Die Insel der Stürme

Die Priesterin der Tuerme von Heide Solveig GoettnerDeutsche Fantasy steht in keinem guten Ruf: Immer wieder wird der Vorwurf laut, das Genre hätte hierzulande außer belangloser Unterhaltung und Imitationen angloamerikanischer Vorbilder wenig zu bieten. Autoren wie Hohlbein, Heitz und Hennen, über deren literarische Verdienste man geteilter Meinung sein kann, dominieren die öffentliche Wahrnehmung. Dies verstellt oft den Blick darauf, dass es durchaus gelungene Werke unbekannterer Verfasser gibt, die mehr Beachtung verdient hätten. Ein Beispiel dafür ist unser “Buch des Monats”: Heide Solveig Göttners Trilogie Die Insel der Stürme (Band 1: Die Priesterin der Türme, ISBN: 978-3-492-26633-8; Band 2: Der Herr der Dunkelheit, ISBN: 978-3-492-26667-3; Band 3: Die Königin der Quelle, ISBN: 978-3-492-26696-3).

Die titelgebende Insel ist an das bronzezeitliche Sardinien angelehnt und bietet neben der glaubwürdigen Darstellung einer matrilinearen Gesellschaft auch die konsequente Transponierung von Glaubensvorstellungen mediterraner Kulturen in den Fantasybereich. Beides ist effektvoll in einen Plot integriert, der auf den ersten Blick dem klassischen Questenschema zu folgen scheint:

Als ein Fremder mit einem Kind in der Stadt Caláxi auftaucht, schlagen ihm Misstrauen und Feindseligkeit entgegen. Die kleine Lillia ist durch ihre auffällige Augenfarbe als „Verlorenes Kind“ ausgewiesen, dessen Anwesenheit, ja, bloße Existenz als Bedrohung wahrgenommen wird. Nur die Totenpriesterin Amra macht sich für die Besucher stark und kann, als bald darauf Unheil über Caláxi hereinbricht, mit ihnen und dem Krieger Gorun entkommen. Die ungleichen Gefährten machen sich auf, das Geheimnis zu ergründen, das Lillia umgibt, und müssen es dabei nicht nur mit den wilden Kämpfern vom Ziegenvolk der Nraurn, sondern sogar mit dem Totengott aufnehmen …

Wie auch das liebevoll ausgearbeitete Setting erweist sich die Handlung im Laufe der drei Bände als originell und schlägt auf leisen Sohlen ganz eigene Wege ein. Am Ende kommt es weniger auf militärische oder magische Überlegenheit an als auf (Selbst-)Erkenntnis und die Bereitschaft, sich von überkommenen Denkweisen zu lösen.

Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass neben der detailreichen und sehr authentisch wirkenden Welt vor allem die Figuren den Reiz der Trilogie ausmachen: Nuancenreich und glaubwürdig stehen einem sowohl die Helden als auch ihre Gegenspieler bald weit lebhafter vor Augen als manch eine schablonenhafte Gestalt aus bekannteren Romanen.

Warum also ist dieser schönen Serie bisher kein größerer Erfolg beschieden? Vielleicht, weil sie dem Leser ganz ähnlich wie den handelnden Personen abverlangt, nicht nur Andersartigkeit, sondern auch Nachdenklichkeit zuzulassen, und ihn dafür nicht mit einem Übermaß an Sex, Gewalt und Action „entschädigt“. Wer aber die Bereitschaft mitbringt, sich der ruhig erzählten Geschichte zu widmen, wird mit einem besonderen Lektüreerlebnis belohnt.

Neugierig geworden? Eine Rezension zu Band 1 ist hier zu finden.

2 Kommentare zu Die Insel der Stürme

  1. Katerchen sagt:

    Bezugnehmend auf den letzten Satz:

    Durchaus… 😉
    ich werde mal reinlesen…

  2. erik schreiber sagt:

    die vorliegende sf von heide ist unkonventionell, weil sie nicht zu den “völker”-geschichten passten, die gerade modern waren. leider fanden sich wohl nicht mehr genügend käufer, denn der letzte band der trilogie erschien nur als taschenbuch, während die ersten beiden noch hardcover waren. ich fand ihre erzählung sehr gut und die entsprechenden rezensionen finden sich im phantastischen bücherbrief. eine lesung beim darmstädter spät lese abend fand viel beifall. dennoch kann ich selbst nicht sagen, warum ihre erzählung keinen anklang und den dazu gehörigen erfolg zeigte.
    vielleicht liegt es einfach daran, dass es keine rein gut / böse regelung gab und ein wenig mehr denken statt nur unterhalten lassen.

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