: Hexen & Zauberer

Cover des Buches "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär" von Walter MoersEin Blaubär, wie ihn keiner kennt, entführt die Leser in eine Welt, in der die Fantasie und der Humor abenteuerlich außer Kontrolle geraten sind: nach Zamonien, wo Intelligenz eine Krankheit ist und Sandstürme viereckig sind, wo hinter jeder Idylle eine Gefahr lauert und wo all jene Wesen hausen, die aus unserem alltäglichen Leben verbannt sind.

In 13 ½ Lebensabschnitten kämpft sich der Held durch ein märchenhaftes Reich, bei dem alles möglich ist.

-Ein Leben beginnt gewöhnlich mit der Geburt – meins nicht.-
1. Mein Leben als Zwergpirat

Ich gebe zu, dass ich sehr skeptisch war, das Buch anzufangen. Eigentlich mag ich den Käpt’n Blaubär aus dem Fernsehen nicht sonderlich, mit Moers verbinde ich immer Das Kleine Arschloch und beim Durchblättern störten mich die vielen seltsamen Zeichnungen. Da ich aber gerade kein anderes Buch zur Hand hatte, warf ich doch mal einen Blick hinein – und konnte gar nicht mehr aufhören!

Moers schubst zwar den Leser, genau wie den armen Blaubär, nach Zamonien und konfrontiert ihn gleich zu Beginn damit, dass auf dieser Insel wirklich nichts ist, wie man es gewohnt ist: Zwergpiraten, fleischfressende Inseln oder kilometergroße Bolloggs ohne Kopf, die ganze Landstriche verwüsten, gehören in Zamonien zum Alltag. Stattdessen sind Menschen schon was besonders, haben in Antlantis sogar Hausverbot!

Der kleine Blaubär besteht in seinen 13 ½ Leben viele Gefahren und man hat den Eindruck, der Autor will jedes Leben davor mit noch mehr Fantasie übertreffen. Fast nebenbei werden auch noch große Fragen der Menschheit gelöst: gab es Atlantis und was ist damit passiert? Gibt es Außerirdische oder andere Dimensionen? Was geschah mit den Dinosauriern?
Der Blaubär begegnet auf seinen Reisen natürlich auch vielen Wesen, die ihm entweder helfen oder ihn fressen oder einfach nur ins Verderben stürzen wollen. Mit viel Sorgfalt erschafft Moers Hempelchen, Hutzen, Waldspinnenhexen, Finsterbergmaden, Tratschwellen, Nattifftoffen, Wolpertinger, Rikschadämonen, Mittagsgespenster, Midgardschlangen und die zig anderen Wesen, die Zamonien bevölkern.

Natürlich quillt auch Zamonien selbst fast vor originellen Ideen über: Der ewige Tornade, rechteckige Sandstürme, Unbiskant (ein unerforschter Landstrich, der seinen Namen aus “unbekannt” und “riskant” erhielt), der Malstrom – das könnte hier noch ewig so weitergehen. So viele Ideen hab ich wohl noch nie in einem Buch gesehen. Und trotzdem ist der Leser nicht gleich nach den ersten Seiten gesättigt, man wartet praktisch schon auf die nächste ungewöhnliche Idee, die Moers eingebaut hat. Die Zeichnungen, mit denen ich vorher nicht anfangen konnte, fügten sich plötzlich wie von selbst in die Geschichte und von mal zu mal gefielen sie mir besser.
Und die Reise an sich? Man darf nicht vergessen, ein Blaubär neigt zum Flunkern und ein bisschen zum Übertreiben. Man sollte also mit einem Augenzwinkern den Zufall Zufall sein lassen und einfach die Geschichte genießen. Fantasie ist schließlich keine Realität. 😉

Cover von The Amulet of Samarkand von Jonathan StroudÜber das moderne British Empire herrscht eine machtgierige und paranoide Clique von Zauberern. Mr. Underwood, der einen geringen Posten in der Regierung inne hat, soll den hochbegabten Nathaniel unterrichten, unterschätzt diesen jedoch völlig. So beschließt der Junge voller Ehrgeiz und Ungeduld den uralten Djinn Bartimaeus zu beschwören, damit dieser vom arroganten Simon Lovelace das mächtige Amulett von Samarkand stielt. Unversehens geraten die beiden in eine großangelegte Verschwörung um Macht, bei der die Akteure nicht zimperlich sind und ohne zu zögern über die Leichen Unschuldiger steigen…

-The temperature of the room dropped fast.-
1

In The Amulet of Samarkand (Das Amulett von Samarkand) Geschehen findet das Geschehen weitgehend im modernen London mit Limousinen und Telefonen statt, erst gegen Ende verlagert es sich von der Stadt aufs Land. Ein besonderes Gefühl der Urbanität kommt jedoch nicht auf, das Setting ist eher Kulisse für die Handlung. Für die Briten gestaltet sich die Ordnung der intelligenten Wesen so: Ganz oben stehen natürlich die Zauberer, dann kommen die Gewöhnlichen und zum Schluß die Dämonen (Marids, Afrits, Djinn, Foliots und Imps) – aber die meisten “Dämonen” sind nicht gerne Sklaven und auch die Gewöhnlichen wollen nicht alle von Zauberern regiert werden. Um eine Dynastienbildung zu verhindern, dürfen Zauberer keine leiblichen Kinder haben. Gewöhnlichen Eltern wird ein Kind von etwa sechs Jahren abgekauft, einem Zauberer zur Ausbildung überlassen und der Geburtsname wird gelöscht, damit er niemanden in die Hände fällt – denn Wissen über den wahren Namen eines Dinges bedeutet, darüber bestimmen zu können. Von Außenstehenden wird das Kind mit dem Namen seines Meisters angesprochen, vom Meister nur als Junge oder Mädchen bis zum zwölften Lebensjahr, in dem sich der Lehrling einen Namen aussuchen darf.
Mit Zauberei läßt sich so manches vollbringen – mit einer kurzen Spruchformel und einer schnellen Geste lassen sich Schadenszauber, Schutzzauber oder Haltezauber wirken. Der wichtigste Zauber aber ist das Binden von “Dämonen”. Aufwendig muß der Zauberer den wahren Namen recherchieren, in einem anstrengenden Ritual mit seltenen Ingredienzien an sich binden und dann hat er einen Sklaven, der ihm gehorchen muß. Die “Dämonen” nun sind – je nach Grad – mächtige Wesen, ein Djinn wie Bartimaeus kann seine Gestalt fast beliebig verändern, alle sieben Ebenen einsehen – und damit leichter die wahre Natur eines Dinges erkennen – und einiges an Zaubern wirken. Doch Vorsicht ist geboten, denn nur die wenigsten “Dämonen” lieben ihren Herren, die meisten lieben es jedoch diesem Schaden zuzufügen, daher sollte ein Zauberer sich den Wortlaut seiner Befehle genau überlegen. Die arabischen/europäischen Vorbilder der magischen Elemente sind deutlich zu erkennen, was bei der Konfrontation von Magie und Moderne aber auch nicht sonderlich stört. Ärgerlich dagegen ist die Unklarheit darüber, wie mächtig etwas wirklich ist, welche Möglichkeiten die Zauberei bietet und noch schlimmer: “Dämonen” sollen gerne ihren Meistern Schaden zufügen, sagt Bartimaeus, eine unverdächtige Quelle in diesen Zusammenhang. Geboten werden dem Leser aber nur Gegenbeispiele.
Figuren treten zwar etliche auf, doch größere Rollen spielen nur wenige. Nathaniel ist der eigentliche Protagonist der Geschichte, er ist jung, ehrgeizig, höchst talentiert – und ungeduldig. Kunstvoll werden diese Eigenschaften aus einzelnen, aber wichtigen Episoden abgeleitet. Aber im Gegensatz zu seinen Zaubererkollegen hat er noch Reste eines Gewissens. Bartimaeus übernimmt die Rolle des Sidekicks, allerdings ist er nicht nur für den Humor zuständig, sondern auch ein sehr fähiger Djinn. Er ist sehr gewitzt, neigt allerdings auch zu Übertreibungen, besonders dann, wenn es um die Mängel der Konkurrenten oder die eigenen Qualitäten geht. Einen besonders ausgeprägten Charakter hat er nicht, was daran liegt, daß er hauptsächlich Nathaniels Befehlen gehorchen muß. Er ist ironisch, geistreich und nicht besonders gewaltfreudig, aber durchaus dazu fähig. Die anderen Zauberer sind alle hartherzig und machtgierig. Manche sind unfähig, wie Underwood, andere sind talentiert, wie Lovelace, aber alle sind Mächtigeren gegenüber Speichellecker und Schwächeren gegenüber arrogant. Allesamt Radfahrer, ein paar mehr Unterschiede wären schön gewesen. Gelungener ist die Darstellung der “Dämonen”, diese sind viel farbenfroher und interessanter. Auch wenn die Herleitung des Charakters Nathaniels gut gelungen ist und keiner der anderen ein bloßer Gutmensch oder ein arger Bösewicht ist, sind die Charaktere der Menschen zu einseitig tendenziös und die Befähigungen der Zauberer scheinen mir unplausibel verteilt zu sein – Nathaniel ist äußerst talentiert und ihm gelingt, was nicht einmal vielen der Regierungszauberer zusammen gelingt.
Der Plot selbst ist nicht besonders originell, es geht um eine Verschwörung, in die der rachsüchtige Nathaniel und sein Sklave Bartimaeus hineingeraten. Dennoch ist die Geschichte spannend erzählt, dafür sorgen die vielen actionreichen Sequenzen und überraschenden Wendungen. Weiterhin wird sachte der sich anbahnende Konflikt mit der Resistance, einer Gruppe von Kindern der Gewöhnlichen, die allerdings ungewöhnliche Fähigkeiten haben und gegen das Establishment agieren, angedeutet. Da schon im ersten Kapitel ernsthaft in den Plot eingestiegen wird und die Handlung vielfach rasant voranschreitet, ist die Spannung das ganze Buch über hoch – sie unterliegt nur geringen Schwankungen, wenn es mal ein erläuterndes Kapitel gibt. Aus Bartimaeus lakonischen und ironischen Bemerkungen zieht das Buch außerdem einiges an humorvollen Momenten.
Ungewöhnlich wird aber mit den Erzählperspektiven umgegangen: Bartimaeus berichtet als Ich-Erzähler mit Fußnoten, die die unterschiedlichen Ebenen seines Denkens symbolisieren (und zu komischen oder erläuternden Bemerkungen genutzt werden), während Nathaniels Kapitel von einer personalen Perspektive aus erzählt werden. Die Sätze sind einigermaßen unauffällig und die Wortwahl ist immer treffend.

Cover des Buches Das Amulett von Samarkand von Jonathan StroudIn England herrschen Zauberer. Zwar gibt es auch “Gewöhnliche”, das sind Menschen, die nicht zaubern können, aber im öffentlichen Leben spielen sie keine große Rolle. Zauberer dürfen aber keine Kinder bekommen, stattdessen ist jede Familie dazu verpflichtet ein Kind von “Gewöhnlichen” auszubilden. So kommt Nathanael zu den Underwoods, bei denen er eine solide Ausbildung erhält, auch in Zauberei. Nathanael macht schnell große Fortschritte. Als ihn der einflußreiche Simon Lovelace bei einer Prüfung demütigt, schwört Nathanael Rache. Mit zwölf Jahren hat Nathanael soviel gelernt, daß er den mächtigen Dämon Bartimäus beschwören kann und ihn beauftragt das Amulett von Samarkand aus Simon Lovelaces Haus zu stehlen. Er ahnt nicht, welche Katastrophe er damit auslöst.

-Die Temperatur im Zimmer sank rasch. Eis bildete sich auf den Vorhängen und überzog die Deckenlampen mit einer dicken Kruste. Die Glühfäden sämtlicher Birnen schnurrten zusammen und verglommen, und die Kerzen, die wie eine Kolonie Giftpilze aus jeder feien Fläche sprossen, erloschen .-
Teil 1

Jonathan Stroud scheint eine Vorliebe für den bekanntesten deutschen Dichter zu hegen. Nathanael wirkt wie eine Mischung aus einem jungen Möchtegern-Faust und dem Zauberlehrling aus Goethes gleichnamiger Ballade. Er kann weitaus besser zaubern als Underwood es ihm zutraut, aber er ist noch nicht reif genug, um zu übersehen, welche Folgen sein Verhalten nach sich zieht und prompt löst er eine Katastrophe aus. Nathanael ist zweifellos eine sympathische Figur, jedoch ist er nicht so originell, daß er aus der Vielzahl, der in Kinderbüchern neuerdings zaubernden Jünglingen, herausragen würde. Nun hat der aufmerksame Leser vielleicht schon bemerkt, daß Nathanaels Name nicht im Titel des Buches auftaucht -und das hat seinen guten Grund, denn der eigentliche Star dieses Romans ist der Dämon Bartimäus, ein Dschinn und zeitweise Ich-Erzähler. Auf höchst witzige Weise erzählt Bartimäus seine Version der Geschichte. Er besitzt einen lakonischen Humor und eine erstaunliche Urteilskraft, er ist listig und kann sich in alles Mögliche verwandeln und wenn es nötig ist, scheut er auch nicht vor dem Einsatz roher Gewalt zurück. Zur Zeit ist er leider ein wenig miesepetrig. Es paßt ihm überhaupt nicht, daß ein Zwölfjähriger ihn beschworen hat und er jetzt tun muß, was Nathanael ihm befiehlt, deshalb wartet er nur auf eine Möglichkeit, den Bann zu brechen. Doch als die Lage immer verfahrener wird, bilden die beiden eine äußerst erfolgreiche Zweckgemeinschaft.
Bartimäus ist wahrscheinlich der originellste Dämon, der in Romanen gerade sein
(Un-)Wesen treibt, allerdings hat er einen Fehler: Seine Vorliebe für ausführliche Fußnoten. Die eine Hälfte der Fußnoten hätte gut in den Text integriert werden können und die andere Hälfte hätte in einem Glossar am Schluß des Buches untergebracht werden können. So stören sie allzu oft den Lesefluß und nur die Angst, etwas von Bartimäus’ britischem Humor zu verpassen, sorgt dafür, daß man nicht den Rat befolgt, den der Dämon in einer dieser Fußnoten dem Leser erteilt: Wieso verplemperst Du eigentlich deine Zeit damit, das hier zu lesen? Lies lieber oben weiter und sieh selbst!

Cover des Buches: "Anidas Prophezeiung" von Susanne GerdomIn ländlicher Umgebung, etwas isoliert, wachsen ein Junge und seine zwei Schwestern ohne Mutter auf, liebevoll umsorgt von der Tante, weniger vom bärbeißigen Vater, Lord Joris. Kurze Szenen aus einigen Jahren enden mit dem Besuch der zweiten Tante, einer Weißen Hexe, die bei allen Geschwistern den Magietest vornimmt. Er fällt bei der Jüngsten erstaunlicherweise negativ aus. Trotzdem geht es darum, dass sie mitwirkt, eine Welt zu retten, die sie noch nicht einmal kennt, während der Bruder längst zu den Grauen Magiern abgedriftet ist. Und die Bedrohung von der schwarzen Seite wächst …

-“Simon! Herr Simon!” Mit schrillen Rufen lief der langbeinige Junge über den Hof und scheuchte dabei eine Schar von Hühnern auf, die sich friedlich gesonnt hatten und nun laut gackernd das Weite suchten.-

Mit unscheinbarem Gewand und (für Fantasyverhältnisse) geringer Seitenzahl beginnt Susanne Gerdom ihre Trilogie rund um die Zwillinge Anida und Adina, die ihre Welt retten sollen. So weit nichts Neues. Doch dieser alte Hut wird von der Autorin ziemlich gut neu verpackt und nicht zuletzt der locker-flockige Schreibstil lässt die 400 Seiten wie im Flug vergehen. Besonders die aus der Ich-Perspektive erzählten Abschnitte Adinas mit ihrem trockenen Humor sind gelungen und sorgen für mehr als einen Lacher.

Zwar erfährt man nicht allzu viel von den Welten, auf denen die Charaktere leben, doch es reicht aus, dass sich der Leser ein Bild machen kann – der Rest bleibt der Phantasie überlassen. Die Gegensätzlichkeit der Welten, in denen die Zwillinge aufwachsen, sorgt für einen amüsanten Kulturschock Adinas, meiner Meinung nach der beste Teil des Buches.

Die Handlung verläuft sehr gradlinig, was den einzigen Wermutstropfen an dem ansonsten guten Buch darstellt. Mehr als die Geschichte der beiden Hauptpersonen wird nicht erzählt, hier hätte man sich ein wenig mehr gewünscht. Außerdem spart sich die Autorin den Hauptteil der Erklärungen für den nächsten Band: Fragen nach dem Warum werden mit “Es ist noch nicht die richtige Zeit.” auf später verlegt. So hat man zwar am Ende den Hauch einer Ahnung, tappt aber weiter wie Adina und Anida im Dunkeln.
Das Buch macht jedenfalls Lust auf mehr, zum Glück handelt es sich lediglich um den Auftakt. Ein leichter Spaß für Zwischendurch, vielleicht kein Highlight der Fantasy, aber dennoch lesenswert.

Cover von Das Auge des Golem von Jonathan StroudNathanael ist mittlerweile vierzehn Jahre alt, seine neue Lehrmeisterin ist Sicherheitsministerin in Devereauxs Kabinett. Er selbst hat sich bald so viel Wissen angeeignet, daß er seine erste Anstellung als Assistent des Leiters der Abteilung für Innere Angelegenheiten antreten kann. Er soll die Widerstandsbewegung zerschlagen, die die Herrschaft der Zauberer bekämpft. Nach einem Attentat auf den Premierminister ist nun ein besonders brutaler und verheerender Anschlag verübt worden. Sämtliche Mitglieder des Kabinetts verdächtigen die Gewöhnlichen, doch Nathanael hat einen anderen Verdacht. Allein kann er seine Vermutung nicht beweisen und da er unter den Zauberern keinen Verbündeten findet, bleibt ihm keine andere Wahl: er muß Bartimäus beschwören.

– »Klar habe ich damit gerechnet, dass mich eines Tages wieder irgendein Schwachkof mit spitzem Hut beschwört, aber doch nicht derselbe wie beim letzten Mal!” Er zog einen Flunsch. “Ich trage keinen spitzen Hut!« –
Bartimäus (10)

Er ist selbstverliebt, eitel, arrogant, ironisch, sarkastisch, süffisant, makaber, beleidigend – und stinksauer, daß ihn derselbe Schwachkopf wie beim letztenmal beschworen hat. Kurz und gut: Bartimäus ist zurück und er ist liebenswert wie eh und je. So grummelig, muffelig und bösartig kann sich der Dschinn gar nicht geben, als daß man nicht früher oder später merken würde, daß die rauhe Fassade nur dazu dient, Bartimäus’ goldenes Herz zu verbergen, das er ohne Zweifel auf dem rechten Fleck hat. Wenn er sich zu der einen oder anderen kleinen Grausamkeit hinreißen läßt, dann nur, weil er Nathanael unbedingten Gehorsam zu leisten hat. Und Nathanael ist erstaunlicherweise derjenige, der in diesem Roman einige Sympathiepunkte einbüßt. Auch Nathanael ist arrogant und eitel, aber ohne Bartimäus’ rauem Charme und Witz. Sein Ehrgeiz ist maßlos, er bricht seine Versprechen und scheint sich langsam zu einem Zauberer wie all die anderen zu entwickeln. Das ist wahrlich kein Kompliment, denn die meisten Zauberer haben einen eher unangenehmen Charakter und außerdem wirkt das von Zauberern beherrschte Großbritannien mehr und mehr wie eine Diktatur. Man muß Nathanael allerdings zugute halten, daß er es schwer hat, weil er der Jüngste im Ministerium ist und immerhin meldet sich noch sein Gewissen. Man darf also hoffen, daß er sich richtig entscheiden wird, wenn er eines Tages zwischen Gut und Böse wählen muß.
Überraschenderweise tritt in diesem Roman eine andere Person auf, die dem Leser von Seite zu Seite sympathischer wird. Das ist ausgerechnet Kitty, die zu den jugendlichen Widerstandskämpfern gehört. Sie ist mutig, besitzt ein ungetrübtes Urteilsvermögen und läßt ihre Freunde nicht im Stich.

Bartimäus – Das Auge des Golem (The Golem’s Eye) lebt von seinen originellen und individuell gezeichneten Protagonisten, die ihre Ecken und Kanten haben und keine 08/15-Fantasy-Stereotypen sind. Aber natürlich kommt auch die Spannung nicht zu kurz. Ein seelenloses Ungeheuer macht London unsicher, das sich zielsicher und unbeirrbar seinen Weg bahnt, dabei eine Spur der Verwüstung hinter sich herzieht und jeden tötet, der sich ihm in den Weg stellt. Nathanael muß bis nach Prag reisen, mit seinen engen Gassen und alten Friedhöfen, um Hinweise zu finden, wie man ihm das Handwerk legen kann. Dann fängt auch noch ein übergeschnapptes Gerippe an, sein Unwesen in London zu treiben – und das ist keineswegs so lustig, wie es sich anhört. Es sieht sogar aus, als ob Bartimäus Nathanael nicht die vereinbarten sechs Wochen dienen muß, denn wenn der Zauberer, der ihn beschworen hat, stirbt, ist der Dschinn frei…

Avempartha von Michael J. SullivanDie naive Bauerntochter Thrace bittet Hadrian und Royce um Beistand: Ihr Dorf wird von einem Ungeheuer heimgesucht, dessen nächtliche Angriffe schon zahlreiche Menschenleben gefordert haben. Die einzige Waffe, mit der es besiegt werden kann, soll in der verlassenen Elfenfestung Avempartha verborgen sein – doch dorthin ist seit Jahrhunderten niemand mehr vorgedrungen. Schnell stellt sich heraus, dass hinter dem Hilferuf in Wahrheit der Zauberer Esrahaddon steckt, der eigene Gründe hat, nach Avempartha gelangen zu wollen. Aber auch die Kirchenoberen haben Interesse an den Vorgängen und gedenken, sie im Sinne ihrer Machtambitionen auszuschlachten …

– They stood very near the ridge of the cataract and could see the white mist rising from the abrupt drop like a fog. Out in the middle of the river, at the edge of the falls, a massive shelf of bedrock jutted out like the prow of a mighty ship that ran aground just before toppling over the precipice. On this fearsome pedestal rose the citadel of Avempartha. –
(Chapter 5 – The Citadel)

Michael J. Sullivans Konzept, seine epische Geschichte in mehreren in sich abgeschlossenen Episoden zu erzählen, geht auf: Avempartha hat zwar seine Schwächen, aber es sind nicht die eines klassischen Übergangsbands. Das Abenteuer um den Kampf gegen den drachenähnlichen Gilarabrywn funktioniert durchaus auch als Einzelbuch, obwohl natürlich einige Handlungsstränge aus The Crown Conspiracy ihre Fortsetzung finden. Manch ein Rückbezug bringt einen dabei zum Schmunzeln (so entdecken die Helden etwa ein Theaterplakat, das ein Stück über ihre im Eingangsband der Reihe geschilderten dramatischen Erlebnisse anpreist).

Ein Übermaß an Originalität darf man auf der Plotebene nicht erwarten. Es kommen wieder zahlreiche altbekannte literarische Motive zum Einsatz, allen voran der Herrschaftserwerb im Drachenkampf, wobei dieses Element recht gelungen mit der ebenfalls gängigen Vorstellung verknüpft ist, dass die Überwindung eines Ungeheuers Heiligkeit und Gottesnähe beweist. Auch die klassische Entführung (mehr als) einer damsel in distress durch den Drachen darf natürlich nicht fehlen, nimmt aber immerhin eine ganz erfrischende Wendung. Für den Leser amüsant ist die innerhalb der Geschichte eher beklemmende Tatsache, dass die schurkischen Kirchenleute mit solchen Erzählkonventionen bestens vertraut sind und sie zu ihren Gunsten auszunutzen verstehen.

Die Antagonisten sind jedoch nicht die einzigen, die in Avempartha an Profil gewinnen. Sullivan entwickelt seine Charaktere nach wie vor mit viel Verständnis und gelegentlich auch mit unterschwelligem Humor. Besonders der ambivalent gezeichnete Zauberer Esrahaddon ist mit seinem fortdauernden Kampf gegen die Tücken der modernen Sprache und seiner Selbstironie für einige Lacher gut. Manch eine Entwicklung kommt nicht weiter überraschend (so ahnt man z.B. schon seit dem ersten Band, worin Royces hier enthülltes großes Geheimnis besteht), aber die lockeren Frotzeleien des Heldenduos und die unbedarfte Entschlossenheit, mit der die rebellische Prinzessin Arista wieder einmal durch jedes Klischee stiefelt, sind so unterhaltsam, dass man ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit gern in Kauf nimmt.

Auch der Weltenbau ist vertrauten Mustern verhaftet: Sullivan schildert weiterhin ein typisches Pseudomittelalter. Vor allem die seit Jahrhunderten versiegelte Elfenfestung Avempartha bietet genau das, was man von einem solchen Gebäude erwartet, von wundersamen Artefakten über magische Kraftorte bis hin zu düsteren Spuren älterer und neuerer Tragödien. Was allzu gewohnt und daher langweilig sein könnte, funktioniert erstaunlich gut, denn wie im Falle der Figuren gelingt es dem Autor, einen emotional anzusprechen und eine Art nostalgisches Lesegefühl zu erzeugen, das eher von erfüllten Erwartungen als von ihrer heute schon allgegenwärtigen ironischen Brechung getragen wird.

Störend sind allerdings die zahlreichen Tippfehler, die sich eingeschlichen haben; gerade bei einem für Fantasyverhältnisse recht kurzen Roman in überwiegend schnörkelloser Sprache sollte man eigentlich annehmen dürfen, dass das Korrekturlesen nicht zu viel Mühe bereitet und dementsprechend gründlich erfolgt.

Bitter Seeds von Ian TregillisIm Jahr 1939 wird der britische Agent Raybould Marsh Zeuge eines mysteriösen Vorgangs: Er verliert einen Informanten in einem Flammeninferno und sieht kurz darauf eine Frau, an deren Kopf Drähte angeschlossen sind. Bald wird klar: Die Deutschen verfügen über eine neue Waffe – Menschen mit übernatürlichen Kräften. Dieser Bedrohung müssen die Briten etwas entgegensetzen, und zum Glück erinnert sich Raybould an einen Freund, der behauptet, zu einer langen Tradition britischer Hexenmeister zu gehören. Doch sowohl die Zauberkunst, bei der man im glücklichsten Fall mit einem Blutopfer davonkommt, als auch die Kräfte der Übermenschen, die unter schrecklichen Schikanen ausgebildet werden, haben einen Preis.

-Murder on the wind; crows and ravens wheeled beneath a heavy sky, like spots of inks splashed across a leaden canvas.-
Prologue, 23 October 1920, 11 kilometeres southwest of Weimar, Germany

Nazi-Superhelden gegen britische Geheimagenten und Okkultisten, die mit cthulhoiden Mächten Verträge aushandeln, das klingt eher nach einem Comic als nach literarischer Phantastik, und das nicht nur, weil die Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht gerade ein Setting ist, das häufig zum Schauplatz von Fantasy-Romanen wird. Sämtliche Trash- und Fun-Assoziationen werden allerdings ausgeräumt, sobald man die Prämisse von Bitter Seeds erkannt hat: Der Roman nimmt diese Rahmenbedingungen bitter ernst und zieht sie konsequent durch.
Ian Tregillis versucht das Ungetüm Krieg zu erfassen, und die Überzeichnung mit den durch Willenskraft, Gehirnverdrahtung und brutales Aussieben und Training herangezüchteten Übermenschen und den in ihrer geheimen, verschleißreichen altehrwürdigen Tradition im Grunde nicht minder schrecklichen Hexenmeistern lässt letztlich nur zu Tage treten, was für kriegerische Zeiten ohnehin symptomatisch ist: Die Entmenschlichung des Gegners, gestützt von Völkerhass und Rachegefühlen, das Aufschaukeln der Kriegshandlungen, die Härte bzw. erzwungene Abhärtung der Entscheider und andere Mechanismen werden akzentuiert herausgearbeitet.

Gerade der letzte Punkt tritt durch die klassische Figurenzeichnung stark hervor, wenn die Protagonisten der jeweiligen Partei bei ihrem Werdegang und im Laufe der Romanhandlung abwechselnd begleitet werden: Will Beauclerk, der adlige Lebemann, der hart mit der Realität des Übernatürlichen kollidiert, als sein Land (und vor allem sein bester Freund) magischer Fähigkeiten bedürfen und ihn zum Organisator des Zusammenschlusses der eigenbrötlerischen britischen Hexer machen. Auf der Gegenseite sind es der ambitionierte Klaus, der substanzlos durch Wände gehen kann, und seine Schwester Gretel, ein undurchschaubares, aber für die Führungsriege unverzichtbares Orakel, deren Schicksal man verfolgt. Und dazwischen schließlich Raybould Marsh, der Agent ohne besondere Kräfte, der ein immer größeres persönliches Interesse an dem Konflikt entwickelt (was bestens mit seiner Aufgabe beim Staat einhergeht) und durch seinen kompromisslosen Einsatz mindestens genauso zeigt, welchen Preis kriegerische Gewalthandlungen vom Einzelnen und der Gesellschaft fordern – diese unschöne Gleichung macht Bitter Seeds auf sehr anschauliche Weise immer wieder sichtbar.
Dabei bleiben auch beide Seiten nachvollziehbar, und man könnte nicht einmal eindeutig sagen, dass die Superhelden als vollkommener Ausdruck der Nazi-Gesinnung eindeutig die schrecklichere Variante sind.

Tregillis hat auch daran gedacht, den titanischen Kräften, die er ins Spiel bringt, Begrenzungen aufzuerlegen. Während die Übermenschen stets nervös ihren Batterie-Ladestatus im Auge behalten müssen, sind die Hexer eher in Sorge um ihre Gliedmaßen und ihren Geisteszustand. Das führt neben der starken historischen Einbettung dazu, dass übernatürliche Kräfte nicht nur kreativ und klug geplant eingesetzt werden, sondern auch zu einer realistischen und glaubhaften Darstellung dieser Fähigkeiten, die man beinahe wie Raybould Marsh und sein Vorgesetzter zunächst wie auf verwackeltes Zelluloid gebannt vor sich sehen kann.
Es ist daher auch nicht weiter verwunderlich, dass in Bitter Seeds zwar historisches Kriegsgeschehen Eingang gefunden hat, das aber im Verlauf der Geschichte in einen stark veränderten Alternativentwurf mündet. Für den Wiedererkennungswert setzt Ian Tregillis vor allem auf Elemente, die im kollektiven Gedächtnis verankert sind (etwa die Evakuierung der britischen Kinder aufs Land).

Die Ereignisse des Romans – Entscheidungen, Kämpfe, schicksalshafte Begegnungen – sind beinahe zu perfekt aneinander gereihte Streiflichter, ineinandergreifende Einzelszenen, die sich unweigerlich zur Katastrophe aufschaukeln. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass gerade die Figurenhintergründe noch etwas besser hätten ausgeleuchtet werden können. Besonders Marsh, die “gewöhnliche” Identifikationsfigur, die in ihren ganz eigenen Abgrund taumelt, wirkt seltsam distanziert, und der maßgebliche Einfluss, nämlich sein Familienleben, bleibt letztlich eine Chiffre – aber vielleicht war auch kein Gegenpol zu dem grimmigen Schlagabtausch gewünscht.
Richtig glänzen kann Ian Tregillis vor allem in der Beschreibung des Schrecklich-Erhabenen: Wenn die Eidolons ihre Aufwartung machen, jene Wesenheiten, die seine John-Dee-Nachfolger für die Verteidigung des Königreichs heraufbeschwören, wächst er bei der Beschreibung dieser fremdartigen Präsenzen über sich hinaus.
Nicht nur ihretwegen, sondern auch aufgrund der Handlungen der fast ebenso unheimlichen Gretel, die anhand ihrer Visionen die Zukunft völlig skrupellos, aber dennoch mit dem berühmten Schmetterlings-Flügelschlag formt, lautet die Frage, die Bitter Seeds am Ende stellt, weniger: wer handelt den Preis für den Sieg aus und wer bezahlt ihn?, sondern: wer kontrolliert die entfesselten Mächte eigentlich wirklich?

Der zweite Band der Trilogie widmet sich, wie der Titel The Coldest War bereits ankündigt, einer späteren Epoche des Konflikts, so dass Bitter Seeds auch ein halbwegs abgeschlossenes Leseerlebnis bietet.

The Blade Itself von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

-They’re everywhere. You really can’t change floors without them. And down is worse than up, that’s the thing people never realise. Going up, you usually don’t fall that far.-
Seite 10

Joe Abercrombie versucht mit der Trilogie The First Law, deren erster Band The Blade Itself (Kriegsklingen) ist, etwas frischen Wind ins Fantasy-Genre zu bringen – dies gelingt ihm jedoch bisher nur teilweise. Das Cover stellt ohne Zweifel eine wirklich hübsche Abwechslung von den generischen Fantasycovern dar – allerdings nur in der englischen Version, die Heyne-Ausgabe ist dafür doppelt beliebig. Der Titel ist ein Teil des Homer-Zitates “The blade itself incites to deeds of violence”, was – gemeinsam mit den Blutspritzern auf dem Coverbild – bereits ankündigt, dass wir uns im Grim-&-Gritty-Genre befinden, so viel gleich vorweg: es ist also mit blutigen Kämpfen, einer düsteren Welt und viel Misanthropie zu rechnen.

Die Story ist den derzeitigen Standards gemäß aus der Sicht verschiedener Personen erzählt, deren Handlungsstränge sich im weiteren Verlauf kreuzen. Das Reich im Niedergang, dessen Rettung aber noch möglich ist, klingt zwar nicht nach großer Innovation, mit seinem Händchen für die Abgründe von Genrestandards und seinem flotten Stil mit mitten-drin-Effekt verhindert Abercrombie aber erfolgreich, dass Langeweile aufkommt, obwohl im ersten Band der Trilogie die Story eher gemächlich voranschreitet.

Die Faszination von The Blade Itself liegt vor allem an den zentralen Figuren, die eingeführt werden. Hier profitiert das Buch eindeutig davon, dass Abercrombie sich mit seinen Protagonisten am klassischen Heldenrepertoire der Fantasy abarbeiten möchte und dabei mit sehr viel Witz zugange gewesen ist. Dabei verkommt der Roman aber nicht zur Parodie, sondern  Abercrombie hat sich bemüht, seine Helden (und seine Heldin) ambivalent zu gestalten und sie mit liebens- und hassenswerten Charakterzügen und/oder Tätigkeitsfeldern auszustatten. Wirklich tiefschürfend sind die Figuren dadurch jedoch nicht, denn das Bemühen, sie in einer Grauzone zwischen Gut und Böse anzusiedeln, resultiert schlussendlich darin, dass sie zwischen ihrer guten und ihrer schlechten Seite hin- und herpendeln, ohne dass dieser Widerspruch irgendwo thematisiert wird. So bleiben die Figuren leider trotz des humoristischen Touchs viel zu sehr ihren klischeehaften Ausgangspunkten verhaftet.

Daher ist es dann doch zumeist der Humor, der einen durch die Handlung trägt, denn der trockene, bissige und oft auch zynische Ton unterstreicht nicht nur das Grim-&-Gritty-Element, sondern liefert in seinen hemdsärmeligen und selbstironischen Momenten auch eine angenehme Abwechslung ebendavon. Wer Grim & Gritty mag und gerne pointierte Gedankengänge vom Leben gezeichneter Charaktere liest, der ist hier bestens aufgehoben.

Blood and Iron von Elizabeth BearIm New York der Gegenwart verfolgt Matthew der Magier, ein Mitglied des Prometheus-Clubs, die „Sucherin“ der Feenkönigin, die für ihre Herrin Kinder ins Feenreich entführt. Er zieht zwar im Kampf den Kürzeren, doch die Vorherrschaft der Menschen mit ihrem kalten Eisen ist besiegelt. Allerdings taucht ein begnadeter Magier auf – ein sogenannter Merlin – der das Gleichgewicht verschieben und den Konflikt beenden könnte. Sowohl Feen als auch Magier machen sich auf die Suche nach dem Merlin, um seine Gunst zu gewinnen. Die Sucherin, die durch grausame Bande an die Feenkönigin gebunden ist, und Matthew werden dabei in einen Strudel aus uralten und immer wieder neuen Ereignissen gerissen.

-Matthew the Magician leaned against a wrought iron lamppost on Forty-second Street, idly picking at the edges of his ten iron rings and listening to his city breathe into the warm September night.-
Chapter 1

Das Spannungsfeld zwischen modernem Großstadtleben und archaischer Märchenwelt bedient mittlerweile ein ganzes Genre mit Stoff, in dem gefährliche Vampire und Werwölfe auf toughe Frauen von nebenan stoßen oder abgerissene Detektive übernatürliche Fälle lösen müssen. Der Fokus liegt in der heutigen Urban Fantasy aber nur selten auf dem Wunderbaren, das einerseits nahtlos in den modernen Alltag eindringt und andererseits nicht seiner ureigenen Atmosphäre beraubt wird – wenn das geschieht, heißt der Autor mit großer Wahrscheinlichkeit Neil Gaiman oder Peter S. Beagle.
Elizabeth Bear könnte mit ihrer Promethean Age-Reihe in diesen illustren Kreis eintreten, wenn die guten Ansätze des Eröffnungsbandes Blood and Iron fortgeführt werden. Dabei pflegt Bear weder den elegant-sparsamen Stil eines Gaiman noch die lyrische Sprache eines Beagle, sondern fasst irgendwo dazwischen Fuß. An lyrischen Momenten fehlt es trotzdem nicht, bezieht sich doch die Handlung neben einer ganzen Reihe an anderen Mythenstoffen (von der Artus-Legende über Dracula bis hin zu nordischen Sagas und vielem mehr) auf traditionelle Balladen um Menschen, die ins Elfenland entführt worden sind, insbesondere Tam Lin. Kenntnisse in diesem Bereich eröffnen eine weitere Handlungsebene und machen das ein oder andere besser verständlich, sind aber nicht zwingend zum Genuss von Blood and Iron erforderlich.

Bear ist eine mit allen Wassern gewaschene Erzählerin, aber nicht immer einfach zu lesen. Sie verflicht ihre Handlungsstränge um die Sucherin aus den Elfenlanden und Matthew den Magier ausgesprochen vielschichtig, nutzt die Unterschiede zwischen Ich-Erzähler und Erzählern in der dritten Person für plot-relevante Kniffe und bringt eine Spirale in Gang, in der sich ihre Figuren in einem immer wiederkehrenden dramatischen Muster wiederfinden, das dem versierten Leser (und den Protagonisten) aus Geschichten und Mythen wohlbekannt ist. Sie wehren sich mit Zähnen und Klauen dagegen, sind aber so tief darin verstrickt, dass sie letzten Endes mit unlösbaren Entscheidungen konfrontiert werden. Nahezu nebenbei bekommt man auch Einblicke in eine alternative Weltgeschichte, die bis in die Moderne hinein vom ewigen Kampf menschlicher Magier gegen die Einflüsse der Elfenlande geprägt ist – ein Konzept, das Elizabeth Bear in den sehr locker zusammenhängenden Bänden der Promethean Age-Reihe weiter verfolgt und das in seiner ambitionierten Planung durchaus als eine Art Lebenswerk gesehen werden kann.

Der beschreibungsreiche Stil der Autorin fügt sich vor allem dort gut ein, wo das düster-blutige, aber trotzdem farbenfrohe Elfenland lebendig werden soll; bei den Figurenbeschreibungen grenzt er manchmal ans Überladene. Was Bear allerdings aus ihrem Drachen macht, sollte jeden Fantasyleser überzeugen, der der Ansicht ist, dass gute Drachen rar sind. Und auch den ambivalenten Kelpie namens Whiskey vergisst man garantiert nicht so schnell …
Die Bandbreite an Mythen, Literatur und Geschichte, die in Anspielungen verpackt oder direkt als Stoffgeber genutzt wird, ist riesig, und Bear liefert fast immer eine erkennbar eigene Interpretation – unter anderem trifft man etwa auf eine eifrig häkelnde und doch in keinster Weise zu unterschätzende Morgan von Cornwall.
Der im modernen New York angesiedelte Handlungsstrang um Matthew, den menschlichen Magier, ist weniger opulent und gewinnt erst in der zweiten Hälfte des Romans Dynamik, wenn sich herausstellt, wie stark alle Figuren und Geschichten ineinander verschachtelt sind, und die Ereignisse sich überschlagen.
Bears Talent für beeindruckende Szenen kann sich richtig austoben, wenn sich das ganze Drama entfaltet, und nach dem stimmigen Ende, das dem Leser viel Raum für weitere Spekulationen lässt, fragt man sich eigentlich lediglich noch ein klein wenig, weshalb der eigentliche Aufhänger der Geschichte, die Merlin-Figur, um deren Gunst die Parteien ringen, in dem ganzen Spektakel etwas zu kurz gekommen ist.

Und wenn man schon auf hohem Niveau jammern möchte: In Blood and Iron wartet man vergeblich auf große Erklärungen zu dem teils hochkomplexen Geschehen. Weite Teile kann man sich gut zusammenpuzzeln, aber hin und wieder geschehen manche Entwicklungen einfach, und dem Leser sind weder Ursachen noch Folgen bekannt. Auch die Sucherin als Protagonistin, mit der Bear gegen sämtliche Konventionen verstößt, was ihre Charakterentwicklung und die Fortführung ihrer Geschichte angeht, ist bei einigen –schwerwiegenden– Entscheidungen schlecht nachvollziehbar. Der drastischen und beeindruckenden Entwicklung der Figur tut das allerdings keinen allzu großen Abbruch, denn die Naturgesetze des Promethean Age gründen sich häufig eher auf Mythen und alte Erzählmuster als auf Rationalität, und das macht einen großen Teil der Faszination dieser Geschichte aus.

Blood Engines von T.A. PrattMarla Mason, Oberhaupt der Magier der Stadt Felport, verschlägt es nach San Francisco, um dort an ein magisches Artefakt zu kommen. Es ist ihre einzige Möglichkeit, einen tödlichen Zauber zu kontern, den eine Konkurrentin für sie vorbereitet. Doch ihren Bekannten in San Francisco, den chinesischen Magier Lao Tsung, findet sie ermordet vor – Todesursache: Pfeilgiftfrosch. Das magische Artefakt ist weg. Marla, die notgezwungen den Fall lösen muss, taucht in die magische Community von San Francisco ein und kommt finsteren Plänen auf die Spur.

-Marla Mason crouched in the alley beside the City Lights bookstore and threw her runes.-
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Würde man von Marla Mason behaupten, sie sei Harry Dresdens große Schwester, würde sie vermutlich ganz garstig lachen (und darauf bestehen, dass sie immerhin für ihr Alter noch ganz gute Titten hat, was sie nie müde wird, in diesem Wortlaut zu unterstreichen …), aber eine gewisse Verwandtschaft der beiden in modernen Großstädten operierenden Magier lässt sich nicht leugnen.
Die Heldin von Blood Engines (Hexenzorn), dem Auftaktband der Marla-Mason-Reihe, ist nur auf den ersten Blick ein wandelndes Klischee: Magisch universell begabt, mit einer mächtigen Waffe und einem fiesen Wendemantel ausgestattet, bestens in der Kampfkunst bewandert, immer einen zynischen Spruch auf den Lippen. Zur richtigen Sympathieträgerin wird die (von ganz unten kommende) Überfliegerin nur in wenigen Szenen, als bissig-biestigen Gegenentwurf zu den sonstigen Weibchen der Urban Fantasy macht sie dafür aber großen Spaß: Unter ihrer rauen Schale verbirgt sich auch ein harter Kern.
Marlas Sidekick, ihr dämonischer Gehilfe Rondeau, ist ein Sprücheklopfer (in jedweder Hinsicht) und Stichwortgeber für allerlei Geplänkel zwischen den Figuren; der abgestürzte Schauspieler B., der gerne das Müllorakel befragt, fungiert als unbedarfter Sympathieträger und heimlicher Star des Romans.

So schön der Humor und die skurrile Figurenriege allerdings auch sind, der Plot, der darunter liegt, ist dünn, auch wenn das zwischen all den farbenfrohen Ideen beinahe untergeht. Die titelgebenden Blood Engines werden fast nur pro forma erwähnt, und der Bösewicht mit seinen Scharen von Fröschen und Kolibris und seiner Obsession mit aztekischen Gottheiten ist zwar erfrischend anders, wie so vieles an Marla Masons Welt, aber für eine wasserdichte Geschichte taugt er nicht.
Deutliche Krimi-Elemente wie bei Jim Butchers Harry Dresden sollte man trotz der ähnlichen Ausgangslage ohnehin nicht erwarten: Im Wesentlichen gondelt Marla auf der Suche nach Verbündeten von einem Magier zum nächsten, da die magische Oberaufsicht über San Francisco im stetigen Wechsel ist und durch die Pfeilgiftmorde auch noch gehörig durcheinander gerät, und der Aztekenfiesling ist ihr stets einen Schritt voraus.

Marla Mason sollte man vor allem dann lesen, wenn man mit einem Ideenreichtum glücklich wird, der es in sich hat, und die Logik dem unterordnet. Im Unterschied zu weiten Teilen der Urban Fantasy haben die Marla-Mason-Romane einen Ausbund unterschiedlichster Magie zu bieten: Sie ist überall und existiert nicht als eine verborgene, mythische Welt neben der unseren, in der es dann tatsächlich auch Elfen, Vampire und Feen gibt, sondern in Form von menschlichen Magiern, die durchaus modernen Berufungen nachgehen: Börsenspekulierenden Wahrsagern, Internet-Technomanten, einem China-Schwarzmagier, der direkt aus Big Trouble in Little China entsprungen sein könnte, und sogar an der ausufernden Orgie eines Pornomanten kann man teilhaben – allesamt moderne Menschen, die häufig die Möglichkeiten zeitgenössischer Technik und Lebensart für sich nutzen wollen und sie in ihr Leben und die Magie integrieren.
Da verwundert es auch nicht, dass es Tim Pratt gelungen ist, San Francisco  eine eigene magische Geschichte zu verpassen (und zwar nicht nur eine vorzeitlich-mythische, sondern auch eine neuzeitliche). Nicht nur dadurch wird die Stadt zu einem sehr plastisch geschilderten Schauplatz, von dem man nach der Lektüre beinahe meint, eine (magische) Straßenkarte zeichnen zu können.
Innerhalb dieses Kosmos agieren die Magier als Unterweltbosse, regieren knallhart über ‘ihre’ Städte und Bezirke und sehen sich ähnlichen Intrigen und Konkurrenzen ausgesetzt. Doch natürlich bricht auch in dieses wohlgeordnete Setting hin und wieder unerklärliche Magie ein, und der unbeherrschte Weltenreigen nach dem Besuch bei der Hexe von Alcatraz gehört zu den schönsten Szenen von Blood Engines.

Überhaupt schafft es Pratt, in schnoddriger Sprache mit einer Vielfalt an Details der magischen Welt ein sehr weltoffenes und tolerantes Setting und Figurenensemble zu zeichnen: Ethnien, sexuelle Orientierungen, Fetische und vieles mehr trifft man bei Marla Mason in allen Varianten an, wobei Klischees und Quotenauftritte weitgehend außen vor bleiben – aber sie werden auch ohne Blatt vor dem Mund aufgetischt. Wen interessieren in einer Welt voller abgefahrener Magie schon so banale Differenzen? Der Schauplatz San Francisco tut noch ein Übriges zur Offenheit. Wer keine Lust auf eine sich über dutzende Seiten erstreckende Orgie hat, die im Übrigen eher mit Humor als mit Erotik abgehandelt wird, aber schon ins Detail geht, sollte sich lieber nicht auf Blood Engines einlassen.

Marla Masons Abenteuer werden mit Blood Engines recht spektakulär eröffnet, der Schwerpunkt liegt auf dem Humor und den Figuren, auf Anspielungen auf die Pop-Kultur und auf der Schöpfung einer magischen Gegenwartswelt. Der in diesem Band abgeschlossene Wettlauf mit einem Erzbösewicht überzeugt nicht auf ganzer Länge – aber als dreckigere und zynischere Variante zu Dresden & Co. hat Marla genug Pfiff, um ein paar Stunden solide Unterhaltung zu bieten.

The Broken Kingdoms von N.K. Jemisin10 Jahre nach der Befreiung der Götter hat sich in Sky einiges verändert: durch den wachsenden Weltenbaum haben die Bewohner an dessen Fuße nicht mehr viel vom Sonnenlicht, weshalb das Viertel, in welchem die Heldin des Romans ihr Dasein fristet, kurzerhand in Shadow unbenannt wurde. Oree Shoth, eine blinde Maroneh, die mit dem Traum vom besseren Leben in die Stadt kam, verkauft billigen Tand an gütige Pilgerer und lebt davon mehr schlecht als recht. Gut, dass sie zum einen keineswegs so hilflos ist, wie es ihre Blindheit suggeriert, und zum anderen ist es ebenso hilfreich, einige Freunde unter den Godlings – den geringeren Götter – zu haben. Und Hilfe hat sie bitter nötig, als jemand damit beginnt, Godlings zu töten und sie bald selbst unter dringendem Verdacht steht.

– I perceived a wave of brightness so intense that I cried out as it washes past, dropping my stick to clap both hands over my eyes. I didn’t know these things could hurt like that. –
Chapter 2: „Dead Goddesses“ (watercolor)

Durch den unkonventionellen, imaginativen Vorgänger The Hundred Thousand Kingdoms (Die Erbin der Welt) waren die Erwartungen sehr hoch: schafft es N. K. Jemisin erneut, den Leser derart in den Bann der Geschichte um Götter, Liebe und Macht zu ziehen? Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ich für gewöhnlich nichts mit Liebesgeschichten anzufangen weiß, und dennoch hat mich der erste Band sehr gut unterhalten.

Dem zweiten Teil der Inheritance Trilogy (Das Erbe der Götter) gelingt dies, kurz gesagt, nur bedingt. Die Protagonistin Oree Shoth beschäftigt sich in der ersten Hälfte des Romanes mit den mannigfaltigen Problemen, die unsterbliche Liebe so mit sich bringt – besonders, wenn ein Partner tatsächlich unsterblich ist, während der andere, wenn nichts dazwischen kommt, „nur“ noch 60-70 Jahre zu leben hat. Und man ahnt es schon: natürlich kommt etwas dazwischen. Mord und Totschlag, um genau zu sein, und ein mysteriöser Hausgast – der längst nicht so mysteriös ist, wie sich das N. K. Jemisin vielleicht gewünscht hat. Doch bevor die Handlung so richtig Fahrt aufnimmt, wird dem Leser vorerst eines klar: Sex mit einem Gott ist richtig gut. Wirklich. Wer das nicht glaubt, der kann es nachlesen (Buch aufschlagen, zehn Seiten vor- oder zurückblättern). Das Liebesleben von Oree ist ungewöhnlich, aber nicht so interessant, als dass es dem Leser nach mehr Details dürstet; und dennoch beschränkt sich die erste Hälfte des Romanes leider beinahe völlig auf die anstrengenden bis nervigen Liebesdünkel Orees. Es ist unfreiwillig komisch, dass das Buch gut wird, sobald die Quelle Orees endloser Liebeleien auf tragische Art und Weise kurzzeitig die Bildfläche verlässt.

Doch mit besagtem Moment nimmt das Buch deutlich an Fahrt auf und findet zu alter Stärke zurück: mit kreativen, guten Einfällen und überzeugenden Charakterinnensichten und -geflechten weiß Jemisin auf einmal wieder zu überzeugen und zu fesseln. Das chaotische Pantheon aus Göttern, Godlings und magisch begabten Menschen – wie Oree – und, dem entgegengesetzt, die Vielfalt aus Götterkulten und religiösen Mini-Diktaturen lassen viel Spielraum für überraschende Wendungen; die Geschichte wartet auf einmal mit Witz, Brutalität und Spannung gleichermaßen auf. Von den vielschichtigen Charakteren mit so einigen Untiefen begeistern besonders der Kindgott Sieh und der bereits erwähnte fremde Hausgast Orees; hier beschränkt sich Jemisin keinesfalls auf altbewährte Muster, sondern kreiert äußerst innovativ neue, glaubwürdige Gestalten.

Die Entscheidung, die Handlung aus der – nun ja – Sicht einer blinden Frau zu erzählen, die außer Magie nichts visuell wahrnehmen kann, halte ich für gewagt und ambitioniert – und sehr interessant. Jemisin gelingt es, bis auf einige kleine Momente der Unschlüssigkeit, die Geschichte spannend, leb- und glaubhaft zu erzählen, obwohl der Leser auf gewohnte Landschafts- und Personenbeschreibungen weitgehend verzichten muss. Besonders der teilweise beinah lyrische, doch zumeist sehr lockere bis flapsige Erzählstil charakterisiert die Protagonistin besser, als jede Beschreibung es könnte. Dass Oree gut aussieht und schöne Brüste hat, bleibt dennoch nicht unerwähnt, und auch der Fakt, dass sie aus offensichtlichen Gründen Nacktheit nicht beschämend findet und deshalb dieser frönt, erzwingt gewissermaßen die ein oder andere (auf Dauer ermüdende) Schlüpfrigkeit. Dass der Roman mit einem wortwörtlichen Höhepunkt den Spannungsgipfel erreicht, wird da niemanden überraschen.

Das Wiedersehen mit den Charakteren aus Band 1 und besonders die tiefer ausgearbeitete, komplexe Hintergrundgeschichte des Götterkrieges dürfte alle Leser gleichermaßen erfreuen und die Leser des ersten Bandes begeistern, und Freunde des Romantischen werden das Buch schon von der ersten Seite an verschlingen. Für die sehr gelungene zweite Hälfte des Buches verschmerzt man im Nachhinein gern den ansonsten teilweise langatmigen und nervraubenden Beginn und freut sich schon auf den finalen Band The Kingdom of Gods (Die Rivalin der Götter) der Inheritance Trilogy der ambitionierten und einfallsreichen Autorin.

Das Buch der Entscheidung von James ClemensDie Vorbereitung für die entscheidende Schlacht gegen den dunklen Herrscher in Schwarzhall läuft gerade an, als plötzlich der Harlekin Qual in A’loatal auftaucht – er kommt direkt aus Gul’gotha und berichtet von den Plänen des Gegners, schon in Kürze einen entscheidenden Schlag gegen das Land zu führen.
Elena kann sich nicht entscheiden, schon anzugreifen, zumal ihre Verbündeten sich gegenseitig misstrauen und Verrat in der Luft liegt. Doch dann wird ihr die Entscheidung in einer Nacht voller Magie abgenommen, und sie und ihre Gefährten befinden sich wieder auf einer gefährlichen Mission, während ihre Heere auf Schwarzhall marschieren …

-Ist es nicht seltsam, an einem strahlenden Frühlingstag vom Tod zu träumen?-
Hexenstern

James Clemens gelingt es im Abschluss-Band der Banned & the Banished-Reihe, einen schönen Bogen zum Beginn der Geschichte zu schlagen, indem er die Geschehnisse wieder an den Ausgangsort zurückführt und die Handlung teilweise parallel zum ersten und zweiten Band laufen lässt – Elena ist wieder mit ihren Freunden allein in der Wildnis unterwegs und muss sich teilweise sogar mit altbekannten Gegnern herumschlagen.
Doch die schweren Geschütze, die für das Finale der fünfbändigen Reihe aufgefahren werden, erschlagen Leser und Leserinnen förmlich: Alle paar Seiten gibt es spektakulärste magische Effekte, es glüht, glitzert und kracht ohne Unterlass. Nun ließ sich die Welt Alasea zwar von Anfang an in die äußerst magiebetonten Gefilde der Fantasy einordnen, aber dieser bunte Overkill an Erscheinungen schafft sehr schnell einen sehr abgebrühten Leser, und für das eigentliche Ende hat Clemens dann all sein Pulver schon verschossen.

Trotzdem weiß er an einigen Stellen noch zu überraschen – die mysteriöse Identität seiner Erzählerfigur klärt sich beispielsweise tatsächlich erst ganz am Ende des Romans auf. Von der Rahmengeschichte über die “verbotenen Schriften” hätte man sich hingegen ein bisschen mehr Aha-Effekt erwartet, und ebenso vom eigentlichen Ende von Elenas Geschichte, das leider keine großen Überraschungen mehr bietet. Der Kampf gegen den dunklen Herrscher läuft ab wie erwartet, auch wenn Clemens noch einmal alles in die Waagschale wirft, was jemals gegen die Helden angetreten ist.

Wie bisher sind es hauptsächlich die Figuren, die den Roman dennoch lesenswert und auch außergewöhnlich machen; in diesem Bereich werden fast alle Geschichten zu ihrem manchmal tragischen Ende geführt, und es gibt einige kleine, in sich geschlossene Nebenhandlungen, die sehr gut gelungen sind – wie etwa die Geschichte vom Steinmagus. Der Hang zu Kitsch und Tragik, den Clemens bereits in den Vorgängern zur Schau gestellt hat, wurde eher noch versschärft, doch alles andere würde in einer solch monumentalen Umgebung sowieso untergehen.
Mit zwei offenen Handlungsfäden hat sich Clemens eventuell sogar ein Türchen offen gelassen, durch das er eines Tages nach Alasea zurückkehren könnte – für die Fans von bunter, eher leichter Abenteuerfantasy wäre das ein Gewinn, vor allem, wenn eine etwas weniger durchkonstruierte und magisch überladene Erzählung dabei herauskäme, denn unter all der grellen Tünche lässt sich erkennen, dass Clemens den Zauber durchaus beherrscht.

Cover der Buches "Das Buch der toten Tage" von Marcus SedgwickBoy lebte auf der Straße, als der Zauberkünstler Valerian ihn in einer Kirche aufgelesen hat. Er kann sich an kein anderes leben erinnern. “Boy” ist auch kein richtiger Name, Valerian ruft ihn so. Boy ist Valerians Gehilfe bei den Vorstellungen. Aber er erledigt auch andere Dienste für seinen Herrn, etwa Briefe bei allen möglichen Leuten abliefern. Dabei gehen gerade unheimliche Dinge vor sich, bestialische Morde geschehen und Gräber werden geplündert. Sogar Valerian ist nervöser als sonst. Am 27. Dezember, dem ersten der “toten Tage” bricht aus Valerian heraus, worüber er sich sorgt: ihm bleiben noch vier Tage, dann muß er sterben. Es gibt nur einen Weg, Valerians Leben zu retten. Er muß das Buch der toten Tage finden…

-Hast du je die Reglosigkeit dieser sonderbar stillen Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr gespürt? Für mich sind das tote Tage. Tage, an denen die Türen zwischen unserer Welt und jener unsichtbaren, die gleich darunter liegt, geöffnet sind.-
Vorbemerkung des Autors

Ein Junge ohne Vergangenheit, ein zwielichtiger Magier, mysteriöse Morde, nächtliche Grabungen auf einem Friedhof, unterirdische Labyrinthe und ein Pakt mit dem Bösen – das sind ein paar der Fäden aus denen Marcus Sedgwick seinen spannenden Roman Das Buch der toten Tage (The Book of Dead Days) gestrickt hat.
Die interessanteste Figur ist Valerian: Ein Mann voller Ehrgeiz, Bühnenzauberkünstler, “richtiger” Magier und Gelehrter, der Boy in einer Kirche aufgelesen und das Waisenkind bei sich behalten hat, obwohl dieser strenge und unfreundliche Mann keineswegs den Eindruck macht, als hätte er eine soziale Ader und würde sich mit Vorliebe um das Elend anderer Leute kümmern. Boy ist vor allen Dingen durch seine mysteriöse Herkunft interessant und natürlich ist er der Held der Geschichte, der von einer atemberaubenden Gefahr in die andere gerät.

Aber der Roman hat noch eine andere faszinierende “Hauptfigur” und das ist diese düstere Stadt, die Sedgwick geschickterweise nicht in einer bestimmten Epoche ansiedelt und auch nicht benannt hat, so daß die Phantasie jedes Lesers genügend Spielraum hat, um sich ihren eigenen finsteren Moloch auszumalen. Sedgwick hat aber dem Leser genügend Hinweise gegeben, um diesen Phantasien Nahrung zu geben. So schreibt er in seiner Vorbemerkung:

Und plötzlich sah ich eine Welt vor mir oder eher eine Stadt, so riesig und wuchernd, daß sie eine Welt für sich bildet. Magische Orte haben diese Stadt inspiriert, Paris mit seinen Meilen unsichtbarer Katakomben, Bologna mit seinem versteckten Kanalsystem und Krakau mit seinen überfüllten Friedhöfen und Schneemassen zur Weihnachtszeit.

Der Rezensent hat sich allerdings eher das alte Prag mit seinen engen, verwinkelten Gassen und alten Friedhöfen vorgestellt und auch das mit gutem Grund: Dem Engländer Marcus Sedgwick sei zunächst einmal Dank, daß er darauf verzichtet hat, als Schauplatz das neuerdings so beliebte viktorianische London zu wählen und obwohl er keine genaue Zeitangabe macht, nennt er einen Namen, der dem Leser eine zeitliche Vorstellung vermittelt: Valerians ehemals bester Freund und Wissenschaftskollege heißt Kepler, ist Doktor der Medizin, betrieb aber zugleich spezielle Forschungen auf dem Feld der Himmelskunde. Er besaß Geräte aller Art, mit denen er die Sterne beobachtete … Kepler hatte Boy einmal erzählt, er könne Voraussagen aller Art über Menschen und ihre Handlungen treffen, er brauche dazu nur den genauen Zeitpunkt ihrer Geburt zu wissen. Das ist natürlich mehr als nur eine leise Anspielung auf den berühmten Astronomen Johannes Kepler, der von 1571 bis 1630 lebte, 1600 nach Prag übersiedelte und Wallensteins Horoskop erstellte. Es ist aber eindeutig, daß Sedgwick seinen Roman in keiner identifizierbaren vergangenen Epoche ansiedeln möchte, denn die beiden Gelehrten machen Experimente mit Elektrizität, die an Galvanis berühmte Versuche erinnern, die dieser aber in der Realität erst um 1780 durchführte. Auch ist der Herrscher über Boys Welt, König Frederik, nicht historisch. Diese höchst geglückte Verquickung von realen und phantastischen Motiven macht Das Buch der toten Tage zu einer fesselnden Lektüre.

Die toten Tage sind in Deutschland übrigens besser unter dem Begriff Zwischen den Jahren bekannt, der natürlich keinen wohlklingenden Titel für ein phantastisches Buch geliefert hätte. Es handelt sich um die Tag vom 27. bis zum 31. Dezember. Jedem dieser Tage ist ein Kapitel des Romans gewidmet und hier gibt es allerdings einen Kritikpunkt: Die Kapitelüberschriften sind nicht immer ganz geglückt. Während sich Der Tag des größten Unglücks oder Der Tag der schlimmen Entwicklungen noch ganz gut anhören, so klingen die doppeldeutigen Titel Der Tag des geschickten Mitarbeiters oder Der Tag der vollkommenen Beförderung eher nach Aktionen eines mittelständischen Unternehmens zur Mitarbeitermotivation oder gar nach den alten sozialistischen “Gedenktagen”.

Das Buch des Feuers von James ClemensDie Familie von Elena lebt und arbeitet in einem idyllischen Apfelhain. Als sie ihre erste Monatsblutung hat, färbt sich ihre Hand blutrot und die seltsame Hexengabe manifestiert sich in ihr. Wie aus dem Nichts tauchen sogleich finstere Gestalten auf, die ihre Familie bedrohen und ihrer habhaft werden wollen. Elena kann fliehen, aber unter großen Opfern.
Den Kämpfer Er’ril – einen der Wenigen, die wissen, welch dunkle Schatten über dem Land Alasea liegen – zieht es in Elenas Nähe, und er ist nicht der Einzige: Das Schicksal schart Beschützer und Begleiter um sie, damit sie sich den bösen Mächten stellen kann, die sie selbst und ihre Heimat bedrohen.

-Auf diese Weise endete die Welt, und wie Sandkörner, die in den Wind im Horst des Winters geworfen werden, ist dies der Beginn aller anderen Welten.-
Hexenglut

Der Beginn des fünfbändigen Zyklus The Banned and the Banished mag nach einem famosen Vorwort voller mysteriöser Warnungen an den Leser ein bisschen nach Matriarchats-Fantasy klingen, mit der ersten Menstruation als Katalysator für magische Kräfte und der daraufhin einsetzenden Verfolgung der Protagonistin Elena als Hexe, aber damit täuscht man sich gewaltig: James Clemens’ Fantasy-Saga steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der epischen Fantasy, und Terry Brooks wäre definitiv ein besseres Stichwort zur Einordnung als Marion Zimmer Bradley.
Die Hauptrolle spielt eindeutig die von Magie durchzogene Welt Alasea, die im Laufe der fünf Bände auch fast bis in die letzten Winkel erkundet werden wird. Befreit von jeglichem Intrigenspiel und Throngerangel, verfolgt man eine bunt aus allen Völkern zusammengestellte Figurengruppe, die zur Weltrettung antritt. Die Pfade, die Clemens einschlägt, könnten kaum ausgetretener sein, aber dennoch wirkt die Erzählung zumindest an der Obefläche recht frisch und nimmt Leser, die gerne Welten entdecken, mühelos mit auf die Reise der Helden, auf der eine Menge Magie, Fabelwesen und der Kampf gegen das absolut Böse warten.

Obwohl die Haupthandlung in Das Buch des Feuers (Wit’ch Fire) nicht großartig vorwärtskommt, wird dieses Vorgeplänkel sehr actionreich und spannend präsentiert; vor allem der Einstieg läuft glatt wie am Schnürchen, wobei sogar einige Horror-Elemente für Spannung (und eindeutige Identifizierung des Bösen als solches) sorgen.
Der Schwerpunkt der Weltenschöpfung liegt eher bei “spektakulär” als bei “originell”, eine bunte Kulisse war definitiv wichtiger als eine realistische, in der versucht wird, authentische Kulturen zu schaffen. Damit ist es immerhin gelungen, ein wahrhaft magisches Land zu kreieren, das eher Endes Phantasíen als Martins Sieben Königreichen gleicht. Nur wartet hinter dieser Kulisse kein Gespinst aus Traum, Einbildung oder Trug, deswegen ist es ratsam, nicht allzu sehr darin herumzustochern.

Geschickt verbindet Clemens verschiedene Handlungsstränge, und jeder Charakter hat eine eigene Geschichte und Aufgabe. Die einzelnen Figuren sind insgesamt gut gelungen, wenn auch einige Klischees mitgenommen werden – sie entwickeln sich und wachsen einem schnell ans Herz, manchmal wirkt allerdings ihre Motivation stark konstruiert, ihre Handlungen sind fast zu gut begründet, alles passt zusammen wie zurechtgeschnitzt. Auch böse Handlungsträger sind mitunter gut charakterisiert und lassen trotz der bedingungslosen Schwarzweißzeichnung der Moral auf Alasea individuell Raum für Interpretation.

Passend zur magischen Welt ist der Stil bildreich und märchenhaft, Clemens und seine Übersetzerin Irene Bonhorst wissen dabei zu überzeugen, so dass sich alles zu einem stimmigen Gesamtbild fügt. Nur mit seiner Apostrophenwut verschandelt der Autor so manchen Namen, man kann höchsten den Kopf dazu schütteln: Elv’en? Og’er? Meint er das ernst? Wenn das James Clemens’ Auffassung von Exotik und zauberischem Reiz entspricht, lässt das nichts Gutes ahnen.
Insgesamt ist Clemens allerdings trotzdem ein guter Erzähler, und wenn man sich auf Das Buch des Feuers und die Märchenwelt Alaseas einlässt, macht der Auftaktband Lust auf mehr, zumal Fantasy im Terry-Brooks-Stil recht selten geworden ist. Als großes Manko bleibt, dass auf den ersten gut 400 Seiten doch sehr wenig passiert – im Hinblick auf die Folgebände, in denen sich die Ereignisse überschlagen, kann man aber darüber hinweg sehen.

Das Buch des Sturms von James ClemensNachdem alle Verletzten geheilt sind, machen sich Elena und ihre Begleiter auf den langen Weg nach A’loatal, um in der versteckten Stadt das Buch des Blutes zu erlangen, mit dessen Hilfe das Land vom dunklen Herrscher befreit werden soll. Doch dieser stellt ihnen auf ihrem Weg seine Diener entgegen, und gegen das Versprechen von Macht sind auch Elenas vermeintliche Freunde nicht immun … Zu allem Übel ist A’loatal schon dem Bösen anheim gefallen. Die Magier Schorkan und Greschym erwarten Elena dort, ohne dass jemand etwas davon ahnt – bis auf ihren Bruder Joach, der unter dem Bann der bösen Magier steht.

-Elena schob den Ledervorhang beiseite, der die behagliche Wärme des Feuers im Innern hielt, und trat aus der Höhle.-
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Der zweite Band der Serie The Banned and the Banished legt im Vergleich mit dem halbwegs soliden Auftakt noch um einiges an Action und Spannung zu. Besonders herausragend erscheint bei Das Buch des Sturms (Wit’ch Storm) die farbenfrohe, ideenreiche Welt, von der man ein gutes Stück mehr vorgeführt bekommt: ein märchenhaftes, von Magie durchzogenes Panorama wird vor den LeserInnen entfaltet, in dem sich alles von Meeresvolk bis zum Drachen tummelt, ohne dass es allzu quietschebunt wirkt. Diese in Kreaturen und Völkern größtenteils wahrhaft klassische Fantasy-Welt kann man staunend durchstreifen, ganz besonders, wenn man ein Einsteiger ins Genre ist, ansonsten wird man vielleicht ein wenig enttäuscht von der Geradlinigkeit des Entwurfs sein.
Im Großen und Ganzen folgt die Erzählung auch einem klassischen Gut-Böse-Schema – die Bedrohung durch den eindeutig bösen Herrscher muss ausgeschaltet werden -, aber die einzelnen Charaktere sind erfreulicherweise nicht unbedingt leicht einzuordnen und haben Licht- und Schattenseiten. Überhaupt pflegt der Autor einen sehr gefühlvollen Umgang mit den unterschiedlichen Figuren, und gibt den zunächst klischeehaften Entwürfen genug Eigenarten, so dass sie einem ans Herz wachsen, auch wenn vor allem die Geschlechterrollen leider eher konservativ und stereotyp bleiben.

Seine Handlungsstränge kann Clemens geschickt verknüpfen; aber manchmal läuft alles ein klein wenig zu glatt ab – schicksalhafte Begegnungen und Prophezeiungen spielen in der Handlung eine große Rolle, und der Einsatz dieser Stilmittel wirkt häufig übertrieben. Gelungener sind dagegen kleine Geschichten in der Geschichte, die zum Teil innerhalb weniger Kapitel abgeschlossen werden, zum Teil aber auch als spannende und nervenaufreibende Geheimnisse in den nächsten Band hineinreichen. Eine dieser Geschichten ist der sich von Band zu Band fortsetzende Prolog über das “Studium” der eigentlichen Erzählung, und man fragt sich von Seite zu Seite mehr, was denn da noch kommen mag, um eine solch bombastische Einleitung zu rechtfertigen – da bleibt nur zu hoffen, dass die nächsten Bände diesen Erwartungen gerecht werden können.
Das Zusammenwirken von Sprache, Welt und Handlung zu einem stimmungsvollen und locker fließenden Ganzen ist Clemens’ größte Stärke, mit der er LeserInnen trotz der nicht zu leugenden Schwächen – und von der Apostrophenflut war in dieser Rezension noch nicht einmal die Rede, aber verflüchtigt haben sich die O’ger und ihre Genossen keineswegs – durchaus in seinen Bann schlagen kann.

Cover von Die Burg der Verräter von Mercedes Lackey/Josepha ShermanDem Bardenlehrling Kevin ist sterbenslangweilig, er möchte zeigen, was in ihm steckt, und Abenteuer erleben. Doch er bekommt von seinem berühmten Meister Aidan nur den Auftrag, in der Burg des Grafen Volmar ein altes Lehrbuch zu kopieren. Dort angekommen stellt Kevin schnell fest, daß etwas mit dem Manuskript nicht stimmt – auch Carlotta, die Halbschwester des Königs, versucht herauszufinden, was der mächtige Aidan mit diesem Buch will. Einst versuchte sie den König zu töten, was Aidan verhinderte, seitdem gibt sie vor tot zu sein und hält sich im Verborgenem. Zunächst macht sie sich in der Verkleidung der jungen Charina an Kevin heran. Als dieses scheitert, täuscht sie vor entführt zu werden und Kevin soll eine Rettungsgruppe anführen …

-Zoing!-
1. Kapitel

Das Geschehen findet auf einer leider nur schwach beschriebenen Sekundärwelt statt, und zwar im Reich des Königs Amber. Knappen, Ritter, Burgen, Feudaladel und Turniere mit reisenden Gauklern lassen ein vom typischen Mittelalter geprägtes Bild entstehen. Auch wenn es sehr oberflächlich dargestellt wird, schimmern an einigen Stellen schon gewisse Ungerechtigkeiten des Systems durch – eine Kritik wird allerdings nicht geäußert. Knapp ein Viertel der Geschichte spielt in der großen Stadt Westerin; auch sie wird oberflächlich und klischeehaft beschrieben (z.B. die typische Gaunerkneipe), sodaß teilweise ein leichtes Gefühl von Urbanität aufkommt.

Die Geschichte ist reich gesegnet mit magischen Elementen: So gibt es Weiße Elfen, spitzohriges, magisch affines, schönes Volk mit hellen Haaren und ambivalentem Charakter, und Schwarze Elfen, die ihre dunkelhäutigen Cousins sind, sie sind bekannt für ihr böses Wesen und dunkle Magie – ein freundschaftliches Verhältnis besteht zwischen den Völkern nicht. Dann sind da noch die ewig spottenden und nicht nur nette Streiche spielenden Feen und die sonderbaren, pedantischen Arachnia, intelligente, menschenartige Spinnen. Und Zwerge, Untote und weitere bunte Monster. Es wird außerdem viel gezaubert: Licht, Verwirrung, Schutz oder Blitz, fast nichts ist undenkbar. Insgesamt liest sich dieses wie ein von D&D inspiriertes (z.B. die Schwarzen Elfen erinnern sehr an die D&D Drow) und von Hollywood inszeniertes Spektakel.

Es gibt eine Reihe von Figuren, die tendenziell flache Exzentriker sind. Da ist der Protagonist Kevin der Bardling, ein Lehrling des Helden Aidan; er ist jung und will sich dringend beweisen. Wie es sich für einen angehenden Barden gehört, liegen seine Stärken nicht im Kampf, sondern darin, die Gruppe zusammenzuhalten und die Moral zu heben. Lydia ist eine Amazone, eine geschickte Waldläuferin, aber auch eine gewiefte Schurkin – der Schönheit fällt im Zweifelsfall immer ein Ausweg ein. Ihre Gefährtin ist die Fee Tich’ki. Sie unterstützt die Gruppe mit ihren Tricks und hat vor allem den unerfahrenen Kevin auf dem Kieker – er entgeht nur selten ihrem Spott. Eliathanis ist ein Krieger der Weißen Elfen und Naitachal ist ein Geisterbeschwörer der Dunkel Elfen – die beiden sind einander nicht freundlich gesonnen, aber gerade Naitachal hat einige Überraschungen zu bieten. Die wichtigsten Antagonisten sind die böse Hexe Charlotta, die sich selbst auf den Thron setzen will. Dazu schmiedet die kluge Frau heimtückische Pläne und nützt eine Vielzahl von Zaubern. Nur den Barden Aidan fürchtet die herzlose Intrigantin. Ihr “treuer” Verbündeter ist Graf Volmar; er plant der Mann an ihrer Seite zu sein, wenn sie den Thron besteigt – was danach passiert… So lange stellt er der gemeinsamen Sache seine Ressourcen zur Verfügung. Daneben gibt es noch viele kleine Figuren: korrupte Stadträte, kalte Schwarzmagier, hilfreiche Gaukler und schamlose Schurken.

Bei dem Wunsch Kevins, selbst Abenteuer zu erleben, wird es den Leser kaum verwundern, daß es sich hier um eine Abenteuergeschichte handelt. Ein wenig episodenhaft werden eine Reihe von Standardsituationen präsentiert. Dazu gehört die gruppeninterne Spannung (zwischen Eliathanis und Naitachal, bzw. Tich`ki und dem Rest der Gruppe), das Herabblicken der erfahrenen Kämpen auf den jungen und unerfahrenen Protagonisten, ein Überfall von Wegelagerern, Taschendiebstahl in der Stadt, die billige Anmache von Betrunkenen, derer sich die schöne Amazone erwehren muß, bis hin zur Verkleidung als Frau um gewissen Leuten aus dem Weg zu gehen. Doch es gelingt dem Autoren-Duo dieses mit einer flotten Leichtigkeit und viel Charme zu erzählen, so daß erfahrene Leser zwar nur selten überrascht, aber dennoch amüsiert werden – so hat z.B. der Geisterbeschwörer an der gender-bending Verkleidungssequenz am meisten Spaß.
Auch wenn es eingestreute Episoden gibt, ist der Handlungsverlauf progressiv und dramatisch; die Spannung entsteht zu gleichen Teilen aus den bedrohlichen Situationen wie auch den unterschiedlichen Charakteren.
Erzählt wird diese Geschichte aus der Perspektive des Bardling Kevin. Nur einige wenige Male wird diese von kurzen Zwischenspielen unterbrochen, die aus der Perspektive des Grafen Volmars geschildert werden. Es gibt nur einen Erzählstrang, der in einem neutralen Sil gehalten ist. Die Sätze sind eher unauffällig, lassen sich aber flüssig lesen, was gut zur flotten Abenteuergeschichte paßt. Die Wortwahl ist stellenweise etwas zu modern geraten, sonst aber durchaus angemessen.
Die Burg der Verräter (Castle of Deception) ist der Auftakt der Bard’s Tale Reihe, die von verschiedenen Autoren verfaßt wurde und an das Computer-Spiel gleichen Namens, welches 1987 erschienen ist, anzuknüpfen versucht. Ähnlichkeiten – sieht man vom lockeren Stil ab – sucht man aber vergebens.

The Charwoman's Shadow von Lord DunsanyDer junge Ramon Alonzo wird von seinem Vater, dem verarmten Lord of the Tower and Rocky Forest, zum Haus eines Magiers tief im Wald geschickt, um dort die Kunst des Goldmachens zu erlernen. Dort als Lehrling aufgenommen, erfährt Ramon Alonzo gleich am ersten Abend die Geschichte der alten Scheuermagd: einst gab sie dem schwarzen Magier ihren Schatten im Tausch für ein ewiges Leben, aber seitdem ist sie an dessen Haus gebunden. Ramon Alonzo schwört sich, ihren Schatten zu retten und sie zu erlösen. Doch der Magier verlangt auch von Ramon Alonzo eine Bezahlung für das erteilte Wissen.

-Picture a summer evening sombre and sweet over Spain, the glittering sheen of leaves fading to soberer colours, the sky in the west all soft, and mysterious as low music, and in the east like a frown. Picture the Golden Age past its wonderful zenith, and westering now towards its setting.-
Chapter 1 – The Lord of the Tower Finds a Career for His Son

The Charwoman’s Shadow (Der Schatten der Scheuermagd) ist eine relativ kurze Geschichte, was nicht heißt, dass man sie schnell gelesen hätte. Man muss sich viel Zeit nehmen, um die Sprache nachzuvollziehen und auf sich wirken zu lassen. Das englische Original ist leider nur etwas für wirklich gute Englisch-Leser. Nicht so sehr wegen schwerer Vokabeln, sondern mehr aufgrund komplexer Satzstrukturen, für deren Erfassung man ein wenig Muße benötigt. Anfangs hatte ich beim Einlesen große Probleme, doch wenn man das Buch ganz in Ruhe (und vielleicht ein zweites Mal) angeht, kann das Geschriebene einem den Atem rauben.

Man verliert sich im Spanien am Ende des Goldenen Zeitalters mit seinem Spiel aus Licht und Schatten – dafür sorgt allein schon der erste Satz. Eine konkrete, besonders schöne Textstelle ist zum Beispiel, wenn der Zauberer seinen Schüler in das größte Mysterium seiner Magie einführt: das Lesen. Darüber hinaus beruht diese Magie sehr auf der mittelalterlichen Alchemie mit Lebenselixieren und der Herstellung von Gold. Und ähnlich wie im Mittelalter wird diese Magie mit dem Teufel in Verbindung gebracht; demgegenüber steht die Kirche, die beim einfachen Volk großen Einfluss besitzt, und deren Vertreter das Gute verkörpert.

Angesichts der Sprache und Atmosphäre spielt es dann keine Rolle mehr, ob uns die Geschichte selbst einfach erscheint: der Held tritt gegen den schwarzen Magier an, um ein unschuldiges Opfer zu retten. Viel spannender ist dabei, dass der Held selbst weniger durch Scharfsinn denn Beharrlichkeit und Großmut auffällt, und dass das unschuldige Opfer eine hässliche, alte Scheuermagd ist. Und die eigentlich interessanteste Figur ist Ramon Alonzos wesentlich intelligentere Schwester Mirandola: obwohl sie den reichen, unsympathischen Nachbarn heiraten soll, verfolgt sie unauffällig ihre ganz eigenen Hochzeitspläne.

The Crown Conspiracy von Martin J. SullivanAls die Meisterdiebe Royce Melborn und Hadrian Blackwater den Auftrag erhalten, ein magisches Schwert aus der Königsburg zu stehlen, ahnen sie nicht, dass sie nur als Sündenböcke für ein weit schlimmeres Verbrechen missbraucht werden sollen. Der König wird erdolcht, und die am Tatort aufgegriffenen Einbrecher finden sich rasch als vermeintliche Mörder im Kerker wieder. Ein qualvolle Hinrichtung scheint unausweichlich, doch da macht Arista, die Tochter des Ermordeten, den beiden ein unerwartetes Angebot: Sie will ihnen zur Flucht verhelfen, wenn sie im Gegenzug ihren Bruder, den auf seine neue Aufgabe nur schlecht vorbereiteten Thronfolger Alric, entführen …

– By architectural standards, or any other measures, Ballentyne Castle was unremarkable and ordinary in every respect. No great king or hero ever called the castle home. Nor was it the site of any legend, ghost story, or battle. Instead, it was the perfect example of mediocrity and the mundane. –
Chapter 1 – Stolen Letters

Es ist beim besten Willen keine hohe Literatur, was Michael J. Sullivan in The Crown Conspiracy bietet, sondern recht simple Abenteuerfantasy, die bewährten Schemata verhaftet ist und in der man gesunden Menschenverstand bei den Figuren, Realismus oder konsequente Logik oft vergeblich sucht. Dementsprechend wenig überraschend entwickelt sich auch der Plot um das nolens volens in die Machtkämpfe eines kleinen Königreichs hineingezogene Gaunerduo, das in seiner Gegensätzlichkeit ebenso dem Klischee entspricht wie die meisten anderen Charaktere. Unreife Kronprinzen, exzentrische Zauberer, weltfremde Mönche, korrupte Priester, opportunistische bis ritterliche Adlige und Huren mit goldenem Herzen gehören nun einmal zum Standardinventar einer bestimmten Form von Fantasy und werden hier nicht etwa ironisiert, sondern mit der fast naiven Ernsthaftigkeit zum Einsatz gebracht, die dem Genre in den letzten Jahren eigentlich verloren gegangen ist. Der Einfachheit des Inhalts entspricht die fast durchgehend schnörkellose Sprache, die auch Lesern, die sich nur selten an englische Originaltexte wagen, keine großen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Auch der Weltenbau enthält viel Althergebrachtes: Die Helden bewegen sich durch eine wenig originelle Topographie aus Städten, Burgen und Landgebieten mit dem ein oder anderen architektonischen Überbleibsel einer glorreicheren Vergangenheit, die zur Handlungszeit natürlich bereits einem klassischen Pseudomittelalter gewichen ist, in dem eine vage an das Christentum angelehnte, gespaltene Kirche und unterschiedliche politische Parteiungen teilweise auch länderübergreifend um Einfluss ringen. Neben Menschen sind Elfen und Zwerge zu finden, und auch die Magie folgt gewohnten Mustern.

Am Rande sind in dieser erst sehr derivativ anmutenden Kulisse allerdings durchaus interessante Ideen versteckt: So gestaltet sich etwa die Kommunikation mit einem seit Jahrhunderten in einem magischen Gefängnis schmachtenden Zauberer schon aus dem Grunde schwierig, dass er selbst nach Lehrstunden in moderner Sprache immer noch ungefähr so klingt, als würde Yoda sich auf Mittelenglisch zu äußern versuchen, und sich nur zähneknirschend bereiterklärt, an seiner Ausdrucksweise zu arbeiten.

Während dies sich noch vor allem amüsant liest, werden unversehens auch ernstere Themen präsentiert: Die Elfen sind nach langer Unterdrückung und Versklavung durch die Menschen zu einer marginalisierten Randgruppe heruntergekommen, deren besondere Fähigkeiten zwischen Armut und Alkoholmissbrauch kaum noch zur Entfaltung gelangen. Wenn Sullivan an ihrem Beispiel alltäglichen Rassismus schildert, beweist er eine Feinfühligkeit, mit der man zwischen all den munteren Abenteuern und flotten Sprüchen nicht rechnet, die aber auch in manchen anderen Szenen plötzlich aufscheint (etwa im schwierigen Abschied eines schon im Kindesalter ins Kloster gesteckten Mannes von dieser einzigen ihm vertrauten Heimat).

Solche Momente und die spürbare Sympathie des Autors für seine in all ihrer Gewöhnlichkeit doch irgendwie ziemlich liebenswerten Helden ziehen einen fast wider Willen in die Geschichte und sorgen dafür, dass nach dem Ende der Lektüre mehr hängen bleibt, als man es diesem Roman eigentlich zutraut. Abseits hoher Ansprüche und neuer Trends im Genre entfaltet The Crown Conspiracy einen gewissen nostalgischen Charme, der einen über die unleugbaren Schwächen hinwegtröstet und den Roman zur guilty pleasure macht, wobei man guilty vielleicht groß schreiben sollte – doch das hätte ein Buch, das so erkennbar gut gemeint ist, nun auch wieder nicht verdient.

Cover von Die Dame vom See von Andrzej SapkowskiMit der Flucht Ciris durch das Portal des Schwalbenturms kann die Geschichte natürlich noch nicht zu Ende sein, und tatsächlich ist sie so vom Regen in die Traufe gekommen. Geralt dagegen scheint vom beschaulichen Touissant gar nicht mehr wegzuwollen, was seinen Gefährten zunehmend sauer aufstößt, kann doch ihre schwierige Mission nicht zwischen Weinbergen zu Ende gehen …

-“Mich”, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, während er die Ärmel hochkrempelte, “wie ich leider eingestehen muss, zieht es schrecklich zur Herrschaft. Das ist trivial, ich weiß, aber ich will ein Herrscher sein.”-

Die Dame vom See (Pani Jeziora) ist ein mehr als würdiger Abschluss für Andrzej Sapkowskis Geralt-Zyklus, denn es bringt nicht nur die Geschichte rund um Ciri und den Hexer zu einem wunderbar passenden Ende, sondern führt dem Leser/der Leserin nochmal alle Stärken der Reihe vor Augen. Das beginnt schon beim eher gemächlichen Einstieg, der einerseits ein schlaglichtartiges „Was bisher geschah“ mit starkem Eigencharakter ist, andererseits einige Zeitebenen miteinander verknüpft und bei dem in den Geralt-Passagen wieder das alte Flair der Kurzgeschichtenbände aufkommt. Die intelligent-witzigen Dialoge, die Monsterhatz und das Techtelmechtel entfalten eine fast nostalgische Wirkung.

Der Rückverweis auf die Kurzgeschichten geschieht nicht ohne Grund, knüpft Sapkowski doch im Zuge eines der Finale, die in der zweiten Romanhälfte dicht aufeinander folgen, an seine Erzählungen an und schlägt so tatsächlich einen Bogen zum Anfang des Hexer-Zyklus. Hat der Autor in seinen Kurzgeschichten so manches Märchen durch den Kakao gezogen, so scheut er sich nicht, im finalen Band ein klassisches Erzählmuster auf die Schippe zu nehmen, dessen er sich selbst bedient, und gibt einem der Höhepunkte so eine erfrischend selbstironische Note. Zudem ist auch der abschließende Band wieder reich an intertextuellen Bezügen und historischen Anspielungen.

Aber Sapkowski wäre nicht Sapkowski, ließe er seine Reihe mit den großen, dramatischen Auflösungen enden, stattdessen geht die Geschichte noch weiter und gewährt in der dem Autor eigenen Art einen Blick auf die weiteren Folgen der Ereignisse auf die politische Landschaft, auf die Gesellschaft und auch auf die Haupt- und Nebenfiguren. Der Wechsel zwischen retrospektiven, narrativen und „mittendrin“-Passagen macht einen nicht geringen Teil des Charmes des Romans und der Reihe aus. In diesem letzten Abschnitt des Romans geht es Sapkowski nicht nur um die von ihm erschaffene Welt, sondern er flicht darin auch seine scharfe Beobachtungsgabe unserer Welt ein. Denn die spezifisch modernen (insofern, als dass man sie in direkten Bezug zu unserer Gegenwart setzen kann) Aspekte von Sapkowskis Welt treten in Die Dame vom See erneut stärker hervor, sind dabei aber so geschickt „verkleidet“, dass sie sich wunderbar in das Setting einfügen. Seien es nun die Verflechtungen von Wirtschaft und Politik oder – und dieses Thema hat im abschließenden Band wie auch in der gesamten Reihe eine prominente Position inne – der Überlegenheitsdünkel gegenüber den „Anderen“, wobei die Fluidität dieser Kategorie von Sapkowski scharfsinnig aufgezeigt wird, jeder kann dem zum Opfer fallen. Bei aller Unterhaltsamkeit und aller Spannung ist es vor allem diese Ebene, die dem Geralt-Zyklus seine große Bedeutung verleiht.

A Dance with Dragons von George R. R. MartinWährend in Westeros ein harter Winter anbricht, setzt sich das Ringen um die Macht fort. Jon Snow ist bestrebt, die offiziell neutrale Nachtwache zwischen den verfeindeten Parteiungen hindurchzulavieren und zugleich eine Allianz gegen die immer bedrohlichere Gefahr aus dem Norden zu schmieden. Daenerys Targaryen muss sich unterdessen mit ihren kaum noch zu bändigenden Drachen und den Tücken der Herrschaft über das fremdartige Meereen auseinandersetzen. Sie ahnt nicht, dass neben mehreren Bewerbern um ihre Hand auch Tyrion Lannister auf der Suche nach ihr ist und dabei eine unglaubliche Entdeckung macht, die alles verändern könnte…

– The night was rank with the smell of man. The warg stopped beneath a tree and sniffed, his grey-brown fur dappled by shadow. A sigh of piney wind brought the man-scent to him, over fainter smells that spoke of fox and hare, seal and stag, even wolf. Those were man-smells too, the warg knew; the stink of old skins, dead and sour, near drowned beneath the stronger scents of smoke and blood and rot. Only man stripped the skins from other beasts and wore their hides and hair. –
(Prologue)

Kaum ein Buch im Fantasygenre dürfte in letzter Zeit so ungeduldig erwartet worden sein wie A Dance with Dragons (Der Sohn des Greifen, Ein Tanz mit Drachen). George R.R. Martin musste sich in den immerhin knapp sechs Jahren seit dem Erscheinen des Vorgängerbands A Feast for Crows (Zeit der Krähen, Die dunkle Königin) aufgrund seines Arbeitstempos einiges an Spott und Kritik gefallen lassen, und die Erwartungen der Fans waren hoch. Ganz unbeeinflusst davon kann keine Einschätzung des vorliegenden Romans bleiben, der in der Tat nicht nur Martins unbestreitbare Stärken ausspielt, sondern auch recht deutlich zeigt, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hat.

Für Leser, die sich vorwiegend danach gesehnt haben, wieder tief in Martins Welt eintauchen zu dürfen, hat sich die Wartezeit gelohnt. Martin erweist sich einmal mehr als unübertroffener Schilderer eines prallen Settings, das vor Sinnenfreuden und Scheußlichkeiten gleichermaßen überquillt. Der in einem furios eingefangenen Wintereinbruch immer weiter erstarrende Norden und der kriegs- und seuchengeplagte Süden, in dem Vorboten der neuen Jahreszeit nur langsam Fuß fassen, bilden die Kulisse für Ansprechendes wie Abschreckendes, aber auf jeden Fall Bewegendes. Martin schwelgt in Intrigen, Magie, ungehemmter Sexualität, Blutvergießen aller Art (von Gladiatorenkämpfen über Morde und Hinrichtungen bis hin zu Menschenopfern) und immer wieder auch in Tafelfreuden verlockender wie zweifelhafter Natur. Gelegentlich erliegt er dabei wohl vor allem der Faszination des Entsetzlichen: Wenn etwa aus Sicht des fast um den Verstand gefolterten Theon Greyjoy der gnadenlose Sadismus eines Ramsay Bolton breit ausgewalzt wird, lässt sich das nicht mehr allein als ungeschminkte Darstellung der Schattenseiten einer pseudomittelalterlichen Welt abtun, sondern bewegt sich irgendwo zwischen Schockeffekt und schlichter Geschmacklosigkeit.

Selbst wenn man sich von diesen Elementen (und auch von der prononcierten Neigung, insbesondere Frauengestalten in erniedrigenden, sexuell konnotierten Situationen zu präsentieren) abgestoßen fühlt, muss man dem Autor lassen, dass er sein erzählerisches Handwerkszeug nach wie vor blendend beherrscht. Obwohl manche Motive, derer er sich bedient, offensichtliche Entlehnungen bilden (so begegnen einem unter anderem Reminiszenzen an die Apokalypse, Macbeth, El Cid und Lady Godiva), sind sie unbestreitbar wirkungsvoll.

Das alles kann über eines nicht hinwegtäuschen: Die Gesamthandlung kommt kaum voran, und das nicht etwa nur, weil ein Großteil des Romans zeitlich parallel zu A Feast for Crows spielt. Trotz der vordergründigen Ereignisfülle wird auf über 950 Textseiten eigentlich nicht viel erreicht. Gerade wenn man die gemächlichen Fortschritte der Haupthandlung mit dem vergleicht, was etwa ein David Anthony Durham oder ein Daniel Abraham in einem wesentlich kürzeren Band kompakt vermitteln kann, wird man den Verdacht nicht los, dass Martin sich mit seiner überaus szenischen Erzählweise und den Heerscharen von Protagonisten mittlerweile selbst im Wege steht.

Erschwerend kommt hinzu, dass ausgerechnet den für die Gesamthandlung bisher recht zentralen Publikumslieblingen Jon, Daenerys und Tyrion nicht unbedingt die interessantesten Passagen zugeordnet sind. Während Tyrion, Reiseabenteuer hin oder her, vorwiegend damit beschäftigt ist, mit seinem Schicksal und besonders mit seinem immer noch nicht überwundenen Übervater zu hadern, läuft sich der Plot um die Targaryen-Prinzessin in einer eigenartigen Mischung aus schwülstiger Altmännerphantasie und Schilderungen herrscherlicher Inkompetenz tot. Jon Snow darf immerhin ein paar neue Entwicklungen anstoßen, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich – deutlich illustriert durch die Hinrichtungsszene relativ zu Anfang seines Handlungsstrangs – zu einem Abklatsch von Eddard Stark entwickelt und letztendlich auch ähnliche Fehler begeht wie sein tatsächlicher oder vermeintlicher Vater.

Ob es Martin dabei jeweils um die bewusste Gestaltung eines Scheiterns geht, bleibt unklar, doch wenn sich überhaupt ein Thema als verbindender roter Faden anbietet, ist es wohl das menschlichen Versagens und enttäuschter Erwartungen. Kaum eine Hauptfigur erreicht langfristig das, was sie sich vorgenommen hat: Suchen verlaufen ergebnislos, Begegnungen, die den Plot voranbringen könnten, kommen nicht zustande, und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der einzige ganz neue Faktor, der die politische Gesamtkonstellation deutlich verändert, wirkt wie aus dem Hut gezaubert: Eine seit Beginn der Serie für tot gehaltene Person ist wundersamerweise doch noch am Leben und bereit, im Kampf um die Königsmacht mitzumischen.

Abgesehen von dieser einen überraschenden Entwicklung scheint es so, als wolle Martin sich für die Folgebände alle Optionen offen halten und manch eine Entscheidung lieber noch aufschieben. Was also bleibt am Ende? Kein schlechtes Buch, aber auch kein rundum gelungenes. A Dance with Dragons ist ein Zwischengang, der durchaus den Appetit auf mehr wachhalten kann, aber nicht der entscheidende Schritt nach vorn, den A Song of Ice and Fire (Das Lied von Eis und Feuer) an dieser Stelle so dringend gebraucht hätte.

Daughter of the Blood von Anne BishopIm von Magie durchzogenen Tereille unterdrücken und quälen Frauen die Männer, diese wiederum versuchen die Frauen durch Vergewaltigung zu “brechen” und ihnen dadurch ihre Magie zu rauben. Doch es wurde die Ankunft einer mächtigen Hexe prophezeit, die Erlösung bringen soll. Als sie schließlich erscheint, ist sie Jaenelle, ein kleines Mädchen mit unendlicher Macht, und sie hat nur wenige Beschützer: Saetan, der sie gerne unter seine Fittiche nehmen würde, und Daemon, der seit Jahrhunderten auf ihre Ankunft gewartet hat, um ihr Liebhaber zu werden. Doch dem Mädchen drohen von vielen Seiten Gefahren, während ihre Beschützer sich nicht einmal gegenseitig vertrauen.

-I am Tersa the Weaver, Tersa the Liar, Tersa the Fool. When the Blood-Jeweled Lords and Ladies hold a banquet, I’m the entertainment that comes after the musicians have played and the lithesome girls and boys have danced and the lords have drunk too much wine and demand to have their fortunes told.-
Prologue, Tereille

Die Dark Jewels (Die schwarzen Juwelen) von Anne Bishop haben eine große Fangemeinde, stellen sich aber bereits im Auftaktband als – in eine hübschere Formulierung lässt es sich leider nicht verpacken – Schrott heraus. Düster und erotisch soll es werden, klischeehaft und sexistisch liest es sich. Von den interessanten Details sollte man sich nicht blenden lassen, das vorgebliche Spiel mit Stereotypen ist schnell vorbei, und “subtil” ist ohnehin ein Fremdwort. Die bösen Kerle zum Beispiel, die auf die einfallsreichen Namen Daemon, Lucivar und Saetan hören, sind eigentlich ganz nett. Daemon etwa, ein bitterböser Lustsklave, der auch als “der Sadist” bekannt ist, ist charismatisch, gutaussehend, smart und baut auch mal einen Schneemann. So weit, so unspektakulär. Augenzwinkernder Humor, um die “Düsternis” etwas aufzulockern, in allen Ehren, die Brechstange hätte aber auch in der Autorenwerkzeugkiste bleiben können.

Haben wir es also vielleicht mit einer interessanten Spielerei mit Geschlechterrollen zu tun? Viel zu innovativ gedacht! Die Frauenherrschaft der magiebegabten Herrscherkaste der “Blood” ist ein dünnes Deckmäntelchen für allerlei Folter- und Sexszenen, in denen übelste Klischees gewälzt werden: Jede Frau hat ihre helle Freude daran, ihre Macht durch das Quälen von Männern auszuleben (mittels eines magischen schmerzinduzierenden Ringes … nicht am Finger), die Männer wehren sich mit Vergewaltigung, die die Magie der Frauen zerstört, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt geschieht. Erzählt wird aus der Perspektive der männlichen Hauptfiguren (Saetan und Konsorten).

Immerhin, es naht Rettung, denn mittendrin in diesem ekelhaften Sumpf ist die kleine Jaenelle, gesegnet mit unendlicher Macht. Ihre Macht ist ein Fakt, sie wird niemals motiviert, erklärt oder in ihren Wirkmechanismen erläutert, aber jeder erstarrt vor Ehrfurcht oder will sie nutzbar machen. Dass der erwähnte Daemon, der den Ruf als tollster Sexsklave des Reiches pflegt, dann auch mit dem kleinen Mädchen in die Kiste will und kaum an sich halten kann – er ist schließlich ihr prophezeiter Partner – setzt dem Wust an Widerwärtigkeit die Krone auf. Und es wirkt wie blanker Hohn, dass Jaenelle an anderer Stelle in Daughter of the Blood (Dunkelheit) misshandelt wird und daraufhin ein sensibler Umgang mit dem Thema Kindesmissbrauch geheuchelt wird.

Selbst mit einem Faible für erzwungene, affektierte Düsternis (klar, dass alle schwarz tragen) wird es schwierig, über diese abstoßenden Einzelheiten hinwegzusehen. Das Konzept, die strenge Hierarchie mit (düster-farbigen) Edelsteinen, die Giftringe, Schwarzen Witwen und Dämonen sind aber offenbar anziehend genug. Ideenlos ist Bishop auch gewiss nicht, die Weltschöpfung könnte eine gewisse Ästhetik ausstrahlen, und eine leidlich gute Erzählerin ist sie auch. Solch düstere Entwürfe findet man aber auch bei anderen AutorInnen und kann dieses Machwerk getrost links liegen lassen.

Der Sohn des Greifen von George R.R. MartinIn ihrer Gier nach dem eisernen Thron belauern sich die Adelshäuser im gegenseitigen Machtkampf, während die Sieben Königreiche weiter zerfallen. Einig sind sie sich nur in ihrem Misstrauen gegen die rechtmäßige Erbin der Krone: Daenerys Targaryen.
Mit einer steig wachsenden Armee und ihren drei Drachen greift sie von Osten as nach der Herrschaft über Westeros. Doch die eigentliche Gefahr droht aus dem Norden, wo sich Geschöpfe erheben die die Menschen des Südens zu überrennen drohen. Nur Jon Schnee und eine Hand voll tapferer Männer stemmen sich gegen die Bedrohung.

– Menschgestank hing in der Nacht. Der Warg blieb unter einem Baum stehen und schnüffelte. Sein graubraunes Fell war von Schatten gesprenkelt. Ein Seufzer des Kiefernwinds trug den Menschengeruch zu ihm und dazu die schwächere Witterung von Fuchs und Hase, Seehund und Hirsch und sogar Wolf. Das waren ebenfalls Gerüche von Menschen, wie der Warg wusste; der Gestank alter Felle, tot und bitter, der die stärkeren Gerüche beinahe vollständig überlagerte: Rauch und Blut und Fäulnis. Nur Menschen zogen anderen Tieren die Haut ab und trugen deren Fell und Haar. –
Prolog

Zu Der Sohn des Greifen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Der Sohn des Greifen und Ein Tanz mit Drachen.

Cover des Buches "Der verschenkte König" von Terry BrooksQuestor Thews, der unfähige Hofzauberer Landovers, findet einen Zauber, um den hundegestaltigen Hofschreiber Abernathy in einen Menschen zurück zu verwandeln. Doch dabei wird Abernathy samt dem Medallion, das dem König die Gewalt über den Verteidiger des Reiches verleiht, in die alte Welt des Königs Ben Holiday transportiert und gegen eine bunte Flasche mit einem bösen Dämon, dem Darkling, vertauscht. Während Ben und seine Freunde den G’heim Gnomen Filip und Sot, die die Flasche gestohlen und den Darkling befreit haben, hinterher jagen, muss Abernathy zu seinem Entsetzen feststellen, dass er bei Michel Ard Rhi, dem ehemaligen König von Landover, gelandet ist; denn einst hatte Questor Abernathy in einen Hund verwandelt, um ihn vor Michel zu verstecken…

-Ben Holiday seufzte müde und wünschte, er wäre woanders als dort, wo er gerade war.-
Niesen

Die Welt Landover ist immer noch dieselbe, wie im ersten Band und alle Bekannten treten wieder auf. Dieses Mal werden die Charaktere von Abernathy und Questor Thews etwas näher beleuchtet, doch leider bleiben sie recht maskenhaft.
Strabo, der Drache, soll einer der größten Feinde des Königs sein, doch die Rolle kann man ihm kaum mehr abkaufen. Kallendbor nimmt sich einiges heraus, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen. Insgesamt sind die bekannten Elemente nicht um interessante Facetten bereichert worden und können ihre Rollen kaum glaubwürdig füllen.
Neue Elemente gibt es kaum, nur den Schattenwicht, der eine kleine Rolle spielt, und den Darkling. Diese beiden Gestalten sind aber durchaus gelungen – der erbärmliche Schattenwicht, der um weiter existieren zu können Leichenteile zusammenstehlen muss, lässt einen schon erschaudern. Auch die grausam-schönen Kunstwerke des Darklings haben viel Potential – leider nutzt der Autor dieses nicht voll aus.
Die in unserer Welt angesiedelten Charaktere gelingen allesamt besser, treten aber nur kurz auf; Michel Ard Rhi allerdings wird so aufgrund der nebulösen Ferne zu einer interessanten Figur.

Die Geschichte lässt sich vielleicht am besten als Mischung aus urbaner Abenteuergeschichte und klassischer Fantasy-Queste beschreiben. In Landover wird dem Darkling nachgejagt und die bekannten Charaktere abgeklappert. Einige der Verknüpfungen wirken dabei etwas zu konstruiert, als wenn es nur darum ginge, den Charakter auftreten zu lassen; aber glaubwürdig sind sie dennoch. Questors Magie ist leicht störend: Sie schwankt zwischen Slapstick und Lebensrettung, aber fast immer so, dass es die Geschichte voran treibt – nur an einer Stelle verkompliziert sie die Geschichte; diese Stelle ist aber wirklich gelungen. Schade, das es nicht mehr davon gibt.

Im Strang in den USA gilt es Abernathy nach Virginia zu lotsen, damit er nach Landover zurückkehren kann. Alles in allem durchaus gelungen, aber auch kein Meisterwerk. Es lässt sich gut lesen, es tauchen keine Ärgernisse auf, aber leider auch keine überragenden Einfälle.

Auch wenn der Autor versucht humorvoller zu sein als in den vorigen Geschichten, sind mir die auflockernden Slapstick-Szenen zu albern. Sprachlich sind wieder einmal einige der fantastischen Wesen etwas unangemessen: “Und wen nennt Ihr ‘alt’? Ihr seid selbst ein halbes Fossil!” So der Drache Strabo.

Wie alle Teile des Zyklus, so lässt sich auch Der verschenkte König (Wizard at Large) als eigenständiger lesen, da alle wichtigen Zusammenhänge kurz erläutert werden. Es fehlt dann eventuell nur etwas Tiefe.

Dunkelheit von Anne BishopIm von Magie durchzogenen Tereille unterdrücken und quälen Frauen die Männer, diese wiederum versuchen die Frauen durch Vergewaltigung zu “brechen” und ihnen dadurch ihre Magie zu rauben. Doch es wurde die Ankunft einer mächtigen Hexe prophezeit, die Erlösung bringen soll. Als sie schließlich erscheint, ist sie Jaenelle, ein kleines Mädchen mit unendlicher Macht, und sie hat nur wenige Beschützer: Saetan, der sie gerne unter seine Fittiche nehmen würde, und Daemon, der seit Jahrhunderten auf ihre Ankunft gewartet hat, um ihr Liebhaber zu werden. Doch dem Mädchen drohen von vielen Seiten Gefahren, während ihre Beschützer sich nicht einmal gegenseitig vertrauen.

– Ich bin Tersa die Weberin, Tersa die Lügnerin, Tersa die Närrin.
Wenn die Damen und Herren mit den Blutjuwelen ein Bankett feiern, bin ich stets die Unterhaltung nach den Musikern und den geschmeidig tanzenden Mädchen und Jungen. Denn wenn die Herren zu viel Wein getrunken haben, verlangen sie, die Zukunft vorhergesagt zu bekommen. –
Prolog

Zu Dunkelheit liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Elantris von Brandon SandersonElantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren  die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …

-Prince Raoden of Arelon awoke early that morning, completely unaware that he had been damned for all eternity.-
Chapter 1

Mit seinem Debutroman Elantris hat Brandon Sanderson den Grundstein für eine steile Karriere gelegt, die ihn inzwischen als Nachfolger Robert Jordans beim Rad der Zeit und Verfasser eigener umfangreicher Fantasy-Zyklen in die erste Liga der Autoren geführt hat. Liest man seinen gefeierten Erstling,  der durchaus wegweisend für die literarische Richtung ist, die Sanderson seither eingeschlagen hat, weiß man nicht recht, ob man lachen oder weinen soll, weil ein weiteres Mal ein allzu simpel nach Schema F gestrickter Fantasy-Roman die Gunst der Leser erworben hat …
Mit hohem Tempo wechselt Sanderson die Handlungstränge um den durch das Shaod verdammten Prinzen Raoden, der sich im elenden Elantris durchschlägt, seine Verlobte Sarene, ein allen Widrigkeiten zum Trotz emanzipiertes, kluges, politikbegeistertes Mädchen, das sofort die Zügel in Raodens Heimat Arelon an sich reißt und in der Folge die Politik des kleinen Landes komplett auf den Kopf stellt, und den Priester Hrathen, der mit der Kraft der Logik ein ganzes Volk bekehren will und dabei eine fanatische Natter an seinem Busen heranzüchtet. All diese Handlungsstränge laufen ab und berühren sich wie ein gut geöltes Uhrwerk, man steigt schnell ein, aber die Spannung bleibt auf der Strecke, weil alles in so glatten und vorhersehbaren Bahnen verläuft.

Der Held Raoden ist ein Super-Optimist, dem trotz widrigster Umstände in den ersten 250 Seiten gerade einmal drei Zeilen Selbstzweifel zugestanden werden (und dann schlägt der Blitz ein und Raoden darf sich einige Seiten lang im Elend aalen, als hätte der Autor einen Schalter umgelegt); die Heldin ist ein ähnliches Kaliber. Einfache, sich ständig wiederholende Charakterzüge werden verwendet, um den Figuren Eigenständigkeit zu verleihen, bis man es nicht mehr lesen kann, dass Sarene mit ihrem Finger an die Wange tippt, wenn sie kurz vor einer weiteren genialen Idee steht – denn gute Einfälle gibt es am laufenden Meter in Elantris. So schwer Feinde und widrige Umstände den Helden das Leben auch machen, sie sind niemals auch nur einen Augenblick lang um eine Lösung verlegen.
Dabei hat die Handlung durchaus Potential für Spannung – eine Stadt voller Zombies sucht nach Erlösung, während außenherum das Land in den Ruin stolpert. Wenn diese Gemeinschaft der Gefallenen fieberhaft an einem Ausweg für das Hauptproblem – den Fall von Elantris – arbeitet, kann man sich ein wenig mitreißen lassen. Um so enttäuschender ist dann aber die hahnebüchene Auflösung.

Das Ende ist ohnehin ein Spektakel, und kein erfreuliches: Eine bunte, sensationelle und gigantische Explosion von Magie, und wenn man sich vorab schon in einem Hollywood-Schinken der platteren Sorte gewähnt hat, kommen hier erst recht die passenden Szenen für diese These: Ein Totgeblaubter rappelt sich noch einmal blutend und stöhnend auf, um dem Bösewicht in einer kritischen Situation schnell Eins überzubraten, ein längst vergessener Charakter stolpert zufällig aus einer Kneipe und löst eine Kettenreaktion aus. Während ein ganzes Buch lang niemand ins Gras beißen musste, werden innerhalb von drei Seiten beinahe alle getötet (aber mit Auferstehungsoption), und wirklich jede einzelne Figur darf etwas zur Rettung beitragen, auch wenn sie nur für diese eine Aktion 400 Seiten weit mitgeschleppt wurde.
Mit den Holzhammerfiguren, der auf reine Dynamik hinkonstruierten Geschichte und den clever eingebundenen Themen, die ohne in die Tiefe zu gehen angerissen werden – von Emanzipation über Herrschaftssysteme hin zu Selbstbewußtsein und Erfüllung im Leben – kann man Elantris wohl ganz gut konsumieren, aber etwas Besonderes oder gar Subtiles fehlt dieser Klischeeparade, die sich liest, als hätte Brandon Sanderson einfach die Erfolgsformel für Fantasy-Romane abgearbeitet.

Elantris (deutsch) von Brandon SandersonElantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …

-Elantris war wunderschön. Früher einmal. Man nannte es die Stadt der Götter: Ein Ort voll Macht, strahlendem Glanz und Magie.-
Prolog

Zu Elantris liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Elric von Michael MoorcockIn The Dreaming City kehrt Elric als rechtmäßiger Thronanwärter in die letzte verbliebene Stadt des einst mächtigen Reiches von Melniboné zurück. Allerdings nicht um den Thron zu beanspruchen, sondern an der Spitze einer Seeräuberarmada und von Rachedurst getrieben. In While the Gods Laugh begibt sich Elric auf die Suche nach einem Buch der Alten Götter, um mehr über die Götter und sein Schicksal in der Welt zu erfahren. Dabei stellen sich ihm nicht nur allerhand phantastische Ungeheuer in den Weg, sondern er lernt auch seinen künftigen Side-kick Mondmatt (im Original Moonglum) von Elwher kennen. Rachsucht treibt den Prinzen von Melniboné in Stealer of Souls dazu, sich einem Komplott gegen den Händler Nikorn anzuschließen, denn dieser beherbergt einen Zauberer, mit dem Elric noch eine Rechnung zu begleichen hat. In Kings in Darkness begeben sich Elric und Mondmatt ins Reich der körperlich und geistig versehrten Orgians, wo sie sich auch noch mit Untoten herumschlagen müssen, dabei aber eine ganz besondere Bekanntschaft machen. In The Caravan of Forgotten Dreams wird Elrics lang ersehnter Friede durch eine sengende Barbarenhorde gestört, deren Anführer sich für einen mächtigen Zauberer hält. In Stormbringer schließlich entspinnt sich der alles entscheidende Kampf zwischen den Mächten der Ordnung und des Chaos.

-Then he realized that he and the sword were interdependent, for though he needed the blade, Stormbringer, parasitic, required a user – without a man to wield it, the blade was also powerless. ‘We must be bound to one another then,’ Elric murmured despairingly. ‘Bound by hell-forged chains and fate-haunted circumstance. […]’- S. 34

Elric von Melniboné ist wohl eine der bekanntesten Heldengestalten der Fantasy, kein Wunder also, dass ihm auch ein Band der Fantasy Masterworks-Reihe gewidmet ist. Ob dieser jedoch geeignet ist, den in den 1960er Jahren entstandenen Helden auch modernen LeserInnen nahezubringen? Der Sammelband umfasst dabei nicht sämtliche Erzählungen, in denen der Prinz von Melniboné eine Rolle spielt, liefert aber dessen ursprüngliche Geschichte. Elric vereint nämlich fünf Erzählungen, als da wären The Dreaming City, While the Gods Laugh, The Stealer of Souls, Kings in Darkness und The Caravan of Forgotten Dreams, sowie den Roman Stormbringer in sich. Dabei liefern die Erzählungen Vorwissen für Stormbringer, in dem Elrics Geschichte in einem großen Finale mündet, gleichzeitig ist in diesem „Kanon“ genug Spielraum für die später verfassten Abenteuer Elrics. Alle diese Geschichten rund um den schicksalsgeplagten Albino sind Anfang der 1960er Jahre entstanden, und man muss sagen, dass nicht alle gut gealtert sind. Hierbei sollte aber auch erwähnt werden, dass diese Erzählungen ursprünglich als Fortsetzungsgeschichten erschienen sind, woraus sich ihr manchmal etwas zergliederter und auch pulpiger Eindruck erklärt.

Eine Schwierigkeit, die sich bei vielen übermächtigen Helden ergibt und die auch Moorcock nicht immer ganz gelungen meistert, ist, wie man diesen vor erzählerisch spannende Probleme stellt. So schwanken Elrics Fähigkeiten eher dramaturgisch als logisch nachvollziehbar von Erzählung zu Erzählung, dabei sind seine übermächtigen Zauberfähigkeiten fast problematischer als seine Schwächen, denn während für letztere mit seiner körperlichen Abhängigkeit von Sturmbringer (im Original Stormbringer) eine immer wieder einsetzbare Erklärung vorhanden ist, bleibt der einmalige Einsatz mancher Fähigkeiten unerklärt.

Auch das Frauenbild ist eines, das zutiefst den historischen Umständen verpflichtet ist, denn in seinen Frauenbeziehungen erinnert Elric mehr an James T. Kirk als an eine tragische Heldenfigur, liegen ihm doch die wenigen Damen, die in den Geschichten eine Rolle spielen, stets zu Füßen. Ebenso verfällt ihm Zarozinia nach nur acht Seiten so sehr, dass sie Elric ehelichen will – nach einer Dialogszene und einer Liebesnacht …
Aber nicht nur die Frauen, auch die übrigen Figuren werden zumeist eher pragmatisch, das allerdings gekonnt, charakterisiert. Mondmatt etwa bleibt stets das willkommene Gegengewicht zum grüblerischen, selbstmitleidbeladenen Prinzen von Melniboné und bringt etwas Humor in die eher bedrückenden Geschichten.

Was Elric zu einem Klassiker der Fantasyliteratur gemacht hat, funktioniert allerdings auch heute noch, und das ist die Figur des Elric selbst. Denn ihn zeichnen an sich weder seine Kampf- und Zauberfertigkeiten noch seine Frauengeschichten besonders aus, sondern sein Außenseiterdasein und sein Potenzial zum Antipathieträger. Körperlich schwach ist er abhängig von seinem schwarzen Runenschwert Sturmbringer, das ihm jedoch nicht nur Kampf- und Zauberkraft verleiht, sondern auch (bösartig) in seine Geschicke eingreift. Diese ambivalente Beziehung spielt in jeder der enthaltenen Erzählungen eine prominente Rolle und wird gelungen in Stormbringer beendet. Das Hadern mit seinem eigenen Schicksal und der (Un-)Ordnung der Welt, sein Hang zum Rachedurst sowie zur Theatralik (auch in Sachen Selbstmitleid) machen ihn zu einer spannend gebrochenen Heldenfigur. Gleichzeitig weist er auch schon beinahe liebenswert banale Schwächen (Höhenangst) und Schrulligkeiten auf.
Auch der Weltenbau ist voller interessanter Aspekte und atmosphärisch-archaischer Szenen und Schauplätze. Gerade in Stormbringer entfaltet sich das Potential der Figur Elric und seiner Welt, das in den Erzählungen nicht immer ganz zum Vorschein kam, voll. Ein größerer Handlungsrahmen, mehr Figurenzeichnung und ein gelungenes Finale entschädigen für so manche Schwäche auf den vorangegangenen Seiten.

Elrics Abenteuer bieten also keinen gänzlich ungetrübten Genuss, die genrehistorische Bedeutung dieser Heldenfigur wird aber dort, wo ihr etwas mehr Raum neben actionorientierten Abenteuern zugestanden wird, offenbar und kann euch heute noch ihre Wirkung entfalten.

The Elves and the Otterskin von Elizabeth H. BoyerEher aus Unbedarftheit als aus bösem Willen töten einige unfähige Elfenspione im Zwergenreich einen Fischotter, mit dem es mehr auf sich hat als auf den ersten Blick zu erkennen. Wenn sie das Wergeld, das der Zwergenkönig von ihnen fordert, nicht binnen kürzester Frist auftreiben, droht ein Krieg zwischen Zwergen und Elfen, und genau darauf baut der intrigante Nekromant Lorimer, der gern selbst die Macht im Zwergenreich übernehmen würde. Den Elfen bleibt nur die Hoffnung, rasch den Schatz des Drachen Fafnir an sich zu bringen. Doch Fafnir kann nur mit einem magischen Schwert erschlagen werden, und als dessen neuer Träger ist ausgerechnet der wenig heldenhafte Zauberlehrling Ivarr ausersehen …

– Second sons of poor fishermen always got the short shrift, Ivarr reflected darkly as the old cart rattled and jerked along. The horse pulling it was much older than he was, and the cart itself was certainly from the first landing on Skarpsey long ago. Ivarr glanced sideways at the owner of these relics and summed her up as the oldest and most sinister-looking woman he had ever seen – even barring the fact that she was the famous witch of Hvitafell. –
Chapter One

Ein Held wider Willen, der zusammen mit einem Zauberer und einem Trupp nur bedingt abenteuertauglicher Angehöriger eines Fantasyvolks auszieht, um einem Drachen einen Schatz abzujagen, an dem auch Dritte viel Interesse haben? Für passionierte Fantasyleser ist es sicher gar keine Frage, von welchem Buch da die Rede ist, und obwohl man ohne viel Mühe auch noch gewisse Parallelen zu Gollum oder Gandalfs Kampf mit dem Balrog aufspüren kann, greift der Vergleich mit Tolkien zu kurz, um The Elves and the Otterskin zu beschreiben.

Was Boyer bietet, ist vielmehr eine ganz eigene Mischung aus einer augenscheinlich auf fundierten Kenntnissen basierenden Interpretation altnordischer Mythologie und Slapstickhumor, der nicht selten an Klamauk grenzt. Dabei hätten die einzelnen Elemente, die in den Roman Eingang finden, durchaus reichlich Gelegenheit geboten, sich in Dramatik und Düsternis zu ergehen: Der Schurke Lorimer ist wortwörtlich eine wandelnde Moorleiche und hält sich den wiederbelebten Kopf eines toten Gegners als Ratgeber, Mord, Totschlag und Verzauberung sind allgegenwärtig, und der eindrucksvoll geschilderte Handlungsort Skarpsey erinnert mit seinen dünn besiedelten Gebirgen und Lavafeldern an ein phantastisches Island, das auch als Kulisse für eine weniger heitere Geschichte getaugt hätte.

In gewissem Maße ist es erfrischend, solche sonst oft ganz anders verwendeten Zutaten jeglichen Pathos’ entkleidet zu sehen, und besonders, wenn man einige Vorkenntnisse der Sagen, die Boyer verarbeitet hat, mitbringt, kann man sich sehr darüber amüsieren, was hier etwa aus Andvari und seinem Fluch, Ottar, Regin und Fafnir oder sogar dem Konzept der Fylgja wird. Auch die titelgebenden Elfen selbst bieten (mit Ausnahme des enigmatischen Eilifir) nicht gerade das, was man aus Mythologie und Fantasy von ihnen zu erwarten gewohnt ist, sondern glänzen über weite Strecken vor allem durch Inkompetenz und Streitigkeiten untereinander.

Doch dieser Humor ist ein zweischneidiges Schwert, und das nicht nur, weil er manchmal etwas zu bemüht wirkt – er untergräbt auch, und das wohl größtenteils unfreiwillig, die Wirksamkeit derjenigen literarischen Motive, die im Rahmen der Handlung ihren ganz klassischen Zweck erfüllen sollen, wie etwa das des Drachenkampfs. Gerade hier drängt sich der Vergleich zum Hobbit dann doch wieder auf, denn während es Tolkien trotz aller zum Schmunzeln anregenden Momente gelingt, Smaug glaubhaft als bedrohlich zu schildern, kann man Boyers altersschwachen Fafnir beim besten Willen nicht ganz ernstnehmen (und wenn man es doch tut, packt einen vor allem das Mitleid).

Als rite de passage für Ivarr und seine Kumpane taugen die durch den Kakao gezogenen Ereignisse allenfalls bedingt, so dass es einem schwerfällt, die durchaus ein gewisses Heranreifen umfassende Charakterentwicklung der Protagonisten und den bist zuletzt überwiegend farcehaften Plot miteinander in Einklang zu bringen. Doch obwohl die Mischung aus konventioneller Queste und Veralberung somit keine auf allen Ebenen befriedigende Auflösung erfährt, bildet sie streckenweise eine vergnügliche Lektüre, die an ihren besten Stellen beweist, wie frei und fabulierfreudig ein mit seinen Inspirationsquellen gut vertrauter Autor scheinbar Altbekanntes umdeuten kann, in anderen Szenen aber wiederum die möglichen Tücken eines solchen Vorgehens erkennen lässt.

Cover von Das Erbe des Zauberers von Terry Pratchett Der Zauberer Drum Billet hat nur noch sechs Minuten zu leben. Wie bei Zauberern so üblich, möchte er seine Zauberkunst vor seinem Ableben auf einen Nachfolger übertragen. Zauberer kann aber nur der achte Sohn eines achten Sohnes werden. Da trifft es sich gut, daß die Frau des Schmiedes gerade mit dem achten Kind in den Wehen liegt. Drum überträgt seine Kraft auf das Neugeborene, um d a n a c h festzustellen, daß das Kleine ein Mädchen ist. Als Eskarina acht Jahre alt ist, beginnt die Magie mächtig in ihr zu wirken und sie will Zauberer werden, aber eine Frau als Zauberer hat die Scheibenwelt noch nie gesehen und Eskarina muß sich mit Hilfe von Oma Wetterwachs gegen eine Menge Vorurteile durchsetzen…

-In der folgenden Geschichte geht es um Magie, wohin sie verschwindet – und was vielleicht noch wichtiger ist – woher sie kommt.-

Das Erbe des Zauberers (Equal Rites) gehört zu den schwächeren Scheibenweltromanen. Es ist allerdings das erste Buch, das die Bezeichnung “Roman” verdient hat; es ist klar strukturiert und besitzt eine durchgehende, nachvollziehbare Handlung. Insofern ist es besser als die ersten beiden Scheibenweltbände. Falls sich je ein Literaturwissenschaftler auf diese Seiten verirren sollte, der eine Parodie auf den klassischen Entwicklungsroman sucht, dann ist er mit diesem Buch bestens bedient.

Leser, die einfach nur Terry Pratchett kennenlernen wollen, sollten mit einem anderen Scheibenweltroman beginnen. Man hat den Eindruck, daß Pratchett immer noch dabei ist, sich warmzuschreiben. Sein genialer Sprachwitz zeigt sich hier nur in wenigen Passagen, über weite Strecken ist das Buch nicht so komisch, wie man es gewohnt ist, einige Kalauer sind ganz daneben gegangen. Es gibt auch weniger realitätsbezogene satirische Seitenhiebe als sonst, die gehören aber zu den gelungenen Passagen des Buches.

Obwohl Eskarina auf ihrem Weg zur Unsichtbaren Universität Gefahren ausgesetzt ist, sind diese nicht so spannend geschildert, daß die fehlende Komik wettgemacht würde. So hangelt sich der Leser von einem der im Roman verstreuten Höhepunkte zum anderen und hofft, daß die Geschichte an Dynamik gewinnt, aber über weite Strecken dümpelt sie nur vor sich hin. Es ist schade, daß Terry Pratchett ein gutes Thema auf diese Weise verschenkt hat.

Cover von Eric von Terry PratchettEric Thursley wünscht sich drei Dinge. Er möchte die Herrschaft über die Königreiche der Welt, er will der schönsten Frau aller Zeiten begegnen und er möchte ewig leben. Also versucht er einen Dämon zu beschwören, der ihm diese drei Wünsche erfüllt. Statt eines Dämons erscheint jedoch der Zauberer Rincewind und damit geht wieder einmal alles schief, was schief gehen kann.

-Tods Bienen sind groß und schwarz, summen dumpf und unheilvoll.-

Diese Parodie auf Goethes Faust ist Pratchett weitaus weniger gelungen als die Shakespeare-Parodie in MacBest. Anstatt sich auf Faust I zu beschränken, der schon im Original neben der Gretchentragödie auch viele witzige Stellen aufweist, z.B. wenn Mephistopheles auf Marthe Schwerdtlein trifft, bezieht Pratchett sich u.a. mit der Helena-Episode auf den viel schwerer zu verstehenden und stark philosophischen Faust II, den selbst die meisten Deutschen nicht gelesen haben dürften. Wenn Pratchett aber die Ilias und die Odyssee parodieren wollte, hätte er sich den Umweg über “Faust” sparen können und statt des trojanischen Krieges samt hölzernem Pferd lohnendere Motive aus der griechischen Sagenwelt wählen können. Angeboten hätte sich z.B. die Geschichte, in der Circe die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt. Auch die Wortspiele zünden nicht so wie in anderen Scheibenweltromanen.

Für die Statistik: Pratchett macht nicht nur Anleihen bei “Faust” und den alten Griechen, er bezieht sich auch auf die Azteken, auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel und er zeigt, daß die Hölle eine bürokratische Behörde ist.

Da das Buch mit 154 Seiten relativ dünn ausgefallen ist, regt sich der Verdacht, daß Pratchett mit “Eric” nur einen einigermaßen einleuchtenden Vorwand gesucht hat, um Rincewind aus der Zwischenwelt zurückzuholen in die er in “Der Zauberhut” geraten ist. Dazu kann man einen Dämonenbeschwörer wie Faust natürlich gut gebrauchen. Allerdings hat er damit ein lohnendes Thema weit unter Wert verschenkt.

The Face in the Frost von John BellairsDie beiden kauzigen Zauberer Prospero und Roger Bacon leben in verschiedenen Königreichen, sind jedoch durch eine langjährige Freundschaft verbunden. Eigentlich genießen die beiden alten Herren viel lieber das Leben statt sich mit der Bedrohung der Welt zu befassen. Doch da sich bereits dunkle Schatten in seiner Gartenidylle breit machen und unheimliche Wesen durch den Keller schleichen, können sie nicht lange warten und müssen all ihre Talente einsetzen um den schaurigen Ereignissen Einhalt zu gebieten.

– Several centuries (or so) ago, in a country whose name doesn’t matter, there was a tall, skinny, straggly-bearded old wizard named Prospero, and not the one you are thinking of, either. –
One

Zeit für klassische Fantasy? – Aber gerne!
The Face in the Frost (Das Gesicht im Eis) bietet all das, was den ursprünglichen Kern der Fantasy ausmacht. Alte Zauberer mit spitzem Hut, eine Kutsche aus Kohlrabi, ein gesprächiger Spiegel, unerhört lebendige Umhänge, die einem im dunklen Keller auflauern, und etliches mehr sind hier ganz normal. Wer nun eine Kindergeschichte wittert, liegt damit aber nicht ganz richtig und täte dem Buch unrecht. The Face in the Frost ist dank seiner schrulligen Protagonisten und einem unverkrampften Worldbuildung sehr humorvoll, bietet darüber hinaus aber auch Themen, die eher Stoff für Erwachsene sind. Intrige, Mord, politische Konflikte und die Folgen begangener Fehler in der Vergangenheit kommen hier in verlässlicher Regelmäßigkeit zum Zuge.

Dieses dünne Büchlein vermag es, seine Leser recht schnell in den Bann zuziehen. Die beiden alten Zauberer sind ein herrliches Duo und die erwähnten Artefakte und Szenen locken mit Leichtigkeit Lacher hervor.
Obwohl die Ideen in The Face in the Frost vielen Lesern vertraut vorkommen werden, ist dieser Roman keineswegs langweilig. Vielmehr sollte man es als den Klassiker betrachten, den es darstellt, mit den damals üblichen Stilmitteln eines Fantasyromans. Die Lektüre lohnt sich allemal, denn John Bellairs’ Erzählkunst schafft es ganz mühelos auf nur knapp 180 Seiten eine farbenprächtige Welt zu erschaffen, deren Atmosphäre sich sehr plastisch und lebendig vor dem geistigen Auge aufbaut.

Für jeden, der sich gerne einmal auf die Wurzeln des Genres zurückbesinnt und märchenhafte Atmosphäre sucht, die nicht gleich Kinderbuch bedeutet, ist dieser Roman daher eine klare Leseempfehlung. Auch Fans von Diana Wynne Jones dürften hier bestens beraten sein. Zu beachten wäre allerdings, dass das Buch sprachlich nichts für Englisch-Anfänger ist.

Illustrationen:
Die Originalausgabe aus den 80er Jahren wurde mit einfachen schwarzweißen Tuschezeichnungen bereichert. Wie es um die Neuauflage aus dem Jahr 2000 steht, ist uns leider nicht bekannt.
In Deutschland ist das Buch bisher nur als Sammlerausgabe bei Edition Phantasia erschienen – mit aufwendiger Aufmachung und farbigen Illustrationen. Eine ausführliche Beschreibung und Bildbeispiele findet ihr im Blog-Artikel zur deutschen Ausgabe (Buch des Monats im April 2011).

Die Fernen Lande von David Anthony DurhamAuf den Krieg gegen die Mein sind einige Jahre des friedlichen Wiederaufbaus gefolgt, doch nun brechen für die Geschwister Akaran erneut turbulente Zeiten an: Soziale Unruhen bedrohen den Zusammenhalt des Reichs, das zudem von Dürreperioden und rätselhaften, magisch veränderten Kreaturen heimgesucht wird. Die Fernen Lande, in die seit Jahren Kindersklaven aus Acacia verkauft werden, sind da noch die geringste Sorge der Herrscherfamilie. Doch als sich dem jüngsten Bruder, Dariel, überraschend die Möglichkeit bietet, eine Reise dorthin zu unternehmen, erweist sich, dass die Entwicklungen jenseits des Meeres für Acacia weit bedrohlicher werden könnten als alle inneren Wirren …

– Als der Balbara-Wächter seinen Warnschrei ausstieß, sprang Prinzessin Mena Akaran augenblicklich von ihrem Feldstuhl auf. Eilig verließ sie den Kreis, in dem sie mit ihren Offizieren gesessen hatte, und rannte zum Grat hinauf. Oben angekommen trat sie zu dem scharfäugigen jungen Mann, spähte seinen schlanken, braunen Arm entlang und über seinen deutenden Finger hinaus auf die karge Weite im Zentrum von Talay. Es dauerte einen Moment, bis sie erblickte, was er ausgemacht hatte. –
(Kapitel 1)

Der zweite Roman aus David Anthony Durhams Reihe Acacia ist ein würdiger Nachfolger des ersten Bandes Macht und Verrat (The War With the Mein), lässt sich aber zunächst recht gemächlich an. Die ersten hundert Seiten benötigt der Autor, um seine Figuren in Position zu bringen, doch dann gewinnt der Reigen aus Machtspielen und tödlichen Gefahren deutlich an Schwung. Positiv fällt auf, dass Die Fernen Lande (The Other Lands) kein inhaltsleerer Übergangsband ist, sondern die Geschichte tatsächlich voranbringt. So wird etwa die zu Beginn der Serie aufgeworfene Frage nach dem Schicksal der in die Fremde geschickten Kindersklaven beantwortet, das sich als noch verstörender erweist, als man hätte vermuten können, und es ergeben sich neue politische Konstellationen.

Ein wenig tappt Durham dabei in die Falle, ein bewährtes bedrohliches Element in gesteigerter Form wiederaufzuwärmen. Ohnehin wird die lenkende Hand des Autors an manchen Stellen sichtbarer, als es nötig wäre: Die Abenteuer, denen sich die Akarans stellen müssen, wirken ein bisschen zu sehr auf ihre jeweiligen Begabungen zugeschnitten, und die Häufung günstiger Zufälle, die es dem neu eingeführten Unsympathen Delivegu gestattet, immer genau das herauszufinden, was er erfahren muss, um den Plot voranzubringen, überschreitet irgendwann ein realistisches Maß.

Dafür entschädigen einen jedoch überzeugendere Handlungsstränge (wie etwa die in ihrer Schlichtheit anrührende Queste des Kriegers Kelis) und die weiterhin sehr differenzierte, eindringliche Charakterisierung der einzelnen Personen, allen voran der glaubhaft ambivalenten Corinn.

Wie schon im ersten Band wagt Durham sich an durchaus tiefgründige philosophische Fragestellungen, darunter auch an ein Thema, das sonst in der Fantasy kaum jemals auf so breiter Front erörtert wird: Die Elternschaft. Ob sich eine Herrscherin zur Fruchtbarkeit spendenden Landesmutter stilisiert oder das Verhältnis verschiedenster Figuren zu ihren leiblichen oder angenommenen Kindern beleuchtet wird, ob Nachkommen in ihrer Rolle als Erben und Hoffnungsträger erscheinen, als Geiseln dienen oder gar ihr Verlust zu beklagen ist, ob schließlich Kinderlosigkeit bewusst gewählt oder als Fluch empfunden wird – kaum eine zentrale Gestalt kommt umhin, sich in irgendeiner Form mit ihrer (potentiellen) Elternrolle auseinanderzusetzen.

Subtiler, aber nicht weniger allgegenwärtig, scheint in all den Intrigen, Kämpfen und Sinnsuchen immer wieder der Bereich menschlicher Selbsteinschätzung auf, konfrontiert und bisweilen kontrastiert mit der nach außen hin betriebenen Selbstdarstellung. Von völliger Hybris (mit teilweise dramatischen Konsequenzen) bis hin zur aufrichtigen Bereitschaft, sich vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse selbst infrage zu stellen, sind so gut wie alle Spielarten vertreten. Anders als auf der reinen Handlungsebene macht Durham es sich und seinen Charakteren dabei nicht leicht. So bleibt man als Leser nicht nur aufgrund des ebenso offenen wie überraschenden Endes nachdenklich und mit mehr Fragen als Antworten zurück.

Dem alles in allem überdurchschnittlichen Roman wäre eine adäquate sprachliche Umsetzung zu wünschen gewesen. In die Übersetzung haben sich aber leider zahlreiche Tipp- und Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen, besonders bei Eigennamen (ob eine Figur nun „Paddel“ oder „Baddel“ heißt, ist mir z.B. bis zum Schluss nicht ganz klar geworden – beide Varianten sind vielfach vertreten). Daneben finden sich manche Formulierungen, die in ihrer engen Anlehnung ans Englische im Deutschen umständlich oder ungebräuchlich wirken (so etwa die Aufforderung Lasst eure Schwerter!). Das ist man von dem sonst so versierten Tim Straetmann eigentlich nicht gewohnt, und so kann man nur annehmen, dass es bei Redaktion und Korrektur des Texts zu Pannen gekommen ist. Schade!

Feuertaufe von Andrzej SapkowskiNach der Revolte der Zauberer auf der Insel Thanedd ist die halbe Welt dem Chaos verfallen. Nilfgaard überzieht die nördlichen Königreiche mit Krieg, und auch auf die Anderlinge wird weiterhin erbarmungslos Jagd gemacht.
Geralt ist dank der Hilfe der Dryaden halbwegs von seinen Verletzungen genesen und versucht um jeden Preis, nach Nilfgaard zu gelangen, wo er Ciri vermutet. Er weiß nicht, dass die Verlobung des Nilfgaarder Kaisers mit ihr nur eine Farce ist…
Auf seinem Weg gerät er gemeinsam mit Rittersporn und der Bogenschützin Milva zwischen die Fronten des Krieges, erhält jedoch auch von unerwarteter Seite Unterstützung bei seiner Suche.

-“Ich meine nur, dass dieses Mädchen… dass sie nicht gefunden worden ist, weil sie spurlos verschwunden ist, wie diese Zauberer… Verzeih mir.”-
Das erste Kapitel

Nachdem im vorherigen Band sehr viele politische Intrigen gesponnen und Kriege vorbereitet wurden, erlebt Geralt in Feuertaufe (Chrzest ognia) nun die Folgen dieser Machtspiele. Die Handlung kommt erheblich schneller voran, es gibt wieder mehr Actionszenen und weniger undurchschaubare Dialoge. Das soll jedoch nicht heißen, dass Feuertaufe zu einem reinen Abenteuer-Spektakel verkommt.
Sapkowski schafft es immer wieder, in die kleinsten Dialoge Philosophie einzubringen. Auch die Art und Weise, in der er Bezug nimmt auf Probleme unserer realen Welt, ist beispielhaft.
Selten hat ein Fantasy-Roman den Eskapismus-Vorwurf weniger verdient; es werden Themen wie die Ausgrenzung Andersartiger, Gruppenzwang und Abtreibung verarbeitet. Selbst die Überfischung der Meere bringt Sapkowski ein, ohne dass es den Lesefluss oder die Atmosphäre der Welt zerstören würde.

Der Autor ist außerdem ein Profi, was den Umgang mit verschiedenen sprachlichen Niveaus angeht. Diese setzt er sehr geschickt ein, um die Personen zu charakterisieren oder einen komischen Effekt zu erzielen. Selbst an Stellen, wo man es nicht erwartet hätte, schafft er es, dem Leser ein Schmunzeln zu entlocken und die insgesamt sehr düstere Atmosphäre aufzulockern.
Der Roman profitiert davon, dass Geralt wieder stärker im Vordergrund steht. Der Hexer ist nun einmal die zentrale Figur der Reihe, und die Aufteilung der Handlung auf zu viele Schauplätze im Vorband hat das Lesevergnügen leicht geschmälert. Die neuen Charaktere seiner Truppe fügen sich wunderbar ein und haben alle so ihre Eigenarten. Lediglich Milvas Motivation, den Hexer zu begleiten, ist anfangs rätselhaft.
Durch die große Sympathie, die man als Leser für jeden einzelnen der Charaktere entwickelt, ist das Buch auch wieder emotional packend. So unwahrscheinlich es zu diesem Zeitpunkt der Handlung auch scheint, wünscht man sich doch ein irgendwie geartetes Happy End.

Zum Schluss ist jedoch noch eine kurze Warnung angebracht: Vorkenntnisse aus den vorherigen Romanen und teilweise auch aus den zwei Kurzgeschichtenbänden sind für den Lesegenuss unbedingt nötig, ich selbst musste an mehreren Stellen nochmal nachblättern, worum genau es dort eigentlich ging. Eine Karte der nördlichen Königreiche wäre auch sehr hilfreich, ist allerdings nur im Internet zu dem Computerspiel zu finden.
Insgesamt ist Feuertaufe für mich der bisher beste Roman aus der Geralt-Reihe. Er ist sehr spannend und bewegend, gleichzeitig regt er zum Nachdenken an, und das in einer sehr ausgewogenen Mischung. Bedingt durch die Handlung ist die Grundatmosphäre sehr düster und es gibt ein paar heftige Szenen – Krieg ist nun einmal grausam.
Fans von Geralt sollten auf ihre Kosten kommen, für den Einstieg in die Reihe ist das Buch ungeeignet.

Flammenbucht von Markolf HoffmannEs scheint, als werde der Kontinent Gharax innerhalb kürzester Zeit in Trümmer fallen, denn die Menschen haben den angreifenden Goldéi kaum etwas entgegenzusetzen. Im Gegenteil verfangen sie sich in ihren eigenen Intrigen – Bürgerkriege und Machtgerangel sind an der Tagesordnung. Die geheime Sekte der Mondjünger verfolgt ebenso wie die Priester der Kirche Tathrils eigene Pläne. Hinter alledem steht eine uralte Schuld und ein uralter Zwist, ein Geflecht aus Lügen, das keiner der Beteiligten zu durchschauen vermag. Im Mittelpunkt stehen die Quellen, die den Zauberern jahrhundertelang magische Macht verliehen haben, und um die nun ein langwieriger Kampf entbrennt.

-Ist jede Stadt, von Menschenhand errichtet, dem Untergang geweiht? Kündigt sich, wenn Stein auf Stein geschichtet und Balken auf Balken gezimmert wird, bereits die Stunde an, in der dieses Bauwerk sein gewaltsames Ende findet, in der ein Feuersturm die Mauern zermürbt und zum Einsturz bringt?-
Prolog

Als Markolf Hoffmann die LeserInnen nach Gharax zurückkehren lässt, ist das Zeitalter der Wandlung voll im Gange. Der direkte Einstieg in die komplexe Geschichte ist nach einer längeren Pause ein wenig haarig, wird aber von einem exzellenten Prolog versüßt, der einem schnell die Vergangenheits- und Gegenwarts-Handlung nahebringt. In dieser Erzählung darüber, wie Städte fielen und wie Städte fallen, treten bereits die beiden großen Stärken des Autors zutage: Das kunstvolle Verflechten einzelner Handlungsstränge zu einem größeren Ganzen und eine Sprache, die nicht vor Experimenten zurückscheut.
Es ist ein feines Gespinst, das Markolf Hoffmann hier präsentiert. Schnell bemerkt man, dass im ersten Band die Figuren lediglich ins Spiel gebracht und an ihren Platz manövriert wurden, und dass das Drama nun erst richtig in Fahrt kommt. Immer wieder gibt es Überraschungen, Ereignisse, die einander bedingen oder beeinflussen, ohne dass man es geahnt hätte, und die Flammenbucht weniger zu einer linearen Aneinanderreihung von Szenen als zu einem dicht verwobenen Gesamtkunstwerk machen, dessen Ausmaße und Wechselwirkungen dem Leser erst nach und nach bewusst werden.

Zusätzlich kann man auch noch auf der ganzen Länge des Buches in schöner Sprache schwelgen. Hoffmann erzählt teils sehr poetisch und in schönen Bildern – er verliert sich aber nie darin, so dass ein dichter Erzählstil und die Spannung erhalten bleiben. Obwohl viel älterer, ungebräuchlicher Wortschatz verwendet wird, klingt es niemals anachronistisch, sondern wirkt an einigen Stellen durchaus experimentell. Mit dieser Mischung meistert Hoffmann sowohl Kampf- als auch Liebesszenen und hat Zugang zu epischer Breite, aber auch schwankartiger Komik.
Dass man nun mitunter auch herzlich lachen kann, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Das Zeitalter der Wandlung weiterhin eine kühle Distanz zu den LeserInnen wahrt. Mancher Protagonist offenbart im zweiten Band menschlichere Züge, aber auch Flammenbucht bleibt ein sprödes, nicht ganz ohne Mühen zugängliches Buch.

Falls nun der Eindruck entstanden ist, Flammenbucht wäre ein allzu vergeistigtes Vergnügen, kann allerdings Entwarnung gegeben werden. Bei aller Kunstfertigkeit und Experimentierfreude ist Markolf Hoffmann ein guter Geschichtenerzähler, der es versteht, Einzelschicksale mit den Fährnissen einer ganzen Welt zu verknüpfen. Es ergeben sich im Laufe der Handlung etliche Bilder vom großen Zusammenhang, und viel Spannung wird aus der Spekulation gezogen, was nun wirklich auf Gharax vor sich geht.

Flesh and Spirit von Carol BergValen, ein Magier, der seit Jahren seiner Familie und den Häschern entflieht, die entlaufene „Reinblütige“ jagen – wird nach einer Schlacht vor den Mauern des Klosters Gillarine schwer verletzt zurückgelassen. Die Mönche retten Valen und gewähren ihm Asyl. Valen verschweigt allerdings seine magischen Fähigkeiten und eine damit einhergehende Erkrankung, die ihn in eine Abhängigkeit von den Nivat-Samen getrieben hat. Der Krieg der drei Prinzen um das Land Navronne macht aber auch vor den Klostermauern nicht halt, und Valens Buch, das er von seinem Großvater geerbt hat und das ins Land der Engel führen soll, scheint dabei eine Rolle zu spielen.

-On my seventh birthday, my father swore, for the first of many times, that I would die face down in a cesspool.-
Chapter 1

Flesh and Spirit steht und fällt damit, ob man sich mit dem Protagonisten anfreunden kann oder nicht. Wie andere Romane von Berg ist es vor allem eine Charaktergeschichte, und Valen, Ich-Erzähler und unfreiwilliges Zentrum der Handlung, ist anfangs keine Identifikationsfigur und niemand, den man auf Anhieb mögen wird.
Anders als Seyonne (aus den Rai-Kirah-Romanen) oder Seri und Karon (aus der Bridge of D’Arnath-Reihe) ist Valen keinesfalls ein Held – und er entwickelt auch kaum heldenhafte Züge. Er ist ein Opportunist (anfangs auf eine liebenswert-lustige Art, später, wenn sein Opportunismus hauptsächlich auf seine von einem masochistischen Ritual geprägte Drogenabhängigkeit zielt, weniger einnehmend). Gegen Ende des Romans zeichnet sich ein Charakterwandel ab, aber nahezu auf der ganzen Strecke hat er neben seiner persönlichen Freiheit nur wenige Prinzipien. Valen ist zwar ein nachvollziehbarer, aber keinesfalls ein positiver Charakter. Nebenfiguren, die sich als Ersatz-Lieblinge anbieten, gibt es im ersten Band der Reihe nicht, was auch aus der wieder sehr gelungenen Ich-Perspektive resultiert.
Die Nebenfiguren sind abgesehen davon typisch für Berg (und daher möglicherweise auch leicht zu durchschauen): Wie in jedem ihrer bisherigen Romane gibt es wieder Böse, die sich als ganz nette Zeitgenossen entpuppen, und besonders gute und freundliche, die dann doch gar keine so edlen Motive haben. Leider hat das inzwischen einen stereotypen Charakter.

Sprachlich ist der Roman etwas elaborierter als Bergs bisheriges Werk, und sowohl sprachlich wie inhaltlich wird es gleichzeitig auch derber. Ob dies an „grim & gritty“-Trends anknüpfen soll oder ein Zugeständnis an die mondäne Natur des Erzählers ist, sei dahingestellt.
Die Welt, beschränkt auf Navronne bzw. seine drei Provinzen, ist nur angezeichnet. Sie ist deutlich ans Mittelalter angelehnt, und zwar ein Mittelalter, in dem düstere Prophezeiungen vom Ende der Welt, Kälte, Dunkelheit, Hunger, Pest sich bewahrheiten. Die Aurellian, von denen die Magier abstammen, und ihre Sprache (oftmals Latein-Derrivate) und Errungenschaften (z.B. Aquädukte) lassen diese Anlehnung noch deutlicher scheinen.
Vor allem das Klosterleben wird detailreich und kompetent geschildert, und da zu Beginn ein Mord hinter den Klostermauern das spannungstreibende Moment ist, kommt einem durchaus Der Name der Rose in den Sinn.

Der Endzeitaspekt gewinnt im Verlauf der Handlung immer mehr Gewicht und trägt zur Atmosphäre von Flesh and Spirit bei. Treibende Kräfte sind die Entfremdung des Menschen von der Natur (durch Städte und die Kultivierung des Landes) und eine kultische Gruppe, die eine pervertierte Naturordnung aufbauen will. Anfangs entwickeln sich die Dinge langsam – ein widerspenstiger Protagonist muss neugierig gemacht und ins Zentrum der Handlung geschoben werden. Hier sind das Klosterleben, das Einfügen des Protagonisten, sein Versteckspiel mit den Magierhäschern und die wenigen Puzzlestücke für die Hauptgeschichte die Motoren der Handlung. Später verschiebt sich die Spannung etwas auf das Schicksal Navronnes, allerdings bleiben immer Valens persönliche Fährnisse und sein drogenbedingt unzuverlässiger Charakter das mitreißendste Moment.
Nach und nach gewinnt die für einen Zweiteiler recht komplexe Geschichte Zugkraft. Nachdem die Handlung einmal ins Laufen gekommen ist, manövriert die Autorin ihren Protagonisten geschickt von einem Dilemma ins nächste.

Zumindest im Zusammenspiel mit den restlichen Berg-Veröffentlichungen lässt sich aber eine gewisse Vorhersehbarkeit nicht leugnen, und der von Sucht und Selbsthass zerfressene Valen aalt sich unerfreulich lange in seinem Elend. Wer eher an Abenteuer und Abwechslung interessiert ist, wird vielleicht enttäuscht sein, dass sich die Geschichte doch ganz auf Valens Schicksal konzentriert und seine Anteilnahme an der restlichen Welt über weite Teile des Romans nicht groß ist. Die zauberhaften Aspekte der Welt, die durchaus vorhanden sind, zeigen sich in Flesh and Spirit erst spät und nur in Ansätzen und kommen erst im zweiten Band Breath and Bone zur Entfaltung.

Cover von Frostfeuer von Kai MeyerMaus lebt seit ihrer Geburt im Edelhotel Aurora in St. Petersburg, das sie noch nie verlassen hat. Alle anderen Bediensteten nennen sie den “Mädchenjungen”, weil sie sich schon immer als Junge gegeben hat, um im Hotel bleiben zu dürfen. Außer dem Eintänzer Kukuschka gibt es niemanden, an den sich Maus wenden kann. Besondere Angst hat sie vor dem “Rundenmann”, der jeden der Bediensteten kontrolliert. Sie ist als Schuhputzerin angestellt und stößt eines Abends auf ein seltsames Schuhpaar, das zu einer überirdisch schönen Dame gehört. Zur gleichen Zeit findet sich eine weitere ausgefallene Gestalt ein: Tamsin Spellwell, die mit ihrem blauen Haar und ihrem Temperament, das so wild ist wie ihre Kleidung, das Hotel auf den Kopf stellt.

-“Guten Tag, Väterchen Frost.” Der Mann blickte auf. Für einen Augenblick schwand sein Lächeln, weil jemand es wagte, ihn bei der Fütterung der Flocken zu stören. Dann aber erkannte er die Frau, die ihn angesprochen hatte. Sein Lächeln kehrte zurück. “Lady Spellwell?”, fragte er. “Tamsin Spellwell?” Eine Frau war aus dem Schneetreiben getreten wie ein kunterbuntes Gespenst.-
Das Kapitel, in dem die wahre Heldin dieser Erzählung noch gar nicht auftritt

Nach Venedig und der Karibik führt der nächste große Jugendroman von Kai Meyer nun nach St. Petersburg. Aber nicht die Stadt selbst bildet die Kulisse für die phantastische Geschichte, sondern das Hotel Aurora. Und dieses Hotel hat Kai Meyer zu einer eigenen Welt gemacht und bemerkenswerte Figuren darin angesiedelt. Das Russland der Zarenzeit zeigt sich in aller Pracht, die allerdings eine schäbige Rückseite hat: Überall finden sich versteckte Türen in einen toten Flügel des Hotels und in den Kellern gibt es Spalten und Nischen, die Maus ein Zuhause geben. Kukuschka und der Rundenmann sind wie der Gut- und Bösepol in Maus’ Leben – so lebhaft, fröhlich und fürsorglich der eine gestaltet ist, so grobschlächtig, kalt und bedrohlich wirkt der andere. Ihre wahren Identitäten sind von Anfang an fraglich; eine überraschende Klärung wartet am Ende der Geschichte. Die Schneekönigin und Tamsin bleiben in ihrer Persönlichkeit und Herkunft immer etwas unscharf, aber das unterstützt nur ihre wundersamen Erscheinungen. Vor allem Tamsin und ihre zaubertüchtigen Utensilien sind eine skurrile, schillernde Bereicherung der Geschichte. In typischer Meyer-Manier muss natürlich noch eine Passage eingebaut werden, die das Grauen auf die Spitze treibt: Was Maus in Tamsins Zylinder erlebt, ist nur den Hartgesottenen unter den Zwölfjährigen zuzumuten, für die das Buch laut Verlag schon geeignet ist. Im Laufe des Romans wird Maus auch mit ihrer größten Angst konfrontiert: Sie muss sich aus dem Hotel hinaus begeben. Ihre krankhafte Panik vor der Außenwelt wird so eindrucksvoll geschildert, dass man in den entsprechenden Szenen das Buch absolut nicht mehr aus der Hand legt. Und die begründete Angst, in den Himmel zu fallen, sobald man einen sicheren Innenraum verlässt, jagt wohl jedem einen Schauer über den Rücken, der sich das als Kind schon mal ausgemalt hat. Vor solchen Ideen sprudelt der Roman über – und wer immer gelacht hat, wenn Kinder sich unsichtbar zu machen versuchen, indem sie einfach ganz fest die Augen schließen, der sollte ihn dringend lesen!

Cover von Die fünfte Zauberin von Robert NewcombVor mehr als 300 Jahren entbrannte im Land Eutrakien ein grausamer Krieg zwischen Magiern und Zauberinnen. Die Zauberinnen wurden besiegt, die vier Rädelsführerinnen wurden auf dem Meer der flüsternden Stimmen ausgesetzt und einem ungewissen Schicksal überlassen. Seitdem herrscht Friede in Eutrakien. In wenigen Tagen wird Prinz Tristan dreißig Jahre alt und dann wird ihm Herrschaft übertragen werden. Tristan möchte aber viel lieber sein ungezwungenes Leben weiterführen. Als er von einem Ausritt in den Hartwick Wald nicht zurückkommt, machen sich der mächtige Magier Wigg und Tristans schwangere Zwillingsschwester Shailiha auf die Suche nach ihm. Was niemand am Hofe weiß: Eine fünfte mächtige Zauberin ist damals in Eutrakien zurückgeblieben…

-Die einst stolze Kriegsgaleone namens “Entschlossenheit” krängte wie betrunken auf der nächtlichen See.-
Prolog

Die fünfte Zauberin (The Fifth Sorceress)ist nichts für Romantiker und sensible Gemüter. Da werden Köpfe abgeschlagen, Blut spritzt in alle Himmelsrichtungen, Hirnmasse fließt, es gibt Gemetzel, in denen die wehrlosen Opfer abgeschlachtet werden und bis auf eine Ausnahme ist Sexualität ebenfalls mit Gewalt und Zwang verbunden. Das ist nicht das Horrorszenario nach dem es klingen mag, aber es ist ein konsequenter Gegenentwurf zu Fantasyromanen in denen zwar auch das Böse bekämpft wird, die aber dennoch Raum für romantische Liebesgeschichten, edle phantastische Geschöpfe wie Elfen oder Einhörner und beherzte, tapfere, aber eigentlich sanftmütige Heldinnen lassen. Hier gibt es nur zwei Kategorien von Frauen: Opfer und Täterinnen. Im Gegensatz zu den Magiern, die sich der weißen Magie verschrieben haben, die Operativa genannt wird, benutzen die Zauberinnen ausschließlich schwarze Magie, Destruktiva genannt. Dies hat fatale Auswirkungen auf ihren Charakter: Sie sind gnadenlos, sadistisch und kennen keine Skrupel, wenn es gilt, ihre Ziele zu verwirklichen. Das hat zur Folge, daß auch die Guten zu drastischen Maßnahmen greifen müssen. Robert Newcomb spinnt keine feinen Intrigen, sondern er läßt Gut und Böse auf sehr handfeste und bluttriefende Weise aufeinanderprallen. Dabei legt er durchaus einigen Einfallsreichtum an den Tag, vor allen Dingen, wenn es um die Schilderung phantastischer Geschöpfe der finsteren Art geht: Blutpirscher, Waruane und Berseker sind ausgesprochen unfreundliche Zeitgenossen, derer sich Tristan und Wigg erwehren müssen und die schlimmsten von allen sind mit fledermausartigen Flügeln ausgestattete, menschenähnliche Wesen, die im Original minions heißen, was ins Deutsche etwas unglücklich mit Helferlinge übersetzt wurde. Ihr Anführer Kluge ist ein gnadenloser Soldat, dem es Spaß macht, die grausamen Befehle der Zauberinnen auszuführen. So böse die Zauberinnen und ihr Gefolge sind, so gut sind Tristan und Wigg. Tristan wirkt am Anfang der Geschichte so gar nicht wie ein dreißigjähriger Mann, sondern eher wie ein unreifer Achtzehnjähriger, was sich im Verlauf der Handlung aber ändert. Tatsächlich ist er der einzige, der wirklich eine Entwicklung durchmacht. Die Charaktere der Protagonisten sind nicht sehr ausgefeilt, aber Tristan, Wigg, Faegan und Shailiha sind so geschildert, daß der Leser an ihrem Schicksal Anteil nimmt und man wissen will, wie es mit ihnen weitergeht. Trotz des altbekannten Gut-gegen-Böse-Schemas, bietet Newcomb dem Leser einige Überraschungen, die dann richtig gut sind, wenn sie nicht darin bestehen, daß ein neues Monster aus irgendeinem Busch bricht oder einer der Protagonisten plötzlich eine Rede hält über wichtige Dinge, die er bis dahin für sich behalten hat und die die Situation wenden.
Einige Stellen des Romans sind unfreiwillig komisch, etwas mehr (beabsichtigter) Humor hätte dem Roman gut getan, dafür hätte man gerne auf einige Folterszenen verzichten können. Und an einer Stelle muß man dem Autor mangelnde Sorgfalt vorwerfen: Als die Geschichte sich dem Ende zuneigt und Tristan und Wigg sich in einer prekären Lage befinden, weint der Magier und Tristan denkt bei sich, daß er den alten Mann noch nie weinen gesehen hat und dieser Tränenausbruch macht ihm bewußt, daß die Situation diesmal wirklich aussichtslos ist. Nicht nur Tristan, sondern auch dem Leser soll damit klar gemacht werden, wie tief die beiden in der Tinte sitzen, leider verpufft die Wirkung, wenn der Leser sich daran erinnert, was er auf Seite 283 gelesen hat:

Tristan konnte zwar ihre Worte nicht verstehen, sah aber, wie sich Wiggs Augen weiteten und ihm Tränen über die alten Wangen rannen.

Sprachlich ist das Buch in Ordnung, es gibt weder lobenswerte Höhepunkte, noch schwerwiegende verbale Abgründe. Einige Wendungen treten gehäuft auf, und mißglückt ist die Bezeichnung Direktorium für die Vereinigung der Magier, die so aber auch im Original zu finden ist, den Leser jedoch eher an eine Versammlung von Schulleitern oder an die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft denken läßt als an einen Zusammenschluß von Zauberern. Rat der Magier wäre hier passender gewesen. Außerdem stört der häufige Gebrauch der Längenangabe Inch, in einem deutschsprachigen Buch darf man ruhig in Zentimetern messen.

Die Furcht des Weisen von Patrick RothfussKvothe erzählt Chronicler und Bast ein weiteres Stück seiner wildbewegten Lebensgeschichte: Der Konflikt mit seinem in der Thronfolge ein wenig aufgerückten Dauerrivalen Ambrose führt an der Universität zu neuen Verwicklungen, die ein Urlaubssemester ratsam erscheinen lassen. Auf Empfehlung eines Bekannten will Kvothe die Zeit und seine musikalische Begabung nutzen, um einen mächtigen Adligen als Förderer zu gewinnen. Doch auf seiner Reise gerät er von einem Abenteuer ins nächste und sieht sich in seinen Nachforschungen über die Chandrian und den geheimnisvollen Orden der Amyr mit immer mehr Rätseln konfrontiert …

– Der Morgen nahte. Das Wirtshaus zum WEGSTEIN lag in Stille, und es war eine dreistimmige Stille. –
Prolog, Eine dreistimmige Stille

Zu Die Furcht des Weisen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Der Roman wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschen Bände Die Furcht des Weisen 1 und Die Furcht des Weisen 2.

Die Gefährtin des Lichts von N.K. Jemisin10 Jahre nach der Befreiung der Götter hat sich in Sky einiges verändert: durch den wachsenden Weltenbaum haben die Bewohner an dessen Fuße nicht mehr viel vom Sonnenlicht, weshalb das Viertel, in welchem die Heldin des Romans ihr Dasein fristet, kurzerhand in Shadow unbenannt wurde. Oree Shoth, eine blinde Maroneh, die mit dem Traum vom besseren Leben in die Stadt kam, verkauft billigen Tand an gütige Pilgerer und lebt davon mehr schlecht als recht. Gut, dass sie zum einen keineswegs so hilflos ist, wie es ihre Blindheit suggeriert, und zum anderen ist es ebenso hilfreich, einige Freunde unter den Godlings – den geringeren Götter – zu haben. Und Hilfe hat sie bitter nötig, als jemand damit beginnt, Godlings zu töten und sie bald selbst unter dringendem Verdacht steht.

– Es waren tausend Stimmen, die gleichzeitig erklangen. Das Lied war kaum hörbar. Sein Text bestand aus einem einzigen mächtigen Wort, das die ganze Welt mit seiner Kraft erschütterte. –
Prolog

Zu Die Gefährtin des Lichts liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Gesicht im EisDie beiden kauzigen Zauberer Prospero und Roger Bacon leben in verschiedenen Königreichen, sind jedoch durch eine langjährige Freundschaft verbunden. Eigentlich genießen die beiden alten Herren viel lieber das Leben statt sich mit der Bedrohung der Welt zu befassen. Doch da sich bereits dunkle Schatten in seiner Gartenidylle breit machen und unheimliche Wesen durch den Keller schleichen, können sie nicht lange warten und müssen all ihre Talente einsetzen um den schaurigen Ereignissen Einhalt zu gebieten.

– Schon vor mehreren Jahrhunderten (oder so) lebte in einem Land, dessen Name unerheblich ist, ein großer, dürrer alter Zauberer mit struppigem Bart, der Prospero hieß, aber nicht der, an den Sie jetzt denken. –
S. 15

Das Gesicht im Eis wurde als Buch des Monats ausführlich in der Bibliotheka Phantastika besprochen, dazu bitte hier entlang.
Außerdem liegt eine Rezension der Originalausgabe vor: The Face in the Frost.

Glass Dragons von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

-Even though the streets of Alberin were being lashed by a rainstorm and the wind was so strong that one could not walk through the gusts in a straight line, the two men who emerged from the mansion were relieved to be outside again.-
Prologue

Ganz ähnlich wie schon im ersten Band der Moonworlds Saga schickt Sean McMullen seine Helden in den Kampf gegen ein außer Kontrolle geratenes magisches Artefakt, dessen Schöpfer an die weitreichenden Folgen ihrer Arbeit keinen Gedanken verschwendet haben. Auch die schwer durchschaubaren Loyalitäten der Helden und ihre teilweise über weite Strecken geheimen Aufträge erinnern an den Vorgänger – von daher betreffen herausragende Neuerungen die Helden selbst. Während wohlbekannte Charaktere aus Voyage of the Shadowmoon als durchaus wichtige Nebenfiguren noch etliche Auftritte erhalten, stellt eine Riege von neuen Protagonisten das Herz und die Seele von Glass Dragons, auch wenn sie ganz bestimmt nicht Herz und Seele sind: Der gutherzige Andry Tennoner, ein einfach gestrickter Seemann, der das Beste aus sich machen will (falls er einmal nüchtern ist) und der intrigante Hofmusiker Wallas, bei dem es ein Euphemismus wäre, ihn als Egoisten zu bezeichnen, sind ein klassisches Slapstick-Duo: Das Schicksal zwingt sie zusammen, und sie lassen keine Gelgenheit aus, sich anzukeifen, auszutricksen, zu schmähen und einander am Erfolg zu hindern.
Besonders in Andrys Entwicklung hat der Autor viel Herzblut gesteckt, und an ihm offenbart sich auch die Eigenheit der Reihe, die man vermutlich entweder hassen oder lieben wird: Andry ist eine realistische, liebevoll gezeichnete Figur mit einer herzzerreißenden Geschichte, die aber von einem Satz zum nächsten zwischen zu Tränen rührend und reinstem Slapstick unter der Gürtellinie pendeln kann. Die gute Nachricht ist, dass McMullen das erzählen kann, ohne der Geschichte ihren tieferen Ernst zu nehmen, aber dennoch ist es gewöhnungsbedürftig, wenn ab und an Beziehungen oder Figuren in einem halben Satz abwürgt werden, weil ein Knalleffekt oder eine Kehrtwendung in der Handlung höheren Stellenwert haben.

Des weiteren gelingt es McMullen, auf den gut 500 Seiten wirklich viel Stoff unterzubringen, was nicht zuletzt an Verral selbst liegt, einer Welt mit einem Überschuß an Magie und einer Vielzahl an Fraktionen und Interessengruppen. Wie man schon im Vorgänger lesen konnte, ist die Magie auf Verral meistens von der megalomanischen Sorte, und der Autor scheut nicht davor zurück, Katastrophen nicht nur anzudrohen, sondern auch hereinbrechen zu lassen. Auch hier stehen schon allein in ihrem Ausmaß äußerst kaltschnäuzige Szenen neben liebenswerten Einschüben, wie etwa der pratchettesken Geschichte der Prostituierten Madame Jilli, deren Ableben eine Diskussion unter diversen Schicksalsmächten auslöst und die daraufhin zu einer resoluten eigenen Macht gelangt. Diese eigenartige Mischung aus turbulenten Szenen und einfühlsamen Charakterbeschreibungen ist gewiss nicht jedermanns Sache.

McMullen unterhält mit alledem aber so hervorragend, dass erst am Ende auffällt, wie zerfahren seine Geschichte eigentlich ist – es wurde im Laufe von Glass Dragons niemals richtig entschieden, ob der Fokus eher auf der weltumspannenden Queste oder den Geschichten der Figuren liegen soll, und da McMullen beides umgesetzt hat, ist die Struktur nicht ganz glatt, dafür aber vielschichtig und überraschend.

Neue Charaktere mit offenen Entwicklungen für den nächsten Band stehen am Ende auch bereit, womit die Moonworlds Saga als Reihe von locker zusammenhängenden, spektakulären Einzelabenteuern in einem aberwitzigen Setting bestens etabliert wäre.

Cover von The Golem's Eye von Jonathan StroudNach den Ereignissen um das Amulett von Samarkand sind zwei Jahre vergangen, zwei Jahre, in denen aus Nathaniel immer mehr John Mandrake, ein ehrgeiziger, gewissenloser Zauberer wurde. Er ist nun mit der Aufgabe betraut worden, die Resistance zu zerschlagen, aber Anhaltspunkte hat er wenige: Er war vor zwei Jahren Kitty, Stan und Fred begegnet. Dann aber richtet etwas Mächtiges großen Schaden in London an – die Verantwortlichen entscheiden, daß es in Mandrakes Ressort fällt, dieses aufzuklären. Aber auch die Resistance um Kitty steht vor einem großen Problem, denn die gegenwärtige Strategie ist ausgereizt. Da teilt ihr Anführer mit, er habe einen Plan, nach dessen Erfolg London in den Grundfesten erschüttert werden könnte…

-At dusk, the enemy lit their campfires one by one, in greater profusion than on any night before.-
Prologue. Prague, 1868

Das Geschehen in the Golem’s Eye (Das Auge des Golem) findet hauptsächlich in London statt, aber es gibt auch kurze Ausflüge nach Prag. Die Herrschaft des von einer Clique machtgieriger, arroganter und hartgesottener Zauberer kontrollierten Britischen Empire zeigt erste Risse: Die Yankees der nordamerikanischen Küste streben nach Unabhängigkeit, das vor 150 Jahren zerschmettere Tschechische Kaiserreich beginnt sich wieder zu rühren und daheim in London agiert die Resistance gegen das Diktat der Zauberer.

In vielen Punkten scheint es die Moderne zu sein: Die Zauberer fahren in dunklen Limousinen, lassen Fotokopien machen und fliegen mit Flugzeugen. Doch dann gibt es eigenartige Rückständigkeiten: Die Schiffahrt wird mit Windkraft betrieben, Soldaten tragen bunte, klimpernde Uniformen und benutzen keine vollautomatischen Waffen. Die Geschichte spielt zwar ausschließlich in Städten, aber ein Gefühl der Urbanität wird nicht vermittelt. Die magischen Elemente dominieren die Geschichte. Da sind die Zauberer, die von ihnen kontrollierten Dämonen, beide sprechen Zaubersprüche und die Mitglieder der Resistance, die alle eine gewisse Resistenz gegenüber Magie besitzen, haben häufig noch eine weitere magische Fähigkeit. Echte nicht-magische Leute und Gegenstände treten nur sehr am Rande auf und haben fast keine Bedeutung. Insgesamt bleibt unklar, welche Zaubersprüche nur Dämonen sprechen können und welche auch von Zauberern genutzt werden können. Dann ist nicht klar, was sich mit Zaubersprüchen alles anfangen läßt oder welche Dämonen über welche Fähigkeiten verfügen: Irgendein kleiner Foliot kann sich unsichtbar machen und Bartimaeus nicht – warum? An diesem Kritikpunkt hat sich also seit dem ersten Band nichts verändert.

Figuren treten zwar nur drei zentrale auf, doch daneben gibt es eine ganze Anzahl weiterer: Kittys Eltern, die anderen Mitglieder der Resistance, ein alter Freund, dann zahllose Zauberer aus den unterschiedlichen Ministerien und “Dämonen”. Einige haben allerdings so kurze Auftritte, daß man sich fragt, warum die überhaupt einen Namen erhalten haben. Vielfach neigen die Figuren leider dazu, sehr ähnliche Charaktere zu haben: Alle Zauberer sind machtgierig und gewissenlos, die meisten “Dämonen” neigen zu einer fatalistischen Sklavenhaltung. Interessant und gelungen dagegen sind die Gewöhnlichen (inklusive der Resistance), hier finden sich Kollaborateure, zögerliche Regimegegner und aktive Widerständische mit vielen unterschiedlichen Motivationen. Die drei zentralen Figuren sind Kitty, Nathaniel und Bartimaeus. Kitty ist seit drei Jahren ein Mitglied der Resistance. Zunächst will das Mädchen einfach nur Rache, aber langsam entsteht ein Einsehen, daß diese Haltung zu nicht viel führen wird. Nathaniel, der sich John Mandrake nennt um seinen wahren Namen zu schützen, ist der Assistent von Mr. Tallow, dem Vorsitzenden der Internen Angelegenheiten. Nathaniel will einerseits Rache für die Demütigung, die er vor zwei Jahren von der Resistance erlitten hatte, und andererseits mehr Macht. Auch wenn er mehr und mehr John Mandrake wird, ist da noch ein Rest vom idealistischen Nathaniel. Bartimaeus schließlich ist ein uralter Djinn, der mehr oder minder widerwillig die Befehle seines Meisters – Nathaniel – ausführt. Mit einem sarkastischen Kommentar ist er allerdings schnell bei der Hand.
Die Geschichte besteht aus zwei Plotsträngen, die nach und nach zusammengeführt werden – allerdings nicht so, wie man meinen könnte. In einem Strang geht Nathaniel den sonderbaren Geschehen in London nach und muß sich immer wieder Gedanken über die Resistance  machen. Dieser Strang erinnert an eine hardboiled Detektiv-Geschichte – nur nicht so “hard”. Nathaniel und Bartimaeus ziehen umher, sammeln Hinweise und geraten in gefährliche Situationen. Hinzu kommt noch ein bißchen Intrigengerangel und viel Korruption. Der andere Strang ist auf Kittys Entwicklung fokussiert – quasi eine Entwicklungsgeschichte. Hier werden ihre wichtigsten Erfahrungen geschildert – warum sie schlecht auf Zauberer zu sprechen ist, wie sie zur Resistance kam und wie sie bemerkte, daß es so nicht weitergeht, bis hin zum großen Coup – und was daraus wird. Hätte es nicht eine so starke Anbindung an die Politik und die Moderne, dann wäre diese Abenteuerhandlung klassischer Sword & Sorcery mit dem vielen Verstecken, Schleichen, Stehlen, Kämpfen und Flüchten sehr ähnlich.

Die Geschichte hat Schwächen am Anfang: Einiges wirkt zu gewollt; Bartimaeus kann man bei seinem schnellen Einknicken seine Wut kaum abnehmen, ausgerechnet Nathaniel soll die Resistance zur Strecke bringen, etc. Auch kommt die Geschichte nur langsam in Fahrt, erst nach knapp hundert Seiten geht es im Hauptplot voran, Kittys Vorgeschichte zieht sich sogar noch etwas länger hin. Dann aber wird es spannend und spannender, es gibt einige echte Überraschungen und ein Ende, das auf die Fortsetzung gespannt macht.
Die Geschichte ist der zweite Teil der Bartimaeus-Trilogie. Zwar ist sie im Großen und Ganzen abgeschlossen, doch es gibt auch einige Fäden, die aus dem ersten Teil stammen und einige Fäden, die noch am Ende offen bleiben.
Es werden drei Erzählperspektiven genutzt. Kittys und Nathaniels Kapitel werden jeweils aus der personalen Perspektive erzählt, Bartimaeus tritt dagegen als Ich-Erzähler auf. In Bartimaeus’ Kapiteln wird häufig von Fußnoten Gebrauch gemacht, um die unterschiedlichen Ebenen seines Denkens zu symbolisieren. Leider tendiert der Autor dazu Action-Szenen durch Fußnoten massiv an Geschwindigkeit – und damit an Spannung zu nehmen. Während seine Kapitel vor Ironie und Sarkasmus sprühen, sind die der beiden Anderen deutlich ernster. Die Sätze sind einigermaßen unauffällig und die Wortwahl ist immer treffend.

The Grimoire of the Lamb von Kevin HearneAls ein ägyptischer Hobbykoch den weiten Weg nach Arizona unternimmt, nur um ein uraltes Rezeptbuch aus Atticus Sammlung zu erwerben, ahnt der Druide bereits, dass hier etwas im Argen liegt, und lehnt den Verkauf ab. Sein Besucher erweist sich prompt auch als Hobbydieb und klaut Atticus das Buch vor der Nase weg. Grund genug, die Verfolgung aufzunehmen und eine Reise ins Land der Pharaonen zu anzutreten.

– People today think ancient Egypt was ineffably cool. I blame this misconception on hieroglyphics and (to a lesser extent) on the Bangles. –

Grimoire of the Lamb (IDC #0.4) ist ein Buch über ein Buch! Jawohl, liebe Leseratten, eine doppelte Versuchung! Einziger Wermutstropfen ist, dass diese neuerliche Kurzgeschichte nur als eBook erhältlich ist und nicht auf raschelndem Papier erscheint. Das tut dem genussvollen Inhalt aber keinen Abbruch, also auf in das nächste Abenteuer von Druide Atticus!

Wir sind zurück in Tempe, Arizona (pre-Hounded, dem ersten Band der Iron Druid Chronicles) und gleich vorweg: es ist nicht empfehlenswert, schon hier mit der Buchreihe einzusteigen, auch wenn es die chronologisch korrekte Abfolge wäre. Wie schon bei Hearnes anderen Kurzgeschichten fehlt es, ohne die Buchreihe nicht wenigstens teilweise schon zu kennen, an Hintergrundwissen beim Leser. Der Autor schreibt hier ganz klar für die Kenner seiner Bücher, nicht für Neueinsteiger.
Kenner der Iron Druid Chronicles werden schnell wieder in die neue Handlung hineingezogen. Das »Grimoire of the Lamb« enthält angeblich bloß ein paar harmlose Rezepte zur Zubereitung von Lamm, und als Atticus es seinerzeit selbst aus der Bibliothek in Alexandria stahl, geschah das doch nur aus Versehen. Komisch bloß, dass ca. zweitausend Jahre nach Atticus’ unrechtmäßigem Erwerb plötzlich ein wenig freundlicher Anhänger des ägyptischen Krokodilgottes derart großes Interesse dafür zeigt und sich das Buch zurück klaut. Schnell ist daher klar, dass es sich bei dem angeblichen Kochbuch in Wahrheit um eine der gefährlichsten Sammlungen blutiger Rituale handelt und Atticus die Verfolgung nach Ägypten aufnehmen muss.
Wie gewohnt geizt Autor Kevin Hearne nicht mit humorvollen Ideen, popkulturellen Zitaten, Anspielungen auf Film und Fernsehen und taucht in den Mythos der Pharaonen und alten ägyptischen Götter ein. Man fühlt sich ein wenig wie im Jäger des verlorenen Schatzes zu Gast, kreuzt die Klingen mit der Mumie, entdeckt Sarkophage, schleicht durch unterirdische Opferkammern und findet blutige Wahrheiten. Außerdem erfahren wir, wie sich eine Horde stalkender Katzen auf lautlosen Pfoten auf die Gesundheit auswirkt. Bücher stehlen zahlt sich ganz offensichtlich nicht aus, vor allem nicht, wenn die einstige Besitzerin Katzengöttin Bast ist und nur zu froh darüber scheint, den diebischen Druiden wieder auf ihrem Jagdgrund zu wissen.
In Grimoire of the Lamb sind eine Menge hin und her gestohlener Bücher im Umlauf, und das sorgt für die ein oder andere zusätzliche Ironie.

Fans der Buchreihe um Atticus O´Sullivan werden Grimoire of the Lamb wieder in vollen Zügen genießen können, obwohl einem die später eingeführten Figuren doch deutlich fehlen. Außerdem scheint Hearne in seinen Kurzgeschichten etwas mehr Freiheiten zu haben als bei den Romanen, vielleicht ist es aber auch nur Zufall, dass Grimoire of the Lamb blutiger, böser und insgesamt weniger »entschärft« wirkt. Wartet man gerade ungeduldig auf die Veröffentlichung des nächsten Bandes, so kommt einem die Kurzgeschichte mehr als recht und sollte nicht auf dem Leseplan ausgespart bleiben.

Cover von Herr der Ratten von Mary GentleIn der gewaltigen Metropole, die Das Herz der Welt genannt wird, brodelt es. Die Menschen leben unterdrückt von den Rattenlords, sie werden aber wegen ihrer Handwerks-Mysterien benötigt, denn deren Strukturen prägen die Welt. Doch die Anhänger des Hauses Salomon um den Meister-Bauer Falke wollen nicht länger Tempel für andere bauen und die Verschwörer um den Priester Plessiez wollen den Rattenkönig von der weltlichen Herrschaft der Dekane, den 36 Inkarnationen des Göttlich-Dämonischen, befreien. In diese Verschwörungen hinein gerät der junge Lucas, ein Student an der Universität des Verbrechens, der sich prompt in die ältere Frau Weiße Krähe verliebt, eine Schüler-Soldatin des Unsichtbaren Kollegs. Wer hält schlussendlich die Fäden in der Hand?

-Heiseres Geschrei tönte über den Platz vor der Kathedrale, wo die Menge darauf wartete, ein Schwein hängen zu sehen.-
1

Das Herz der Welt ist eine monströse Stadt, die sich bis an den Horizont erstreckt – die Zahl der Einwohner läßt sich nicht einmal schätzen. In und unter der Stadt spielt sich das ganze Geschehen der Geschichte ab. Auch wenn vieles an die Renaissance erinnert, wie Rapiere, Musketen, Kutschen und architektonische Kunstwerke, gibt es doch auch viele andere Details, wie Luftschiffe, Fotoapparate, Mikrophone samt Lautsprecheranlage sowie eine U-Bahn. Noch sonderbarer sind aber die Paradoxa; so gibt es fünf Himmelsrichtungen (Nord – West und Aust), die jeweils in einem 90° Winkel auf einem 360° Kreis liegen oder das merkwürdige Verhältnis von feststehendem Schicksal und beeinflußbarer Zukunft. Diese magischen Elemente, wie das Wirken von Magie insgesamt, sind der hermetischen Magia der Renaissance entliehen; Talismane, Tarot-Karten, astrologische Tabellen und insbesondere das Prinzip der Korrespondenz spielen eine große Rolle, Zauberstäbe und Feuerbälle keine.

Die Zahl der auftretenden Figuren ist überwältigend. Viele der Figuren sind umfassend gebildet oder sehr schlau, es gibt kaum einen einfachen Schlagtod oder Langfinger, auch wird ihnen kaum Raum zur Entfaltung zu gestanden. Dafür aber sind es keine geraden Typen, es ist keine Schönheit dabei, kein Muskelprotz oder hagerer Herrscher, sie alle sind ein wenig sonderbar und eigentümlich. Einigermaßen ungewöhnlich ist auch die schiere Zahl der starken Frauenfiguren, deutlich mehr als die Hälfte der aktiven Figuren sind weiblich.
Die Autorin erzählt eine Vielzahl von Geschichten, die einander überkreuzen. Die meisten davon sind in irgendeiner Form Verschwörungen. Im Kern stehen jedoch die Bemühungen von Plessiez und Falke den Status Quo endgültig zu verändern und Valentines Bemühungen das Ende der Welt zu verhindern. Aufgrund der zahlreichen Handlungsstränge wirkt die Geschichte sehr wirr, es scheint, als ob sich die Autorin selbst nicht immer im klaren sei, wohin die Reise gehen soll, denn mindestens ein Strang verläuft ins Leere.

Daß einige Figuren sehr spät eingeführt werden, die Paradoxa des Settings und die Tendenz der Autorin wenige Überblicksinformationen zu geben und die wenigen nur sehr beiläufig, macht das Verständnis nicht leichter. Hinzukommt, daß die Autorin gerne und ausführlich Details beschreibt – so sind die Kern-Plots nach etwa 600 Seiten abgeschlossen, aber es folgen noch ungefähr 70 Seiten. Dennoch ist die Geschichte interessant, einige Stränge sind sogar sehr spannend und die Auflösung um Valentines Strang ist sehr ungewöhnlich – kurzum: Es wird viel magisches, phantastisches und originelles geboten.
Auch wenn diese Geschichte Teil des White Crow Zyklus’ ist, sind kaum Anknüpfungspunkte zu den anderen Geschichten zu finden, selbst die zwei wiederkehrenden Charaktere – Valentine und Casaubon – verändern sich von Geschichte zu Geschichte.
Der Schreibstil ist dem Verlauf der Geschichte angemessen, denn die Autorin benutzt häufig mittellange Sätze, deren Duktus nicht immer leicht zu folgen ist. Die Wortwahl ist zumeist angemessen, so ist die Ausdrucksweise der Figuren bisweilen recht derb. Allerdings ist die Übersetzung nicht immer gut – Scholar-Soldier wird mit Schüler-Soldat übersetzt; “Gelehrter-Soldat” oder “Lehrer-Soldat” wäre treffender gewesen, am besten wäre es vielleicht den ersten Teil gar nicht zu übersetzen: Scholar-Soldat.
Das Titelbild ist bescheiden, aber dafür gibt es kommentierte Holzschnitte, die das Geschehen z. T. sehr treffend wiedergeben, aber in jedem Fall gut zur Gesamtstimmung passen.

Die Hetzjagd von Kevin HearneAtticus O’Sullivan, vermutlich der letzte echte Druide, hat die letzten 2000 Jahre damit zugebracht vor einem recht aufgebrachten keltischen Gott zu flüchten, dem er das magische Schwert Fragaragh – The Answerer entwendet hat. Nachdem sich der Druide in der Wüste Arizonas niedergelassen und einen okkulten Buchladen eröffnet hat, dauert es nicht lange, bis ebenjener Gott ihn aufspürt und dem Druiden das Leben schwer macht. Atticus wäre jedoch nicht Atticus, wenn er neben seinem Charme und seinem Sinn für Humor nicht auch ein paar ordentliche Kräfte zur Verteidigung hätte.

Zu Die Hetzjagd liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Hexed von Kevin HearneKaum hat sich Atticus von seiner letzten Auseinandersetzung erholt, wird er von einem tödlichen Fluch getroffen, als er sich gerade einen ruhigen Abend mit Vampir Leif auf der Veranda eingerichtet hat. Nur Atticus’ magischem Amulett ist es zu verdanken, dass der letzte Druide nicht sofort in Rauch aufgeht. Doch nicht nur dieser Angriff eines neuen Hexenzirkels hält Atticus auf Trab, es treibt sich auch ein gefallener Engel in Tempe herum, der gerne auf Teenagern herumkaut, und eine Horde lüsterner Töchter des Bacchus ist auf dem Weg, um die Stadt ins Chaos zu stürzen und die Macht an sich zu reißen.
So bleibt dem Druiden nichts anderes übrig, als eine schwierige Allianz zu knüpfen und ein paar mächtigen Gegnern kräftig in den Hintern zu treten.

– Turns out that when you kill a god, people want to talk to you. Paranormal insurance salesmen with special “godslayer” term life policies. Charlatans with “god-proof” armor and extraplanar safe houses for rent. But, most notably, other gods, who want to first congratulate you on your achievement, second warn you not to try such shenanigans on them, and finally suggest that you try to slay one of their rivals – purely as a shenanigan, of course. –
Kapitel 1, S.1

In Hexed, dem zweiten Teil der Iron Druid Chronicles, geht es im wahrsten Sinne des Wortes verhext zu. Atticus muss sich nicht nur mit dem örtlichen Hexenzirkel gut stellen, er muss sich auch gegen ein paar schlecht gelaunte und schlecht gekleidete deutsche Hexen verteidigen, die ihm so mir nichts dir nichts einen Fluch an den Hals jagen. Mehrfach. Genauer betrachtet hat es unser Schwerenöter insgesamt nicht leicht mit den Frauen. Nicht nur, dass die Versuchung überall lauert, ohne konkret zu werden, Hexen, Bacchantinnen und keltische Göttinnen scheinen es sich außerdem zum Ziel gesetzt zu haben, dem letzten Druiden möglichst viel Feuer unter dem Hintern zu machen, teilweise darf man das sogar wörtlich nehmen. Doch Atticus wäre nicht Atticus, wenn er dass nicht mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und druidischer Schlagkraft beantworten würde; und so wird die Fortsetzung dieser Buchreihe nicht nur konsequent und stimmig weitergeführt, sondern auch um noch mehr Lacher bereichert, als es schon in Hounded der Fall gewesen ist.

Sprecherziehung für altmodische Vampire, ein Wolfshund, der sich den Hippie Wavy Gravy zum Vorbild genommen hat, absolut nerdige Anspielungen auf eine Vielzahl bekannter Kult-Filme und -Bücher, richtig fiese Hexen, eine alte Witwe, die gerne mal einen Blick auf den entblößten Hintern unseres knackigen Druiden wirft, und wenn die Morrigan in ihrer Leidenschaft über Atticus herfällt, kann er einem fast schon Leid tun …
Die Charaktere in Hexed sorgen für ein turbulentes Lesevergnügen voller Sympathieträger, und auch Figuren, denen man gerne selbst mal einen beherzten Tritt verpassen würde.

Es gibt eigentlich fast nichts, was man an Hexed nicht mögen kann. Lediglich zwei kleinere Abzüge gibt es für wieder vorhandene Wiederholungen und die etwas gewöhnungsbedürftige Sache mit den deutschen Sätzen. Wobei letzteres natürlich nur deswegen so stark auffällt, weil man als deutschsprachiger Leser wohl ein extra scharfes Auge auf die betreffenden Sätze wirft. Meistens funktioniert es sogar fehlerfrei, doch wenn im Text z.B. immerzu von den “hexen” die Rede ist, dann kommt man nicht umhin sich eine Shift-Taste für Gedrucktes zu wünschen.
Ansonsten gibt es aber nichts zu bemängeln. Autor Kevin Hearne bleibt sich und seiner Buchreihe treu.

Wer sich mal wieder so richtig schön in Dialog- und Situations-Komik ergehen will und Gefallen am ersten Band gefunden hatte, der sollte auch bei Hexed beherzt zugreifen. Es ist wieder eine kurzweilige und unterhaltsame Geschichte mit Lachgarantie, die man schon allein wegen Oberons unschlagbar komischen Dialogen dringend weiterverfolgen muss.

Cover von Der Hexenturm von Kate Forsyth Die junge Hexe Isabeau wächst in einem abgelegenen Tal im Schatten der Drachenklaue auf, dem Berg der Drachen. Unter der Obhut ihrer mütterlichen Freundin Meghan lernt sie, mit den Tieren des Waldes zu reden und mit Hilfe der Kräuter zu zaubern. Doch die beiden Frauen leben in ständiger Gefahr, denn seit eine böse Königin den Herrscher von Eileanan in ihren Bann gezogen hat, sind Hexerei und Magie jeder Art streng verboten.

-Diese besagte Agnis Sampson wurde gefangen genommen und vor Seine Majestät den König und verschiedene schottische Adlige zum Haus Halicuid gebracht, wo sie streng vernommen wurde, aber alle Überzeugungskünste, die Seine Majestät der König und der Rat bei ihr anwandten, konnten sie nicht dazu bewegen, irgend etwas zu gestehen, sondern sie leugnete standhaft alles, was ihr vorgeworfen wurde, woraufhin sie ins Gefängnis gebracht wurde, wo sie solcherlei Marter erlitt, wie sie seit einiger Zeit für Hexen in Schottland vorgesehen sind.-
Dies ist eine Art Prolog

Das ist das erste Buch, bei dem der Rezensent ernsthaft überlegt hat, von der Redaktion dafür Schmerzensgeld zu verlangen, daß er bis zur letzten Seite des Buches durchgehalten hat.
Vor einigen Jahren ist in den englischsprachigen Ländern der Wicca-Kult wieder populär geworden und ganz offensichtlich zielt das Buch auf Leserinnen ab, die sich für diese Art von Hexen-Tradition interessieren. Selbst diesen kann man nicht mit guten Gewissen empfehlen, diesen Roman zu lesen.
Den ersten traurigen Tiefpunkt der Geschichte stellt die Beschreibung der Prüfung dar, die Isabeau an Lichtmeß ablegt. Diese Passage trieft nur so vor Kitsch. Die Hexen um Isabeau sind natürlich von Herzen gut und deshalb demonstrieren sie ständig, daß sie alle Tiere, Pflanzen und Elemente ganz schrecklich lieb haben. Würde die Autorin hier echte Naturverbundenheit schildern, wäre daran nichts auszusetzen, aber das gelingt ihr nicht. Die ganze Szene ist nicht nur kitschig, sondern wirkt auch noch albern als die junge Hexe entscheiden muß, welchen Samen sie aussäen soll und sie u.a. Haselstrauch wählt, weil er reich an Protein und lebenswichtigen Mineralien ist. Glaubt die Autorin wirklich, daß eine Hexe, die offensichtlich in einer dem Mittelalter ähnlichen Epoche lebt, so denkt wie eine ernährungsbewußte Hausfrau des 21.Jahrhunderts, die auf einen Werbespot für Frühstücksflocken hereingefallen ist? Als die Hexen später von Soldaten angegriffen werden, eilen die Tiere des Waldes herbei, um ihren Freunden zu helfen. Selbst die kleinen Häschen hoppeln den Angreifern zwischen den Beinen herum, um sie zum Stolpern zu bringen. In diesem unglaublichen, grausigen Stil ist der ganze Roman geschrieben. Von wirklicher Dreistigkeit zeugt es, den blinden Seher im Buch ausgerechnet Jorge zu nennen. Der blinde Jorge ist eine der Hauptfiguren in Umberto Ecos Meisterwerk Der Name der Rose. Und es kommt noch schlimmer. Da zu einem auf mehrere Bände angelegten Werk ein ordentlicher Cliffhanger gehört, damit der Leser auch die folgenden Teile kauft, endet das Buch mit einer widerlichen sexistischen Gewaltszene , die dieser Hommage an den schlechten Geschmack die Krone aufsetzt.

Cover von Hexenzauber von Terry BrooksRydall, der König von Marnhull, fordert Ben Holiday, der König von Landover ist, zu einem Kampf um Landover auf. Ben und seine Frau Willow entschließen sich dazu ihre Tochter Mistaya zusammen mit dem Hofzauberer Questor Thews und dem hundegestaltigen Abernathy zu Willows Vater, dem Flußherren, zu schicken. Doch unterwegs überfällt Nightshade die Reisenden und entführt Mistaya, während Questor und Abernathy in Bens alte Welt gelangen. Rydall entpuppt sich als Handlanger Nightshades: Er behauptet Mistaya in seiner Gewalt zu haben und zwingt so Ben dazu gegen seine Kämpfer anzutreten. Sollte es Bens Kämpen, dem Paladin, gelingen, alle sieben zu besiegen, so würde Rydall abziehen und Mistaya freilassen, wenn nicht…

-Eine Krähe mit roten Augen saß auf einem Ast in der gewaltigen, alten Eiche – dort, wo das Laub am dichtesten war – und blickte zu den Menschen hinab, die sich auf der sonnigen Lichtung zu einem Picknick versammelt hatten.-
Mistaya

Familie Holiday hat Nachwuchs bekommen: Tochter Mistaya erweitet den Kreis der üblichen Verdächtigen, außerdem kommen noch Rydall und Poggwydd, ein G’Heim Gnom, hinzu. Seine Rolle ist zwar ähnlich wie die von Filip und Sot, nämlich die Situation mit etwas Humor aufzulockern, aber deutlich weniger albern und dafür tragischer. Ein netter Ansatz, wenn auch nur in engen Grenzen ausgeschöpft.
Mistaya ist ein eigenartiges Wesen und schwer zu beurteilen – sicher, sie gibt kein glaubwürdiges Menschenkind ab, aber sie ist auch als Schote auf die Welt gekommen, wer das akzeptieren kann, kann (vielleicht) auch den Rest akzeptieren.
Mit Mistaya soll wohl das Erwachsenwerden und die Versuchung (durch den Teufel, die Dunkle Seite der Macht, Willenschwäche, oder welches Konzept auch immer der Leser dafür verantwortlich macht, wenn er sich nicht so verhält, wie er es sollte) thematisiert werden. Da die Versuchung aber nicht plastisch genug ist, bleibt dieses Unterfangen eher oberflächlich.
Nightshade (früher: Nachtschatten) ist dieses Mal ebenfalls eine zentrale Gestalt. Schön ist das Kapitel “Nightshades Geschichte” in dem sie Mistaya diese erzählt und damit Einblick in ihren Charakter gewährt, aber leider bleibt es dabei und so erhält man den Eindruck, der reduzierte Charakter der Wirrkästchen-Episode (vgl. Das Zauberlabyrinth) sei komplexer.
Ben Holiday ist die dritte zentrale Figur, doch hier ergibt sich wenig; es wird häufig erwähnt, daß der Paladin Ben brutalisiere, doch es scheint eher, als ob Ben den Paladin zivilisiere.

Generell läßt sich über die Charaktere sagen, daß Brooks beginnt, ihnen mehr Tiefe zu verleihen, sie aber immer eindimensional und vorhersehbar handeln läßt. Die aufgezeigten Schwächen bleiben immer ohne Wirkung.

Die Geschichte ist der Form nach an eine Queste angelehnt, verbunden mit Nightshades Rachefeldzug und den Versuchungen Mistayas und Abernathys. Insgesamt eher durchschnittlich, weder sind die Episoden besonders originell, noch handwerklich gut gelungen, stellenweise nicht einmal zur Gänze einleuchtend.
Einzig der Schreibstil Brooks hat sich etwas verbessert; die eigenartigen alltagssprachlichen Einwürfe bleiben zwar aus, aber ein Sprachmagier ist er immer noch nicht geworden.
Bemerkenswert ist noch das beinahe komplette Ausbleiben des Slapstick-Humors. Questors Zaubersprüche gelingen beinahe immer und scheitern nie auf alberne oder groteske Weise. Auch Poggwydds Auftritt ist erheblich ernster als die von Filip und Sot.
Die Übersetzung weist etliche Flüchtigkeitsfehler auf; da wird aus einer Anwesenheit eine Abwesenheit (S. 61) oder aus der Erdmutter eine Erbmutter (S. 97) etc. Die Namen werden wie im Zauberlabyrinth ‘übersetzt’ mit Ausnahme von Elderew, welches jetzt wieder Eldero (wie auf der Karte) heißt.
Hexenzauber ist zwar etwas besser als der direkte Vorgänger, aber weit von Königreich zu verkaufen oder Das schwarze Einhorn entfernt.

Hexenzorn von T.A. PrattMarla Mason, Oberhaupt der Magier der Stadt Felport, verschlägt es nach San Francisco, um dort an ein magisches Artefakt zu kommen. Es ist ihre einzige Möglichkeit, einen tödlichen Zauber zu kontern, den eine Konkurrentin für sie vorbereitet. Doch ihren Bekannten in San Francisco, den chinesischen Magier Lao Tsung, findet sie ermordet vor – Todesursache: Pfeilgiftfrosch. Das magische Artefakt ist weg. Marla, die notgezwungen den Fall lösen muss, taucht in die magische Community von San Francisco ein und kommt finsteren Plänen auf die Spur.

– Marla Mason kauerte in der Gasse neben der Buchhandlung »City Lights« und warf ihre Runen.
1

Zu Hexenzorn liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "The High Lord" von Trudi CanavanSonea hat viel in der Magiergilde gelernt und die anderen Novizen behandeln sie nun mit neidischem Respekt. Doch sie kann nicht vergessen, was sie im Kellerraum des High Lord gesehen hat und auch nicht die Warnung, dass der alte Feind des Reiches wieder an Macht gewinnt. Als Sonea mehr herausfindet, beginnt sie an den Worten ihres Gildenmeisters zu zweifeln. Könnte die Wahrheit wirklich so schrecklich sein, wie Akkarin behauptet, oder versucht er sie in seine dunklen Machenschaften hineinzuziehen?

-In ancient Kyralian poetry the moon is known as the Eye. When the Eye is wide open, its watchful presence deters evil – or encounters madness in those who do wrong under its gaze.-
Chapter 1 – The Message

Zum ersten Mal in der Trilogie steht mehr im Mittelpunkt als nur Soneas persönliches Schicksal. Schwere Entscheidungen liegen vor ihr, denn wenn Akkarin die Wahrheit sagt, dann ist ganz Kyralia in Gefahr.
Ein weiteres Mal beweist Trudi Canavan ihre Gabe, mit Charakteren umzugehen und so schafft sie es diesmal, auch dem bisher so düsteren und undurchschaubaren Akkarin eine gute Portion Menschlichkeit einzuhauchen.

Band drei beantwortet nicht nur alle Fragen, die sich in den ersten beiden Teilen ergaben, sondern auch einige neue und schließt letztendlich alle Handlungsfäden ab.
Allerdings scheinen nun auch das erste Mal Mängel in der Planung der Autorin erkennbar zu sein. So erfüllen manche der Objekte und Personen letztendlich anscheinend nur den Sinn, einige weitere Zeilen zu füllen, was sich auf das Buch als ganzes jedoch nicht negativ auszuwirken vermag.
The High Lord ist ein gelungener Abschluss der Trilogie, und da das Ende bis zuletzt ungewiss bleibt, verspricht der Roman Spannung bis zur letzten Seite.

Hounded von Kevin HearneAtticus O’Sullivan, vermutlich der letzte echte Druide, hat die letzten 2000 Jahre damit zugebracht vor einem recht aufgebrachten keltischen Gott zu flüchten, dem er das magische Schwert Fragaragh – The Answerer entwendet hat. Nachdem sich der Druide in der Wüste Arizonas niedergelassen und einen okkulten Buchladen eröffnet hat, dauert es nicht lange, bis ebenjener Gott ihn aufspürt und dem Druiden das Leben schwer macht. Atticus wäre jedoch nicht Atticus, wenn er neben seinem Charme und seinem Sinn für Humor nicht auch ein paar ordentliche Kräfte zur Verteidigung hätte.

– I have been around long enough to discount most superstitions for what they are: I was around when many of them began to take root, after all. But one superstition to which I happen to subscribe is that bad juju comes in threes. –
Kapitel 3, S. 24

2011 erschien mit Hounded (Die Hetzjagd) der erste Teil der Iron Druid Chronicles von Debütautor Kevin Hearne – und was für ein gelungenes und unterhaltsames Debüt er hier abgeliefert hat! Mit seinem Beitrag zur Urban Fantasy kommt frischer und gleichzeitig uralter Wind in das Genre, denn wir bewegen uns mit Druide Atticus O’Sullivan auf den Pfaden keltischer Mythologie. Die Gottheiten anderer Religionen und Kulturen werden am Rande ebenfalls erwähnt, einige davon kommen auch zu einem kurzen Auftritt. Ebenso dabei sind Menschen unterschiedlichster Herkunft. Polen, Russen, Iren, Inder, Dänen, Isländer, Indianer, Norweger, Mexikaner … und zur Freude aller ohne rassistische Vorurteile. Ähnlich erfreulich zeigen sich auch die Geschlechterrollen in Hounded, vornehmlich dadurch, dass es keine nennenswerten Unterschiede gibt. Im Fantasy-Genre heißt es gerne “Damals war das halt so”, womit ein überdominantes Rollenbild des Mannes und eine chronische Opferrolle der Frau in modernen Romanen und TV-Produktionen gerechtfertigt wird. Kevin Hearne scheint da andere Ansichten zu haben. Denn wie Atticus gleich zu Anfang betont, stammt er aus der Eisenzeit, wo man, anders als heute, auch als Mann besser kleine Brötchen backte und einer Frau mit ebensoviel Respekt begegnete wie einem Mann. Sonst konnte es passieren, dass man(n) ruckzuck durch weibliche Hand das Zeitliche segnete, denn die klischeehaften Rollenbilder von starkem und schwachem Geschlecht gab es zu seiner Zeit noch nicht (Gesetze gegen Selbstjustiz auch nicht). Auf diese Weise wird aus “Damals war das halt so” mal ein positives Argument statt einer billigen Ausrede und der Roman zu einer wirklich angenehmen Abwechslung.

Hounded ist auch sonst ein wunderbar gelungener Roman mit seinem Mix aus Moderne, Mythologie und Humor. Druide Atticus versteht es, gleichzeitig aus Star Wars und Shakespeare zu zitieren. Anders als in der ähnlich aufgebauten Buchreihe um den Magier Harry Dresden stellt die Technik für Atticus auch kein Problem dar – im Gegenteil. Er hat sich die Errungenschaften der Moderne zunutze gemacht, besitzt ein Mobiltelefon, führt einen Online-Shop, und in seinem okkulten Buchladen, wo er Heilkräuter mischt und magische Utensilien verkauft, ist eine Video-Überwachung angebracht. Kevin Hearne schafft es insgesamt sehr gut, unsere moderne Welt mit der alten, mythologischen Welt zu kombinieren ohne merkwürdige Ausflüchte finden zu müssen, um die Mystik zu bewahren. Hounded wirkt in sich rund, gegenwärtig und überzeugend. Man hat zu keiner Zeit das Gefühl, dass sich der Autor bemüht haben muss um bestimmte Details zusammen zu bringen.

In dieser sehr lebendig gezeichneten Welt existieren alle von Menschen erdachten Götter gleichzeitig. So kommt es, dass nicht nur eine Gottheit des Todes oder nur eine Gottheit der Liebe etc. herum streifen, sondern so viele davon, wie es verschiedene Religionen gibt. Hast du als charmanter Druide einen vorteilhaften Deal mit der keltischen Göttin des Todes abschließen können, schützt dich das noch lange nicht vor dem christlichen Tod … Erfreulicherweise ziehen es die meisten Götter vor, ihre Sphäre nicht zu verlassen – was zu herrlich absurden Momenten führt, wenn sie es doch einmal tun und feststellen müssen, dass sie nicht ganz auf dem aktuellen Stand der herrschenden Gepflogenheiten und Erfindungen sind. Die Gefahr, in einen Gott hineinzurennen, ist allerdings eher gering, zumindest solange, bis einer dieser Götter beschließt, sich ein Schwert zurückzuholen, das ihm vor verdammt langer Zeit abhanden gekommen ist – und damit plötzlich eine ganze Schar Gottheiten sich veranlasst sieht, dem letzten Druiden einen Besuch abzustatten.
Zu der Schar Götter gesellen sich außerdem auch noch Hexen, Ghoule, Vampire, Werwölfe, Riesen und ein paar Höllendämonen.

Die Gottheiten in Hounded sind besser mit Vorsicht zu genießen. Sie haben durchweg interessante Persönlichkeiten, die von undurchschaubar über listig bis hin zu soziopathisch reichen. Völlig egal wie menschlich die Götter einem ab und an dabei erscheinen, sie brauchen nur Sekunden, um zu beweisen, dass sie tickende Zeitbomben für den normalsterblichen Bürger sein können und eigentlich nur sich selbst im Kopf haben. Sie sind allerdings so naiv gleichgültig, dass man sie trotz einer harschen Urteilsweise als Leser ins Herz schließen muss.
Atticus dagegen, der einem mit seinen 2100 Jahren eigentlich auch schon göttlich vorkommen müsste, ist fest in der irdischen Welt verwurzelt, achtet als Druide die Natur, hat ein liebenswertes Wesen und kennt die Götter gut genug, um sie mit Respekt zu behandeln, ihnen aber auch auf recht lockere, freundschaftliche Art zu begegnen. Noch dazu ist er ein sexy Schwerenöter, lässt sich gerne mal von den keltischen Göttinnen sagen, wo der Hase lang läuft, und flirtet sich mit all seiner jugendlichen Ausstrahlung in die Herzen der Protagonistinnen und die der Leser, ohne dabei zum oberflächlichen Macho zu werden. Um seine Figur noch sympathischer zu machen, gesellt sich auch sein Sinn für Humor dazu, der am besten in Verbindung mit seinem liebsten Gesprächspartner, dem irischen Wolfshund Oberon, funktioniert. Oberon, dessen Instinkte sich im wesentlichen auf sein Fressen und französische Pudeldamen konzentrieren, ist einer der amüsantesten Charaktere dieses Buches. Im Team sind er und Atticus unschlagbar unterhaltsam.

Den einzigen Punktabzug, den man geben kann, gibt es dafür, dass sich der Autor gelegentlich wiederholt und seine Scherze manchmal ein wenig zu konstruiert wirken. Vermutlich ein Anfängerfehler, der jedoch nicht weiter ins Gewicht fällt bei der sonst so überzeugenden Arbeit, die er mit Hounded abgeliefert hat. Als abschließendes Urteil gilt daher: höchst empfehlenswert für jeden, der Urban Fantasy lesen möchte und ein Herz für keltische Mythologie hat.

Sprachlich ist Hounded eher den etwas geübteren Englisch-Lesern zu empfehlen. Das Vokabular besticht öfter durch weniger gängige Begriffe und die nicht wenigen Einsprengsel irischer Namen, Sprichwörter und Bezeichnungen könnten ungeübte Leser durchaus aus dem Lesefluss bringen. Mit verschriftlichtem Akzent ist ebenfalls zu rechnen. Im Vorwort gibt es allerdings auch ein paar Tips, wie die irischen Namen und Orte betont werden (wenn einen das interessiert) und eine kurze Erläuterung ihrer Bedeutung.

House of Many Ways von Diana Wynne JonesDie wohlerzogene und behütete Charmain ist zu Tode gelangweilt. Als sie das Haus ihres kranken Onkels hüten soll, packt sie daher die Gelegenheit beim Schopfe. Onkel William allerdings ist Zauberer, sein Haus ist magisch und Charmain versteht nichts von Magie und noch weniger davon, schmutziger Wäsche und dreckigem Geschirr Herr zu werden. Außerdem möchte sie nur eins: sich hinsetzen, ihre Bücher lesen und eines Tages in der königlichen Bibliothek arbeiten. Stattdessen muss sie entdecken, dass die richtige Drehung Badezimmer in Ställe verwandeln oder einen hoffnungslos verlorengehen lassen kann und dass Zauberlehrlinge, wütende Kobolde, missglückte Zaubersprüche und ein benachbarter Lubbock ausgesprochen nervtötend sein können.

– »What I do know is that she never has her nose out of a book, never does a hand’s turn in the house, and is treated like a sacred object by both her parents. It will do her good to do something normal for a change.«
»Oh, dear,« said Great-Uncle William. »Thank you for warning me. I shall take precautions, then.« –
Chapter One, In which Charmain is volunteered to look after a wizard’s house

Mit House of Many Ways ist Diana W. Jones wieder ein liebevoll geschriebenes Buch mit witzigen Ereignissen, Ideen und alten Bekannten gelungen. Es stellt den dritten und letzten Teil der lose verknüpften Reihe um Zauberer Howl dar. Wie auch bei Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) sei aber auch hier davor gewarnt, eine wirkliche Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers) zu erwarten. Erfreulich allerdings: House of Many Ways hat wieder deutlich mehr Schwung als Castle in the Air, auch wenn Sophie und Howl erneut nur als etwas blasse Nebenrollen in Erscheinung treten.
Wie die Vorgänger ist auch dieser dritte Teil wieder ein in sich abgeschlossenes Buch, welches eine völlig neue Geschichte erzählt. Man muss die beiden Vorgänger also nicht gelesen haben, für Neugierige, die gerne alle Details und Hintergründe kennen, ist es jedoch von Vorteil, wenigstens Howl’s Moving Castle vorab zu lesen.

Wie immer beweist die Autorin auch in diesem Roman ihren großen Ideenreichtum und ihre Liebe für kleine Details. Besonders erwähnenswert ist an dieser Stelle das titelgebende House of Many Ways, welches man getrost wörtlich nehmen kann. Die Idee, dass eine Tür in viele verschiedene Dimensionen, Richtungen oder Räume führen kann, kennt der vertraute Leser bereits aus Howl’s Moving Castle. Im vorliegenden Roman wird dieser magischen Tür und ihrem Potential deutlich größere Aufmerksamkeit zuteil. Hinter jeder Drehung wartet ein neuer spannender Raum, unentdeckte Gänge, Bewohner, von denen man noch nichts ahnte, und vieles mehr. Eine zauberhafte Idee mit vielen Wendungen und Entdeckungen.

Leider wird der Großteil dieser sehr schönen Ideen ein wenig von der etwas misslungenen Protagonistin Charmain getrübt, die (aufgewachsen in ihrer behüteten Welt) eine recht egoistische Denkweise entwickelt hat, und leider auch lernresistent und faul scheint. Es ist nicht ganz leicht, mit diesem Charakter warm zu werden und ihre zum Teil doch eher merkwürdigen Reaktionen nachzuvollziehen. Da die Protagonistin außerdem häufig gelangweilt ist, überträgt sich das Gefühl stellenweise auch auf den Leser. Gleichzeitig sorgt Charmains erziehungsbedingte Alltagsuntauglichkeit aber auch für unerwartete Situationskomik. Interessante Abwechslung zu diesem schwierigen Hauptcharakter bieten die Nebenrollen in Form von Peter dem Zauberlehrling, der sehr gegensätzliche Eigenschaften verkörpert, und einem ewig hungrigen Hund namens Waif.

House of many ways hat wie Castle in the Air mit dem Problem zu kämpfen, dass die Geschichte an zu vielen Stellen wie unter Zwang konstruiert und geplant wirkt, was auf Kosten einer stimmigen Atmosphäre und überzeugender Charaktere geht. Obwohl alle drei Bücher aus der Reihe ihre Stärken haben, bleibt Howl’s Moving Castle daher unangefochten der Spitzenreiter, an den auch House of Many Ways leider nicht herankommt.

Im Zeichen der Weide von Sharon ShinnDer junge, äußerst talentierte Magier Aubrey will seine Kenntnisse in der Zauberei vervollständigen und die Kunst des Gestaltwandelns erlernen. Sein Lehrmeister weigert sich allerdings, sie ihm beizubringen und verweist ihn an einen Meister dieser Disziplin.
Aubrey macht sich auf in die einsame Gegend mitten im Wald, die der berühmte Magier Glyrenden bewohnt – und trifft in dessen Haus auf allerlei seltsame Gestalten. Ihn fasziniert vor allem Glyrendens junge Frau, die ihren Mann offensichtlich haßt und dennoch an der Seite des charismatischen Magiers bleibt. Während Glyrenden Aubrey ausbildet, entdeckt dieser nach und nach das dunkle Geheimnis das Magiers.

Zu Im Zeichen der Weide liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Intrige der Kaiserin von Sarah ZettelBridget Lederle ist Leuchtturmwärterin. Als ein Boot in Seenot gerät, kann sie den in Not geratenen Mann retten. Valin Kalami stellt sich jedoch als Fremder heraus, als Magier aus einer anderen Welt namens Isavalta. Bridget, die in die Gesellschaft ihrer Heimat ohnehin schlecht integriert ist, entscheidet sich nach einigen Visionen, Valin nach Isavalta zurückzubegleiten. Aber sie geraten in einen Hinterhalt, Bridget wird von Feinden gefangen. Langsam muss sie das intrigenreiche Leben von Isavalta durchschauen und die ihr eigene Magie entdecken, um zu überleben.

-Lighthouse Point, Sand Island, Wisconsin. Um Mitternacht zwischen dem ersten und zweiten November des Jahres 1899 klappten Bridget Lederles Augen von selbst auf, was sie sofort hellwach werden ließ.-

Sarah Zettels Isavalta-Trilogie dürfte vor allem Leser ansprechen, die ein wenig Abwechslung von gewohnten Schemata des Genres suchen, aber trotzdem gerne klassische Fantasy-Geschichten lesen. Auch hier wird – wie schon so oft – ein Mensch aus unserer Welt als prophezeiter Retter in eine magiebetonte Paralellwelt geführt, aber dort entwickelt sich alles ganz anders, als man vielleicht erwartet.
Bridget Lederle, die Protagonistin, ist nicht als Figur konzipiert, die dem Leser den Einstieg in die fremde Welt erleichtern soll, weil sie aus unserer Welt dorthin geht – sie ist im Jahr 1899 Leuchtturmwärterin und auf den Kulturschock, den der Übergang von unserer technisierten Moderne in die Fantasy-Welt meist mit sich bringt, wurde größtenteils verzichtet. Auch wird die Heldin in ihrer neuen Heimat nicht als Retterin gefeiert, und sie verfügt auch nicht über die geeigneten Kräfte – im Gegenteil, sie versteht Sprache und Kultur von Isavalta nicht und ist den Begebenheiten dort hilflos ausgeliefert. Erst nach und nach entfaltet sich ihr Verständnis und ihre Magie, gleichzeitig hat sie eine Traumatisierung zu überwinden, die aus ihr eine unzugängliche, nicht immer verständlich agierende Frau macht, die sich in ihrer Heimat mehr schlecht als recht durchgeschlagen hat – sie ist also in keinster Weise eine Bilderbuchheldin, und es dauert, bis man sich mit ihr richtig angefreundet hat.

Auch die Paralellwelt weiß zu überraschen – kein mittelaltertümelnder Fantasy-Standard, sondern der Fokus liegt auf  einer Fantasy-Version vom zaristischen Rußland (Isavalta) und China und Indien (die beiden verfeindeten Nachbarreiche). Man trifft auf Märchenfiguren wie die Baba-Jaga und viele andere archaische Mächte, die Zettel geschickt in die Geschichte einflicht.
Im winterlichen Reich von Isavalta finden die Machtspiele allerdings vielfach auch hinter verschlossenen Türen statt: Jeder spielt seine eigenen Spielchen und im Netzwerk von Intrigen, in das Bridget als Außenstehende gerät, findet sie sich nicht leicht zurecht. Sogar die Mächte, die Gutes bezwecken wollen, müssen sich harter Mittel bedienen, und jeder Beteiligte in den Machtrangeleien hat eigene, für sich durchaus verständliche Motivationen. Es vergeht viel Zeit, bis Bridget versteht und eigene, nicht immer einfache Entscheidungen treffen kann. Die problembeladene Frau entwickelt nach und nach ihre eigene Form von Stärke, und sie ist nicht die einzige Figur, der von der Autorin so intensiv und stimmig geschildert wird; gerade bei einem Plot, der auf Manipulation beruht, ist das unverzichtbar.

Die Handlung verläuft ruhig und ohne große Actionszenen; die Auseinandersetzungen spielen sich im privaten und nicht im öffentlichen Bereich ab, und sind häufig durch die sehr interessante Magie gekennzeichnet: in Isavalta wird Magisches geknüpft oder gewoben – anhand von Zöpfen, Stoffsträngen und phantasievolleren Ingredienzien.
Allerdings dauert es eine Weile, bis man mit Bridget aus dem verklemmten amerikanischen Fischerstädtchen ins interessantere Isavalta fliehen kann. Und am Ende bleiben gerade wegen der komplexen konstruierten Handlung zu viele Fragen offen, relevante Details werden nur angedeutet, obwohl sie für die Handlung bestimmend sind, wie etwa die Geschehnisse in den Jugendtagen der Kaiserin.
Die Intrige der Kaiserin ist am besten, wenn es um die wohldurchdachten Einzelheiten und das stimmige, originelle Setting geht; Klischees wie eine platte Liebesgeschichte werden auf elegante Weise umschifft. Der Hintergrundplot dagegen kann nicht auf ganzer Linie überzeugen, tritt allerdings auch in der Bedeutung hinter die Entwicklung der Figuren zurück.

Ein Kind von Licht und Schatten von Guy Gavriel KayVon allen verlassen, gejagt, gehasst oder gefürchtet, begibt sich Darien, das Kind von Licht und Schatten, auf die Suche nach seiner Bestimmung. Doch für ihn gibt es im Webmuster Fionavars keinen Faden – und so muss er selbst entscheiden, welchen Weg er einschlagen möchte. Er ahnt, dass von seiner Entscheidung das Wohl und Wehe Fionavars und all seiner Bewohner abhängig sein wird. Kriege, Zweifel und Verrat lassen scheinbar keinen Platz für Hoffnung – doch noch immer streiten Kimberley, Jennifer, Dave und Paul für das Licht und wandeln dabei auf dunkelsten Pfaden.

Einen Augenblick später rannte er durch die Ebene, seine Geschwindigkeit war schneller, als die des Slaug jemals hätte sein können, er rannte so schnell er konnte nach Westen, vergessen war die Schlacht, der Krieg, fast vergessen.
Nach Westen, wo die Lichter brannten und jemand im Raum stand, in jenem Raum, der einst Lisen gehört hatte.
Teil I: Das letzte Kanior

Alle Fäden, die Autor Guy Gavriel Kay in den ersten beiden Bänden der Fionavar-Trilogie so meisterhaft wob, bilden in diesem letzten Buch endlich das finale Muster und lassen den Leser teilhaben am Ende der Geschichten von Dave, Kim, Paul und Jennifer. Mit den einfach bis anstrengend gestrickten Charakteren des ersten Bandes haben die Vier nicht mehr viel gemein: alle haben sich zu Persönlichkeiten weiterentwickelt, die durch phantastische Gaben und Fähigkeiten brillieren und sich durch Zweifel, Angst und Unsicherheit immer weiter wandeln. Und das ist auch bitter nötig: keiner zweifelt mehr an der Existenz von furchterregenden, göttlichen oder verdorbenen Gestalten, denn in mannigfaltiger Form begegnen sie den vier „Fremden“ in Fionavar immerzu; und man kann gestrost annehmen, dass es Dave nicht bis in den 3. Band geschafft hätte – wäre er nicht zu einem Anderen geworden. Die Charaktere sind die große Stärke von Kays Roman: sie bleiben menschlich, auch wenn sie mit Macht beladen sind, und sie sind einer ständigen Entwicklung unterworfen. Selbst Jaelle, die kalte Tochter der Göttin, kommt im Laufe der Handlung nicht umhin, sich selbst im Frage zu stellen und aufgrund neuer Selbsterkenntnisse weitreichende Konsequenzen zu ziehen.

Und so sind Entscheidungen und Veränderungen die beiden Motive, die sich wie rote Fäden durch das kunstvolle Bild Fionavars ziehen. Sind wir frei genug, um wahrhaftig eine Entscheidung zu treffen, oder ist selbst die Entscheidung vorgezeichnet? Mit dieser Frage nähert sich Kay einer uralten und zur gleichen Zeit sehr modernen Problematik: die Natur des freien Willens. Der Autor lässt seine Figuren die Frage mit einem entschiedenen „Ja!“ beantworten, wobei jedoch auch deutlich wird, dass die Abkehr vom Schicksalsglauben einen hohen Preis fordert. Und genau dies beeinflusst die Grundstimmung des Werkes entscheidend: keine Seite wird gewendet, ohne dass dem Leser unaussprechliche Traurigkeiten, tiefste Miseren und schwierigste Entscheidungen offenbar werden. Mit dem Gewicht vom Curdardhs Hammer drücken die Ungerechtigkeiten und Unfassbarkeiten auf das Gemüt eines jeden, der ihnen ausgesetzt ist – da geht es Figuren wie Lesern. Jede kleine Handlung ist derart mit Bedeutung angereichert, dass es dem Leser bald die Sprache verschlägt: wandelt denn niemand auf Fionavars Boden, der nicht reinkarniert oder seit tausend Jahren von Seelenschmerz gezeichnet ist? In diesem Band vernachlässigt Kay leider einen wichtiger Aspekt, der die beiden vorhergehenden Bücher auszeichnet: eine gewisse Leichtigkeit und eine Schönheit der Sprache, die nicht erdrückend wirkt.

Man kann es den Bewohnern Fionavar jedoch wahrlich nicht verübeln, dass ihnen der Spaß gründlich vergangen ist: im andauernden Schlachtgetümmel – auf den Felder Fionavars und im Inneren von hin- und hergerissenen Seelen – beschränkt sich sogar der schillernde Prinz Diarmuid auf lahme Scherze, die ihm der Leser nicht mehr so recht abnehmen mag.

Die Einflechtung der Arthussage erreicht in diesem Band ihren Höhepunkt sowie ihre überraschende Auflösung. Das Trio Guinevere, Lancelot und Arthus ficht, ungeachtet der allzu weltlichen Dinge wie Raum und Zeit, auf Fionavar seinen letzten Kampf aus, um der unsterblichen Liebe willen. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, weshalb in diesem fundamentalen Kampf zwischen Gut und Böse jedes Fass aufgemacht wird, dessen Bodensatz nach Pathos riecht. Scheinbar endlos wird die Liste der Traurigkeiten, will man sie alle aufzählen. Endlos ist jedoch nicht die Aufnahmefähigkeit des Lesers, und so kommt es, dass gebrochene Herzen zur Lesegewohnheit werden und humorige Passagen zum ungläubigen Zweimallesen anregen.

Was als Urteil allzu vernichtend klang, soll jedoch nicht als einziges Bewertungskriterium herangezogen werden. Für seine Geduld belohnt Kay den Leser mit feinfühlig und differenziert gezeichneten Figurenkonstellationen und ausdrucksstarker, sprachlicher Bildlichkeit. Und an Ideen mangelt es dem Autor wahrlich nicht: furchterregende, beeindruckende Wendungen in der Handlung lassen den Leser in eifriger Hast weiterlesen. Erwähnt seien hier die nächtliche Meerfahrt auf einem Schiff, dass bereits vor tausend Jahren sank, oder die Enthüllung des Geheimnisses vom Kristallsee – und der Gesang der Paraiko, der nicht nur die weißhaarige Kimberley tief berührt.

Trotz allem Ideenreichtums möchte ich Isaac Asimov mit seiner Bewertung „Tolkienesk“ zustimmen: einige Motive kommen dem geneigten Tolkianer sehr bekannt vor, sei es das entrückte Land im Westen oder das lichterfüllte Gründervolk, welches in raren friedlichen Zeiten den Abendstern huldigt. Kay interpretiert diese motivischen Traditionen jedoch oft in erstaunlicher oder erschreckender Art und Weise neu, sodass dem Leser viele neue Facetten eines Stoffes gewahr werden – so auch des Artusstoffes.

Zum Schluß kommen endlich auch Freunde der blutreichen Kampfszenen auf ihre Kosten; auf den letzten 50 Seiten entscheiden sich – oder enden – recht abrupt etliche Schicksale, die den Leser in tiefer Trauer zurücklassen. Doch nicht ohne Hoffnung: auf den letzten Seiten entwickelt sich erneut ein heiterer Unterton in der Erzählung, der das Abschiednehmen des Lesers von Fionavar und seinen Bewohnern von seiner allumfassenden Tragik und Dramatik zumindest für einen Moment befreit und damit versöhnlich stimmt – wenn man nicht vorher durch einen Tränenschleier gehindert wird, bis zum Ende der Geschichte zu lesen.

Cover des Buches "Der König auf Camelot" von T.H. WhiteDer König auf Camelot ist in vier Bücher unterteilt:
Das Schwert im Stein
erzählt davon, wie “Wart” als Ziehsohn Sir Ectors aufwächst. Wart ist nichts Besonderes und wenn er älter ist, soll er der Knappe von Kay, Sir Ectors vielversprechendem Sohn, werden. Aber erst einmal wird ein Hauslehrer für die beiden Jungen eingestellt: Merlin. Im Gegensatz zu Kay erhält Wart von Merlin noch eine zusätzliche, ungewöhnliche Ausbildung. Von Zeit zu Zeit verwandelt der Zauberer ihn in ein Tier.
Die Königin von Luft und Dunkelheit: Aus Wart ist mittlerweile König Arthur geworden. Während Arthur sich darüber den Kopf zerbricht, wie man herrscht, ohne seine Macht zu missbrauchen, wachsen auf Orkney Gawaine und seine drei Brüder heran. Ihre Mutter Morgause wird bald eine verhängnisvolle Rolle in König Arthurs Leben spielen.
Lancelot ist Der missratene Ritter. Das dritte Buch erzählt von seiner verbotenen Liebe zu Königin Ginevra. Arthur, der seinen besten Freund und seine Ehefrau nicht verlieren will, duldet die Beziehung stillschweigend.
Die Kerze im Wind
: Mordred, Gawaines Halbbruder, wird von Hass gegen König Arthur getrieben. Er benutzt Lancelots und Ginevras Affäre, um Arthur den Anspruch auf den Thron streitig zu machen.

-Montags, mittwochs und freitags gab es Gotische Kanzleischrift und Summulae Logicales, an den übrigen Wochentagen waren Organon, Repetition und Astrologie dran.-
Kapitel 1 Erstes Buch: Das Schwert im Stein

Es gibt Dinge, die den Rezensenten an Der König auf Camelot (The Once and Future King) gestört haben.
Besonders die ersten beiden Bücher wirken so, als hätte T.H. White Schwierigkeiten gehabt, sich zu entscheiden, was er denn nun eigentlich schreiben wollte:

Einen im wahrsten Sinn des Wortes zauberhaften Artusroman? Nachdem Merlin Wart im ersten Buch aus erzieherischen Gründen in alle möglichen Tiere verwandelt hat, spielt die Zauberei nur noch eine untergeordnete Rolle.

Eine Parodie auf den Ritterroman? König Pellinore spielt ein lustiges Spielchen mit dem gar nicht so furchtbaren Aventiure-Tier, endet später aber unerwartet tragisch.
Einen gesellschaftskritischen Schlüsselroman mit Gegenwartsbezug? T.H. Whites Statements gegen Krieg, Kommunismus und Nationalsozialismus sind aller Ehren wert, wirken aber plakativ und aufgesetzt. Die politischen Anspielungen werden holzhammerartig vorgebracht, als hätte White dem Leser nicht zugetraut, auch zwischen den Zeilen lesen zu können.
Außerdem bezieht sich der Autor mehrfach auf Malorys 1485 erschienenes Werk La Morte Darthur, in dem Artus als letzter Ritter stilisiert wird. White folgt Malory in dieser Darstellung, warum deshalb aber Arthur unbedingt ein Normanne sein muss, er die Geschichte ausdrücklich nach 1360 spielen lässt, anstatt sich zeitlich nicht festzulegen und warum Robin Hood/Wood mitsamt Lady Marian kurz und unmotiviert auftauchen, mit Wart ein Abenteuer erleben und dann wieder in der Versenkung verschwinden, hat sich dem Rezensenten nicht erschlossen. Auch in Fantasy-Romanen darf man als Leser ein Mindestmaß an innerer Logik und Stimmigkeit erwarten.

Das Buch Der missratene Ritter entschädigt dann aber für all die plakativ vorgetragenen Intensionen Whites. Da werden aus Figuren, die die Botschaft des Autors vermitteln sollen, plötzlich Menschen, die aufgrund ihrer Charakterschwächen und eines fragwürdigen Ehrenkodexes in Konflikte geraten, an denen sie letztlich scheitern.

Cover von Die Königin der Träume von Patricia A. McKillipAls Talis in einem versteckten Winkel der Zaubererschule von Chaumenard ein Buch mit magischen Anleitungen entdeckt, ahnt er noch nicht, dass es unberechenbare Kräfte in sich birgt. Als er dies erkennt, ist es zu spät und er ist bereits in den Bann der Königin des Waldes geraten, die ihn darum bittet, ihr bei der Suche nach ihren Angehörigen zu helfen, die vor zwanzig Jahren durch einen mächtigen Zauberbann in Talis’ Welt geraten sind …

-Er ließ die Feder fallen und stand auf. Bevor er sich bewegen konnte, hörte er im Nachbarzimmer Schritte auf ihn zukommen. Murehtrhekrev, sagte eine fremde Stimme. Und der Nachtjäger vom Jägerfeld stand auf der Schwelle.-
Kapitel 6

Als erstes: Punktabzug für die deutsche Übersetzung des Buchtitels. Die geht nämlich am Kern der Sache gründlich vorbei und die “Königin”, die hier gemeint ist, regiert mitnichten über irgendwelche Träume sondern über eine Art Feenreich, das durch die verquere Magie des Magiers Arun Wulf in eine andere Welt “geknotet” wird. Hätte man dem Buch einfach den Titel “Das Buch des Arun Wulf”, also gleichsam die 1:1-Übersetzung des englischen Originals gegeben, wäre der Sache mehr gedient gewesen. – Denn genau darum geht es in dieser Geschichte: Um das “Magie-Lehr-Buch” von Arun Wulf, das ein dunkles Geheimnis in sich trägt … denn alle Zaubersprüche, die in diesem Buch aufgeschrieben wurden, gehen entweder “nach hinten los” oder es kommt etwas ganz anderes dabei heraus. Die Magie dieses Buches ist “verdreht” und warum das so ist, ist die Handlung der Geschichte, in der die “Königin” zwar eine tragende und wichtige, aber keineswegs die ausschließliche Hauptrolle spielt.
Die drei wichtigsten Personen im Buch sind der bebrillte Prinz Talis, des Reiches von Pelucir und Chaumenard mächtigster Magier Arun Wulf und eine Topfwäscherin namens Trawa, die schlussendlich eine Schlüsselposition in der Handlung einnimmt.

Das Buch dreht sich wieder um Patricia McKillips Lieblingsthema Magie: Hier ist die Handlung allerdings gleichsam in zwei Teile geteilt. Der eine Handlungsstrang befasst sich mit den Versuchen des Prinzen Talis mit dem Buch Arun Wulfs. Diese Teile des Romans sind in der für Patricia McKillip typischen, kryptischen Sprache verfasst, die ein wenig Mitdenken und Aufmerksamkeit erfordert.
Der andere Teil spielt sich in der Schlossküche von Pelucir ab, in der das einfache Volk zu Wort kommt. Hier wird getratscht und geschwatzt, gelästert und gestritten. Diese Teile sind eine Erholung im Handlungsablauf, denn sie sind, eben weil das einfache Volk hier die Bühne betritt, auch in einfacher, klarer Sprache geschrieben.

Diese beiden Handlungsstränge gehören zusammen, was man aber nicht gleich auf den ersten Blick bemerkt. Sie werden im Lauf des Romans immer weiter miteinander verwoben und man versteht immer mehr, wie eigentlich alles zusammengehört. Am Ende der Geschichte wird buchstäblich alles “Verstrickte” (Königreiche und Magie) aufgelöst und “verkehrt herum” wird wieder “richtig herum”, wenn auch zu einem hohen Preis …

Cover des Buches "Königreich zu verkaufen" von Terry BrooksDer verzweifelte Chicagoer Anwalt Ben Holiday erhält ein seltsames Angebot: Für 1.000.000 Dollar kann er das magische Königreich Landover kaufen und dort ein neues Leben als König beginnen. Dort angekommen stellt sich jedoch schnell heraus, dass es in Landover nicht zum Besten steht. Nachdem 20 Jahre lang die Könige im Fluge wechselten, haben sich die Untertanen vom Thron entfremdet, den Mächtigen des Reiches ist der neue König bestenfalls gleichgültig, schlimmstenfalls würden sie ihn gerne tot sehen. Die Magie, die Landover belebte, schwindet. Kann der König rechtzeitig das Rätsel lösen, das den magischen  Verteidiger, den Paladin, Landovers umgibt?

-Landover: Reich der Magie, Reich der Abenteuer, Heimat von Rittern und Knappen, Drachen und Edelfräulein, Zauberern und Hexen.-
Ben: Aus der Annouce des Rosen Weihnachts-Wunschbuch

Das Königreich Landover ist nicht besonders groß, mit dem Pferd kann man es in wenigen Tagen durchreiten. Um das Königreich herum liegen die Elfennebel, die einen gefährlichen Raum bilden, der Tore zu anderen Welten bietet.

In Landover sind die politischen Verhältnisse einfach, denn es gibt nur vier Völker und zwei weitere mächtige Wesen. Die Herren des Grünlandes sind relativ langweilig. Eine menschliche Feudalgesellschaft mit Rittern und Bauern. Geben sie sich auch offen und ehrlich, so sind sie doch intrigant und machtgierig. Einst bildeten sie das militärische und wirtschaftliche Rückgrat, heute zerfleischen sie sich selbst und nehmen die Verschmutzung der Flüsse in Kauf. Die Elfen des Seelandes sind ein Sammelsurium von sonderbaren Wesen, kaum zwei gleichen einander. Die Exilanten aus den Elfennebeln sind zufrieden, wenn sie ruhig und abgeschieden vom Rest der Welt in ihren Wäldern und Gewässern leben können. Die Trolle vom Melchor sind wilde Bergarbeiter und Waffenschmiede. Bleiben die G’Heim Gnome (engl.: “G’Home Gnome!”), ein diebisches Pack rattengesichtiger Hunde- und Katzenfresser, die von überall fortgejagt werden. Die Hexe Nachtschatten ist die Herrin über den Tiefen Schlund und der Drache Strabo macht nicht nur das Königreich unsicher.
Magie ist der zentrale Faktor in Landover: die Blaubonnie-Bäume, die auch die Ärmsten ernähren können; Burg Silberstein, der Sitz des Thrones, ein magisches Wesen, welches seinen Bewohnern – so lange die Magie fließt – stets volle Vorratskammern und eine starke Feste bietet; die schönen Regenblumen und schließlich der magische, unbezwingbare Paladin… Aber die Magie schwindet unaufhörlich aus Landover.

Doch lebt diese von Brooks erschaffene Welt von seinen bunten Figuren: Da ist Questor Thews, der inkompetente Hofzauberer, der nur gelegentlich die Magie beherrscht; der bierernste Hofschreiber Abernathy, ein Zyniker, halb-Mensch, halb-Weizenterrier dank eines misslungenem Zaubers; Weide, die wunderschöne Sylphe, die sich gelegentlich in einen Baum verwandelt; der Drache Strabo, der sich über den menschlichen Mangel an Quellenkritik zu Geschichten über Drachen beschwert; dieses sind nur ein paar der grotesken, nahezu karikierenden Ansammlung von Romanfiguren.

Der Plot in Königreich zu verkaufen (Magic Kingdom for Sale – Sold) ist allerdings nicht wirklich neu: Der Held muss eine magische Queste bestehen um die Welt vor einer Horde Dämonen zu retten. Dem Autoren gelingt es aber mittels überraschender Wendungen, die Geschichte immer spannend zu halten. Der Form nach ist es deutlich ein Bildungsroman – es geht in der Geschichte um Ben Holiday, der einen Platz in Landover suchen muss. So liegt der Schwerpunkt auf dem zwar nicht übermäßig glaubwürdigen aber doch interessanten Charakter des Anwalts und seiner Entwicklung von einem verzweifelten, depressiven, der Alkoholsucht nahen Stadtmenschen, der den Tod seiner Frau nicht verwunden hat, zum König von Landover, der sein altes Leben zwar nicht vergisst, das neue aber Schritt für Schritt annimmt. Dazu gehört auch die gelungene und überraschende Auflösung um den Paladin.
Je weiter die anderen Charaktere von Holiday entfernt sind, desto oberflächlicher bleiben sie auch für den Leser. Es gibt bessere Bildungsromane (Voltaires Candide oder Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre), aber ein fantastischerer ist mir noch nicht untergekommen.
Interessant, aber leider nur angerissen, sind die Elemente der Umweltverschmutzung der Herren vom Grünland und die Parabel des Paladins als Krieg.

Kriegsklingen von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

– Logen hechtete zwischen den Bäumen hindurch; seine nackten Füße rutschten auf dem nassen Boden, dem Schlamm und den glitschigen Kiefernnadeln immer wieder aus. Pfeifend schoss der Atem aus seinem Mund, und das Blut dröhnte in seinem Kopf. –
Ende, S. 7

Zu Kriegsklingen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Legende von Araukarien von Ralf LehmannIm Hochhügelland häufen sich bedrohliche Geschehnisse, und so wird der junge Bolgan ausgesandt, um den Alten Niemand, einen jahrhundertealten Einsiedler, aufzusuchen und seinen Rat einzuholen. Was er erfährt, übertrifft seine schlimmsten Befürchtungen: Alles deutet darauf hin, dass der Schwarze Prinz, der schon in ferner Vergangenheit sein Unwesen trieb, zurückgekehrt ist und sich anschickt, die Lande zu verwüsten und ihre Bewohner zu versklaven. Die Reise in die Hauptstadt, um den Herrscher über das Reich Araukarien vor der drohenden Gefahr zu warnen, gerät zum Wettlauf gegen die Zeit, und bei ihrem Eintreffen müssen Bolgan und der Alte Niemand erkennen, dass ihre Nachricht allein nicht ausreicht, um die Katastrophe aufzuhalten …

Das Land der Tanzenden Berge! Es ist eine merkwürdige Gegend, in der diese Geschichte ihren Anfang nimmt, eine weit von Araukaria, der Hauptstadt des Alten Reiches, entfernte Provinz. Die Landschaft ist schön und anmutig, mit grünen, baumbestandenen Kuppen und tief eingeschnittenen Tälern, in deren Niederungen knorrige alte Trauerweiden in einem niemals endenden Zwiegespräch mit kristallklaren Bächen stehen.
(1. Die Erzählung des Alten Niemand)

Mit der Legende von Araukarien, dem ersten Band der Trilogie um den Kampf gegen den Schwarzen Prinzen (anscheinend nicht verwandt oder verschwägert mit diesem Herrn), bietet Ralf Lehmann inhaltlich sehr klassische Fantasy: Eine dunkle Bedrohung aus grauer Vorzeit sucht jäh die Welt heim und die traditionellen Eliten versagen, so dass eine kleine Runde von Gefährten aus dem Volk unter Führung eines alten Mentors für kurze Zeit zusammenfinden muss, nur um sich bald wieder zu trennen und auf unterschiedliche Questen auszuziehen. Nichts weiter Bemerkenswertes, so möchte man meinen, zumal die jugendlichen Helden Bolgan, Hatib und Fernd gerade im Vergleich zu den oft liebevoller gezeichneten Nebenfiguren ein wenig blass bleiben. Dass Lehmann es eigentlich besser kann, beweisen die Passagen, in denen er sich daran wagt, menschliche Beziehungen in ihrer ganzen Kompliziertheit auszuloten: So nähern sich etwa einige Sklavenjäger und ihre Opfer einander ungewollt an, als ein schneller Weiterverkauf scheitert, und der mühsame Versuch, den auch langfristig günstigsten sozialen Umgang miteinander auszuhandeln, lässt viele Zwischentöne zu. Solch feine Beobachtungen würde man sich häufiger wünschen, zumal auch noch andere Schwächen auffallen: Manch innerer Widerspruch wird nicht aufgelöst, und die Dichte an Frauengestalten ist wesentlich geringer als in jedem durchschnittlichen Karl-May-Roman. Apropos Karl May: Dessen Bücher dürften Lehmann tatsächlich in gewissem Maße als Inspirationsquelle gedient haben, denn genau dort ist man einem dicken Boschak oder einer Beschreibung, die der des Schurken Morgreal verdächtig ähnelt, schon einmal begegnet.
Die Tatsache, dass Handlung und Charaktere Die Legende von Araukarien nicht unbedingt über den Durchschnitt hinausheben, sollte einen jedoch nicht von der Lektüre abschrecken, denn auf zwei anderen für die Fantasy ungemein wichtigen Gebieten stellt der Roman unbestreitbar seine Qualität unter Beweis: Weltenbau und Erzählweise überzeugen. Wie schon das oben gewählte Zitat verrät, kommt Araukarien hinsichtlich der phantastischen Elemente, die das Land selbst durchdringen, um einiges magischer und verspielter daher, als man es im Zeitalter “realistischer” Fantasyromane gewohnt ist: Berge, die über Nacht den Standort wechseln, ein verwunschener Hügel, den der finstere Feind nicht betreten kann, eine Ruinenstadt, in der Geisterspuk eine ferne Vergangenheit wiederauferstehen lässt, und eine geheimnisvolle Orakelhöhle wollen erkundet werden und erinnern einen daran, dass der größte Reiz von Questenfantasy oft nicht im Ziel der Reise, sondern in einem abwechslungsreichen Weg besteht. Auch die Wesen, von denen diese bunte Welt bevölkert ist, sind originell und von einer märchenhaften Unheimlichkeit, die sich nicht zuletzt aus der schieren Selbstverständlichkeit speist, mit der sie etwa auf Gedanken und Träume der Menschen zugreifen können. Wenn beispielsweise ein dämonischer Gifalk – eine Kreatur, die sich von Träumen nährt – den jungen Sohn eines Wirts zu sich aufs Zimmer bestellt und nur in Andeutungen eine geistige Vergewaltigung impliziert wird, erzeugt der Text mit subtilen Mitteln ein unterschwelliges Grauen, das weit länger nachhallt als jedes Entsetzen über eine plakative Gewaltdarstellung.
Ohnehin kann man sich nach einer Weile des Gedankens nicht mehr erwehren, dass es eigentlich gar keine so große Rolle spielt, was Ralf Lehmann erzählt, da einen vor allem gefangen nimmt, wie er es tut. Das liegt nicht allein an der teilweise poetischen Sprache (obwohl natürlich ein Waldbühl oder ein Silbergreis gekonnt bildreiche Assoziationen heraufbeschwören), sondern ist auch dem Eindruck geschuldet, es hier mit einer ganz anderen Erzählweise zu tun zu haben als der, die vor allem in der angloamerikanischen Fantasy mittlerweile fast alternativlos vorherrscht. Lehmann verlässt sich nicht allein auf ein szenisches Vermitteln seiner Geschichte, sondern beherrscht auch das raffende Schildern größerer Zeitabschnitte und vor allem das Beschreiben topographischer Besonderheiten virtuos. Die Erzähltradition, in der sein Buch steht, ist nicht die der Fantasy allein; Abenteuerromane des 19. und frühen 20. Jahrhunderts spielen ebenso mit hinein wie einige Aspekte klassischer Kinder- und Jugendliteratur zu phantastischen Themen. Beim Lesen stellt sich daher rasch das sympathische Gefühl ein, dass nicht auf vordergründige Effekte hingearbeitet, sondern vor allem eine Geschichte erzählt werden soll. Die mag nicht perfekt sein, gewiss – aber nach diesem Auftaktband ist man doch sehr gespannt auf den Fortgang, und sei es nur, weil es einfach so großen Spaß macht, sie sich erzählen zu lassen.

Cover des Buches "MacBest" von Terry PratchettIn einer stürmischen Nacht stolpert Verence, König von Lancre, äußerst unglücklich und fällt dabei in seinen eigenen Dolch, den ganz zufällig Lord Felmet in der Hand hält. Von nun an ist Felmet König von Lancre. Da er aber weder der rechtmäßige noch ein guter König ist, beschließen Oma Wetterwachs und ihre beiden Freundinnen einzugreifen, und einen Würdigeren auf den Thron zu setzen. Natürlich gibt es dabei einige Komplikationen, doch dank einer reisenden Theatertruppe regiert am Ende der beste, der für dieses Amt zu finden war.

-Wind heulte. Blitze stachen ziellos herab, wie ein ungeschickter Mörder. Donner rollte über das dunkle, regengepeitschte Land.-

Leute, es hilft alles nix: Um den Roman richtig genießen zu können, muss man Macbeth gelesen haben. Also begebt Euch in die nächste Buchhandlung, sucht eine zeitgemäße Übersetzung und legt los. Außerdem sollte man eine vage Vorstellung davon haben, worum es in Hamlet geht, welche Stücke Shakespeare noch so geschrieben hat, wer Shakespeare überhaupt war und wie das Theater seiner Zeit aussah. Wenn der Leser von alldem nur wenig weiß, dann entgehen ihm viele der besten Anspielungen und die Lektüre ist für ihn nur halb so vergnüglich wie für jemanden, der diese Voraussetzung erfüllt. Der darf sich dann als Belohnung für seine Literaturkenntnisse nach fast jeder Seite vor Lachen kringeln.

Trotzdem kann man sich beim Lesen von MacBest (Wyrd Sisters) auch ohne Shakespeare-Kenntnisse amüsieren. Pratchett schildert auf witzige Weise Oma Wetterwachs’ ersten Theaterbesuch, ihre Schwierigkeiten zu fliegen, warum es keinen Sinn macht, Hexen zu foltern und wie Überfälle auf der Scheibenwelt ablaufen. TOD hat nur wenige Auftritte, aber immerhin wird das Geheimnis gelüftet, warum er in Großbuchstaben spricht. Dieser Roman gehört zu den besten Büchern, die Pratchett geschrieben hat.

Die Magier von Montparnasse von Oliver PlaschkaDer Bühnenkünstler Ravi und seine Assistentin Blanche brechen nach ihrer letzten Zaubervorführung eine Grundregel: Anstatt wie üblich nur mit Illusionen zu spielen, verwenden sie echte Magie. Dabei geht jedoch etwas schief, und Paris ist in einer Zeitschleife gefangen: Jeder Tag beginnt wie der vorherige, und fast niemand in der Stadt scheint auch nur etwas davon zu ahnen.
Das Hotel Jardin im Künstlerviertel Montparnasse wird daraufhin zum Treffpunkt für mehrere äußerst außergewöhnliche Gestalten, die das Rätsel um die stillstehende Zeit zu ergründen versuchen. Nicht nur für Ravi und Blanche, sondern auch für das Personal des Jardin hat die Zeitschleife auf Dauer ungeahnte Konsequenzen.

-»Kreativität«, sagte Barneby, »ist eine Krankheit des Geistes, die einem Übermaß an Vorstellungskraft, gepaart mit einem Mangel an gesichertem Wissen, entspringt – genau wie Verfolgungswahn.«-
Magische Nächte

Zu Beginn der Geschichte scheinen die Vorkommnisse im Jardin noch sehr mysteriös und für den Leser unverständlich – man fühlt sich ähnlich wie die Kellnerin Justine: Sie bekommt zwar mit, dass etwas anders ist, und ihr fallen merkwürdige Einzelheiten auf, aber sie kann sich keinen Reim auf das Ganze machen. Anders als bei Justine werden die Erinnerungen des Lesers zum Glück nicht über Nacht wieder auf Null gesetzt, und so kommt man des Rätsels Lösung mit jedem verstrichenen Sonntag wieder einen Schritt näher.
Die Erleuchtung lässt jedoch eine ganze Weile auf sich warten. Es gibt einige Längen, insbesondere am Anfang von Tag 5 tritt die Handlung ziemlich auf der Stelle. Dafür zieht die Spannung auf den letzten 200 Seiten ordentlich an und das Ende enthält noch eine (zumindest für mich) unerwartete Wendung.

Durch die langwierigeren Passagen helfen die liebenswürdigen skurrilen Charaktere und verrückten Dialoge.
Plaschka verarbeitet bekannte Bibel- und Märchenmotive wie Adam & Eva oder Schneewittchen und verfremdet sie auf eine sinnvolle, interessante Weise. Auch das Stadtviertel Montparnasse entspricht sicher nicht ganz dem Paris der goldenen Zwanziger, ist aber doch deutlich erkennbar und sorgt für eine passende Kulisse.
Das Ganze wird garniert mit einer wohldosierten Portion Ironie, das Buch ist mit einem leichten Schmunzeln im Hinterkopf zu lesen (wie eine Autorenlesung eindrucksvoll bewiesen hat). Lässt man sich auf die Sprache, Atmosphäre und das Tempo des Romans ein, ist Die Magier von Montparnasse eine amüsant-rätselhafte Lektüre.

Kaum haben Prinz Tristan und seine Gefährten das Reich Eutrakien geeint, droht neue Gefahr: Ein schwarzer Magier plant, mithilfe zweier mythischer Schriften das Reich in Dunkelheit zu stürzen. Doch dazu benötigt er einen Verbündeten mit besonderen Fähigkeiten, den er in Wulfgar zu finden hofft, einem verschollenen Halbbruder Tristans. Um Eutrakien zu retten, müssen Tristan, seine Zwillingsschwester Shailiha und die Magier Wigg und Faegan sich auf die gefährliche Suche nach der Schriftrolle der Operativa machen. Als Tristan jedoch in einen Hinterhalt gerät und gefangen genommen wird, scheint der Kampf verloren …

-»Ich frage euch ein letztes Mal«, sagte die Hausmutter. »Welchen Namen soll es erhalten?«
Während ihr die Tränen über die Wange strömten, betrachtete die junge Mutter das Gesicht ihres Kindes. Im tiefsten Herzen wußte sie, dass sie es zum letzten Mal sah. (…)
» Wulfgar«, flüsterte sie schließlich und bedeckte, außer sich vor Kummer, das Gesicht mit den Händen.-
Prolog

Das dritte Abenteuer von Tristan und Co. beginnt da, wo das andere aufgehört hat. Nur ein paar Monate sind seit dem Einsturz der Tore der Dämmerung vergangen, da taucht eine neue Gefahr auf, natürlich die »gravierendste Gefahr, der wir uns je gegenüber sahen« (Seite 638). Von dieser allerdings ist über weite Kapitel des Buches nichts zu merken. Nachdem es im Buch davor Tristans Sohn war, kommt nun also der verschollene Halbbruder zum Zuge. Hoffen wir, dass die weitere Verwandtschaft der Auserwählten nicht auch noch irgendwie für die Häretiker interessant ist (wobei das Ende des Buches anderes vermuten lässt). Nach ein paar recht ansprechenden Anfangskapiteln ebbt die Spannung schnell ab und über viele Seiten passiert einfach nicht genug, um erneut Spannung aufkommen zu lassen. In den 500 Seiten zwischen Anfang und Endschlacht geht es hauptsächlich darum, dass Tristan irgendwie den Weg nach Hause sucht und dabei natürlich immer wieder aufgehalten wird, dass Wigg und Faegan irgendwie versuchen Tristan zu finden und dabei immer wieder aufgehalten werden, dass die Bösen ihren heimtückischen Plan ausführen wollen und dabei immer  wieder aufgehalten werden.
Wenn man dann irgendwann zur Endschlacht durchgedrungen ist, fällt diese auch noch recht fad und unspektakulär aus. Natürlich gibt es die Standard-Massaker an Unschuldigen, die Standard-Gemetzel der Guten, die Standard-Endschlacht, wo jedes Mal Unmengen von Blut spritzen und unzählige Körperteile abgeschlagen werden, allerdings ist man durch die beiden Vorgänger bereits hinlänglich mit dem Schema vertraut. Mitreißen tut einen das nicht.

Ein paar Handlungsstränge sind trotz allem durchaus interessant und lassen ein wenig hoffen, dass eventuelle nachfolgende Bücher (es gibt genug offene Handlungen, die Nachfolger rechtfertigen würden) ein wenig mehr an Schwung gewinnen.
Was noch auffällig ist: Der Autor wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass, egal um welche Gruppe es gerade geht (angefangen von Piraten bis zu unschuldigen Sklaven, die als Futter enden), man immer beiderlei Geschlecht vorfindet. Alice Schwarzer wäre stolz auf diese Welt.
Nein, süchtig machen tut der Roman, wie auf dem Buchcover angepriesen, nun wirklich nicht. Allenfalls mal was für Zwischendurch.

Die Märchen von Beedle dem Barden von Jonne K. RowlingMärchen gibt es schon seit Urzeiten in jeder Kultur. Auch die Zauberer und Hexen aus dem Harry-Potter-Universum haben ihre eigenen Märchen, die uns Muggles nun ebenfalls vorgestellt werden. Von springenden Zauberkesseln, über spitzfindige Hexen bis hin zum Zauberbrunnen begegnet der Leser allem, was das junge Herz begehrt.

Zu Die Märchen von Beedle dem Barden liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Merlin im Elfenwald" von Jean-Louis FetjaineDie Kämpfe in Britannien gehen weiter. Merlin ist auf dem Weg in die Bretagne, um in Brocéliande, dem Wald der Elfen, nach seinem Vater zu suchen, und das Rätsel um seine Herkunft zu lüften. Das Christentum fasst immer mehr Fuß auf der Insel und verdrängt den alten, heidnischen Glauben. Merlin gerät in den Ruf, ein Hexer zu sein und sein Gefährte, Bruder Blaise, wird der Ketzerei angeklagt. Unterdessen bringt Guendoloena, die mit dem König der Skoten verheiratet ist, Merlins Sohn Artus zur Welt.

-Die Schmerzen weckten sie kurz vor Tagesanbruch, und sie waren so heftig, daß sie nach Atem rang, nicht einmal mehr dazu imstande zu schreien, die Hände in ihr linnenes Bettzeug verkrampft, die Beine vor ihrem zum Bersten prallen Bauch angezogen, und es fühlte sich wahrlich an, als ramme man ihr eine brennende Fackel in den Leib.-
1 Die Überfahrt

Man möchte laut seufzen: Fetjaine ist ein wunderbarer Erzähler. An einer Stelle beschreibt er, wie Merlin eins wird mit der Natur, quasi in ihr aufgeht. Er wird zu Wasser, zu Gras, er verwandelt sich in verschiedene Tiere, wird zum Baum. Das ist kein plumper Abrakadabra-Zauber: eben stand hier noch der Zauberer und jetzt kommt die Taube aus dem Zylinder. Das ist wunderschön erzählt und der Leser fühlt beinahe körperlich wie Merlin Teil der Natur wird und die Natur Teil Merlins. Zeit wird unbedeutend. Allein wegen dieser Szene von knapp einer Seite lohnt sich die Lektüre des Romans. Aber es gibt auch viele Kleinigkeiten, die den Genuss trüben. Es ist, als wolle man sich an einem herrlichen Sommerabend erfreuen und würde alle paar Minuten von einer Mücke gestochen.

Merlin hat mittlerweile weißes Haar, er ist seelisch gereift, er ist Vater geworden und am Ende der Geschichte ist er um die Dreißig. Die gleichaltrige Guendoloena beschreibt Fetjaine als eine erwachsene Frau und nicht mehr das junge unbekümmerte Mädchen … Eine erwachsene Frau und Königin … , aber Merlin ist immer noch -na?- richtig, das Kind und zwar bis zu viermal auf einer Seite!
Anscheinend hält entweder der Autor oder die Übersetzerin hartnäckig an der falschen Auffassung fest, daß man einen erwachsenen Mann, der ein Kindergesicht hat und zartgliedrig ist, ständig als Kind titulieren muss. Aber das Wort Kind bezeichnet einen Entwicklungsstand, den Merlin zweifellos schon längst hinter sich gelassen hat und nicht die äußerliche Erscheinung. Wenn der Katholik Günther Jauch einen Konfirmationsanzug besäße, dann würde er darin wahrscheinlich heute noch bei günstigem Licht als 14-jähriger durchgehen. Trotzdem käme niemand auf die Idee zu schreiben: “Das Kind wird im Sommer die XXX-Show moderieren”.

Oft ist nicht nachvollziehbar, warum manche Begriffe in einer Fußnote erklärt werden und andere nicht. Akribisch wird der heutige Name jedes erwähnten Ortes in einer Fußnote festgehalten, Wörter aber wie Guimpe, die nun nicht gerade zum alltäglichen Sprachgebrauch gehören, werden nicht erklärt. In weiteren Fußnoten wird angegeben, wo genau die Bibelzitate zu finden sind, die die geistlichen Herren im Munde führen, und da wirkt es doch eher seltsam oder zumindest anachronistisch, wenn man jedesmal liest: zitiert nach der Luther-Übersetzung. Zwar passt die Sprache Luthers zu der Fetjaines, aber trotzdem mutet es eigenartig an, wenn Geistliche im 6. Jahrhundert die Bibel nach den Worten eines Mannes zitieren, der erst gut tausend Jahre nach ihnen gelebt hat.

Jean-Louis Fetjaine dankt in seinem Buch Johann Goldberg für die lateinischen Übersetzungen und lobt ihn als Koryphäe auf seinem Gebiet. Goldberg hätte sicherlich die benötigten Zitate in angemessener Sprache aus der Vulgata übersetzen können. Fetjaine legt in seinem Roman sichtlich Wert auf historische Authentizität, da hätte diese Vorgehensweise seinen Intentionen besser entsprochen.

Auch eine andere religiöse Frage schadet dem Roman eher als sie ihm nutzt. Im ersten Band konkurrierte das aufkommende Christentum, repräsentiert durch den Klerus mit dem alten, auf dem Rückzug befindlichen, heidnischen Glauben vertreten durch den Barden, bzw. Druiden, Merlin.
In Merlin im Elfenwald (Brocéliande) stilisiert Fetjaine den Magier zum wiedererstandenen Christus, der von den meisten Menschen nicht erkannt und von seinem bisher so treuen “Jünger” verraten wird. Fetjaine genügt es nicht, seinem Roman einen seriösen, fundierten historischen Hintergrund zu geben, er will auch noch philosophische Tiefe hineinbringen und überfrachtet die Geschichte damit, die eigentlich eine schöne runde spannende Fantasygeschichte sein könnte — wenn nur jemand die lästigen Mücken erledigt hätte.

Cover des Buches "Mordred, Sohn des Artus" von Nancy SpringerKauls Fischermutter hat dem Jungen erzählt, der Meergott Llyr hätte ihn zu ihr geschickt, um sie über den Tod ihres Kindes hinwegzutrösten. Der Fischer und seine Frau nahmen sich des Kindes an, zogen es auf und liebten es wie ihr eigenes. Doch eines Tages erfährt der Knabe die Wahrheit über seine Herkunft: Kauls richtiger Name ist Mordred, sein Vater ist König Artus. Merlin hatte einst prophezeit, dass Mordred seinen Vater töten würde und um dem Schicksal zu entgehen, hatte Artus versucht, seinen Sohn zu ermorden. Doch selbst als Mordred davon erfährt, hasst er ihn nicht so sehr, dass er Artus töten wolle. Dann aber wird Mordred zum Spielball der Interessen Nyneves, Morgauses und Merlins und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

-Weil er der König war, durfte er in dieser Sache keine Gefühle zeigen. Der Wind blies kalt vom schwertgrauen Meer heran, über dem gekrönten Haupt des Königs kreisten schreiende Möwen und zu seinen gestiefelten Füßen lagen vierzig nackte Säuglinge auf dem dunklen Sand, die noch lauter schrien.-
Prolog

Ein grobschlächtiger, verschwitzter Mann, mit strähnigen Haaren und hasserfülltem Blick jagt König Artus das Schwert mit solcher Wucht in den Körper, dass es auf der anderen Seite wieder heraustritt. So kennt man es aus diversen Artus-Verfilmungen und auch diejenigen, die die Artus-Sage nur gelesen haben, dürften eine ähnliche Vorstellung von Mordred entwickelt haben.

Nancy Springers Mordred ist völlig anders. Springer erzählt von einem sechsjährigen Knaben, der zum Mann heranreift. Dieser Heranwachsende ist kein hasserfüllter Jugendlicher, der auf Rache sinnt, nach Macht strebt und darauf wartet, dass seine Stunde kommt. Mordred ist ein Kind, das leidet. Mordred leidet unter dem Makel seiner Geburt, er leidet darunter, dass die ganze Hofgesellschaft sich entweder vor ihm fürchtet, ihn verspottet oder ihn verabscheut, denn alle wissen, dass er es sein wird, der den guten und gerechten König Artus töten wird.
Aber Mordred will Artus nicht töten. Obwohl es ihn schmerzt, dass sein eigener Vater ihn umbringen wollte, liebt und achtet er ihn, wie es alle anderen auch tun, denn Artus ist in der Tat ein guter und edler Herrscher. Und so stellt sich Mordred die Frage, ob es keinen Ausweg gibt, der Prophezeiung zu entgehen. Ist das Schicksal wirklich unabänderlich oder ist Schicksal nichts anderes als die Art, wie man sein Leben lebt und somit individuell gestaltbar.
Mordred jedenfalls will nicht daran glauben, dass das Schicksal unentrinnbar vorherbestimmt ist, er ist gewillt, es selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Wille trägt ihm zu allem Überfluss auch noch den Ruf eines Feiglings ein, denn Mordred verhält sich nicht so, wie es unter Artus’ Rittern üblich ist. Er sucht nicht den Kampf und kämpft nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann aber ficht er tapfer und siegreich, er freut sich nicht an vergossenem Blut und wenn er aus einer Höhle das Fauchen eines Drachen hört, reitet er vorüber. Der Mann ist kein Feigling, der Mann ist vernünftig. Doch diese Art von Vernunft steht bei Rittern wie Gawain nicht hoch im Kurs, der seine Mutter und ihren Liebhaber niedermetzelt um der Ehre genüge zu tun.

Manchmal entsteht beim Lesen der Eindruck, Nancy Springer sei es nicht ganz gelungen, sich in die Psyche eines jungen Mannes einzufühlen und deshalb habe Mordreds Charakter teilweise weibliche Züge. Aber das stört nicht, denn Mordreds Charakter ist absolut schlüssig und es sei hier mit Nachdruck betont, dass Mordred vielleicht einige Verhaltensweisen aufweist, die man eher einer Frau zuordnen würde, dass er aber niemals auch nur im entferntesten den Eindruck macht, weibisch zu sein.
Mordred leidet unter seinem von ihm unverschuldeten Schicksal, und unter den Spielchen die Nynyve, Morgause und Merlin mit ihm treiben, er quält sich, er ist empfindsam und je weiter sich der Roman dem Ende zuneigt, um so mehr fragt sich der Leser, wie dieser seelenvolle Mann, je dazu imstande sein soll, seinen Vater auf dem Schlachtfeld zu töten.

Es ist das letzte Drittel der Geschichte, das Nancy Springers Geschichte zu einem Highlight macht. Dieses letzte Drittel bietet eine großartige, schlüssige und bis dahin nicht vorhersehbare Erklärung für das Ende ihres Romans. Wie dieses Ende aussieht wird natürlich nicht verraten. Vielleicht ist es das Ende, wie man es aus der Artus-Sage kennt, vielleicht hat Nancy Springer Mordreds Geschichte aber auch ganz neu geschrieben. Der Rezensent weiß es, er sagt es aber nicht weiter. Nur so viel: Das Ende ist erschreckend und wunderschön, es ist traurig und glücklich und voller Liebe.
Ein Stapel Taschentücher in Reichweite könnte von Nutzen sein.

Der Name des Windes von Patrick RothfussIn einem Gasthaus wird zwei auserwählten Zuhörern die Geschichte des berühmt-berüchtigten Kvothe erzählt – eines Meisterbarden, großen Magiers, Königsmörders.
Seine jungen Jahre verbringt er in der Gauklertruppe seiner Eltern, sammelt Bühnenerfahrung und lernt die Lieder und Geschichten der Welt kennen, und er findet einen Lehrmeister, der ihm erste Schritte in der Magie beibringt.
Doch Kvothes Welt bleibt nicht so unbeschwert: Als er sich selbst schwört, ein tödliches Rätsel um sagenhafte, dämonische Wesen zu lösen, beschreitet er damit einen Weg, der ihn in ein miserables Dasein als Straßenkind und später an die Schule der Magier und darüber hinaus führt…

– Es war wieder Abend geworden. Das Wirtshaus zum WEGSTEIN lag in Stille, und es war eine dreistimmige Stille. –
Eine dreistimmige Stille

Zu Der Name des Windes liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Name of the Wind von Patrick RothfussIn einem Gasthaus wird zwei auserwählten Zuhörern die Geschichte des berühmt-berüchtigten Kvothe erzählt – eines Meisterbarden, großen Magiers, Königsmörders.
Seine jungen Jahre verbringt er in der Gauklertruppe seiner Eltern, sammelt Bühnenerfahrung und lernt die Lieder und Geschichten der Welt kennen, und er findet einen Lehrmeister, der ihm erste Schritte in der Magie beibringt.
Doch Kvothes Welt bleibt nicht so unbeschwert: Als er sich selbst schwört, ein tödliches Rätsel um sagenhafte, dämonische Wesen zu lösen, beschreitet er damit einen Weg, der ihn in ein miserables Dasein als Straßenkind und später an die Schule der Magier und darüber hinaus führt…

-It was night again. The Waystone Inn lay in silence, and it was a silence of three parts.-
Prologue: A Silence of Three Parts

Das Fantasy-Genre samt Leserschaft gilt gemeinhin als anachronistisch, rückwärtsgewandt. Dagegen mag man mit Recht protestieren, aber zumindest in den Sphären des Musikbusiness, wo circa alle drei Wochen the next big thing durch die Presse gejagt wird, sind wir tatsächlich noch nicht angekommen. Und so horcht man durchaus auf, wenn ein Raunen durch Blogs und Foren geht, Kritikerstimmen sich zu den allgegenwärtigen Verlagslobeshymnen gesellen, und immer wieder derselbe Name auftaucht: Patrick Rothfuss.
Forscht man der Sache nach, stößt man auf eine jener Geschichten – von Fall zu Fall künstlich generiert oder authentisch anmutend – die den Weg des Schriftstellers in die Veröffentlichung als eine eigene abenteuerliche Queste erscheinen lassen: Sieben Jahre Schreiben, sieben Jahre Überarbeiten – und eine Flut von Absagen, bis auf wunderbaren Umwegen doch noch verlegerische Aufmerksamkeit auf das Werk fällt.
So lernt man Patrick Rothfuss’ Helden Kvothe in dem Roman kennen: Mit einem ganzen Sack voll hoher Erwartungen an ihn und seine Geschichte – und findet einen hochbegabten Gauklerjungen, in Magie und Musik ein Überflieger, eine Berühmtheit schon in jungen Jahren, der in diesem ersten Band nebst einiger anderer Abenteuer die Schule der Magier auf den Kopf stellt. Übermächtige, legendäre Feinde schafft er sich ebenso wie profane, aber gefährliche Schulrivalen – und es ist ein Auf und Ab zwischen Wohlmeinenden und Neidern, Wunderleistungen und finanziellen Nöten, Liebesleid und der ureigenen Queste Kvothes, ein Rätsel zu lösen, das ihn verfolgt, seit er in seinem Leben zum ersten Mal Tragisches durchmachen mußte.

Diese alltäglichen Zutaten sind es also nicht, die The Name of the Wind (Der Name des Windes) zu einem Meisterwerk machen – und dennoch kann man das Buch mehr als zufrieden aus der Hand legen, sich davon begeistern lassen: Man hört einem mit allen Wassern gewaschenem Erzähler zu, der aus anfangs ganz unspektakulären Mitteln eine zwingende Atmosphäre strickt. Dazu benutzt Rothfuss einen alten, aber hier ausgesprochen effektiv umgesetzten Trick: Eine Geschichte in der Geschichte. Eine Rahmenerzählung, wunderbar zart auktorial erzählt, schafft eine greifbare Gegenwart, in der ein mysteriöser Gastwirt die Geschichte des überaus berühmten und berüchtigten Kvothe von Kindesbeinen an berichtet. Diese rückwärts-gewandte Erzählsituation läßt einen an der Geschichte teilhaben, als würde man zufällig lauschen und könne sich ihrem Bann nicht mehr entziehen. Selbst durch im Grunde „belanglose“ Szenen wird ganz subtil die Neugier des Lesers geweckt: In den Rahmenkapiteln bekommt man nebenbei, ohne direkte Hinweise und Erklärungen eine Ahnung, wie „groß“ Kvothe im Laufe seines Lebens geworden ist; Andeutungen von Ruhm und Tragik (die alle auch in diesem ersten Band nicht zu sparsam auftretenden ruhmreichen und tragischen Szenen noch überflügeln) ziehen sich durch den ganzen Text.
Dazu kommt ein hoher Authentizitätsgrad des Erzählers, er berichtet aus einer erhabenen Position mit absoluter Gültigkeit, so daß Beobachtungen des Menschlichen und pathetische Anmutungen bei Weitem nicht nur nach dem Versuch klingen, etwas Geistreiches zu sagen – zu den besten Szenen des Buches gehört beispielsweise auch ein kurzer Bericht Kvothes über die vier Arten, mit Trauer umzugehen.

Aber weshalb leidet und fiebert man eigentlich mit Kvothe mit, einem immer Überlegenen, der ohnehin meistens gewinnt und besser als alle anderen ist, der nicht einmal übermäßig sympathisch dargestellt wird? Es ist die Diskrepanz, die durch die verschachtelte Erzählsituation zwischen den Zeilen hervortritt – zwischen seinem immer wieder bewiesenen Talent und seiner ganz offensichtlichen (wenn auch noch ungeklärten) Tragik und seinem Scheitern.
Nebst diesen erzählerischen Spezialitäten Rothfuss’, anhand derer man versuchen kann, die Besonderheit von The Name of the Wind zu fassen zu bekommen, bietet der Roman auch konventionellere Attraktionen des Fantasy-Genres: Die ganzen profanen Plot- und Welt-Zutaten schaden keineswegs, wenn daraus ein authentisches und mitreißendes Ambiente gestrickt wird, und Rothfuss versteht es, seine fahrende Gauklertruppe, seine typische Ausbildungsitiation, seine Straßenkind-Episode einmalig zu gestalten. Von den ersten Seiten an wird ersichtlich, daß in der Welt viel Detailarbeit steckt – und auch hier ist die Tugend nicht die absolute Aufklärung des Lesers, sondern eine gewisse Selbstverständlichkeit, mit der Begrifflichkeiten eingebracht werden.

Selbst das Magiesystem, das unter anderem auf der Kenntnis des wahren Namens der Dinge beruht, und die in den Text eingearbeiteten Lieder und Gedichte erinnern an die Klassiker des Genres – und in diesem Kontext ist The Name of the Wind auch zu sehen, als eine in der Ausführung durchaus moderne Variante, in Stoff, Aussage und Wirkung aber deutlich näher an Tolkien und Williams als an Martin oder Erikson. Doch – je nachdem, wie die vielen noch ausstehenden und bis in die Erzählgegenwart reichenden Abenteuer Kvothes weiterhin laufen – durchaus in derselben Größenordnung.

Nebelriss von Markolf HoffmannWährend viele die goldenen Schiffe der Goldéi noch für Gerüchte halten, fallen die Echsenwesen im Königreich Kathyga schon gnadenlos ein. Vor allem auf die magischen Quellen des Landes haben es die unbesiegbaren Invasoren abgesehen, doch ihre wahren Pläne durchschaut niemand – auch nicht der einzige Gefangene, der neben hunderten von Getöteten gemacht wird: Laghanos, ein Schüler der Magie. Im Kaiserreich von Sithar, das unter einem jungen, schwachen Herrscher leidet und von Intrigen und Machtpolitik seiner Fürsten in den Verfall gerissen wird, wagt allein Fürst Baniter es, in diplomatischer Mission das Nachbarreich aufzusuchen, um ein Bündnis gegen die Goldéi zu schmieden.

-Dünne Nebelschleier. Eiskalter Windhauch; leise pfiff er über die Menschenmenge hinweg und brach sich an den steinernen Hauswänden Larambroges.-
Prolog

Markolf Hoffmanns Nebelriss ist ein mutiges Debut – der Autor wagt Experimente, biedert sich nicht groß mit vertrauten Erzählmustern bei der Leserschaft an und schlägt mit seiner Reihe Zeitalter der Wandlung einen so eigenständigen Weg ein, dass sowohl ein Vergleich mit anderen deutschen als auch mit internationalen Fantasy-Autoren nur in die Irre führen würde.
Auffallend ist zunächst die Sprache: Hoffmann scheut sich nicht, Gebrauch von verschiedensten Stilmitteln zu machen und Ungewohntes auszuprobieren, und vor allem auch in den Dialogen nutzt er ein breites Register von Möglichkeiten.

Die Handlung steht dem kaum nach; man kann zwar nach diesem Auftakt-Band noch nicht absehen, wohin die Reise wirklich gehen wird, aber die Anlagen machen klar, dass es weder die übliche Geschichte vom Auserwählten noch ein Kampf gegen dunkle Mächte sein wird. Nebelriss lädt zum Rätseln ein, was die Goldéi sind und was sie wollen, aber auch die Hofintrigen und die Vorgänge in der  überzeugend ausgearbeiteten Kirche des Kaiserreiches lassen keine Langeweile aufkommen. Die Welt besticht mit interessanten Details und einer großen Vielfalt, sie wirkt bewohnt und belebt, und auch wenn die Schauplätze noch überschaubar bleiben, kommt der Eindruck einer lebendigen und auf verschiedene Weise tradierten Geschichte auf.
Besonders bei den Szenen mit den Goldéi ist es Markolf Hoffmann gelungen, ein beklemmendes und befremdendes Gefühl heraufzubeschwören (und das, was sie mit ihren magiebegabten Gefangenen anstellen, ist allemal für eine Gänsehaut gut).

Die einzelnen Figuren passen sich gut in das Gesamtpaket ein und bedienen keinerlei Klischees, handeln aber dennoch nachvollziehbar und wirken rund. Sie kochen alle ihr eigenes Süppchen, und sind bis in die Nebenfiguren hinein gut ausgearbeitet. Allerdings faszinieren sie eher auf kühle Art: man rätselt mit ihnen, beobachtet, versucht (in diesem Band vollkommen chancenlos), die Puzzleteile zusammenzusetzen, die Hoffmann ausstreut, aber ans Herz wächst einem keine der Figuren. Es wird sehr schnell klar, dass es keinen richtigen Symphatieträger geben soll, und die Welt von Nebelriss ist kein Ort für strahlende Helden.  Trotzdem bleibt der Eindruck, dass ein klein wenig Wärme und hier und da ein Zug der Figuren, der nicht extrem oder negativ besetzt ist, den Leser/die Leserin besser eingebunden hätte.
Interessant genug, um sich diese innovative Geschichte anzuschauen, ist Nebelriss aber allemal – es macht so viel anders, dass man vielleicht erst im Nachhinein bemerkt, dass es einen trotz der faszinierenden Ansätze etwas kalt gelassen hat.

Cover von The Novice von Trudi CanavanImardin ist eine Stadt dunkler Intrigen und tödlicher Politik, wo jene, die Magie besitzen, Macht haben. In diese festgesetzte Ordnung stolperte ein junges Straßenmädchen mit außergewöhnlicher magischer Begabung. Von der Magiergilde adoptiert, ändert sich ihr Leben für immer – doch zum Besseren oder zum Schlechteren?
Sonea wusste, dass sie einer harten Zeit des Trainings in der Magiergilde entgegen sah, doch sie erahnte nicht das Ausmaß der Feindseligkeit, die ihre Mitschüler, Adelssprößlinge, ihr entgegenbringen würden …

-The sun was warm on his back as Dannyl stepped up to the carriage. He drew on a little magic to lift the first of his chests onto the roof. As the second settled next to it he sighed and shook his head.-
Chapter 2 – The First Day

Auch der zweite Teil der Black-Magician-Trilogie macht Spass. Die Handlung ist interessanter und spannender als im ersten Band, man kann sich gut in die Charaktere hineinversetzen. Besonders gegen Ende konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.
Die Handlung ist diesmal in zwei große Handlungsstränge geteilt: Sonea erlebt ihr erstes Jahr an der Universität, während Dannyl als Botschafter nach Elyne geschickt wird. Sonea muss die Streiche ihrer Klassenkameraden ertragen, besonders Regin entpuppt sich als grausamer Gegner. Man bedauert Sonea, die sich aufgrund ihres Geheimnisses  nicht traut, andere um Hilfe zu bitten. Dennoch möchte man ihr manchmal zuschreien, sich endlich mal zu wehren. Sonea hat einen wirklichen stoischen Charakter, alles einfach so hinzunehmen, was mich manchmal schon fast an den Rand der Verzweiflung gebracht hat (wehr dich doch endlich!!!). Regin als ihre ultimative Nemesis ist alles bösartige auf einmal: trickreich, heimtückisch, gemein, unfair, kaltherzig etc. pp. Ein wenig platt vielleicht, aber als Widersacher durchaus geeignet, alle Antipathien auf sich zu ziehen.
Dannyls Reise nach und durch Elyne und die anderen verbündeten Länder auf der Suche nach der Alten Magie nimmt den zweiten Handlungsstrang ein. Endlich lernt man auch ein wenig mehr als nur Imardin kennen, auch wenn es nur bei einigen Gegebenheiten bleibt. Es reicht aber aus, um zumindest einen groben Überblick über die Länder zu erhalten. Ohne zu viel verraten zu wollen, sind seine Reisen vielschichtiger und erkenntnisreicher, als man zunächst denkt. Das gibt dem Roman eine neue Tiefe, die besonders Dannyl sympathisch werden lässt.
Ergänzt wird das Ganze noch durch zusätzliche Perspektiven (vornehmlich Lorlen und Rothen), die durch ihre Sicht der Dinge den Roman inhaltlich abrunden.
Alles im allem eine gute Fortsetzung, die viel für den nächsten Band verspricht.

Die Novizin von Trudi CanavanImardin ist eine Stadt dunkler Intrigen und tödlicher Politik, wo jene, die Magie besitzen, Macht haben. In diese festgesetzte Ordnung stolperte ein junges Straßenmädchen mit außergewöhnlicher magischer Begabung. Von der Magiergilde adoptiert, ändert sich ihr Leben für immer – doch zum Besseren oder zum Schlechteren?
Sonea wusste, dass sie einer harten Zeit des Trainings in der Magiergilde entgegen sah, doch sie erahnte nicht das Ausmaß der Feindseligkeit, die ihre Mitschüler, Adelssprößlinge, ihr entgegenbringen würden …

– In jedem Sommer klärte sich der Himmel über Kyralie für einige Wochen zu einem grellen Blau auf, und die Sonne brannte erbarmungslos auf das Land herab. –
1. Die Aufnahmezeremonie

Zu Die Novizin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Nussknacker und Mausekönig" von E.T.A. HoffmannIn der Familie des Medizinalrats Stahlbaum wird Weihnachten gefeiert. Pate Droßelmeier schenkt der siebenjährigen Marie und ihrem älteren Bruder Fritz eine wunderschöne Spieluhr. Doch Fritz spielt lieber mit seinen Soldaten und Marie bevorzugt einen ziemlich hässlichen Nussknacker. Eines Tages beobachtet sie, wie das Spielzeug um Mitternacht  zum Leben erwacht und wie eine heftige Schlacht  mit den Mäusen entbrennt. Marie verletzt sich und Pate  Droßelmeier erzählt ihr am Krankenbett das Märchen von der harten Nuss

Am vierundzwanzigsten Dezember durften die Kinder des Medizinalrats Stahlbaum den ganzen Tag über durchaus nicht in die Mittelstube hinein, viel weniger in das daranstoßende Prunkzimmer.-

Hoffmanns phantastisches Märchen schildert zu Beginn eine idyllische, aber realistische Bürgerlichkeit. Die Kinder dürfen den ganzen Tag lang nicht die gute Stube betreten. Die Abenddämmerung bricht herein, die Geschwister warten aufgeregt und weil kein Licht angezündet wird, auch ein wenig ängstlich, auf die Bescherung. Als es völlig finster geworden ist, meinen sie Flügelrauschen und Musik zu hören, sie sehen einen hellen Schein und wissen, dass das Christkind nun fortgeflogen ist. Es ertönt ein Glöckchen, die Tür wird geöffnet und das Weihnachtszimmer erstrahlt im hellen Glanz. Marie und Fritz sind glücklich mit ihren Geschenken, auch wenn sie -wie Kinder nun mal so sind- schnell die Lust an Droßelmeiers mechanischem Wunderwerk verlieren.
Nur der Pate will nicht so recht in das Idyll passen. Zwar lieben ihn die Geschwister, da er gut zu ihnen ist und ihnen stets die schönsten Geschenke macht, aber er ist kein hübscher Mann: klein und mager, mit Runzeln im Gesicht, auch fehlt ihm das rechte Auge, das durch ein schwarzes Pflaster ersetzt worden ist. Sein Äußeres und die Tatsache, dass er als Spielzeugmacher im wahrsten Sinn des Wortes die Puppen tanzen lassen kann, machen ihn zu einer zwielichtigen Person und der Leser kann sich nie sicher sein, ob der liebe, gute Pate, der so schöne Geschenke macht und der kranken Marie Märchen erzählt, nicht vielleicht doch ein böser Zauberer ist.

Hoffmann spielt mit den Erwartungen des Lesers und ironisiert sie gleichzeitig. Vor allem das Märchen von der harten Nuss mit der undankbaren Prinzessin, steckt voller ironischer Seitenhiebe und zeichnet das satirische Bild eines Königshofes. Das Gegenstück zu Prinzessin Pirlipat ist die reine, gutherzige und opferbereite Marie.

Nussknacker und Mausekönig ist aber nicht nur ein idyllisches und lustiges Märchen, es verbreitet auch Angst, Schrecken und ein gewisses Maß an Abscheu und zwar nicht nur für die kleine Marie.
Wer glaubt, der Mausekönig hieße so, weil er eine Krone trägt und der königliche Herrscher über alle Mäuse ist, der irrt. Der Hoffmannsche Mausekönig ist zwar auch Monarch und Befehlshaber seiner Truppen, aber wer den gebräuchlicheren Begriff “Rattenkönig” kennt, der kann sich eine ungefähre Vorstellung vom Aussehen des Mausekönigs machen. Wenn eine Ratte in einem Wurf mehrere Jungen zur Welt bringt und deren Schwänze sich unentwirrbar miteinander verknoten, so dass sie sich nicht voneinander trennen lassen, nennt man dies einen “Rattenkönig”. Er wirkt wie ein Körper mit vielen Köpfen und genauso sieht Hoffmanns Mausekönig aus – ein Körper, sieben Köpfe, kein wirklich schöner Anblick, schon gar nicht wenn er von dem genialen Illustrator Maurice Sendak gemalt worden ist.

Die meisten Illustrationen Sendaks sind wunderschön, weil er sie im Stil des 19. Jahrhunderts gemalt hat und alle Figuren klassizistische Gewänder tragen, so dass man glaubt, ein altes Märchenbuch in Händen zu halten. Aber es gibt auch Bilder, auf denen die Figuren bedrohlich wirken, allen voran der bösartige Mausekönig, aber auch Pate Droßelmeier macht nicht gerade den Eindruck eines liebenswürdigen, gütigen Mannes und es gibt eine riesengroße Abbildung des Gesichtes des Nussknackers, bei der man nicht weiß, ob man sich fürchten oder darüber lachen soll.
Die Farben sind übrigens gedeckt und nicht so bunt wie auf der Abbildung des Covers.

Nyphron Rising von Michael J. SullivanObwohl die Gauner Royce und Hadrian seit einiger Zeit als Spione für König Alric ein gesichertes Auskommen haben, ist Hadrian nicht zufrieden: Es belastet ihn, dass seine Taten immer wieder auch Unschuldige in Mitleidenschaft ziehen, und er ahnt, dass Royce ihm wichtige Dinge verschweigt. Eigentlich möchte er die langjährige Partnerschaft so bald wie möglich beenden, lässt  sich dann aber doch überreden, einen letzten Auftrag anzunehmen. Gemeinsam mit Royce soll er Prinzessin Arista helfen, sich heimlich mit dem Rebellenführer Degan Gaunt zu treffen, der ihrem Bruder im Krieg gegen das aufstrebende Kaiserreich ein wichtiger Verbündeter sein könnte…

– He always feared he would die this way, alone on a remote stretch of road far from home. The forest pressed close from both sides, and his trained eyes recognized that the debris barring his path was not the innocent result of a weakened tree. He pulled on the reins, forcing his horse’s head down. She snorted in frustration, fighting the bit – like him, she sensed danger. –
(Chapter 2 – The Messenger)

Auch im dritten Band seiner Riyria Revelations bietet Michael J. Sullivan Fantasy klassischer Prägung: Ein kleines Land muss sich der Bedrohung durch ein expandierendes Reich erwehren, und von finsteren Kirchenmännern über geheimnisvolle Magier bis hin zu den Mitgliedern einer wohlorganisierten Diebesgilde mischt so gut wie jeder Figurentypus mit, der einem in einem abenteuerlichen Roman schon einmal begegnet ist. Mancher Handlungsstrang weist denn auch dementsprechend viele vorhersehbare Wendungen auf. Wenn etwa Arista aus ihrem behüteten höfischen Leben auf eine strapaziöse Queste und unter das einfache Volk gerät, kann man beinahe eine Strichliste der klischeehaften Erlebnisse führen. Ebenso wenig wird es einen erfahrenen Fantasyleser überraschen, dass der mit seinem Ganovendasein hadernde Hadrian vom Schicksal zu Höherem bestimmt ist.

Ohnehin gewinnen in Nyphron Rising bandübergreifende Entwicklungen an Bedeutung, obwohl auch hier eine handlungsmäßig mehr oder minder in sich abgeschlossene Episode erzählt wird. Neben der schon seit The Crown Conspiracy im Hintergrund präsenten Geschichte um den verschollenen wahren Erben des Kaiserreichs nimmt diesmal vor allem die Vergangenheit der beiden Helden breiten Raum ein. Beide müssen sich unwillkommenen Erinnerungen stellen und erkennen, dass eigentlich schon vergessen Geglaubtes auch ihre Zukunft prägen wird: So erfährt Royce, dass ein alter Erzfeind es abermals auf ihn abgesehen hat, während Hadrian sich mit einer ererbten Verantwortung konfrontiert sieht, der er sich nicht entziehen kann und will.

Dem Weltenbau tut diese Erweiterung des Blickwinkels gut. Man lernt nicht nur eine ganze Anzahl neuer Schauplätze kennen (darunter Hadrians Heimatdorf, das mit seinen freien und unfreien Bewohnern und dem Kompetenzgerangel verschiedener Instanzen der Obrigkeit erstaunlich überzeugende pseudomittelalterliche Verhältnisse bietet), sondern erfährt auch mehr als bisher über die Funktionsweise der Magie und die politische Großwetterlage.

Sympathisch ist einem auch in diesem Band, dass Sullivan aufrichtig bestrebt zu sein scheint, seinen Protagonisten eine glaubwürdige Gefühlswelt zu verleihen. Gelegentlich bewegt sich das hart an der Grenze zum Kitsch (wenn etwa Royce, der sonst gern den harten Burschen spielt, sich vom Leid eines Straßenjungen, das ihn an seine eigene Kindheit gemahnt, zu Tränen rühren lässt), aber gerade in einem Genre, in das in den letzten Jahren vielfach ein gewisser Zynismus Einzug gehalten hat, liest es sich eigentlich durchaus angenehm, wenn menschliche Ängste, Sehnsüchte und Hoffnungen ernst genommen werden, und sei es auch in etwas simpler Form.

Obwohl Sullivan also weiterhin ebenso ungekünstelt wie unbedarft an manche Belange herangeht, sind in Nyphron Rising einige Kinderkrankheiten des ersten Bandes überwunden. Manch ein schreibtechnisches Detail ist mittlerweile routinierter gelöst als zu Beginn der Serie. Nobelpreisverdächtige Prosa darf man freilich weiterhin nicht erwarten, aber immerhin einen soliden Roman, der viel Vergnügen bereitet, wenn man mit altbewährten Erzählmustern und dem liebevoll ausgearbeiteten Heldengespann etwas anfangen kann.

The Ocean at the End of the Lane von Neil GaimanEin Mann mittleren Alters kehrt zum ersten Mal seit Jahrzehnten an den Ort zurück, an dem er aufgewachsen ist. Von einem Gefühl getrieben findet er sich auf dem Bauernhof der Hempstock-Frauen wieder und langsam kehren die Erinnerungen an seine Kindheit zurück. An den einen Sommer, als die Hempstocks seine Nachbarn waren, als er mit der jüngsten der drei Frauen, Lettie, auszog, um einem unbenannten Bösen das Fürchten zu lehren. Und an den Preis, den er für seine Neugier bezahlen musste. Denn Magie fordert immer ihren Preis und hinterlässt ihre Spuren, wo man sie nicht erwartet. Und manchmal findet sie sogar ihren Weg an den Ort, an dem man ihr lieber nicht begegnen würde …

-Lettie Hempstock said it was an ocean, but I knew that was silly. She said they’d come here across the ocean from the old country. Her mother said that Lettie didn’t remember properly, and it was a long time ago, and anyway, the old country had sunk.-

Neil Gaiman zeichnet in The Ocean at the End of the Lane mit sparsamen Strichen eine schaurig-schöne Geschichte. Das Motiv – das unschuldige Kind im Kampf gegen mystische Kräfte jenseits seiner Vorstellung – ist klassisch, Gaiman erzählt jedoch keineswegs nach, sondern gibt diesem Motiv einen neuen dunklen Anstrich. Als Leser ist man nie sicher, ob die ganze Sache noch eine gute Wendung nehmen kann.

Während die drei Hemsptock-Frauen zwar den Archetypen “Mother, Maiden, Crone” (Mutter, Jungfrau, alte Frau) entsprechen, sind sie in ihrer Darstellung sehr lebendig und keine farblosen Schablonen.
Die dichte Atmosphäre und die gestraffte, Gaiman-typische Erzählweise machen das Buch zu einem wahren Page-Turner, ich konnte kaum aufhören. Die Erinnerungen sind zwar die eines Erwachsenen, die Erzählstimme ist allerdings ein (wenn auch sehr reifes) Kind – und um dieses Kind, den Bücherwurm, der an Magie glaubt, dreht es sich auch, der erwachsene Erzähler stellt lediglich die Rahmenhandlung.

Sprachlich ist das Buch ganz wunderbar, aber das sollte niemanden überraschen – erzählen kann der Mann schließlich wie der Teufel. Trotz der kindlichen Sicht der Dinge wirkt die Geschichte an keiner Stelle kindlich oder gar kindisch.
Und für meinen Teil wundert es mich auch nicht, dass bereits über Filmrechte verhandelt wird – ich denke, wenn der richtige Regisseur dafür gefunden wird, kann man sich auf einen düsteren, phantastischen Film freuen – die Bilder, die in meinem Kopf während des Lesens entstanden, sprechen jedenfalls dafür.

Poison von Sarah PinboroughErst vor kurzem hat der König seine neue blutjunge Königin geheiratet, da ruft ihn der Krieg auch schon wieder auf das Schlachtfeld. Während er im Kampf für sein Königreich steckt, zeigt sich, dass seine Angetraute einen unerklärlichen Hass auf die kaum jüngere Tochter Snow hat. Je mehr Zeit vergeht, desto düsterer werden die Gedanken der Königin …

– She’s too old for that nickname, the queen said. She was standing at the window of the royal bedchamber and looking down at the courtyard below. Morning sun beat on the ground, but the air was still chilly. She shivered. »She needs to start behaving like a lady. A princess.« –
1, Air and Earth, Light and Dark

Man braucht wohl eine spezielle Art Buchgeschmack, um ein Buch wie Poison mögen zu können, denn in diesem Roman ist nichts so, wie man es aus den zahlreich eingeflochtenen Märchen kennt. Das ist doch gut, denkt ihr? Nö.
So eine Märchennacherzählung kann man richtig oder falsch machen. Sarah Pinborough ist letzteres mit absoluter Bravour gelungen – das könnte man freilich auch als Leistung betrachten. Auf der einen Seite jedenfalls ist dieser kurze Roman natürlich tatsächlich völlig anders, als man es erwartet, und es stecken gute Ansätze drin, auf der anderen Seite ist die Geschichte auf nur 200 Seiten derart pervertiert und gestört (und damit meine ich nicht einmal die negativ behafteten Sexszenen), dass man das dringende Bedürfnis verspürt, der Autorin eine Therapie zu spendieren. Harsche Worte, ich weiß, aber harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen, nicht wahr? Angesichts dessen, was dieser Roman für Charaktere zeichnet, ist das leider nur einer der vielen unfeinen Gedanken, die einem in den Sinn kommen.

Hat jemand Charaktere gesagt? Gut, dann auf zum wichtigsten, verkorksten Akt dieses Dramas.

Die Charaktere sind eine Katastrophe. Von Anfang bis Ende hat man nie das Gefühl, sie wenigstens halbwegs zu kennen, und sie alle erfüllen mindestens ein nicht tot zu kriegendes Klischee, besser noch mehrere auf einmal. Klar, es ist eine Märchennacherzählung, von der wir hier reden, da ist kein Platz für lange Charakterentwicklung, aber es gibt Kurzgeschichten, die kriegen auf einem Zehntel der Seiten mehr zustande als Poison im ganzen Roman. Es kann also kein Seitenlimit schuld sein, dass Pinboroughs Figuren dermaßen hohl geraten sind wie das Innere einer von Termiten zerfressenen Wand. Wenn sie gerade mal etwas aktiver werden, sind sie gleich ziemlich abstoßend oder verhalten sich völlig anders als noch in der Szene davor, als hätten sie eine gespaltene Persönlichkeit. Die böse Königin ist mal die Inkarnation des Bösen und plötzlich doch wieder nur unglücklich, weil sie so schrecklich missverstanden wird. Schneewittchen ist einerseits das perfekte, brave Prinzesschen und dann doch wieder die wilde, ungezähmte Kraft der Mutter Erde. Prince Charming ist erst der klassische naive junge Mann und schlägt dann plötzlich eine Richtung ein, bei der man nur noch zusehen kann, wie alles weiter den Bach hinuntergleitet. Man weiß einfach nie, woran man bei den Figuren ist. Es gibt keine klare Linie bei der Charakterzeichnung. Die Autorin versucht ihnen teils schwierige Vergangenheiten zu geben, damit sie mehr Tiefgang bekommen, leider bleibt es auch da bei dem kläglichen Versuch.

Eigentlich handelt es sich bei Poison explizit nicht um ein Jugendbuch. Die angekündigten Sexszenen machen das deutlich klar. Komischerweise ist der Rest des Buches dann aber doch eher jugendbuchig. Angefangen bei der märchenhaften Covergestaltung und den verspielten Illustrationen im Innenteil, die man sonst nur in Kinderbüchern antrifft. Inhaltlich hat sich die Autorin mehr an der Disneyvorlage orientiert als am ursprünglichen Märchen (Stichwort: Zwerge mit Namen wie Dreamy und Grumpy). Auch sprachlich ist Poison nicht gerade der weite Wurf, eher auf dem Niveau eines Lesers ab ca. 10-12 Jahren, und das trägt im Gesamtbild dazu bei, dass die Autorin den Eindruck vermittelt, nicht gewusst zu haben, was dieses Buch am Ende eigentlich werden sollte.

Poison ist als Titel vermutlich die einzig gelungene Idee an diesem Machwerk, denn das Buch verstärkt so ziemlich alle negativen Vorurteile, die man gegen das jeweils andere Geschlecht haben kann. Man spürt den Hass praktisch wie Gift durch die eigenen Adern fließen, aber ob das mal so gesund für das Zusammenleben mit anderen ist? Männer jedenfalls sind alle Schweine oder Psychopathen oder Killer oder Vergewaltiger oder alles auf einmal, Frauen sind alle geld-/machtgeil oder Schlampen oder launenhaft oder naiv (oder alles auf einmal …). Noch Fragen? Und entschuldigt die plumpe Wortwahl, es gibt leider Momente, da sollte man es einfach nicht höflich umschreiben.
Wer hier also schon etwas sensibilisiert ist für das Thema, sollte tunlichst die Finger von dem Buch lassen. Schlechte Laune und Abscheu für das andere, aber auch für das eigene Geschlecht, sind garantierte Folgeerscheinungen. Um es kurz zu sagen, Poison liefert ein Happily ever after für die schlechten Menschen ab und lässt alles andere offen, um auch hier noch ein letztes Mal Frustration zu schaffen. Damit ist Poison nicht nur als Märchennacherzählung eine Enttäuschung, es lässt einen auch bereuen, Geld dafür zum Fenster hinaus geworfen zu haben.

Cover von Der Prinz und der Feuervogel von Patricia A. McKillipDer Feuervogel ist ein prächtiges Wesen voller magischer Kräfte. Mit einem Schrei, der so schrecklich ist, daß kein menschliches Ohr ihn erträgt, verwandelt er alles, was ihm in die Quere kommt, in Gold und Edelsteine. Als aber der Mond über den Mauern von Ro Haus aufgeht, verwandelt sich dieser seltsame Vogel in einen jungen Mann, auf dem ein dunkler Fluch lastet. Fast zur selben Zeit stört noch jemand den Frieden von Ro Haus: Ein fremder Magier, der die Gestalt eines weißen Drachen annehmen und die Zeit anhalten kann. Er benötigt einen Schlüssel, der in Ro Haus versteckt gehalten wird, und will ihn unbedingt an sich bringen. Dazu entführt er Meguet, die Wächterin des Jungen Schwans, in seine Heimat, wo unsichtbare Drachen das Land beherrschen.

-“Ja”, flüsterte er. “Der Vogel schreit um Hilfe – er verwandelt seine Schreie in Edelsteine, Gold, in irgend etwas Wertvolles, das ins Auge fällt.” “Woher wußtest du, daß du hier Hilfe finden kannst?” “Der Vogel wußte es.”-
Kapitel 3

Man könnte den Roman Der Prinz und der Feuervogel (The Cygnet and the Firebird) durchaus unabhängig vom ersten Teil des Cygnet-Zyklus Die Zauberin und der Schwan (The Sorceress and the Cygnet) lesen. Die beiden Bände hängen nur relativ lose miteinander zusammen, und man dürfte kaum Verständnisschwierigkeiten haben, wenn man den ersten Band nicht gelesen hat.
Für den Lesegenuß und das Verständnis ist es jedoch besser, die chronologische Reihenfolge einzuhalten.
Die Geschichte wird vom englischen Originaltitel The Cygnet and the Firebird (“Der Junge Schwan und der Feuervogel”) wesentlich besser umrissen, der verwendete deutsche Titel ist etwas irreführend. Die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches ist ebenfalls verdreht und bringt Patricia McKillips poetischen Roman erheblich durcheinander. Genau genommen stimmt eigentlich gar nichts von dem, was da zusammenfassend auf der Buchrückseite vom Verlag geschrieben wurde, und man hat, wie auch beim ersten Teil, das Gefühl, dass dieser Band wohl eher für den Bahnhofsverkauf konzipiert wurde. Diese Ausgabe dürfte auch kaum von einem Lektor mit großem Aufwand nachbearbeitet worden sein, denn es häufen sich auch hier zum Teil gravierende Rechtschreibfehler. Darüber hinaus wurde qualitativ schlechtes Papier verwendet und auch das nicht eben gelungene Cover vervollständigen den Eindruck einer lieblosen Produktion.
So wenig das Äußere dieses Taschenbüchleins zum Schmökern und Lesen einlädt, so schade wäre es, ließe man es sich entgehen:
Die Handlung des zweiten Teils spielt in einem Land, das von seinen Gegebenheiten ein wenig an den vorderen Orient erinnert, und seine magische Natur, die sich vollständig von jener in Ro Holding unterscheidet, ist das zentrale Thema dieses Buches:
Es ist ein Roman voller Exotik, und dem Zauber, den eine Kultur auf einen fremden Besucher ausüben kann, nämlich die des Landes Saphier und der Wüste Luxour, in der immer wieder Schatten von Drachen beobachtet werden. Die geisterhafte Anwesenheit dieser legendären Geschöpfe macht die Luxour zu einem Ort voller traumgleicher, geheimnisvoller Magie.
Patricia McKillip beschreibt das Wesen der Drachen auf eine neue und eigentümliche Weise. Ihre Drachen sind keine “greifbaren” Geschöpfe, wie sie sonst in den Märchen, Sagen und Legenden der Welt vorkommen. Man ahnt hier lange Zeit nur ihre Präsenz, man glaubt zum Beispiel “aus dem Augenwinkel” hier mal eine Flügelspitze zu entdecken oder dort mal ein Auge oder eine Klaue aufblitzen zu sehen. Sie tauchen in den Träumen einiger weniger auf und hinterlassen geheimnisvolle Botschaften. Bei manchen ist es eine unbestimmte Sehnsucht – bei anderen eine namenlose Furcht. Bei McKillip sind sie sehr mächtige magische Wesen, die nicht eindeutig gut oder böse sind, und die sich nicht für die armseligen menschlichen Begierden und Leidenschaften interessieren oder gar benutzen lassen.
Auch das mystisch-mythische Moment der menschlichen Protagonisten bleibt in diesem Teil des Romans erhalten, so dass man die typisch menschlichen Regungen nach wie vor fast vergebens sucht. Viele Figuren bleiben unnahbar und deren Beweggründe für ihre Handlungsweise sind genauso selten wirklich zu verstehen, wie das bei den meisten Figuren des ersten Teils der Fall war.
Patricia McKillip versteht es, ihre Romane so zu schreiben, als erzähle sie einen Traum: Ihre menschlichen Figuren sind meist halb feenhafter Natur mit Fähigkeiten, die weit jenseits unseres alltäglichen Erfahrungshorizontes liegen, und ihre Drachen sind keine unförmigen, häßlichen und grünbeschuppten Ungeheuer. Ihre Drachen sitzen nicht Jungfrauen verspeisend, Feuer spuckend und Angst und Schrecken verbreitend groß und plump auf irgendwelchen unermesslichen Schätzen, sondern sie schafft es mit ihrem magisch-poetischen Stil, sogar solche riesigen und beeindruckenden Wesen wie die Drachen in gleichsam nebelhafte Magie zu verwandeln …

Die Rache der Shadowmoon von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

– Obwohl ein Wolkenbruch auf die Straßen von Alberin niederprasselte und der Wind so stark war, dass man in den Böen nicht geradeauf laufen konnte, waren die beiden Männer, die gerade das Anwesen verlassen hatten, erleichtert, wieder im Freien zu sein. –
Prolog

Zu Die Rache der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon.

Cover des Buches "Die Rebellin" von Trudi CanavanZwar wird das Land Kyralia von einem König regiert, doch verfügt die Gilde der Magier über große Machtbefugnisse. Das Mädchen Sonea lebt als Straßenkind in der Stadt Imardin. Jedes Jahr ziehen die Magier durch die Straßen der Stadt, um die Bettler, Obdachlosen, Straßenkinder und sonstiges Gesindel aus der Stadt zu jagen. Die Mitglieder der Gilde sind dabei durch ihre Zauberkräfte geschützt, doch als Sonea einen Stein auf einen der Magier schleudert, bricht der getroffen zusammen. Das kann nur bedeuten, dass das Straßenkind  über magische Kräfte verfügt. Wenn es der Gilde nicht gelingt, Sonea zu fangen, und sie auszubilden oder ihre Zauberkräfte unschädlich zu machen, dann wird sie zu einer Gefahr für sich selbst und für Imardin.

-In Imardin, so heißt es, habe der Wind eine Seele und pfeife heulend durch die schmalen Straßen der Stadt, weil das, was er dort finde, ihn mit Trauer erfülle.-
1.Teil 1. Die Säuberung

Die Rebellin (The Magician’s Guild) ist keine Sekunde langweilig, und das ist in diesem Fall wirklich bemerkenswert, da der Leser nach wenigen Seiten im Großen und Ganzen weiß, wie der erste Band der Trilogie enden wird.

Im ersten Teil des Romans, der sich über 290 Seiten erstreckt, bemühen sich die Magier, Soneas habhaft zu werden, und es ist völlig klar, ob ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden oder nicht. Die Spannung hält sich also in Grenzen. Trotzdem ist man keinen Augenblick versucht, das Buch aus der Hand zu legen, da noch genug Interessantes geboten wird. Soneas magische Fähigkeiten werden im Verlauf der Handlung immer größer, gleichzeitig unkontrollierbarer und damit gefährlicher. Das Mädchen wird von einer Bande von Dieben vor den Magiern versteckt, die eine Art krimineller Gegenentwurf zum königlichen Hofstaat ist. Der junge Leser kann sich nie sicher sein, ob nicht einer der Diebe die Belohnung für die Auslieferung Soneas kassieren will und zum Verräter wird.
Auch bei den Magiern gibt es Gute und Böse, von denen so mancher sein eigenes Süppchen kocht. Während einige es gut mit Sonea meinen, schmieden andere finstere Pläne.

Im zweiten Teil der Geschichte, der 242 Seiten lang ist, muss Sonea sich entscheiden, ob sie bei den Magiern bleiben und lernen möchte, ihre Zauberkräfte zu beherrschen, oder ob sie ihre Magie verlieren und als Straßenkind weiterleben will. Auch dieser Konflikt trägt nicht über 242 Seiten, da von Anfang an klar ist, wie Soneas Entscheidung ausfallen wird. Trotzdem gilt auch hier das gleiche wie für den ersten Teil. Langweilig wird es nicht, denn der böse Magier verfolgt seine Ränke auf so intrigante Weise, das man nicht nur wissen möchte, wie dieser Roman endet, sondern auch noch neugierig auf den zweiten Teil der Trilogie ist.

Cover von Der rote Löwe von Mária SzepesHans Burger, geboren im Jahr 1535, verläßt schon früh sein trostloses Elternhaus und verdient sich seinen Lebensunterhalt als Hausbursche in einem Gasthaus. Dort lernt er den Alchimisten Rochard kennen, der den wißbegierigen Jungen bei sich aufnimmt und ihn in die Wissenschaft der Weißen und Schwarzen Magie einweist.
Schon bald entdeckt Hans, daß sein Lehrmeister das Geheimnis des ewigen Lebens kennt, ein Elixier mit Namen “Der Rote Löwe”…

– Adam Cadmons Brief erreichte mich vor vielen Jahren im Sommer 1940 in jenem kleinen Haus, von dem außer einigen engen Freunden niemand etwas wußte. –

Mária Szepes ist eine wunderbare Erzählerin. Ihre Sprache ist kraftvoll, präzise und sehr plastisch, so daß der Leser die Beweggründe ihrer Charaktere, deren Emotionen und Beziehungen untereinander sehr gut nachvollziehen kann. Leider ist die Autorin nicht beim reinen Erzählen geblieben.

Der rote Löwe (A vörös oroszlan) ist in drei Teile gegliedert. Schon in den ersten beiden Teilen gibt es einige Abschnitte, in denen die Sprache sehr ins mystisch-esoterische abgleitet und die daher reichlich abgehoben wirken. Man könnte dies noch als Versuch der Autorin ansehen, eine Atmosphäre zu schaffen, die die Handlungsweise der Protagonisten verdeutlicht -zwar etwas störend, aber vertretbar. Am Anfang des dritten Teils wird aber unmißverständlich deutlich, daß Szepes nicht nur eine Geschichte erzählen will, sondern daß sie versucht, eine neue Religion, bzw. eine esoterische Weltanschauung zu etablieren. Und tatsächlich ist Mária Szepes die Gründerin einer esoterischen Schule. Der Leser merkt die Absicht und ist verstimmt, jedenfalls dann, wenn er Romane liest, um sich zu unterhalten und nicht, um indoktriniert zu werden. Die Autorin tritt stellenweise unverhüllt hinter ihren handelnden Personen hervor und propagiert plakativ ihre esoterische Philosophie. Dies vergällt einem völlig die Lust an einem ansonsten gut geschriebenen Roman und trägt auch die Schuld daran, daß das Ende äußerst unbefriedigend ist.
Ein Wort an den Verlag: Da man nicht von jedem Leser, der das Buch zufällig in die Hand bekommt, annehmen darf, daß er sich mit dem esoterisch/alchimistischen Fachvokabular auskennt und dazu noch so gut in Latein ist, daß er die lateinischen Wörter und Inschriften versteht, von denen hier die Rede ist, wäre ein Glossar am Ende des Buches angebracht.

Der Schatten der Scheuermagd von Lord DunsanyDer junge Ramon Alonzo wird von seinem Vater, dem verarmten Lord of the Tower and Rocky Forest, zum Haus eines Magiers tief im Wald geschickt, um dort die Kunst des Goldmachens zu erlernen. Dort als Lehrling aufgenommen, erfährt Ramon Alonzo gleich am ersten Abend die Geschichte der alten Scheuermagd: einst gab sie dem schwarzen Magier ihren Schatten im Tausch für ein ewiges Leben, aber seitdem ist sie an dessen Haus gebunden. Ramon Alonzo schwört sich, ihren Schatten zu retten und sie zu erlösen. Doch der Magier verlangt auch von Ramon Alonzo eine Bezahlung für das erteilte Wissen.

Zu Der Schatten der Scheuermagd liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Schatten über Ombria von Patricia A. McKillipNach dem Tod des Fürsten von Ombria setzt sich die machthungrige, alte Hexe Domina Perle als Regentin für den kleinen Thronerben Kyel ein und reißt die Macht über die Stadt an sich. Um den Jungen zu kontrollieren, verjagt sie außerdem alle Menschen, denen wirklich etwas an ihm liegt. Nur Kyels erwachsener Cousin bleibt, doch der scheint ausschließlich mit seinen Kohlezeichnungen beschäftigt zu sein. Dabei entwickelt er eine besondere Faszination für Schatten und zeichnet immer wieder vom Licht vergessene Türen, Fenster und Durchgänge, die alle in die Schattenwelt Ombrias führen. Und auch in dieser Welt leben Wesen, die sich um die Zukunft des kleinen Prinzen und der Stadt sorgen.

-Während der Herrscher der uralten Stadt Ombria im Sterben lag, glitt seine Geliebte, verscheucht vom eisigen Blick der Domina Perle, wie ein Vogel auf einer Welle aus dem Raum, durch Kyel Greves unbewachte Tür, bis sie an sein Bett stieß, wo er mit seinen Puppen spielte.-
Eins- Rose und Dorn

Einfach zu lesen sind Patricia McKillips Geschichten nicht.
Ihre Sprache ist mehr Poesie denn simple Prosa und wie man bei Gedichten mehrmals hinschauen muß, um hinter die Worte zu sehen, so auch bei Patricia McKillips Romanen: Für ihre Bücher sollte man sich Zeit nehmen – man sollte die Worte und Sätze, die heraufbeschworenen Bilder in sich wirken lassen. Ich betone das absichtlich gleich zu Anfang, weil oftmals vor Beginn einer Lektüre das Lesen des Klappentextes steht, aber dieser ist schlicht mißlungen.
Da werden Tatsachen verdreht und es werden Figuren falsch dargestellt. Kaum ein Satz dieser kurzen Inhaltsangabe gibt den sehr poetischen Roman richtig wieder, so daß man sich die Frage stellen muß, ob das Buch vorher vom Verfasser aufmerksam gelesen wurde.

In Schatten über Ombria (Ombria in Shadow) geht es vor allem um Politik – um die häßliche Seite der Politik, die sich wohl überall im Verborgenen und Geheimen abspielt. Hier ist dafür von der Autorin ein recht greifbares Bild geschaffen worden: in Gestalt des Palastes, der sich hoch über der Stadt erhebt.
Es ist ein Gebäude, in das ein zweites hineingebaut wurde: Auf der einen Seite der offen zugängliche Palast, in dem sich das Leben abspielt, welches nach außen gezeigt werden soll. Hier gibt es weite Flure, helle und gepflegte Räume mit großen Fenstern, die auf den Garten oder das Meer blicken. Hier finden offizielle Ratssitzungen, aber auch rauschende Feste statt. Die Autorin versinnbildlicht hier, mit diesem schönen und sichtbaren Teil des Palastes, gleichsam die “Tag- oder Lichtseite” dieser Welt. Auf der anderen der verborgene Palast, dessen Zugänge nur wenigen bekannt sind. Dieser “unsichtbare” Palast, in den das Tageslicht niemals dringt und der nur über versteckte Türen zugänglich ist, stellt gleichsam die “Nacht- oder Schattenseite” dar. Auch die Stadt selbst ist in eine Tag- und Nachtseite, in eine Licht- und Schattenwelt geteilt, die Patricia McKillip mit fein gezeichneter Poesie wunderschön heraufzubeschwören versteht.

Die Geschichte beinhaltet nur einen Handlungsstrang, der sich im Palast, in den Straßen der Stadt bzw. darunter abspielt. Das umliegende Land wird ein ums andere Mal kurz erwähnt, aber die Handlung führt niemals dorthin. Der Roman ist in überschaubare Kapitel eingeteilt, in denen meist jeweils eine der Hauptfiguren im Vordergrund der Ereignisse steht. Die drei wichtigsten, Lydea, Ducon und Mag, begleitet man auf ihren Wegen durch Palast, Stadt und Geschichte. Man begegnet mit ihnen zusammen interessanten, bedrohlichen, gefährlichen und wichtigen Gestalten, die alle mehr oder weniger ihren Teil zum seltsamen Ende der Geschichte beitragen.
Es ist an einem selbst, die Rollen der Figuren zu interpretieren und an die “richtige” Stelle zu rücken. Jeder wird in dieser poetischen Geschichte etwas anderes lesen und jeder Leser wird seine Sichtweise dazu haben, denn es fällt schwer, sich mit einem oder mehreren der Protagonisten zu identifizieren. Einerseits liegt das an der Erzählweise der Autorin: man liest die Geschichte, als würde man einen Film oder ein Theaterstück ansehen. Man ist gewissermaßen nur Zuschauer und betrachtet alles von außen. Zweitens sind einige der Charaktere mit Fähigkeiten und physischen Eigenheiten ausgestattet, die es einem schwermachen, sich die betreffende Person bildlich vorzustellen und last but not least sind einige Vorgänge in der Erzählung einfach schwierig zu (be)greifen.
Licht und Schatten, Tag und Nacht werden als Metapher für zwei Welten gebraucht, die nebeneinander bzw. ineinander existieren, die sich gegenseitig im Gleichgewicht halten, sich aber niemals überschneiden dürfen. Beide Welten durchdringen sich gegenseitig mit Macht und Magie – sie sind davon durchwoben.

Es lohnt sich, Schatten über Ombria mehrmals zu lesen, denn erst dann werden die Poesie und der Sinn hinter den Worten der Geschichte deutlicher. Wenn man manche Konsequenzen im Handlungsverlauf erst einmal nicht verstanden hat, weil man beim ersten Lesen vielleicht ein wichtiges Detail überlesen hat, wird einem das beim zweiten oder dritten Mal eventuell klarer. Dennoch muß man sich die Erklärung für manche Dinge und Ereignisse aus zahlreichen Andeutungen und Anspielungen selbst zusammenreimen.
Das mag vielleicht der einzige Wermutstropfen in dieser wunderbaren Geschichte sein …

Schattenbruch von Markolf HoffmannNoch immer kämpfen die Menschen auf Gharax verzweifelt gegen die einfallenden Echsenwesen, die Goldéi, an – doch nach wie vor ohne Aussicht auf Erfolg. Nicht einmal die von Baniter Geneder herbeigeführte Verbindung des Kaiserreichs Sithar mit seinem Nachbarn Arphat kann gegen die einfallende Macht bestehen, zumal der junge Kaiser und seine Frau, die arphatische Herrscherin, gegeneinander intrigieren. Baniter selbst ist ein Gefangener des Kaisers, während sich über der Hauptstadt Vara langsam das Unheil zusammenbraut.
Derweil versuchen die beiden verfeindeten Legenden Mondschlund und Sternengänger ihre jeweiligen Verbündeten in den Kampf zu ziehen, doch diese vertrauen ihren Mentoren nicht vollends – wie es aussieht, zu recht.

-Tief im Gestein schwelt uralter Haß. Zwischen Schichten aus Erz und Granit, Ton und Kies wohnt eine Kraft, die uns Menschen verachtet, unser Fleisch, unser pochendes Herz, das Blut, das durch unsere Adern peitscht.-
Prolog

Mit einem abermals äußerst eindrucksvollen Prolog nimmt Markolf Hoffmann die vielen komplex verstrickten Fäden seiner Erzählung wieder auf – und das größte Manko an Schattenbruch ist wohl, daß er sie in diesem immerhin vorletzten Band der Reihe nicht einmal ansatzweise entwirrt, so daß man am Ende nur wenig klüger ist und sich in keiner Weise ausmalen kann, wo der Autor denn mit all seinen Handlungssträngen hin will. Daher entsteht trotz der diesmal actionreichen und vielseitigen Handlung das Gefühl, im Prinzip auf der Stelle zu treten: Es werden keine Zusammenhänge aufgeklärt, die fragwürdige Loyalität und Moral aller Figuren bleibt erhalten und gerade zu den beiden großen Gegenspielern im Hintergrund der Geschichte, Sternengänger und Mondschlund, gibt es keine näheren Informationen.

Wenn die Kontinuität in Hoffmanns Informationspolitik auch ein wenig störend ist – an anderer Stelle ist sie hochwillkommen: Wie bereits in den Vorgängerbänden kann man sich an einem schönen und sich vom Einheitsbrei abgrenzenden Sprachstil erfreuen, der wie gehabt auch sprachliche Experimente beinhaltet (die wiederum nicht jedes Lesers Fall sein dürften). Abgesehen davon, daß nicht alle diese Experimente ganz rund laufen, finden sich in Schattenbruch wieder etliche stilistisch überzeugende Elemente, und man kann sich von einem erweiterten Wortschatz, der durchaus auch antiquierte Wortbedeutungen enthält, verwöhnen lassen.

Die Handlung vermag nach wie vor zu fesseln, wenn man auch nicht umhin kommt, zu fragen, wie dieser Knoten im Abschlußband denn ohne brutalen Schwerthieb gelöst werden soll – interessante Ideen, die sich wohltuend vom mittelaltertümelnden Standard abheben, gibt es zu Hauf, und die moralisch ganz und gar nicht einwandfreien Figuren, bei denen so gar kein Auge zugedrückt wurde, so daß sie allesamt mehr schlechte als gute Seiten haben, sind farbig, entwickeln sich und haben Tiefe. Aber gerade hier vermißt man nach wie vor ein wenig Herzblut. Auf den ersten Blick erscheinen die Figuren fast oberflächlich – aber was fehlt, ist schlichtweg ihre Gefühlsebene. Die emotionale Bindung der zahlreichen Charaktere an den Leser wurde beinahe komplett ausgespart und deswegen sind sie nicht selten schwer nachvollziehbar. Den Verzicht auf das vermeintlich billige Wechselbad der Gefühle mag ja ein ehrbarer Ansatz sein, aber die so geschaffene Distanz von Leser und Figur trägt nicht dazu bei, daß man sich locker-leicht auf die Ebene der Geschichte und der Welt Gharax begeben kann.
Ein abgeschlossenes Leseerlebnis hat Schattenbruch übrigens nicht zu bieten – alle Handlungsstränge enden in einem Cliffhanger. Fesselnd genug, zum Folgeband zu greifen, ist das Zeitalter der Wandlung gewiß. Aber mit fortschreitender Dauer hätte man sich in vielfacher Hinsicht etwas mehr als das gewünscht …

Die Schlacht der Shadowmoon von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

– Am fünften Tag nach der Abreise aus Glasbury kam die Reisegarde in Sichtweite des Kapfanggebirges, einer noch jungen Bergkette mit spitzen Gipfeln und scharfen Graten, nahezu frei von sanften und abgerundeten Hängen. –
Drachenschule

Zu Die Schlacht der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon.

Cover von Der Schwalbenturm von Andrzej SapkowskiDunkle Vorzeichen rauben rund um die Herbst-Tagundnachtgleiche Menschen auf dem gesamten Kontinent den Schlaf. Ciri ist in Gefahr, ihr Treiben mit den Ratten, ihre Abstammung und ihre Bestimmung führen dazu, dass sie von vielen Akteuren fieberhaft gesucht wird, und der unerbittliche Kopfgeldjäger Bonhart ist ihr dicht auf den Fersen. Wesentlich dichter als der Hexer, der sich mit seinen Begleitern kaum aus den Mühlen des Krieges befreien kann …

 – Die Ziegenmelker sangen mit wilden Stimmen die Totenklage, den Himmel jedoch bedeckten Wolken, die den Rest des Mondlichtes auslöschten. Da begann eine schreckliche Beann’shie zu heulen, die jemandes raschen und gewaltsamen Tod ankündigte, und am schwarzen Himmel preschte die Wilde Jagd einher – ein Heerhaufen flammenäugiger Gespenster auf Pferdegerippen, mit laut flatternden Fetzen von Kleidung und Standarten. – S. 9

Andrzej Sapkowskis Der Schwalbenturm (Wieża Jaskółki) ist der vorletzte Band der Hexer-Reihe und hat mit dem zu erwartenden Problem zu kämpfen, die verschiedenen Handlungsfäden langsam in Richtung Finale zu führen … oder eben auch nicht.

Auf den ersten Seiten des Romans wird ein kurzer, augenzwinkernder Überblick über die wichtigsten Personen gegeben, die von den dunklen Erscheinungen heimgesucht werden (gesegnet sind diejenigen, bei denen der Abstand zum vorangegangenen Band Feuertaufe nicht zu groß war). Man könnte sagen, dies ist bezeichnend für den gesamten Roman, denn Sapkowski bietet eine Vielzahl von Perspektiven auf die Ereignisse der Geschichte. Dabei verschachtelt er die mitunter auch zeitlich zueinander versetzten Erzählebenen durchaus geschickt, vieles wird in Rückblenden erzählt, die zumeist tatsächlich als Erzählung beginnen, bevor Sapkowski direkt ins Geschehen springt. Die zahlreichen Perspektivenwechsel binden größere politische Ereignisse ein und verweben kleinere Geschichten von Nebenfiguren mit der Hauptstory. Allerdings scheint diese Multiperspektivität etwas auf Kosten Geralts und seines Erzählstrangs zu gehen, Ciri hat längst seinen Platz als Hauptfigur eingenommen und macht dem alle Ehre. Ihre dramatische und grausame Geschichte, ihre undurchsichtige Bestimmung und die Entwicklung, die ihre Person durchlaufen hat, machen sie zu einer unglaublich spannenden, ambivalenten Figur, die außerdem noch einen nicht weniger interessanten Sidekick erhält, der gut zu ihr passt, obwohl oder gerade weil die beiden so gegensätzlich erscheinen.

Daneben weist der Band die bereits aus den Vorgängern bekannten Stärken auf: Geschickt eingestreute moralische Dilemmata, eine vielschichtige Welt und augenzwinkernden Humor. Allerdings ist dies der bisher brutalste und düsterste Teil des Geralt-Zyklus, vielleicht ex aequo mit Die Zeit der Verachtung, hier wie da ist besonders Ciris Geschichte davon betroffen. Wie sich das Finale in Die Dame vom See gestalten wird, lässt sich auch am Ende des vorliegenden Bandes kaum erahnen, aufgrund der Multiperspektivität wirkt er manchmal etwas disparat und das rätselhafte Ende verlangt geradezu danach, dass man sofort den nächsten Teil der Reihe liest. Man darf gespannt sein, ob dieser es schafft, die Geschichten gelungen zusammenzuführen.

Cover des Buches "Das schwarze Einhorn" von Terry BrooksDrei seltsame Träume schicken Ben Holiday, den König des magischen Landes Landover, und seine Freunde auf Reisen. Ben besucht seinen alten Partner Miles in Chicago, Questor, der Hofzauberer, holt die verschollenen Zauberbücher und die Sylphe Weide sucht das schwarze Einhorn, von dem Legenden schlechtes zu berichten wissen. Doch die Träume sind ein Trick von Meeks, dem bösen Hexenmeister. So gelingt es ihm mit dem König zurück nach Landover zu gelangen. Dort verzaubert er sich und Ben, so dass Meeks wie der König erscheint und Ben wie ein Fremder. Wird es Ben rechtzeitig gelingen, den Trick, mittels dessen Meeks ihm seine Macht nahm, durchschauen?

-Das schwarze Einhorn tauchte aus den Morgennebeln, fast als sei es aus ihnen entstanden, und blickte über das Königreich Landover.-
Prolog

Die Welt dieser Geschichte ist dieselbe wie in Ein Königreich zu verkaufen, nur konzentriert sich der Autor in Das schwarze Einhorn (The Black Unicorn) noch stärker auf den Handlungsablauf, so dass kaum Platz für Neues ist und ein paar alte Dinge nur noch erwähnt werden, aber selber keine Rolle mehr spielen, wie die Herren des Grünlandes und die Trolle. Mit Ausnahme von Weide und ihrem Vater dem Flussherren, werden die bekannten Figuren auch nicht weiter entwickelt.
Neu hinzu kommt die Erdmutter, welche die Hüterin des Landes ist; vom Konzept her ähnlich wie Tom Bombadil, nur nicht so gelungen, und Edgewood Dirk. Dirk ist eine Prismenkatze, ein mächtiges und undurchschaubares Elfenwesen, das viele andere nervös werden lässt. Er begleitet Ben auf seiner Suche nach sich selbst mit Ratschlägen, die zwar immer den Kern treffen, aber selten verständlich sind. Dirk ist der wahre Star der Geschichte, selten ist mir ein so sonderbarer Charakter untergekommen. Bis zum Schluss bleibt er unberechenbar.

Die Story ist eigentlich recht einfach: Weide sucht das Einhorn, während Ben Weide und seine verlorene Macht sucht. Dazu werden verschiedene Stationen besucht, z.B. der Flussherr, der Tiefe Schlund, etc. Aber man gewinnt dennoch nicht den Eindruck, dass hier alte Geschichten wieder aufgewärmt werden, denn die Stationen werden gut begründet miteinander verknüpft.
Die Geschichte erinnert von der Form her stark an eine klassische Detektiv-Geschichte: Ein Verbrechen wird begangen (Meeks stiehlt Landover) von einem Schurken mit persönlichem Motiv (Meeks will Macht). Der Detektiv und sein Sidekick (Ben Holiday und Edgewood Dirk) müssen eine Reihe von Indizien sammeln um das Verbrechen aufklären zu können. Es gibt am Ende sogar eine Aufklärungsszene, in der die kompletten Vorgänge noch einmal aufgerollt werden.

War der erste Band aufgrund seiner grotesken Situationen humorvoll, so versucht der Autor hier neben den grotesken Szenen mit Edgewood Dirk zusätzlich mittels gewollter Komik einige Szenen aufzulockern – was meiner Meinung nach nicht besonders gut gelingt, aber auch nicht sonderlich störend wirkt.
Lesen lässt sich der zweite Band unabhängig vom ersten da alle wichtigen Ereignisse kurz rekapituliert werden. Allerdings geht dann ein wichtiger Hinweis leider verloren und die Entwicklungen der Charaktere (Ben, Weide und der Flussherr) fallen weniger stark ins Gewicht.

Mit der Bewertung habe ich mich dieses mal sehr schwer getan; auf der einen Seite enthält die Geschichte einige hervorragende Elemente – sie ist sehr spannend, man fühlt sich zum miträtseln regelrecht gedrängt, Edgewood Dirk ist großartig und die Auflösung halte ich ebenfalls für gelungen. Dass die Charaktere keine besondere Tiefe entwickeln stört mich hier nicht sonderlich, da in Detektiv-Geschichten so etwas nur ablenkt. Aber die Geschichte läuft etwas zu reibungslos ab, einiges ist zu konventionell und sprachlich sind manche Dinge ungelenk (der Sprachstil der Erdmutter). Letztlich meine ich aber, dass die positiven Elemente gerade beim ersten Lesen deutlich überwiegen.

The Shapechanger's Wife von Sharon ShinnDer junge, äußerst talentierte Magier Aubrey will seine Kenntnisse in der Zauberei vervollständigen und die Kunst des Gestaltwandelns erlernen. Sein Lehrmeister weigert sich allerdings, sie ihm beizubringen und verweist ihn an einen Meister dieser Disziplin.
Aubrey macht sich auf in die einsame Gegend mitten im Wald, die der berühmte Magier Glyrenden bewohnt – und trifft in dessen Haus auf allerlei seltsame Gestalten. Ihn fasziniert vor allem Glyrendens junge Frau, die ihren Mann offensichtlich haßt und dennoch an der Seite des charismatischen Magiers bleibt. Während Glyrenden Aubrey ausbildet, entdeckt dieser nach und nach das dunkle Geheimnis das Magiers.

-Until Aubrey arrived in the village to study with Glyrenden, he had no idea that the great wizard had taken a wife.-
One

Epische Breite, bombastische Action, eine Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren und Abenteuern kann The Shapechanger’s Wife (Im Zeichen der Weide) alles nicht bieten – und dennoch ist es ein Kleinod, das es gestattet, sich beim Lesen in eine andere Welt zu träumen. Liebhaber von poetischer, märchenhafter Fantasy liegen mit diesem Buch richtig und werden von der einfachen, kleinen Geschichte nicht enttäuscht werden.
Die sich langsam aufbauende Handlung ist so gut strukturiert, daß man förmlich die finsteren Wolken, die sich allmählich drohend über der anfänglich halbwegs normalen und friedlichen Szenerie zusammenballen, sehen kann. Gewalt und Grausamkeiten finden in diesem Roman hinter verschlossenen Türen statt, treten nur als Ahnungen auf und sind daher umso prägnanter.

Obwohl die Weltschöpfung hier nicht im Vordergrund steht, malt Shinn nach und nach ein schlüssiges und subtiles Bild ihrer Welt und läßt sie vor allem durch die Charaktere leben. Die Konstellation der Hauptfiguren – ein Magier, der selten zu Hause ist, seine frustrierte Frau und sein junger, empfindsamer Schüler – lassen auf eine einfache Liebesgeschichte schließen. Damit liegt man einerseits nicht ganz falsch, andererseits ist von kitschiger Romantik hier nicht einmal ein Echo geblieben. Die Perspektive ist während der ganzen Handlung bei Aubrey, und mit ihm errät der Leser nach und nach die Geheimnisse um Glyrenden und sieht sich mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert.

Shinn bedient sich dabei einer schlichten, und doch fast lyrischen Sprache (garniert mit einigen sprechenden Namen) die man mit viel Genuß lesen kann. Auf gut 200 Seiten ist zwar kein riesiges Panorama an Welt und Handlung zu erwarten, aber diese kleine feine Geschichte unterhält hervorragend, gibt einige Denkanstöße und hält außerdem ein sehr liebevoll gestaltetes Ende bereit, so daß sie in der Nachbarschaft der gängigeren mehrbändigen Werke durchaus bestehen und glänzen kann.

Das silberne Einhorn von Max KruseEin König verscherzt es sich mit einer mächtigen Fee, als er es versäumt, sie zum Geburtstagsfest seiner kleinen Tochter einzuladen, und steht fortan unter einem Fluch, der nur gebrochen werden kann, wenn der Fee eines der seltenen – vielleicht gar ausgestorbenen – Einhörner übergeben wird.  Geschieht dies nicht, bleibt der König zu ewiger Traurigkeit verdammt, was sich auch auf sein ganzes Reich äußerst nachteilig auswirkt. Herangewachsen begegnet die Prinzessin wider Erwarten tatsächlich einem silbernen Einhorn und macht sich mit ihm und ihrem Spielkameraden, einem Müllerjungen, zur fernen Insel der Fee auf, um den Bann zu brechen …

Diese Geschichte fängt an wie ein Märchen, das wir alle kennen. Und wie alle Märchen erzählt sie uns etwas über uns, was wir vielleicht noch nicht wissen.
(Die Fee)

Max Kruse dürfte den meisten Lesern wohl vor allem als Kinderbuchautor vertraut sein; seine für Jugendliche und Erwachsene bestimmten Werke (z.B. der historische Roman Hazard der Spielmann) haben nie einen vergleichbaren Bekanntheitsgrad wie die Klassiker Urmel aus dem Eis oder Der Löwe ist los erreicht. Mit Das silberne Einhorn. Eine Geschichte vom Wünschen richtet Kruse sich abermals an ein erwachsenes Publikum, aber wer mit einem regelrechten Fantasyroman rechnet, wird enttäuscht sein. Die kleine, feine Erzählung ist halb Märchen, halb Parabel und erörtert in scheinbar naiver Form manche Frage des menschlichen Daseins und des Umgangs miteinander.

Als vergleichbares Werk kommt einem noch am ehesten Antoine de Saint-Exupérys Der kleine Prinz in den Sinn, doch dessen melancholische Grundstimmung fehlt bei Kruse. Er zeichnet eher eine hoffnungsvolle Utopie, die in ihrer Tendenz, selbst lebensbestimmende Konflikte als überwindbar darzustellen, bisweilen fast ein wenig zu optimistisch anmutet. Doch in gewisser Weise ist dieser idealistische Glaube an Lernfähigkeit und Gutwilligkeit des Menschen durchaus subversiv, fühlt man sich doch gerade von dieser Überzeugung zutiefst in eingefahrenen und nicht selten etwas zynischen Denkmustern ertappt. Ist man dann erst einmal zu dem (gerade für den modernen Fantasyleser gewiss nicht immer einfachen) Eingeständnis gelangt, dass eine abgeklärt-pessimistische Weltsicht weder die einzig mögliche noch allein wünschenswerte ist, fällt es leichter, sich auf den Zauber von Kruses Geschichte einzulassen, die nicht zuletzt auch von ihrer poetischen und zugleich einfachen Sprache lebt. Ganz schlichte, aber treffende Wendungen wie “Sie wanderten durch den Sommer”, “Grau wurden die Bäume, grau wurden die Wiesen” oder “Sie waren umgeben von Bläue und Licht” beschwören eine märchenhafte Kulisse für die vordergründig simple Handlung herauf, die ihrerseits den Rahmen für zahllose kleine Einsichten und Erkenntnisse bildet.

Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder die Frage nach Entscheidungsgewalt, Zwang und Freiheit, teilweise auch in Situationen, die unterschwellig schon in anderen Werken Kruses anklingen und womöglich nicht ohne autobiographische Bezüge sind (so spielt z.B., wie in Hazard, ein Sohn, der zunächst die Mitarbeit im Betrieb der Mutter über das Ausleben eigener Träume stellt und sich dann doch unerwartet mit der Welt und der Frage nach seinen eigenen Wünschen konfrontiert sieht, eine zentrale Rolle).

Bemerkenswert ist in diesem Kontext auch, wie Kruse bekannte literarische Motive adaptiert und seiner eigenen Philosophie gemäß umdeutet. Zu denken ist dabei nicht nur an die leicht dornröschenhafte Ausgangssituation, sondern beispielsweise auch an den Topos der zum Dank für eine Lebensrettung gewährten Wunscherfüllung oder die Fähigkeit des Gestaltwandelns. Auch das titelgebende Einhorn selbst stellt eine interessante Uminterpretation bestimmter Züge des klassischen Fabeltiers dar und ist gleichwohl für ein derart mit Symbolik aufgeladenes Geschöpf erstaunlich niedlich. Dieser Hauch von Individualität, der ein Erstarren der Figuren in der Allegorie verhindert, trägt viel zum Charme der Erzählung bei.

Ihren Reiz für den genreerfahrenen Leser gewinnt sie aber vor allem auch daraus, dass sie einem vor Augen führt, dass sich aus den klassischen Zutaten wie Magie, Fabelwesen und verfluchten Königen auch etwas völlig anderes zusammensetzen lässt als typische Fantasy. Wer auch nur ansatzweise auf diese hofft, sollte sich wohl andere Lektüre suchen, aber wer seinen Spaß an liebenswert verpackten Lebensweisheiten hat und dabei vielleicht auch nicht böse ist, sich einmal in das wohlige Kinderbuchlesegefühl zurückflüchten zu dürfen, dass schon nichts ganz Entsetzliches in der Geschichte geschehen wird, kann die Begegnung mit dem Silbernen Einhorn genießen.

Son of Avonar von Carol BergSeri ist eine Dame aus einem der großen Adelshäuser von Leire, aber sie führt ein ärmliches und zurückgezogenes Leben in einem kleinen Dorf. Eines Tages findet sie einen nackten jungen Mann in der Wildnis, der nicht sprechen kann. Fast widerwillig kümmert sie sich um ihn, als sie erfährt, daß er gesucht wird – unter anderem von denselben Höflingen, die ihr einst großes Leid antaten. Sie ist vor Jahren für das schrecklichste Verbrechen bestraft worden: das Verstecken eines Zauberers.
Nach und nach erfährt sie mehr über ihren Schützling, seine Talente und seine Feinde – und statt ihn der Obrigkeit zu übergeben, schützt sie erneut einen Zauberer. Doch was es wirklich mit den magisch begabten Menschen auf sich hat, kann sie nicht annähernd erahnen.

-The dawn wind teased at my old red shawl as I scrambled up the last steep pitch of the crescent-shaped headland the villagers called Rif Paltarre – Poachers Ridge.-
Chapter 1

Bei Carol Bergs drittem Fantasy-Szenario hat sich im Vorfeld vor allem eine Frage gestellt: Hat sie es wieder getan? Die Antwort: Und ob! Wieder einmal sind sämtliche Hauptcharaktere zu Beginn der Handlung gebrochen, haben Schlimmes hinter sich und  sind mit dem Leben fertig – bis etwas in ihren Alltag dringt, das ihre Lebensgeister aufs neue weckt. Man erkennt deutlich, daß die Strukturen von Bergs Romanen große Parallelen aufweisen, und es bleibt auch nicht bei der standardisierten Ausgangssituation, die natürlich für die Charakter- und Plotentwicklung ganz andere Möglichkeiten bietet als ein junger Held an der Schwelle zum Erwachsenwerden.
Trotzdem ist Son of Avonar ein eigenständiger und durchaus mitreißender Roman geworden, der sich durch einen cleveren Aufbau in zwei Zeitebenen, die abwechselnd erzählt werden, wie am Schnürchen liest. Eine lebendige Welt und hervorragende Charaktere sind bei Berg garantiert, und was auch in dieser Reihe besonders hervorsticht, ist der extravagante Zugang zur Magie: Die klaren und stimmigen Formen, die sie in Bergs Welt annehmen kann, machen oft mehr her als der übliche “ich kann alles”-Zauberer der Fantasy.

Hauptfigur und Ich-Erzählerin Seri wächst einem schnell ans Herz, beeindruckt durch ihren scharfen Verstand und ihren Humor selbst in mißlichsten Lagen und handelt für den Leser immer nachvollziehbar, selbst wenn sie Fehler macht. In dem Handlungsstrang, der Seris Vergangenheit aufarbeitet (und dessen Ende durch die Gegenwartshandlung dem Leser bereits bekannt ist), steht weniger die Spannung als eine Liebesgeschichte im Vordergrund, deren Kitsch-Faktor sich durch Seris abgeklärte Erzählstimme in Grenzen hält.

Gegen Ende des Romans ist allerdings vieles vorhersehbar (besonders, wenn man schon einmal gelesen hat, welche Wendungen im Plot und den Figuren die Autorin gerne anbringt) – dennoch gelingt die ein oder andere Überraschung; und auch wenn sich manche Charaktere genauso entwickeln, wie man es erwartet hat, bleiben sie durch ihre einprägsame Ausgestaltung interessant. Zum Glück endet das Buch nicht mit einem Cliffhanger, obwohl auf Charakterebene einiges offen bleibt.
Nach wie vor gilt: Carol Berg ist die Autorin für die Kombination aus High Fantasy und tiefgreifender, schlüssiger Charaktergeschichte, allerdings wäre es schön, wenn sie sich mehr als nur Variationen desselben Themas zuwenden würde.

Sophie im Schloss des Zauberers von Diana W. JonesSophie ist gefangen in ihrem Leben als älteste von drei Töchtern. Als solche ist es ihr bestimmt, verantwortungsbewusst zu sein und außerdem den Familienbetrieb, ein Hutmachergeschäft, zu übernehmen. Diesem Schicksal hat die junge Sophie sich längst ergeben, als die teuflische Hexe der Wüste eines Abends ihren Hutladen betritt und das Mädchen ohne eine Erklärung in eine alte Frau verwandelt.
Jetzt, da Sophie sich nicht nur alt fühlt, sondern auch alt aussieht, flieht sie aus der Stadt und findet sich des nachts alleine in der Wildnis wieder. Dabei stolpert sie über das wandelnde Schloss des Zauberers Howl, von dem es heißt, er stehle die Seelen junger Mädchen und verspeise ihre Herzen.

-Im Lande Ingari, wo Dinge wie Siebenmeilenstiefel und Tarnkappen wirklich existieren, gilt es als ziemliches Pech, als ältestes von drei Geschwistern geboren zu werden. Alle wissen, dass das älteste Kind am schnellsten und am schlimmsten versagen wird, wenn die drei sich aufmachen, um ihr Glück zu suchen.-
1. Kapitel in dem Sophie mit Hüten spricht

Frau Jones hat hier eine zauberhafte Welt geschaffen, in der man selbst gerne ein paar Streifzüge machen würde. Das Ganze wird auf eine so humorvolle Weise verpackt, dass es schwer fällt, Sophie im Schloss des Zauberers (im Original: Howl’s Moving Castle) aus der Hand zu legen. Es ist wohl eines der wenigen Bücher, die  nachhaltig in Erinnerung bleiben und auch nach dem dritten, vierten und fünften Lesen noch immer Freude bereiten.

Zu verdanken ist dies wunderbar gezeichneten Charakteren, die von schrullig bis überdimensional wehleidig und wahrhaft seltsam alles abdecken. Wir haben hier eine grantige alte Dame mit Putzfimmel, einen Feuerdämon mit Existenzängsten, einen wahnsinnig mächtigen Zauberer mit einem ausgeprägten Eitelkeitsproblem, eine anhängliche Vogelscheuche, Hunde, die keine sind, und Zauber, über die man nicht sprechen kann. Mit einem außerordentlichen Gespür für Sprache haucht die Autorin der Welt Ingari und ihren verschiedenen kleinen Städten buntes Leben ein. Es bedarf tatsächlich nicht vieler Worte, um sich alles im Detail vorstellen zu können.
Die eigentliche Quest, den mysteriösen Vertrag zwischen Howl und dessen Feuerdämon Calcifer zu brechen, damit letzterer im Gegenzug Sophies Fluch aufhebt, wird dabei beinahe zur Nebensache, und doch wird das Buch nie langweilig oder sinnlos. Man erlebt die Handlungen und Entwicklungen der Charaktere so gerne und selbstverständlich mit, dass es einen mit Empörung zurück lässt, dass auch dieses Buch irgendwann enden muss.

Diana W. Jones gilt zwar als Kinderbuchautorin, und auch Sophie im Schloss des Zauberers wird offiziell als Kinderbuch gehandelt, dennoch wirken die vielen versteckten Anspielungen und Kniffe oft zu komplex für Kinder. Manches dürfte sich erst im Jugend- oder Erwachsenenalter tatsächlich erschließen, da es ein gewisses Maß an Allgemeinbildung oder auch emotionaler Entwicklung benötigt, um Anspielungen auf Hamlet, König Artus, Alice im Wunderland und Der Herr der Ringe zu erkennen oder auch Dinge wie die ersten Anzeichen von Verliebtheit  und Ironie. Denn der Humor springt einem hier nur selten mitten ins Gesicht.  Er zeichnet sich vor allem durch Wortwahl und teils hitzige Dialoge aus.
Vermutlich dürfte auch nicht einmal vielen Erwachsene auffallen, dass in dem Roman ein Gedicht von John Donne zu einem wichtigen Bestandteil der Handlung wurde.
Natürlich kann man Sophie im Schloss des Zauberers auch ohne das alles genießen, doch gerade diese Kleinigkeiten verleihen ihm seinen ganz eigentümlichen Charme. Die Verwendung bestimmter Begriffe, Namen oder bekannter Zitate unserer realen Welt geben dem Buch teilweise selbsterklärende Eigenschaften oder auch ein Gefühl von vertrautem Wiedererkennen.

Ungewöhnlich ist auch die Herangehensweise der Autorin an ihre Figuren. Anders als man es gewohnt ist, wird Sophie nach dem Tod ihrer Eltern nicht zum Spielball ihrer Stiefmutter. Nein, besagte Stiefmutter liebt sie sogar genauso sehr wie  ihre eigene Tochter, auch wenn die Autorin versucht, den Leser diesbezüglich auf eine falsche Fährte zu locken. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie Diana W. Jones sich den typischen Klischees der Fantasy in diesem Roman widersetzt und alles ein wenig anders macht.
Ein einziges Mal wurde die Autorin schwach und verlieh dem Roman ein so umfangreiches Happy-End, dass einem glatt schwindelig werden könnte. Alles andere hätte Sophie im Schloss des Zauberers allerdings seinen märchenhaften und ohnehin vor seltsamen Ereignissen strotzenden Charakter genommen. Man kann also getrost sagen, Frau Jones ist ihrer Linie vom ersten bis zum letzten Satz treu geblieben.

Obwohl die Übersetzerin der deutschen Ausgabe, Gabriele Haefs, hier eine sehr gute Arbeit abgeliefert hat, geht natürlich doch der ein oder andere Wortwitz verloren und die Sprache wirkt manchmal etwas zu betont einfach. Wer gerne auch mal auf Englisch liest, sollte daher zur Originalausgabe greifen. Einen empfehlenswerten Lesegenuss bieten aber durchaus beide Sprachen.
Ignorieren sollte man allerdings den Klappentext der deutschen Ausgabe, denn der hat nur bedingt etwas mit dem Buch zu tun.

Für diejenigen, die nicht genug kriegen können von Sophie, Howl und Calcifer, gibt es noch zwei weitere Bücher, die in Ingari angesiedelt sind: Ziemlich viele Prinzessinnen (Castle in the Air) und House of many ways (noch nicht ins Deutsche übersetzt). Es handelt sich dabei nur indirekt um Fortsetzungen, da die bekannten Personen lediglich kleinere Nebenrollen einnehmen. Für Fans von Sophie und Howl dennoch zu empfehlen.

Verfilmung:
Das Buch wurde 2004 von den Ghibli Studios in einer wunderbaren Umsetzung verfilmt. Hier gibt es auch eine ausführliche Besprechung dazu.

Sweetly von Jackson PearceVor zwölf Jahren sind Ansel und seine Schwester Gretchen im Wald verfolgt und knapp einem Monster, einer bösen Hexe, entkommen. Gretchens Zwillingsschwester hatte weniger Glück und ist seitdem verschollen. Niemand glaubt den beiden die Geschichte von der Hexe, und über die Jahre hinweg ist die restliche Familie zerbrochen, die Eltern im Kummer verstorben. Nun, da beide volljährig sind, setzt die Stiefmutter die beiden kurzerhand vor die Türe und die beiden Geschwister machen sich auf in den Süden, um ein neues Leben zu beginnen. Doch eine Autopanne zwingt sie einen Zwischenstopp einzulegen der sie näher denn je an die Hexe heranbringt …

– They burst from the woods onto their cool lawn. Get inside, get inside. Ansel flung the back door open and they stumbled in, slamming the door shut. Their father and mother ran down the stairs, saw their childen sweaty and panting and quivering, and asked in panicky, perfect unison:
»Where’s your sister?« –
Prologue, S. 6

Sweetly ist der zweite Roman von Jackson Pearce mit einer Märchenneuinterpretation. Der geübte Leser wird natürlich schon erkannt haben, dass die Autorin sich diesmal dem Märchen um Hänsel & Gretel gewidmet hat, und das Ergebnis ist ganz ansehnlich.
Wie schon bei Sisters Red wurden die Kernelemente des Märchens übernommen und zu einer erwachsenen, düsteren Version der Geschichte verarbeitet. An dieser Stelle muss auch wieder das sehr treffende und stimmungsvolle Buchcover gelobt werden, welches die Atmosphäre und Handlung des Romans perfekt einfängt.

Die Charaktere in Sweetly sind beinahe alle von Verlusten und Schmerz geprägt. Ein großes Thema des Romans ist daher, wie dieser durch Ursache und Wirkung mit den Beweggründen und Charakterzügen der Figuren verflochten ist. Anders als in Sisters Red tritt die Action da etwas mehr in den Hintergrund, auch taucht die Hexe selbst nur selten auf. Vielmehr spielt das Buch mit dem Nervenkitzel, wann sie in Erscheinung treten wird, und wenn sie es tut, dann wird es blutig und tragisch.
Gretchen und Ansel haben ein enges Verhältnis zueinander, der Verlust ihrer Schwester in jungen Jahren hat sie zusammengeschweißt. Jackson Pearce schafft ein sehr einfühlsames und realistisches Gefühl dafür, wie es sein muss, im Schatten einer verschwundenen – und vermutlich toten – Schwester aufzuwachsen, einer Tochter, einer Freundin; das ganze bisherige Leben um sich herum zerbrechen zu sehen und mit den psychischen Folgen klarkommen zu müssen. Verständlich, dass dieser Handlungsstrang nicht ohne eine gewisse Melancholie auskommt. Obwohl beide Geschwister sehr für den anderen sorgen und kaum andere Kontakte in ihrem Leben haben, freunden sie sich schnell mit Sophia an, einer Süßwarenbäckerin, die mitten im Wald lebt, als sie mit dem Auto in dem kleinen Städtchen Live Oak liegen bleiben. Beide blühen auf und gewinnen mehr individuellen Spielraum. Vor allem Gretchen, deren Leben sich beinahe nur um die Furcht vor dem Wald und die Frage drehte, warum sie überlebt hat und ihre Zwillingsschwester nicht, durchläuft einen großen Änderungsprozess. Sophia verbirgt jedoch selbst ein dunkles Geheimnis unter ihrem lieblichen Lächeln und macht deutlich, dass die Dinge nicht immer klar schwarz und weiß sind.

Etwas schade ist, dass die Handlung schnell durchschaut ist, während die Protagonisten länger dafür brauchen, zu denselben Erkenntnissen zu gelangen. Das nimmt dem Roman ein wenig den Antrieb. Auf der anderen Seite ist es schön, der Neuinterpretation zu folgen und zu entdecken, was die Autorin aus dem Märchen noch machen wird.

Sweetly ist wie Sisters Red ein in sich geschlossener Roman und kann völlig unabhängig von den weiteren Titeln in dieser Nacherzählungsreihe gelesen werden. Im Verlaufe von Sweetly zeigt sich aber, dass die Bücher zumindest einen gemeinsamen Nenner haben, der sie möglicherweise alle verbindet und ein Gesamtbild zeichnen könnte. Ob dem so ist und wie stark die Verbindung sein wird, dürfte sich sicherlich mit dem dritten Roman Fathomless zeigen.

The Tales of Beedle the Bard von J.K. RowlingMärchen gibt es schon seit Urzeiten in jeder Kultur. Auch die Zauberer und Hexen aus dem Harry-Potter-Universum haben ihre eigenen Märchen, die uns Muggles nun ebenfalls vorgestellt werden. Von springenden Zauberkesseln, über spitzfindige Hexen bis hin zum Zauberbrunnen begegnet der Leser allem, was das junge Herz begehrt.

– There was once a kindly old wizard who used his magic generously and wisely for the benefit of his neighbours. Rather than reveal the true source of his power, he pretended that his potions, charms and antidotes sprang ready-made from the little cauldron he called his lucky cooking pot. From miles around people came to him with their troubles, and the wizard was pleased to give his pot a stir and put things right. –
The Wizard and the Hopping Pot

LeserInnen der Harry Potter-Buchreihe wird The Tales of Beedle the Bard (Die Märchen von Beedle dem Barden) ein Begriff sein. Im siebten und letzten Band von Harry Potter, The Deathly Hallows (Die Heiligtümer des Todes), spielt eines der Märchen von Beedle dem Barden eine wichtige Rolle bei der Lüftung eines Geheimnisses rund um Schuldirektor Albus Dumbledore und ein paar sehr mächtiger, verschollener Gegenstände. Für sich betrachtet ist diese kleine Märchensammlung für heranwachsende Zauberer und Hexen aber gänzlich unabhängig von Harry Potter und seinen Abenteuern.

Man könnte The Tales of Beedle the Bard als magische Übersetzung der Märchen der Gebrüder Grimm und anderer betrachten. Was für uns das Rotkäppchen ist, ist für einen Ron Weasley vielleicht Babbity Rabbity.
Zwar werden hier insgesamt keine uns bekannten Märchen neu erzählt, doch sie erinnern gelegentlich daran und sorgen dadurch für ein vertrautes Leseempfinden. Da gibt es kurze Momente, in denen schießen einem bei Märchen wie The Hairy Heart Namen wie Dorian Gray (zugegeben, das ist kein klassisches Märchen) durch den Kopf, woanders fühlt man sich subtil an den Struwwelpeter oder Der süße Brei erinnert. Obwohl es oft nur wenige Kleinigkeiten sind, die diese Assoziationen auslösen, vermittelt das einen Bezug zu unserer vertrauten Welt und lässt die Märchen von Beedle greifbarer werden.

Wie es für Märchen üblich ist, sind The Tales of Beedle the Bard sprachlich sehr schlicht gehalten, auch für Leser mit wenig englischsprachiger Leseerfahrung kein Problem.  Es handelt sich natürlich auch um kurze Geschichten, die mit einer moralischen Botschaft aufwarten, ganz so, wie wir es von Märchen kennen. Autorin J.K. Rowling kopiert dabei das Wesen traditioneller Märchen sehr gut und baut auch solche Szenen ein, die man heute oft als nicht kindgerecht, brutal und gewaltverherrlichend bezeichnet. Sicherlich ist dies auch als Seitenhieb auf Kritiker alter Märchen gedacht, die der Meinung sind, abgeschnittene Daumen hätten in solchen Geschichten, seien sie auch Teil unseres literarischen Erbes, nichts zu suchen. Deutlich belegt wird dieser Standpunkt in einem Auszug über eine fiktive Autorin, welche die Märchen von Beedle neu erzählt hat – harmlos, zuckersüß, flauschig, kitschig rosa bis babyblau … und unerträglich zu lesen.

Da wir Muggles als nicht-Zauberer und nicht-Hexen aber auch viele erwähnte Namen und Hintergründe nicht ohne weiteres verstehen und die Moral der Geschichte dadurch verloren zu gehen droht, liefert diese Märchensammlung im Anschluss an die jeweilige Geschichte auch gleich eine Interpretation mit, die in Form von Albus Dumbledores persönlichen Notizen dazu daherkommt.
Die Autorin J.K. Rowling tritt in diesem Buch als eine Art Herausgeberin oder Muggle-Korrespondentin auf, die sich nur in Fußnoten zur weiteren Erläuterung einzelner Begriffe zu Wort meldet. So erzeugt sie den Eindruck, diese Sammlung sei von drei Personen zusammengetragen worden. Beedle der Barde, als eigentlicher Erzähler, Albus Dumbledore, als Analyst der Märchen und Rowling selbst, als Vermittlerin zwischen Zauberern & Hexen und uns den Muggle-Lesern.

Wer sich also gerne noch einmal als Kind fühlen und in die Welt der Märchen eintauchen möchte, dem bietet The Tales of Beedle the Bard die Gelegenheit dazu. Ob man solche Märchen nun seinen Kindern ebenfalls vorlesen möchte oder nicht, sei dabei jedem selbst überlassen, genug Anreiz bietet diese Märchensammlung für beide Gruppen, und Alpträume dürften sie keinem bescheren.

Ein Wort zur Aufmachung:
Bei der hier besprochenen Ausgabe handelt es sich um eine limitierte Sonderausgabe, die sehr aufwendig mit Ledereinband, Leseband, Samtbeschichtung und Buchschatulle in Goldschnitt-Manier erstellt wurde. Innenliegend findet sich nicht nur das eigentliche Märchenbuch, mit aus Metall gefertigten Fresken, die Elemente aus den Märchen zeigen, sondern auch eine Sammlung von ca. DIN A4 großen Skizzen der Illustrationen zum Buch. Der Text selbst spielt, dunkelblau auf weiß, mit verschiedenen Typografien, je nachdem, welcher der “drei” Autoren gerade das Wort hat. Die einfachen von Hand gezeichneten Illustrationen von J.K. Rowling zieren zusätzlich die Geschichten und runden das Gesamtbild eines Märchenbuches ab.
Die unten stehenden Angaben und das eingangs abgebildete Cover dagegen beziehen sich auf die handelsübliche Ausgabe, denn die limitierte Edition ist nur noch schwer und teuer zu bekommen. Da es sich aber eindeutig lohnt, die Sonderedition wenigstens einmal gesehen zu haben, hier ein paar bildhafte Eindrücke dazu:
The Tales of Beedle the Bard: Collector's Edition (1)

The Tales of Beedle the Bard: Collector's Edition (2)

Ein Tanz mit Drachen von George R.R. MartinDaenerys, die Königin der Drachen muss eine Entscheidung treffen. Während ihre wahre Liebe einem machtlosen Söldner gilt, muss die Königin der Drachen eine politisch vorteilhafte Wahl treffen für ihren zukünftigen Gemahl. Doch elcher ihrer Adligen Freier stellt den mächtigsten Verbündeten für die Eroberung Westeros dar?
Die Intrigen der Adligen interessieren das wahre Schlachtfeld jedoch nicht. Außerhalb der sicheren Mauern entscheidet sich das Schicksal Westeros’ im Kampf.

– Der Schädel ruhte auf einem Bett aus schwarzem Filz und grinste. Alle Schädel grinsten, aber dieser erschien fröhlicher als die meisten anderen. Und größer. –
Der Beobachter

Zu Der Sohn des Greifen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Der Sohn des Greifen und Ein Tanz mit Drachen.

Cover von Tore der Dämmerung von Robert NewcombDer Kampf gegen den grausamen Bund der Zauberinnen hat Eutrakien schwer verwüstet: Der Palast ist zerstört, der König und etliche seiner Untertanen sind getötet worden. Zwar wurden die Zauberinnen vertrieben, doch der Friede ist brüchig, der Stein, der alle Magie in sich vereint, verliert langsam an Kraft. Die Magie droht aus Eutrakien zu verschwinden und merkwürdige Dinge geschehen.
Prinz Tristan und der Zauberer Wigg werden mit einem machtvollen Zauberer konfrontiert, der ihnen überlegen ist. Wieder müssen sie um ihr Leben und für ihr Land kämpfen.

-Und daran werdet ihr ihn erkennen – den schändlichen Mutanten, der dazu bestimmt ward, das Volk gegen den Erwählten aufzuhetzen. Denn sein Denken wird gespalten sein – in das der magisch begabeten, aber auch in das der Verdammten …-
Prolog – Die Diener

Im Großen und Ganzen ist der zweite Teil der Trilogie seinem Vorgänger sehr ähnlich – sieht man davon ab, dass der Autor den exzessiven Gewalteinsatz größtenteils unterbunden hat. Der Rest – Handlung und Charaktere – erfährt leider keine größeren Veränderungen, sodass man am Ende genauso weit ist wie zu Beginn.
Besonders auffällig ist dieses Auf-der-Stelle-Treten beim Protagonisten Tristan. Während er im ersten Buch noch eine Entwicklung durchgemacht hat, passiert hier eigentlich gar nichts mit ihm. Aus unerfindlichen Gründen wird er von den Magiern noch nicht in Magie unterwiesen und steht so den neuen Gegnern mehr oder weniger passiv gegenüber. Shailiha, geheilt und jetzt Mutter, bekommt wenigstens noch eine größere Rolle. Wigg, tränenreich wie immer, und Faegan, kindgeblieben mit Anwandlungen zu seltsamem Verhalten, bleiben so, wie sie sind, ohne dass da irgendeine Entwicklung in Sicht wäre. Sie begehen sogar die gleichen Fehler wie im ersten Buch, indem sie Tristan nicht weiter auf die Rolle als Erwählter vorbereiten und sich stattdessen um sonst irgendetwas kümmern (müssen). Von den Nebenpersonen sind einzig Ragnar und Geldon einigermaßen interessant, über die anderen kann man kaum einen Satz verlieren.

Wenigstens die Handlung bekommt einige neue Aspekte. Ab der Mitte des Romans steigt die Spannung bis knapp vor dem Ende kontinuierlich an, sodass man fast von einem fesselnden Roman sprechen kann. Aber eben nur fast. Das eigentliche Ende kommt 50 Seiten zu früh und ist leider recht unspektakulär. Nachdem man die Hilflosigkeit von Tristan über die vielen Seiten hinweg verfolgen konnte, ist auch das Ende gezeichnet von der Passivität des Auserwählten, der nur beobachten und hoffen kann. Und da weder Magier noch Auserwählter irgendetwas gegen den Gegenspieler tun können, lässt sich das Ende einfach mit “Glück gehabt” zusammenfassen. Natürlich hat man dann ja noch fünfzig Seiten Zeit, das pure Glück ausreichend zu erklären, besser wird es dadurch aber auch nicht. Die fadenscheinigen Erklärungen erscheinen zwar im Zusammenhang durchaus nachvollziehbar, aber überzeugen konnten sie mich nicht. Dafür passieren einfach zu viele Zufälle. Durch das am Ende reichlich vorhandene Glück kommt auch niemand auf die Idee, das eigene Verhalten oder diverse Fehler zu hinterfragen – es ist ja auch so alles gut gegangen. Mal schauen, ob der Erwählte je die Magie beherrschen wird …

Cover des Buches "Trolle, Wichtel, Königskinder" von John Bauer (Illustrator)Trolle, Wichtel, Königskinder ist eine Sammlung von 29 Kunstmärchen verschiedener Autoren, die alle von John Bauer illustriert wurden. Nähere Angaben zum Inhalt findet Ihr in der Buchbesprechung.

-Allmählich wurde es ungemütlich für die Trolle im Großen Wald. Die Menschen verhielten sich immer aufdringlicher.-
Als sich die Trollmutter um die Wäsche des Königs kümmerte

John Bauers Märchenwelt ist in Schweden genauso beliebt wie es die Märchen der Brüder Grimm in Deutschland sind. Ihre große Beliebtheit verdankt die Sammlung aber nicht den in ihr enthaltenen Kunstmärchen bekannter und geschätzter schwedischer Autoren, sondern der Tatsache, dass der Jugendstilmaler John Bauer die Illustrationen dazu geschaffen hat. Ursprünglich erschienen diese Märchenbände jährlich von 1907 bis 1915. Als John Bauer den 1911 erscheinenden Band wegen eines Streits mit seinem Verleger nicht illustrierte, ging der Absatz schlagartig zurück.

Trolle, Wichtel, Königskinder (Bland tomtar och troll) ist ein wahres Kunstbuch. Natürlich soll man auch die Märchen lesen und vorlesen, die ebenso poetisch und stimmungsvoll sind wie die Bilder, aber es ist viel zu schade, um kleine Bücherwürmer unbeaufsichtigt mit ungewaschenen Fingern, unbeholfen und eselsohrgefährlich darin herumblättern zu lassen. 🙂

Die Märchen handeln -das wird Euch jetzt nicht völlig überraschen- von Trollen, Wichteln und Königskindern. Häufig tritt ein kecker, unbekümmerter junger Bursche auf, der einem gefährlichen Troll mutig und listig ein Schnippchen schlägt, es gibt aber auch einen kleinen Jungen, der einen Troll, der ihm übel will, mit seiner Zutraulichkeit und seinem Vertrauen außer Gefecht setzt und ein kleines vierjähriges Mädchen, das mit denselben Charaktereigenschaften einen verbitterten König erweicht. Manche Trolle sehnen sich nach der Menschenwelt, aber die Erkenntnis, die in diesen Märchen steckt, lautet, daß Trolle und Menschen unter sich bleiben sollten. Oft lehren die Geschichten auch, daß wahres Glück, Zufriedenheit und Reichtum nur durch rechtschaffene Arbeit erworben wird und nicht durch magische Wunscherfüllung.
Das anrührendste Märchen trägt den Titel Agneta und der Seekönig. Die schöne Agneta heiratet den Seekönig, der auf dem Grunde des Sees wohnt und lebt glücklich und zufrieden mit ihm und ihren Kindern bis sie eines Tages Glockengeläut hört. Sie erbittet sich von ihrem Mann die Erlaubnis am Gottesdienst teilnehmen zu dürfen. Der Seekönig ist entsetzt, gestattet es ihr aber und nimmt ihr das Versprechen ab, wieder zu ihm und den Kindern zurückzukehren. In der Kirche sieht Agneta ihren Vater und fängt an zu weinen. Der Gottesdienst dauert lange und plötzlich sieht Agneta, wie sich die Heiligenbilder abwenden. Der Seekönig ist gekommen und bittet sie inständig, nach Hause zu kommen, die Kinder sehnten sich nach ihrer Mutter. Aber sie weist ihn mit heftigen Worten zurück und bleibt bei ihrem Vater.
Dieses Märchen von Helena Nyblom bildet mit den Illustrationen von John Bauer eine besonders gelungene Einheit. Es ist zum Erbarmen, wie traurig der Seekönig nackt in der Kirche vor seiner Frau steht. Obwohl man ihn nur von hinten sehen kann, ist die Traurigkeit dieses Mannes, mit dem gesenkten Kopf und den hängenden Schultern, mit Händen zu greifen. Der Seekönig steht vor seiner Frau wie Jesus vor dem Volk, das “Kreuziget ihn!” brüllt. Eigentlich erzählt dieses Märchen von der Verdrängung des heidnischen Glaubens durch das Christentum, aber die Sympathien des Lesers und des Betrachters liegen eindeutig bei dem heidnischen König.

Cover von Der Vampir, der mich liebte von Charlaine HarrisSookie Stackhouse, 26 Jahre alt und Kellnerin von Beruf, hat sich gerade von ihrem Freund getrennt. Bill war ihr erster richtiger Freund, außerdem verlief die Trennung unter besonders unerfreulichen Umständen, deshalb fühlt sich Sookie ziemlich mitgenommen. Die Aussichten auf eine neue Beziehung sind eher gering, denn Sookie kann Gedanken lesen und das finden normale Männer eher abschreckend. Bill, den Vampir, hat diese Gabe nie gestört, Gedanken von Vampiren kann sie sowieso nicht lesen. Eigentlich ist Sookies Bedarf an Aufregungen für die nächste Zeit gedeckt. Aber es kommt noch schlimmer. In der Neujahrsnacht läuft ihr Bills Chef, der Vampir Eric, halbnackt und völlig verwirrt vor’s Auto. Er hat sein Gedächtnis verloren und nicht die geringste Ahnung, was mit ihm geschehen ist. Erics Stellvertreterin Pam kann Licht ins Dunkel bringen. Die skrupellose und mächtige Hexe Hallow will mit ihren Getreuen Erics Geschäfte übernehmen, außerdem forderte sie noch eine andere Dienstleistung, die der Vampir so schroff ablehnte, daß Hallow ihn wütend mit einem Fluch belegte. Daraufhin fand sich Eric in diesem derangierten Zustand auf der Straße wieder. Hallow hat für seine Ergreifung ein Kopfgeld ausgesetzt. Der Machtkampf zwischen Hexen und Vampiren hat begonnen. Sookie steckt unfreiwillig mitten drin und wäre dringend auf die Hilfe ihres Bruders angewiesen – doch der ist seit dem Neujahrstag verschwunden…

– Jetzt hätte ich meinen Bruder angerufen, wenn ich gewußt hätte, wo er war. Denn wenn du in deiner Küche ein Blutbad beseitigen mußt, hast du am liebsten die Familie um dich.-
Seite 300, Kapitel 13

Charlaine Harris gehört offensichtlich zu den Autoren, die das Vampir-Genre nicht sooo todernst nehmen. Das ermöglicht ihr, munter draufloszuschreiben und ihre eigene Vampirwelt zu erschaffen. Sie versucht erst gar nicht, berühmtere Kollegen wie Bram Stoker oder Anne Rice zu kopieren und das ist der Grund dafür, daß Der Vampir, der mich liebte (Dead to the World) ein witziger, unterhaltsamer Roman geworden ist und keineswegs eine kitschige Liebesschmonzette, wie der völlig verunglückte Titel vermuten läßt.
Die Geschichte spielt in Louisiana. Vampire leben offen unter den Menschen, seit die Untoten vor ein paar Jahren, am Abend der Großen Enthüllung, überall auf der Welt im Fernsehen auftraten, um von ihrer Existenz zu berichten. Dieser Schritt an die Öffentlichkeit wurde durch die Entwicklung von synthetischem Blut ermöglicht. Seitdem leben sie genauso mehr oder weniger einträchtig mit den Menschen zusammen wie es Menschen untereinander auch tun. Im Allgemeinen geht es friedlich zu, aber es kommt auch schon einmal zu unschönen Zwischenfällen wie z.B. Eifersuchtsdramen, Drogenhandel, Mord und Totschlag und die arme Sookie ist in diese unglückseligen Ereignisse immer wieder verstrickt, obwohl sie sich alle Mühe gibt, Ärger aus dem Weg zu gehen. Es gibt aber auch Angenehmes im Leben der Kellnerin. Der Sex mit Eric ist für sie himmlisch. Ja, der erstaunte Leser muß feststellen, daß es im modernen Louisiana keine doppeldeutige, schwüle Erotik gibt. Keine Frau gerät hier in ekstatische Verzückung, weil ein Vampir mit seinen spitzen Zähnen in ihre Halsschlagader eindringt. Diese Vampire können auch anders, sie besitzen tatsächlich die Fähigkeit, sich anderen weiblichen Körperregionen auf menschliche Weise zu widmen.
Die Sexszenen zwischen Sookie und Eric sind so detailliert beschrieben, daß hier eine deutliche Warnung ausgesprochen werden muß. Es könnte Leserinnen geben, die nach der Lektüre für die Männerwelt verloren sind. Bedenken Sie aber, meine Damen, daß es für Sie äußerst schwierig sein dürfte, einen Vampir wie Eric zu finden, der nebenbei gesagt, weitaus weniger charmant ist, wenn er seine Sinne beisammen hat und nicht gerade unter Gedächtnisverlust leidet.

Außer Vampiren gibt es in Louisiana auch noch andere nichtmenschliche Wesen, die den Schritt an die Öffentlichkeit aber vorerst noch scheuen. Sookie erkennt sie trotzdem. Es sind Werwölfe und andere Gestaltwandler, manchen von ihnen sollte man bei Vollmond lieber aus dem Weg gehen, einigen sogar in gewöhnlichen Nächten. Die meisten von ihnen sind harmlos, aber nicht mit allen ist gut Kirschen essen, vor allen Dingen nicht mit der mysteriösen Sippe, die draußen an der abgelegenen Kreuzung lebt und sich seit Generationen fast ausschließlich durch Inzest erhält – was das für Auswirkungen auf die geistige Gesundheit haben kann, ist ja allgemein bekannt.
Schließlich fällt dann auch noch dieser brutale Hexenclan in den Ort ein und natürlich kommt es zu einem erbitterten Kampf auf Leben und Tod.

Der Vampir, der mich liebte ist sicherlich kein raffiniert gestrickter, gruseliger, traditioneller Vampirroman, in dem die Untoten Menschen jagen, um ihr Blut zu trinken und Menschen Vampire, um sie zu vernichten und in dem von Zeit zu Zeit ein Protagonist der Faszination der jeweils anderen Welt verfällt. Charlaine Harris erzählt ihre Geschichte geradeheraus, in einer modernen Umgangssprache, mit Witz und Augenzwinkern, sie schmeißt viele der gängigen Klischees über nichtmenschliche Wesen über Bord, stattet Vampire wie Werwölfe und Gestaltwandler mit bisher nicht gekannten Eigenschaften aus und spinnt so einen höchst unterhaltsamen Roman.

Waechter der Nacht von Sergej LukianenkoNeben den Menschen gibt es die Anderen – Magier, Vampire, Hexen, Werwölfe – und diese fechten einen ewigen Kampf um die Menschen, auf der guten und der bösen Seite.
Im modernen Moskau hat dieser Kampf mittlerweile etwas Bürokratisches, und Anton, ein kürzlich von der IT zum Außendienst abkommandierter Anderer, geht auf Streife. Er trifft auf eine Frau, die mit einem Fluch belegt worden ist, der ganz Moskau ins Verderben reißen könnte. Als ob das nicht genug wäre, rettet er noch einen Jungen, der ein hohes Potential als Anderer besitzt. Ein Potential, nach dem beide Seiten gieren, sowohl die Wächter der Nacht, Antons Organisation des Guten, als auch die verfeindeten Wächter des Tages …

-Langsam und ächzend kroch die Rolltreppe nach oben. Kein Wunder, so alt wie die Station war. Dafür fegte der Wind durch die ganze Betonröhre, zerzauste ihm das Haar, zerrte an der Kapuze, schlängelte sich unter den Schal und drückte Jegor nach unten.-
Prolog

Fantasy und SF sind in Rußland hochbeliebte Genres – nebst diversen Übersetzungen wird auch einiges an eigener Literatur produziert, und mittlerweile verirrt sich ein Teil davon auf den deutschen Markt. Maßgeblicher Grund dafür ist der Erfolg von Sergej Lukianenkos Wächter der Nacht (Nočnoj dozor), das zum Start des gleichnamigen Films  in Deutschland debütierte.
Lukianenko erzählt in diesem Roman drei locker zusammenhängende Geschichten aus der Perspektive des Nachtwächters Anton Gorodezki, der eher zur heruntergekommeneren Sorte der Streiter für das Licht gehört und auch ein entsprechend flapsiger, aber durchaus interessanter Erzähler ist. Der Kampf zwischen Gut und Böse im modernen Moskau besticht durch allerlei interessante Ideen, die sich wie ein nach Rußland verpflanztes Inventar der üblichen Urban-Fantasy-Welt lesen: Vampire, die das Blutspendewesen vorantreiben, um auf der legalen Seite bleiben zu können; der insgesamt sehr bürokratische Ablauf des ewigen Hin und Hers zwischen Licht und Dunkel, der vor allem auf einem zugunsten der normalen Menschen geschlossenem Pakt beruht. Hier ist Ausgleich angesagt – wenn die eine Seite eine Seele rettet, darf sich die andere eine holen. Die ethischen Bedenken, die ein solcher Pakt in einer dermaßen schwarz-weißen Welt mit sich bringt, sind dann auch Thema der Handlung; allerdings wird die Problematik eher als Motor für die Spannung benutzt, als daß man sich in der Tiefe damit auseinandersetzen würde.

Die strukturierte Welt aus Gut und Böse mit ihren festen Regeln bietet einen wunderbaren Hintergrund für Intrigenspiel, und genau darauf basiert auch die Handlung der drei Geschichten. Die Schachzüge der Beteiligten sind recht elegant und kaum von Anfang an zu durchschauen – manchmal sind diese kryptischen Hintergrundgeschichten auch ein Manko, wenn man erst auf der letzten Seite einer Erzählung erfährt, was wirklich geschehen ist.
Wer sich von Wächter der Nacht – auch aufgrund des vollmundigen Herr-der-Ringe-Vergleichs von der Verlagsseite – eine große epische Handlung erwartet, die den Kampf zwischen Gut und Böse thematisiert, wird allerdings enttäuscht sein. Die drei Geschichten erzählen jeweils von einer Krisensituation, die gelöst werden muß, aber das Chaos bricht niemals aus und der Pakt zwischen Licht und Dunkel wird gehalten. Zusammengehalten wird das Ganze von der jeweils im Mittelpunkt stehenden Hauptfigur Anton und einer Liebesgeschichte. Letztere findet allerdings innerhalb des Romans nicht statt, und wirkt als Triebfeder der Handlung daher nicht immer glaubwürdig.
Mit der ersten der drei Geschichten liest man gleich die Beste, was auch daran liegen könnte, daß man anschließend weiß, wie der Hase läuft, und nicht mehr dermaßen überrascht sein wird. Das Ende des Bandes bietet dann aber statt des üblichen Musters durchaus eine interessante Wendung.

Sehr charmant bindet der Autor auch andere Werke der Phantastik mit ein, und steht damit augenzwinkernd zu seinen vielfältigen Inspirationsquellen von Alice im Wunderland bis Star Wars.
Vor allem aber die Erzählerfigur sorgt dafür, daß man gerne am Ball bleibt – zusammen mit Anton wachsen einem langsam Zweifel, ob “gut” und “böse” nicht einfach nur nichtssagenden Bezeichnungen in einem schmutzigen Kampf sind. Dieser ganz eigene, russische Charme hebt die Wächter der Nacht vom Standard der Urban Fantasy ab und macht sie auch aufgrund ihrer Episodenstruktur zu einer interessanten Ergänzung in der düsteren Phantastik.

Cover von Der Weg des Magiers von Jean-Louis Fetjaine6. Jahrhundert nach Christus: Der junge Merlin reitet zusammen mit Guendoleu, dem König von Kumbrien, und dessen Truppe nach Schottland. König Ryderch hat alle britannischen Fürsten zusammengerufen, damit sie sich unter seiner Führung vereinigen. Doch Aldan, Königin von Dyfed, die Mutter Merlins und Witwe des ranghöchsten Königs der Britannier, macht dem ehrgeizigen Ryderch einen Strich durch die Rechnung. Sie überreicht den goldenen Torques, einen Halsreif als Zeichen der obersten Königswürde, Guendoleu von Kumbrien. Kurze Zeit später geraten Guendoleu und seine Männer in einen Hinterhalt. Alle außer Merlin werden niedergemetzelt. Merlin nimmt den Torques an sich, um ihn nach Dyfed zurückzubringen. Wird er sein Ziel je erreichen?

-Der Winter hatte bereits Einzug gehalten. An jenem Morgen war die Luft anders als sonst, kälter und klarer.-
1 Die Prophezeiung

Der Weg des Magiers (Le Pas de Merlin) ist der klassische Auftakt einer Trilogie. Jean-Louis Fetjaine stellt dem Leser ausführlich die handelnden Charaktere vor und bringt die gegnerischen Parteien in Stellung. Die Hauptperson ist Merlin – hier kein alter, weiser Magier mit langem Bart, sondern ein Jüngling, klein gewachsen und für einen jungen Mann von auffallend zierlicher, schmächtiger Gestalt. Wohl deshalb nennt Fetjaine ihn häufig, oft mehrfach auf einer Seite, das Kind. Diese penetrant wiederholte Bezeichnung für den jungen Barden ist das einzige an diesem Roman, was erst irritierend, im weiteren Verlauf der Geschichte nur noch störend wirkt. Da der Autor von Merlin ständig als dem Kind spricht, glaubt man zunächst, König Guendoleu hätte einen Elf- oder Zwölfjährigen in seinem Gefolge, vielleicht als Knappen oder Pagen. Nachdem man einiges über Merlins frühe Kindheit und seinen Werdegang erfahren hat, setzt man sein Alter auf 14 oder 15 herauf, um endlich zu dem Schluß zu kommen, daß Merlin mindestens 16 Jahre alt sein muß, da sich König Ryderchs siebzehnjährige Schwester Guendoloena wohl kaum von einem Kind entjungfern lassen würde, das für sein Alter auch noch klein und schmächtig ist.

Nicht nur in Liebesdingen benimmt sich Merlin alles andere als kindlich. Den Hinterhalt überlebt er nur, weil er beherzt und skrupellos kämpft. In solchen Situationen wirkt die Bezeichnung das Kind auch noch unfreiwillig komisch: Merlins Antwort war, aus Leibeskräften auf die Lanze des Mannes einzudreschen … Das Kind machte erneut einen Ausfall, doch diesmal war der Mann aus den Bergen darauf gefaßt … Er hatte sich umgedreht, und das Kind nutzte die Chance, um sich nach vorne zu werfen und zuzustoßen, doch der Krieger wich mühelos aus, und wieder traf der Schwertstumpf nur ins Leere. Mit einem Rippenstoß brachte er das Kind aus dem Gleichgewicht … Merlin stürzte sich auf ihn, und das zerbrochene Schwert bohrte sich tief in die Leiste des Reiters …, worauf Merlin zum Angriff überging und, sein Schwert wie ein Messer in der Hand, auf ihn einstach, bis er endlich zu schreien aufhörte. Zwar ist auch im Nibelungenlied der jüngste der königlichen Brüder, Giselher, auch dann noch das Kind, als er aufgrund der Geschichte schon weit in den Vierzigern sein müßte, aber Giselher hat sich inmitten seiner intriganten und rachsüchtigen Verwandtschaft noch Reste eines kindlichen Gemüts bewahrt. Merlin wirkt jedoch aufgrund seines Handelns weitaus älter als sein Aussehen und seine Jugend vermuten lassen.

Die große Stärke des Romans ist, daß Fetjaine, der mittelalterliche Geschichte studiert hat, sich um größtmögliche historische Authentizität bemüht. Im Nachwort beschreibt der Autor den historischen Hintergrund seiner Geschichte und wie sich daraus die Artuslegende entwickelt hat. Außerdem gibt es eine ausführliche zeitliche Übersicht. Über weite Strecken ist Der Weg des Magiers eher ein historischer Roman, Fantasyelemente kommen kaum vor, abgesehen davon, daß sich die Hinweise häufen, daß Merlins Herkunft außergewöhnlich ist. Auch die Konkurrenz zwischen der neuen christlichen Religion, repräsentiert durch die Mönche und den Klerus, der munter in der Politik mitmischt, und dem alten Glauben der Britannier, vertreten durch Merlin und andere Barden, spielt eine Rolle. Erst gegen Ende des Romans bricht das Übernatürliche deutlich in die Handlung ein. Merlin wird im wörtlichen Sinne über Nacht erwachsen. Die Beschreibung dieser besonderen Nacht ist so spannend, mitreißend und emotional, daß man Fetjaine auch verzeiht, daß er Merlin wahrscheinlich zum tausendsten Mal das Kind nennt. Dies ist die gelungenste Szene des Romans, doch sie ist keine Ausnahmeerscheinung. Fetjaine versteht es, eine packende Atmosphäre zu erschaffen, seinen Protagonisten Leben einzuhauchen und eine lang vergangene Zeit wieder auferstehen zu lassen.

Who Fears Death von Nnedi OkoraforOnyesonwu ist die Außenseitern ihres Dorfes, denn sie ist ein Mischlingskind der beiden verfeindeten Volksgruppen ihrer Heimat, das durch Vergewaltigung entstanden ist und dem Volksglauben nach selbst zur Gewalt neigt. Sie versucht sich mit allen Mitteln in die Dorfgemeinschaft einzufügen, doch ihre Bemühungen sind zum Scheitern verurteilt, weil in ihr obendrein magische Kräfte schlummern: Was damit beginnt, daß sie mit ihrem Gesang Tiere anlocken kann, gipfelt schließlich in der Fähigkeit zum Gestaltwandel und weiterreichenden Kräften. Der Dorfmagier Aro will Onyesonwu trotzdem nicht ausbilden, denn sie ist eine Frau.
Derweil tobt nicht allzu weit entfernt der Krieg weiter, und Onyesonwus brutaler Vater steht im Mittelpunkt …

-My life fell apart when I was sixteen. Papa died. He had such a strong heart, yet he died.-
Chapter 1: My Father’s Face

Who Fears Death, dessen Titel (übrigens die Übersetzung des Namens der Heldin) schon andeutet, daß es sich womöglich um nicht ganz leichte Kost handelt, stellt einen von den ersten Seiten an vor die Herausforderung, daß hier Dinge zusammenkommen, die man in der Regel nicht in einem Roman vereint vorfindet: Erzählt wird eine ganz und gar typische Jugendbuchgeschichte – das Coming of Age, die Initiation in die Welt der Magie, das Finden von Freunden und Feinden und das Kennenlernen der Welt, und schließlich die Queste, bei der mehr als die Ausbildung zum Einsatz kommt und viel auf dem Spiel steht. Das post-apokalyptische und phantastisch-verfremdete Afrika, in dem Who Fears Death angesiedelt ist, wartet allerdings ungeschönt mit ziemlich allen heiklen Themen auf, die im Kontext mit Afrika häufig zur Sprache kommen. Schon die Abstammung der Protagonistin spricht Bände – wer etwas über systematische Vergewaltigungen zur Demoralisierung von ethnischen Gruppen gehört hat, kann sich ungefähr vorstellen, was bei der Lektüre auf ihn oder sie zukommt.
Dieses Thema und viele weitere – Beschneidung von Mädchen, Steinigung, Kindersoldaten und eine Gesellschaft, die vom Mystizismus, aber auch von starken Vorurteilen durchdrungen ist – werden einfühlsam beschrieben, aber weder pathetisch noch reißerisch; sie sind einfach, gehören zur Realität der Protagonistin. Vor allem werden sie, etwa im Falle der Beschneidung, nicht einseitig mahnend und verdammend dargestellt, sondern aus einer Perspektive, die verständlich macht, welche Gründe es für die Beteiligten geben könnte (aber auch diskriminierende und misogyne Aspekte werden keineswegs ausgespart). Je mehr man von Nnedi Okorafors Welt kennenlernt, desto deutlicher wird, daß man nicht nur über “Afrika-Probleme” liest, sondern über die universelle Erfahrung von Diskriminierung und gesellschaftliche Mißstände, über (pseudo-)moralisch legitimierte Gewalt.

Who Fears Death ist ein feministischer Roman, mit einer Heldin, die ganz angry young woman ist, andere ständig vor den Kopf stößt, impulsiv und unerschrocken handelt und gegen einengende Umstände aufbegehrt. Auch dieses Thema wird aus verschiedenen Perspektiven ausgeleuchtet, sei es durch Onyes Freundinnen, die ihre Emanzipation individuell anders (oder gar nicht) vollziehen, sei es durch die feinsinnige Schilderung ihrer großen Liebe, die trotz aller Voraussetzungen, über Diskriminierung und Ungleichheit hinwegzugehen, im Beziehungsalltag (sofern ihnen überhaupt einer gegönnt ist) auf Schwierigkeiten mit der Gleichstellung stößt. An dieser Stelle sollte auch erwähnt werden, daß Körperlichkeit trotz der geschilderten Brutalitäten nicht nur negative Komponenten aufweist, sondern als wichtiger Bestandteil des Soziallebens viel Raum einnimmt.

Als Onyes Sturheit dafür sorgt, daß sie auch als Frau ihre Ausbildung zur Magierin erhält, tritt eine der großen Stärken des Romans hervor: Mythen mischen sich nahtlos mit der harten Realität, die Geisterwelt fließt in den Alltag, ohne grundsätzlich für hochgezogene Augenbrauen zu sorgen – etwa in Form des von allen akzeptierten Versammlungshauses der Ältesten, des Osugbo, das einen starken Eigenwillen besitzt und Besucher mitunter stundenlang herumirren läßt oder gleich wieder ausspuckt.
Gestaltwandel, Geister, die alten Mythen der Wüste und sogar ein afrikanischer Drache tauchen auf, als die Heldenreise Onyesonwus ihren Lauf nimmt, immer mit dem Gefühl, von einer lebenden, vielschichtigen Welt zu lesen und nicht nur puren Exotismus zu bestaunen.
Die Magie deckt dabei die spirituelle und körperliche Ebene ab und arbeitet mit Übertragungen, um beide zu verbinden, wobei sehr erfrischende Effekte zum Einsatz kommen. Spirituelle und kulturelle Begriffe sind größtenteils der Kultur der Igbo entnommen, in der auch die Wurzeln der Autorin liegen.

Achronologische Einschübe stecken Rahmen innerhalb der Erzählung ab, die die Dynamik einer sich immer schneller drehenden Spirale besitzt – Kindheit und Jugend, die die Heldin prägen, werden mit langen ruhigen Passagen erzählt, die trotzdem von Beginn an etwas Zwingendes haben, ihre Ausbildung beschleunigt sich zusehends, und die Queste nimmt als actionreiches, intensives Finale das letzte Stück des Romans ein.
Mit seiner Rahmengeschichte, dem Werdegang der Heldin und der Mythenbildung um die starke und bewußte Ich-Erzählerin, der schillernden Welt mit den realen Problemen und nicht zuletzt Okorafors wunderschönen, teils angemessen knappen und teils lyrischen Sprache ist Who Fears Death tatsächlich so etwas wie ein “afrikanischer” Name des Windes – und eine lohnende, verzaubernde Lektüre, die beim Lesen immer wieder an die Nieren geht.

The Wise Man's Fear von Patrick RothfussKvothe erzählt Chronicler und Bast ein weiteres Stück seiner wildbewegten Lebensgeschichte: Der Konflikt mit seinem in der Thronfolge ein wenig aufgerückten Dauerrivalen Ambrose führt an der Universität zu neuen Verwicklungen, die ein Urlaubssemester ratsam erscheinen lassen. Auf Empfehlung eines Bekannten will Kvothe die Zeit  und seine musikalische Begabung  nutzen, um  einen mächtigen Adligen als Förderer zu gewinnen. Doch auf seiner Reise gerät er von einem Abenteuer ins nächste und sieht sich in seinen Nachforschungen über die Chandrian und den geheimnisvollen Orden der Amyr mit immer mehr Rätseln konfrontiert …

– Dawn was coming. The Waystone Inn lay in silence, and it was a silence of three parts. –
Prologue – A Silence of Three Parts

Patrick Rothfuss ist wahrscheinlich ein zu fähiger Autor, als dass er ein völlig misslungenes Buch vorlegen könnte, aber im Vergleich mit seinem großartigen Debüt The Name of the Wind (Der Name des Windes) fällt The Wise Man’s Fear (Die Furcht des Weisen) enttäuschend aus. Bis zu einem gewissen Grade ist dieser Eindruck sicher der Tatsache geschuldet, dass die Qualität des ersten Romans und die vergleichsweise lange Zeit bis zur Veröffentlichung des zweiten überhöhte Erwartungen geweckt haben, aber auch unabhängig davon weist der Text strukturelle und inhaltliche Schwächen auf, die alles Erzähltalent des Autors nicht ausgleichen kann.

Auf erzählerischer Ebene ist nämlich durchaus manches gewohnt gut: Einige Szenen sind von poetischer Intensität, und das Wechselspiel von Rahmenhandlung und Binnenerzählung ist weiterhin geschickt genutzt. Rothfuss’ sehr bewusster Umgang mit literarischen Techniken schimmert auch an den Stellen durch, die das Erzählen selbst zum Thema machen und fein beobachtet die Umformung von Realität in Geschichten und wiederum deren Einfluss auf die Wirklichkeit schildern. Humor und bitterer Ernst liegen dabei oft nahe beieinander: Schmunzelt man im ersten Augenblick noch darüber, wie Kvothe und Bast sich gegenseitig darin überbieten, eine wilde Lügengeschichte über Chronicler in die Welt zu setzen, ist im nächsten Moment schon die nachdenkliche Überlegung präsent, welche Auswirkungen sich verselbständigende Märchen auf Individuen oder ganze Volksgruppen haben können.

Bestimmte inhaltliche Aspekte liegen Rothfuss dabei erkennbar besonders am Herzen (so übt er etwa wiederholt Kritik an Rassismus und Vorverurteilungen), doch immer wieder steht auch der Akt des Erzählens oder der Informationsvermittlung selbst im Vordergrund, wobei neben den omnipräsenten Mitteln der Sprache und der Musik auch andere Kommunikationsformen ausgelotet werden, die sich dinglicher Symbole oder bestimmter Gesten bedienen.

Rothfuss’ eigener Sprachgebrauch genügt nicht immer den Ansprüchen, die man aufgrund seiner theoretischen Reflexionen an ihn heranzutragen versucht ist. I am no poet. I do not love words for the sake of words. I love words for what they can accomplish, lässt er seinen Helden sagen – und vielleicht trifft das auch auf ihn selbst zu, denn manches, was er hier mit Wörtern zu erreichen versucht, wirkt zu bemüht und gekünstelt. Generell schreibt Rothfuss zwar weiter auf hohem Niveau, doch dort, wo er mit Sprache spielt, ist das Ergebnis bestenfalls durchwachsen. Während der Varianten- und Bedeutungsreigen, den er um den Familiennamen „Lackless“ entwickelt, durchaus funktioniert (und eine gehörige Herausforderung für jeden Übersetzer darstellen dürfte), hat er sich zu viel vorgenommen, wenn er mit ziemlich schlechten Stabreimen arbeitet oder einen Teil der Dialoge in Versform präsentiert. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Letzteres gilt auch für die Fülle von Versatzstücken, aus denen Rothfuss seine weiterhin bunte Welt, sein Panoptikum von archetypischen bis skurrilen Figuren und die über weite Strecken etwas ziellos dahinmäandrierende Handlung zusammenfügt. Die Tempelritter, das Rechtsprinzip des benefit of clergy, eine Fee vom Schlage einer Belle Dame Sans Merci, eine bekannte Anekdote über Schiller und eine schiere Überfülle geläufiger Motive aus dem Fundus der (Fantasy-)Literatur sind alle irgendwie eingeflossen, wirken aber bisweilen recht willkürlich kombiniert.

Zu diesem Anschein von Beliebigkeit trägt sicher bei, dass die übergreifende Geschichte nur sehr langsam vorankommt und letztlich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden. Besonders in der zweiten Hälfte des Buchs kommt einem Kvothe fast wie ein Rollenspieler vor, der auf einer Nebenquest nach der anderen Erfahrungen und Artefakte sammelt, ohne in der Sache große Fortschritte zu machen.

Das wäre sicherlich zu verschmerzen, wenn seine etwas episodisch angelegten Abenteuer wenigstens gute Unterhaltung bieten würden, doch leider hat man spätestens im letzten Drittel des Romans den Eindruck, dass Rothfuss mithilfe seines Helden recht pubertäre Träume auslebt: Von einer lüsternen übernatürlichen Partnerin zum kundigen Liebhaber ausgebildet gelangt Kvothe zu einem Kriegervolk, das ihn nicht nur in Fremden gewöhnlich vorenthaltene Kampfkünste einweiht, sondern auch ein höchst entspanntes Verhältnis zur Sexualität pflegt. Die entsprechenden Schilderungen bleiben zwar dezent, sind aber darum inhaltlich nicht weniger albern. Auch kämpferisch darf Kvothe aktiver als zuvor werden, und anfängliche Gewissensbisse über das ein oder andere Gemetzel an Schurken sind rasch überwunden, mangelt es doch nicht an Gelegenheiten, sich edel und hilfsbereit zu geben und zu fühlen.

Es nützt nur wenig, dass Rothfuss seinen Erzähler hier einiges selbst unter dem Hinweis auf seine damalige Jugend ironisieren lässt oder den Initiationscharakter bestimmter Plotelemente betont. Wäre nicht die Rahmenhandlung, die einem immer wieder die Erzählsituation ins Gedächtnis ruft und vor allem einen auf Menschenmaß zurechtgestutzten Kvothe zeigt, hätte man wahrscheinlich bald genug von dem Wunderknaben und seinen Erlebnissen. So aber bleibt immerhin die Hoffnung, dass es Rothfuss irgendwie gelingt, im letzten Band seiner Trilogie eine überzeugende Hinführung zur tragischen Jetztzeit seines Helden zu finden und zu demonstrieren, dass seine Erzählkunst zu mehr taugt als nur dazu, die Klammer um eine Loseblattsammlung mehr oder minder offenkundiger Entlehnungen zu bilden.

Cover von Der Wurm Ouroboros von E.R. EddisonKrieg ist entbrannt im Lande Merkurien zwischen Hexen und Dämonen. Doch König Gorice von Hexenland kämpft mit dunklen Mächten an seiner Seite und so müssen die Dämonenfürsten Juss und Brandoch Daha den Gipfel des höchsten aller Berge erklimmen, von dem kein Sterblicher je zurückgekehrt ist, um das Schicksal zu ihren Gunsten zu wenden. Vor den Toren Carcës wird die gewaltigste Schlacht geschlagen, die die Welt je erblickte, und entscheidet über Untergang oder zeitlosen Ruhm. Und um all dies Geschehen windet sich der Wurm Ouroboros, der Drache, der seinen eigenen Schweif verschlingt.

-Von den Schätzen, dergleichen in dem hohen Audienzsaal waren gar schön und lieblich anzuschaun, und von den Vorzügen und dem Stande des Dämonenlandes; und von der Botschaft, welchselbige ihnen König Gorice XI. gesandt, und der Antwort darob.-

Der Wurm Ouroboros (The worm Ouroboros) ist das letzte unentdeckte Meisterwerk der Fantasy und, wenn mich nicht alles täuscht, sogar noch ein wenig älter als der Herr der Ringe. Wer jetzt aber eine wunderschöne, durchdachte, magische Welt à la Tolkien erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Über die Landschaft und Geographie Merkuriens lässt sich nur reichlich wenig sagen und die Völker wie Hexen, Dämonen oder Gnomen sind nur halb so magisch, wie sie sich anhören. Im Grunde haben sie überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem, was man sich darunter vorstellt. Eher kann man sie mit den Figuren aus den Islandsagas gleichsetzen, denen Eddisons Leidenschaft galt. Das tut der Spannung der Geschichte, die voller gewaltiger Schlachten und schwerer Prüfungen ist, aber keinen Abbruch. Vor allem Eddisons Stil, der sich am elisabethanischen Drama orientiert (Eddisons zweite Leidenschaft), sorgt für eine ganz eigene Athmosphäre.

Zugleich erschwert gerade dieser Stil das Lesevergnügen. Sprache und Satzstellung sind teilweise extrem schwierig zu verstehen, einige Phrasen und Begriffe waren schon zu Eddisons Zeiten vom Aussterben bedroht oder entstammen literarischen oder volksmundlichen Vorbildern, die heute vor allem nur Anglisten zuordnen können. Ein wenig Abhilfe schaffen hier die Anmerkungen im ausführlichen Index von Herausgeber P.E. Thomas und Übersetzer Helmut W. Pesch und das ausführliche Vorwort beider Herren, dessen Lektüre sich wirklich lohnt, um den Wurm besser zu verstehen und etwas über seine Ursprünge zu erfahren. Obwohl Eddisons Sprache so schwierig ist, kann sie trotzdem mitreißen. Andererseits ergeht sich Eddison gerne seitenweise in Beschreibungen, was dem Fortgang der Handlung abträglich ist (aber dank des Indexes lernt man hierdurch eine Menge über Edelsteine, Stoffe und klassische englische Literatur).

Die Charaktere des Wurms sind leider etwas unnahbar. Die Männer sind tugendhafte Helden, wahre Übermenschen, für die der Kampf die größte Ehre ist. Mit dem Frauenbild konnte zumindest ich mich nur schwerlich anfreunden. Die Frauen sind zwar starke Persönlichkeiten und natürlich voller Tugenden, aber bis auf eine Ausnahme entweder intrigante Biester, vollkommen unselbstständig oder sie bieten sich jedem männlichen Wesen an, das bei drei nicht auf den Bäumen ist. Dennoch verteilt man seine Sympathie recht schnell, auch wenn Eddison versucht, möglichst objektiv und ohne Wertung zu erzählen.

Man könnte noch einiges mehr über das Für und Wider des Wurms schreiben, aber ich möchte jetzt mit einer abschließenden Wertung zum Ende kommen. Zuerst einmal muss man sagen, dass die Übersetzung von Helmut W. Pesch durchaus gelungen ist. Er hat sehr schön die Sprache des elisabethanischen Dramas eingefangen, die man hierzulande ja vor allem von Shakespeare kennt, wodurch der Wurm authentisch bleibt. Gedichte und Lieder hat er jedoch nicht übersetzt, sondern sich barocker Gedichte deutschsprachiger Dichter bedient, die einen gleichwertigen Inhalt wie das Original haben. Eine gute Idee, wie ich finde, da Lyrik noch schwieriger zu übersetzen ist als Prosa, wenn es nicht sogar unmöglich ist. Eddison selbst hat sich übrigens ebenfalls barocker Gedichte englischsprachiger Autoren bedient und nicht selbst gedichtet. Der Wurm Ouroboros ist eine durchaus spannende Geschichte in kunstvoller Sprache, die man jedoch eher durcharbeitet als liest. In jedem Fall ist der Wurm in keinster Weise mit der heutigen Fantasy zu vergleichen und selbst von Tolkiens Werk, das ihm zeitlich noch am nächsten ist, grenzt er sich weit ab. Für heutige Verhältnisse, wo wir eine Flut von magischen Welten und Völkern sowie wendungsreichen und intriganten Handlungsmustern zur Auswahl haben, mag der Wurm vielleicht ein wenig einfallslos wirken. Aber man muss sich vor Augen führen, dass zu Eddisons Zeiten die Fantasy noch in den Babyschuhen steckte.
Für Freunde der leichten Unterhaltung wird der Wurm wohl zu anstrengend sein, und ich persönlich fand den Schluss auch etwas frustrierend, obwohl er vorhersehbar ist, wenn man sich die Symbolik des Ouroboros vor Augen führt. Aber wer sich nicht scheut, Zeit und auch ein paar Nerven zu investieren, wird mit Fantasy der besonderen Art belohnt.
Für alle, die lieber Originale lesen: Bisher habe ich nur die deutsche Übersetzung gelesen. Aber ich glaube, dass man sich an die englische Version nur heranwagen sollte, wenn man Shakespeare oder ältere Werke der klassischen englischen Literatur ohne Probleme und Vokabelhilfe bewältigt, da die Sprache schwierig und stark veraltet ist.
Kleine Warnung am Schluss: Wer sich den Wurm kaufen will, muss ein wenig suchen. Meist kriegt man ihn nur noch gebraucht.

Ob man nun dem Wurm oder dem Ring die Treue hält, bleibt jedem selbst überlassen. Ich halte es wie Herr Pesch und bleib beim Ring.

Cover von Der Zauberhut von Terry PratchettZauberer Allesweiß floh in jungen Jahren aus der Unsichtbaren Universität, heiratete und bekam viele Söhne, deren achter ein kreativer Magus ist. Ein kreativer Magus ist so ziemlich der mächtigste Zauberer, der auf der Scheibenwelt herumläuft. Leider ist er nicht unbedingt der liebenswürdigste. Dieser achte Sohn macht sich also als Knabe auf zur Unsichtbaren Universität und fordert zwei der besten Zauberer zum Duell. Das schreckliche Gör gewinnt, richtet ein einziges Chaos an und wünscht Erzkanzler zu werden. Dies hohe Amt erfordert aber eine Zeremonie, in der der Zauberhut eine Rolle spielt. Ganz zufällig ist dieser wichtige Hut gerade nicht zu Hause, sondern auf Reisen mit einem gewissen Rincewind sowie Conina, der Tochter Cohens des Barbaren, und Truhe.

-Vor vielen Jahren sah ich in Bath eine wohlbeleibte amerikanische Dame, die einen riesigen karierten Koffer hinter sich herzog. Die kleinen, quietschenden Räder blieben immer wieder in den Pflasterrissen stecken und verliehen dem Ding ein höchst interessantes Eigenleben. In jenem Augenblick wurde Truhe geboren. Ich danke jener Frau und allen anderen Leuten in Orten wie Ichweißnichtwo, Nebraska. Vermutlich können sie ein wenig Zuspruch vertragen.-
Widmung

Zuerst darf jeder einmal raten, woher Joanne K. Rowling die Idee hat, daß es Zauberhüte gibt, die sprechen, wenn man sie sich auf den Kopf setzt. Nun, ich werde die Antwort ganz gewiß nicht geben, sonst werde ich noch wegen Verleumdung oder Geheimnisverrat mit einer Millionenklage vor Gericht gezerrt und dabei weiß ich noch nicht einmal, wie ich mein Bafög zurückzahlen soll. Also von mir kein Wort zu diesem Thema. Widmen wir uns statt dessen dem Buch: Dieser Roman hat zwei Handlungsstränge: Einmal wird erzählt, wie dieser freundliche Knabe (jedem, der sich unfreundlich über das liebe Kind äußert, bekommt dies außerordentlich schlecht) die Unsichtbare Universität auf den Kopf stellt und wie unfähig die Zauberer sind, dies zu verhindern, ja einige lassen sich sogar korrumpieren. Kreative Magie ist so gefährlich, weil sie sich an keine Gebote hält und eigentlich den Göttern vorbehalten ist. Der andere Handlungsstrang erzählt von Rincewind, der wieder einmal die Scheibenwelt vor dem Untergang retten muß, indem er den Hut, der das Zeichen des obersten magischen Amtes ist und das Symbol für eine Zauberei, die sich an gewisse Werte hält, in Sicherheit bringt. Dabei wird er von Piraten, orientalischen Straßenkindern, Großwesiren und anderen ungemütlichen Herrschaften stark behindert. Falls irgend jemand immer noch nicht verstanden hat, wie prekär die Lage ist, dem sei gesagt, daß Tod, Krieg, Hunger und Pestilenz irgendwo auf der Scheibenwelt in einer Kneipe sitzen und warten, sehr geduldig warten … Glücklicherweise hat Rincewind Conina an seiner Seite. Die wollte eigentlich Barbarenfriseuse werden, aber nun kämpft sie mit ihm für die gute Sache, wobei sie meistens Schwerter, manchmal aber auch Scheren und Kämme benutzt. Achtung: Jetzt kommt der Satz, der zwangsläufig so oder ähnlich in jeder Pratchett-Rezension steht. Dank Pratchetts Sprachwitz ist die Geschichte ungeheuer komisch. Besonders geeignet dürfte der Roman für Kinderhasser sein. Sie finden ihr Vorurteil voll bestätigt, daß diese kleinen Ungeheuer nichts als Ärger anrichten.

Cover des Buches "Das zehnte Königreich" von Kathryn WesleyVirginias Leben ist todsterbenslangweilig ohne jede Aussicht auf Besserung. Zur gleichen Zeit flieht die böse Königin in den neun Königreichen aus dem Schneewittchen-Gedächtnis-Gefängnis, um die Herrschaft an sich zu reißen. Zu diesem Zweck verwandelt sie ihren Stiefsohn, Prinz Wendell, in einen Golden Retriever und lässt den Hund die Gestalt des Prinzen annehmen. Bei einem Fluchtversuch  springt Prinz Wendell durch einen Zauberspiegel und landet direkt im New York der Gegenwart vor Virginias Fahrrad, die gerade auf dem Weg zur Arbeit ist. Sie kümmert sich um den angefahrenen Hund und ahnt nicht, dass sie sich damit in große Gefahr begibt. Die Königin hat ein paar Trollen und einem gefährlichen menschlichen Wolf befohlen, Prinz Wendell zurückzubringen.

-Virginia stützte ihre Ellbogen auf den Fenstersims und beugte sich hinaus in die Brise. Wenn sie die Augen halb geschlossen hielt, erweckten die Bäume vor ihrem Fenster den Eindruck einer ausgedehnten Waldfläche: schattig, grün und angefüllt mit neuen Möglichkeiten und Abenteuern.-
Teil 1 Der Hund, einst bekannt als Prinz Kapitel 1

Das zehnte Königreich (The Tenth Kingdom) ist eine witzige Parodie auf sämtliche Märchen, angefangen bei Schneewittchen über Aschenputtel und Rotkäppchen bis hin zu Rapunzel.

Besonders gut ist das Autorenehepaar jedoch immer dann, wenn es sich über die westliche, insbesondere die amerikanische, Kultur lustig macht: Die Trolle beanspruchen in Kolumbus-Manier New York als das zehnte Königreich und rauben zuerst einmal die Einheimischen aus. Wolf versucht seine tierische Natur zu überwinden, indem er sich durch einen Stapel Lebenshilfe-Bücher liest und Virginia stützt sich als Verteidigerin in einem Prozess auf das juristische Wissen, das sie sich durch Anschauen der Perry-Mason-Serie erworben hat, was dem Angeklagten dann auch prompt die Todesstrafe einbringt.

Allerdings hätte es dem Buch gut getan, wenn die Geschichte etwas gestrafft worden wäre. Manche Szenen sind nur mäßig amüsant und werden auch nicht benötigt, um die Handlung voranzutreiben. Sie scheinen nur geschrieben worden zu sein, um Seiten anzuhäufen oder besser gesagt, um Sendezeit zu füllen. Denn Das zehnte Königreich ist das Buch zum Film, bzw. zur Fernsehserie und wurde, wie die Redaktion durch aufwendige Recherchen herausgefunden hat, offensichtlich erst nach der Serie verfasst.