Für viele von uns sind Namen mehr als nur interessante Buchstabenfolgen – weit über simple Allegorien hinaus verorten sie uns LeserInnen in einer fremden Welt, sagen uns, welchen Klang sie hat, wie vertraut oder fremd sie ist, welchen Bezugsrahmen sie schafft, wie erfindungsreich oder gewöhnlich sie sich präsentiert.
LeserInnen phantastischer Literatur wünschen sich zurecht, dass bei der Übersetzung von Eigennamen sorgfältig und sensibel vorgegangen wird.
Viele wünschen sich allerdings auch, dass Eigennamen generell unübersetzt bleiben sollen.
Doch während wir in der „realistischen“ Literatur schon lange mehr keinen Herrn Schmidt aus einem Mr Smith machen, ist dieser Wunsch in der phantastischen Literatur zu kurz gesprungen. Wann immer es um eine eigenständige Sekundärschöpfung geht – also eine Welt, auf der kein Großbritannien, kein Deutschland, keine USA existieren – gibt es auf die Frage, ob (sprechende) Eigennamen einer Übersetzung bedürfen, nur eine Antwort: Ja!
Die Gründe hierfür lassen sich unter drei Punkten zusammenfassen:
1, Verständlichkeit
Nicht alle LeserInnen beherrschen die Originalsprache. Wer einwenden will, die heutigen DurchschnittsleserInnen seien mit ausreichend vielen Anglizismen und der englischen Sprache an sich vertraut, muss sich der Frage stellen, wer dabei auf der Strecke bleibt: Was Qhorin Halfhand auszeichnet, mag sich fast jedem erschließen. Aber was, wenn AutorInnen sich mit Etymologie und Onomastik ihrer Muttersprache beschäftigt haben – was bei der Weltschöpfung und der Auseinandersetzung mit Sprache durchaus zum Handwerk gehören kann –, wenn also die sprechenden Elemente der Wörter einzelne Morpheme sind, vielleicht sogar veraltete? Versteht auch jeder, der Herrn Halbhand zuordnen konnte, was es mit der achtbeinigen Shelob auf sich hat?[1] Dabei sind uns manche Namensbausteine mit Bedeutung nicht einmal in der eigenen Sprache ganz klar bewusst: die zahllosen Müllers stellen uns vor kein Problem, und wir wissen, was Neustadt bedeutet, bei Stuttgart oder Schubert wird der ein oder andere nachdenken oder -schlagen müssen. Anderes wissen wir intuitiv, können es i.d.R. aber nicht aktiv abrufen. Was bedeutet die Endung „schaft“? Und wissen wir um diese Dinge tatsächlich auch in einer Fremdsprache?
Spätestens, wenn die Fremdsprache nicht mehr Englisch heißt, offenbart sich das Ausmaß der Problematik: Was ist mit spanischen Namen? Russischen? Wer hätte sich beim Geralt-Zyklus des polnischen Autors Andrzej Sapkowski eine Sängerin namens Oczko gewünscht statt Äuglein? Oder hätte Geralt auch gleich der Wiedźmin Geralt z Rivii bleiben sollen?
Für LeserInnen, die der Originalsprache nicht oder nicht ausreichend mächtig sind, geht bei einer unterlassenen Übersetzung von Namen eine Bedeutungsebene ganz oder teilweise verloren, dafür wird eine nicht intendierte Ebene hinzugefügt, was uns zum nächsten Punkt bringt.
2, Wirkung
Unsere Muttersprache haben wir verinnerlicht, mitsamt ihrer Wortbildung und der groben Bedeutung einzelner Bausteine, so dass wir Erklärungen sofort, meist sogar passiv abrufen können – was bei guten sprechenden Namen (v.a. Ortsnamen) ein äußerst nützlicher Umstand ist: Sie fügen sich relativ natürlich in den Kontext ein, ihr Bedeutungsinhalt ist etwas, über das man im Zweifelsfall nicht zweimal nachdenken muss. Ein unübersetzter Eigenname bleibt dagegen ein Fremdkörper im Text, der zwar vielleicht verstanden wird, jedoch eine „Exotik“ ausstrahlt, die so nicht intendiert war. Denn etwas, das vorher mit dem Kontext verschmolzen ist, ragt nun in der Fremdsprache daraus hervor und wird anders wahrgenommen. Und das Herausragende sind dann genau jene Elemente, die vom Autor/der Autorin ursprünglich so angelegt wurden, dass sie ohne Hürde verstanden werden können.
Folgende Sätze illustrieren das Problem vielleicht:
Die Zeit Damelon Giantfriends neigte sich im Land ihrem Ende zu, noch bevor meinesgleichen den Bau von Coercri oder Grieve vollendeten, der Siedlung der Riesen bei Seareach.[2]
Als Herr Bilbo Baggins von Bag-End ankündigte, daß er demnächst zur Feier seines einundelfzigsten Geburtstages ein besonders prächtiges Fest geben wolle, war des Geredes und der Aufregung in Hobbiton kein Ende.[3]
Für einige LeserInnen ist vermutlich die Verfremdung, die unvertraute Assoziation, die das Englische mit sich bringt, durchaus reizvoll – sie finden Stormhaven, Hayholt oder Wormtail in einem deutschen Text klangvoller als Sturmhafen, Hochhorst oder Wurmschwanz. Zumal aufgrund der angloamerikanischen Provenienz eines Großteils der Fantasy und der langen Tradition, Eigennamen mitunter unübersetzt zu lassen, englische Begriffe womöglich auch mit „Fantasyflair“ assoziiert werden und schon immer eine Prise Exotik beigesteuert haben, die gern angenommen wurde.[4] Der Effekt ist dennoch gegenläufig zu dem, was AutorInnen mit sprechenden Namen bezwecken – etwas Vertrautes oder auch Ungewohnt-Nachvollziehbares mit dem Material zu schaffen, das ihnen und ihren LeserInnen zur Verfügung steht.
Besonders deutlich wird die verfremdete Wirkung nicht eingedeutschter Namen, wenn man auf den Klang achtet, obige Sätze z.B. laut liest, denn dann stehen mitten im Satz Wörter, die anderen Ausspracheregeln folgen. Dadurch kommt es zu einem Bruch im Lesefluss, der sogar noch weiter geht, wie im nächsten Punkt ausgeführt.
3, Immersion
Wenn eine Fantasywelt als Sekundärschöpfung vorliegt, wird die innertextuelle Fiktion häufig durch eine eigene Historie und deren Verschriftlichung und durch eigene Sprachen verstärkt. Nicht selten gibt es Referenzen auf Bücher, Chroniken, Annalen dieser Welten. Wenn diese Fiktion zu Ende gedacht wird, ist die Muttersprache des Autors oder der Autorin lediglich ein Substitut für die Sprache der Welt der Geschichte, und AutorInnen sind “ÜbersetzerInnen” aus dieser Sprache.
Den Archetypus für diese Idee hat Tolkien (bei dem auch die Sprachschöpfung vor der Weltschöpfung stand) mit seinem Roten Buch geschaffen, der fiktionalen Quelle seiner Mittelerde-Geschichten: Anhang F von Der Herr der Ringe erklärt:
Bei der Sprache, die in dieser Geschichte durch Englisch ausgedrückt wird, handelt es sich um das Westron oder die “Gemeinsprache” der westlichen Lande von Mittelerde im Dritten Zeitalter.
Tolkien treibt die Fiktion soweit, dass er Eigennamen, die auf Westron Bedeutung tragen, in ihre Entsprechungen im Englischen (oder verwandten Sprachen) “übersetzt” hat, und auch phonetische Anpassungen vornahm: So ist z.B. auch das Wort Westron selbst eine Übersetzung von Adûni, und die Hobbit(was natürlich auch eine Übersetzung ist)-Familie Boffin ist eine phonetische Angleichung von Bophîn ans Englische.[5]
Kompliziert und weit hergeholt? Es geht auch einfacher: Gibt es einen Grund, weshalb man auf Mittelerde, in Osten Ard oder in Bas-Lag Englisch sprechen sollte? Nein, denn all diese Welten sind so aufgebaut, dass sie eigene Sprachen und Kulturen besitzen und losgelöst von unserer Welt stehen. Auf Fantasywelten spricht man Hardisch, Khuzdul oder Galach.
Englische Einsprengsel führen dazu, dass die Illusion zerstört wird, sich in einer anderen Welt zu befinden, denn Englisch ist für viele LeserInnen konkret verortet, wohingegen Deutsch als unsere Default- und Denksprache in den Hintergrund tritt – es ist für Muttersprachler ein Neutrum (Bayrisch oder Platt verorten wir allerdings sehr wohl, weshalb Dialekte für Fantasy meist gänzlich ungeeignet sind). Das Eintauchen in eine Fantasywelt wird durch eine Verortung der Sprache in unserer Welt erschwert, und allein die Tatsache, dass man bei unübersetzten Namen plötzlich wieder Englisch und Deutsch vor der Nase hat, macht die Übersetzungarbeit und die Sprachunterschiede unserer Welt sichtbar.
Übersetzung: unerlässlich
Leider kann die Fantasy-Literatur auf eine lange Reihe schlampig oder nur teils übersetzter Namen zurückblicken. Auch heute wird das Thema unterschiedlich gehandhabt, und die sonstige Verwendung von Anglizismen sorgt dafür, dass englische Begriffe als jugendlich-spritzig gelten und daher z.T. gezielt im Text belassen werden.
Betrachtet man übrigens den umgekehrten Weg, die Übersetzung vom Deutschen ins Englische, werden sprechende Namen natürlich auch übertragen, so hat etwa Ralph Manheim, der neben Grass und Brecht auch Michael Ende übersetzte, nicht nur die “Desert of Colors” und die “Swamps of Sadness” in den Text von The Neverending Story eingebracht, sondern auch aus Phantásien Fantastica gemacht und sogar phonetische Anpassungen vorgenommen, etwa von Fuchur zu Falkor.
Solche phonetischen Anpassungen kommen auch vom Englischen ins Deutsche vor (z.B. Winnie-the-Pooh zu Pu der Bär) und sind zumindest in Fällen, in denen die Aussprache der Originalnamen nach deutschen Regeln völlig in die Irre führen würde, sinnvoll – aber mit Sicherheit strittiger als reine Namensübersetzungen.
Trotz der eindeutigen Gründe für eine Übersetzung von Eigennamen[6] ist nachvollziehbar, dass es Probleme mit der Eindeutschung gibt. Nicht nur, weil es häufig schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, Namen eins zu eins zu übertragen, sondern vor allem, weil die Namen gerade in der Fantasy die Realität der benannten Figur, des Ortes oder der Sache konstituieren, ihre Identität maßgeblich mitbestimmen. Bei einem Gegenstand von solcher Bedeutung spielt die Gewohnheit zwangsläufig eine große Rolle, und ganz gleich, wo man dem Original-Namen zuerst begegnet ist – im englischen Roman, in einem Internetforum oder in einer alten Übersetzung –, ist es verständlich, wenn man eine Eindeutschung auf den ersten Blick ablehnt. Meine Bitte wäre daher: Riskiert auch einen zweiten Blick. Gerade die ÜbersetzerInnen, die sich um die Übersetzung von Namen bemühen, machen sich häufig Gedanken, gehen nicht unbegründet vor, sprechen sich mit dem Autor oder der Autorin ab.
Umgekehrt ist für eine Akzeptanz von übersetzten Eigennamen eine hohe Qualität dieser Übersetzungen und nicht zuletzt konsequentes Vorgehen nötig – dann können sprechende Namen die ihnen eigene Poesie entfalten und wir müssen nicht auf den Grauen Mausling, Simon Mondkalb, das Auenland oder Schwelgenstein verzichten.
_____
- 1 Margaret Carroux hat es in ihrer Übersetzung von Der Herr der Ringe bei näherer Betrachtung ziemlich gelungen mit Kankra ausgedrückt – mehr darüber kann man hier nachlesen.
2 aus: Lord Fouls Fluch (Stephen R. Donaldson); in der Übersetzung von Horst Pukallus heißt es tatsächlich: Die Zeit Damelon Riesenfreunds neigte sich im Lande ihrem Ende zu, noch bevor meinesgleichen den Bau von Coercri oder Herzeleid vollendeten, der Siedlung der Riesen an der Wasserkante. Der Effekt wird allerdings zunichte gemacht, wenn ein paar Seiten weiter Diamondraught getrunken wird.
3 aus: Der Herr der Ringe: Die Gefährten (J.R.R. Tolkien); in der Übersetzung von Margaret Carroux heißt es tatsächlich: Als Herr Bilbo Beutlin von Beutelsend ankündigte, daß er demnächst zur Feier seines einundelfzigsten Geburtstages ein besonders prächtiges Fest geben wolle, war des Geredes und der Aufregung in Hobbingen kein Ende.
4 Die Vehemenz, mit der Namensübersetzungen manchmal verteufelt werden, lässt den Schluss zu, dass muttersprachliche Eigennamen der Leserschaft vielleicht zu wenig phantastisch sind, zu gewöhnlich klingen.
5 Näheres hier: http://tolkiengateway.net/wiki/Westron#Translation
6 Bei Fantasy, die auf unserer Welt spielt oder bei der aus anderen Gründen die Sprache Englisch (oder andere Fremdsprachen) existieren, fällt das Argument der Immersion natürlich weg, und die anderen beiden sind abzuwägen gegen die Authentizität der sprachlichen Herkunft der Eigennamen.
Sehr, sehr schöner Artikel, unaufgeregt und gut argumentiert. Danke dafür!
Ein wunderbarer Artikel, der die wesentlichen Aspekte toll auf den Punkt bringt. Sehr schön, Kaeferl!
Vielen Dank für diesen wunderbaren Beitrag zum Thema!
Tja, du hast definitiv alle bekannten Gründe angebracht, weshalb man neue Übersetzungen nicht mögen könnte – und alle Gründe sind meines Erachtens nur vorgeschoben um sich nicht mit der Übersetzung befassen zu müssen. Gerade das “aber ich versteh es doch” empfinde ich als großen Fehler! Ich muss ehrlich sagen, dass ich der Meinung bin, dass ich – obwohl ich doch relativ gut Englisch verstehe – denke, dass mir nicht alle Namen in “Song of Ice and Fire” sofort klar waren bzw. das ich noch immer nicht alle mit der Geschichte und damit ihrer Bedeutung verbunden habe.
Ich bin auf jeden Fall für die Übersetzung von Namen – besonders da ich schon ein paar wirklich gute Beispiele kenne… 😉
'Pingback: Schreibblockade.com | Harald Töpfer und die Übersetzungen des Grauens
Es gibt allerdings auch gute Gründe, die gegen eine Übersetzung von Eigennamen in der Fantasy sprechen.
Es ist vor allem und gerade die Phonetik, die hier überhaupt nicht angesprochen wird, die jedoch für viele Autoren bei der Namensfindung gleichwertig zur, wenn nicht sogar vorrangiger ist, als die aktuelle Wortbedeutung.
Klassisches Beispiel ist die Pratchett-Übersetzung zu Captain Samuel “Sam” Vimes. ‘Vimes’ an sich hat keinerlei Bedeutung; es ist ein rein dem Klang nach gewählter Name, der in seiner Verwendung ‘Captain Sam Vimes’ eine ‘Dirty Harry’-Assoziation hervorruft. Etwas, das ja durchaus der Figur entspricht.
Die Übertragung in ‘Hauptmann Samuel Mumm’ gibt dem Namen eine vollkommen unnötige und vom autoren unbeabsichtigte Inhaltsebene – und wandelt das phonetische Bild in das eines trotteligen, deutschen Nachtwächters.
Gleiches passiert zum Beispiel beim Martins ‘King’s Landing’, dessen stolzer Klang im deutschen ‘Königsmund’ ausgesprochen altbacken wird. Und das nebenbei auch inhaltlich ein falsches Bild erschafft.
Nochmal Pratchett und Gaiman – Good Omens:
Eine Übersetzung von Agnes Nutter in Agnes Spinner geht am Sinn der Namenswahl völlig vorbei, denn Ms. Nutter soll nur am Rande als etwas sonderbar dargestellt werden, sondern spielt in erster und vorderster Linie auf den realen, berümtesten englischen Hexenprozess um die ‘Pendle Witches’ an und die darin Hauptbeschuldigte Agnes Nutter (sic!). Gleiches gilt für die gute Anathema Device, die nicht so heißt, weil sie etwas mit Geräten zu tun hat, sondern weil drei der anderen Hexen des o.g. Prozesses der Familie ‘Device’ entstammten (Elisabeth, James und Alizon).
Es gibt also gute Gründe, seine Finger von Eigennamen zu lassen, wenn man nicht GENAU weiß, warum sie der Autor überhaupt gewählt hat.
Oder sollte man kosequent sein und Harry Potter doch besser gleich in ‘Harald Töpfer’ umsetzen?
Oder warum wurde (nochmal Scheibenwelt) dann inkonsequent gearbeitet und der Ort ‘Scrote’ NICHT in z.B. ‘Hodensack’ übersetzt? Es ist ja wohl klar, dass das gemeint ist, wenn ganz in seiner Nähe der ‘Ort. wo die sonne nie scheint’ liegt.
Und was ist mit Hersheba, Ephebe oder Djelibeby, die von Pratchett ganz offen als phonetische Spielereien auf ‘Hershey Bar’, ‘F&B’ (ein in England gängiges Akronym für ‘Food and Beverages’) und ‘Jelly Baby’ verwendet wurden. Sollte man da nicht gleich von den Ländern ‘Milkar’, ‘Spunget’ (‘Speisen und Getränke’) und ‘Haribos’ sprechen?
Ich denke nicht. Vor allem, da eben selbst Autoren wie Pratchett, die sich durchaus viel bei ihrer Namensgebung denken oft vorrangig nach der Phonetik gehen. Ephebe klingt griechisch – Spunget nicht sonderlich.
Und mal ehrlich – was wäre uns entgangen, wenn Shelob weiter Shelob geheißen hätte, statt Kankra? wieviel Prozent der Leser können mit Kankra mehr anfangen als mit Shelob? 0,1%? 0,2%?
Warum heißt das Pony Bill dann ‘Lutz’? Wäre ‘Willi’ nicht gebräuchlicher und konsequenter gewesen? Und: Was spricht gegen Bill?
Die komplizierte, irreführende Aussprache? die im Deutschen andere Bedeutung? Der leichter verständliche Bedeutungsinhalt des Wortes?
Oder bleiben wir bei der Donaldson-Übersetzung, in der das harsch klingende ‘Grieve’ mit dem melodramatisch-schmalzigen ‘Herzeleid’ übersetzt wurde, was den harten Klang des Wortes völlig zerstört. Dabei hätte man es wenigstens mit dem (ohnehin korrekteren) ‘Gram’ übertragen können. (Ich frage mich sowieso, wieso man dann nicht von ‘Herrn Fauls Fluch’ sprechen sollte, wenn die Übersetzung sprechender Eigennamen unerlässlich ist.)
Wie der erste Satz des Artikels selbst sagt: Namen sagen uns, welchen Klang eine Welt hat. Und Übersetzungen verfälschen diesen Klang nur allzuoft zugunsten einer Inhaltsübersetzung, die für das Verständnis des Textes keinerlei Bedeutung hat.
Mein Fazit: Im Zweifel lieber den Klang des Originals beibehalten, als eine Übersetzung, die durch falschen Klang vollkommen unsinnige Assoziationen und Stimmungen hervorruft oder durch schlampige Übertragungen ohnehin die vom Autor beabsichtigte Bedeutung verfälscht.
Volle Zustimmung. Ein schöner Artikel. Ein Leser, der eine deutsche Übersetzung kauft, kauft damit auch den Anspruch, dass er diese Übersetzung mit seinen deutschen Sprachkenntnissen voll verstehen kann.
Lieber Tom,
Dein Beitrag zu Übersetzungen ist leider ziemlicher Murks. Das fängt schon bei “Sam Vimes” an, den der Übersetzer (IMHO völlig zurecht) auf das englische “vim” zurückgeführt und daher entsprechend übersetzt.
Des weiteren ignorierst Du mal ebenso weg, dass es im Bibliotheka-Artikel um Übersetzungen von Namen in Welten geht, die eben nicht die unsere sind. Harry Potter hingegen spielt ja in einem Urban-Fantasy-England, dort würde (laut dem Artikel) gar nicht übersetzt werden, trotzdem nutzt Du das immer wieder, um die Idee der Übersetzung von Eigennamen ins Lächerliche zu ziehen.
Der Rest Deiner Beispiele ließe sich sicher auch auseinandernehmen oder darlegen, aber dazu bin ich ehrlich gesagt gerade viel zu wütend.
Mal ganz ehrlich: Warum denkt eigentlich die ganze Welt, sie könnte besser übersetzen als Übersetzer, die dafür bezahlt werden?
Verärgert, Ole
Nein, Ole, “Vimes” bezieht sich nicht auf “Vim” – laut Pratchetts eigener Aussage, der in einem Interview sagte, er habe den Namen aus rein phonetischen Gründen gewählt.
Ebenso wie eben die drei Landesnamen phonetische (bzw. aufeinander aufbauende, alberne) und nicht wortinhaltlich relevante Spielereien sind. Alles andere ergäbe im Zusammenhang mit den so benannten Ländern auch gar keinen Sinn.
Dass im Nachgang Leute zu Herscheba das israelische Beersheba heranziehen, ist kaum zu vermeiden, aber auch Blödsinn. Wie man sieht.
Wenn du nachsehen willst:
http://www.docstoc.com/docs/37438850/Terry-Pratchett—Annotated-Pratchett-%28903%29
Seite 84
Was den Harry Potter angeht, finden sich dort eben genug andere Übersetzungen (ich sag nur ‘Diagon Alley’, in der ja unnötigerweise bei einer Übersetzung eines Straßennamens noch das Wortspiel vernichtet wurde). Insofern war diese Anmerkung durchaus berechtigt (auch wenn ich, das muss ich an dieser Stelle sagen, die Potter-Übersetzungen für gelungen halte).
Und was die Übersetzungen der Übersetzer betrifft, die dafür bezahlt werden, weise ich nur auf die katastrophale “rote” Neuübersetzung des HdR hin oder auch auf die legendäre Übersetzung von “at swim two birds” (“Zwei Vögel beim Schwimmen” von Lore Fiedler).
Mal ehrlich: Deine Schlussfolgerung hinkt aber auch, Ole. Nur weil irgendjemand für einen Job bezahlt wird, heißt das nicht, dass er ihn auch beherrscht.
“Mal ganz ehrlich: Warum denkt eigentlich die ganze Welt, sie könnte besser übersetzen als Übersetzer, die dafür bezahlt werden?”
Vielleicht, weil eine ganze Reihe Übersetzer in der Wahrnehmung der Leser und Zuschauer extrem miese Arbeit abliefern. Auch wenn sie dafür ggf. nichts können, weil ihre gute Übersetzung von Verlag oder (Spiel)Hersteller (oder Marketingfuzzis) durch Bullshit ersetzt wurde.
Damit will ich weiß Gott nicht Deine oder die Arbeit der Übersetzer auf dieser Website oder der im Artikel erwähnten Bücher niedermachen, aber wenn selbst in millionenschweren Kinofilmen von “Smurfs” die Rede ist statt von Schlümpfen, von “das kleine Haus in der Prärie” geredet wird statt von der kleinen Farm oder die auch im Deutschen spieltitelgebende Fantasyregion “Skyrim” plötzlich “Himmelsrand” heißt, obwohl Dutzende andere Orte unübersetzt bleiben, dann wirkt das auf den Betrachter nicht eben so als wäre die Arbeit der Übersetzer unangreifbar.
Deiner Folgerung, dass sprechende Eigennamen einer Übersetzung bedürfen – und zwar unbedingt – muss ich daher wenn auch verhalten widersprechen: Sie bedürfen nicht einer Übersetzung, sondern einer GUTEN Übersetzung.
Viele Übersetzung gerade von Pratchetts Figuren finde ich da in der Tat “suboptimal”, wenngleich aus anderen Gründen als den von Tom genannten.
Einschränkend müsste mindestens eingefügt werden, dass … hmmm … sprechende Namen, deren Klang eine realweltliche Assoziation wecken sollen (wie eben der absichtlich amerikanisch-noirig klingende Sam Vimes) diese Assoziation auch weiterhin tragen müssen.
Deutsche Namen wecken deutsche Assoziationen – und dadurch driften sehr viele deutschklingende Namen eeben auch in die Assoziationswelten von Gartenzwergen, Schupos oder germanischen Ubermenschen ab.
Ein wirklich guter Artikel, den ich gerade angesichts der sprachlich höchst unerfreulich durchmischten Freeman-Übersetzung („Das Land der Seher“) den Verantwortlichen beim Goldmann-Verlag gerne um die Ohren schlagen würde! 😉 Das Buch zeigt nämlich, wie unsäglich einem unübersetzte sprechende Namen im deutschen Text auf die Nerven fallen können. Zwar gehöre ich zu jenen Lesern, denen ein „Jon Schnee“ oder „Königsmund“ gar nicht gefällt (wobei „Schnee“ notwendig ist, „Königsmund“ aber auch schöner möglich gewesen wäre), aber letztlich sind es sprechende Namen und gehören deshalb übersetzt. Ob es – wie bei vielen Büchern – schönere und sinnfälligere Übersetzungen gegeben hätte, sei dahingestellt, denn „die eine in jeder Hinsicht perfekte Übersetzung“ gibt es nun einmal nicht immer.
Allerdings muss man auch Tom (s.o.) in diesem Punkt Recht geben: „Es gibt also gute Gründe, seine Finger von Eigennamen zu lassen, wenn man nicht GENAU weiß, warum sie der Autor überhaupt gewählt hat.“ Auf seine Pratchett-Beispiele trifft es definitiv zu – eben weil die angeführten Namen offenbar gar keine sprechenden sein sollten … wobei ich glaube, dass die wenigsten Autoren Übersetzer vor derartige Hürden stellen.
Entsprechend würde ich mir als Leser, der sich bewusst für den Kauf einer Übersetzung entschieden hat, auch wünschen, dass diese tatsächlich auch in jeder Hinsicht anständig übersetzt ist – dazu gehört, (eindeutig) sprechende Namen möglichst klangschön zu übersetzen; aber dazu gehört auch, Eigennamen ohne sprechende Bedeutung bitteschön zu belassen, wie sie sind (eine Ausnahme ist zugegebenermaßen die Eindeutschung von Namen, die eine Verortung der Geschichte in einem realen Land suggerieren, während die erzählte Welt tatsächlich vollkommen generisch ist – darauf hat mich eine kluge Freundin hingewiesen, die weiß, wovon sie spricht, und die auch weiß, dass ich hiermit sie meine :)). Es gibt aber auch andere Fälle, bei denen eine „Übersetzung“ einer Umbenennung gleichkommt, die mich persönlich immens stört, weil sie meines Erachtens die Namensgebung des Autors missachtet. Wenn z.B. aus einem Magier „Atrix Wolfe“ nicht etwa ein „Atrix Wolf/Wulf“ wird, sondern ein „Arun Wulf“, der damit völlig anders klingt als alle anderen Magier dieser Welt, hat die Übersetzung für mich den Sinn verfehlt und die Absicht der Autorin (Patricia McKillip, „The Book of Atrix Wolfe“ / „Die Königin der Träume“), ihre Magier kenntlich zu machen per Namensendung, ruiniert. Auch die Umbenennung von Tolkiens Pony “Bill” in “Lutz” halte ich für unsinnig, denn als störend englisch kann man „Bill“ kaum bezeichnen. Es gibt noch mehr Beispiele wie z.B. aus James Clemens’ „The Banned and the Banished“ (ich nenne die Namen hier aus dem Gedächtnis, so gut ich mich erinnere): Hier wurden (in einer sonst schönen Übersetzung) Namen als sprechend interpretiert, die meines Erachtens nach nie hätten „übersetzt“ werden sollen. Aus Sy-wen wurde Saag-wan, aus Mycelle Mikela etc. Wo ist da der Sinn?
Sehr ähnliche Gedanken habe ich mir vor kurzem auch gemacht. Das “Gefühl” von Mittelerde ist echt, dadurch, dass man – gerade als Kind oder Teenager – die Namen verstand. Deshalb sind Übersetzungen eigentlich unerlässlich, aber sie müssen halt gelungen sein, und das ist zum Beispiel “Casterly Stein” nicht, weswegen ich diese Serie konsequent auf Englisch gucke – dann passt die “innere Sprache” des Kontinents zu den Namen und Begriffen und ich bin glücklich. 😉
Spätestens bei Filmen, Computerspielen oder Hörbücher, also, wenn man die unübersetzten Ausdrücke inmitten des übersetzten Textes hört, sperrt sich einfach was im Hirn und man denkt unwillkürlich: Das klingt total bescheuert. Das wird aber bei Mischwörtern wie Casterly Stein und Jon Schnee nicht besser (das Dschon ist halt leider unübertragbar …), nur, weil sie jetzt Hälfte/Hälfte sind…
Also, ein schwieriger Job und das grade bei Phantastik, bei der sicher viele Verlage weniger Geld in gute Übersetzungen investieren…
@Andreas & Seyra: Eure Beiträge würde ich fast vollständig so unterschreiben.
Natürlich gibt es gute und schlechte ÜbersetzerInnen, nur ärgert es mich ungemein, wenn mit ein paar (durchaus geschickt aber nicht repräsentativ gewählten) Beispielen so getan wird, als ob die Übersetzung von Eigennamen totaler Humbug wäre. Noch dazu wenn manche dieser Beispiele zwar eingängig aber auch sehr angreifbar sind.
Und schlussendlich gilt eben: Jede Übersetzung hat “Reibungsverluste” bei Bedeutung, Konnotation, Subtext, Kontext und vielem mehr. Das lässt sich nicht vermeiden, die Aufgabe des Übersetzers ist es aber eine möglichst große Wirkungsgleichheit herzustellen und diese Verluste zu minimieren – und das versuchen die allermeisten (professionellen!) Übersetzer auch.
Der Rollenspielbereich ist für mich übrigens ein ganz anderes Thema, dazu mag ich mich aber jetzt nicht äußern, sonst rege ich mich nur wieder auf ^^
Beste Grüße, Ole
Um einem vielleicht entstandenen Eindruck entgegen zu wirken:
Ich will mitnichten die Arbeit der Übersetzer schlechtmachen – meine aussage bezog sich nicht auf die Qualität von Übersetzungen im Allgemeinen, sondern lediglich auf die Ableitung, dass eine Übersetzung von Eigennamen geradezu zwingend notwendig für die Qualitätserhaltung der Geschichte sei.
Viele Übersetzer machen einen großartigen Job und wo Mängel auftauchen sind sie ja oft genug noch nicht einmal von ihnen verschuldet, sondern äußere Zwänge (von Marketing bis Lektorat. Ich erinnere an die leidige Geschichte mit der Übersetzung von Pratchetts “Nation” und die Stellungnahme des Übersetzers Bernhard Kempen dazu).
Ich kenne einige Bücher, in denen eine Übertragung der Eigennamen durchaus wichtig ist (Die Namen der Charaktere in Joe Abercrombies romanen zum Beispiel sind in ihrer Wortbedeutung wichtiger als im Klang. Rudd Dreibaum muss für das Verständnis der Figur Dreibaum heißen, Logan Neunfinger muss eben der Neunfinger sein und der Hundsmann heißt nicht umsonst so). In diesen Fällen habe ich überhaupt nichts gegen eine Übersetzung.
Eine Übertragung eines vollkommen ungebräuchlichen, englischen Wortes (das schon kein engländer mehr kennt) wie Shelob in ein vollkommen ungebräuchliches deutsches Wort wie Kankra (das auch kein Deutscher mehr kennt), welches noch dazu “Spinne” heißt, also nicht einmal eine neue Bedeutungsebene eröffnet, wenn man es entschlüsselt hat?
Das halte ich für unnötig und allenfalls für einen heimlichen Scherz für Linguisten. Kann man machen – muss man aber eben nicht.
Genauso ist eine Übersetzung von Eigennamen überflüssig, die ihre Wortbedeutung für die Geschichte verloren haben. Niemand käme auf die Idee, einen Namen wie Margaret Thatcher zu übersetzen, nur weil er eine allgemein bekannte Bedeutung hat – warum muss also der Familienname Greyjoy bei George R.R. Martin unbedingt übertragen werden?
Ich finde (und natürlich ist das ein ganz persönlicher Geschmack), solange ein Name nicht unbedingt für das bessere Verständnis der Geschichte übersetzt werden muss, darf man ruhig der Phonetik den Vorrang geben und ihm seinen Klang lassen.
Deine Beispiele, Tom, inclusive deines Harald-Töpfer-Titels, sind zum Großteil so gewählt, dass sie am Artikel vorbeilaufen, das vorweg.
Aber wenn ich mich mal eben an Agnes Nutter festbeißen darf so wie du dich an Shelob, dann möchte ich gerne wissen, wieso uns der Linguistenscherz nicht gegönnt ist, aber der Historikerscherz ein so wichtiger Bestandteil des Romans sein soll?
Und wer entscheidet, welche Namen für das “Verständnis einer Geschichte” erforderlich sind? Wo genau läuft denn die Trennlinie zwischen Abercrombie, Pratchett und Martin, mit der ich die Entscheidung treffe, dass einige LeserInnen die Bedeutung eines Namens nicht mehr nachvollziehen können und die Wirkung des Wortes im Kontext sich fundamental verändert?
Ich bleibe dabei, Übersetzungen von sprechenden Namen sind unerlässlich. Dass sie gut sein sollen, versteht sich doch von selbst – dass sie es in der Praxis nicht immer sind und nicht immer waren, auch. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass an den drei von mir vorgebrachten Argumenten (wenn man sie nicht für Fälle heranzieht, die ich ausgeschlossen oder wo ich ein Abwägen vorgeschlagen habe) nichts zu rütteln ist.
Und in unserer Idealübersetzung, die wir uns alle wünschen, bezieht der Übersetzer/die Übersetzerin natürlich auch phonetische Gesichtspunkte mit ein, das geht mit der Forderung nach einer qualitätvollen und konsequenten Übersetzung einher. Die Phonetik ist dabei aber nur einer von vielen Gesichtspunkten, die zum Tragen kommen können – und nicht (immer) der ultimative.
Um die “Nutter”-Frage zu beantworten:
Weil diese Namen in England nicht (wie z.B. “lob”) ein schon fast völlig vergessenes Wort sind, sondern zum Aufsehen erregendsten Hexenprozess der Insel gehören. Das ist nicht einfach nur ein “Historiker-Scherz” sondern gibt der Geschichte eine weitere Bedeutungsebene, die vermutlich noch eine ganze Menge Briten verstehen.
Ähnlich ist es mit dem Scone-of-Stones / Stone-of-Scones-Wortspiel in Pratchetts “5th Elephant”, der für die Bedeutung der gesamten Geschichte entscheidend ist (so gut wie jeder Brite kennt den Stein, der im Krönungsthron der Westminster-Abbey integriert war, der mehrfach gestohlen, wiedergestohlen und durch Kopien (und angeblich Kopien der Kopien) ersetzt wurde. Das Teil ist nicht einfach nur, wie in der deutschen Übersetzung, eine “Steinsemmel”.
Namen haben eine Bedeutung, die oft genug gravierend verfälscht wird, wenn man sie durch andere Namen austauscht.
Oder, um Pratchett selbst zu zitieren:
“The thing about words is that meanings can twist just like a snake, and if you want to find snakes look for them behind words that have changed their meaning.”
Schlimmer wird es nur noch durch das austauschen.
*
Aber um ein Beispiel zu verwenden, das mir im Zusammenhang mit der Shelob eingefallen ist:
In der Gegend, in der ich geboren bin, heißen gewisse Erdfrüchte “Arbern” (übrigens ausgesprochen mit dem für die Oberlausitz typischen “texanischen” R. für den Normaldeutschen also auch nicht ohne weiteres richtig auszusprechen) oder moderner “Apern”.
Wenn ich dieses Wort jetzt in meiner fiktiven Welt für besagte Erdfrüchte verwende, weil es prima in den dortigen Sprachduktus passt (so wie es Tolkien mit seinem shelob getan hat), dann möchte ich noch lange nicht, dass ein Übersetzer z.B. “taters” draus macht, nur weil er auf die eigentliche Bedeutung des “sprechenden Namen” gekommen ist.
Obwohl es durchaus ein sprechender Name aus Deutschland (analog zu Shelob) ist, ist eine Übertragung in einen analogen, sprechenden Namen ins Englische vollkommen unsinnig.
*
Was das Nachvollziehen von Namen durch den Leser angeht – ist das notwendig?
Es wird immer wieder gesagt, dass das wichtig wäre, um die aus der “Ursprache” übertragene Namensversion auch in einer anderen Sprache erkennbar zu machen.
Aber wozu? Tun wir das denn sonst mit Namen? Im echten Leben?
Vollumfänglich kann ich den sprachwissenschaftlichen Ansatz nur bei Tolkien gelten lassen, dessen Ziel es ja u.a. war, eine Welt zu erschaffen, in der sich die Sprache, die er erschaffen hat, sinnvoll und logisch “selbst entwickelt” hatte. Hier sind ganze Teile der Geschichte tatsächlich aus sprachlichen Notwendigkeiten heraus entstanden, womit die Argumentation mit der eigenen Sprache tatsächlich valid wird.
Es ist natürlich vollkommen klar, dass jede eigene Welt (so sie nicht aus irgendwelchen triftigen Gründen dort unsere Sprachen sprechen, siehe das Britannia der Ultima-Serie) ihre eigenen Sprachen hat. Was das angeht – hier wo ich wohne gibt es auf 6 Kilometer drei einheimische Dialekte die laut den Einheimischen nicht wirklich kompatibel sind …
Aber sofern der Autor nicht wirklich “erfundene” Worte dieser Sprachen verwendet, bin ich als Leser eigentlich immer davon ausgegangen, dass der Autor genau weiß, warum er ein bestimmtes Wort als Name wählt und damit, das man genau dieses Wort beibehält.
Ich möchte ja schließlich auch nicht, dass man mich auf Englisch ‘Tom Organ’ nennt. Schon, weil ich nicht so heiße, egal, welche Wortbedeutung dem Namen zugrunde liegt (übrigens nicht das Instrument. Der Name stammt aus dem altfranzösischen und wurde nicht übersetzt. Sonst würde ich ‘Tom Stolz’ heißen.)
Dass man, um den Klang in einer anderen Sprache zu erhalten, leichte Anpassungen vornimmt, lasse ich mir da weit eher gefallen als eine Übersetzung (meine englische Verwandschaft schreibt sich z.B. seit einem Jahrhundert Orgell, weil in den USA sonst nämlich Orgill draus gemacht wurde).
So ist mir ein Sam Gamdschie halbwegs recht, die Shelob/Kankra-Nummer eben nicht so.
Warum sollte man also bei der Namensentwicklung und Verwendung NICHT von der natürlichen Verwendung in der “realen” Welt ausgehen?
Das widerspricht doch eigentlich genau der Aussage, dass es sich hier um einen natürlich gewachsenen Namen handelt und deutet auf eine künstliche, also unnatürliche Namensschöpfung. Ein Name um des Namens willen, nicht ein Name, den ein Ort nun mal aus Gründen trägt, die zu erfahren ich mich halt mit seiner Geschichte beschäftigen müsste (oder den ich stehen lassen bzw. hinnehmen kann, wenn ich dazu keine Lust habe) – ein Gedanke, der mich weit mehr von der Immersion abhält als der Gedanke “der heißt eben so wie er heißt. Es wird schon einen Grund haben”.
Aber diese Namen sind künstlich!
Es sind Schöpfungen, die im besten Fall das “natürlich” Gewachsene simulieren. Sie sind eine bewusste Wahl des Autors/der Autorin. Es kann von einer “natürlichen” Verwendung der Namen also keine Rede sein. Und wenn jemand sich bewusst für einen (diesen, keinen anderen) sprechenden Namen entscheidet und als Autorin ihre 26 Buchstaben wert ist, dann wird sie wissen (und verwenden), was in diesem Namen an Bedeutungen mitschwingt. Wir reden noch dazu von Sekundärwelten (deswegen will ich im Augenblick auch gar nicht mehr auf das Nutter-Beispiel eingehen, obwohl es dazu noch das ein oder andere zu sagen gäbe), wo die Beispiele, in denen wahre Namen oder die wahre Bedeutung von Namen oder die prophetische Kraft von Namen eine Rolle spielen, ganz massiv auftreten (Le Guins Namensregel, Der Name des Windes u.v.m.). Viel zu kurz gesprungen, wenn du nur Abercrombie und eigentlich nur Tolkien gelten lassen willst.
Du stellst folgende Frage, Tom:
Aber wozu? Tun wir das denn sonst mit Namen? Im echten Leben?
Teilweise ja, aber bei weitem nicht in allen Fällen. In einem normalen deutschen Text würde höchstwahrscheinlich “Ludwig der Vierzehnte herrschte als ‘Sonnenkönig’ über Frankreich” stehen, nicht “Louis Quatorze herrschte als ‘Roi Soleil’ über France”. Dieses Prinzip wird zwar nicht bei allen Orts- und Personennamen oder bei allen feststehenden Bezeichnungen genutzt, aber doch bei sehr vielen, bei denen uns die deutsche Variante weitaus vertrauter als die in der Originalsprache ist.
Insofern ist die von dir beschworene Verwendung in der realen Welt nicht so einheitlich, wie du zu glauben scheinst.
Ugh. Die Zitierfunktion mag mich nicht. Oder ich bin zu blöd. Kann auch sein.
Vor dem Artikel stand das Zitat von Mistkaeferl: “Es sind Schöpfungen, die im besten Fall das “natürlich” Gewachsene simulieren. Sie sind eine bewusste Wahl des Autors/der Autorin.”
Die beiden anderen, gegen die ich mich eben mit meinen Beispielen ausspreche, sind: “gibt es auf die Frage, ob (sprechende) Eigennamen einer Übersetzung bedürfen, nur eine Antwort: Ja!” bzw.
“Übersetzung: unerlässlich”.
Hm, ich weiß ja nicht…
Ich bin zwar nur ein “dummer Konsument”, aber ich glaube, dass sich hier ein paar Positionen nicht so ganz zusammen finden, weil sie über unterschiedliche Punkte streiten:
Es geht ja um “sprechende” Einzelnamen! Nicht um den Bill, der meinetwegen Will, Willi oder auch Lutz heißen darf.
Und da muss ich jetzt, Tom, dein Beispiel rausziehen: “Greyjoy”
Ganz ehrlich: als erstes kam mir bei der Erwähnung Theons mit seiner Herkunft in den Sinn, dass die Familie mit Freude auf ner tristen Insel sitzt und eigentlich nur Spaß dabei hat über die “Festländler” von Westeros herzufallen. Ich weiß nicht wie es übersetzt wurde (und ob!) aber im Deutschen passt da deutlich besser ein “Graufreud” oder “Graufroh” oder meinetwegen auch “Tristfreud” als in irgendeiner Art und Weise da “Greyjoy” stehen zu lassen!
Das Problem ist nämlich: man liest deutsch und muss dann im Hirn “auf englisch umschalten” um dann auch das wieder richtig zu lesen und eben auch phonetisch richtig zu erleben. Tja, das unterbricht mich doch sehr in meinem Lesefluss! Mag bei vielen anders sein, bei mir geht das gar nicht!
Um ganz kurz auf deine Anmerkung über die Hexen bei Pratchett zurückzukommen: hey, ganz ehrlich, ich hätte mit “Nutter” nix anfangen können und auch nix über die Hexenprozesse in England gewusst! Allerdings klappt es mit “Spinner” deutlich besser… Und jetzt? Du kannst nicht davon ausgehen, dass jeder Leser sich zu jedem Namen in einem Buch Gedanken macht. Und wenn ein Name in GB funktioniert, dann muss das nicht heißen, dass er in den USA oder in Australien genau den selben Effekt hervorruft. Müsste man dann möglicherweise je nach Land auch übersetzen? Jetzt wird es aber sehr kurios…
Über die Qualität der einzelnen Namensübersetzungen lässt sich immer streiten, nie ist jeder glücklich damit. Aber deswegen nicht zu übersetzen ist eben auch zu kurz gesprungen – eben genau wegen den Argumenten im Artikel!
So, genug Durcheinander von mir…
'Pingback: Zwei Tipps, von Maschinengeistern und sprechenden Namen « Thomas Michalskis Webseite