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Zumindest unsere Leser mit ein paar Jahren Lebens- und Leseerfahrung nicken vielleicht weise zu folgenden Worten:
Es gab eine Zeit, da war man weniger wählerisch und schneller zu begeistern. Alles war neu und spannend, jedes frisch gelesene Buch hatte gute Chancen, das beste Buch überhaupt zu werden. Inzwischen hat sich ordentlich Geschmack herausgebildet, man ist nicht mehr so leicht zufriedenzustellen, schon gar nicht mit Dingen, die man bereits hundertmal gelesen hat, und die hingebungsvolle Begeisterung ist verflogen, auch wenn man sie noch immer sucht und manchmal auch wiederfindet.
Auf frühe Leseerlebnisse blicken wir trotzdem oft mit nostalgischer Verklärung zurück.

Und dazu stellen sich einige spannende Fragen: War früher alles besser? Oder hat man einfach nur schneller Feuer gefangen? Hat sich das Genre zum Positiven oder zum Negativen verändert? Inwiefern hat die Lektüre, mit der wir heute nostalgische Gefühle verbinden, unseren Geschmack geprägt und unsere Vorlieben geformt? Wie würde ich die früheren Lieblinge einschätzen, wenn sie mir heute zum ersten Mal in die Finger kämen?
Um diesen Fragen auf die Spur zu gehen (sicher nicht allen auf einmal), werde ich mich hin und wieder an die Lektüre eines früheren Lieblingstitels wagen und nachprüfen, ob ich heute noch so voll des Lobes sein kann, wie meine Nostalgie es mich glauben machen will.

Bei meinem ersten Kandidaten hatte ich zugegebenermaßen keine großen Bedenken, denn der Autor ist für Qualität bekannt und der Roman war schon ein Klassiker, als ich ihn zum ersten Mal gelesen habe:

Das letzte Einhorn (Peter S. Beagle, 1968)

Wann gelesen?
Vor ca. 20 Jahren, vor 10 Jahren in der Originalausgabe geschmökert.
Zwischenzeitlich hin und wieder den Film gesehen.

Das letzte Einhorn von Peter S. BeagleBesonderheiten?
Es gibt einen Trickfilm, durch den das Einhorn als fleischgewordener Kleinmädchentraum mit Wallemähne stolziert. Der Film spart einige zentrale Elemente des Romans aus, andererseits kann er die Atmosphäre gut transportieren, das ist aber sicher Ansichtssache. Er erzählt die Geschichte, wie ich sie früher gelesen habe, nicht die, die ich heute in dem Roman vorfinde.
Dagegen ganz nüchtern das Buch-Cover, das in der damaligen (und langjährigen) Hobbit-Presse-Linie betont “keine Fantasy” gesagt hat. Das heutige “doch Fantasy”-Cover der Neuauflage paßt allerdings auch nicht zu dem märchenhaften Charakter des Romans.

Was hat mir damals gefallen?
Das Setting und die Atmosphäre – der Mitternachtszirkus mit seinen vielen Fabeltieren, der verzauberte Wald des Einhorns, das öde Land am Meer mit seiner trostlosen Burg. Die Welt des Romans hatte für mich etwas Grenzenloses, hinter den fernen, namenlosen Wäldern und Bergen haben sich riesige Räume für die Phantasie eröffnet, die zwar meistens im Text nicht einmal angedeutet wurden, aber allein schon wegen der beschriebenen Vielfalt irgendwo zwischen singenden Schmetterlingen und entführten Prinzessinnen, Königreichen und Magiern einfach da sein mußten.
Die Geschichte. Für mich als öko-bewegte junge Dame (und die direkte Verwandtschaft zwischen Walen und Einhörnern ist ja wohl kaum zu leugnen 😉 ) war klar: Die Frage, ob es weiterhin Einhörner auf der Welt geben wird, ist eine ganz große. Außerdem ist es eine schöne, klassische Questengeschichte mit einen Auslöser zum Aufbruch, der abenteuerlichen Reise mit dem Einsammeln von Gefährten, mit eindrucksvollen Fieslingen, die den Helden Steine in den Weg legen, und schließlich dem Bangen um den Erfolg am Zielort.
Die Figuren. Schmendrick. Molly Grue. Haggard. Die merkt man sich – Charaktere, von denen man im Nu ein Bild vor Augen hat und die trotzdem nicht ganz hinter Stereotypen verschwinden. Ein richtiger Einhorn-Fan war ich dagegen nie. Das letzte Einhorn ist auch das einzige Buch, in dem mir Einhörner bisher gut gefallen und in das sie meiner Ansicht nach gepaßt haben. Ach, bei Gaimans Sternwanderer wollen wir auch noch ein Auge zudrücken …
Die Sprache. Märchenhaft, poetisch, witzig, manchmal mit epischen Anklängen.

Und heute?
Das letzte Einhorn und Zwei Herzen von Peter S. BeagleEs ist dasselbe Buch und doch ein anderes. Ich finde alles wieder, was mir gefallen hat, doch vieles davon macht sich über die zugrundeliegenden Motive lustig. Mit großer Kenntnis der Genre- und Proto-Genre-Traditionen werden die Versatzstücke in beinahe postmoderner Manier zusammengefügt: Durch alle Legenden geht ein Bruch, die Helden haben ein Bewußtsein für die Zwänge der Questenhandlung, epische Anklänge und Märchenanspielungen werden stets mit einem Augenzwinkern vorgetragen.
Dazu paßt auch, daß der Roman ohne nähere geographische Bestimmung auf unserer Welt angesiedelt ist (da gehen sie dahin, meine grenzenlos-schimmernden Räume im Hintergrund), wie viele Anspielungen belegen. Auch in diesem Bereich tauchen vor allem Hinweise auf die Fiktionalität der Romanhandlung auf, also das Gegenteil dessen, was in der Fantasy sonst häufig versucht wird – etwa bei Verweisen auf die Sagen  unserer Welt (inclusive ihres zweifelhaften Wahrheitsgehalts), oder  wenn der amerikanische Balladensammler Francis James Child (vermeintlich) gebeten wird, die Reimversuche der Figuren zu dokumentieren.
Die Charaktere des Romans sind aber gerade durch die Brüche teils tiefgründiger als erwartet, haben wie Schmendrick oder Haggard interessante, subtil auf die Handlung wirkende Hintergründe und Motivationen. Gleichzeitig fällt bei den Beschreibungen aller Figuren eine Überzeichnung und generell karikaturhaft-verkürzte Darstellung auf.

Fazit: Alte Liebe rostet nicht
… bekommt aber eine andere Qualität. 😉 Das Buch hat seinen Zauber nicht eingebüßt, durch die verspielten und verzerrten Elemente wird man allerdings auf andere Weise verzaubert: Vielschichtiger, man schmunzelt öfter. Die Poesie bleibt erhalten, die wunderschöne Sprache changiert mühelos zwischen Leichtigkeit und einer Epik mit vielen Brüchen, die sich mitten durch die Questenhandlung ziehen. Mit mehr Leseerfahrung wird Das letzte Einhorn durch die Brüche und das ständige Augenzwinkern des Autors, der mit dem Medium der Erzählung spielt, jedoch ein akademischeres Vergnügen – man zwinkert komplizenhaft mit, Geschichte und Figuren verlieren aber, auch wenn sie nie respektlos behandelt werden, etwas von ihrer Bedeutsamkeit und ihrer Authentizität.

Zettelkasten

neue Rezensionen:
Bone (Jeff Smith) rezensiert von Elora
The Queen of Attolia (Megan Whalen Turner) rezensiert von Wulfila

neues Portrait:
Bernhard Hennen portraitiert von Fremdling

aus der alten BP umgezogene Rezensionen:
Anubis (Wolfgang Hohlbein) rezensiert von Sam
The Novice (Trudi Canavan) rezensiert von Sam
Der Rat der Hexer (Elizabeth A. Lynn) rezensiert von Sam

Neue Inhalte

Durch eine sehenswerte Fotostrecke bei National Geographic über die größte Höhle der Welt (zugehöriger Artikel hier; und auch einige dieser älteren Aufnahmen aus einer anderen Höhle hätte man vermutlich eher in einem Comic als in der wirklichen Welt erwartet) wurde mein Faible für Höhlengeschichten wachgerufen. Eine Erkundungstour durch die Regale hat nun ein paar erste Ergebnisse zur Unterhöhlung der Fantasy zutage gefördert.

Als Schauplatz hat die Höhle eine lange Tradition, nicht nur für Autoren der Phantastik, die immer wieder Hohlwelt-Szenarien erkunden – vielleicht nach wie vor am populärsten, wenn Jules Verne seine Protagonisten durch den Vulkan auf eine Reise zum Mittelpunkt der Erde schickt.
Höhlen sind in den meisten Kulturen Bestandteil der mythischen Geographie, sie bieten Raum für Allegorien (und nicht zu vergessen Gleichnisse und Malereien), stehen für Ursprünge und Endpunkte. In der griechischen Mythologie ist das Totenreich des Hades eine Unterwelt, und auch in vielen anderen Kulturen wird die Welt der Toten tendentiell in der Tiefe verortet.
In der heroisierenden Dichtung hat sich die Höhle spätestens im Mittelalter als Ort etabliert, an dem man dem Bösen in Form von Riesen, Drachen oder Zwergen begegnet, die zur Befreiung Gefangener und Erlangung von Schätzen erschlagen werden dürfen. Diese ruhmreiche Tradition wurde von der heroischen Fantasy schnurstracks aufgegriffen (dank Tolkien allerdings meist mit Seitenwechsel der Zwerge) und ist in darauf basierenden Rollenspielen inzwischen längst Klischee: Kaum eine RPG-Welt ist nicht von weitläufigen Kavernen durchzogen.
Auch die rollenspielnahe Literatur bedient sich gerne des “klassischen” Höhlenabenteuers (hinein oder hindurch, unterwegs Monster schnetzeln und Schätze abgreifen), manchmal öde-ideenlos wie Richard Schwartz im zweiten Askir-Band, manchmal surreal-metaphorisch wie bei Tobias O. Meißners Mammut-Reihe.
R. A. Salvatores Romane aus der RPG-Welt der Vergessenen Reiche um den beliebten Dunkelelfen Drizzt Do’Urden (gerade wieder neu als Die Dunkelelfen erschienen und wie auf einer Masernparty mit dem Völkerroman-Virus infiziert) siedeln gleich eine ganze erzböse Kultur in der Unterwelt an, in der sich der gutherzige Titelheld als integrationsunwilliger Querulant zeigt. Wenn man allerdings dem Geschmack an (jugendfreiem) Hack & Slay entwachsen ist, ist der Dunkelelf als Höhlenführer eher nicht die erste Wahl, spätestens nach eineinhalb Bänden wird es mit ihm eintönig.

Dunkle Höhlenwelten ziehen offenbar naturgemäß allerlei  Höhlengezücht an – sie sind der Ort, an dem das Böse seine Pläne aushecken und aus diversen Schlünden heraus die Welt überrennen kann. Wenn dem Helden eine Höhlendurchquerung bevorsteht, wird die Wanderung durch finstere Gänge nicht selten von einer Konfrontation mit den finsteren Winkeln seiner Seele begleitet – das Überwinden von Höhlen ist eine Bewährungsprobe, manchmal auch für den Leser. Hand aufs Herz: Wem hat es wirklich Spaß gemacht, Simon Mondkalb in Tad Williams’ Drachenbeinthron knapp 20 Seiten lang durch das Labyrinth unter dem Hochhorst zu begleiten? (Nur 20 Seiten?! Aber Simon darf im Verlauf seiner Abenteuer immerhin noch zwei weitere Male in der ausgedehnten Unterwelt von Osten Ard herumirren.)

Höhlen sind Orte, an denen Altes überlebt, vom Dinosaurier (Verne) über ins Reich der Mythen verfrachtete Dämonen (Jeff Long) bis hin zum Balrog (Tolkien). Tolkien, von dem auch das Zitat in der Überschrift dieses Beitrags stammt, ist ohnehin ein Meister darin, das Höhlenabenteuer der Heldendichtung für die Fantasy umzumünzen, und hat damit auch (gern nachgeahmte) Standards gesetzt. Keines seiner Hauptwerke ist eine höhlenfreie Zone, und in Nargothrond im Silmarillion oder in Moria im Herrn der Ringe haben sich des Öfteren die Guten verschanzt, wenngleich meist mit fatalem Ausgang.
Tolkiens Höhlen sind glitzernde Grotten oder düstere Ruinen, in denen der Schein von Lampen und Fackeln den monumentalen Ruhm vergangener Zivilisation beleuchtet, während sich abseits des Lichts längst das Böse eingenistet hat.

Altes und Vergessenes hat auch in Sean Russells Reich unter den Hügeln überdauert, man begleitet die Charaktere in die bedrohliche Enge und Dunkelheit einer Unterwelt, die angeblich die Geheimnisse der Magier birgt. Die eindringliche Beschreibung der Höhlenexpedition und der emotionalen Belastung bei einem Abenteuer unter der Erde ist überzeugend genug, um auch erfahrene Höhlenwanderer zu begeistern. Eine Übersetzung der Fortsetzung (The Compass of the Soul) ist leider nie erschienen.

Die Faszination des Höhlensettings entspringt zum guten Teil dem Spannungsfeld zwischen dem heimeligen  Rückzugsort, der Schutz bietet, und dem Gedanken, daß etwas in der Finsternis lauern und daraus hervorkriechen könnte – es läßt sich nur schwer vorhersagen, ob in einer Höhle nun ein Eremit oder ein wilder Bär haust. Materielle und immaterielle Schätze locken, klaustrophobische Enge und Lichtlosigkeit schrecken. Erzählerisch ist dieses Thema ausgesprochen ergiebig, und wer sich davon überzeugen möchte, wie man daraus (Spannungs-)Kapital schlägt, sollte unbedingt die ersten Kapitel von Jeff Longs Im Abgrund lesen, das im späteren Verlauf zwar konventionellere Thriller-Pfade beschreitet, aber mit seiner ausgearbeiteten Höhlenwelt und -ökologie und dem faszinierenden Einstieg (oder vielmehr Abstieg) Maßstäbe setzt.
Ein wahres Meisterstück der originell und ideenreich entwickelten Höhlenweltfantasy ist Chris Woodings Welt aus Stein, das aus dem Setting viel mehr herausholt als nur Gänge, Monster und Finsternis, und teils sehr mondäne Höhlenkulturen beschreibt, die man in der entfernteren Nachbarschaft von Miévilles Bas-Lag verorten könnte. Außerdem lesenswert wegen der ungewöhnlichen Erzählstruktur!

Deutsche Autoren haben sich mit mehr oder minder autarken Höhlenwelten eher selten mit Ruhm bekleckert. Harald Evers’ programmatisch benannte Höhlenwelt-Saga hat in einer Zeit, in der deutsche Fantasy erst langsam Regalplätze erobert hat, eine überzeugte Fan-Basis gewonnen. Im Vergleich zu den oben erwähnten Werken hat die Reihe allerdings nicht viel höhlenspezifische Weltschöpfung zu bieten und kann nicht halten, was die auffälligen Cover von Hans-Werner Sahm versprechen. Wegen des unerwarteten Todes des Autors wurde die Höhlenwelt-Saga niemals ganz vollendet.
Wolfgang Hohlbein hat in Unterland im Rahmen seiner Phantastischen Geschichten für junge Leser ein Höhlensystem erschlossen, das über städtische Katakomben erreichbar ist und einer Menschengruppe seit Jahrhunderten Zuflucht bietet; die Höhlen dienen hier als exotischer Schauplatz für die üblichen Action-Zutaten von Hohlbeins Jugendbüchern.
Auch die Zwergen-Völkerromane deutscher Autoren bestechen nicht unbedingt durch das Ausschöpfen der Potentiale, die ihre gern genutzten Höhlensettings zu bieten hätten.

Wer nicht gleich ein riesiges Höhlensystem besuchen will, sondern mit einer konventionell-kleinen Höhle Vorlieb nimmt, begegnet womöglich Gestalten, die die Höhle als Ort der Isolation schätzen, um ein Leben abseits der Gesellschaft zu führen. Individuen nabeln sich dort ab und vollziehen ihre Übergangsriten (wie Birk und Ronja in Ronja Räubertochter, die den meisten mit Astrid Lindgren aufgewachsenen Fantasylesern ein Begriff sein dürfte) oder Eremiten ziehen ein und müssen oder können ihrem mit der Gemeinschaft nicht kompatiblen Lebensstil nachgehen.

In postapokalyptischen Szenarien sind Höhlen (und nicht nur künstliche Höhlen wie bei den Fallout-Spielen) ein möglicher Rückzugsort für Überlebende, die aus einer feindlichen Umwelt flüchten müssen. Eine besonders intensive Umsetzung dieses Themas – oder dessen, was nach langer Zeit daraus wird – hat George R. R. Martin mit der Kurzgeschichte Dark, Dark Were the Tunnels geliefert (u.a. in der ohnehin sehr empfehlenswerten Anthologie Wastelands; dt. Dunkel, dunkel waren die Tunnel in der Sammlung Die zweite Stufe der Einsamkeit). Wer einen klassischeren Vorgänger von Martins Geschichte lesen möchte, sollte sich nach einer Ausgabe von Dunkles Universum umschauen, in dem Daniel F. Galouye beschreibt, wie sich die Menschheit nach einem Weltkrieg an ein Leben in der Dunkelheit unter der Erde angepaßt hat, in dem Licht nur noch als Erinnerung existiert.

Diese Auswahl bietet dem ambitionierten Sessel-Speläologen hoffentlich einige Ideen für neue Touren und darf natürlich jederzeit ergänzt werden. Stirnlampe und Seil nicht vergessen!

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  • Adams, John Joseph (Hg.): Wastelands (Neuauflage USA 2007), ISBN 978-1-597-80105-8
  • Evers, Harald: Die Bruderschaft von Yoor (Höhlenwelt-Saga 1, D 2001), ISBN 3453178971
  • Galouye, Daniel F.: Dunkles Universum (Dark Universe, USA 1961)
  • Hohlbein, Wolfgang und Heike: Unterland (D 1992), ISBN 3-453-19926-x
  • Lindgren, Astrid: Ronja Räubertochter (Ronja Rövardotter, S 1991), ISBN 3789129402
  • Long, Jeff: Im Abgrund (The Descent, USA 1999), ISBN 3-442-35619-9
  • Martin, George R.R.: Die zweite Stufe der Einsamkeit (D 1982)
  • Meißner, Tobias O.: Das vergessene Zepter (D 2006) ISBN 3-492-26623-1
  • Russell, Sean: Das Reich unter den Hügeln (Beneath the Vaulted Hills, USA 1997), ISBN 3-548-25160-9
  • Russell, Sean: The Compass of the Soul (USA 1998), ISBN 978-0-886-77792-0
  • Salvatore, R.A.: Die Dunkelelfen (auch als: Der dritte Sohn/Im Reich der Spinne, Original: Homeland, USA 1990) ISBN 978-3-442-26754-5
  • Schwartz, Richard: Die zweite Legion (D 2007), ISBN 978-3-492-26629-1
  • Tolkien, J.R.R.: Der Herr der Ringe, Bd.1 Die Gefährten (The Fellowship of the Ring: being the first part of The Lord of the Rings, UK 1954), ISBN: 978-3-608-95536-1
  • Tolkien, J.R.R.: Der Hobbit (The Hobbit or There and Back Again, UK 1937), ISBN 978-3-608-93800-5
  • Tolkien, J.R.R.: Das Silmarillion (The Silmarillion, UK 1977), ISBN 3-608-93245-3
  • Verne, Jules: Die Reise zum Mittelpunkt der Erde (Voyage au centre de la terre, F 1864), ISBN 978-3-423-13882-6
  • Williams, Tad: Der Drachenbeinthron (The Dragonbone Chair, USA  1988) 3-596-13073-5
  • Wooding, Chris: Welt aus Stein (The Fade, UK 2007), ISBN  978-3-404-20599-8

Metaflöz

oder: E-Publishing und die Konsequenzen

Es ist ja schon faszinierend.
Seit Monaten, ja inzwischen schon Jahren, redet alle Welt über E-Publishing, digitale Bücher und den Verkauf eben dieser digitalisierten Inhalte. Leider reden alle durcheinander, viele reden völligen Humbug und den Kunden betrachten die Verlage scheinbar überhaupt nicht. Letzter Schrei (der mir persönlich als IT-Administrator seit rund 1 1/2 Jahren nur noch Kopfschmerzen, hochgerollte Zehennägel und allgemeinen Brechreiz beschert) ist jetzt die Cloud. Es ist schon faszinierend, wie in den Köpfen mancher Führungsetagen die Marketing-Experten von Cloud-Anbietern ihre Lösung als den Heilsbringer der IT etablieren. Ich rate dringend dazu, sich mal die datenschutzrechtlichen Hintergründe zu Clouds und Datenverarbeitung näher anzuschauen. Hier scheint mir ein eklatantes Defizit bei manchen Leuten vorzuherrschen.

Aber zurück zum Thema.

Zäumen wir das Pferd doch einmal von hinten auf.
Wenn ich heute ein Buch kaufe, ist es dem Buch (und dem Verlag) komplett egal, ob und wieviele Computer ich habe. Und welche Betriebssysteme darauf laufen. Sei es Windows, Macintosh oder Linux oder noch etwas ganz anderes. Ich klappe das Buch auf und kann es lesen. Ähnliches gilt heute für CDs. Nach einigen Versuchen DRM dort zu etablieren, kann ich heute die CDs wieder in jeden Computer, jedes Abspielgerät einlegen und mir die Musik anhören. Und nach diversen Pech und Pleiten mit DRM-Systemen bekommt man heute eigentlich auch nur noch MP3s mit Wasserzeichen, die quasi überall abspielbar sind. Seien sie auf CD gebrannt, seien sie auf einem Windows, Mac oder Linux-System. Ich kopiere die MP3-Datei und kann sie abspielen.

Nur die Verlage zackern immer noch mit dem Schutz ihrer Inhalte herum, und das aus meiner Sicht völlig unnötigerweise.

Ich stelle mal ein paar einfache Thesen auf:

DRM verhindert keine Raubkopien
Bisher verhindert kein einziges DRM-System die Erstellung und Verbreitung von illegalen Kopien. Wer sich nicht um Rechte von Verlagen schert, wird auch nicht von wie auch immer gearteten Schutzmechanismen abgeschreckt werden. Oder man denke an die letzten Harry Potter-Romane. Innerhalb eines Tages waren diese eingescannt und als E-books über einschlägige Tauschbörsen verbreitet worden. Solange es noch richtige Bücher gibt, kann dies kein Verlag der Welt verhindern. Warum also der ganze Aufwand mit DRM-Systemen?

DRM ist zu kompliziert und de facto tot.
Es hat nie funktioniert und es wird auch bei Büchern nicht funktionieren. Nicht umsonst haben sogar die letzten großen Anbieter von Musik-Downloads ihre DRM-Systeme abgeschafft. Der Kunde kommt damit nicht klar. Schon gar nicht, wenn es zig verschiedene Lösungen von zig verschiedenen Verlagen gibt. Es macht nur Probleme und es reicht eben nicht, einfach mal kurz ein DRM-System zu etablieren. Man braucht die Infrastruktur, Hotlines für die Kunden und vor allem die bisher nicht vorhandene Kunden-Akzeptanz. Einzig und allein Audible hat es noch all die Jahre geschafft, seine Hörbücher mit DRM zu verkaufen. Was allerdings daran liegt, dass Audible hier in Deutschland eine Monopol-Stellung besitzt, was die Verlage ja nun langsam auch mit mehr und mehr unwilliger Stimmung betrachten.

Der Kunde will ein Produkt kaufen, keinen “Content”.
Den Marketing-GAU als Amazon in den USA kurzerhand E-books von George Orwell aus der Ferne gelöscht hat, wird jeder mitbekommen haben. Und was macht der Kunde, wenn der Content-Anbieter nicht mehr existiert? Wer garantiert mir, das der Verlag/Anbieter auch in 10, 15, 20 Jahren noch auf dem Markt ist? Sicherlich ist die Gefahr bei den großen Verlagen eher gering. Aber was ist mit E-books von mittleren oder gar Kleinst-Verlagen? Und warum soll ich den Verlagen die Hoheit über “meine” Bücher überlassen? Möchte der Kunde wirklich, dass sein Buch eben mal vom Verlag auf die Version 1.1 “upgedatet” wird und so eventuell bei Tom Sawyer alle Neger verschwinden?

Fazit: DRM ist aus meiner Sicht die ungeeignetste Lösung eine Akzeptanz der Kunden zu gewinnen. Ich selber würde mir jedenfalls keine dermaßen “geschützten” Inhalte kaufen, wobei schon einige digitalen Bücher mit Wasserzeichen auf meiner Festplatte liegen.

Scriptorium

neue Rezensionen:
Ein Kind von Licht und Schatten (Guy Gavriel Kay) rezensiert von Colophonius
A Short History of Fantasy (E. James/F. Mendlesohn) rezensiert von mistkaeferl
The Thief (Megan Whalen Turner) rezensiert von Wulfila

neues SYLD:
Atlantis Books empfohlen von maschine

aus der alten BP umgezogene Rezensionen:
A Feast for Crows (George R.R. Martin) rezensiert von Sam
Der Kampf um die alte Welt (Michael A. Stackpole) rezensiert von Sam
Kushiel’s Avatar (Jacqueline Carey) rezensiert von Sam

Neue Inhalte

Auch wenn es den einen oder anderen Fanboy schockieren mag, so gibt es doch eine Bücherwelt jenseits der Fantasy. Sogar eine sehr große. Und ich muss gestehen, dass ich immer mal wieder den Punkt erreiche, an dem mich die Aussicht auf den x-ten 1000-seitigen Auftaktband DER nächsten großen Trilogie voller Ritter und Ränkeschmiede (egal ob Friede, Freude, Narniakuchen oder George & Gritty) eher mit Grausen denn mit Vorfreude füllt und ich lieber zu Krimi, Sachbuch oder wasauchimmer greife. Frei nach dem (überraschend alten) Sprichwort “All Orks and no spaceships makes Jack a dull boy”.

In der Hoffnung, damit zumindest bei dem einen oder anderen auf interessierte Ohren Augen zu stoßen, möchte ich in dieser Kolumne ab und an, soll heißen wenn ich nicht nur Lust und ein passendes Buch habe, sondern mir die Chefin auch noch meine hanebüchene Begründung abnimmt, was das mit Fantasy zu tun hätte, von meinen Ausflügen in die fernen Gefilde jenseits des phantastischen Tellerrandes berichten. Im Moment schweben mir da zum Beispiel das Vorbild zu Glen Cooks Dead Man, ein interessanter Ausblick auf die Welt nach ihrem Untergang, ein walisischer Recke und ein alter Grieche vor, den auch ein Fantasyautor vor kurzem gelesen haben muss.

In diesem Sinne: hinaus in die Ferne, mit Butterbrot und … Paolo Bacigalupi:

The Windup Girl

Bisher hatte ich bei dem Stichwort “Steampunk” in erster Linie so etwas wie Girl Genius von Phil & Kaja Foglio vor Augen. Zumindest bis mir in einem berühmt-berüchtigten Wiener Buchladen mit einem simplen “Lies das!” Paolo Bacigalupis Windup Girl, dessen Übersetzung die Tage bei Heyne unter dem Titel Biokrieg erscheint, in die Hand gedrückt wurde – und meine Vorstellung von Steampunk komplett auf den Kopf gestellt wurde.

Anders als bei Girl Genius und einer gewissen Sonnenschirm-Schnulze, an die ich mich lieber nicht weiter erinnern möchte, geht es hier nicht um eine frühindustrielle Welt, in der moderne Technik mittels Dampfmaschinen und Zahnrädern umgesetzt wird – sondern um das genaue Gegenteil, eine Zukunft, in der wieder auf Dampf- und Muskelkraft zurückgegriffen werden muss.

Angesiedelt ist das Buch ein paar Jahrhunderte in der Zukunft: die Polkappen sind geschmolzen, der Meeresspiegel angestiegen, Krankheiten haben die meisten Nahrungspflanzen dahin gerafft, so dass westliche “Calorie Companies” mit ihren Gen-Pflanzen die Welt kontrollieren. Einzig das Königreich Thailand konnte Dank seiner Gen-Hacker seine Unabhängigkeit bewahren. Und während sich nun im schwül-heißen Bangkok, überragt von einer riesigen Staumauer, die allein die Stadt vor dem Schicksal Atlantis’ bewahrt, Umwelt- und Wirtschaftsministerium argwöhnisch belauern und eine Handvoll westlicher Geschäftsleute eifrig Waren ins Land schmuggelt, versucht ein Agent einer Calorie Company den Gen-Hackern auf die Spur zu kommen. Dessen rechte Hand, ein Exilchinese, der mit letzter Kraft einem Pogrom in Malaysia entkommen ist und nun mit tausenden Mitflüchtlingen in Bangkok ums Überleben kämpft, hat jedoch ganz andere Pläne.
Und mittendrin ein Windup Girl, eine im Genlabor erzeugte Frau, die, von den Thais gehasst, benutzt und misshandelt, einen eigenen Willen entwickelt und sich zu wehren beginnt…

Ein Buch, in dem die Enge der Stadt, die Pläne der einzelnen Charaktere und die brütende Hitze eine explosive Mischung erzeugen, die, einer griechischen Tragödie gleich, unweigerlich zur Katastrophe führen muss.
Und der Leser schaut, Seite um Seite verschlingend, fasziniert dabei zu.

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The Windup Girl von Paolo Bacigalupi ist 2009 in den USA bei Night Shade Books (361 Seiten, ISBN: 978-1-59780-158-4) und 2010 im UK bei Orbit UK (544 Seiten, ISBN: 978-0-35650-053-9) erschienen.
Die deutsche Übersetzung von Hannes Riffel und Dorothea Kallfass erscheint am 8. Februar 2011 unter dem Titel Biokrieg bei Heyne (608 Seiten, ISBN: 978-3-453-52757-7)

Über den Tellerrand

Zukünftig werden wir euch wöchentlich über unsere Neuzugänge informieren.

neue Rezensionen:
The Broken Kingdoms (N. K. Jemisin) rezensiert von Colophonius
The Drawing of the Dark (Tim Powers) rezensiert von Wulfila
Feuertaufe (Andrzej Sapkowski) rezensiert von Nala
Who Fears Death (Nnedi Okorafor) rezensiert von mistkaeferl

neues Portrait:
Gail Carriger portraitiert von moyashi

neues SYLD:
The British Bookshop empfohlen von maschine

aus der alten BP umgezogene Rezensionen:
Am Abgrund (Wolfgang Hohlbein) rezensiert von Sam
Anidas Prophezeiung (Susanne Gerdom) rezensiert von Sam
Das Tor ins Gestern (Dave Duncan) rezensiert von Sam

Neue Inhalte

Viele Freunde der Phantastik frönen zugleich einem anderen phantastischen (im wahrsten Sinne des Wortes) Hobby: Dem Rollenspiel.
Nur ist es leider so, das im Laufe der Jahre vermehrt ein Problem auftritt.
Hat uns damals zu Schulzeiten oder während der Ausbildung das Geld gefehlt, um den mannigfaltigen Ausstoß der Verlage zu kaufen, lesen und spielen, so ist es heute eher doch das Problem der Zeit.

Früher konnte man nur selektiv die ganzen Abenteuer und Zusatzbände kaufen. Es gab genau EINEN Regelband in der Gruppe, und auch die anderen Zusatzbände wurden von Hand zu Hand weitergereicht. Innerhalb weniger Tage sahen diese auch entsprechend aus, irgendwo zwischen leicht zerfleddert und einer speckigen Loseblatt-Sammlung. Dieses Problem ist heute aus der Welt, dafür tritt ein anderes zu Tage.
Heute hat man alle möglichen Regelsysteme, Erweiterungen und Abenteuer quasi unberührt im Regal stehen, dafür hat aber zumindest meine Gruppe eher das Problem, einen Termin zu finden, an dem alle können. Beruf und private Verpflichtungen machen es schwer, selbst einmal in der Woche zusammen zu finden. Dazu kommen Feiertage, Geburtstage, Krankheiten und andere Kleinigkeiten, die Woche auf Woche erneut das (Zusammen-)Spielen erschweren.

So kommt es, dass der Stapel an “unbespielten” Abenteuern aus der DSA-Reihe (Von Warhammer, Pathfinder oder kleineren Systemen fange ich gar nicht erst an) über die Jahre beharrlich größer wird. Um diesem Entgegen zu wirken, haben zwei meiner Mitspieler und ich beschlossen, ein Experiment zu wagen: PB(E)M.

Ergo werden wir also demnächst den Kontinent Aventurien auf schriftlichem Wege unsicher machen. Keiner von uns hat damit Erfahrung und wir sind gespannt, wie das ganze laufen wird. Über Fallstricke, Unterschiede zum Spielen am Tisch und allgemeine Erfahrungen zum Thema werde ich in unregelmäßigen Abständen hier berichten. Schon jetzt kristallisiert sich heraus, dass die Interaktion am Spieltisch einerseits fehlt, dafür die Spieler freier und entspannter an ihren Aktionen feilen können. Es wird also spannend werden. Falls jemand aus der Leserschaft schon Erfahrungen damit hat, würde ich mich über Meinungen dazu in den Kommentaren freuen.

Über den Tellerrand

Der Goldschatz der Elbberge von Martin SchemmGewöhnlich sucht man nicht unbedingt beim Verlag Ellert&Richter nach interessanter Fantasy, doch mit Martin Schemms Roman Der Goldschatz der Elbberge (ISBN: 978-3831904204) ist dort 2010 ein durchaus beachtenswerter Titel erschienen, der beweist, wie sehr es sich lohnen kann, auch einmal abseits ausgetretener Pfade neuen Lesestoff aufzuspüren.

Die Ausgangssituation der Handlung könnte einen zunächst an einen historischen Roman denken lassen: Erzbischof Adalbert von Bremen, einer der mächtigsten Männer der Salierzeit, steckt in Geldnöten und lässt sich daher von einem windigen Berater überzeugen, einen buntgemischten Trupp aus Glücksrittern, Mönchen und Soldaten auf die Suche nach einem legendären Zwergenschatz zu schicken. Wie aber die Suchmannschaft – und mit ihr der Leser – bald herausfindet, sind diese Zwerge höchst real, ebenso wie ein Lindwurm, Untote, Geister und dergleichen Gelichter mehr. Doch nicht genug damit, dass sich die Helden und Antihelden des Buchs mit diesen übernatürlichen Bedrohungen auseinandersetzen müssen: Politische Intrigen, Spannungen zwischen  einfachem Volk und Herrschenden und nicht zuletzt die Untaten einer Räuberbande sorgen für zahlreiche weitere Konflikte. So entsteht ein schwungvoller Abenteuerroman in bunter, höchst lebendiger Kulisse.

Bis zu einem gewissen Grade kommt man vielleicht dennoch nicht umhin, die Lektüre als guilty pleasure zu werten: Manches (kultur-)historische Detail möchte man als Mediävist lieber mit einem Fragezeichen versehen, und literarisch hätte man vielleicht noch das ein oder andere glätten können.

Von diesen kleinen Schönheitsfehlern sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen. Der Goldschatz der Elbberge bietet nämlich nicht nur spannende Unterhaltung, sondern zeigt auch, wie viel oft ungenutztes Potential für die Fantasy in scheinbar unspektakulären Ortssagen steckt. So werden nicht nur Abenteuerfans Vergnügen an dem Roman finden, sondern auch alle, die Spaß daran haben, in den Weltenbau auch einmal etwas anderes als große und weithin bekannte Mythen einfließen zu sehen.

Buch des Monats