Walter Moers

portraitiert von Colophonius

Adolf, Alter Sack und Blaubär: das Œuvre des deutschen Comiczeichners und Romanautors Walter Moers (* 1957 in Mönchengladbach) zeichnet sich durch Provokation, Skurrilität und seinen mal derben, mal feinen Humor aus. Nachdem sich Moers mit dem Blaubär’schen Seemannsgarn in die Herzen vieler Kinder gesponnen hatte, liegt der Trugschluss nahe, auch den Rest seines Werkes in der Reihe der Kinder- und Jugendbücher zu verorten. Während die Comics oft einwandfreie Hinweise liefern, dass diese sich eher an erwachsene Leser richten – man beachte die subtile Titelgebung wie z.B. Das kleine Arschloch oder Feuchte Träume –, ist die Einordnung seiner Romane geschätzter Diskussionsgegenstand.

Der Blick in einen beliebigen Moers’schen Fantasyroman offenbart opulente, groteske Illustrationen und typographische Spielereien, welche der düster-skurrilen Komik, den wunderlichen Kreaturen und den stattlichen Helden ein Gesicht verleihen. Doch ungeachtet aller Düsternis und martialischen Brutalität, die durchaus eine gewichtige Facette der Romane sind, lassen sich die Bücher oftmals in den Jugendbuchregalen der Buchhandlungen finden. Welcher Erwachsene will schließlich die Abenteuer eines behäbigen, blauen Bären lesen, der im Fernsehen jahrelang norddeutsch-seemännische Kauzigkeit verkörperte und professionelles Lügenerzählen als Berufung ansieht?

Seit 1999 kann der Leser gleich dreizehneinhalb Leben dieses Bären studieren. Mit Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär legte Moers den immerhin knapp 700 Seiten schweren Grundstein für seine Geschichten, deren Schauplatz der bunte, abenteuerliche und leider fiktive Kontinent Zamonien ist. Der Roman unterhält, ungeachtet der mit Kindersendungen assoziierten Titelfigur, neben Kindern besonders den jugendlichen und erwachsenen Leser. Zahlreiche intertextuelle, oft verschlüsselte Anspielungen auf Klassiker der Fantasy-, Abenteuer- oder der Science-Fiction-Literatur, Sprachspielereien und bildmotivische Zitate werden bereits in diesem Werk zum Markenzeichen und definieren die Zielgruppe der Moers’schen Arbeit neu.

Ein Jahr später folgte mit Ensel und Krete das zweite Werk, welches auf dem Kontinent Zamonien spielt. Der schon im Blaubär erschienene Hildegunst von Mythenmetz führt durch dieses mit dem Märchengenre spielende Büchlein und wird zum roten Faden, der sich durch die zamonische Dichtung zieht.

In Rumo & Die Wunder im Dunkeln (2003) färbt sich dieser Faden silbern, und Moers erweitert sein Geschichteninventar um eine Mischung aus Romanze, wolpertingerschen Coming-of-Age-Groteske und klassischer Helden-Queste, alles durchsetzt mit einer ordentlichen Portion Brutalität. Befreiend und – im wörtlichen Sinne – irre komisch ist dann der moers’schen Humor, der gekonnt den Bogen zwischen Komik und Tragik spannt und zum (roman-)verbindenden Element wird.

Dass Moers sich der gepflegten Skurrilität verschrieben hat, beweist auch Die Stadt der Träumenden Bücher, welche schon ein Jahr später erschien. Deutlich sind die Einflüsse der Horror- und Schauerliteratur, und wieder zitiert Moers inhaltlich sowie stilistisch zahlreiche literarische Vorbilder. Während das Enträtseln der Buchlinganagramme zum Volkssport unter geneigten Phantastikfreunden wurde, nahm Moers für diesen Roman zwei Literaturpreise entgegen und erlangte mit seiner „Übersetzung aus dem Zamonischen“ auch großen kommerziellen Erfolg.

Der fünfte Zamonien-Roman, Der Schrecksenmeister, erschien 2007 und ist die bisher umfangreichste intertextuelle Anspielung Moers’: der Roman kommt als Interpretation und Umgestaltung von Gottfried Kellers Novelle Spiegel, das Kätzchen daher und stammt in der Fiktion, wie Die Stadt der Träumenden Bücher, ursprünglich aus der von Klauen gehaltenen Feder von Hildegunst von Mythenmetz.

Das beinah vollständige Zurücknehmen des Autors ist ein weiteres Markenzeichen von Moers geworden. Dies hat zum Teil pragmatische Gründe – mit der Hitler-Satire Adolf hat sich Moers eine bedauernswert große Menge an Feinden geschaffen –, ist jedoch auch ein signifikantes Alleinstellungsmerkmal des Autors in der phantastisch-deutschen Literaturszene, die zum Großteil von Inszenesetzung und Vermarktung des Konterfei, des Namens und der Lebensgeschichte eines Autors geprägt ist. Auch am literatur-akademischen Diskurs in der Öffentlichkeit ist Moers nicht beteiligt – doch auch ohne großangelegte Selbstdarstellung ist der Leser über jeden Zweifel an Moers’ Belesenheit erhaben. Das leichtfüßige Spiel mit Literaturgenres und die Vielfalt an intertextuellen Kunststücken mit Anleihen aus Trivial- und Klassikerliteratur gleichermaßen zeigen, dass nicht intellektuelle Gespreiztheit, sondern einfach ein gutes Buch vonnöten ist, um zum Drei-und Vierfachlesen anzuregen.

Walter Moers ist also der deutsche Fantasyautor ohne Gesicht; ganz anders verhält es sich da mit seinem Alter-Ego, Hildegunst von Mythenmetz. Der dinoeske, zamonische Bestsellerautor liebt das Rampenlicht und die Selbstinszenierung, das intellektuelle Rittertum und den Applaus des rasenden Publikums. Und deshalb begegnen sie sich letztlich doch, das Feuilleton und Walter Moers: irgendjemand muss schließlich die arrogante Echse im öffentlichen Disput um Plagiat und Ausschweifungen in die Schranken weisen. Und spätestens hier zeigt Moers ganz elegant, dass die Ironie seiner Werke weit über die letzte Seite hinausgeht.

Links:

http://www.zamonien.de/ (Website des Eichbornverlages)
http://www.mythenmetz.de/ (Website des zamonischen Dichterfürsten)
http://www.nachtschule.de/dimensionsloch.html (Website der Nachtschule von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller)

Bibliographie (Phantastische Romane):

  • 1999: Die 13½ Leben des Käptn’ Blaubär
  • 2000: Ensel und Krete
  • 2001: Wilde Reise durch die Nacht (mit Holzstichen von Gustave Doré)
  • 2003: Rumo & Die Wunder im Dunkeln
  • 2004: Die Stadt der Träumenden Bücher
  • 2007: Der Schrecksenmeister

Rezensionen:

[Rezis von]Moers@Walter[/Rezis von]
Stand: 20. Januar 2011