Kurz vor der Belagerung Wiens durch die Türken 1529 begegnet der Söldner Brian Duffy in Venedig dem geheimnisvollen Aurelianus. Scheinbar spontan wirbt der alte Mann ihn als Türsteher für sein Gasthaus mit angeschlossener Brauerei in Wien an. Duffys Erinnerungen an die Stadt sind nicht die glücklichsten, doch schon bald muss er erkennen, dass er größere Sorgen hat, als seiner gescheiterten Liebesbeziehung zu der Malerstochter Epiphany nachzutrauern: Auf seiner Reise über die Alpen häufen sich übernatürliche Vorfälle, und in Wien geht Seltsames vor. Auch mit Duffy selbst hat es mehr auf sich, als er wahrhaben möchte, doch davon, ob und wie er die ihm zugedachte Rolle übernimmt, hängt der Fortbestand des Abendlandes ab …
-With almost ludicrous care the old man carried the pitcher of beer across the sunlit room toward the still older man who reclined propped up in a bed by the window. A smear of dried mud was caked on the foot of the bed. –
Prologue
Es ist ein wenig schade, dass Tim Powers’ Roman nie eine Übersetzung ins Deutsche erfahren hat, zugleich aber auch verständlich: Der Konflikt zwischen Europäern und Osmanischem Reich wird hier nicht in seiner historischen Dimension thematisiert, sondern als mystisch überhöhtes und letztlich unentrinnbares ewiges Ringen zwischen westlicher und östlicher Welt geschildert. Wie problematisch diese Sichtweise in einem Land wirken kann, in dem das Zusammenleben mit türkischen Einwanderern ohnehin Konfliktpotential birgt, muss wohl nicht näher erläutert werden (zumal nach dem Ende des zur Entstehungszeit des Buchs noch andauernden Kalten Kriegs die Ausdeutung auf eine ganz andere Form von Ost-West-Konflikt hin wegfällt).
Ist man allerdings bereit, sich auf die Prämisse einzulassen, wird man mit einem durchaus unterhaltsamen Roman belohnt, der mit leichter Hand eine Fülle von historischem, literarischem und kulturellem Wissen zu einer originellen Aufbereitung der Artussage verknüpft. Die schwungvolle Handlung, die mit nichtendenwollenden Abenteuern und allerlei tragikomischen Begebenheiten aufwartet, und die bunte Renaissancekulisse lassen einen fast vergessen, dass unter dieser Oberfläche durchaus tiefgründige Themen angerissen werden. Dabei hat so manches Detail, dessen Ursprung man zunächst in schierer Fabulierfreude zu suchen geneigt ist – etwa die dem Bier zugeschriebene Zaubermacht –, tatsächlich eine Basis in alteuropäischen Mythen und Vorstellungswelten. Das ein oder andere erscheint einem dabei vielleicht zu gewollt kombiniert, aber dennoch bleibt insgesamt der Eindruck bestehen, dass Powers seine Materie beherrscht und zu vermitteln weiß.
Neben dem Kenntnisreichtum des Autors beeindruckt vor allem sein Talent, selbst scheinbar Abstruses plausibel zu machen. Wenn etwa ein Wikingerschiff im Wien des 16. Jahrhunderts auftaucht, hat einen die Geschichte schon so fest gepackt, dass man sich gern durch alle Unglaublichkeiten weiter mitziehen lässt.
Dabei hilft es sicher, dass der Protagonist – ein alternder, alles andere als heldenhafter Berufssoldat mit recht kleinbürgerlichen Lebensträumen und eher geringer Eignung zur Messiasgestalt – bisweilen genauso fassungslos wie der Leser vor seinen schier unglaublichen Erlebnissen steht und doch immer wieder einen Weg findet, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Heroisches und Allzumenschliches liegen das ganze Buch hindurch ebenso nah beieinander wie Tragik und Humor.
Dank der ironischen Brechung, die manches Motiv erfährt, wirkt der mittlerweile schon über 30 Jahre alte Roman erstaunlich modern. Powers’ flüssige, klare Sprache hat sich ebenfalls gut gehalten und dürfte auch Gelegenheitslesern englischer Texte keine zu großen Schwierigkeiten bereiten. Alles in allem: Ein Roman, der gefällige Lektüre bietet, ohne in Anspruchslosigkeit abzugleiten.