ist es dadurch, auf sie hinabzuschauen, und die Dynamik, die sich in der Beziehung zwischen Menschen und Athsheanern abspielt, ist aus dem Kolonialismus wohlbekannt. Le Guin zeigt in dieser Erzählung, die vor allem in Reaktion auf den Vietnamkrieg entstanden ist, neben Rassismus auch die Folgen von Umweltausbeutung und die Wirkung von Mehrfachdiskriminierung, am schlechtesten geht es nämlich den athsheanischen Frauen, die zwar in ihrer eigenen Kultur eine tragende, aber nicht die angesehenste Rolle einnehmen und unter dem Sexismus und der Gewalt der rein männlichen Siedler von der Erde besonders zu leiden haben.

Nachdem inzwischen vermutlich schon fast alle LeserInnen ausgestiegen sind, die Politisches in der Literatur meiden wie der Teufel das Weihwasser, muss erwähnt werden, dass Le Guin weder anprangert noch in expliziten Ausschmückungen schwelgt: Das Thema würde mit Sicherheit hochdramatische und „mitreißende“ Szenen hergeben, doch die Autorin hält sich betont zurück, wahrt eine erzählerische Distanz und überlässt so dem Leser oder der Leserin einen Anteil an der Urteilsbildung. Die durchaus existenten Grausamkeiten werden meist ausgespart oder tauchen nur als Erinnerungen auf, die szenischen Darstellungen widmen sich dem unterschwelligen Wandel, der die ganze Handlung kennzeichnet, wenn zunehmend klar wird, dass die Athsheaner ihre Lebensweise ändern müssen, um sich wehren zu können. Konkrete Gewaltdarstellung erfolgt vor allem in Form von verbaler Gewalt – spezifisch rassistischem Vokabular und anderen Äußerungen des Machismo, was in bester Le-Guin-Manier auf die Wichtigkeit des sprachlichen Aspekts für die Handlung weist.

Denn auch das Thema, wie Sprache Wirklichkeit konstituiert, steht im Mittelpunkt der Erzählung: Es findet sich sowohl in den Erläuterungen zu den konzeptuellen Unterschieden zwischen der Sprache der Menschen und der Athsheaner (die schon im wohlklingenden Titel angesprochen werden, denn das Wort der Menschen für Welt ist nicht Wald, sondern Erde) als auch in den unterschiedlichen Sprachstilen der drei Protagonisten: Captain Davidson, der Vertreter der skrupellosen, durchsetzungsfreudigen Ausbeuter, bastelt sich mit rassistischem Vokabular und Slang ein schlüssiges Weltbild zusammen, in dem er immer ein Held sein kann, Lyubov, der zurückhaltende Intellektuelle, tastet sich analytisch-vorsichtig durch die neue Welt und meint es (zu) gut, und Selver, der Athsheaner, ist in der Traumkultur seines Volkes verwurzelt und erlernt schließlich beide Sprachen und Konzepte. Mit ihnen tragen drei ausgereifte Figuren den Roman, die jeweils für ein spirituelles, ein intellektuelles und ein tyrannisches, in sich nachvollziehbares Paradigma stehen.
Was auf den ersten Blick vielleicht nach einer allzu simplen Gleichung klingt, in der Gut und Böse klar definiert scheinen, erweist sich als deutlich komplexer, denn Le Guin spricht auch den Konflikt an, dass ein beobachtender Forscher durch seine reine Anwesenheit Einfluss übt, und dass indigene Völker eben nicht nur durch diejenigen Schaden nehmen, die mit Unterwerfungs-Absichten kommen.

Zusätzliche Dynamik erhält das Geschehen durch das SF-Szenario der abgelegenen Kolonie, die nur mit starker Verzögerung Kontakt zur Heimatwelt aufnehmen kann. Spannung ist aber kein Hauptanliegen der Geschichte, zumindest nicht auf vordergründige Art. Man muss an dem Anteil nehmen, was zwischen den streiflichtartigen Szenen passiert, in denen ein für die Athsheaner sogar mythisches Geschehen auf wenige Seiten und Episoden heruntergebrochen wird, mit teils größeren zeitlichen Abständen zwischen den Kapiteln. Für das dünne Bändchen steckt unheimlich viel Stoff in diesem Roman, der im Universum von Le Guins Hainish Cycle angesiedelt ist, und die einzelnen Themen werden nicht in der Tiefe ergründet, wie es bei The Left Hand of Darkness oder The Dispossessed aus demselben Zyklus der Fall ist. Le Guin eweist sich aber auch hier als Autorin, deren Gedanken zu unterschiedlichen Gesellschaftsformen und Denkstrukturen ein spannendes Experiment, und, wenn man sich darauf einlässt, eine lohnende Lektüre sind, die während und vor allem nach dem Lesen weit über ihre 200 großzügig bedruckten Seiten hinauswächst.

Das Wort für Welt ist Wald von Ursula K. Le GuinAthshe ist ein Planet der Wälder, und die Athsheaner sind ein friedliches Volk. Als die Menschen dort eine militärisch geführte Kolonie gründen, um die Rohstoffe des Planeten auszubeuten und den Wald in landwirtschaftlich nutzbares Land zu verwandeln, bleiben die Ureinwohner des Planeten auf der Strecke und werden sogar als Arbeitssklaven benutzt. Sie gelten den meisten Menschen nur als Tiere, sie wehren sich nie und wirken faul und dumm. Doch die Athsheaner haben eine eigene Kultur des Träumens, und in dieser Kultur brodelt es, als ein Athsheaner beginnt, vom Krieg zu träumen.

Zu Das Wort für Welt ist Wald liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Yamada Monogatari von Richard ParksLord Yamada, ein gefallener Adliger, hat sich auf die Lösung von übernatürlichen Problemen spezialisiert – er steht mit Schwert, Witz und buddhistischen Sutras bereit, um sich um Oger, Geister und Dämonen zu kümmern, die die Mitglieder des Hofes von Kyoto belästigen, ihre Ehre beflecken oder ihre Bauern fressen. Zwischen den Missionen braucht er allerdings immer mehr Sake, denn mit einem simplen Töten der übernatürlichen Erscheinungen ist es meist nicht getan.

-I was just outside of Kyoto, close on the trail of a fox spirit, when the ghost appeared.-
Fox Tails

Wenn Japan überhaupt Setting für Fantasy-Geschichten ist, dann sind sie meistens in der Edo-Zeit angesiedelt, um vor dem Hintergrund der großen Samurai-Schicht und der Kämpfe zwischen den Provinzherrschern zu spielen. Dass die friedlichere Heian-Zeit erzählerisch weniger hergibt, könnte man aber nach der Lektüre von Yamada Monogatari nicht mehr behaupten: Hinter der Fassade des hochregulierten höfischen Lebens brodelt es, und für jene Fälle, die ein etwas peinliches übernatürliches Problem beinhalten, lässt sich zum Glück Lord Yamada anheuern, der als ehemaliger Adliger einerseits Umgang mit der feinen Gesellschaft pflegen kann, sich andererseits aus akutem Geldmangel aber auch nicht zu schade ist, sich die Finger schmutzig zu machen.
Er ist ein bisschen wie ein fernöstlicher Hexer Geralt, dieser Yamada no Goji: Ein armer Schlucker, den die Gesellschaft braucht, um die Probleme zu beseitigen, derer sie nicht Herr wird, der sich in dieser prekären Lage jedoch eine edle Gesinnung bewahrt hat und viele brenzlige Situationen mit einem guten Schuss Pragmatismus meistert.

Richard Parks hatte aber vermutlich keinen europäische Märchenstereotype verkloppenden Hexer im Sinn, als er Yamada Monogatari konzipiert hat, sondern eher einen japanischen Hardboiled Detective, komplett mit bittersüßer Liebesgeschichte, zu viel Sake und einem enttäuschten Blick auf die Gesellschaft. Die zehn Fälle, die in diesem Sammelband aufgeklärt werden, geben diesem Blick auch recht und verweisen auf einen zweiten Eckpunkt von Parks’ Geschichten: die Gothic Novel. Auch im mittelalterlichen Japan sind die Fälle nur selten so leicht gelöst, wie sich die Auftraggeber das ausmalen (Kopf ab!); meist liegen gute Gründe für die Heimsuchung vor, und es sind schmutzige, ungute Geheimnisse, die durch die Präsenz von Fuchsgeistern, Oni oder Geistererscheinungen an die Oberfläche gespült werden und für die Lord Yamada eine Lösung finden muss.
Damit erklärt sich auch die meist ruhige Erzählweise der Geschichten trotz des martialischen Themas. Nur kurz blitzt hin und wieder eine Actionszene auf, ansonsten liegen die Stärken von Yamada Monogatari in den Dialogen, dem feinen Humor und den gut recherchierten Beschreibungen. Die Lösung wird selten mit dem Schwert erreicht, es kommt auf Witz, das Nutzen der starren gesellschaftlichen Regeln (und ihr Umgehen an geeigneter Stelle) und Menschenkenntnis an.

Die Geschichten sind mosaikartig angeordnet und ergeben nach und nach ein Muster, als Nebenfiguren immer wieder auftauchen und die politische Gesamtsituation sich im Hintergrund weiterentwickelt. Hängt Lord Yamada zwischen den Missionen zu versoffen durch, kann man sich darauf verlassen, dass der Priester Kenji erscheint und ihn aus dem tiefen Tal führt (indem er ihm den letzten Sake wegtrinkt). Am Ende ist sogar eine Art Hintergrundgeschichte abgeschlossen, und wenn man Gefallen an Yamada und seinen Mitstreitern gefunden hat, kann man sich darauf freuen, dass Richard Parks sie damit für eine geplante Romanreihe in Position gebracht hat.

Das Setting profitiert stark von der Präsenz der übernatürlichen Welt, die sich nicht nur in Form von Problemen manifestiert, sondern auch in Alltagserscheinungen wie Mottengeistern, verwunschenen Wäldern gleich um die Ecke der belebten Hauptstadtstraßen und Ahnengeistern. Die – für die Fantasy – ungewöhnlichen Monster und Gesellschaftsregeln werden durch die Tatsache lebendig, dass in Lord Yamadas Zeit das Göttliche und das Dämonische im Grunde akzeptiert werden, aber auch für eine Welt stehen, die im Schwinden begriffen ist, da der Aufstieg der Samurai kurz bevorsteht, der nicht nur das höfische Leben am kaiserlichen Hof bedroht, sondern auch die übernatürliche Welt verdrängt, ganz als würde damit endgültig bewiesen, was Lord Yamada ohnehin längst begreift: Die allerbesten Monster geben immer noch Menschen ab.

Die Zwerge von Amboss von Thomas PlischkeDer Zwergen-Ermittler Garep Schmied muß zusammen mit seinem Assistenten einen Mordfall aufklären: Ein Komponist wurde ermordet, und alle Indizien deuten darauf hin, daß sein menschlicher Diener den Mord begangen hat. Garep hat jedoch seine Zweifel.
Als allerdings ein weiterer Übergriff von Menschen auf Zwerge stattfindet, kocht die ohnehin geladene Stimmung über: Im Wahljahr der Zwerge haben diese Fälle, die augenscheinlich von den als Flüchtlingen im Zwergenreich lebenden Menschen begangen wurden, auch politische Bedeutung. Nachdem Garep endlich eine Verdächtige an der Hand hat, wird ihm der Fall entzogen.
Derweil laufen im Hintergrund schon längst die Vorbereitungen für einen Krieg…

-Garep Schmied hätte nie erwartet, im Zuge seiner Arbeit einmal eine Silberflöte aus dem Rücken eines Zwergs ragen zu sehen.-
1

Sollte einmal eine Wahl zum unoriginellsten aller Fantasy-Völker stattfinden, so hätten die Zwerge wohl nicht die schlechtesten Chancen darauf, den Titel zu ergattern. Seit einst der erste Zwerg tolkienesker Ausprägung seinen Kopf aus einem Felsenschacht strecken durfte, bevölkern sie als wandelndes Klischee mit Bart, Spitzhacke und einem Hang zur Derbheit diverse Fantasywelten. Individuelle Charakterzüge sind meist eine Fehlanzeige, man begegnet stets Abgüssen des „Urzwergs“.
Auch in Thomas Plischkes Zerrissenen Reichen schimmert dieser klassische Fantasy-Zwerg hin und wieder durch – immer dann, wenn seine umtriebigen Nachfahren auf ihre ferne Vergangenheit blicken. Für Die Zwerge von Amboss wurde der Klassiker aber konsequent und auf sehr authentische Art und Weise weiterentwickelt, in eine industrialisierte, säkularisierte und zutiefst bürgerliche Zwergengesellschaft, so daß man sich als Leser in einer phantastischen Version des wilhelminischen Zeitalters wähnt, in dem Zwerge plötzlich einen Alltag und Familien haben (aber auch Feuerwaffen und Eisenbahn) und beinahe ein wenig beschämt auf ihre vergangenen Tage als Buddler und Krieger zurückblicken.

Schon diese augenzwinkernde Betrachtung liebgewonnener Klischees spricht für eine originelle Bearbeitung des Zwergenstoffs (oder auch Rollenspielstoffs, denn man begegnet noch Halblingen und Elfen, Diebesgilden, höhlenbewohnenden Ungeheuern und weiteren Ingredenzien, die an rollende Würfel denken lassen), doch trotz der Anlehnung ans wilhelminische Kaiserreich stechen vor allem brandaktuelle Themen aus der Romanhandlung hervor: So sind in diesem Szenario etwa die Menschen aufgrund einer Art verschärfter Variante der Reformationskriege Flüchtlinge, und die Zwerge sind wenig angetan von den vielen schmarotzenden Ausländern, die in ihre Städte strömen. Daß einem bei den Debatten, ob und wie diese Menschen besser zu integrieren seien, deutsche Politiker diverser Couleur in den Sinn kommen, ist vielleicht ein nicht ungewollter Nebeneffekt, und dem Roman tun die unverbrauchten Themen und der Gegenwartsbezug gut. Daß solcherlei Konflikte meistens durch die Sichtweise der Zwerge vermittelt werden, macht sie um so interessanter.
Zudem erinnern stets viele liebevoll gestaltete Details daran, es nicht nur mit kleingeratenen Menschen, sondern einer eigenen, wie gewachsen wirkenden Kultur zu tun zu haben: Zwergische Bräuche, Sprachbilder und Eigentümlichkeiten gibt es zu Hauf zu entdecken, alle ideenreich vom Urzwerg abgeleitet und durch den Fleischwolf einer geschichtlichen Entwicklung gedreht. Sprachlich sind diese Dinge gekonnt eingebunden, etwa wenn Körperteile zwergisch benannt werden.
Nebst verschiedenen (tatsächlich sehr individuellen) Zwergen, die Teestuben besuchen, Moden nacheifern oder sich alldem traditionalistisch verweigern und politische Debatten führen, darf man allerdings auch noch Halblingen, die hier eine Art bürokratische Aufseherkaste stellen und sich als ein fremdartiges, eigentümliches Volk entpuppen, und den auf die ein oder andere Weise von ihrer Religion bestimmten Menschen über die Schultern schauen. Sowohl die Charaktere als auch das politische Szenario, das im Laufe der Handlung bedenklich ins Wanken gerät, werden kontinuierlich entwickelt und sorgen dafür, daß es kaum Leerlauf gibt und Spannung groß geschrieben wird.

Einen Großteil der Faszination dieses Auftaktbandes macht dennoch das Entdecken der gut ausgearbeiteten Welt aus, hinzu kommt die spannende Mischung aus Krimi-Elementen, politischer Verschwörung und eines sich anbahnenden Konflikts zwischen Glauben und Vernunft. Nachdem die Handlung mit Garep Schmied anfangs vor allem auf eine Figur setzt, die sich nahe am Hardboiled detective bewegt – ein desillusionierter Ermittler mitsamt verlorener Liebe, halb geheimen Süchten und Schnüfflermentalität – dreht der Plot später eher in die Abenteuer- und Thrillerecke ab, in der die Charaktere nicht ganz so gut auftrumpfen können. Zusammen mit dem Nachlassen der entdeckerischen Aha-Effekte ergibt sich ein für das interessante Szenario doch etwas konventionelles Ende, das leider auch mehr als offen bleibt. Ähnliches geschieht in einem zweiten Handlungsstrang rund um medizinische Experimente an den Insassen einer Heilanstalt, der beeindruckend beginnt und mit einem Traum aufwarten kann, der zu den stärksten Szenen des Romans zählt, dessen Ende aber vorhersehbar ist und den Erwartungen nicht ganz gerecht wird.
Doch selbst wenn die Spannungskurve zum Ende hin etwas abflacht, liegt doch ein Roman vor, der gleichzeitig ein hohes Tempo und einen bisher in Zwergenreichen ungekannten Tiefgang an Themen und Charakteren – und durchaus auch Humor – zu bieten hat. Da sich der Wirkungsradius der Handlung in den finalen Szenen erhöht, darf man gespannt erwarten, was es im nächsten Band zu entdecken geben wird und wie die vielen, teilweise erst ansatzweise eingebrachten Themen fortgeführt werden.
Die Zwerge sind also rehabilitiert!