Die britische Autorin Diana Wynne Jones (* 16. August 1934 in London, ✝ 26. März 2011) schrieb mehr als 30 Jahre lang Fantasybücher. Aufgewachsen in Essex, lebte sie bis zu ihrem Tod mit ihrem Mann in Bristol. Sie studierte in Oxford und besuchte dort u.a. Vorlesungen der großen Autoren des Genres: C.S. Lewis und J.R.R. Tolkien.
Laut ihrer selbstverfassten und sehr ausführlichen Autobiografie war Diana Wynne Jones seit ihrem zehnten Lebensjahr Atheistin.
Als Diana fünf Jahre alt war, brach der 2. Weltkrieg aus, und die Eltern evakuierten sie und ihre jüngere Schwester Isobel zu ihren Großeltern nach Wales. Für Diana der Beginn einer verdrehten Welt und einer chaotischen Kindheit. In den nächsten Jahren wurde sie mal hierhin, mal dorthin geschickt. Anders als in ihrem gewohnten Zuhause fand sie hier schmutzige Flüsse, dicht aneinander gereihte graubraune Häuser und eine Schar von Menschen vor, die allesamt eine fremde Sprache benutzten. Wer es konnte, sprach englisch mit den Kindern, wechselte jedoch sofort wieder ins Walisische, sobald man sich von den Kindern abwandte. Diana und ihre Schwester Isobel merkten schon bald, dass man sie zwar freundlich behandelte und aufnahm, dass sie jedoch auch Außenseiter in dieser fremdartigen Kultur waren.
1943 ließ sich die Familie schließlich in Essex nieder. Diana, Isobel und ihre neu dazu gekommene Schwester Ursula wurden fortan weitgehend sich selbst überlassen und verbrachten ihre Kindheit von den Eltern nahezu unbeachtet. Ihr Vater sah, zum Leidwesen der Mädchen, auch keinen Sinn darin, seinen Töchtern einen Fundus an lesenswerten Büchern zur Verfügung zu stellen. Ausgerüstet mit einer unermesslichen Vorstellungsgabe und einem ebenso großen Hunger nach neuem Lesestoff, gab es für Diana nur eine logische Lösung: sie musste selbst Bücher schreiben. Ihre Entscheidung löste bei ihren Eltern leider nur Gelächter aus.
Sie begann sodann als Teenager damit ihre Geschichten in Hefte zu schreiben und lenkte ihre Arbeit später in professionelle Bahnen. Nach dem Besuch der Friends School Saffron Walden studierte sie bis 1956 Englisch am St. Anne’s College in Oxford. Im selben Jahr heiratete sie John Burrow, einen Gelehrten für mittelalterliche Literaturwissenschaften, mit dem sie drei Söhne bekam.
Mit ihren auffallend ideenreichen Geschichten hatte sie es zu einer herausragenden Schriftstellerin des Fantasy-Genres gebracht. Ihre Bücher reichen von humorvollem Slapstick über geistreiche Parodien bis hin zu sozialkritischen Beobachtungen. Mit einer schier endlos wirkenden Vorstellungsgabe schaffte sie es, überschäumenden Humor mit einem glanzvollen Plot zu verknüpfen und dabei moralische Werte an Leser aller Altersklassen zu vermitteln. Ihre Bücher richteten sich meistens an Kinder, waren jedoch auch für Erwachsene niemals langweilig.
Sie haben Diana Wynne Jones weltweiten Erfolg und eine große Anzahl von Auszeichnungen eingebracht. Eine besondere Stellung in ihrem Werk nahmen dabei die Bücher The Tough Guide to Fantasyland, Dark Lord of Derkholm und Year of the Griffin ein, welche einen kritischen Blick auf in der Fantasy allzu häufig benutzte Klischees warfen.
Ihr erstes Buch der Chrestomanci-Reihe, Charmed Life, gewann 1977 den Guardian Award for Children’s Books. Weitere Auszeichnungen waren die Carnegie Medal, der Mythopoetic Award in den USA und der Karl Edward Wagner Award in Großbritannien. Letzterer wird von der British Fantasy Society an Personen oder Organisationen vergeben, die einen signifikanten Einfluss in der Fantasy darstellen.
Jones’ internationaler Bestseller Howl’s Moving Castle/Sophie im Schloss des Zauberers (1986) zählt auch heute noch zu einem ihrer beliebtesten Bücher. Es erzählt auf liebevolle und märchenhafte Weise die Geschichte der jungen Sophie, deren Leben so eintönig und trist wie das einer neunzigjährigen Dame verläuft – bis sie eines Tages von einer Hexe verzaubert wird. Nun, da sie sich nicht nur fühlt wie eine alte Dame, sondern auch noch so aussieht, flieht sie aus der Stadt und strandet in Zauberer Howls wandelndem Schloss. Mit einer urwitzigen Energie und spitzer Zunge macht sich Sophie zunächst daran, das völlig verdreckte Schloss von seinem Unrat zu befreien und empfindet dabei eine perfide Genugtuung. Sehr zum Schrecken von Howl, der die ganze Sache erst einmal verschläft …
Das Buch sprüht nur so vor schrägen Einfällen, liebevollem Weltenbau, charmanten und außergewöhnlichen Charakteren und Witz. Sehr viel Witz!
Howl’s Moving Castle wurde 2004 als Anime (japanischer Animationsfilm) von Hayao Miyazaki (Ghibli Studios) verfilmt und war international in den Kinos zu sehen. Die englische Synchronstimme des Zauberers Howl wird von Christian Bale gesprochen. Der Film wurde für den Academy Award nominiert. Während der Film zu Howl’s Moving Castle einen recht hohen Bekanntheitsgrad gewonnen hat, ist die TV-Verfilmung von Archer’s Goon (1992) weniger bekannt.
Dem Buch folgten zwei indirekte Fortsetzungen (Castle in the Air/Ziemlich viele Prinzessinnen und House of many ways, die an den märchenhaften Erzählstil von Howl’s Moving Castle jedoch nicht heran kamen.
1996 veröffentlichte Jones The Tough Guide To Fantasyland. Mit diesem Buch lieferte sie einen humorvollen Reiseführer für eine Fantasywelt, die die Quintessenz etlicher High-Fantasy-Settings sein könnte. Der Leser wird als Tourist behandelt, dem die typischen Handlungsorte, Motive und Figuren vorgestellt und erklärt werden, während der Autor die Rolle des Touristenführers übernimmt. Dieses Buch hat heute eine große Fangemeinde bei Lesern wie Schriftstellern. 2006 wurde es neu aufgelegt und um zusätzliches Material erweitert.
Ebenfalls 2006 wurde Jones von der University of Bristol der Ehrendoktor für Literatur verliehen. Ein Jahr später erhielt sie den World Fantasy Award for Life Achievement.
Nicht selten werden die Harry Potter-Bücher (Joanne K. Rowling) mit den Werken von Diana Wynne Jones verglichen. Der Erfolg von Harry Potter führte zu einem gesteigerten Interesse an Fantasyjugendbüchern und damit zu einer Neuauflage von inzwischen seit Jahren nicht mehr lieferbaren Werken Jones’.
Weiterhin werden ihre Arbeiten mit denen von Neil Gaiman oder Robin McKinley verglichen. Sie war nicht nur mit beiden befreundet, sie und Neil Gaiman teilten sich außerdem eine Vorliebe für die Bücher des Anderen. Nach einer Unterhaltung mit Gaiman widmete sie ihm das Buch Hexwood, da ihre Idee für die Schlüsselszene durch die Unterhaltung mit ihm entstand. Umgekehrt hatte auch Gaiman Jones bereits 1991 in seinem Comic Four Witches als eine der Hexen verewigt.
Im Sommer 2009 diagnostizierten die Ärzte bei Jones Lungenkrebs. Sie unterzog sich einer Chemotherapie, die zunächst erfolgreich verlief. Im Juni des folgenden Jahres musste sie die Therapie jedoch wieder aufnehmen. Ihre Lust zu schreiben blieb allerdings bis zum Schluss ungebrochen, und so schrieb sie weiter, bis sie schließlich den Kampf gegen den Krebs doch verlor.
Diana W. Jones starb am 26. März 2011.
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Bibliographie:
Chrestomanci
1977: Charmed Life / Neun Leben für den Zauberer; auch: Wir sind aufs Hexen ganz versessen)
1980: The Magicians of Caprona / Zauberstreit in Caprona; auch: Die Zauberer von Caprona
1982: Witch Week (Sieben Tage Hexerei / Hexenwoche
1988: The Lives of Christopher Chant / Von Irgendwo nach Fastüberall
2000: Mixed Magics / Das Geheimnis des hundertsten Traumes
2005: Conrad’s Fate
2006: The Pinhoe Egg
Kurzgeschichten aus dem Chrestomanci-Zyklus:
1982: The Sage of Theare
1984: Warlock at the Wheel
1986: Carol Oneir’s Hundredth Dream
2000: Stealer of Souls
Dalemark
1975: Cart and Cwidder / Die Spielleute von Dalemark; auch: Die Kraft der Mandola
1977: Drowned Ammet / Die heiligen Inseln
1979: The Spellcoats / Der Fluss der Seelen
1993: The Crown of Dalemark / Die Krone von Dalemark
Derkholm
1998: The Dark Lord of Derkholm / Einmal Zaubern – Touristenklasse
2000: Year of the Griffin
Howl’s Castle
1986: Howl’s Moving Castle / Sophie im Schloss des Zauberers
1990: Castle in the Air / Ziemlich viele Prinzessinnen
2008: House of Many Ways
Magids
1997: Deep Secret / Eine Frage der Balance
2003: The Merlin Conspiracy / Die Merlin Verschwörung
Einzelwerke
1970: Changeover
1973: Wilkin’s Tooth
1974: The Ogre Downstairs
1975: Dogsbody
1975: Eight Days of Luke
1976: Power of Three / Der Fluch des Ringes
1981: Time of the Ghost
1981: The Homeward Bounders
1984: Archer’s Goon / Das Geheimnis des siebten Zauberers
1984: Warlock at the Wheel
1984: The Skivers Guide / Handbuch zum Wegtauchen
1985: Fire & Hemlock / Feuer und Schierling
1987: A Tale of Time City
1989: Wild Robert
1989: Hidden Turnings
1991: Black Maria
1992: A Sudden Wild Magic / Plötzlich war da wilder Zauber
1993: Hexwood
1994: Fantasy Stories
1994: Stopping for a Spell
1996: The Tough Guide to Fantasyland
1996: Minor Arcana
1999: Puss in Boots
2007: The Game
2010: Enchanted Glass
2011: Earwig and the Witch
2014: The Island of Chaldea (zusammen mit Ursula Jones)
Kurzgeschichten
1978: Who Got Rid of Angus Flint?
1978: Carruthers
1979: The Fluffy Pink Toadstool
1979: Auntie Bea’s Day Out
1980: The Four Grannies
1984: No One
1984: Dragon Reserve, Home Eight
1984: The Plague of Peacocks
1987: The Fat Wizard
1988: The Green Stone
1989: The Master
1989: Chair Person
1989: Mela Worms
1990: nad and Dan adn Quaffy
1990: The Girl Who Loved the Sun
1992: Yes Dear
1994: What the Cat Told Me
1995: Everard’s Ride
1995: The True State of Affairs
1998: The Girl Jones
1999: Enna Hittims
2003: Little Dot
2006: I’ll Give You My Word
2009: Samantha’s Diary
2009: JoBoy