Bibliotheka Phantastika Posts

Einmal mehr hat das eab das Internet durchstöbert und wieder ein paar Künstler entdeckt, die Augenweiden aus Büchern schaffen – auf die eine oder andere Weise….

Anonyme Buchsculptur in Edinburgh
Quelle: www.thisiscentralstation.com

1. Mysterious Paper Sculptures
Wir beginnen die Sammlung mit einem anonymen Künstler, dessen Werke in verschiedenen Buchhandlungen Schottlands aufgetaucht sind und als Geschenke mit einer persönlichen Widmung zurück gelassen wurden.

Buchbindung von Alexander Solarov
Quelle: Alexander Solarov bei flickr.com

2. Alexander Solarov
Dieser Künstler schafft nicht Kunst aus Büchern, er macht aus dem Buch ein Kunstwerk in seiner ursprünglichsten Form und beglückt uns mit wahren Schmuckstücken aufwendig gestalteter Bucheinbände.

Das Silmarillion illustriert von Benjamin Harff
Quelle: www.herr-der-ringe-film.de

3. Benjamin Harff
Ein schon etwas älterer Beitrag, der uns erst kürzlich in die virtuellen Hände fiel, ist die Diplomarbeit von Benjamin Harff, für die er das Silmarillion von J.R.R. Tolkien nach dem Vorbild einer mittelalterlichen Handschrift mit detailreicher Kalligrafie illustrierte. In einem Interview verrät er außerdem ein paar Details zu seiner Arbeitsweise und der Entstehung des Buches.

Skulptur von Georgia Russel
Quelle: www.funforever.net

4. Georgia Russel
Diese aus Schottland stammende Künstlerin geht es wieder scharf an und nutzt ein Skalpell für die Erschaffung ihrer Werke. Anders als der im letzten Beitrag erwähnte Brian Dettmar, seziert Georgia Russel ihre Bücher bis in die kleinsten Schnipsel und formt daraus abstrakte Skulpturen und Bilder.

Eselsohr

Odds and Gods von Tom HoltBibliotheka Phantastika gratuliert Tom Holt, der heute 50 Jahre alt wird. Nachdem der am 13. September 1961 in London geborene Thomas Charles Louis Holt im zarten Alter von zwölf Jahren bereits einen Gedichtband veröffentlicht und Mitte der 80er Jahre zwei Fortsetzungen zu E.F. Bensons Lucia-Reihe verfasst hatte, folgte 1987 mit Expecting Someone Taller der erste von mittlerweile rund zwei Dutzend humoristischen Fantasyromanen, die alle mehr oder weniger dem gleichen Muster folgen: im zeitgenössischen England tauchen Figuren aus Mythlogie, Geschichte oder Literatur auf und sorgen für zumeist komische Verwicklungen. In Expecting (dt. Wir hatten Sie irgendwie größer erwartet (1994)) entstammen diese Figuren der germanischen Mythologie – genauer gesagt Richard Wagners Ring des Nibelungen – während in Who’s Afraid of Beowulf? (1988; dt. Wer hat Angst vor Beowulf? (1993)) und Flying Dutch (1991; dt. Der fliegende Holländer (1993)) bereits aus dem Titel hervorgeht, welcher mythologische Hintergrund hier Pate stand.
In Ye Gods! (1992; dt. Liebling der Götter (1995)) macht ein wiedergeborener Herakles eine englische Vorstadt unsicher, und in Overtime (1993; dt. Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat … (1995)) befindet sich der französiche Troubadour Blondel de Nesle auf einer wilden Zeitreise. Here Comes the Sun (1993; dt. Im Himmel ist die Hölle los (1995)) fällt ein bisschen aus dem Rahmen, da der Roman in einer Fantasywelt spielt, die von der himmlischen Bürokratie mehr schlecht als recht verwaltet wird.
Grailblazers (1994; dt. Snottys Gral (1996)), Faust Among Equals (1994; dt. Faust und Konsorten (1996)) und Odds & Gods (1995; dt. Auch Götter sind nur Menschen (1997)) folgen hingegen wieder der alten Formel und bringen Gralsucher, Faust und die Götter mehrerer Pantheons ins moderne England. Auch wenn alle diese Romane durchaus lustige Szenen enthalten, zeigt sich dennoch, dass sich das Konzept als solches relativ schnell abnutzt, und da helfen auch Variationen wie in My Hero (1996; dt. Mein Held (1999)) – hier können literarische Figuren wie Hamlet zwischen der fiktionalen und der richtigen Welt hin und her wandern – oder Paint Your Dragon (1996; dt. Immer Ärger mit Georgie (1998) – hier werden die Statuen St. Georgs und des Drachens lebendig und wollen ihren Kampf neu ausfechten – nur begrenzt. Was möglicherweise mit ein Grund ist, warum nach Mein Held kein Titel von Tom Holt mehr ins Deutsche übersetzt wurde.
Ins Deutsche übersetzt wurden hingegen auch zwei der insgesamt fünf historischen Romane Holts – und zwar die beiden im antiken Griechenland spielenden Goatsong (1989, dt. Der Ziegenchor (1994)) und The Walled Orchard (1990; dt. Der Garten hinter der Mauer (1994)) –, deren deutsche Ausgaben genauso aufgemacht sind wie seine humoristischen Romane, was angesichts der deutlichen inhaltlichen Unterschiede (denn humoristisch sind diese Romane nicht) ein bisschen seltsam anmutet.

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Cover des Buches "Tor der Vewandlung" von Carol Berg Gleich nachdem wir uns in der Bibliothek darüber einig waren, dass der Roman Tor der Verwandlung (ISBN: 978-3-442-24361-7) im September unser Buch des Monats sein soll, nahm ich es zur Hand, um noch einmal kurz reinzulesen. Meine letzte Lektüre des Buches liegt nun schon ca. zwei Jahre zurück, und so wollte ich meine Erinnerungen etwas auffrischen, bevor ich mich an diesen Beitrag machte.
Nach zwei Tagen hatte ich zwei wichtige Termine verpasst, meinen Freund wegen völliger Vernachlässigung verärgert und die Hälfte des Buches gelesen. Wie schon beim ersten Mal zog mich die Geschichte sofort in ihren Bann.

Dabei macht das Buch von außen gar nicht nicht soviel her – okay, das Coverbild ist passend und wesentlich weniger kitschig als das Originalcover, aber es ist nicht unbedingt etwas Besonderes, und auch der Klappentext verspricht eigentlich nichts weiter als einen soliden Fantasyroman:
“Seit vielen Jahren lebt der ehemalige Magier Seyonne unter dem Joch der Sklaverei. Die Erniedrigung und das Elend dieser Zeit konnte Seyonne nur überleben, indem er alles vergaß, was ihm einst bedeutsam erschien. Doch nun muss er sich wieder seiner Zauberkräfte entsinnen: Denn ein uraltes dämonisches Übel ist aufgetaucht und droht alles zu vernichten, was dem gebrochenen Mann jetzt noch wichtig ist…”
Doch gleich auf den ersten Seiten wird klar, dass in diesem Roman die starken Charaktere viel wichtiger sind als die Geschichte vom Kampf gegen uralte Übel oder finstere Dämonen.

Seyonne, der seit 16 Jahren als Sklave in derzhischer Gefangenschaft lebt, hat längst alle Hoffnungen auf ein würdiges Leben aufgegeben. Zwischen prügelnden Herren, erniedrigenden Arbeiten, Dreck und Elend versucht er einfach nur noch zu überleben und seinen Verstand nicht völlig zu verlieren. Dafür musste er nicht nur seinen Stolz aufgeben, sondern auch die Erinnerungen an sein Leben vor der Sklaverei.
Eines Tages wird er von Kronprinz Aleksander als Schreibsklave gekauft. Für diesen ist es ein Kauf aus rein praktischen Gründen: als ranghohes Mitglied der Gesellschaft hat er nie Lesen und Schreiben gelernt, und nun benötigt er für seine vertraulichen Korrespondenzen ein vertrauenswürdiges Werkzeug. Was wäre da besser geeignet als ein Sklave, den man im Fall eines vermeintlichen Vertrauensbruches einfach töten kann, ohne dass es Nachfragen gibt?
Und besser als ein Werkzeug wird Seyonne anfangs auch nicht von Aleksander behandelt, denn dieser ist ein hochmütiger, arroganter und absolut verzogener Charakter. Als Thronerben werden ihm kaum Grenzen im Umgang mit seiner Umwelt gesetzt, und so begegnet er den meisten Menschen in seiner Umgebung mit Verachtung und Geringschätzung.

Diese beiden so unterschiedlichen Charaktere und ihre sich entwickelnde Beziehung zueinander tragen die Handlung des Buches über weite Strecken und es wird nie langweilig zu lesen, wie die Beiden miteinander agieren. Eingebettet in eine detailreich ausgearbeitete Welt, entwickelt sich die Geschichte in einer ruhigen, ja fast gemächlichen Erzählweise.

Seyonne berichtet von den Ereignissen aus seiner Sicht. Als Mann in der Mitte seines Lebens ist er reif genug, um dem Leser genügend Tiefgründigkeit zu bieten, ohne bemüht geheimnisvoll zu wirken. Es macht einfach Spaß, ihm zuzuhören, denn inmitten seines Leidens hat er sich einen sehr feinen Humor bewahrt, der so ganz anders ist als der demonstrative Zynismus eines Tyrion Lannister oder eines Sand dan Glokta.
So meistert die Autorin die Hürden des Ich-Erzählers mit Bravour und erschafft glaubhafte Protagonisten, die den Leser des öfteren an die Charaktere aus den Büchern eines G.G. Kay denken lassen und gleich von der ersten Seite an zu fesseln vermögen.

Tor der Verwandlung ist zwar der Auftakt zu einer Trilogie, doch das Buch endet so befriedigend, dass es auch gut für sich allein gelesen werden kann. Die beiden Folgebände lassen sich gut lesen, können aber leider nicht das hohe Niveau des ersten Teils halten.

Buch des Monats

Bloggerin Sady Doyle hat sich A Song of Ice and Fire vorgenommen und kommt unter Genderaspekten zu einer vernichtenden Kritik. Entschiedene Reaktionen darauf bleiben natürlich nicht aus, so etwa von E.D. Kain oder von Alyssa Rosenberg.

Doyles Kritik ist in der Tat in mancherlei Hinsicht überspitzt und büßt ihre Legitimation vor allem durch die Ausweitung auf ein ganzes Genre ein:

I could talk about how the impulse to revisit an airbrushed, dragon-infested Medieval Europe strikes me as fundamentally conservative — a yearning for a time when (white) men brandished swords for their King, (white) women stayed in the castle and made babies, marriage was a beautiful sacrament between a consenting adult and whichever fourteen-year-old girl he could manage to buy off her Dad, and poor people and people of color were mostly invisible — or how racism and sexism have been built into the genre ever since Tolkien.

Auf Tolkien wird noch unter einem anderen Gesichtspunkt zurückzukommen sein, aber zunächst bleibt festzuhalten, dass ein solcher Rundumschlag natürlich wenig zielführend ist.

Rosenbergs kritische Anmerkung zu Doyles Vorgehensweise ist somit mehr als nachvollziehbar:

It is much, much easier to dismiss an entire genre or way of engaging with culture than to sort through it, to learn about the way people read it and take meaning from it, to identify, for example, the reasons that fantasy literature can be both profoundly meaningful to women and a fulfillment of male fantasies. But declaring something unsalvageable just means that you’re lazy, not that you’re correct.

Problematisch wird ihre Argumentation hingegen dort, wo sie auf Doyles Kritik am nicht unbedingt progressiven Geschlechterrollenverständnis in Martins Welt und an der wiederkehrenden Schilderung von häufig sexuell konnotierter Gewalt gegen Frauengestalten eingeht:

A world where women are perfectly safe, perfectly competent, and society is perfectly engineered to produce those conditions strikes me as one where we can’t tell any very interesting stories about women’s struggles and women’s liberation. If we tell ourselves stories in order to live, it doesn’t strike me that we do ourselves any favors as active feminists by leaching depictions of sexual violence, women making bad decisions, and institutionalized sexism from our fiction, or by dismissing entire swaths of consumers or modes of consuming fiction.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Kain:

Sady thinks that because there are dragons and zombies, Martin should be able to stretch the truth and make women equal to men, free from domestic abuse and rape and the other horrors women have always faced.
Would this be a service to women, a victory for feminism?
I don’t think so. Ignoring sexual abuse and pretending violence toward women doesn’t exist does not serve women at all. Quite the contrary. One of the greatest flaws in a lot of fantasy is that women are portrayed as basically sexy warriors. Feudal systems with men and women with equal rights, where all women are just as tough as men and never face any sort of sexism or unwanted sexual advances really is a fantasy, but not one that accurately reflects the world as it is. And that’s what fantasy, for all its dragons and werewolves, is meant to do. Good fantasy creates a world that reflects our own, warts and all.

Der alte Hinweis Damals war das halt so, der immer gern zur Erklärung herangezogen wird, wenn es um problematische Darstellungen von Geschlechterrollen in Fantasywelten geht, erhält damit quasi den argumentativen Ritterschlag: Eine Abweichung von in der realen Welt historisch verbürgten Verhältnissen erweise den Frauen und dem Feminismus einen Bärendienst. Aber trifft das zu?

Mitnichten.

So verdienstvoll die literarische Aufarbeitung eines Ankämpfens gegen restriktive Geschlechterrollen im Einzelfall sein mag, sie leistet immer auch eines: Eine implizite Anerkennung des Status quo als unvermeidlich oder vielleicht gar naturgegeben. Daran ändert auch der von Doyles Kritikern hervorgehobene Umstand nichts, dass George R. R. Martin die Unterdrückung und Misshandlung von Frauen ja nicht als etwas Gutes schildere (wie sehr er umgekehrt eine moralische Verurteilung vornimmt, bleibt offen). Ganz gleich, was die einzelne Gestalt im Endeffekt erreichen mag, ein überkommenes Geschlechterrollenverständnis mit all seinen negativen Begleiterscheinungen wird zunächst einmal  bestätigt und normalisiert.

Dabei könnte es vielleicht hilfreich sein, sich eine andere Normalität zumindest einmal vorzustellen.

Die Erkenntnis, dass gerade auch einer auf den ersten Blick unrealistischen Schilderung durchaus Sprengkraft innewohnen kann, ist nicht neu. So beschreibt etwa J.R.R. Tolkien in seinem bekannten Essay On Fairy Stories ein interessantes Gedankenspiel, das wunderbar die Problematik des Realismusarguments unabhängig vom spezifischen Thema aufzeigt:

Als Beispiel nur eine Kleinigkeit: Wenn man die elektrischen Straßenlaternen, wie sie nach Massenschablonen gefertigt werden, bei gegebenem Anlaß in einer Erzählung nicht erwähnte (oder zumindest kein Aufhebens von ihnen machte), so wäre dies ein Stück “Wirklichkeitsflucht” (…). Vielleicht wurden die Laternen aus der Erzählung einfach deshalb ferngehalten, weil sie als Laternen nichts taugen, und möglicherweise ist ebendies eine der Lehren, die aus der Geschichte zu ziehen sind. Aber schon wird das schwere Geschütz aufgefahren: “Die elektrische Straßenbeleuchtung”, so sagt man, “ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.” (…)
Der Eskapist ist den Launen der Mode nicht so ergeben wie seine Gegner. Er macht nicht Dinge (die man aus ganz vernünftigen Gründen geringschätzen kann) zu seinen Herren oder Göttern, indem er sie als unverzichtbar oder sogar als “unerbittlich” anbetet. Und seine Gegner, so leicht sie bereit sind, ihn zu verachten, haben doch keine Gewähr, daß er es beim Ignorieren bewenden läßt: Womöglich will er die Menschen aufhetzen, die Straßenlaternen niederzureißen.

Zugegeben, Tolkien weist im weiteren Verlauf seines Essays auch auf die möglichen Gefahren einer solchen Konstellation hin, doch seine zentrale Beobachtung bewahrt ihre Gültigkeit: Scheinbarer oder tatsächlicher Eskapismus kann durchaus eine Wirkung auf die Realität entfalten und mithin in manchen Fällen konstruktiv sein.

Gerade unter diesem Aspekt wäre es durchaus wünschenswert, wenn die Leserschaft nicht immer wieder ausgerechnet im heiklen Bereich der Genderproblematik einer ständigen Selbstbeschränkung der Fantasy auf einen vermeintlich löblichen „Realismus“ das Wort reden würde.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Barbara Hambly, die heute 60 Jahre alt wird. Schon mit ihrer ersten Veröffentlichung – der aus den The Walls of the Air von Barbara HamblyRomanen The Time of the Dark (1982), The Walls of Air (1983) und The Armies of Daylight (1983) bestehenden Darwath Trilogy (dt. als Sammelband Gefährtin des Lichts (1986)) – hat sich die am 28. August 1951 in San Diego, Kalifornien, geborene Barbara Hambly als beachtenswerte neue Stimme erwiesen, die es versteht, mit altbekannten Mustern zu spielen, sie zu variieren und ihnen dadurch neues Leben einzuhauchen. Das lässt sich beispielsweise daran erkennen, dass die beiden von unserer Welt stammenden Menschen – die Historikerin Gil Patterson und der Biker Rudy Solis –, die der Magier Ingold Inglorion mit auf seine von Monstren bedrohte Heimaltwelt nimmt, dort nicht die erwarteten, sondern ihrem hiesigen Leben diametral entgegengesetzte Rollen annehmen: Gil wird zur Kriegerin, Rudy zum Magier im Kampf gegen die Dunklen, die ein bisschen so wirken, als wären sie der Phantasie eines H.P. Lovecraft entsprungen.
Die mit The Ladies of Mandrygin (1984) begonnene und mit The Witches of Wenshar (1987) und The Dark Hand of Magic (1990) fortgesetzte Trilogie um den Söldnerführer Sun Wolf ist etwas konventioneller, wartet aber ebenfalls mit den für Hamblys Oeuvre typischen starken weiblichen Hauptfiguren auf und bedient sich im zweiten Band eines in der Fantasy seltenen Krimi-Plots.
Noch wesentlich ungewöhnlichere Wege beschritt sie mit dem zunächst als Einzelband konzipierten RDer schwarze Drache von Barbara Hamblyoman Dragonsbane (1986, dt. Der schwarze Drache (1987)), denn die Geschichte um den nicht mehr ganz jungen, eine Brille tragenden Drachentöter John Aversin, seine aus bestimmten Gründen von ihm getrennt lebende Lebensgefährtin, die Hexe Jenny Waynest, und den (vermeintlich) letzten Drachen Morkeleb stellt in mehrfacher Hinsicht klassische Fantasytropen auf den Kopf. Dies gilt auch für die etliche Jahre später erschienene, aus den Romanen Dragonshadow (1999), Knight of the Demon Queen (2000) und Dragonstar (2002) bestehende Fortsetzung, die bei Lesern und Leserinnen allerdings nicht unumstritten ist, was nicht zuletzt an der von Hambly gewählten Protagonistin liegen dürfte, denn hier steht nun vor allem Jenny – eine nicht sonderlich starke Hexe mittleren Alters und Mutter von zwei Kindern – im Mittelpunkt der Handlung.
Ihren wohl bisher größten Erfolg feierte Barbara Hambly mit dem Vampirroman Those Who Hunt the Night (1988, dt. Jagd der Vampire (1990)), in dem der Ex-Spion und Oxford-Professor James Asher zusammen mit seiner Frau Lydia einen Serienmörder zur Strecke bringen muss, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in London reihenweise Vampire umbringt. In den nicht mehr ganz die Klasse des ersten Bandes erreichenden Fortsetzungen Travelling With the Dead (1995) und Blood Maidens (2010) verschlägt es Asher und den Londoner Obervampir Don Ysidro u.a. nach Istanbul und Sankt Petersburg.
Neben Romanen und Erzählungen zu den beiden wohl größten Franchise-Universen (Star Wars und Star Trek) hat Barbara Hambly noch weitere Fantasywerke wie The Windrose Chronicles (drei Bände, 1986-93), zwei Fortsetzungen zur Darwath Trilogy (Mother of Winter (1996) und Icefalcon’s Quest (1998)), die beiden Zweiteiler Sun-Cross (1991/92) und Raven Sisters (2002 und 2005) und ein paar Einzelromane geschrieben, sich aber seit Anfang des neuen Jahrtausends verstärkt dem historischen Kriminalroman zugewandt. Was nicht zuletzt damit zu tun haben dürfte, dass ihr der ganz große Durchbruch in der Fantasy immer verwehrt geblieben ist – eine Tatsache, die nur auf den ersten Blick überraschend ist. Bedauerlich ist sie sehr wohl, denn die ungewöhnlichen Ansätze, die Barbara Hambly in ihren vordergründig konventionellen, in einem gemeinsamen Multiversum angesiedelten Fantasyromanen verfolgt hat, haben dem Genre durchaus gut getan.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind ihre Fantasyromane fast alle auch auf Deutsch erschienen und teilweise mehrfach neu aufgelegt worden, mittlerweile aber alle vergriffen.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Jack Vance, der heute 95 Jahre alt wird und damit der älteste noch lebende SF- und Fantasyautor sein dürfte. Man kann den am 28. August 1916 in San Francisco, Kalifornien, geborenen Jack (eigentlich John Holbrook) Vance wohl mit Fug und Recht als einen Giganten der SF bezeichnen, dessen Romane und Erzählungen weltweit eine begeisterte Leserschaft gefunden haben, und der eine Sonderstellung im Genre einnimmt. Kein anderer Autor ist so überzeugend darin, fremdartige Kulturen zu entwerfen und sie detailreich auszumalen (und sich dabei nicht nur auf Gesellschaftssysteme zu beschränken, sondern auch deren Überbau aus Literatur, Kunst und Musik mit einzubeziehen) – ein Aspekt, der zumindest Teile von Vances (nie technokratischer) SF auch für Fantasyleser und -leserinnen interessant machen sollte, von seinen richtigen Fantasyromanen und -erzählungen ganz zu schweigen.

The Dying Earth von Jack VanceSchon mit seinem ersten größeren Beitrag zur Fantasy – dem aus locker miteinander verbundenen Geschichten bestehenden Sammelband The Dying Earth (1950) – schuf Vance das gleichnamige Subgenre: Fantasy, die in einer fernen Zukunft auf einer alt und müde gewordenen Erde spielt, an deren Himmel die Sonne zu verlöschen droht und Magie die Technik längst abgelöst hat (ein Setting, das Clark Ashton Smiths Zothique Einiges verdankt). Hinzu kommen stilistische Elemente wie ein ironischer Erzählduktus und zwielichtige, häufig reinweg amoralische Protagonisten, die sich bevorzugt in gestelzt wirkenden Dialogen miteinander austauschen – Elemente, die in fast allen Werken von Vance auftauchen und zu einem Markenzeichen werden sollten.
Nachdem Vance sich einige Jahre lang der SF und dem Krimi zugewandt hatte, kehrte er mit dem Episodenroman The Eyes of the Overworld (1966), in dem die Abenteuer von Cugel the Clever – einem charismatischen, aber wiederum moralisch höchst fragwürdigen Trickster – geschildert wurden, zum ersten Mal ins Dying-Earth-Setting zurück. Auch danach sollten wieder etliche Jahre vergehen, in denen Vance vor allem SF schrieb (auch wenn einzelne Dying-Earth-Erzählungen beispielsweise im Magazine of Fantasy and Science Fiction oder Lin Carters Flashing-Swords-Anthologien erschienen, zu denen Vance als SAGA-Mitglied Beiträge beisteuerte), bis mit Cugel’s Saga (fixup 1983) und Rhialto the Marvelous (1984, wiederum ein Sammelband aus locker miteinander verknüpften, bereits zuvor veröffentlichten Stories) die bis dato letzten Geschichten vor dem Hintergrund der “sterbenden Erde” – zumindest aus seiner Feder – auf den Markt kamen. (Mit A Quest for Simbilis hatte der Autor Michael Shea bereits 1974 eine von Vance genehmigte Fortsetzung des ersten Cugel-Romans geschrieben, die den Ton des großen Vorbilds stilistisch und erzählerisch erstaunlich gut trifft. Und in der von George R.R. Martin und Gardner Dozois 2009 herausgegebenen Anthologie Songs of the Dying Earth erwiesen Stars des Genres von Neil Gaiman über Martin selbst bis hin zu Dan Simmons Vance ihre schriftstellerische Reverenz – mit teilweise beeindruckendem Ergebnis.)

In den 80ern erschien aber außerdem auch die Lyonesse Trilogy (Suldrun’s Garden (1983), The Green Pearl (1985) und Madouc (1989)), die fraglos zu den Meisterwerken der modernen Fantasy gezählt werden kann und Vance auf Suldrun's Garden von Jack Vancedem Höhepunkt seines Schaffens zeigt. Die Geschichte, die etwa zwei Generationen vor der Zeit von König Artus in den zehn Königreichen der westlich von Frankreich gelegenen – und mittlerweile längst im Atlantik versunkenen – “Älteren Inseln” spielt, wartet dabei mit allem auf, was man von Vance mittlerweile gewohnt war: politischen Intrigen, merkwürdigen Sitten und Gebräuchen, amoralischen “Helden”, bizarrer Magie, einem Wechselbalg, zweideutigen Prophezeiungen und Besuchen in von allerlei mehr oder weniger netten – oder bösartigen – Geschöpfen bewohnten Anderswelten. Wenn man diesem Panoptikum origineller Ideen und Motive eines vorwerfen könnte, dann vielleicht, dass die Geschichte ein bisschen episodenhaft wirkt, dass der große Rahmen, dem sich vor allem die epische Fantasy seit den frühen 80ern verpflichtet fühlt, von geringerer Bedeutung ist, als die einzelnen Episoden es sind. Doch dafür entschädigt die Qualität etlicher dieser Episoden wie beispielsweise die um die traurige Prinzessin Suldrun und ihren dem ersten Band seinen Titel verleihenden Garten.

Vances Sonderstellung im Genre dürfte unumstritten sein, seine Bedeutung für die SF und die Fantasy schon eher. Immerhin haben seine Dying-Earth-Geschichten über die o.e. Bücher hinaus auch Autoren wie Gene Wolfe (in seinem Book of the New Sun) oder Matthew Hughes (sein Archonate Universe) beeinflusst – und abgesehen von Letzterem ist bis heute kein Autor, der wirklich in seine Fußstapfen treten könnte, in Sicht.
Was Veröffentlichungen in deutscher Sprache angeht, dürfte Jack Vance zu den meist- und am vollständigsten übersetzten SF- und Fantasyautoren überhaupt gehören; selbst seine Autobiographie This is me, Jack Vance! (2009) hat es (wenn auch bisher nur in einer kleinauflagigen Liebhaberausgabe) nach Deutschland geschafft. Als Schlusswort in diesem Geburtstagsgruß für den großen alten Mann der SF & Fantasy eignet sich vielleicht am besten, was Hanns Kneifel – seinerseits ein erfolgreicher Autor von SF-, Fantasy- und historischen Romanen – einst in einem Interview über seinen berühmten Kollegen gesagt hat: “Ich bin ein leidenschaftlicher Jack-Vance-Fan. Seine Protagonisten sind mir zwar manchmal ein wenig zu indifferent – obwohl sie alles können und am Schluss auch überleben, wie es sich gehört –, aber der Mann hat wahrlich Phantasie und vor allem eine hervorragende Disziplin, mit ihr umzugehen. Er zeichnet kühne, in sich stimmige Bilder, er verweilt selten länger darin, und er ist auf jeder zweiten Seite für eine Überraschung gut – und wer kann das sonst?”

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Wir Fantasy-Leser spielen immer gerne eine Runde “was wäre wenn?”, und diese Gelüste kommen voll auf ihre Kosten, wenn der britische Historiker Philip Matyszak fragt, was wäre, wenn es einen Karriereführer für einen angehenden Legionär im Jahr 100 n. Chr. unter Kaiser Traian gegeben hätte.
Legionär in der römischen Armee von Philip MatyszakBlut geleckt hat Matyszak, Autor etlicher Sachbücher über die Antike, wohl spätestens bei Rom für 5 Denar am Tag, einem ganz im Stil moderner Reiseführer gehaltenen Handbuch für einen Ausflug ins antike Rom, das eine Reihe von Nachfolgeprodukten anderer Autoren nach sich zog.
In Legionär in der römischen Armee wird die Fiktion weiter vertieft: Man erfährt hier alles, was einen angehenden Soldaten interessieren könnte: Wer ist überhaupt tauglich? Welche Legionen gibt es, was sind ihre Vor- und Nachteile? Mit welchen Feinden hat man zu rechnen? Was für eine Ausrüstung ist zu besorgen? Konsequenterweise lautet die letzte gestellte Frage denn auch: Was könnte ich auf meinen Grabstein schreiben lassen?

Aus kuriosen Fakten und prägnanten Zitaten wird ein umfassender Überblick über das Leben in einer römischen Legion zusammengestellt. Zwischen den hemdsärmeligen und spritzigen Erläuterungen, etwa zu dem Thema, dass man als Legionär viel häufiger eine Schaufel als ein Gladius in der Hand haben wird, versteckt sich auch einiges Geschichtswissen, allerdings eher quer über das Buch verstreut als systematisch geordnet. Legionär in der römischen Armee gibt keinen tiefgreifenden Einblick über historische Zusammenhänge, vielmehr geht es um ‘soft facts’ und damit manchmal sicher ins Spekulative, wodurch das Buch um so mehr in die Grauzone zwischen Sachbuch und Fiktion einzuordnen ist. Einen stimmigen und detailreichen Ausschnitt aus der Alltagskultur bekommt man aber definitiv zu sehen.

Nun gibt es viele Bücher über die römische Armee, aber wenn man nur eines lesen möchte, sollte es dieses sein, denn der augenzwinkernde, humorvolle Stil unterhält über die 200 Seiten hinweg so hervorragend, dass man am Ende zu der Ansicht kommen könnte, der Autor hätte sich die ein oder andere Nacht mit sieben Stubenkameraden im papilio um die Ohren geschlagen.
Beispiel gefällig? Für Freunde von Das Leben des Brian ein Zitat aus der Darstellung des “assymetrischen Widerstands” der Juden:

Die Juden haben eine lange Tradition rabbinischer Gelehrsamkeit, und viele kennen ihre eigenen wie auch die kaiserlichen Gesetze im Schlaf. Das Ergebnis ist ein richtiger Strom von Gesandtschaften zum Kaiser, die ihm echte und vermeintliche Regelverletzungen bis ins Detail vortragen, während gleichzeitig eine große und rührige Guerilla die Armee auf dem flachen Land piesackt.

Besonders viel Spaß machen auch die unzähligen Geschichten, die in den Details stecken, beginnend mit der fälligen Anreise neuer Rekruten zum letztendlichen Standort der Legion, der offiziellen und inoffiziellen Hackordnung innerhalb der Truppen, bis hin zum schieren Irrsinn langjähriger Belagerungen mit variantenreichen Unterhöhlungsaktivitäten feindlicher Mauern und dem beinahe langweiligen Alltag des Legionärslebens, wenn die bloße Anwesenheit der Legion feindliche Aktivitäten eigentlich schon im Keim erstickt.
Lebendige kulturgeschichtliche Details in origineller Verpackung und dennoch durchaus mit Quellenmaterial (des öfteren auch in Bildform) untermauert – das macht vielleicht keine Lust, sich sofort freiwillig zum Dienst zu melden (vor allem nicht, wenn man von so erbaulichen Strafmaßnahmen wie dem Dezimieren erfahren hat), aber auf mehr Lektüre dieser Art durchaus. Gibt es auch, denn inzwischen ist auch ein ritterlicher Karriereführer als Me-too-Produkt auf den Markt gekommen. Hat man da mal reingelesen, weiß man um so mehr, was man an Matyszak und seinem erfrischenden Stil hat: Bitte greifen Sie zum römischen Original! 😉

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    Legionär in der römischen Armee. Der ultimative Karriereführer
    ISBN: 978-3-89678-822-1
    2010, 224 S., mit Karte, Glossar und Tipps für weiterführende Literatur
    Original: Legionary. The Roman Soldier’s (Unoffical) Manual
    Der Nachfolger “Gladiator” vom selben Autor ist noch nicht auf Deutsch erschienen.
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