Bibliotheka Phantastika Posts

neue Rezensionen:
Blood Engines (T.A. Pratt) rezensiert von mistkaeferl
I am Legend (Richard Matheson) rezensiert von moyashi

neues Portrait:
John Howe portraitiert von moyashi

aus der alten BP umgezogene Rezensionen:
Elantris (Brandon Sanderson) rezensiert von mistkaeferl
Katzenwinter (Wolfgang und Heike Hohlbein) rezensiert von Katerchen
Die Königin der Träume (Patricia A. McKillip) rezensiert von Katerchen

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Bibliotheka Phantastika erinnert an die australische Kinder-und Jugendbuchautorin Patricia Wrightson (eigentlich Alice Patricia Furlonger, geboren am 19.06.1921 in Lismore, New South Wales, gestorben am 15.03.2010), die heute 90 Jahre alt geworden wäre. Wrightson machte sich zunächst mit zeitgenössischen Kinder- und Jugendbüchern einen Namen, ehe sie sich mit dem Roman The Nargun and the Stars (1973), in dem sie ein modernes Setting mit den Legenden und Mythen der Aborigines verwob, der Fantasy zuwandte. Diese Vermischung kennzeichnet auch ihr Hauptwerk im Bereich der Fantasy, die aus den Romanen The Ice Is Coming (1977), The Dark Bright Water (1978) und Behind the Wind (1981) bestehende Trilogie A Song of Wirrun. Die Wirrun-Romane könnten trotz eines völlig anders gearteten Ansatzes durchaus in einer Reihe mit Ursula K. LeGuins ursprünglicher Earthsea Trilogy oder Patricia McKillips Riddle-Master Trilogy stehen. Dass gerade dieses Werk in Deutschland – wo es wie viele andere ihrer Bücher ebenfalls erschienen ist (und zwar unter den Titeln Wirrun zwischen Eis und Feuer (1985), Wirrun und das singende Wasser (1986), Wirrun hinter dem Wind (1987)) – bei der Fantasyleserschaft kaum bekannt ist, hat möglicherweise ebensoviel mit dem ungewöhnlichen Setting zu tun, wie mit der Tatsache, dass die Bücher nur bei klassischen Jugendbuchverlagen erschienen sind.
Neben der Hans-Christian-Andersen-Medaille, die ihr 1986 als bisher einziger australischer Autorin verliehen wurde, war ihr Verdienst vor allem  das literarische Denkmal, das sie durch ihre intensive Auseinandersetzung mit den ursprünglichen Mythen und Märchen ihres Heimatlandes dem ‘magischen’ Australien gesetzt hat.

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Die Erwähnung und kurze Diskussion des unter FeministInnen wohlbekannten Bechdel-Tests bei Molos Wochenrückblick No. 57 hat mich dazu angeregt, mir Gedanken zu machen, wie man den Test auf (phantastische) Literatur übertragen könnte – und ob diese Probe überhaupt eine sinnvolle Perspektive ist.

Der Test nimmt eigentlich Filme ins Visier. Er sagt im Grunde rein gar nichts über ihre Qualität aus, und auch nicht einmal darüber, ob ein Film grundsätzlich feministisch angehaucht ist oder nicht. Was er aber sehr wohl tut, und deshalb mag ich ihn trotzdem, ist es, offenzulegen, wie absurd und festgefahren unsere Rollenbilder im Hinblick auf (filmisches) Erzählen sind. Es werden lediglich drei Kriterien getestet, die für jeden männlichen Filmhelden ein Klacks wären, für Frauen aber immer noch die Ausnahme darstellen:

1. Es treten mindestens zwei Frauen (mit eigenem Namen) auf,
die sich 2. miteinander unterhalten,
und zwar 3. nicht über Männer.

Wer nun meint, das sei lachhaft und komme am laufenden Band vor, teste ein paar populäre Filme durch – man wird feststellen, dass eine Menge davon durchfallen, die das Kriterium “aber da sind doch irgendwie wichtige Frauen mit von der Partie” auf den ersten Blick erfüllen: Mehr ist es nämlich meistens auch nicht.
Der Bechdel-Test ermittelt weniger den Frauenanteil eines Films, sondern geht der Frage auf die Spur, ob diese Frauen letzten Endes wirklich eigenständige Handlungsträger sein können oder doch nur Objekt und Plotelement zur Profilierung, Motivation oder Satisfaktion des Helden.
Falls noch ein paar Beispiele vonnöten sind – in diesem Video gibt es eine lange Liste von durchgefallenen Filmen:

Also schnell den Bechdel-Test auch an Fantasyliteratur ausprobiert, die in ihren beliebtesten Werken auch nicht gerade durch ein modernes Frauenbild besticht. Wird man ein ähnlich desolates Bild vorfinden? Und lässt sich der Test überhaupt 1:1 übertragen?
Dazu zunächst folgende Überlegungen:
– Der Literaturmarkt ist insgesamt vermutlich deutlich weniger männlich dominiert als die (Hollywood-)Filmindustrie, es gibt eine Menge Autorinnen, die auch die Geschichten von Frauen erzählen. Roman-Protagonistinnen sind dadurch häufiger anzutreffen als Filmheldinnen, die wirklich einen Film tragen, was zumindest im Blockbuster-Bereich so gut wie nie das ist, worauf Filmproduzenten setzen (und nicht vergessen: auch Tomb Raider fällt durch den Bechdel-Test!).
– Außerdem unterscheidet sich filmisches Erzählen natürlich von literarischem Erzählen, und das hat Auswirkungen auf den Test: Figuren bekommen schneller Namen als im Film, weil sie immer dann, wenn sie gezeigt werden, auch benannt werden müssen. Die Chance ist groß, dass eine unwichtige Figur nicht nur “die Frau” oder “die Dienerin” heißt, wenn sie mehr als nur einmal durchs Bild huscht. Anders als im Film ist im Buch eine Namensträgerin also nicht gleich mit einer potentiellen Handlungsträgerin gleichzusetzen.
– Des weiteren bieten Romane – je dicker der Schinken, desto eher – mehr Raum für Dialogszenen als Filme. Daher ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich bei einem großen Figurenensemble auch mal zwei Frauen unterhalten, z.B. übers Wetter oder den Eintopf und nicht nur über den wackeren Helden. Das verleiht ihnen erzählerisch allerdings keine gleichwertige Präsenz.
– Auch die manchmal starken ErzählerInnenfiguren der Literatur haben einen Einfluss auf das Ergebnis; so wird sich ein Roman mit männlichem Ich-Erzähler logischerweise schwer tun, mit einer Szene aufzuwarten, in der sich zwei Frauen unterhalten.

Müssen also die Kriterien für Literatur eventuell anders lauten?
Ein erster Testlauf ist relativ ernüchternd: Dauerbrenner wie Der Herr der Ringe oder auch Osten Ard [Nachtrag dank Nala: bei Tad Williams unterhalten sie sich doch] fallen gnadenlos durch – doch das Phänomen beschränkt sich nicht auf die eher traditionell erzählten Klassiker: Auch Der eiserne Rat des der Rückständigkeit unverdächtigen China Miéville erfüllt die Kriterien nicht, und sogar Steven Erikson, in dessen Spiel der Götter etliche starke und wichtige weibliche Figuren auftreten, kann wohl erst in späteren Bänden punkten, da er seine Frauen mit Vorliebe in einem männlichen Umfeld agieren lässt.  Das Lied von Eis und Feuer müsste dagegen aufgrund seiner extrem in die Breite gehenden Erzählweise und der schieren Menge an Figuren schnell durchkommen – wenn Gespräche mit Leibdienerinnen zählen …
Ganz irrelevant scheint der unveränderte Bechdel-Test auch für Literatur nicht zu sein – die Romane, die ihn bestehen, sind in der Unterzahl. Sollte man auch noch angepasste, strengere, erweiterte Kriterien anwenden, sähe es wohl ebenso düster wie beim Film aus.

Dass ein so formalisierter Test im Bereich des Films, der schneller und ökonomischer erzählen muss als ein Roman, eindeutigere Ergebnisse bringt, versteht sich von selbst. Doch selbst da zeigen die unzähligen Filmdiskussionen auf bechdeltest.com, dass ein gewisser Interpretationsspielraum bleibt, und dass solche Tests einem vielfältigen Medium nur ungenügend gerecht werden können.
Ich schlage deshalb auch nicht vor, jeden Film standardmäßig zu testen; viele meiner Lieblingsfilme rasseln mit Pauken und Trompeten durch (und beileibe nicht nur die älteren Streifen). Ich will sicher auch nicht jeden Roman diesem Test unterziehen oder, noch schlimmer, daraus eine Wertung ableiten: Durchgefallene Werke können hervorragend sein, und es gibt Romane, die bestehen den Test und sind trotzdem Schrott. Eine valide Betrachtungsweise ist er jedoch allemal, und seine Ergebnisse treffen eine Aussage über die populäre Erzählkultur.
Der Bechdel-Test ist ein grobes Instrument, kann aber ein Augenöffner sein – es lohnt sich, ihn hin und wieder anzusetzen und damit unsere in ihrer ganzen Absurdität weitläufig akzeptierten Erzähltraditionen zu hinterfragen.

Deswegen zum Abschluss ein Auftrag an unsere LeserInnen: Testet doch mal die letzten drei Romane, die ihr gelesen habt, und verratet uns das Ergebnis.

Hier die Liste mit den letzten fünf von mir rezensierten Romanen:
Eiserne Dämmerung – durchgefallen trotz Heldin
Das Tor von Ivrel – durchgefallen
Hounds of Ash – durchgefallen
Mainspring – durchgefallen
Shadows of the Apt – bestanden

Metaflöz Reaktionen

Bibliotheka Phantastika erinnert anlässlich seines heutigen 25. Todestags an Jorge Luis Borges, den unumstrittenen Großmeister der südamerikanischen Phantastik. Borges, dessen voller Name Jorge Francisco Isidoro Luis Borges Acevedo lautete, wurde am 24.08.1899 in Buenos Aires geboren und ist am 14.06.1986 in Genf gestorben. Mit seiner 1935 erschienenen Historia universal de la infamia (Universalgeschichte der Niedertracht) begründete er den Magischen Realismus, eine vor allem in der lateinamerikanischen Literatur verbreitete Spielart der Phantastik, zu deren wichtigsten Vertretern er auch in der Folgezeit zählte. Borges liebte das Spiel mit der Täuschung, mit dem Leser, mit der Vermischung von Realitätsebenen, wie man es beispielsweise in seiner Erzählung Tlön, Uqbar, Orbis Tertius (Tlön, Uqbar, Orbis Tertius) exemplarisch findet. Jorge Luis Borges’ Gesamtwerk liegt auch in deutscher Übersetzung vor, und der blinde Bibliothekar Jorge von Burgos in Umberto Ecos Roman Der Name der Rose ist eine Reminiszenz an den vielleicht wichtigsten Autor phantastischer Literatur des südamerikanischen Kontinents.

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Trudi Canavan
Trudi Canavan in Leipzig. © Juliana Socher.

Während vor den Türen der Lehmanns Buchhandlung in Leipzig die Besucher des Wave-Gothic-Treffens in ihren Gewandungen perfekt auf die Lesung eines Romanes einer der erfolgreichsten Fantasyautorinnen einstimmen, werden im Inneren des Buchladens die Stühle gerückt und die letzten Vorbereitungen getroffen. Die Gäste sammeln sich bereits um das Lesepult, doch mich bringt der Fahrstuhl in den Bücherbackstagebereich und weiter in das Büro, wo Trudi Canavan die letzten Notizen in ihr Exemplar von The Traitor Spy 2: The Rogue schreibt und zeichnet. Nach einem kurzen Fototermin wird das Buch zugeschlagen und Trudi Canavan eilt die Treppe hinunter zum Podium, wo sie das letzte Mal im Rahmen ihrer Lesereise aus ihrem neuen Werk lesen wird. Begleitet wird sie von Margarete von Schwarzkopf als Moderatorin und dem deutschen Schauspieler Hans-Werner Meyer, der einige Szenen aus der deutschen Übersetzung Sonea – Die Heilerin vortragen wird.

Das ausführliche Interview mit Frau Canavan erlaubt es dem Zuhörer, der Autorin bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Ihre Schreibkarriere begann – nach einer kurzen Liebäugelei mit dem Beruf des Filmregisseurs, ausgelöst durch Star Wars – Das Imperium schlägt zurück – mit dem Verfassen von Kurzgeschichten. Nach einigen Veröffentlichungen entstand das Manuskript ihres ersten Romans – besonders aus dem Wunsch heraus, die erdachten Charaktere tatsächlich kennenlernen zu können, ohne dass schon nach wenigen Seiten ein Abschied von ihnen anstünde. Die Möglichkeiten, eine Figur eine komplexe Entwicklung durchleben zu lassen und realkulturelle Inspirationen in die Geschichtenerzählung einzuspinnen, reizten die Autorin dabei besonders. Ihr Wissen über die japanische Kultur beeinflusste insbesondere das Schreiben ihrer ersten Trilogie The Black Magician, während die Inspirationen für die Age of Five-Trilogie eher aus dem antiken Mythologienschatz stammen: die eskapadenfreudigen griechischen Götter mit zuweilen sehr menschlichen Zügen waren wie geschaffen als Vorbild für ihren zweiten Bücherzyklus.
Als Ort der Ideen und größten Kreativität wurde von einem Fragesteller aus dem Publikum sofort das berüchtigt-romantisierte Schriftstellercafé vermutet. Denn wo ließe es sich besser schreiben als in einem belebten Café, völlig in das eigene Werk versunken, während das Leben auf den Straßen und auf den Seiten pulsiert? Zerstört wurde diese Vorstellung von Canavans Klarstellung, dass sie nach einer Stunde des Sitzens derartige Rückenschmerzen plagen, dass das Aufsuchen eines Cafés völlig unsinnig sei. Auch das berühmte Ideal vom Drauflosschreiben wurde sogleich entkräftet: „I’m a planner!“.

Trudi Canavan
© Juliana Socher.

Die Quelle ihrer Inspiration war, neben zahlreichen Sachbüchern, auch ein Fernsehbericht über die Vertreibung der Bettler aus Barcelona, bevor 1992 dort die Olympiade ausgetragen wurde. Dieses Motiv begegnete ihr am gleichen Tag im Traum erneut – nur, dass es Magier waren, welche die Bettler aus der Stadt vertrieben. Die Idee für das erste Kapitel von The Magician’s Guild war geboren. Doch auch wenn diese Inspiration im Schlaf wie ein wahrgewordener Traum eines jeden Schriftstellers erscheint – Canavan warnt davor, aus Träumen Buchstabenkapital zu schlagen, denn: „Dreams make no good stories“. Außer, die Idee überlebt das kritische Nachdenken am Frühstückstisch, ergänzt sie grinsend.

Der Namensgebungproblematik begegnet Trudi Canavan mit Begeisterung: „I love this question because I love the answer!“ ruft sie und erklärt: auch wenn die Handlung immer wichtiger ist als die Bezeichnung – die Charaktere bekommen also oft erst im Nachhinein einen Namen –, sind ihr Namenskonventionen sehr wichtig. Oftmals benutzt sie reale Namen, um sie im Sinne dieser vorher festgelegten Konventionen zu verfremden; beispielsweise benutzt sie oft zweisilbige, konsonantenreiche Namen, um die männlichen Charaktere ihrer Romane zu taufen. Sollte ihr partout nichts einfallen, empfiehlt sie den Trick, der so alt sein mag wie die Tastatur selbst: man lege den Kopf unsanft auf die Tasten nieder und stelle das entstandene Wort so lange um, bis ein passender Name entsteht. Von einzufügenden Apostrophen jedoch sagte sie wohlweislich nichts.
Mit der Benennung und Formung einer Figur nach einem realen Vorbild hat Canavan nur schlechte Erfahrungen gemacht. Der ursprünglich gutmütig erdachte Charakter „Alarin“, der nach einer Freundin benannt wurde, ging plötzlich seine eigenen Wege: „he turned evil on me!“ Der neue, eher unliebsame Alarin war der Grund, weshalb sich Trudi Canavan nach einer Zeit eisigen Schweigens bei der Namenspatin entschuldigen musste.

Trudi Canavan
Margarete von Schwarzkopf, Trudi Canavan und Hans-Werner Meyer © Juliana Socher.

Auch beim Thema Magie leuchten Canavans Augen auf. Mit „magic is technology, and black magic is nuclear power“, macht sie deutlich, wie ambivalent der Gebrauch dieser inneren Energien in ihrem Romanen behandelt wird. In den richtigen Händen nützlich – nicht umsonst ist das Thema der Heilung ein durchgängiges, romanübergreifendes Motiv –, kann sich die Magie in den falschen Händen jedoch zu etwas Gefährlichem entwickeln. So auch die magischen Steine, die in The Traitor Spy Trilogy eingeführt werden. Sie sind nicht nur geheimnisvolle magische Artefakte, sondern haben vielmehr das Potential, sich – im 3. Band, wie die Autorin hinter vorgehaltener Hand verriet – zu einem Werkzeug teuflischer Macht zu entwickeln. Ein weiteres Werkzeug dieser Art sind Drogen; neben „choosing your loyalty“ ein weiteres zentrales Thema der neuen Trilogie. Als Inspiration für die ‘Fäule’ diente in diesem Fall der Missbrauch von Opium durch die Gestalten der historischen Londoner Unterwelt. Dass die Drogen im Roman als gefügig machendes Werkzeug eingesetzt werden, um den Kampf um Loyalitäten zu beeinflussen, zeigt die enge Verquickung der angelegten Themen.

Auf die durchaus auch kritischen Fragen der Zuhörer antwortet Trudi Canavan souverän. Gleich mehrere Besucher teilten die Missbilligung der ständig kichernden Magier, von denen in der ersten Trilogie zu lesen ist. Nach einer anfänglichen Konfusion konnte die Autorin durch eine Lach-und-Kicher-Vorführung deutlich machen, welche Art von Lachen das englische Originalverb „to chuckle“ tatsächlich meint: „no giggling!“. Das Publikum hatte also eine Fehlübersetzung enttarnt; ein Umstand, der auch erklärt, weshalb ab einem gewissen Punkt in den Romanen abrupt nicht mehr gekichert, sondern eher leise gelacht wird: auch der Übersetzerin schien irgendwann das Gekichere eines Magiers nicht mehr würdig zu sein.

Canavan verschenkt ihr Exemplar von "The Rogue" © Juliana Socher.

Die Lesung der ausgewählten Kapitel bestritten die sympathische Autorin und Hans-Werner Meyer mit Humor und einer lebendigen, abwechslungsreichen Lesart. Spannende und humorvolle Szenen wechselten sich gekonnt ab, sodass die Zeit bis zur der am Anfang angekündigten Überraschung (zu) schnell vorüberging. Nachdem der letzte Satz gelesen wurde, verschenkte Trudi Canavan – nunmehr am Ende ihrer Lesereise angelangt – unter tosendem Applaus ihr Sonea-Exemplar, welches sie auf ihrer ganzen Reise begleitet hat und gespickt ist mit Notizen, Anmerkungen und Zeichnungen der begabten Grafikerin. Eine Leserin aus Wuppertal, die den weitesten Weg zurückgelegt hatte, um der Autorin zu begegnen, konnte freudestrahlend diesen bibliophilen Schatz in die Arme schließen, und nicht wenige Besucher verfluchten ihren allzu kurzen Anreiseweg – mich eingeschlossen.

Trudi Canavan
Der Signiermarathon beginnt © Juliana Socher.

Der rundum gelungene Leseabend endete mit der Signierstunde der Autorin; und so mancher Fan wird in der langen Schlange einige Mühe damit gehabt haben, alle neun Romane und noch weitere fünf Exemplare für diverse Freunde hinauf zum Podium zu bugsieren und mit der verinnerlichten Geduld einer 9-fachen Romanautorin signierte Canavan vermutlich noch bis Mitternacht. Ich jedoch hatte schon längst meinen (viel zu kurzen) Heimweg angetreten.

Auf die Frage, welche Magien die mächtigsten seien, antworte Trudi Canavan übrigens mit „sex and humour!“. Kicher.

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neue Rezensionen:
Avempartha (Michael J. Sullivan) rezensiert von Wulfila
Gute Drachen sind rar (J. R. R. Tolkien) rezensiert von mistkaeferl
Raven die Schwertmeisterin (Richard Kirk) rezensiert von moyashi

neues Portrait:
Catherynne M. Valente portraitiert von Fremdling

aus der alten BP umgezogene Rezensionen:
Cave Canem (Akif Pirinçci) rezensiert von Katerchen
Endymion Spring (Matthew Skelton) rezensiert von Katerchen
Der Funke des Chronos (Thomas Finn) rezensiert von Katerchen

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Robert E. Howard, dessen Todestag sich heute zum 75. mal jährt. Der am 22. Januar 1906 in Peaster, Texas, geborene Schöpfer von Conan, Kull, Solomon Kane, Bran Mak Morn und etlichen anderen zumeist übermenschlichen Heldenfiguren war in den frühen 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine der Galionsfiguren des Pulpmagazins Weird Tales; mit The Shadow Kingdom, der 1929 erschienenen ersten Story um Kull of Atlantis, hat er das Subgenre der Sword & Sorcery begründet, das er wenig später mit seinen Conan-Stories selbst zur ersten Blüte gebracht hat. Auch wenn Howards phantastische Geschichten am bekanntesten geworden sind – was nicht zuletzt die aktuellen Verfilmungen von Solomon Kane und Conan (ungeachtet ihrer Qualität!) belegen –, so zeigt sein in knapp elf Jahren geschaffenes, schon rein quantitativ beeindruckendes Gesamtwerk eine weit größere thematische und stilistische Breite. Was aus Howard hätte werden können, wenn er sich nicht mit gerade einmal dreißig Jahren eine Kugel in den Kopf gejagt hätte, ist eine interessante Frage. Und natürlich eine müßige. Vielleicht ist es daher angemessen, dem Zeichner Roy G. Krenkel das Wort zu erteilen, der u.a. eine Buchausgabe von Howards Kreuzfahrer-Geschichten illustriert hat: »His words rang like brazen hammers on some anvil of the gods. Dark gods – and wayward.«

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In der zweiten Runde unserer Lieblingscover haben wir wieder einige Beispiele herausgesucht, die zeigen, dass Fantasy durchaus ein Augenschmaus sein kann …

Yume No Hon – Catherynne M. Valente
erschienen 2006, Covergestaltung: Luis Rodrigues
Yume No Hon von Catherynne M. Valente

Dieses Cover beweist, dass eine schlichte Gestaltung mit überbordenden Covern leicht mithalten und ebenso die Fantasie des Betrachters anregen kann. Das gedeckte Rot des Hintergrundes und der Sepiaton des Bildes harmonieren perfekt miteinander und das Motiv stimmt einfach wunderbar auf das japanische Setting des Buches ein. (Fremdling)

Precious Dragon – Liz Williams
erschienen 2007, Künstler: Jon Foster
Precious Dragon von Liz Williams

Die Cover dieser Buchreihe zählen für mich zu den absoluten Highlights. Neben einer wunderbar in Form und Farbe gelungenen Illustration wurde auch der Text so passend positioniert, dass man die Illustration zur Abwechslung einmal genießen kann. Manchmal ist weniger deutlich mehr und wesentlich prägnanter als Text, der einem in 120 Punkt entgegen springt. Cover wie das von “Precious Dragon” kann man sich praktisch als Poster an die Wand hängen, und zum Buchinhalt passt es auch noch. Mehr davon bitte! (moyashi)

The Far Kingdoms – Allan Cole/Chris Bunch
erschienen 1993, Künstler: Gnemo (Tom Kidd)
The Far Kingdoms von Allan Cole und Chris Bunch

Ein klassisches, filigranes Gemälde auf dem Cover einer klassischen Abenteuer-Geschichte: Das Bild liefert bereits das, was der Titel des Romans verspricht – einen Blick auf ferne Königreiche. Zugegeben, es wirkt ein bißchen kitschig mit dem Märchenschloss, den kräftigen Farben im Vordergrund und den Pastellfarben weiter hinten – in ganzer Pracht auf dem ursprünglichen Wraparound zu sehen. Aber es ist genau das Richtige, wenn man einmal mit Fernweh vor dem Bücherregal steht. (mistkaeferl)

The King of Attolia – Megan Whalen Turner
erschienen 2006, Künstler: Vince Natale
The King of Attolia von Megan Whalen TurnerFiguren, die das Bild dominieren, sich aber nicht unverstellt dem Betrachter präsentieren, antikisierende Ornamente, die man dennoch keiner tatsächlichen historischen Epoche zuordnen kann, Pracht, Düsternis, Innigkeit und die Folgen von Gewalt – Vince Natales Illustration setzt kongenial das um, was den Leser in The King of Attolia erwartet, und beweist zugleich, dass man den Protagonisten eines Romans auch anders als im dramatisch drapierten Kapuzenumhang aufs Cover bannen kann. Neben dem ungewöhnlich gewählten Bildausschnitt gefällt mir vor allem die Gesamtwirkung, die eher an ein altmeisterliches Gemälde als an reine Gebrauchsgraphik denken lässt. (Wulfila)

The Sword and the Stallion – Michael Moorcock
erschienen 1975, Künstler: Patrick Woodroffe
The Sword and the Stallion von Michael Moorcock

Die fast schon surrealistisch anmutenden Cover, die Patrick Woodroffe für die britische TB-Ausgabe der zweiten Corum-Trilogie geschaffen hat, waren in den 70ern echte Hingucker – und wären es heute vermutlich wieder. Interessant dabei ist, dass Woodroffe fast alle wichtigen Elemente, die im Buch bzw. den Büchern auftauchen, mal mehr, mal weniger offensichtlich in den jeweiligen Titelbildern integriert hat. (gero)

Jonathan Strange & Mr. Norrell – Susanna Clarke
erschienen 2004, Künstler: William Webb
Jonathan Strange & Mr Norrell von Susanna Clarke

Schwarzer Hintergrund, eine weiße Schrift, die den Eindruck erweckt, als hätte hier noch jemand per Hand eine alte Druckerpresse bedient, dazu ein einzelner Rabe. Andere mögen es vielleicht langweilig nennen, aber für mich ist es gerade diese wunderbare Schlichtheit, die das Cover angenehm aus der Masse der “Action!” oder “Epic!” schreienden Fantasyeinheitscover heraushebt. Und, was heutzutage vielleicht eine noch größere Leistung ist: das Cover passt auch noch zum Buch, das eben auch eher sprachliche Eleganz (wobei auch hier manche eher sagen: Langeweile) der Action vorzieht. (maschine)

Scriptorium

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Die Priesterin der Tuerme von Heide Solveig GoettnerDeutsche Fantasy steht in keinem guten Ruf: Immer wieder wird der Vorwurf laut, das Genre hätte hierzulande außer belangloser Unterhaltung und Imitationen angloamerikanischer Vorbilder wenig zu bieten. Autoren wie Hohlbein, Heitz und Hennen, über deren literarische Verdienste man geteilter Meinung sein kann, dominieren die öffentliche Wahrnehmung. Dies verstellt oft den Blick darauf, dass es durchaus gelungene Werke unbekannterer Verfasser gibt, die mehr Beachtung verdient hätten. Ein Beispiel dafür ist unser “Buch des Monats”: Heide Solveig Göttners Trilogie Die Insel der Stürme (Band 1: Die Priesterin der Türme, ISBN: 978-3-492-26633-8; Band 2: Der Herr der Dunkelheit, ISBN: 978-3-492-26667-3; Band 3: Die Königin der Quelle, ISBN: 978-3-492-26696-3).

Die titelgebende Insel ist an das bronzezeitliche Sardinien angelehnt und bietet neben der glaubwürdigen Darstellung einer matrilinearen Gesellschaft auch die konsequente Transponierung von Glaubensvorstellungen mediterraner Kulturen in den Fantasybereich. Beides ist effektvoll in einen Plot integriert, der auf den ersten Blick dem klassischen Questenschema zu folgen scheint:

Als ein Fremder mit einem Kind in der Stadt Caláxi auftaucht, schlagen ihm Misstrauen und Feindseligkeit entgegen. Die kleine Lillia ist durch ihre auffällige Augenfarbe als „Verlorenes Kind“ ausgewiesen, dessen Anwesenheit, ja, bloße Existenz als Bedrohung wahrgenommen wird. Nur die Totenpriesterin Amra macht sich für die Besucher stark und kann, als bald darauf Unheil über Caláxi hereinbricht, mit ihnen und dem Krieger Gorun entkommen. Die ungleichen Gefährten machen sich auf, das Geheimnis zu ergründen, das Lillia umgibt, und müssen es dabei nicht nur mit den wilden Kämpfern vom Ziegenvolk der Nraurn, sondern sogar mit dem Totengott aufnehmen …

Wie auch das liebevoll ausgearbeitete Setting erweist sich die Handlung im Laufe der drei Bände als originell und schlägt auf leisen Sohlen ganz eigene Wege ein. Am Ende kommt es weniger auf militärische oder magische Überlegenheit an als auf (Selbst-)Erkenntnis und die Bereitschaft, sich von überkommenen Denkweisen zu lösen.

Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass neben der detailreichen und sehr authentisch wirkenden Welt vor allem die Figuren den Reiz der Trilogie ausmachen: Nuancenreich und glaubwürdig stehen einem sowohl die Helden als auch ihre Gegenspieler bald weit lebhafter vor Augen als manch eine schablonenhafte Gestalt aus bekannteren Romanen.

Warum also ist dieser schönen Serie bisher kein größerer Erfolg beschieden? Vielleicht, weil sie dem Leser ganz ähnlich wie den handelnden Personen abverlangt, nicht nur Andersartigkeit, sondern auch Nachdenklichkeit zuzulassen, und ihn dafür nicht mit einem Übermaß an Sex, Gewalt und Action „entschädigt“. Wer aber die Bereitschaft mitbringt, sich der ruhig erzählten Geschichte zu widmen, wird mit einem besonderen Lektüreerlebnis belohnt.

Neugierig geworden? Eine Rezension zu Band 1 ist hier zu finden.

Buch des Monats