Tochter der Nacht

Cover von Tochter der Nacht von Marion Zimmer BradleyDas Buch erzählt die Geschichte der Zauberflöte aus der allseits bekannten Oper nach: Der edle Prinz Tamino soll im Auftrag der Königin der Nacht ihre Tochter Pamina aus den Fängen des Sarastro retten. An dessen Hof angekommen, stellt sich jedoch heraus, dass die Rollen von Gut und Böse nicht so verteilt sind wie anfangs gedacht, und so müssen sich Tamino und Pamina gemeinsam den vier Prüfungen der Elemente unterziehen.

„Die zierliche und zarte Prinzessin Pamina stand auf dem Balkon und blickte erschrocken auf den fahlen, blutroten Nebel, der über das Gesicht der silbernen Scheibe, über das Gesicht des Mondes kroch.“

Es gibt Bücher von der Autorin, die ich mit Begeisterung gelesen habe – aber dieses gehört eindeutig nicht dazu.
Der Prolog ist extrem verwirrend. Er erinnert an eine misslungene Kopie aus dem Silmarillion, denn es werden die Namen von allerlei Göttern und deren Rollen bei der Schaffung der Welt aufgezählt. Von Anfang an wirken die Welt und die darin wohnenden Personen dennoch platt und zu wenig durchdacht. Die Charaktere bleiben blass und stets in ihrer Rolle, die stattfinden Entwicklungen verlaufen so, wie es zu erwarten war. Wer die Oper kennt, darf auch von der Handlung her kaum Überraschungen erwarten.
Warum Tamino die verschiedenen Prüfungen ablegen soll und möchte, ist unklar. Es scheint, als müsste die Antwort auf alle Fragen nach dem Sinn der Handlung „weil es im Libretto steht“ lauten.
Die Prüfungen an sich wurden schön ausgestaltet und an phantastischen Elementen und Moral angereichert, diese Szenen lassen sich gut lesen .

In Atlas-Alamesios, der Welt von Tochter der Nacht (Night’s Daughter), spielen Halblinge, also Mischwesen aus Mensch und Tier, eine große Rolle. Diese sind durch genetische Experimente entstanden und werden in der Gesellschaft meist unterdrückt – was irgendwie überhaupt nicht zum ansonsten märchenhaften und auch so erzählten Rest des Romans passt. Auch wurde das Thema der Rassenideologie nicht immer angemessen behandelt und meiner Meinung nach zuweilen zu unkritisch betrachtet.

Ein wenig Positives kann man jedoch auch finden. Die kurzen Kapitel und die Beschränkung auf wenige Handlungsorte und -personen erleichtert dem Leser die Übersicht. Die Autorin hat glücklicherweise darauf verzichtet, die Vorlage in dieser Hinsicht unnötig auszuweiten und zu verkomplizieren. So fällt der Roman auch relativ dünn aus und lässt sich schnell weglesen. Streckenweise kommt auch ein wenig Spannung auf, vor allem im Verlauf der Prüfungen.

An sich ist die Umsetzung der Zauberflöte in Romanform eine schöne Idee. Es ist Marion Zimmer Bradley jedoch nicht geglückt, das im inneren Klappentext als „krude und nicht immer einleuchtend“ bezeichnete Libretto in eine nachvollziehbare Geschichte umzuschreiben, sondern auch durch ihren Roman ziehen sich Logiklöcher. Zudem ist der Stil zu plakativ und wenig magisch, daher würde ich das Buch selbst Opernliebhabern nicht empfehlen – schade um die Idee.

Stand: 27. Oktober 2012
Originaltitel: Night's Daughter
Erscheinungsjahr: USA 1985, D 1985
Verlag: Fischer Taschenbuch
Übersetzung: Manfred Ohl und Hans Sartorius
ISBN: 3-596-28350-7
Seitenzahl: 301