: Artussage

Blood and Iron von Elizabeth BearIm New York der Gegenwart verfolgt Matthew der Magier, ein Mitglied des Prometheus-Clubs, die „Sucherin“ der Feenkönigin, die für ihre Herrin Kinder ins Feenreich entführt. Er zieht zwar im Kampf den Kürzeren, doch die Vorherrschaft der Menschen mit ihrem kalten Eisen ist besiegelt. Allerdings taucht ein begnadeter Magier auf – ein sogenannter Merlin – der das Gleichgewicht verschieben und den Konflikt beenden könnte. Sowohl Feen als auch Magier machen sich auf die Suche nach dem Merlin, um seine Gunst zu gewinnen. Die Sucherin, die durch grausame Bande an die Feenkönigin gebunden ist, und Matthew werden dabei in einen Strudel aus uralten und immer wieder neuen Ereignissen gerissen.

-Matthew the Magician leaned against a wrought iron lamppost on Forty-second Street, idly picking at the edges of his ten iron rings and listening to his city breathe into the warm September night.-
Chapter 1

Das Spannungsfeld zwischen modernem Großstadtleben und archaischer Märchenwelt bedient mittlerweile ein ganzes Genre mit Stoff, in dem gefährliche Vampire und Werwölfe auf toughe Frauen von nebenan stoßen oder abgerissene Detektive übernatürliche Fälle lösen müssen. Der Fokus liegt in der heutigen Urban Fantasy aber nur selten auf dem Wunderbaren, das einerseits nahtlos in den modernen Alltag eindringt und andererseits nicht seiner ureigenen Atmosphäre beraubt wird – wenn das geschieht, heißt der Autor mit großer Wahrscheinlichkeit Neil Gaiman oder Peter S. Beagle.
Elizabeth Bear könnte mit ihrer Promethean Age-Reihe in diesen illustren Kreis eintreten, wenn die guten Ansätze des Eröffnungsbandes Blood and Iron fortgeführt werden. Dabei pflegt Bear weder den elegant-sparsamen Stil eines Gaiman noch die lyrische Sprache eines Beagle, sondern fasst irgendwo dazwischen Fuß. An lyrischen Momenten fehlt es trotzdem nicht, bezieht sich doch die Handlung neben einer ganzen Reihe an anderen Mythenstoffen (von der Artus-Legende über Dracula bis hin zu nordischen Sagas und vielem mehr) auf traditionelle Balladen um Menschen, die ins Elfenland entführt worden sind, insbesondere Tam Lin. Kenntnisse in diesem Bereich eröffnen eine weitere Handlungsebene und machen das ein oder andere besser verständlich, sind aber nicht zwingend zum Genuss von Blood and Iron erforderlich.

Bear ist eine mit allen Wassern gewaschene Erzählerin, aber nicht immer einfach zu lesen. Sie verflicht ihre Handlungsstränge um die Sucherin aus den Elfenlanden und Matthew den Magier ausgesprochen vielschichtig, nutzt die Unterschiede zwischen Ich-Erzähler und Erzählern in der dritten Person für plot-relevante Kniffe und bringt eine Spirale in Gang, in der sich ihre Figuren in einem immer wiederkehrenden dramatischen Muster wiederfinden, das dem versierten Leser (und den Protagonisten) aus Geschichten und Mythen wohlbekannt ist. Sie wehren sich mit Zähnen und Klauen dagegen, sind aber so tief darin verstrickt, dass sie letzten Endes mit unlösbaren Entscheidungen konfrontiert werden. Nahezu nebenbei bekommt man auch Einblicke in eine alternative Weltgeschichte, die bis in die Moderne hinein vom ewigen Kampf menschlicher Magier gegen die Einflüsse der Elfenlande geprägt ist – ein Konzept, das Elizabeth Bear in den sehr locker zusammenhängenden Bänden der Promethean Age-Reihe weiter verfolgt und das in seiner ambitionierten Planung durchaus als eine Art Lebenswerk gesehen werden kann.

Der beschreibungsreiche Stil der Autorin fügt sich vor allem dort gut ein, wo das düster-blutige, aber trotzdem farbenfrohe Elfenland lebendig werden soll; bei den Figurenbeschreibungen grenzt er manchmal ans Überladene. Was Bear allerdings aus ihrem Drachen macht, sollte jeden Fantasyleser überzeugen, der der Ansicht ist, dass gute Drachen rar sind. Und auch den ambivalenten Kelpie namens Whiskey vergisst man garantiert nicht so schnell …
Die Bandbreite an Mythen, Literatur und Geschichte, die in Anspielungen verpackt oder direkt als Stoffgeber genutzt wird, ist riesig, und Bear liefert fast immer eine erkennbar eigene Interpretation – unter anderem trifft man etwa auf eine eifrig häkelnde und doch in keinster Weise zu unterschätzende Morgan von Cornwall.
Der im modernen New York angesiedelte Handlungsstrang um Matthew, den menschlichen Magier, ist weniger opulent und gewinnt erst in der zweiten Hälfte des Romans Dynamik, wenn sich herausstellt, wie stark alle Figuren und Geschichten ineinander verschachtelt sind, und die Ereignisse sich überschlagen.
Bears Talent für beeindruckende Szenen kann sich richtig austoben, wenn sich das ganze Drama entfaltet, und nach dem stimmigen Ende, das dem Leser viel Raum für weitere Spekulationen lässt, fragt man sich eigentlich lediglich noch ein klein wenig, weshalb der eigentliche Aufhänger der Geschichte, die Merlin-Figur, um deren Gunst die Parteien ringen, in dem ganzen Spektakel etwas zu kurz gekommen ist.

Und wenn man schon auf hohem Niveau jammern möchte: In Blood and Iron wartet man vergeblich auf große Erklärungen zu dem teils hochkomplexen Geschehen. Weite Teile kann man sich gut zusammenpuzzeln, aber hin und wieder geschehen manche Entwicklungen einfach, und dem Leser sind weder Ursachen noch Folgen bekannt. Auch die Sucherin als Protagonistin, mit der Bear gegen sämtliche Konventionen verstößt, was ihre Charakterentwicklung und die Fortführung ihrer Geschichte angeht, ist bei einigen –schwerwiegenden– Entscheidungen schlecht nachvollziehbar. Der drastischen und beeindruckenden Entwicklung der Figur tut das allerdings keinen allzu großen Abbruch, denn die Naturgesetze des Promethean Age gründen sich häufig eher auf Mythen und alte Erzählmuster als auf Rationalität, und das macht einen großen Teil der Faszination dieser Geschichte aus.

Cover von Die Dame vom See von Andrzej SapkowskiMit der Flucht Ciris durch das Portal des Schwalbenturms kann die Geschichte natürlich noch nicht zu Ende sein, und tatsächlich ist sie so vom Regen in die Traufe gekommen. Geralt dagegen scheint vom beschaulichen Touissant gar nicht mehr wegzuwollen, was seinen Gefährten zunehmend sauer aufstößt, kann doch ihre schwierige Mission nicht zwischen Weinbergen zu Ende gehen …

-“Mich”, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, während er die Ärmel hochkrempelte, “wie ich leider eingestehen muss, zieht es schrecklich zur Herrschaft. Das ist trivial, ich weiß, aber ich will ein Herrscher sein.”-

Die Dame vom See (Pani Jeziora) ist ein mehr als würdiger Abschluss für Andrzej Sapkowskis Geralt-Zyklus, denn es bringt nicht nur die Geschichte rund um Ciri und den Hexer zu einem wunderbar passenden Ende, sondern führt dem Leser/der Leserin nochmal alle Stärken der Reihe vor Augen. Das beginnt schon beim eher gemächlichen Einstieg, der einerseits ein schlaglichtartiges „Was bisher geschah“ mit starkem Eigencharakter ist, andererseits einige Zeitebenen miteinander verknüpft und bei dem in den Geralt-Passagen wieder das alte Flair der Kurzgeschichtenbände aufkommt. Die intelligent-witzigen Dialoge, die Monsterhatz und das Techtelmechtel entfalten eine fast nostalgische Wirkung.

Der Rückverweis auf die Kurzgeschichten geschieht nicht ohne Grund, knüpft Sapkowski doch im Zuge eines der Finale, die in der zweiten Romanhälfte dicht aufeinander folgen, an seine Erzählungen an und schlägt so tatsächlich einen Bogen zum Anfang des Hexer-Zyklus. Hat der Autor in seinen Kurzgeschichten so manches Märchen durch den Kakao gezogen, so scheut er sich nicht, im finalen Band ein klassisches Erzählmuster auf die Schippe zu nehmen, dessen er sich selbst bedient, und gibt einem der Höhepunkte so eine erfrischend selbstironische Note. Zudem ist auch der abschließende Band wieder reich an intertextuellen Bezügen und historischen Anspielungen.

Aber Sapkowski wäre nicht Sapkowski, ließe er seine Reihe mit den großen, dramatischen Auflösungen enden, stattdessen geht die Geschichte noch weiter und gewährt in der dem Autor eigenen Art einen Blick auf die weiteren Folgen der Ereignisse auf die politische Landschaft, auf die Gesellschaft und auch auf die Haupt- und Nebenfiguren. Der Wechsel zwischen retrospektiven, narrativen und „mittendrin“-Passagen macht einen nicht geringen Teil des Charmes des Romans und der Reihe aus. In diesem letzten Abschnitt des Romans geht es Sapkowski nicht nur um die von ihm erschaffene Welt, sondern er flicht darin auch seine scharfe Beobachtungsgabe unserer Welt ein. Denn die spezifisch modernen (insofern, als dass man sie in direkten Bezug zu unserer Gegenwart setzen kann) Aspekte von Sapkowskis Welt treten in Die Dame vom See erneut stärker hervor, sind dabei aber so geschickt „verkleidet“, dass sie sich wunderbar in das Setting einfügen. Seien es nun die Verflechtungen von Wirtschaft und Politik oder – und dieses Thema hat im abschließenden Band wie auch in der gesamten Reihe eine prominente Position inne – der Überlegenheitsdünkel gegenüber den „Anderen“, wobei die Fluidität dieser Kategorie von Sapkowski scharfsinnig aufgezeigt wird, jeder kann dem zum Opfer fallen. Bei aller Unterhaltsamkeit und aller Spannung ist es vor allem diese Ebene, die dem Geralt-Zyklus seine große Bedeutung verleiht.

Diving Mimes, Weeping Czars and Other Unusual Suspects von Ken ScholesDie siebzehn Kurzgeschichten führen diesmal auf die Erde nach einem Alien-Angriff, Kolonien auf fernen Planeten, deren Siedler längst die Technik vergessen haben, in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, ins Herz eines Galaktischen Imperiums, in eine Bar irgendwo im Westen und an etliche andere Orte zu anderen Zeiten.

-Frederico leaned close to smell the poison on his thirteenth wife’s cold, dead lips.-
A Weeping Czar Beholds the Fallen Moon

Auch Ken Scholes’ zweite Sammlung von Kurzgeschichten – eine Form, in der der Autor zu Hause ist wie der Fisch im Wasser – bietet wieder einen kreativen Reigen von vor allem thematisch und durch ihre überbordende Phantasie verbundenen Episoden, die völlig verschiedenen Subgenres zuzuordnen sind und die Tür zu ihren jeweiligen Welten einmal weit aufreißen, um sie nach einem kurzen Blick wieder zu schließen.
Das Nachwort verrät – falls man es sich nicht aus den Texten selbst erschließen konnte – die Zugehörigkeit einzelner Geschichten zu größeren (meist noch ungeschriebenen) Zyklen oder einem gemeinsamen Setting.

Zwei der Geschichten gehören zur Psalms of Isaak (Die Legende von Isaak)-Reihe, darunter die lange Eröffnungs-Erzählung, die eine gute Ergänzung zum zweiten Band der Reihe darstellt und in eine frühere Ära der Benannten Lande führt. Of Missing Kings and Backward Dreams and the Honoring of Lies ist dagegen ein früher Entwurf für den ersten Band, als dieser noch als Zyklus aus mehreren Kurzgeschichten konzipiert war, und gibt einen guten Einblick in Scholes’ schöpferischen Prozess.
In beiden Geschichten tritt eines seiner großen Talente zutage: Mit der Weltschöpfung auch auf kleinstem Raum mehr zu vermitteln als andere in ganzen Zyklen und dieses Grundkonzept der Fantasy, das Simulieren von großen Welten mit wenigen Worten, damit auf die Spitze zu treiben.
In beinahe jeder Geschichte in Diving Mimes and Weeping Czars kann man staunend davorsitzen, wenn dieser Trick wieder und wieder gelingt, etwa in der knallig bunten und tieftraurigen postapokalyptischen Erde der Four Clowns of the Apocalypse and the Mecca of Mirth, die sich schnell ein neues Bezugssystem aus Mythen und Geschichten zugelegt haben, oder im pangalaktischen Invisible Empire of Ascending Light, das schon etliche Schismen hinter sich hat und in der tragischen Erzählung nur eine Ahnung der Geschichten vermittelt, die sich innerhalb seiner Grenzen abspielen könnten.
Dieses unerwähnt bleibende Mehr, das in vielen Geschichten der Sammlung mitschwingt, ist mitunter Scholes’ größte Trumpfkarte.

Eine andere sind seine Themen: Fast alle Geschichten haben spirituelle, aber auch religionskritische Untertöne, in einigen rücken sie auch in den Vordergrund, wie etwa bei On the Settling of Ancient Scores, wo es Gott und der Teufel in einer Bar austragen wollen, oder The God-Voices of Settler’s Rest, einer melancholischen Rückschau auf ein Leben, das einer ominösen Religion gewidmet war.
Auf verschiedenen Wegen nähert sich Scholes auch dem Umgang mit dem Tod (absurd und tragikomisch, aber psychologisch unfehlbar in Grief-Stepping to the Widower’s Waltz, mit eindeutig durchschimmernder Eigenerfahrung in The Taking Night). Zwei Liebesgeschichten bereiten auch dieses Thema verspielt und geschickt auf: Love in the Time of Car Alarms ist eine niedliche, aber unkitschige Romanze in Scholes’ Superhelden-Universum, There Once Was a Girl in Nantucket reiht die Liebe als ein weiteres Element in eine Parade von surrealen Ereignissen ein.

Viel Vergnügen machen auch zwei Geschichten, die auf den Artus-Mythenkreis zurückgreifen, diesen aber sehr ungewöhnlich umsetzen: eine entpuppt sich als auf schlichte Weise schön und bleibt dicht an ihrem adoleszenten Helden, der in die Fußstapfen von Tom Sawyer und Huckleberry Finn zu treten scheint, die andere tischt ein kurioses, drastisches Setting auf und wird von Scholes’ Inszenierung der Heldenwerdung seiner Figuren getragen – wie schon in früheren Geschichten versteht er es, völlige Außenseiter in diese Rolle zu drängen und ihnen in den richtigen Momenten Pathos zu verleihen.
Nicht nur in dieser Geschichte ist die Zeit nach der Apokalypse ein Thema, zu dem Scholes immer wieder zurückkehrt – er beschreibt Neuanfänge, oft Rückfälle auf niedrigere Entwicklungsstufen, oder eine völlige Veschiebung des gesellschaftlichen Paradigmas, meist weg von der Rationalität, hin zum Glauben oder zu Welten, in denen Mythen und Geschichten Realität stiften.

Diese Mythen zaubert er aus dem Hut, als wären sie im Dutzend billiger – Ähnlichkeiten und gemeinsame Ursprünge lassen sich feststellen, genauso, wie sich nach und nach ein Mosaik aus Geschichten ergibt, die Teil eines größeren Entwurfs sind. Selbst in den kürzesten Geschichten, dem poetischen SF-Action-Kracher (!) The Night the Stars Sang Out My Name und der düsteren und trotzdem warmherzigen Endzeit-Episode What Child is This I Ask the Midnight Clear, scheut sich Scholes nicht, eine Fülle von Hintergründen durchscheinen zu lassen, die auf mühelose Weise authentisch wirkt.
Eines der Highlights der Sammlung, The Second Gift Given, ist dann auch zugleich Schöpfungs- und Zukunftsmythos und kann außerdem gut als Beispiel dafür dienen, dass die anspruchsvollen Konstruktionen des Weltenbaus niemals die menschliche Basis der Geschichten überragen: Es behandelt ein moralisches Thema, mit dem beinahe jeder Mensch irgendwann einmal konfrontiert wird, auf so einfühlsame Weise und gleichzeitig mit einem solchen Weitblick, dass man schon allein für diese eine Geschichte unter siebzehn diese Sammlung ins Regal stellen sollte.

The Drawing of the Dark von Tim PowersKurz vor der Belagerung Wiens durch die Türken 1529 begegnet der Söldner Brian Duffy in Venedig dem geheimnisvollen Aurelianus. Scheinbar spontan wirbt der alte Mann ihn als Türsteher für sein Gasthaus mit angeschlossener Brauerei in Wien an. Duffys Erinnerungen an die Stadt sind nicht die glücklichsten, doch schon bald muss er erkennen, dass er größere Sorgen hat, als seiner gescheiterten Liebesbeziehung zu der Malerstochter Epiphany nachzutrauern: Auf seiner Reise über die Alpen häufen sich übernatürliche Vorfälle, und in Wien geht Seltsames vor. Auch mit Duffy selbst hat es mehr auf sich, als er wahrhaben möchte, doch davon, ob und wie er die ihm zugedachte Rolle übernimmt, hängt der Fortbestand des Abendlandes ab …

-With almost ludicrous care the old man carried the pitcher of beer across the sunlit room toward the still older man who reclined propped up in a bed by the window. A smear of dried mud was caked on the foot of the bed. –
Prologue

Es ist ein wenig schade, dass Tim Powers’ Roman nie eine Übersetzung ins Deutsche erfahren hat, zugleich aber auch verständlich: Der Konflikt zwischen Europäern und Osmanischem Reich wird hier nicht in seiner historischen Dimension thematisiert, sondern als mystisch überhöhtes und letztlich unentrinnbares ewiges Ringen zwischen westlicher und östlicher Welt geschildert. Wie problematisch diese Sichtweise in einem Land wirken kann, in dem das Zusammenleben mit türkischen Einwanderern ohnehin Konfliktpotential birgt, muss wohl nicht näher erläutert werden (zumal nach dem Ende des zur Entstehungszeit des Buchs noch andauernden Kalten Kriegs die Ausdeutung auf eine ganz andere Form von Ost-West-Konflikt hin wegfällt).

Ist man allerdings bereit, sich auf die Prämisse einzulassen, wird man mit einem durchaus unterhaltsamen Roman belohnt, der mit leichter Hand eine Fülle von historischem, literarischem und kulturellem Wissen zu einer originellen Aufbereitung der Artussage verknüpft. Die schwungvolle Handlung, die mit nichtendenwollenden Abenteuern und allerlei tragikomischen Begebenheiten aufwartet, und die bunte Renaissancekulisse lassen einen fast vergessen, dass unter dieser Oberfläche durchaus tiefgründige Themen angerissen werden. Dabei hat so manches Detail, dessen Ursprung man zunächst in schierer Fabulierfreude zu suchen geneigt ist – etwa die dem Bier zugeschriebene Zaubermacht –, tatsächlich eine Basis in alteuropäischen Mythen und Vorstellungswelten. Das ein oder andere erscheint einem dabei vielleicht zu gewollt kombiniert, aber dennoch bleibt insgesamt der Eindruck bestehen, dass Powers seine Materie beherrscht und zu vermitteln weiß.

Neben dem Kenntnisreichtum des Autors beeindruckt vor allem sein Talent, selbst scheinbar Abstruses plausibel zu machen. Wenn etwa ein Wikingerschiff im Wien des 16. Jahrhunderts auftaucht, hat einen die Geschichte schon so fest gepackt, dass man sich gern durch alle Unglaublichkeiten weiter mitziehen lässt.
Dabei hilft es sicher, dass der Protagonist – ein alternder, alles andere als heldenhafter Berufssoldat mit recht kleinbürgerlichen Lebensträumen und eher geringer Eignung zur Messiasgestalt – bisweilen genauso fassungslos wie der Leser vor seinen schier unglaublichen Erlebnissen steht und doch immer wieder einen Weg findet, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Heroisches und Allzumenschliches liegen das ganze Buch hindurch ebenso nah beieinander wie Tragik und Humor.

Dank der ironischen Brechung, die manches Motiv erfährt, wirkt der mittlerweile schon über 30 Jahre alte Roman erstaunlich modern. Powers’ flüssige, klare Sprache hat sich ebenfalls gut gehalten und dürfte auch Gelegenheitslesern englischer Texte keine zu großen Schwierigkeiten bereiten. Alles in allem: Ein Roman, der gefällige Lektüre bietet, ohne in Anspruchslosigkeit abzugleiten.

Cover von Dreiherz von Poul AndersonHolger Carlsen, ein dänischer Widerstandskämpfer im 2. Weltkrieg, wacht nach einer Verwundung in einer sonderbaren Umgebung auf. Während er die unbekannte Welt kennen lernt, macht er sich Freunde wie den Waldzwerg Hugi oder Alianora, das Schwanenmädchen. Aber er macht sich auch Feinde wie Alfric, der Herzog im Feenkönigreich ist, oder Morgan le Fay, die mächtige Herrin von Avalon, denn der Kampf zwischen dem Zauberwesen, die dem Chaos dienen, und den Menschen, die der Ordnung dienen, steht bevor und Holger als Ritter der drei Herzen scheint eine wichtige Rolle darin zu spielen. Kann er rechtzeitig herausfinden, wer er ist und welche Aufgabe er hat?

-Nachdem soviel Zeit vergangen ist, fühle ich mich verpflichtet, dies niederzuschreiben.-
Vorbemerkung

Die Welt, in die Holger gerät und zum Ritter der drei Herzen – Holger Danske – wird, ist grob gesagt die des Hohen Mittelalters: Ritter mit Kettenhemden, wenige Steingebäude, viele Holzhäuser, das Heilige Römische Reich, Heiden und die vor Jahrhunderten von Karl dem Großen und seinen Paladinen zurückgeschlagene Sarazenengefahr. Einiges stimmt aber auch nicht mit dem mittelalterlichen Europa überein: Der Westen war seit der Eroberung durch die Römer zivilisierter als Mitteleuropa oder der Osten, Heiden gab es z.Z. des Hl. Röm. Reichs schon lange nicht mehr und es fehlt weitestgehend die Beschwerlichkeit des mittelalterlichen Lebens.

Hinzukommt die Welt der Magie – das Mittelreich. Hier sind die Elfen die Herren; sie fürchten das Sonnenlicht, können Eisen nicht berühren und schrecken vor Heiligem zurück – kein Wunder, daß diese mächtigen Magier gegen das Heilige Röm. Reich einen Krieg führen wollen. Ob sie nun das Chaos (Zauberei) nutzen oder selbst nur mächtige Instrumente des Chaos sind, bleibt unklar. Die Elfen haben viele Verbündete: Drachen, Riesen, Trolle und natürliche böse Menschen wie Hexen, Heiden und Kannibalen.
Magie spielt eine große Rolle, ist sie doch die Hauptwaffe der Agenten des Chaos und auch die Anhänger der Ordnung wie Alianora, die sich in einen Schwan verwandeln kann, nutzen sie – allerdings weit seltener. Magie wirkt sich generell so aus, daß sie Fähigkeiten des Dings, dem sie innewohnt, verstärkt oder verändert; als Beschwörungsformel für Geister und Dämonen wird sie bisweilen auch genutzt. Dieses Magie-Konzept gefällt mir durchaus.
Weit weniger gefallen mir die “wissenschaftlichen” Erklärungen der magischen Phänomene, wenngleich sie manchmal einen gewissen Charme haben: Das Gold eines überlisteten Riesen (sie verwandeln sich in Stein, wenn Sonnenlicht sie berührt) ist verflucht, so wissen die Einheimischen. Warum weiß Holger – wenn Kohle zu Silikon wird, ergibt sich zwingend eine radioaktive Isotope.
Die Charaktere sind ebenfalls nicht besonders gelungen: Holger ist der gutmütige All-round-Held, Alinora ist die schöne und gute Versuchung, Hugi der Waldzwerg ist der ungebildete, aber weise Sidekick – alles in allem an der Grenze zum Klischee.
Der Roman-Holger ist an die Mythenfigur Holger Danske angelehnt, ursprünglich einer der Paladine Karl des Großen im Rolandslied. Außer seinem Dänisch-Sein hat er dort keine weiteren Qualitäten. Später taucht die Figur in allen möglichen Zusammenhängen auf, so benannte sich z.B. die bekannteste dänische Widerstandsgruppe im Zweiten Weltkrieg nach ihm, doch am bekanntesten dürfte das Märchen Holger Danske von Hans Christian Andersen sein.
Noch ein Wort zur Rollenverteilung: Die meisten Frauen (ca. 66%) sind feindlich, aber alle sind problematisch; nur wenige (16%) stehen auf Seiten der Ordnung. Die meisten himmeln Holger an. Alle haben mit Magie zu schaffen. Die meisten Männer dagegen sind freundlich, einige (33%) sind problematisch und nur wenige sind feindlich. Die meisten sind Krieger und einige haben mit Magie zu tun. Wem’s gefällt … (Woher die Zahlen stammen: Es gibt jeweils 6 weibliche und 6 männliche Personen, die etwas wichtiger sind – wer rechnen mag, der kann sich einige Spoiler ausrechnen.)
Der Grundplot ist auch nicht übermäßig originell – Ein Mensch aus der Moderne gerät in eine Fantasy-Welt; dort kann er mit Hilfe von Errungenschaften der Moderne manchmal aus brenzligen Situationen entkommen (s. A Conneticut Yankee in King Arthur’s Court von Mark Twain – das ist älter; der Film: Army of Darkness mit Bruce Campbell ist komischer).
Interessant ist der Konflikt zwischen Chaos und Ordnung. Der bekannteste Vertreter ist Elric von Michael Moorcock – es scheint, als wenn er sich ein wenig von Dreiherz (Three Hearts and Three Lions) habe inspirieren lassen, ist doch Dreiherz etwa acht Jahre älter als Die ewige Schlacht, die älteste Geschichte des Ewiger Held-Zyklus.
Ein weiterer Hinweis an die D&D-Fangemeinde: Wer sehen will, wo sich das häßliche Haupt eines D&D-Trolls zum ersten Mal erhob, der lese das 22. Kapitel.
Bleibt das abrupte Ende zu erwähnen, es bleiben zu viele Ungereimtheiten, zu vieles wird in zwei Sätzen abgehandelt. Das Ende paßt zu einer Kurzgeschichte, die mit “Seltsam, aber so steht es geschrieben” schließt, aber nicht zu einem Roman.
Sprachlich ist das Werk immer angemessen, der Autor ist sich der Differenzen zwischen moderner Alltagssprache und mystischer Sprache bewußt und geht bisweilen darauf ein – “Ich habe Durst, wie wär’s, wenn wir einen heben würden?” – “Wenn wir einen was würden?”
Das Buch ist hauptsächlich interessant, wenn man sich mit den Ursprüngen der verschiedenen oben erwähnten Konzepte befassen will, wer einfach nur eine Sword & Sorcery Geschichte lesen will, wird besseres finden. Zur Ehrrettung des Autors mag erwähnt sein, daß Dreiherz 1953, also vor dem Herrn der Ringe und vor der 70er Fantasy-Welle der Verkitschung und Verklischeeung geschrieben wurde.

The Fall of Arthur von J.R.R. TolkienChristopher Tolkien präsentiert und analysiert ein episches Gedichtfragment seines Vaters und ordnet es nicht nur in dessen Schaffen, sondern auch in die Tradition der Artusepik allgemein ein: Auf einem Feldzug fern der Heimat erfahren König Artus und sein loyaler Ritter Gawain, dass Mordred verräterisch die Macht an sich gerissen und es zudem auf Königin Guinever abgesehen hat. Beim Aufbruch zur Rückeroberung wird deutlich, dass ein wichtiger Gefolgsmann fehlt: Lancelot, der zur Strafe für sein Verhältnis mit der Königin vom Hofe verbannt worden ist und insgeheim auf die Gelegenheit hofft, sich noch einmal zu beweisen  …

Arthur eastward in arms purposed
his war to wage on the wild marches,
over seas sailing to Saxon lands,
from the Roman realm ruin defending.
(The Fall of Arthur, I, 1-4)

Ein episches Gedicht von Tolkien über einen Sagenstoff? Das Konzept kommt einem bekannt vor, und in der Tat handelt es sich bei The Fall of Arthur um ein ganz ähnliches Projekt wie bei The Legend of Sigurd and Gudrún: Wieder stellt Christopher Tolkien ein nach mittelalterlichem Vorbild geschaffenes Werk seines Vaters vor und liefert eine ausführliche Einordnung der Dichtung in Tolkiens Schaffen. Doch gerade im Vergleich zu der älteren Veröffentlichung erweist sich The Fall of Arthur als ein wenig unbefriedigend. Da Tolkiens Fassung der Artussage unvollendet blieb, erlauben Text und Kommentarteil vor allem einen Blick auf das, was hätte sein können, bilden aber kein so rundes und in sich abgeschlossenes Ganzes, wie man sich wünschen könnte.
Der Primärtext selbst wirkt, wenn man eher mit der kontinentaleuropäischen Artustradition vertraut ist, trotz aller unbestreitbaren Qualitäten weniger harmonisch als die altnordisch inspirierten Gedichte, da Form und Inhalt aus zwei verschiedenen Welten zu stammen scheinen. Die archaischen Stabreime bilden einen ungewohnten Rahmen für den Stoff, der letztlich erst im Hochmittelalter seine klassische Prägung erfahren hat, obwohl es, wie Christopher Tolkien in seinen Erläuterungen auszuführen weiß, für die auf den ersten Blick so sonderbare Kombination durchaus englische Vorbilder im 14. Jahrhundert gibt. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, inwieweit Tolkien sprachlich dennoch Anpassungen an die höfische Epoche vornimmt: So verwendet er hier etwa häufiger als sonst in seinen Werken gezielt Begriffe französischen Ursprungs (z.B. Almain für „Deutschland“ oder die Namensform Lancelot du Lake).
Anderes dagegen ist schon aus den Wälsungengedichten vertraut und durchaus tolkientypisch, so etwa der breite Raum, den poetische Landschafts-, Wetter- und Stimmungsbeschreibungen einnehmen, die eine dramatische Handlung untermalen. Auf diesem Gebiet erweist sich Tolkien wieder einmal als Magier der Sprache, dessen Meisterschaft bereits aus den im Analyseteil wiedergegebenen Prosanotizen spricht. Schon bloße Skizzen des Handlungsverlaufs enthalten dort lyrische Passagen wie Wind blew fair from the south and the sea lay green beneath the white cliffs oder The storm fell. The sun shone forth and his heart lifted. Dieser Formulierungskunst, die sich in einzelnen Versen zu einer noch größeren Sprachgewalt verdichtet, kann man sich schwer entziehen, und so lässt man sich gern in die Geschichte voll Krieg und Intrigen mitreißen, die aber leider unmittelbar nach der mit einer ersten Schlacht erkämpften Landung des Königs in Britannien abbricht. Die Figuren sind so zwar alle in Stellung gebracht – Mordred als erfolgreicher Usurpator, aber zugleich als verhinderter Liebhaber der geflohenen Königin, Artus und Gawain auf Rückeroberungszug, Lancelot fern vom Geschehen in der unhaltbaren Position, sowohl seine Geliebte als auch seinen Herrn und seine Ritterehre eingebüßt zu haben –, doch was sich aus dieser packenden Ausgangssituation hätte ergeben können, muss man aus Tolkiens Notizen oder eigener Kenntnis der zugrundeliegenden Sage ergänzen.
Auch das, was Christopher Tolkien interpretatorisch daraus macht, fällt diesmal notwendigerweise etwas mager aus. Die Betrachtungen zu den Quellen von Inhalt und Stil sind zwar kenntnisreich und umfassend, aber wahrscheinlich eher für Experten spannend als für eine breite Leserschaft. Dies gilt auch für den vom älteren Tolkien stammenden Text über altenglische Stabreimdichtung allgemein, der wieder einmal von seiner feinfühligen Auseinandersetzung mit Sprache zeugt: Von seinen Überlegungen dazu, dass bildliche Wendungen immer auch an eine bestimmte Lebenswelt geknüpft sind und in gewandelten Verhältnissen nur noch eine abgeschwächte Wirkung entfalten, könnte manch ein Autor profitieren.
Dagegen ist die minutiöse Analyse der Genese des Gedichts selbst für ein Fachpublikum nicht allzu ergiebig, besonders, da dem eigentlich faszinierendsten Ansatzpunkt – Tolkiens Abweichen von seinen Vorbildern hin zu einer eigenen Interpretation der Sage – weit weniger Raum gewidmet wird als der Auflistung aller möglichen frühen Versionen. Der für Fantasyfans eigentlich nicht unwichtige Vergleich zum Silmarillion schließlich krankt daran, dass Christopher Tolkien die hauptsächlichen Parallelen in den Teilen des Gedichts erblickt, die nie über ein Entwurfsstadium hinausgelangt sind (vor allem in Tolkiens Plan, Lancelot dem entrückten Artus in einen fernen Westen nachsegeln zu lassen), statt mehr Material aus den tatsächlich vollendeten Strophen heranzuziehen. Dabei hätten sich durchaus Verbindungen zum Silmarillion und zum Herrn der Ringe aufzeigen lassen, vor allem, was den fast exzessiven Gebrauch einer (hier stark christlich konnotierten) Lichtmetaphorik betrifft.
Aber vielleicht tut man ohnehin am besten daran, The Fall of Arthur nicht so sehr als Teil von Tolkiens Gesamtwerk wie als originelle und durchaus etwas gegen den Strich gebürstete Gestaltung des Artusstoffs zu lesen, die sogar den ein oder anderen historischen Insiderwitz enthält (so dürfte es z.B. kein Zufall sein, dass ein überzeugt heidnischer Friese, der Mordred eine Botschaft überbringt, ausgerechnet Radbod heißt). Gerade die Figurenzeichnung weicht teilweise von der mittelalterlichen Tradition ab, etwa wenn Gawain (den man gemeinhin als eher weltlich geprägten Ritter vor Augen hat) hier durchaus auch spirituell aufgeladen zur wahren Lichtgestalt gerät: Gold was Gawain, gold as sunlight. Auffällig ist aber vor allem Tolkiens Blick auf Königin Guinever, die er weder als vorbildliche höfische Dame, noch als tragische Liebende, noch als reuige Büßerin zeichnet. Guinever erscheint vielmehr als Frau voll andersweltlicher Schönheit und kalter Berechnung, die alles andere als passiv agiert und aus dem Ringen der verschiedensten Männer um sie und die Herrschaft das Beste zu machen gedenkt. Von ihr hätte man gern mehr gelesen, ebenso von dem gebrochenen Lancelot, der sich durch seine Liebe zu der ihrer im Grunde unwürdigen Königin ins soziale Abseits manövriert hat.
So hat man am Ende viel Verständnis dafür, dass Christopher Tolkien die Tatsache, dass sein Vater The Fall of Arthur nie vollendete, als one of the most grievous of his many abandonments charakterisiert. Was bleibt ist die leicht wehmütige Freude an einem hübschen Fragment.

Ein Kind von Licht und Schatten von Guy Gavriel KayVon allen verlassen, gejagt, gehasst oder gefürchtet, begibt sich Darien, das Kind von Licht und Schatten, auf die Suche nach seiner Bestimmung. Doch für ihn gibt es im Webmuster Fionavars keinen Faden – und so muss er selbst entscheiden, welchen Weg er einschlagen möchte. Er ahnt, dass von seiner Entscheidung das Wohl und Wehe Fionavars und all seiner Bewohner abhängig sein wird. Kriege, Zweifel und Verrat lassen scheinbar keinen Platz für Hoffnung – doch noch immer streiten Kimberley, Jennifer, Dave und Paul für das Licht und wandeln dabei auf dunkelsten Pfaden.

Einen Augenblick später rannte er durch die Ebene, seine Geschwindigkeit war schneller, als die des Slaug jemals hätte sein können, er rannte so schnell er konnte nach Westen, vergessen war die Schlacht, der Krieg, fast vergessen.
Nach Westen, wo die Lichter brannten und jemand im Raum stand, in jenem Raum, der einst Lisen gehört hatte.
Teil I: Das letzte Kanior

Alle Fäden, die Autor Guy Gavriel Kay in den ersten beiden Bänden der Fionavar-Trilogie so meisterhaft wob, bilden in diesem letzten Buch endlich das finale Muster und lassen den Leser teilhaben am Ende der Geschichten von Dave, Kim, Paul und Jennifer. Mit den einfach bis anstrengend gestrickten Charakteren des ersten Bandes haben die Vier nicht mehr viel gemein: alle haben sich zu Persönlichkeiten weiterentwickelt, die durch phantastische Gaben und Fähigkeiten brillieren und sich durch Zweifel, Angst und Unsicherheit immer weiter wandeln. Und das ist auch bitter nötig: keiner zweifelt mehr an der Existenz von furchterregenden, göttlichen oder verdorbenen Gestalten, denn in mannigfaltiger Form begegnen sie den vier „Fremden“ in Fionavar immerzu; und man kann gestrost annehmen, dass es Dave nicht bis in den 3. Band geschafft hätte – wäre er nicht zu einem Anderen geworden. Die Charaktere sind die große Stärke von Kays Roman: sie bleiben menschlich, auch wenn sie mit Macht beladen sind, und sie sind einer ständigen Entwicklung unterworfen. Selbst Jaelle, die kalte Tochter der Göttin, kommt im Laufe der Handlung nicht umhin, sich selbst im Frage zu stellen und aufgrund neuer Selbsterkenntnisse weitreichende Konsequenzen zu ziehen.

Und so sind Entscheidungen und Veränderungen die beiden Motive, die sich wie rote Fäden durch das kunstvolle Bild Fionavars ziehen. Sind wir frei genug, um wahrhaftig eine Entscheidung zu treffen, oder ist selbst die Entscheidung vorgezeichnet? Mit dieser Frage nähert sich Kay einer uralten und zur gleichen Zeit sehr modernen Problematik: die Natur des freien Willens. Der Autor lässt seine Figuren die Frage mit einem entschiedenen „Ja!“ beantworten, wobei jedoch auch deutlich wird, dass die Abkehr vom Schicksalsglauben einen hohen Preis fordert. Und genau dies beeinflusst die Grundstimmung des Werkes entscheidend: keine Seite wird gewendet, ohne dass dem Leser unaussprechliche Traurigkeiten, tiefste Miseren und schwierigste Entscheidungen offenbar werden. Mit dem Gewicht vom Curdardhs Hammer drücken die Ungerechtigkeiten und Unfassbarkeiten auf das Gemüt eines jeden, der ihnen ausgesetzt ist – da geht es Figuren wie Lesern. Jede kleine Handlung ist derart mit Bedeutung angereichert, dass es dem Leser bald die Sprache verschlägt: wandelt denn niemand auf Fionavars Boden, der nicht reinkarniert oder seit tausend Jahren von Seelenschmerz gezeichnet ist? In diesem Band vernachlässigt Kay leider einen wichtiger Aspekt, der die beiden vorhergehenden Bücher auszeichnet: eine gewisse Leichtigkeit und eine Schönheit der Sprache, die nicht erdrückend wirkt.

Man kann es den Bewohnern Fionavar jedoch wahrlich nicht verübeln, dass ihnen der Spaß gründlich vergangen ist: im andauernden Schlachtgetümmel – auf den Felder Fionavars und im Inneren von hin- und hergerissenen Seelen – beschränkt sich sogar der schillernde Prinz Diarmuid auf lahme Scherze, die ihm der Leser nicht mehr so recht abnehmen mag.

Die Einflechtung der Arthussage erreicht in diesem Band ihren Höhepunkt sowie ihre überraschende Auflösung. Das Trio Guinevere, Lancelot und Arthus ficht, ungeachtet der allzu weltlichen Dinge wie Raum und Zeit, auf Fionavar seinen letzten Kampf aus, um der unsterblichen Liebe willen. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, weshalb in diesem fundamentalen Kampf zwischen Gut und Böse jedes Fass aufgemacht wird, dessen Bodensatz nach Pathos riecht. Scheinbar endlos wird die Liste der Traurigkeiten, will man sie alle aufzählen. Endlos ist jedoch nicht die Aufnahmefähigkeit des Lesers, und so kommt es, dass gebrochene Herzen zur Lesegewohnheit werden und humorige Passagen zum ungläubigen Zweimallesen anregen.

Was als Urteil allzu vernichtend klang, soll jedoch nicht als einziges Bewertungskriterium herangezogen werden. Für seine Geduld belohnt Kay den Leser mit feinfühlig und differenziert gezeichneten Figurenkonstellationen und ausdrucksstarker, sprachlicher Bildlichkeit. Und an Ideen mangelt es dem Autor wahrlich nicht: furchterregende, beeindruckende Wendungen in der Handlung lassen den Leser in eifriger Hast weiterlesen. Erwähnt seien hier die nächtliche Meerfahrt auf einem Schiff, dass bereits vor tausend Jahren sank, oder die Enthüllung des Geheimnisses vom Kristallsee – und der Gesang der Paraiko, der nicht nur die weißhaarige Kimberley tief berührt.

Trotz allem Ideenreichtums möchte ich Isaac Asimov mit seiner Bewertung „Tolkienesk“ zustimmen: einige Motive kommen dem geneigten Tolkianer sehr bekannt vor, sei es das entrückte Land im Westen oder das lichterfüllte Gründervolk, welches in raren friedlichen Zeiten den Abendstern huldigt. Kay interpretiert diese motivischen Traditionen jedoch oft in erstaunlicher oder erschreckender Art und Weise neu, sodass dem Leser viele neue Facetten eines Stoffes gewahr werden – so auch des Artusstoffes.

Zum Schluß kommen endlich auch Freunde der blutreichen Kampfszenen auf ihre Kosten; auf den letzten 50 Seiten entscheiden sich – oder enden – recht abrupt etliche Schicksale, die den Leser in tiefer Trauer zurücklassen. Doch nicht ohne Hoffnung: auf den letzten Seiten entwickelt sich erneut ein heiterer Unterton in der Erzählung, der das Abschiednehmen des Lesers von Fionavar und seinen Bewohnern von seiner allumfassenden Tragik und Dramatik zumindest für einen Moment befreit und damit versöhnlich stimmt – wenn man nicht vorher durch einen Tränenschleier gehindert wird, bis zum Ende der Geschichte zu lesen.

Cover des Buches "Der König auf Camelot" von T.H. WhiteDer König auf Camelot ist in vier Bücher unterteilt:
Das Schwert im Stein
erzählt davon, wie “Wart” als Ziehsohn Sir Ectors aufwächst. Wart ist nichts Besonderes und wenn er älter ist, soll er der Knappe von Kay, Sir Ectors vielversprechendem Sohn, werden. Aber erst einmal wird ein Hauslehrer für die beiden Jungen eingestellt: Merlin. Im Gegensatz zu Kay erhält Wart von Merlin noch eine zusätzliche, ungewöhnliche Ausbildung. Von Zeit zu Zeit verwandelt der Zauberer ihn in ein Tier.
Die Königin von Luft und Dunkelheit: Aus Wart ist mittlerweile König Arthur geworden. Während Arthur sich darüber den Kopf zerbricht, wie man herrscht, ohne seine Macht zu missbrauchen, wachsen auf Orkney Gawaine und seine drei Brüder heran. Ihre Mutter Morgause wird bald eine verhängnisvolle Rolle in König Arthurs Leben spielen.
Lancelot ist Der missratene Ritter. Das dritte Buch erzählt von seiner verbotenen Liebe zu Königin Ginevra. Arthur, der seinen besten Freund und seine Ehefrau nicht verlieren will, duldet die Beziehung stillschweigend.
Die Kerze im Wind
: Mordred, Gawaines Halbbruder, wird von Hass gegen König Arthur getrieben. Er benutzt Lancelots und Ginevras Affäre, um Arthur den Anspruch auf den Thron streitig zu machen.

-Montags, mittwochs und freitags gab es Gotische Kanzleischrift und Summulae Logicales, an den übrigen Wochentagen waren Organon, Repetition und Astrologie dran.-
Kapitel 1 Erstes Buch: Das Schwert im Stein

Es gibt Dinge, die den Rezensenten an Der König auf Camelot (The Once and Future King) gestört haben.
Besonders die ersten beiden Bücher wirken so, als hätte T.H. White Schwierigkeiten gehabt, sich zu entscheiden, was er denn nun eigentlich schreiben wollte:

Einen im wahrsten Sinn des Wortes zauberhaften Artusroman? Nachdem Merlin Wart im ersten Buch aus erzieherischen Gründen in alle möglichen Tiere verwandelt hat, spielt die Zauberei nur noch eine untergeordnete Rolle.

Eine Parodie auf den Ritterroman? König Pellinore spielt ein lustiges Spielchen mit dem gar nicht so furchtbaren Aventiure-Tier, endet später aber unerwartet tragisch.
Einen gesellschaftskritischen Schlüsselroman mit Gegenwartsbezug? T.H. Whites Statements gegen Krieg, Kommunismus und Nationalsozialismus sind aller Ehren wert, wirken aber plakativ und aufgesetzt. Die politischen Anspielungen werden holzhammerartig vorgebracht, als hätte White dem Leser nicht zugetraut, auch zwischen den Zeilen lesen zu können.
Außerdem bezieht sich der Autor mehrfach auf Malorys 1485 erschienenes Werk La Morte Darthur, in dem Artus als letzter Ritter stilisiert wird. White folgt Malory in dieser Darstellung, warum deshalb aber Arthur unbedingt ein Normanne sein muss, er die Geschichte ausdrücklich nach 1360 spielen lässt, anstatt sich zeitlich nicht festzulegen und warum Robin Hood/Wood mitsamt Lady Marian kurz und unmotiviert auftauchen, mit Wart ein Abenteuer erleben und dann wieder in der Versenkung verschwinden, hat sich dem Rezensenten nicht erschlossen. Auch in Fantasy-Romanen darf man als Leser ein Mindestmaß an innerer Logik und Stimmigkeit erwarten.

Das Buch Der missratene Ritter entschädigt dann aber für all die plakativ vorgetragenen Intensionen Whites. Da werden aus Figuren, die die Botschaft des Autors vermitteln sollen, plötzlich Menschen, die aufgrund ihrer Charakterschwächen und eines fragwürdigen Ehrenkodexes in Konflikte geraten, an denen sie letztlich scheitern.

The Last Guardian of Everness von John C. WrightGalen, der jüngste Spross der Familie Waylock, wird von seinem Großvater dazu ausgebildet, sich im Familienanwesen Everness in die Welt der Träume zu begeben und dort die ewige Wacht zu halten, mit der die Familie betraut ist: Wenn sich die Finsternis erhebt, müssen die Waylocks die Mächte des Lichts zum Kampf rufen. Galen erkennt untrügliche Zeichen dafür, dass diese Zeit gekommen ist, und da er seinem alten Großvater die schwere Aufgabe abnehmen will, wagt er einen Alleingang in das Reich der Träume. Gleichzeitig bangt der kräftige, aus dem Kaukasus stammende Raven in einem Krankenhaus um das Leben seiner hübschen Frau Wendy – und erhält ein verlockendes Angebot.

-Upon a midnight in midsummer, upon an unchanging ancient house upon the coast, in the year when he was a boy no more and a man not yet, Galen Waylock heard the far-off sound of the sea-bell tolling slowly in his dream.-
Founding, 1

John C. Wright ist ein Autor, den man heute eigentlich nicht mehr guten Gewissens empfehlen kann, nachdem er ein christliches Erweckungserlebnis hatte und darauffolgend auch politisch in die extreme Ecke abgewandert ist, wie er stetig mit mehr als fragwürdigen Äußerungen untermauert. Mit der zweibändigen Saga The War of the Dreaming, seinem ersten Ausflug in die Fantasy, hat er jedoch einen atemberaubenden modernen Mythos geschaffen, und da The Last Guardian of Everness auch vor Wrights Radikalisierung verfasst wurde, hat es sich eine Erwähnung verdient. Ob man den Roman mit dem Wissen um Wrights Gesinnung, die aus The Last Guardian of Everness allerdings nur schwer herauszulesen ist, ungebtrübt genießen kann, sei dahingestellt.
Wright erfindet die Mär vom ewigen Kampf zwischen Licht und Dunkel nicht neu, sondern stürzt sich mit großer Begeisterung auf ältere und neuere Vorgänger in diesem Metier und nimmt sich hier und da, was er für sein großes Mosaik braucht. Und das Gesamtwerk, das er dann aus all diesen kleinen Schnipseln schafft, geht erstaunlicherweise nicht in dieser Vielzahl von Versatzstücken und Ideen unter, sondern ist tatsächlich etwas Eigenes und mehr als die Summe seiner Teile geworden.

In Wrights Traumlanden wird eine Welt gezeigt, die über die Grenzen der unseren hinausgeht und doch mit ihr verbunden ist. Je mehr Seiten man von The Last Guardian of Everness liest, desto unglaublicher scheint die schiere Menge an Mythen, Sagen und Geschichten, die Wright zu einem großen Mythos verknüpft hat. Alle Anspielungen zu verstehen, die aufgefahren werden, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit: Neben der Artussage, antiken Gottheiten und exotischeren Gestalten wie dem russischen Koschei stehen Schöpfungen Lord Dunsanys oder C.S. Lewis’ und etlicher anderer Schriftsteller. Das erstaunliche an diesem bunten Flickenteppich ist, dass Wright zwar mit so manchem Klischee bricht und all die Orte und Figuren zu einem großen Über-Mythos verbindet, ihnen aber trotzdem ihre Identität nicht nimmt: Eine Fee ist bei ihm letzten Endes trotz aller Brechungen doch eindeutig eine Fee, und ein Gott kann auf ungewohnte, aber dennoch stimmige Weise seine Mächte zum Einsatz bringen.

Bei all dem schweren Geschütz, das aufgefahren wird, ist The Last Guardian of Everness meistens trotzdem locker erzählt und verblüffend modern – so sind die Waylockschen Familienverhältnisse nicht die allerbesten, und mögen die Charaktere auch noch so phantastisch sein und gegen überirdische Gegner antreten, so kämpfen sie doch auch mit ganz alltäglichen Problemen. Die Handlungsstränge bieten einige gelungene Wendungen und sind auf äußerst spannende Weise miteinander verknüpft; Wright scheut sich auch nicht, einnehmende Figuren unerwartet abzuschießen.
Besonderen Genuss bereiten die wunderbaren Bilder, die Wright präsentiert – gigantische Kompositionen, die den Leser mit offenem Mund dasitzen lassen. Gerade zu Beginn des Romans jagt diesbezüglich ein Höhepunkt den nächsten, und man hätte sich durchaus einmal etwas Entspannung zwischendurch erhofft, wenn die Dichte der epischen Momente fast zu schön ist, um wahr zu sein. Atemberaubend ist es allemal, und jedes Detail vom kleinen Gedicht bis zum riesigen Panorama ist stimmig.
Eine diesmal rein inhaltliche Warnung zum Abschluss: Die Geschichte endet dann, wenn sie am schönsten ist, bzw. in einem absoluten Cliffhanger und erfordert eigentlich auch die Lektüre des zweiten und abschließenden Teils.

Cover des Buches "Merlin im Elfenwald" von Jean-Louis FetjaineDie Kämpfe in Britannien gehen weiter. Merlin ist auf dem Weg in die Bretagne, um in Brocéliande, dem Wald der Elfen, nach seinem Vater zu suchen, und das Rätsel um seine Herkunft zu lüften. Das Christentum fasst immer mehr Fuß auf der Insel und verdrängt den alten, heidnischen Glauben. Merlin gerät in den Ruf, ein Hexer zu sein und sein Gefährte, Bruder Blaise, wird der Ketzerei angeklagt. Unterdessen bringt Guendoloena, die mit dem König der Skoten verheiratet ist, Merlins Sohn Artus zur Welt.

-Die Schmerzen weckten sie kurz vor Tagesanbruch, und sie waren so heftig, daß sie nach Atem rang, nicht einmal mehr dazu imstande zu schreien, die Hände in ihr linnenes Bettzeug verkrampft, die Beine vor ihrem zum Bersten prallen Bauch angezogen, und es fühlte sich wahrlich an, als ramme man ihr eine brennende Fackel in den Leib.-
1 Die Überfahrt

Man möchte laut seufzen: Fetjaine ist ein wunderbarer Erzähler. An einer Stelle beschreibt er, wie Merlin eins wird mit der Natur, quasi in ihr aufgeht. Er wird zu Wasser, zu Gras, er verwandelt sich in verschiedene Tiere, wird zum Baum. Das ist kein plumper Abrakadabra-Zauber: eben stand hier noch der Zauberer und jetzt kommt die Taube aus dem Zylinder. Das ist wunderschön erzählt und der Leser fühlt beinahe körperlich wie Merlin Teil der Natur wird und die Natur Teil Merlins. Zeit wird unbedeutend. Allein wegen dieser Szene von knapp einer Seite lohnt sich die Lektüre des Romans. Aber es gibt auch viele Kleinigkeiten, die den Genuss trüben. Es ist, als wolle man sich an einem herrlichen Sommerabend erfreuen und würde alle paar Minuten von einer Mücke gestochen.

Merlin hat mittlerweile weißes Haar, er ist seelisch gereift, er ist Vater geworden und am Ende der Geschichte ist er um die Dreißig. Die gleichaltrige Guendoloena beschreibt Fetjaine als eine erwachsene Frau und nicht mehr das junge unbekümmerte Mädchen … Eine erwachsene Frau und Königin … , aber Merlin ist immer noch -na?- richtig, das Kind und zwar bis zu viermal auf einer Seite!
Anscheinend hält entweder der Autor oder die Übersetzerin hartnäckig an der falschen Auffassung fest, daß man einen erwachsenen Mann, der ein Kindergesicht hat und zartgliedrig ist, ständig als Kind titulieren muss. Aber das Wort Kind bezeichnet einen Entwicklungsstand, den Merlin zweifellos schon längst hinter sich gelassen hat und nicht die äußerliche Erscheinung. Wenn der Katholik Günther Jauch einen Konfirmationsanzug besäße, dann würde er darin wahrscheinlich heute noch bei günstigem Licht als 14-jähriger durchgehen. Trotzdem käme niemand auf die Idee zu schreiben: “Das Kind wird im Sommer die XXX-Show moderieren”.

Oft ist nicht nachvollziehbar, warum manche Begriffe in einer Fußnote erklärt werden und andere nicht. Akribisch wird der heutige Name jedes erwähnten Ortes in einer Fußnote festgehalten, Wörter aber wie Guimpe, die nun nicht gerade zum alltäglichen Sprachgebrauch gehören, werden nicht erklärt. In weiteren Fußnoten wird angegeben, wo genau die Bibelzitate zu finden sind, die die geistlichen Herren im Munde führen, und da wirkt es doch eher seltsam oder zumindest anachronistisch, wenn man jedesmal liest: zitiert nach der Luther-Übersetzung. Zwar passt die Sprache Luthers zu der Fetjaines, aber trotzdem mutet es eigenartig an, wenn Geistliche im 6. Jahrhundert die Bibel nach den Worten eines Mannes zitieren, der erst gut tausend Jahre nach ihnen gelebt hat.

Jean-Louis Fetjaine dankt in seinem Buch Johann Goldberg für die lateinischen Übersetzungen und lobt ihn als Koryphäe auf seinem Gebiet. Goldberg hätte sicherlich die benötigten Zitate in angemessener Sprache aus der Vulgata übersetzen können. Fetjaine legt in seinem Roman sichtlich Wert auf historische Authentizität, da hätte diese Vorgehensweise seinen Intentionen besser entsprochen.

Auch eine andere religiöse Frage schadet dem Roman eher als sie ihm nutzt. Im ersten Band konkurrierte das aufkommende Christentum, repräsentiert durch den Klerus mit dem alten, auf dem Rückzug befindlichen, heidnischen Glauben vertreten durch den Barden, bzw. Druiden, Merlin.
In Merlin im Elfenwald (Brocéliande) stilisiert Fetjaine den Magier zum wiedererstandenen Christus, der von den meisten Menschen nicht erkannt und von seinem bisher so treuen “Jünger” verraten wird. Fetjaine genügt es nicht, seinem Roman einen seriösen, fundierten historischen Hintergrund zu geben, er will auch noch philosophische Tiefe hineinbringen und überfrachtet die Geschichte damit, die eigentlich eine schöne runde spannende Fantasygeschichte sein könnte — wenn nur jemand die lästigen Mücken erledigt hätte.

Cover des Buches "Mordred, Sohn des Artus" von Nancy SpringerKauls Fischermutter hat dem Jungen erzählt, der Meergott Llyr hätte ihn zu ihr geschickt, um sie über den Tod ihres Kindes hinwegzutrösten. Der Fischer und seine Frau nahmen sich des Kindes an, zogen es auf und liebten es wie ihr eigenes. Doch eines Tages erfährt der Knabe die Wahrheit über seine Herkunft: Kauls richtiger Name ist Mordred, sein Vater ist König Artus. Merlin hatte einst prophezeit, dass Mordred seinen Vater töten würde und um dem Schicksal zu entgehen, hatte Artus versucht, seinen Sohn zu ermorden. Doch selbst als Mordred davon erfährt, hasst er ihn nicht so sehr, dass er Artus töten wolle. Dann aber wird Mordred zum Spielball der Interessen Nyneves, Morgauses und Merlins und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

-Weil er der König war, durfte er in dieser Sache keine Gefühle zeigen. Der Wind blies kalt vom schwertgrauen Meer heran, über dem gekrönten Haupt des Königs kreisten schreiende Möwen und zu seinen gestiefelten Füßen lagen vierzig nackte Säuglinge auf dem dunklen Sand, die noch lauter schrien.-
Prolog

Ein grobschlächtiger, verschwitzter Mann, mit strähnigen Haaren und hasserfülltem Blick jagt König Artus das Schwert mit solcher Wucht in den Körper, dass es auf der anderen Seite wieder heraustritt. So kennt man es aus diversen Artus-Verfilmungen und auch diejenigen, die die Artus-Sage nur gelesen haben, dürften eine ähnliche Vorstellung von Mordred entwickelt haben.

Nancy Springers Mordred ist völlig anders. Springer erzählt von einem sechsjährigen Knaben, der zum Mann heranreift. Dieser Heranwachsende ist kein hasserfüllter Jugendlicher, der auf Rache sinnt, nach Macht strebt und darauf wartet, dass seine Stunde kommt. Mordred ist ein Kind, das leidet. Mordred leidet unter dem Makel seiner Geburt, er leidet darunter, dass die ganze Hofgesellschaft sich entweder vor ihm fürchtet, ihn verspottet oder ihn verabscheut, denn alle wissen, dass er es sein wird, der den guten und gerechten König Artus töten wird.
Aber Mordred will Artus nicht töten. Obwohl es ihn schmerzt, dass sein eigener Vater ihn umbringen wollte, liebt und achtet er ihn, wie es alle anderen auch tun, denn Artus ist in der Tat ein guter und edler Herrscher. Und so stellt sich Mordred die Frage, ob es keinen Ausweg gibt, der Prophezeiung zu entgehen. Ist das Schicksal wirklich unabänderlich oder ist Schicksal nichts anderes als die Art, wie man sein Leben lebt und somit individuell gestaltbar.
Mordred jedenfalls will nicht daran glauben, dass das Schicksal unentrinnbar vorherbestimmt ist, er ist gewillt, es selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Wille trägt ihm zu allem Überfluss auch noch den Ruf eines Feiglings ein, denn Mordred verhält sich nicht so, wie es unter Artus’ Rittern üblich ist. Er sucht nicht den Kampf und kämpft nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann aber ficht er tapfer und siegreich, er freut sich nicht an vergossenem Blut und wenn er aus einer Höhle das Fauchen eines Drachen hört, reitet er vorüber. Der Mann ist kein Feigling, der Mann ist vernünftig. Doch diese Art von Vernunft steht bei Rittern wie Gawain nicht hoch im Kurs, der seine Mutter und ihren Liebhaber niedermetzelt um der Ehre genüge zu tun.

Manchmal entsteht beim Lesen der Eindruck, Nancy Springer sei es nicht ganz gelungen, sich in die Psyche eines jungen Mannes einzufühlen und deshalb habe Mordreds Charakter teilweise weibliche Züge. Aber das stört nicht, denn Mordreds Charakter ist absolut schlüssig und es sei hier mit Nachdruck betont, dass Mordred vielleicht einige Verhaltensweisen aufweist, die man eher einer Frau zuordnen würde, dass er aber niemals auch nur im entferntesten den Eindruck macht, weibisch zu sein.
Mordred leidet unter seinem von ihm unverschuldeten Schicksal, und unter den Spielchen die Nynyve, Morgause und Merlin mit ihm treiben, er quält sich, er ist empfindsam und je weiter sich der Roman dem Ende zuneigt, um so mehr fragt sich der Leser, wie dieser seelenvolle Mann, je dazu imstande sein soll, seinen Vater auf dem Schlachtfeld zu töten.

Es ist das letzte Drittel der Geschichte, das Nancy Springers Geschichte zu einem Highlight macht. Dieses letzte Drittel bietet eine großartige, schlüssige und bis dahin nicht vorhersehbare Erklärung für das Ende ihres Romans. Wie dieses Ende aussieht wird natürlich nicht verraten. Vielleicht ist es das Ende, wie man es aus der Artus-Sage kennt, vielleicht hat Nancy Springer Mordreds Geschichte aber auch ganz neu geschrieben. Der Rezensent weiß es, er sagt es aber nicht weiter. Nur so viel: Das Ende ist erschreckend und wunderschön, es ist traurig und glücklich und voller Liebe.
Ein Stapel Taschentücher in Reichweite könnte von Nutzen sein.

Cover des Buches "Percival und die schöne Elfe" von Anne Eliot CromptonAlle acht Söhne Alannas waren Ritter und jeder einzelne von ihnen ist umgekommen. Nach dem Tod ihres Mannes geht Alanna mit ihrem neugeborenen Sohn Percival in den von Elfen bewohnten Wald. Sie möchte ihn in der Einsamkeit großziehen, um zu verhindern, dass auch er ein Ritter wird. Percival wächst heran und hat nur wenig Kontakte, er ist naiv, ungebildet und ist schwer von Begriff. Eines Tages trifft Percival auf Ritter und wünscht sich von nun an nichts sehnlicher als auch ein Ritter zu werden. Elfe Lili möchte unbedingt ein menschliches Herz, da es die größte magische Macht der Welt ist. Die beiden verlassen den Elfenwald und machen Bekanntschaft mit dem wahren Leben.

-Bis zu den Knien im Teich des Elfenwalds stehend, beuge ich mich über das Wasser, um mein neues, mein anderes Gesicht zu betrachten.-
1 Zum Ritter geboren

Falls Sie demnächst einmal nach Eschenbach kommen und dort im Erdreich mysteriöse Geräusche hören sollten, dann liegt es wahrscheinlich daran, dass Wolfram von Eschenbach in seinem Grab rotiert, aus Verzweifelung darüber, was Anne Eliot Crompton aus dem Parzival-Stoff gemacht hat. Dem französischen Dichter Chrétien de Troyes dürfte es ähnlich ergehen.

Die Artuslegende ist natürlich eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für Fantasyautoren, aber gerade die Parzivalgeschichte erfordert auch in einem belletristischen Roman etwas mehr Tiefgang und Ernsthaftigkeit.
Falls Sie also die mittelalterlichen Versepen kennen, verdrängen Sie dieses Wissen bei der Lektüre des Romans aus dem Gedächtnis, falls Sie die Vorlage nicht kennen, schätzen Sie sich glücklich. Nimmt man Cromptons Geschichte als das, was sie ist, als einen leichten, netten Unterhaltungsroman, dann kann die Lektüre durchaus Spaß machen. Es sei denn, sie sind ein strenggläubiger Christ, dann könnten Sie an Percivals Lieblingsflüchen Anstoß nehmen, die da lauten “Gottverdammich” und “Bei Gottes Hoden”.

Percival und die schöne Elfe (Percival’s Angel) ist wieder ein Buch, das die Romantiker unter den Fantasyfreunden ansprechen dürfte. Zwar kommt gelegentlich jemand zu Tode, trotzdem ist der Roman nahezu gewaltfrei. Wie Percival, hier meistens Percy genannt, dank seiner Unerfahrenheit von einem Abenteuer ins andere stolpert und trotz seiner Naivität alle Tücken des Ritterlebens siegreich besteht, entbehrt nicht der Komik. Und schließlich ist da noch die Elfe Lili, die Percy heimlich liebt und die einen erheblichen Anteil daran hat, dass Percy weder von hinterhältigen Rittern, noch von durchtriebenen Frauen ernsthafter Schaden zugefügt wird.

Laut Klappentext schrieb USA Today über das Buch: Großartig wie Marion Zimmer Bradleys “Nebel von Avalon.” Betrachtet man allein den Umfang des Buches, merkt man schon, dass dieser Vergleich wieder einmal nicht stichhaltig ist. Weder die Charaktere, noch die Handlung sind in Percival und die schöne Elfe so komplex und lebensnah gestaltet wie bei Zimmer Bradley.

Cover von Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung von T.A. BarronIm Jahr der Dunkelheit werden alle Sterne Avalons für ein ganzes Jahr erlöschen. In diesem Jahr wird ein Kind geboren werden, das dazu bestimmt ist, Avalons Ende zu bringen. Rettung kann allein Merlins wahrer Erbe bringen. So lautet die Prophezeiung der Herrin vom See. 17 Jahre sind seit dem Jahr der Dunkelheit vergangen und Avalons Ende scheint nahe. Hohepriesterin Coerria schickt die junge Priesterin Llynia aus, den wahren Erben Merlins zu finden. Elli soll sie begleiten, obwohl die beiden Mädchen sich nicht leiden können. Unterwegs treffen sie auf Tamwyn und später auf dessen Bruder Scree. Es scheint, daß einer der Brüder das Kind der dunklen Prophezeiung ist und der andere der wahre Erbe Merlins. Aber welcher ist welcher?

– Aus den Klippen brach ein Feuerstoß und schoß in die Dunkelheit wie ein zorniger Drache.-
Prolog: In einer dunklen Nacht

Man braucht nicht lange, um die Geschichte zu durchschauen: Tamwyn ist der Enkel Merlins, folglich ist er der wahre Erbe Merlins, der die Rettung bringt. – So simpel ist es zum Glück dann doch nicht. Ebenso rasch, wie man zu dieser Schlußfolgerung gekommen ist, beginnt man auch wieder an ihr zu zweifeln. Zwar winkt T.A. Barron mit Zaunpfählen, die locker das Ausmaß von Mammutbäumen erreichen, andererseits bemüht er sich fleißig, dem Leser andere Protagonisten als Merlins wahren Erben schmackhaft zu machen. Ein heißer Kandidat ist Scree, der auf den ersten Blick, das unglückbringende Kind der dunklen Prophezeiung zu sein scheint. Aber Scree hütet und beschützt Merlins Stab, von dem in der Prophezeiung gesagt wird: Drum findet Merlins Zauberstab, dann ist der Erbe da. Merlin würde seinen Stab doch nicht dem Todfeind Avalons anvertrauen, oder doch? Falls Scree tatsächlich der Gegenspieler des Erben sein sollte, hat der Leser ein neues Problem. Scree ist ein netter Kerl, der seinen Bruder Tamwyn liebt. Niemand würde Genugtuung empfinden oder sich gar freuen, wenn er getötet würde. Denn das ist es, was das dunkle Kind erwartet: der Tod. Die Hohepriesterin Coerria hat Elli das Versprechen abgenommen, das dunkle Kind der Prophezeiung zu töten, sobald sie es gefunden hat. Aber auch Elli ist eine sympathische Figur, von der man nicht möchte, daß sie zur Mörderin wird – auch nicht für eine gute Sache.

Die Geschichte lebt von ihren Protagonisten. Tamwyn ist ein Tolpatsch, der häufig anderen unbeabsichtigt Schaden zufügt. Für den Leser ist seine Tapsigkeit witzig, seine Opfer finden seine Unbeholfenheit weniger komisch. Elli ist wütend auf Tamwyn, weil er ihre Harfe zerstört hat, das letzte Geschenk ihres Vaters, bevor er starb. Das sorgt für Zündstoff in der Gruppe. Der Hoolah lacht auch darüber, wie er über alles lacht und bringt damit seine Kameraden gegen sich auf. Selbst als er mit Tamwyn in eine Todesfalle gerät, findet er das höchst amüsant und er grinst auch noch, als der erboste Tamwyn droht, ihn zu töten: Gut, uuhuu iihii. Sterben ist etwas, das ich noch nicht probiert habe. Hoolahs besitzen ein ausgesprochen sonniges Gemüt. Elli und Llynia können sich auch nicht leiden. Llynia ist die einzige zwielichtige Person unter den Gefährten. Sie ist eine arrogante Ziege, die zuviel Ehrgeiz besitzt, aber man kann sich nicht sicher sein, wie sie sich entwickeln wird. Vielleicht bewährt sie sich auf der Reise und wird durch die bestandenen Abenteuer reifer und verantwortungsbewußter, ebenso ist es möglich, daß sie sich aus übertriebenem Ehrgeiz auf die Seite der Bösen schlägt. Sie könnte sogar das Kind der dunklen Prophezeiung sein, denn nirgends wird gesagt, daß es sich dabei um einen Jungen handelt.
Wer ist das Kind der dunklen Prophezeiung? Wer ist der wahre Erbe Merlins? Werden sich die Gefährten schließlich zusammenraufen und gemeinsam das Ende Avalons verhindern? Die tapfere Truppe muß auch Kämpfe und Gefahren bestehen, aber der Roman ist nicht actionlastig und bezieht seine Spannung hauptsächlich aus diesen Fragen. Es gibt auch noch den bösen und grausamen Hexer Kulwych, der sich für den größten Zauberer aller Zeiten hält, und der hinter Merlins Stab her ist. Jedesmal, wenn er auftaucht, verbreitet er Angst und Schrecken und Tod.
Barrons Erzählstil ist ausladend, er nimmt sich Zeit, seine Geschichte zu erzählen, trotzdem wird es nie langweilig. Auch die Natur Avalons und ihre Zerstörung beschreibt er ausführlich. Man merkt Barron an, daß ihm nicht nur Avalons Umwelt, sondern auch unsere sehr am Herzen liegt.

Cover von Susannah von Stephen KingMia hat im Körper der hochschwangeren Susannah die Flucht in das New York von 1977 ergriffen, und es gelingt Roland und seinen Gefährten Eddie, Jake und Callahan ihr durch die Tür in der Höhle zu folgen. Sie geraden in einen Hinterhalt und werden von Balazars Leuten überfallen, die es ebenfalls auf den dunklen Turm abgesehen haben. Nur mit Hilfe eines neuen Freundes gelingt ihnen die Flucht. In ihrer Verzweiflung beschließen sie, ihren Schöpfer (sic, Stephen King selbst) aufzusuchen, während Susannah in New York Rolands Sohn zur Welt bringen will.

-Auch wenn Geschichtenerzählen nicht meine Stärke ist, werde ich mein Bestes tun.-
11. Strophe (Der Schriftsteller)

Die Inhaltsbeschreibung klingt wirr? Ist aber so.
Was sich im Vorgänger Wolfsmond abzeichnete, wird traurige Realität. Der vollkommen unnötige Handlungsstrang um die bevorstehende Niederkunft von Susannah und die Geburt von Rolands Sohn wird zu einem ganzen Roman von x Seiten Stärke ausgewalzt. Der Grund dafür bleibt nebulös, und so sitzt Band VI des dunklen Turms zwischen allen Stühlen:
Um dem Epos die zusätzliche Facette eines Vater-Sohn-Konflikts à la Artussage zu verleihen, beschäftigt sich der Roman zu sehr mit Susannah und ihrem Alter Ego Mia Niemandstochter, und um die Hassliebe-Beziehung der beiden Frauen tiefer zu reflektieren, ist das ganze Grundkonzept einer Hetzjagd einfach zu atemlos. Obwohl Mias Verhalten durchaus verständlich sein mag (will sie doch letztendlich nur einmal Mutterfreuden genießen und ihr Kind im Arm halten), bleibt der ganze Charakter oberflächlich und damit bedeutungslos. Fast möchte man meinen, der ganze Roman ist nur entstanden, damit sich der Autor selbst unauffällig in die Geschichte reinschreiben kann. Man kann grundsätzlich geteilter Meinung über so einen deus ex machina sein, aber wenn die ganze Geschichte darüber hinaus wenig Aufregendes zu bieten hat, kann auch das nicht begeistern.
Letztlich bleibt die Geschichte trotz einiger netter Detail-Ideen und einer zugegeben originellen Kapitelstruktur Stückwerk. Negativ fällt vor allem auf, mit welch platten Anspielungen King auf den Artusmythos verweist (Mordred). Das wäre subtiler auch möglich gewesen.

Cover von Der Weg des Magiers von Jean-Louis Fetjaine6. Jahrhundert nach Christus: Der junge Merlin reitet zusammen mit Guendoleu, dem König von Kumbrien, und dessen Truppe nach Schottland. König Ryderch hat alle britannischen Fürsten zusammengerufen, damit sie sich unter seiner Führung vereinigen. Doch Aldan, Königin von Dyfed, die Mutter Merlins und Witwe des ranghöchsten Königs der Britannier, macht dem ehrgeizigen Ryderch einen Strich durch die Rechnung. Sie überreicht den goldenen Torques, einen Halsreif als Zeichen der obersten Königswürde, Guendoleu von Kumbrien. Kurze Zeit später geraten Guendoleu und seine Männer in einen Hinterhalt. Alle außer Merlin werden niedergemetzelt. Merlin nimmt den Torques an sich, um ihn nach Dyfed zurückzubringen. Wird er sein Ziel je erreichen?

-Der Winter hatte bereits Einzug gehalten. An jenem Morgen war die Luft anders als sonst, kälter und klarer.-
1 Die Prophezeiung

Der Weg des Magiers (Le Pas de Merlin) ist der klassische Auftakt einer Trilogie. Jean-Louis Fetjaine stellt dem Leser ausführlich die handelnden Charaktere vor und bringt die gegnerischen Parteien in Stellung. Die Hauptperson ist Merlin – hier kein alter, weiser Magier mit langem Bart, sondern ein Jüngling, klein gewachsen und für einen jungen Mann von auffallend zierlicher, schmächtiger Gestalt. Wohl deshalb nennt Fetjaine ihn häufig, oft mehrfach auf einer Seite, das Kind. Diese penetrant wiederholte Bezeichnung für den jungen Barden ist das einzige an diesem Roman, was erst irritierend, im weiteren Verlauf der Geschichte nur noch störend wirkt. Da der Autor von Merlin ständig als dem Kind spricht, glaubt man zunächst, König Guendoleu hätte einen Elf- oder Zwölfjährigen in seinem Gefolge, vielleicht als Knappen oder Pagen. Nachdem man einiges über Merlins frühe Kindheit und seinen Werdegang erfahren hat, setzt man sein Alter auf 14 oder 15 herauf, um endlich zu dem Schluß zu kommen, daß Merlin mindestens 16 Jahre alt sein muß, da sich König Ryderchs siebzehnjährige Schwester Guendoloena wohl kaum von einem Kind entjungfern lassen würde, das für sein Alter auch noch klein und schmächtig ist.

Nicht nur in Liebesdingen benimmt sich Merlin alles andere als kindlich. Den Hinterhalt überlebt er nur, weil er beherzt und skrupellos kämpft. In solchen Situationen wirkt die Bezeichnung das Kind auch noch unfreiwillig komisch: Merlins Antwort war, aus Leibeskräften auf die Lanze des Mannes einzudreschen … Das Kind machte erneut einen Ausfall, doch diesmal war der Mann aus den Bergen darauf gefaßt … Er hatte sich umgedreht, und das Kind nutzte die Chance, um sich nach vorne zu werfen und zuzustoßen, doch der Krieger wich mühelos aus, und wieder traf der Schwertstumpf nur ins Leere. Mit einem Rippenstoß brachte er das Kind aus dem Gleichgewicht … Merlin stürzte sich auf ihn, und das zerbrochene Schwert bohrte sich tief in die Leiste des Reiters …, worauf Merlin zum Angriff überging und, sein Schwert wie ein Messer in der Hand, auf ihn einstach, bis er endlich zu schreien aufhörte. Zwar ist auch im Nibelungenlied der jüngste der königlichen Brüder, Giselher, auch dann noch das Kind, als er aufgrund der Geschichte schon weit in den Vierzigern sein müßte, aber Giselher hat sich inmitten seiner intriganten und rachsüchtigen Verwandtschaft noch Reste eines kindlichen Gemüts bewahrt. Merlin wirkt jedoch aufgrund seines Handelns weitaus älter als sein Aussehen und seine Jugend vermuten lassen.

Die große Stärke des Romans ist, daß Fetjaine, der mittelalterliche Geschichte studiert hat, sich um größtmögliche historische Authentizität bemüht. Im Nachwort beschreibt der Autor den historischen Hintergrund seiner Geschichte und wie sich daraus die Artuslegende entwickelt hat. Außerdem gibt es eine ausführliche zeitliche Übersicht. Über weite Strecken ist Der Weg des Magiers eher ein historischer Roman, Fantasyelemente kommen kaum vor, abgesehen davon, daß sich die Hinweise häufen, daß Merlins Herkunft außergewöhnlich ist. Auch die Konkurrenz zwischen der neuen christlichen Religion, repräsentiert durch die Mönche und den Klerus, der munter in der Politik mitmischt, und dem alten Glauben der Britannier, vertreten durch Merlin und andere Barden, spielt eine Rolle. Erst gegen Ende des Romans bricht das Übernatürliche deutlich in die Handlung ein. Merlin wird im wörtlichen Sinne über Nacht erwachsen. Die Beschreibung dieser besonderen Nacht ist so spannend, mitreißend und emotional, daß man Fetjaine auch verzeiht, daß er Merlin wahrscheinlich zum tausendsten Mal das Kind nennt. Dies ist die gelungenste Szene des Romans, doch sie ist keine Ausnahmeerscheinung. Fetjaine versteht es, eine packende Atmosphäre zu erschaffen, seinen Protagonisten Leben einzuhauchen und eine lang vergangene Zeit wieder auferstehen zu lassen.