Guy Gavriel Kay

Portrait Guy Gavriel Kay
© Beth Gwinn

Guy Gavriel Kay wurde am 7. November 1954 in Weyburn, Saskatchewan geboren. Seine Liebe zur Literatur bekam er von seinen Eltern mit auf den Weg, die ihm in seiner Kindheit sehr viel vorlasen.
Wie sicherlich viele seiner Leser fand er seinen Einstieg in die Fantasy über die griechische Mythologie und Märchen. Später bevorzugte er die Romane und Geschichten von Autoren wie J.R.R. Tolkien, E.R. Eddison, Lord Dunsany und Fritz Leiber. Nun, als Erwachsener, ist er genretechnisch weniger festgelgt, wenn er sich ein Buch zum Lesen sucht. Zu seinen bevorzugten Autoren gehören Gabriel García Márquez, Milan Kundera, Thomas Flanagan, Shirley Hazzard, Cormac McCarthy, genauso wie die frühen Werke von Dorothy Dunnett, Updikes “Rabbit”-Erzählungen und George Garretts historische Romane.

Auch wenn er schon als Teenager “Autor” als einen seiner drei Berufswünsche angab, bedurfte es noch einiger Umwege, bevor er sich letztendlich ganz der Schriftstellerei zuwandte. Er begann in den 1970er Jahren ein Philosophiestudium, bevor er 1974 von Christopher Tolkien eine Einladung zur Mitarbeit an der Herausgabe des Simarillion bekam. Zu diesem Zweck ging nach Oxford, wo einerseits sein Wunsch, doch Schriftsteller zu werden, bestärkt wurde, andererseits aber auch seine Befürchtung wuchs, davon nicht leben zu können.
So kehrte er ein Jahr später nach Kanada zurück, um Jura zu studieren. 1982 wurde Kay von der “Bar of Ontario” (einer kanadischen Anwaltsvereinigung) als Anwalt berufen, praktizierte aber nie als solcher. Stattdessen freundete er sich mit Edward Greenspan an, welcher ihn für die Mitarbeit an der Radioserie The Scales of Justice gewann, in der reale Kriminalfälle aus der kanadischen Geschichte nachgestellt wurden. Die Serie erwies sich als sehr erfolgreich und wurde 1985 den Preis des Supreme Court of Canada und der Canadian Law Reform Commission für die “beste mediale Aufbereitung juristischer Fälle” ausgezeichnet. Kay arbeitete bis 1989 an der Serie mit und schreibt bis heute von Zeit zu Zeit für Funk und Fernsehen.

Die Cover zur Fionavar-Tapestry von G.G. Kay, Illustration von Martin Springett
© 2007 by Martin Springett www.martinspringett.com

1984 erschien sein erster Fantasyroman The Summer Tree (dt. Silbermantel), der erste Teil der Fionavar-Tapestry (dt. Die Herren von Fionavar). In den folgenden beiden Jahren veröffentlichte er den zweiten Band The Wandering Fire (dt. Das wandernde Feuer) und den dritten Band The Darkest Road (dt. Ein Kind von Licht und Schatten). Im tradidionellen Erzählmuster und dem konventionellen Verlauf der Geschichte sind noch stark die Einflüsse Tolkiens auf Kay zu spüren. Er selbst bezeichnete die Trilogie als eine Mischung aus Homage an Tolkien und dem Versuch, neue Wege in der Charaktergestaltung zu gehen. Letzteres hatte ihm bei vielen Tolkien-Nachfolgern nicht gefallen: zu stereotyp waren die Figuren und wirkliche Entwicklungen innerhalb der Geschichte blieben aus.
Und so gab er in seiner Erzählung um fünf Freunde, die vom Magier Silbermantel in die erste aller Welten, Fionavar, geführt werden, den Charakteren viel Raum und Zeit, um sich zu entfalten und zu entwickeln. Kay nutzt hier viele keltische Mythen und Bräuche, um seine Welt zu bebildern, und schon in diesem ersten Werk Kays kommt seine sehr poetische Sprache zum Anklang und hebt die Trilogie über viele ihrer Zeitgenossen.

Mit seinem nächsten Werk, Tigana (dt. “Der Fluch” und “Der Hofnarr”), das 1990 erschien, löste sich Kay von seinen Vorbildern und schaffte es, seine schriftstellerischen Stärken weiter zu vertiefen. Angesiedelt in einer Welt, die entfernt an das spätmittelalterliche Italien erinnert, erzählt es die Geschichte eines Landes, das durch die bittere Rache eines Magierkönigs nicht nur dem Erdboden gleichgemacht, sondern durch seinen Fluch auch aus der Erinnerung der anderen Völker getilgt wurde. Nur Menschen, die dort geboren wurden, können den Namen des Landes aussprechen oder hören.
Der Roman wurde 1991 für den Mythopoeic Fantasy Award und 1991 für den World Fantasy Award nominiert und gewann 1991 den Aurora Award.

Cover des Buches "Ein Lied für Arbonne" von Guy Gavriel Kay In der Welt seines 1992 erschienenen A Song for Arbonne (dt. Ein Lied für Arbonne) wendet sich Kay der Troubadour-Kultur Südfrankreichs im Hochmittelalter zu. Das Land Arbonne ist berühmt für seine Kunst, seine Musik und seine starken Frauen. Bedroht wird diese friedliche Kultur durch den nördlichen Nachbarn Gorhaut, der sich eine seit vielen Jahren andauernde Fehde der beiden mächtigsten Fürsten des Landes zunutze machen will. Der Ursprung der Fehde liegt in der Liebe zu einer schönen Frau und in der unverarbeiteten Trauer um deren Tod. Erzählt wird die Geschichte in eine Sprache voller Poesie und Anmut, wie sie zum Setting passender nicht sein könnte.

1995 erschien The Lions of Al-Rassan (dt. Die Löwen von Al-Rassan), das sich mehr als die bisherigen Romane Kays von der traditionellen Fantasy löst und eher der Historienfantasy zuwendet. Magie spielt kaum noch eine Rolle, das Setting der Geschichte ist vielmehr eine an das Spanien in der Zeit der Reconquista angelehnten Welt und beinhaltet deutliche Anspielungen an einige real existierende Personen, Religionen und Ereignisse dieser Zeit. Genau wie in Kays anderen Romanen liegen die Stärken der Erzählung in der großartigen Charakterzeichnung und den immer wieder einfließenden Betrachtungen über Freundschaft, Feindschaft und die Auswirkungen politischer und religiöser Konflikte.

The Sarantine Mosaic besteht aus zwei Bänden. Sailing to Sarantium (dt. Das Komplott und Das Mosaik) erschien 1998 und der zweite Teil Lord of Emperors (dt. Der neunte Wagenlenker und Herr aller Herrscher) im Jahr 2000. Diesmal diente das Byzanz der Spätantike und das oströmische Reich unter Kaiser Konstantin als Vorbild. Wie der Titel verspricht, entfaltet Kay ein farbenprächtiges Mosaik, das er geschickt aus den Schicksalen seiner Charaktere zusammensetzt und das den Betrachter in seiner Komplexität schnell gefangen nimmt.
Zauberei und Fabelwesen sucht der Leser in diesem Buch vergebens, Kay verzichtete hier nun völlig darauf. Er erklärt viel eher:
For me, fantasy has never been in its essence about constructing elaborate magical systems for duelling sorcerers or contriving new versions of an enchanted ring or further variations on the use of hyphens and apostrophes in invented names. Fantasy is — at its best — the purest access to storytelling that we have. It universalizes a tale, it evokes wonder and timeless narrative power, it touches upon inner journeys, it illuminates our collective and individual pasts, throws a focusing beam on the present day, and presages the dangers and promises of the future. It is — or so I have argued for years — a genre, a mode of telling, that offers so much more than it is usually permitted to reveal.
© Guy Gavriel Kay for Earthlight, GGK’s British publishing house.

Schon bevor er Romanautor wurde, schrieb Kay Gedichte. Mit der Veröffentlichung seines ersten Buches gab er es auf, seine Gedichte bei Verlagen einzureichen, und begann, diese nur noch für sich selbst zu schreiben. Doch im Jahr 2003 entschloss sich sein Stammverlag Penguin (Canada) eine Sammlung seiner Gedichte unter dem Namen Beyond this Dark House herauszubringen. Wie auch seine Geschichten sind Kays Gedichte von einer leisen Melancholie durchzogen, und einige weisen klare Bezüge zu seinen Büchern auf. Kays Gabe, mit Worten zu verzaubern, und seine Hang zur Poesie kommt in seinen Gedichten um so stärker zu Geltung.

Cover des Buches "Last Light of the Sun" von Guy Gavriel Kay In Last Light of the Sun (dt. Die Fürsten des Nordens), das 2004 erschien, wendet sich G.G. Kay nördlicheren Gefilden zu und lässt für dieses Buch seine Sprache etwas rauher klingen. Kay erschafft so eine äußerst lebendige Kulisse, die sich am Britannien des 9. Jahrhunderts orientiert. Die Geschichte beinhaltet viele Verweise auf die reale Geschichte Englands mitsamt des sich ausbreitenden Christentums und der Zurückdrängung des alten keltischen Glaubens in dieser Zeit. Hierfür setzt Kay nun wieder deutlicher als in seinen vorherigen Büchern auch magische Elemente ein, und gerade in der Beschreibung des Zusammentreffens seiner Charaktere mit der schwindenden Anderwelt gelingen ihm die athmosphärisch dichtesten Szenen.

Das 2007 erschienene Ysabel spielt als erster seiner Romane in der realen Welt, in der Provence. Allerdings vermischen sich bald die Zeiten und die Protagonisten werden in eine viel ältere Geschichte hineingezogen. Kay schließt hier einen Kreis zu seinen früheren Büchern, indem er zwei Hauptcharaktere der Fionavar Tapestry mitspielen lässt.
Das Buch wurde 2008 mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet. Leider wurde es nicht ins Deutsche übersetzt.

Mit Under Heaven ging Kay 2010 wieder in der Zeit zurück und wählte als Hintergrund eine Kultur, die stark an das China der Tang-Dynastie um 8. Jahrhundert erinnert. Bedauerlicherweise hat auch die Geschichte von Shen Tai, der ein wertvolles aber gefährliches Geschenk erhält und damit aus der selbstgewählten Einsamkeit zurück in die Intrigen und Verstrickungen des Hofes gezogen wird, bisher keinen deutschen Verlag gefunden und bleibt somit Lesern vorbehalten, die des Englischen mächtig sind.
Vierhundert Jahre nach den Ereignissen aus Under Heaven spielt sich die Handlung der 2013 erschienenen “Fortsetzung” River of Stars ab, in der Kay seine Version von China abermals durch eine Zeit politischer und gesellschaftlicher Umbrüche führt.

Was die Bücher von Guy Gavriel Kay aus der Masse so herausstechen lässt, ist zum einen seine poetische Sprache, mit der er virtuos Bilder im Kopf des Lesers entstehen lässt, seine sehr lebendigen Charaktere, die keinen Leser unberührt lassen und die leise Melancholie, die alle seine Geschichten durchfließt.
Eine weitere Besonderheit in vielen seiner Romane ist aber auch der äußerst sparsame Einsatz typischer Fantasy-Elemente. Viel eher erschafft Kay Schauplätze, die starke Bezüge zu realen historischen Stätten und Begebenheiten aufweisen. Hierfür betreibt er ausgiebige Recherchen und einige Bücher schrieb er sogar “direkt vor Ort”, um die Athmosphäre einer Landschaft oder eines Ortes einfließen zu lassen. Oft rätselt der Leser, ob er es in einer Szene mit einem natürlichen Phänomen oder nicht doch mit einem Hauch von Magie zu tun hat. Dadurch scheint Kay immer wieder ein Wanderer zwischen den Genregrenzen zu sein, wofür er auf einem Markt, in dem jedes Buch in eine Schublade zu passen hat und in einer Welt, in der Fantasy immer noch mit “putzigen Wesen mit pelzigen Füßen” oder mit glitzernden Vampiren gleichgesetzt wird, nicht unbedingt belohnt wird.


Links:

Bright Weavings – The Authorized Website
Website bei Penguin Group (Kanada)

Bibliographie:

  • 1984 The Summer Tree (The Fionavar-Tapestry 1) – Silbermantel
  • 1986 The Wandering Fire (The Fionavar-Tapestry 2) – Das wandernde Feuer
  • 1986 The Darkest Road (The Fionavar-Tapestry 3) – Ein Kind von Licht und Schatten
  • 1990 Tigana – Der Fluch, Der Hofnarr
  • 1992 A Song for Arbonne – Ein Lied für Arbonne
  • 1995 The Lions of Al-Rassan – Die Löwen von Al-Rassan
  • 1998 Sailing to Sarantium (The Sarantine Mosaic 1) – Das Komplott, Das Mosaik
  • 2000 Lord of Emperors (The Sarantine Mosaic 2) – Der neunte Wagenlenker, Herr aller Herrscher
  • 2003 Beyond this Dark House (Gedichtband)
  • 2004 Last Light of the Sun – Die Fürsten des Nordens
  • 2007 Ysabel
  • 2010 Under Heaven
  • 2013 River of Stars


Auszeichnungen (Auswahl)

  • 1987 Aurora Award für The Wandering Fire
  • 1987 Casper Award für The Wandering Fire in der Kategorie “best speculative fiction”
  • 1991 Aurora Award für Tigana
  • 2008 World Fantasy Award für Ysabel in der Kategorie “Best Novel”